Full text: Sitzungsberichte / Akademie der Wissenschaften in Wien, Philosophisch-Historische Klasse Sitzungsberichte der Philosophisch-Historischen Classe der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften, Wien, 168. Band, (Jahrgang 1911)

Das eheliche Gtiterreclit in der Summa Raymunds etc. 
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keine Verwandten vorhanden sind und das Gut, ebenso wie 
der Alleinerwerb des Mannes nach dem Tode der Frau dem 
Fiskus zufällt. Auffällig ist, daß Leibzuchtsrechte der Gattin 
bei anderem Nachlaß des Mannes, wie sie sich aus dem Beisitz 
oder dem Verfangenschaftsrecht bei bekindeter Ehe ergeben, 
nicht erwähnt sind. 
Gegen das Gewohnheitsrecht, namentlich wenn es zu 
einer Bevorzugung des Fiskus vor der Witwe führt, richtet 
sich eine schon von Tomaschek (S. 55) erwähnte scharfe 
Kritik; es erscheint Baymund höchst widersinnig (valde 
absurdum) aus zwei Gründen, die beide deutschrechtlichen 
Gedanken entspringen: einmal darum, weil die Frau zum 
Erwerb durch ihre Mitarbeit beigetragen hat (die deutsch 
rechtliche Vorstellung, daß die Sache dem gehört, durch 
dessen Arbeit sie entstand), dann aber, weil gemeinschaftliche 
Sachen beim Wegfall eines Miteigentümers dem andern zu 
fallen, res indivise ab uno in alium devolvuntur (das deutsch 
rechtliche Gesamthandsverhältnis ist nicht vererblich, sondern 
es konsolidiert sich im Überlebenden). 
Baymund spricht sich jedoch für das Alleinerbrecht der 
Witwe an der Errungenschaft nur mit einer Einschränkung 
aus. Hinterläßt der Mann veros heredes (d. h. wohl ,rechte' 
Erben = Nachkommen 1 ), so zerfällt die Errungenschaft in 
zwei gleiche Teile, der eine fällt der Frau zu freiem Eigen, 
der andere nur zur Leibzucht zu und bleibt den Erben ver 
fangen. Baymunds Ansicht ist ein Kompromiß zwischen 
den beiden eben damals in Österreich um die Herrschaft 
ringenden Bechtssystemen, dem Verfangenschafts- und dem 
Teilrecht. Dem ersten entstammt die Idee, Leibzucht der 
Mutter mit unverletzlichem (v. ,illesa‘) Anwartschaftsrecht 
der Kinder zu verbinden, dem letzten der Gedanke, der 
Mutter sofort einen Teil zu freier Verfügung einzuräumen. 
Baymunds Ansicht ist der Witwe sehr günstig, weil sonst die 
Vorteile des Teilrechts für den verwitweten Teil an den Ver 
zicht auf die Leibzucht am restlichen Vermögen geknüpft sind. 
1 Bartsch, Seelgerätsstiftungen S. 19. 
Sitzungstier. d. phil.-hist. Kl. 168. Bd. 4. Abh. 
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