Samuel Clarke’s Leben und Lehre.
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Gründer der Londoner Gesellschaft der Wissenschaften testamen
tarisch zur Unterstützung der natürlichen Religion und Moral gestif
teten Kanzel vertheidigt er das Dasein Gottes, die Unsterblichkeit
der Seele und die Freiheit des Willens mit Vernunftgründen gegen die
Anhänger des Spinoza und Hobbes, gegen Materialisten und
Atheisten. Die Folge ist, dass er einerseits von den Kirchlich
gesinnten als heterodox verschrieen, vor der bischöflichen Versamm
lung der englischen Hochkirche des Arianismus angeklagt und,
obgleich vergebens, zum Widerufe gedrängt, andererseits von den
Anhängern einer mechanischen Weltauffassung des Widerspruchs mit
sich selbst, mit der Erfahrung und Vernunft geziehen, des Supra
naturalismus und der Wundersucht beschuldigt wird.
In welchem Ansehen er trotzdem bei beiden Parteien, bei den
Strenggläubigen als einer der eifrigsten, bei den Ungläubigen als
einer der scharfsinnigsten Vertheidiger der wichtigsten Lehrsätze
über Gott und die Seele stand, geht aus dem Umstande hervor, dass
er, obgleich der Ketzerei verdächtig, doch im Besitz seiner kirch
lichen Functionen als Hofkaplan der Königin Anna belassen, anderer
seits, dass seine Beweisführung noch nach mehr als einem halben
Jahrhundert von den Angreifern der natürlichen Religion als deren
festestes Bollwerk anerkannt wurde. Als der Verfasser der Bibel des
modernen Materialismus, des Systeme de la nature, Holbach, seinen
Vernichtungsfeldzug gegen die Beweise für die Existenz Gottes
begann, suchte er vor Allem Clarke’s Demonstration derselben aus
dem Wege zu räumen und widmete ihrer punktweisen Widerlegung
iin Einzelnen ein ganzes umfangreiches Capitel seiner Schrift.
Der gleichen Anerkennung Clarke’s von Seiten der Gegner
begegnen wir bei allen hervorragenden antideistischen Schrift
stellern der Zeit z. B. bei Diderot. In seiner Lettre sur les aveugles
spricht er ausdrücklich von dem Gott Newton’s, Leibnitzen’s und
Clarke’s, so dass er diesen den beiden Andern als vollkommen eben
bürtig zur Seite stellt. Dass Newton selbst ihn als solchen behan
delte, geht aus der innigen Freundschaft hervor, die ihn bis ans
Lebensende mit Clarke verband und aus der Bitte, die er an ihn
richtete, seine Physik in die Schule und ins Leben einzuführen, was
jenem wirklich gelang. Als aber Leibnitz aus jahrelanger geheimer
Gegnerschaft gegen Newton’s Philosophie zum offenen Angriff über
ging, und in einem Schreiben an seine und Newton’s Schülerin, die