Voltaire-Stadien.
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auch immer geschichtliche und geschichtsphilosophische Arbeit.
Die zerstreuten und versprengten Fractiönchen sammeln sich,
mischen sich und siehe da, neue Gebilde treten an den Tag.
Wer wollte und könnte die Mannigfaltigkeit der Uebergangs-
gestaltungen kennzeichnen ? Eine Richtung nur zeigt eine
gewisse Continuität; man kann sie als die Vorstufe der Auf
klärung bezeichnen, nämlich die Skepsis, deren Vertreter Mon
taigne, Charron, de la Mothe le Vayer, Bayle progressiv im
Sinne des achtzehnten Jahrhunderts wirken, wo hingegen Er
scheinungen, wie die Skepsis Huet’s, auch Pascal’s, dieses Ver
dienst nicht haben.
Fontenelle’s ,histoire des oracles' und St. Evremo.nt’s
historische Schriften gehören dann schon ganz der neuen Welt
an, wiewohl sic durch kräftigere Emanationen in den Schatten
gestellt wurden. Insbesondere leitet St. Evremont direct auf
Montesquieu und Voltaire, schon als Kenner Englands, des
eigentlichen Mutterlandes der Aufklärung. Dahin wenden wir
uns auf einige Augenblicke.
In England stand es das siebenzehnte Jahrhundert hin
durch mit den historischen Studien übel. • Zunächst wird sich
der Exeget dieser Erscheinung an die politischen Zustände
des Königreichs erinnern müssen. Er wird jedoch auch be
merken, dass das Interesse bereits in Anspruch genommen
war. Denn die Wissenschaften treiben es, wie die realen Wesen
dieser Welt oder die Vorstellungen in unserer Seele; eine sucht
die andere zu verdrängen, und wenn eine im Blickpunkte der
allgemeinen Aufmerksamkeit ist, so übernimmt sie auch die
Sorge dafür, dass keine zweite über den Horizont emportauche.
Weil die Naturwissenschaften gross und erfolgreich dastanden,
so lagen die Geisteswissenschaften unterhalb der Schwelle des
Allgemeinbewusstseins. Auch die Philosophie Englands war
der Historie wenig günstig, wenig die Philosophie Bacon’s und
Hobbes’, etwas mehr die Locke’s. Doch kehrte sie der Be
trachtung des socialen und politischen Menschen wenigstens
nicht den Rücken, wie der Cartesianismus. Einen entschiedenen
Impuls empfing das geschichtliche Studium an der Wende des
siebenzehnten und achtzehnten Jahrhunderts von Seiten der
Theologie; die kritische Thätigkeit der Deisten, der free-
fhinkers, die Controversen, welche sich entspannen, eröffneten