Full text: Sitzungsberichte / Akademie der Wissenschaften in Wien, Philosophisch-Historische Klasse Sitzungsberichte der Philosophisch-Historischen Classe der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften, Wien, 64. Band, (Jahrgang 1870)

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Z i m m e r m a n n 
rationalistischen Metaphysik des Cartesianismus , Spinozlsmus und 
Monadologismus auf dem Festland ebenbürtigen Ausdruck aber in 
Lord Herbert v. Cherbury und Samuel Clarke. 
Beide theilen mit ihren Zeitgenossen und Landsleuten, den eng 
lischen Freidenkern aus Locke’s und Toland's Schule die Opposition 
gegen den kirchlichen Standpunkt der positiven Offenbarung auf 
theoretischem sowol wie auf praktischem Gebiet, dem sie jedoch 
nicht wie diese eine von jeder Autorität unabhängige Erkenntniß durch 
den äussern Sinn, die Erfahrung, sondern vielmehr durch einen 
innern Sinn, die Vernunft, entgegenstellen. Diese Vernunft, welche 
sie selbst als einen Wahrheitsinstinkt bezeichnen, bedarf weder einer 
historischen Überlieferung noch einer empirischen Wahrnehmung, 
um zur Wahrheit zu gelangen. Letztere besitzt vielmehr für die sich 
selbst überlassene willen- und interesselose Vernunft eine natürliche 
Evidenz , vermöge welcher sie wie das mathematische Axiom von 
jedem, der seiner Vernunft mächtig ist, schlechterdings nicht 
nicht erkannt werden kann. 
Im Vertrauen darauf setzt der Rationalismus die Offenbarung 
durch die Vernunft als natürlich gewisse, jener durch Wunder 
und Weissagungen als übernatürlich gewisser, aber auch jener 
durch den äussern Sinn als blos zu wahrscheinlicher Erkenntniss 
führender entgegen. Sein Bemühen geht dahin, nicht nur wie der 
Deist, an die Stelle der Offenbarung einen natürlichen Beweis, 
sondern auch an die Stelle des aposteriorischen Erfahrungs- den aprio 
rischen Vernunftbeweis zu setzen. Durch jenes tritt er der kirchlichen 
Orthodoxie, durch dieses dem rein- sensualistischen Empirismus, 
durch die Behauptung der wesentlichen Übereinstimmung des In 
halts der natürlichen mit jenem der geolfenharten Religion endlich 
denLäugnern des religiösen Inhalts selbst, dem Atheismus und Mate 
rialismus entgegen. 
Dieser gleichzeitige Kampf des Rationalismus mit den Gegnern 
der Vernunft und den Vertheidigern der blossen Sinneserkenntniss 
drückt dem Leben und der Lehre Samuel Clarke’s den Stempel auf. 
Als Theolog streitet er für die Vernunft gegen die kirchliche 
Orthodoxie, als Philosoph mittelst der Vernunft gegen die Goltes- 
und Geistesläugner. Als Anhänger Newton’s nimmt er die Naturwis 
senschaft gegen den Buchstaben der Schrift in Schutz; als wissen 
schaftlicher Prediger auf der von dem Physiker Robert Boyle, dem
	        
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