SITZUNGSBERICHTE
DER KAISERLICHEN
AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN.
PHILOSOPHISCH-HISTORISCHE CLASSE.
FÜNFUNDNEUNZIGSTER BAND.
WIEN, 1880.
IN COMMISSION BEI CARL GEROLD’S SOHN
BUCHHÄNDLER DER KAIS. AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN.
SITZUNGSBERICHTE
DER
PHILOSOPHISCH-HISTORISCHEN CLASSE
DER KAISERLICHEN
AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN.
FÜNFUNDNEUNZIGSTER BAND.
JAHRGANG 1879. — HEFT I—IV.
WIEN, 1880.
IN COMMISSION BEI CARL OEROLD’S SOHN
BUCHHÄNDLER DER KAIS. AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN.
300122
Druck von Adolf Holzhausen in Wien.
k. k. Hof- und Universitäts-Buchdrucker.
1
INHALT.
Seile
XVI. Sitzung vom 2. Juli 1879
Mayr: Voltaire-Studien
Krall: Die Composition und die Schicksale des Manetho-
nischen Geschiehtswerkes
XVII. Sitzung vom 9. Juli 1879
Höfler: Abhandlungen aus dem Gebiete der slavischen Ge
schichte. 1
XVIII. Sitzung vom 16. Juli 1879
Pfizmaier: Begebenheiten neuerer Zeit in Japan ....
, Dudik: Historische Forschungen in der kaiserlichen öffent
lichen Bibliothek zu St. Petersburg
Fellner: Zur Geschichte der attischen Finanzverwaltung im
fünften und vierten Jahrhunderte
329
383
, Knüll: Das Handschriftenverhältniss der Vita S. Severini des
Eugippius
XIX. Sitzung vom 8. October 1879
XX. Sitzung vom 15. October 1879
^Gebauer; Nominale Formen des altböhmischen Comparativs
Höfler: Abhandlungen aus dem Gebiete der alten Geschichte. VII.
XXI. Sitzung vom 22. October 1879
XXII. Sitzung vom 5. November 1879
Horawitz: Erasmiana. II
XXIII. Sitzung vom 12. November 1879
Muth: Heinrich von Veldeke und die Genesis der romantischen
und heroischen Epik um 1190
Rzach: Studien zur Technik des nachhomerischen heroischen
Verses
XXIV. Sitzung vom 19. November 1879
Höfler: Abhandlungen aus dem Gebiete der slavischen Ge-
613
schichte. II. und III
XXV. Sitzung vom 3. December 1879
XXVI. Sitzung 1 vom 10. December 1879
Pfizmaier: Die Sammelhäuser der Lehenkönige Chinas .
XXVII. Sitzung vom 17. December 1879
SITZUNGSBERICHTE
DER
KAISERLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN
PHILOSOPHISCH-HISTORISCHE CLASSE.
XCV. BAND. I, HEFT.
JAHRGANG 1879. - JULI.
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SitzungsHer. d. pliil.-h.ist. CI. XCV. Bd. I. Hft.
1
Ausgegeben am 20. December 1879.
XYI. SITZUNG VOM 2. JULI 1879.
Der Verein böhmischer Aerzte in Prag ladet zu der in
Gemeinschaft mit der Königgrätzer Stadtvertretung am 3. August
d. J. zu begehenden Feier der Einsetzung einer Gedenktafel
an dem Geburtshause Rokitansky’s ein.
Das w. M. Herr Hofrath Alfred Ritter von Krem er über
mittelt einen Betrag von fünfhundert Gulden zum Zwecke der
Unterstützung einer herzustellenden Textausgabe der ,Geogra
phischen Beschreibung Arabiens' von Hamdäny.
Herr Siegfried Mekler, Supplent an dem k. k. akademi
schen Gymnasium, legt eine Abhandlung: ,Ueber einige lücken
hafte Stellen des Euripides-Textes' mit dem Ersuchen um ihre
Veröffentlichung in den Sitzungsberichten vor.
An Druckschriften wurden vorgelegt:
Academie des Inscriptions et Belles-Lettres: Comptes rendus. XV C Serie.
Tome VII. Bulletin de Janvier-Fevrier-Mars. Paris, 1879; 8 11 .
— royale des Sciences, des Lettres et des Beaux- Arts de Belgique. Bulletin.
48“ Annee, 2 C Serie, Tome 47. Nr. 5. Bruxelles, 1878; 8°.
Accademia, reale della Crusca: Atti. Firenze, 1879; 8 U .
Akademie der Wissenschaften, königl. preussische, zu Berlin: Monatsbericht.
April 1879. Berlin; 8°.
4
Ambrosi, Francesco: Profili di una storia degli Scrittori e Artisti Trentini.
Borgo, 1879; 8°.
Central-Commissior, k. k. statistische: Statistisches Jahrbuch für das
Jahr 1876. VII. Heft. Wien, 1879; 8°. Fiir das Jahr 1877. IX. Heft.
Wien, 1879; 8°.
Christiania, Universität: Aarsberetning for Aaret 1876 og 1877 med Bi-
lage. Christiania, 1877 og 1878; 8°. — Universitets- og Skole-
Annaler. Tredie Racke. 3. og 4. Hefte. Juli 1877. Christiania, 1877; 8°.
Tredie Racke. XV. 1. og 2. Hefte. Juli 1878. Christiania; 8°. 3. Hefte.
Februar 1879. Christiania; 8°.
— Widenskabs-Selskabet: Forhandlinger. Aar 1876. Christiania, 1877; 8°.
Aar 1877 og 1878. Christiania, 1878/79; 8°. — Register 1868—1877. Chri
stiania, 1879; 8°. •—Fortegneise over Separat-Aftryk. Christiania, 1878; 8°.
— Norske Rigsregistranter Tildeeis i Uddrag. 6. Binds, 2. Hefte. 1631—1634
ved Otto Gr. Lundh. Christiania, 1877; 8°. 7. Binds, 1. Hefte. 1635—
1637 ved Otto Gr. Lundh. Christiania, 1877; 8°.
— Heilagra Manna Sögur: af Dr. C. R. Unger. II. Christiania, 1877; 8°.
Altitalische Studien von Sophus Bugge. Christiania, 18.78; 8°.
— Beretning om Bodsfaengslets Virksomhed i Aaret 1876 og 1877. Chri
stiania, 1877/78; 8°.
— Festskrift til det kgl. Universitet i Upsala ved dets Jubilaeum i September
1877. Christiania, 1877; 4«.
Greifswald, Universität: Akademische Schriften pro 1878. 37 Stück
4° und 8°.
Mittheilungen aus Justus Perthes’ geographischer Anstalt von Dr. A.
Petermann. XXV. Band, 1879. VI. Gqtha; 4°.
,Revue politique et litteraire“ et ,Revue seientifique de la France et de
l’Etranger 1 . VlII e Annee, 2 e Serie. Nr. öl et 52. Paris, 1879; 4°.
Society, the American geographical: Bulletin. 1879. Nr. 2. New York; 8°.
Ungarischer Karpathen-Verein: Jahrbuch. VI. Jahrgang. 1879. Kesmärk; 8°.
Verein, croatiscli-archäologischer: Viestnik. Godina I. — Br. 3. U Zagrebu,
1879; 8°.
— für Landeskunde von Niederösterreieh: Blätter. Neue Folge. XII. Jahr
gang. Nr. 1—12. Wien, 1878; 8 U . — Topographie von Niederösterreich.
II. Band. 4. und 5. Heft. Wien, 1879; 4°.
— militär-wissenschaftlicher, in Wien: Organ. XVIII. Baud. 4. und 5. Heft.
Wien, 1879; 8°.
Mayr. Voltaire-Studien.
5
Voltaire-Studie n.
Von
Dr. Richard Mayr.
Voltaire’s königliche Stellung in der Literatur haben
Freund und Feind anerkannt. Seinen thatsächlichen Einfluss
hat noch Niemand bestritten. Aber diese Taxation seiner histo
rischen Bedeutung und die Würdigung des relativen oder
absoluten Werthes seiner Leistungen auf den mannigfaltigen
Gebieten des Schriftthums sind zweierlei Dinge. In letzterer
Beziehung ist das Urtheil noch keineswegs zur Ruhe gekommen.
Die nachfolgenden Studien bezwecken, zur Klärung des Urtheils
beizutragen. Sie erstrecken sich über ein Gebiet, auf welchem
Voltaire geradezu Epoche macht ; sie betreffen seine histo
rischen und geschichtsphilosophischen Werke.
Im Jahre 1731 debutirte er mit seinem Karl XII. Zwischen
dem Erscheinen dieses seines Jugendwerkes und der welt
berühmten universalhistorischen Arbeiten liegt eine Frist von
zwei Decennien. Poetische und naturphilosophische Schriften
schienen seine Thätigkeit vollständig zu absorbiren. Allein
seine englischen Briefe und andere mehr vereinzelte Aeusse-
rungen beweisen uns, dass der geschichtliche Mensch auch zu
dieser Zeit in die Sphäre seiner Studien einbezogen blieb. Zu
dem wissen wir aus seinen Briefen und aus seiner Biographie,
dass er um 1740 sich mit einer Lebhaftigkeit und Ausdauer
der Geschichte zuwandte, wie dies nur seinem unvergleich
lichen Naturell möglich war. Concepte, die er damals zu
Papier brachte, circulirten lange, bevor seine gereiften Ar
beiten im Drucke erschienen, unter Freunden und Anhängern.
G
Mayr.
1744 wurde er zum Historiographen von Frankreich ernannt,
was ihn bewog, die Geschichte Ludwig XIV. zu fördern und
auch die des regierenden Königs in Angriff zu nehmen. Um
das Jahr 1750 begann endlich die lange zurückgedämmte Fluth
historischer, politischer, philosophischer Schriften sich über die
gebildete Welt zu ergiessen, welche längst gewohnt war, auf
ihn als ihr Orakel zu lauschen. Die Liste aller diesbezüglichen
Werke, Abhandlungen, Gelegenheitsschriften, Artikel würde
allzuviel Raum einnehmen; bis in seine Romane und Poeme
können wir die Gedanken verfolgen, welche der Auffassung
geschichtlicher Dinge bei ihm zu Grunde liegen.
I.
Voltaire’s Verhältniss zu seinen Vorgängern anf dem
Gebiete der Geschichtschreibung.
Den letzten entscheidenden Anstoss zu umfassenderen
historischen Studien gab Voltairen seine berühmte Freundin,
die Marquise du Chätelet. Voltaire selbst spricht davon zu
wiederholten Malen. Nachdem die merkwürdige Frau Mathe
matik, Newton’s Physik und Leibnizens Philosophie bewältigt
hatte, warf sie sich mit unersättlichem Wisseustriebe auch auf
Geschichte; davor hatte ihr bisher stets gegraut. 1 ,Diese
philosophische Dame', sagt Voltaire, ,fühlte sich vornehmlich
durch zwei Dinge zurückgestossen: durch die langweiligen
Details und die haarsträubenden Lügen, wie sie den grössten
Theil unserer historischen Compilationen erfüllten; sie wollte
Geschichte lesen und fand nichts als ein Chaos, eine An
häufung nutzloser Facten; sie verzichtete also auf ein eben so
trostloses, wie grenzenloses Studium, das den Geist zu Boden
drückt, ohne ihn aufzuklären.' Da entwickelte ihr Voltaire
1 Vgl. Memoires pnur servir k la vir de Voltaire ecrits par lui-metne,
composes 1759. — AM... profess. en hist., 1753. — Preface zur Aus
gabe des Essai von 1754. — Remarques pour servir de suppl. k l’Essai,
1763, I. — Fragments sur l’hist. gener., 1773, I.
Voltaire-Studien.
7
seine Vorstellungen von einer geistvolleren Art Geschichte zu
betreiben, und siehe da, beide warfen sich nun mit Eifer auf
ein Studium, dessen schwierigere Hälfte, nämlich die Arbeit,
auf Voltaire fiel. ,Ich war anfangs überrascht, wie wenig
Unterstützung ich in den zahllosen Büchern fand. Das einzige
was mich bei diesen so undankbaren Studien aufrecht erhielt,
war der Umstand, dass wir ah und zu etwas über Künste und
Wissenschaften vorfanden. Darauf richteten wir unser Haupt
augenmerk . . . Sie (die Marquise nämlich) wollte das Genie,
den Charakter, die Gesetze, Vorurtheile, Culte, Künste der
Völker kennen lernen', während sie in den alten Büchern nur
fand, ,dass im Jahre der Schöpfung 3200 oder 3900, gleich
viel, ein unbekannter König einen noch unbekannteren in der
Nähe einer Stadt, deren Lage vollständig unbekannt war, in
die Flucht geschlagen habe.'
Aus diesen Aeusserungen geht zur Genüge hervor, dass
dasjenige, was Voltaire zum Studium der Geschichte führte,
eigentlich der klägliche Durchschnittszustand dieser Wissen
schaft und das Bedürfniss der Zeit nach einer höheren Art von
Historiographie war, welches Bedürfniss wir uns in der ,gött
lichen Emilie' so zu sagen verkörpert denken können. Voltaire
arbeitet im stillen Aufträge der Gebildeten, der ,honnetes gens'
seiner Zeit, welchen das Alte nicht mehr genügte und welche
die Welt, wie die Wissenschaft nach ihrer Facon geformt wissen
wollten. Voltaire ist der Geschichtschreiber oder besser der
Geschichtsphilosoph dieser neuen Welt, mehr noch als ihr
Denker oder Dichter. Was aber fand er vor?
Die ältere Geschichtschreibung, die Voltaire in Bausch
und Bogen verurtheilte, zeigte denn doch Eigenschaften und
Leistungen, welche ihn selbst veranlassten, sein Verdict im
Einzelnen zu mildern. Zudem boten Andere, die wir als
seine Vorläufer betrachten können, Anknüpfungspunkte in
Menge, Uebergänge, welche die historische Continuität zwischen
dem Zeitalter Ludwig XIV. und dem Zeitalter Voltaire’s her-
stellen. Werfen wir also auf die verschiedenen Richtungen
der vor-Voltaire’schen Geschichtschreibung einen orientirenden
Blick; Voltaire’s Verhältniss zu seinen Vorgängern soll uns in
das Verständniss seiner historiographischen Leistungen ein
führen.
8
M ayr.
Voltaire macht in dem alphabetischen Schriftsteller-Ver
zeichniss, das er seinem Siede de Louis XIV voranschickt, bei
läufig hundert Historiker, d. i. dreissig Procent der verzeichneten
Schriftsteller, namhaft. Man kann daher mit Recht von einem
schwunghaften Betriebe dieses Literaturzweiges sprechen, um so
mehr, wenn man bedenkt, dass es auch den Deutschen, Ita
lienern, Engländern, Nordländern nicht an Historikern fehlte. 1
Eines hatte der Gelehrte jener Tage überdies noch vor dem der
unserigen voraus, das geographisch minder eingeschränkte Publi
cum, woferne er lateinisch oder französisch schrieb. Freilich
erwuchs demselben daraus eine Mehrbelastung mit Lecture,
weshalb denn auch die Majorität im Lesen und Compiliren auf
ging. Doch würde man irren zu glauben, es habe der vor-
Voltaire'schen Zeit ganz an lebendigen Motiven oder tieferen
Auffassungen des Geschichtsstudiums gefehlt. Die Renaissance
und in gewisser Hinsicht auch die Reformation hatten die
geistige Thätigkeit der abendländischen' Welt höher gestimmt:
das vei'lor sich nicht gänzlich, als die religiösen Kämpfe die
Culturentwicklung Europas zum Stillstände brachten; ja die
reactionären Strömungen des siebzehnten Jahrhunderts waren
nicht so unfruchtbar, als man nur allzugeme annimmt. Was
Frankreich im Besonderen betrifft, so waren es weniger die
humanistischen und religiösen Interessen, die zur Geschichte
führten, wie in Italien und Deutschland der Fall war, sondern
die politischen. 2 Reale Politik und rationale Politik fim Sinne
1 In Le Long’s Bibliotheque sind, wie Voltaire angibt, 17.487 bloss anf die
Geschichte Frankreichs bezügliche Werke Terzeichnet, darunter Werke
von mehr als hundert Bänden. (Le Long’s Bibliotheqne war 1719 in erster
Auflage erschienen.) ,Znus Glück ist die Mehrzahl dieser Biieher das
Lesen nicht werth*, setzt Voltaire hinzu. (Remarques de l’Essai 1763,
Nr. 20.) Die auf fünf Folianten vermehrte Ausgabe von 1768—1778 ent
hält bereits mehr als 42.000 Kümmern. — ,11 feudrait vivre Cent ans, pour
lire senlement tous les histoires depuis Francois I.‘ (A Belle-Isle, 4. Ang.
1752.) — Voltaire konnte in Betreff seiner Zeit sagen: ,L’histoire est la
partie des helles-lettres qui a le plus de partisans dans tous les pays‘.
(A Cideville, 9. Juli 1754.)
3 Vgl. Monod in der Revue historiqne I. Du progres des etudes historiques
en France depuis le XVI’“ siede. — Buckle, Geschichte der Civilisation,
13. Cap. — Flint, Philosophy of history, p. 76 ff. — Wachler, Geschichte
der historischen Forschung und Kunst. — La Harpe, Lycee, T. X, C. 2.
Voltaire-Studien.
9
der politischen Theorie) kreuzten sich zu Ende des sechzehnten
Jahrhunderts in den Erscheinungen der historischen Literatur.
Es ist die Zeit Bodin’s, Popeliniere’s, Hotman’s u. A. Aber
dieser freien, theoretisirenden, dabei nicht allzu kritischen
Geschichtschreibung machten die ungünstigen Verhältnisse ein
Ende; das siegreiche Königthum liess dann nichts Wider
strebendes mehr aufkommen. Auch die Philosophie erweckte
zunächst kein höheres Interesse für die Geschichte. Vom
Scholasticismus ganz zu schweigen, so standen sowohl Cartesius
wie Malebranche der historischen Welt vollkommen fremd, ja
ahnungslos gegenüber. Sie liess sich nicht construiren und in
die Formeln des Calculs zwängen; sie war ihnen kein Gegen
stand des Nachdenkens, sie galt als Zeitverlust. 1
Wenn aber auch das Königthum alle spontanen Regungen
unterdrückte, so war es doch aus Gründen der Selbsterhaltung
getrieben, seinen Gedankeninhalt und sein Interesse voll und
nach allen Seiten zu entfalten, das voll und imposant Entfaltete
aber den Geistern mit allen Mitteln, von der einschmeichelnden
Ueberredung angefangen bis zur Dragonadenwirthschaft, aufzu-
nöthigen. Der Ruhm der Vergangenheit, die Einsicht in die
historische Nothwendigkeit, die Reflexion auf den Zusammen
hang des irdischen mit dem überirdischen Königthume sollte den
Lustre der Monarchie vermehren helfen. Sie bedurfte einer
historischen Rechtfertigung; das ihr entsprechende Gedanken
system wäre unvollständig gewesen ohne die Heranziehung der
Geschichte. Ja, in dem Maasse als infolge des Systemes geistige
Kraft überschüssig wurde, musste dafür gesorgt werden, dass
diese nicht in feindliche Spannung gerathe. Jedes Machtsystem
sucht die Geister zu binden, und bevor nicht die constitutionellen,
demokratischen oder socialistischen Systeme darauf feierlichst
Verzieht leisten, dürfen sie es, mindestens dem Principe nach, den
theokratisehen, monarchischen oder oligarehisehen Herrschaft-
Vereinigungen nicht übel nehmen. Eine besondere, ausnahms
weise Schurkerei oder Servilität war es daher von den Zeit
genossen Ludwig XIV. nicht, wenn sie die Geschichte dem
1 YgL H. Taine, Entstehung des modernen Frankreichs (übersetzt von
Kätscher) I. p. 188. — Und wenn es erlanbt ist. sich selbst zu eitiren,
meine .Geschichtsauffassung der Neuzeit* 6. Cap.
10
Mayr.
herrschenden Systeme anzupassen suchten; desgleichen war es
keine exceptionelle Schandthat der Regierung, dass sie die ihr
günstige Historie sich gefallen Hess und protegirte. Gleich
wohl bietet ein derartiges Verhältniss zwischen den herrschenden
Gewalten und der Wissenschaft ein beinahe untrügliches In-
dicium, dass die letztere den ersteren sich und die Wahr
heit zum Opfer bringt. Zwar überreden sich die Menschen
gerne, dass dies nicht der Fall sei; häufig verstehen sie
auch das Verlangen nach Wahrheit gar nicht: Wahrheit und
Interesse decken sich für die im Weltlebcn befangenen Geister
bis zur Ununterscheidbarkeit. Es ist nur den auserwählten
Geistern auserwählter Zeiten Vorbehalten, über den Bann
kreis der Interessen hinauszublicken und damit den Muth
zu verbinden, das, was sie gesehen, auch zu bekennen. Eine
solche auserlesene Zeit war das Jahrhundert Ludwig XIV.
keineswegs, wenngleich es innerhalb seiner Grenzen voll Pathos
und ethischen Schwunges war. Das erhebende Schauspiel
einer nur dem Gebote des Wahren und Guten hingegebenen
Wissenschaft wurde den Menschen erst im Zeitalter der
Aufklärung zu Theil. Hoffen wir, dass es sich nie wieder
vergisst.
Unter Ludwig XIV. waren natürlich die Geistlichen, als
die Vermittler beider Welten, diejenigen, welche das dem
Ganzen entsprechende Geschichtssystem in Pflege und Aus
bildung nahmen. Die ludovicianisclie Hof- und Staats-Geschicht
schreibung ist durchaus hoch gestimmt, loyal, christlich, wohl
redend, vornehm. Wir finden einen Universalhistoriker, wie
Bossuet, dessen Discours das grösste Meisterwerk classicistischer
Prosa und in vieler Hinsicht das Vorbild Montesquieu’s, Vol-
taire’s u. A. darstellt. Besonders enthält der dritte Abschnitt
geistvolle Analysen und Reflexionen, die unübertroffen da
stehen. 1 Wir finden einen Nationalhistoriker, wie den Jesuiten
Daniel, einen namentlich von Voltaire viel geschmähten Mann,
von dessen französischer Geschichte heute, im Zeitalter der
Republik, in der wissenschaftlichsten historischen Zeitschrift des
Landes gesagt wird, dass sie nicht nur alle Vorgängerinnen,
sondern auch die meisten ihrer Nachfolgerinnen weit über-
1 Lobrede bei Nisard, Histoire de la littdrature fran?aise XII, 294 ff.
Voltaire-Studien.
ll
treffe. 1 Da schreibt der Abbe Fleury eine Kirchengeschichte,
welche selbst Voltaire Worte der Achtung abnöthigt. Und
so fort. Eines aber fehlte dieser Gruppe von Hofsc.ribenten,
ein Ding, das freilich für einen Historiker so wichtig ist, wie für
eine Frau der Ruf der Keuschheit, nämlich aller und jeder
kritische Sinn. Unter den geistreichsten Reflexionen tummeln
sich im Schmucke pompösester Diction die abgeschmacktesten
Fabeln, Anekdoten, Erdichtungen. Im Ganzen betrachtet fehlt
allerdings dem Zeitalter die Kritik nicht; aber es ist schade,
dass die Historiker keine Kritiker waren, und die Kritiker
keine Historiker. Für sich betrachtet sind die Kritiker des ludo-
viciauischen Zeitalters von höchster Achtbarkeit; sie machen
in vieler Beziehung Epoche. Da ist es nun eigentliümlich zu
beobachten, dass es wiederum die Geistlichen sind, welche diese
kritische Richtung vertreten. Noch eigenthümlicher aber ge
staltet sich das Verhältniss der verschiedenen Orden zu ihrem
kritischen Geschäft. Die Weltgeistlichcn spielen als Kritiker
keine hervorragende Rolle. Die Jesuiten sind in allen Sätteln
fest; sie produciren reine Hofhistoriographen, die, wenn es
sich gerade schickt, nebst dem König auch den Zwecken ihres
Ordens dienen, wie z. B. Daniel; wir finden unter ihnen Sammler,
Kritiker, Editoren wie Sirmond, Labbe, Bolland; einen Chrono
logen ersten Ranges und zugleich Universalhistoriker im alten,
nicht gallicanisirten Stile, wie Petau ; Fabulisten mindester
Qualität und einen fast wahnwitzigen Skeptiker, wie Hardouin,
welcher den Quintilian und den Gregor von Tours zu Schrift
stellern des vierzehnten Jahrhunderts p. Chr. n. macht, den
Karl Marteil für ein Hirngespinst erklärt und nur den Münzen
unbedingten Glauben schenkt. 2
Dagegen treten die Benedictiner als eine geschlossene,
einheitlich arbeitende, wohl disciplinirte Corporation auf, deren
kritische Leistungen wahrhaft epochal genannt zu werden ver
dienen. Die Namen Mabillon, Montfaucon ehren ihren Orden,
1 Revue historique I, p. 18. — Uebrigens besitzen wir eine noch unmittel
barer mit dem Hofe zusammenhängende Geschichte Frankreichs, nämlich
aus der Feder des Dauphin, welcher sie unter der Leitung Bossuet’s
schrieb.
2 Wuttke, Ueber die Gewissheit der Geschichte (Festschrift zu Wachs-
muth’s 101. Docentensemester, Leipzig 1865) p. 5 ff.
12
Mayr.
ihre Wissenschaft, ihr Vaterland. Ausser den Benedictinern
glänzten noch die Oratorianer: ein Lelong, Lecointe, Richard
Simon. Was diese mehr minder erbgesessenen Corporationen
betrifft, so hatten sie ausser dem wissenschaftlichen noch ein
anderes Motiv, das sie in einer gewissen Opposition gegen
das System Ludwig XIV. hielt. Bewahrten die Jesuiten ihre
vollständige Ungebundenheit, so wollten die Benedictiner das
Ihrige vor einer Gewalt schützen, die ihrer Natur nach über
greifend, nur zu häufig die Tendenz zeigte, mit alten Institu
tionen wenig Federlesens zu machen. Als nun insbesondere die
Jesuiten auf die Schwäche der pergamentnen Rechtstitel dieses
besitzfrohen Ordens hinwiesen, da musste er daran denken,
durch sorgfältige Untersuchungen über die Haltbarkeit seiner
Besitzthümer ins Klare zu kommen. Wir sehen somit, dass
selbst das dominirende und die Geister zwingende System des
grossen Königs in den ihm zunächst stehenden Gesellschafts
kreisen selbständige Strebungen nicht unmöglich machen konnte,
wie viel weniger in abliegenden Kreisen.
Ueber die Jansenisten, die allei'dings einen namhaften
Historiker zu den ihren zählten, Tillemont, wäre nicht viel zu
sagen. 1 Dagegen blitzte bald da, bald dort ein oppositioneller
Gedanke auf; man versuchte anders zu empfinden, zu urtheilen,
zu wollen und auch die Geschichte zu betrachten, als es der
Hof gerade vorschrieb. Zumal als das Königthum von seiner
Culmination rasch abwärts glitt, da mehrten sich die Kritiker,
die Zweifler, die Warner, die Zukunftsmenschen. Alle Zukunfts
menschen haben aber auch ein nach rückwärts gewandtes
Antlitz, und wo sich die Zukunftsmenschen mehren, da gibt es
1 Dem tiefsten Gehalte seiner Partei hat Pascal Ausdruck gegeben, übrigens
ein Mann von der ausserordentlichsten Originalität. Seine Petfs6es ent
halten manchen auch für den Geschichtsphilosophen interessanten Licht
blick. Besondere Celebrität geniesst sein Apercu über den Fortschritt
der neueren Jahrhunderte, die eigentlich die älteren heissen sollten,
während das sogenannte Altertlmm der Jugend des Geschlechtes näher
stünde. Ein Gedanke, den schon Otto von Freising im zwölften Jahr
hundert ausgesprochen hatte.
Ueber Tillemont äussert sich Voltaire folgendermaassen : Son histoire
des empires et ses seize volumes de l’histoire ecclesiastique sont Berits
avec autant de verite que peuvent l’etre des compilations d’anciens hi-
storiens. (Si&cle de Louis XIV. Catal. des ecriv. s. v. Lenain.)
Voltaire-Stadien.
13
auch immer geschichtliche und geschichtsphilosophische Arbeit.
Die zerstreuten und versprengten Fractiönchen sammeln sich,
mischen sich und siehe da, neue Gebilde treten an den Tag.
Wer wollte und könnte die Mannigfaltigkeit der Uebergangs-
gestaltungen kennzeichnen ? Eine Richtung nur zeigt eine
gewisse Continuität; man kann sie als die Vorstufe der Auf
klärung bezeichnen, nämlich die Skepsis, deren Vertreter Mon
taigne, Charron, de la Mothe le Vayer, Bayle progressiv im
Sinne des achtzehnten Jahrhunderts wirken, wo hingegen Er
scheinungen, wie die Skepsis Huet’s, auch Pascal’s, dieses Ver
dienst nicht haben.
Fontenelle’s ,histoire des oracles' und St. Evremo.nt’s
historische Schriften gehören dann schon ganz der neuen Welt
an, wiewohl sic durch kräftigere Emanationen in den Schatten
gestellt wurden. Insbesondere leitet St. Evremont direct auf
Montesquieu und Voltaire, schon als Kenner Englands, des
eigentlichen Mutterlandes der Aufklärung. Dahin wenden wir
uns auf einige Augenblicke.
In England stand es das siebenzehnte Jahrhundert hin
durch mit den historischen Studien übel. • Zunächst wird sich
der Exeget dieser Erscheinung an die politischen Zustände
des Königreichs erinnern müssen. Er wird jedoch auch be
merken, dass das Interesse bereits in Anspruch genommen
war. Denn die Wissenschaften treiben es, wie die realen Wesen
dieser Welt oder die Vorstellungen in unserer Seele; eine sucht
die andere zu verdrängen, und wenn eine im Blickpunkte der
allgemeinen Aufmerksamkeit ist, so übernimmt sie auch die
Sorge dafür, dass keine zweite über den Horizont emportauche.
Weil die Naturwissenschaften gross und erfolgreich dastanden,
so lagen die Geisteswissenschaften unterhalb der Schwelle des
Allgemeinbewusstseins. Auch die Philosophie Englands war
der Historie wenig günstig, wenig die Philosophie Bacon’s und
Hobbes’, etwas mehr die Locke’s. Doch kehrte sie der Be
trachtung des socialen und politischen Menschen wenigstens
nicht den Rücken, wie der Cartesianismus. Einen entschiedenen
Impuls empfing das geschichtliche Studium an der Wende des
siebenzehnten und achtzehnten Jahrhunderts von Seiten der
Theologie; die kritische Thätigkeit der Deisten, der free-
fhinkers, die Controversen, welche sich entspannen, eröffneten
14
Mayr.
der Forschung bisher verschlossene Gebiete. Bolingbroke ver
einigte dann die geistige Aufklärung mit der Erfahrung und
Gesinnung des Weltmannes und Politikers. Seine Briefe über
das Studium der Geschichte bezeichnen auf historischem Ge
biete den Beginn eines neuen Zeitalters. Bei ihm sind sie alle
in die Schule gegangen, Engländer wie Franzosen. Daneben
vertieften sich die Engländer mit der ihnen eigenen Akribie
in das Studium der Alterthümer, welches seinen ursprünglichen
Charakter des Dilettantismus und der Curiosität immer mehr
abstreifte, um methodischer und philosophischer zu werden.
Die englische Historiographie um die Mitte des achtzehnten
Jahrhunderts steht dann schon unter dem Einflüsse der Fran
zosen, hauptsächlich Voltaire’s.
Hören wir nun, wie sich Voltaire über seine näheren
und entfernteren Vorgänger auf liistoriographischem Gebiete
äussert. ,Cette nouvelle passion des archives n ! a peut-etre pas
6000 ans d’antiquite/ So lange die Menschen tief in ihren
eigenen Sorgen stecken, fragen sie nicht um die ihrer Vor
fahren. Die ,passion de Fhistoire' ist ein Kind der Müsse. 1
Erst nach vielen Anläufen gelingt es den in ihrer Entwickelung
fortgeschritteneren Völkern Materialien zu sammeln, zu formen,
zu verbinden, endlich Geschichte zu schreiben. Aber die alten
Zeiten sind in solchen Geschichten durch blosse Fabeln re-
präsentirt; die jüngeren durch ein Gemisch von Fabel und
fragmentarischer Ueberlieferung, wie wir aus Herodot und
Fabius Pictor ersehen können. Dieses ungünstige Verhältniss
zeigt sich bei den geistig erwecktesten aller Völker; wie viel
ungünstiger müssen die Dinge anderwärts stehen. - Insoweit
die Geschichte ein Kind der blossen Neugier ist und auf
einem abergläubischen Respect vor der Vergangenheit beruht,
ist sie für Voltaire ein überflüssiger und tadelnswerther Zeit
vertreib. Die Geschichte muss infolge tieferer Antriebe und
gleichwohl im Geiste der Nüchternheit geschrieben werden.
Das älteste Beispiel einer besonnenen Geschichtschreibung
liefern ihm die Chinesen. Ihre Annalen basiren auf einer
richtigen Zeitrechnung; sie enthalten genaue zeitgenössische
1 Fragment historique sur 1’Inde, c. 31.
2 Phil, de l’hist. LU.
Voltaire-Stadien.
15
Daten über wirkliche Ereignisse und keinerlei Beimischung
von Fabeln oder Mythen. 1 Von der historischen Ueberlieferung
der übrigen orientalischen Völker hält er nicht viel; alle Völker
wollen sich alt und ehrwürdig machen; alle geben Dichtung
für Wahrheit aus. Dabei zweifelt er nicht an der Echtheit
und dem hohen Alter Sanchoniathon’s. 2
Bemerkenswerther, als dies, ist Voltaire’s kritische, freie
Haltung gegen die Historiker des classischen Alterthums. Noch
war Alles was mit der Schule zusammenhing in kritikloser
Bewunderung erstorben. 3 Noch galt allgemein das blosse Er
heben der Frage über den Vorzug der Neueren vor den Alten
für eine Ketzerei. Man hätte sicherlich die Heterodoxen auf
den Scheiterhaufen geschickt, wenn sich ein Kaiser Sigismund
dazu gefunden hätte. Voltaire jedoch vermochte nicht einzu
sehen, warum man die Alten nicht eben denselben Regeln der
Beurtheilung unterwerfen sollte, wie alle Anderen. Der ,respect
super stitieux' für jederlei Alterthum war ihm ein Gräuel. Die
sichere griechische Geschichte beginnt für ihn mit Xerxes und
die Geschichtschreibung mit Thukydides. 4 Herödot ist das
Muster des Fabulisten, des Märchenerzählers. 3 Xenophon und
Polybius rühmt er ihrer genauen Sachkenntniss halber. 6 Was
Herodot für die Griechen ist Livius für das römische Alter
thum. 7 Den Tacitus nennt er einen geistvollen Satiriker, der
1 Phil, de l’hist. XVIII und L1I. Les Cliinois ecrivirent leur liistoire la
plume et l’astrolabe k la main, avec une simplicite dont on ne trouve
point d’exemple dans le reste de l’Asie. (Ibid. XVIII.)
2 Phil, de l’hist. XXIX. Dieu et les hommes (1769), c. 9. — Def. de m.
oncle (1767) 21.
3 Buckle (übersetzt von Kitter) III, 144.
1 Art. Diudore et Herodote. Lhistoire honnete de Thucydide et, qui a
quelques lueurs de verite, commence ii Xerxes; mais avant eette epoque,
que de temps perdu! — Pyrrhonisme de l’histoire (1768), c. 6.
5 Presque tollt ee qu’il raconte sur la foi des etrangers est fabuleux, mais
tout ce qu’il a vu est vrai . . sou livre n’est plus qu’un rornan . . Art.
Diodore et Herodote: Diodor, sagt er, sei, obwohl er siebenhundert Jahre
nach Herodot lebte, kein Haar besser, als dieser. Vgl. Pyrrhonisme de
Thistoire, c. 6—7.
6 Art. Xenophon. — Art. Histoire, Sect. IV.
7 Ou sait assez que la methode et le style de Tite-Live, sa gravite son elo-
quence sage convieunent ä la majeste de la republique romaine. (Ibid.)
16
M a y r.
mehr die Kritik, als die Geschichte seines Landes geschrieben
habe und unserer Bewunderung würdig wäre, wenn er sich
unparteiisch gezeigt hätte; er imputire den Fürsten immer
heimliche Verbrechen. Die Germanen lobpreise er mehr aus
pädagogischen Gründen. 1 Den Sueton tadelt er, weil er sich
zur Posaune der pöbelhaftesten Gerüchte hergebe. 2 Dio Cassius
schilt er einen Schmeichler, Verleumder, Zeitungsschreiber,
einen trockenen und verschwommenen Schriftsteller. 3 Plutarch’s
Biographien nennt er ,un recueil d’anecdotes plus agreables
que certains'. 1 In Voltaire’s Urtheilen liegt keine Selbstüber
hebung, es spricht aus ihnen vielmehr ein erhöhtes Pflicht
gefühl. ,Wenn man auch die Alten', sagt er, 5 ,vielfach als
Vorbilder betrachten kann, so hat man doch heutzutage eine un
gleich schwerere Last, als die ihre war, auf sich zu nehmen. Man
verlangt von einem modernen Historiker mehr Details, besser
festgestellte Thatsachen, genaue Daten und Belege, mehr Acht
samkeit auf die Gewohnheiten, Gesetze, Sitten, den Handel,
die Finanzen, den Ackerbau, die Bevölkerung. Es verhält sich
mit der Geschichte, wie mit der Mathematik und Physik; das
Ziel ist erstaunlich weiter gesteckt/
Zwischen dem Alterthum und der Neuzeit liegt das finstere
Mittelalter; seine Geschichtschreiber sind seiner würdig. Vol
taire’s Grauen vor den rohen, dumpfen, mönchischen Historikern
scheint so gross gewesen zu sein, dass er eigentlich keinen kennen
zu lernen verlangte. Sicherlich schöpfte er sein Kenntniss des
Mittelalters aus neueren Forschungen. Es ist das Recht des
Universalhistorikers. Detailforschungen sollen die sonst unleist-
bare Arbeit erleichtern, nicht vermehren und erschweren. 6 Nur
1 Essai, Avant - propos; Phil, de l'hist., e. 14. Pyrrhonisme de l’hist.,
c. 12. — A M. Du Deffand (30. Juli 1768).
2 Art. extr. de la gaz. litteraire (1764), Nr. VII.
3 Art. Cuissage.
4 Siede de Louis XIV., c. 25. — Ueber Ammian Marcell. Brief an Fr. II.,
29. Jänner 1776.
6 Art. Histoire, S. IV.
6 Pour penetrer dans le labyrinthe tenebreux du moyen äge, il faut le
secours des archives . . Ce n’est pas lä un recueil oü l’on puisse
s’eelairer sur l’histoire politique . . Vorzug Englands und der Rymer’schen
Födera. (Pyrrhonisme de l’hist., c. 11.)
Voltaire-Studien*.
17
über Gregor von Tours und Fredegar äussert sich Voltaire in
einer Weise, dass man vermuthen darf, er kenne sie aus eigener
Anschauung. 1 Er erhärtet an ihnen einen seiner kritischen Haupt
grundsätze, dass nur Hauptzüge und Hauptbegebenheiten der
Geschichte sich feststellen Hessen, alles Detail aber schwankend
und ungewiss sei.
Eine neue Aera vertrauenswürdiger und ihrem Stoffe an
gemessener Geschichtschreibung beginnt für ihn mit Guicciar-
dini. 2 ,Italien', sagt er, ,besitzt in Guicciardini seinen Thuky-
dides oder besser Xenophon; denn er befehligte zuweilen in
den Kriegen, welche er beschrieb.' 3 Auch Machiavelli nennt
er einen ausgezeichneten Historiker, De Thou den besten
Geschichtschreiber seiner Nation. 4 Bei aller Achtung vor den
Humanisten erklärt er dessenungeachtet, die Geschichte habe
wie die Physik erst um das Ende des sechzehnten Jahrhunderts
herum sich zu entwirren begonnen. 6 Der Anfang eines Zeit
alters der Kritik fällt ihm so ziemlich mit dem Jahrhunderte
Ludwig XIV. zusammen.
Geschmackvoll, wie das Jahrhundert im Allgemeinen, die
Franzosen und Voltaire im Besonderen waren, legten sie einen
uns Deutschen des neunzehnten Jahrhunderts kaum fasslichen
Nachdruck auf die Reinheit und Vollendung der Form. Hierin
gestanden sie den Alten gerne den Preis zu. Allerdings liess
1 Phil, de l’hiat., c. 52: Gregoire de Tours est notre Herodote, ä cela pres
que le Tourangeau est moins amüsant, moins elegant que le Grec . .
Enfin tous les details de ce temps-lä. sönt autant de fables et, qui pis
est, de fables ennuyeuses. — Er nennt die mittelalterlichen Chronisten
,6crivains peil instruits qui ont donne des chroniques informes de ces
temps malheureux. (Pyrrhonisme de l’hist., c. 11 und 18.)
2 On peut dire que jusqu’ä Guichardin et Machiavelli nous n’avons pas
eu une histoire bien faite. (Essai, c. 10.) Henri Estienne ne se servit
d’Herodot que pour nous rendre execrables et ridicules. Nous avons un
dessein tout contraire; nous pretendons montrer que les histoires mo
dernes de nos bons auteurs, depuis Guichardin, sont en general aussi
sages, aussi vraies que celles de Diodore et d’Herodote sont folles et
fabuleuses. (Art. Diodore.)
3 Essai, c. 121.
4 Le president de Thou justifie contre les accusations de M. de JBuri (1766).
— A Damilaville, 21. Mai 1766.
5 Essai, c. 8.
Sitzuugsber. d. phil.-hist. CI. XCV. Bd. I. Hft. 2
18
Mayr.
sich Voltaire durch die Form nicht bestechen. Er schied
wohl zwischen ästhetischer und sachlicher Kritik. Als Kunst
liebhaber pries er Niemanden mehr denn Bossuet. Noch heute
schwelgen die Franzosen in dem Wohllaute, dem edlen Pathos
seines Discours. Neben ihm fanden als Stilkünstler noch
St. Real, der glückliche Nachahmer Sallust’s, Fontenelle u. A.
allgemeine Anerkennung. Nie wird der Tadel Voltaire’s spitzer
und kleinlicher, möchte man sagen, als wenn es sich um Stil
fragen handelt. 1
Was das Sachliche betrifft, so war Voltaire natürlich ein
principieller Widersacher der ludovicianischen Hofhistorio
graphie. Vor allem verdient sein Verhältniss zu Bossuet bemerkt
zu werden. Als Voltaire mit der Marquise du Chätelet sich
auf Universalhistorie warf, knüpfte er unmittelbar an das Werk
des Bischofs von Meaux an. 2 Die ausführliche und zusammen
hängende Erzählung seines Essai beginnt dort, wo Bossuet
geendigt hatte, nämlich bei Karl dem Grossen. Nebenbei ver
breitete er sich — in mehr zusammenfassender und reflec-
tirender Weise — besonders über jene Partien, die Bossuet ver
nachlässigt hatte oder wo ihre Ansichten sich diametral entgegen
standen: über Inder, Chinesen, Hebräer, Araber, das Christen
thum. Griechische und römische Geschichte liess er fast gänz
liche ausser Acht, wenn wir von seinen kritischen Bedenken
absehen, hauptsächlich weil ihn die Leistungen seiner Vorgänger,
speciell Bossuet’s befriedigten. 3 Gleichwie Jedermann noch heute
5 Je ne connais, apres lui (Bossuet), aucun historien oü je trouve du
sublime, que la Conjuration de St.-Real. La France fourmille d’histo-
riens et manque d’ecrivains. (A d’Olivet, 6. Jänner 1736.) — Je dis qn’un
liomme qni ecrit bien une fable en eerira beaucoup mieux l’histoire. Je
suis pcrsuade que Fenelon aurait su rendre l’histoire de France inter
essante. (A Marmontel, 11. April 1772.)
2 Vgl. Memoires de 1758 (1784). — ,Comme l’bistoire du respectable
Bossuet finissait h Cliarlemagne, M. du Chätelet nous pria de nous in-
struire en general avec eile de ce qu’etait alors le reste du monde et de
ee qu’il a ete jusqu’ä nos jours 1 . (Fragments sur l’histoire generale von
1773, Art. I.) Hauptstellen über Bossuet: Avant-propos des Essai s. 1.
ni.; Remarques pour servir de suppldment ä l’Essai I; Siede de Louis XIV,
e. 32; Pyrrhonisme de l’hist., c. 2. •— A Burigny, 12. Sept. 1761.
3 L'illustre Bossuet, qni dans son discours sur une partie de l’histoire
universelle en a saisi le rentable esprit, au moins dans ce qn’il dit de
l’cmpire romain .... (Avant-propos des Essai.)
Voltaire-Studien.
19
urtheilen würde, tadelt Voltaire an Bossuet’s Universalgeschichte,
sie enthalte nur die Geschichte von vier bis fünf Völkern,
insbesondere der kleinen jüdischen Nation, dieses der ganzen
übrigen Welt unbekannten oder mit Fug und Recht miss
liebigen Volkes, auf welches Bossuet trotzdem alle Ereignisse
beziehe. ,Der berühmte Bossuet', sagt er, ,scheint nur darum
geschrieben zu haben, damit er uns glauben mache, alles
in der Welt sei um der jüdischen Nation willen geschehen.
Das ist möglich; aber die Grösse des Cyrus oder des'Römer
volkes hatte denn doch noch andere Ursachen, die Bossuet
selbst nicht unberücksichtigt Hess, wo er auf den Geist der
Nationen (i. e. im dritten Theil) zu sprechen kam. Es wäre
zu wünschen gewesen, dass er sich auch der alten Völker des
Orients, der Inder und Chinesen zum Beispiel, ein wenig erinnert
hätte. 11 Bezeichnend ist das Urtheil, welches er der Cluitelet
vindicirt: ,elle admira son (i. e. Bossuet’s) pinceau et trouva
son tableau tres-infideleb 2 Doch ist er bei allem Gegensätze
nicht blind für die Vorzüge des Discours. ,Bossuet’s Discours
sur Fhistoire universelle', sagt er, ,hat weder ein Vorbild gehabt,
noch Nachahmer gefunden. Wenn das System, welches er an
wendet, um die jüdische Zeitrechnung mit jener der übrigen
Völker zu versöhnen, unter den Gelehrten Widerspruch ge
funden hat, so hat sein Stil nur Bewunderer gefunden. Man
war verblüfft von der majestätischen Gewalt, mit welcher er
die Sitten, die Regierung, den Wachsthum und Verfall der
grossen Reiche darstellt: von diesen raschen Zügen voll Ener
gie und Wahrheit, mit denen er die Nationen schildert und
' Avant-propos des Essai. ,On ne parle point d’eux (Arabes) dans nos
bistoires universelles fabriquees dans notre Oceident; je le e.rois bien:
ils n’ont aucun rapport avec la petite nation jnive, qui est devenu l’objet
et le fondement de nos bistoires pretendues universelles, dans
lesquelles un certain genre d’autenrs, se copiant les uns les autres oublie
les trois quarts de la terre. (Phil, de l’histoire, XV.) Ueber den Titel
bistoire universelle moquirt sich Voltaire im Art. gloire, S. III. — Vgl.
A Henanlt, 28. Sept. 1768.
- Remarques etc. I. — Bossuet avait de la Science et du genie; il ctait
le premier des declamateurs, mais le dernier des philosophes, et je puis
vous assurer qu’il n’etait pas de bonne foi. (A M. le due de Bouillon,
23. Dec. 1767.)
o*
20
M ay i‘.
beurtheilt/ 1 So stellt er auch in der Vorrede zu seinem Essai
dem Bischöfe das Zeugniss aus, dass er in der von ihm be
handelten Partie der Universalgeschichte deren wahrhaften
Geist erfasst habe, mindestens dort, wo er vom Römerreiche
spreche. 2
Nächst Bossuet achtet er am meisten Fleury, den Kirchen
historiker. Seine Einleitung könnte man für das Werk eines
Philosophen halten, seine eigentliche Geschichte allerdings
nicht, obwohl sie die beste sei, die jemals geschrieben worden. 3
Von Daniel dagegen, dem Jesuiten und Historiographen Frank
reichs, weiss er fast gar nichts Gutes zu sagen. ,Man wirft
ihm vor', sagt er, ,dass seine Diction nicht immer rein, sein
Stil allzu kraftlos sei, dass er nicht zu interessiren, nicht
darzustellen wisse, dass er die Gebräuche, Sitten, Gesetze
nicht ausreichend kennen lehre; dass seine Geschichte nur
Details über kriegerische Operationen enthalte, bezüglich deren
ein Historiker seines Standes fast immer irre . . . Graf
Boulainvilliers sagt, man könne Daniel zehntausend Irr-
thümer nachrechnen; das ist viel; jedoch hat es mit diesen
Irrthümern glücklicher Weise eben so wenig auf sich, als mit
den Wahrheiten, die er hätte an deren Stelle setzen können . .
Sein Hauptfehler ist, dass er von den Rechten der Nation nichts
gewusst oder über dieselben absichtlich geschwiegen hat. So
hat er die berühmten Reichsstände von 1355 völlig bei
Seite gelassen. Von den Päpsten, und zumal dem grossen und
guten König Heinrich IV., redet er nur als Jesuit; 1 erbesitzt
1 Siede de Louis XIV, c. 32.
2 Seine Kritiklosigkeit wirft Voltaire dem Bischöfe oftmals vor, z. B.:
Defense de mon oncle, c. 9; aber eben nur hinsichtlich des Einzelnen.
Eine schwerere Anklage findet sich in einem Briefe an d’Olivet: ,en
France on ne j^eut pas la (la v6rit6) dire. Bossuet a raenti avec une
eleganc.e et une force admirables. (6. Jänner 1736.)
3 Siede de Louis XIV. Liste raisonnee s. v. Fleury. — Pyrrhonisme de
l’hist., c. 3.
4 Un liomme qui ne saurait pas que Daniel est un jesuite, le prendrait pour
un sergent de bataille. Cet homme ne vous parle jamai que d’aile droite et
d’aile gauclie. On retrouve enfin le jesuite quant il est ä Henri IV et
c’est encore bien pis. (A Formont, 19. Juni 1755.) La marquise clierchait
daus Daniel l’histoire du grand Henri IV et eile y trouvait celle du jesuite
Coton. (Remarques I.) — Vgl. Lettre ä M. Du Deftänd, 18. Aug. 1761.
Voltaire-Studien.
21
keine Kenntniss der Finanzen, der inneren Zustände des Reiches
und der Sitten'. 1
Ucber die Geschichtschreiber vom Durchschnitte, die
Schlachtenerzähler, Anekdoten- und Fabeljäger äussert sich
Voltaire stets in verächtlichen Ausdrücken; er ist sich seines
höheren Zieles bewusst. Da gebe es eine erstaunliche Anzahl
von chronologischen Systemen der alten Welt; aber sie diffe-
rirten um beiläufig zwei Jahrtausende. Da gebe es unzählige
Beschreibungen von Bataillen; aber nur selten verrathe eine
Verständniss des Kriegswesens. Da gebe es beständig Wunder
erzählungen; von der Natur aber wisse man nichts. Jeder
Autor betrachte seine Secte als die allein wahre und schmähe
alle übrigen.' 2 ,Wozu all’ die Details von kleinlichen Inter
essen, die heute nicht mehr bestehen, von ausgestorbenen Fa
milien, die sich um Provinzen stritten, die ein grösseres Reich
dann verschluckt hat?'
Fast jede Stadt habe heute ihre wahre oder falsche,
jedenfalls ihre detaillirtere Historie ,als weiland Alexander
der Grosse“. Die blossen Annalen eines Mönchordens seien
voluminöser, als die des römischen Reiches. 3 Wollen wir
zusammenfassen, was Voltaire hundert und hundert Male den
landesüblichen Geschichtschreibern vorwirft, so ist es Folgendes:
erstlich, ihre Kritiklosigkeit und Leichtgläubigkeit; dann, ihre
ungezügelte Sammelwuth und sinnlose Hochachtung vor allem,
1 Siede de Louis XXV. Catalogue s. v. Daniel. •— Mezeray et Daniel
m’ennuient; c’est qu’ils ne savent ni peindre ni remuer les passions. II
faut dans une histoire comme dans une piece de theätre, exposition, noeud
et denoüment. On n’a fait que l’histoire des rois, mais on n’a point fait
celle de la nation. (A d’Argenson, 26. Jänner 1740.)
2 Remarques I. — ,C’est lä (in der Geschichte) que chaque ecrivain eüt
du dire: Homo sum, mais la plupart des liistoriens ont decrit des
batailles. 1 (Essai, e. 84.) Introductiou von 1753 : II semble en lisant les
histoires, que la terre n’ait ete faite que pour quelques souverains et
pour ceux qui ont servi leurs passions; tout le reste est neglige. —
Cf. Lettre k Vernet, 1. Juni 1744.
3 Essai, Avant-propos. — Vgl. auch Histoire de la Russie sous Pierre le
Grand, Preface §§. 4 und ö. — Je ne crois qu’il y a homme sur terre
qui merite qu’on fasse sur lui deux volumes in-4° . . . car tout ce qui
a ete fait ne mdrite pas d’dtre eerit. (A Pormont, 25. Juni 1735. —
A Richelieu, 13. Juni 1768.)
22
Mayr.
was alt ist; ferner ihre Verranntheit in unentscheidbare Fragen
und interesselose Details; ihre Unfähigkeit Wichtiges von Un
wichtigem, Bleibendes von Vorübergehendem, der Mittheilung
Würdiges von puren Nullserien zu unterscheiden; 1 ihre Igno
ranz in Dingen, von denen sie handeln, besonders im Kriegs
und Staatswesen; 2 ihre Gedankenlosigkeit bezugs Aufgabe und
Zweckes der Geschichtschreibung; daher ihre Nichtbeachtung
der wichtigsten Materien der Forschung : wie der Sitten, des
Rechtes, 3 des Volksgeistes, der Künste, der Wissenschaften;
ihre religiöse, nationale, politische, sociale Befangenheit. Auf
die Einzelheiten der Voltaire’schen Vorwürfe einzugehen, würde
sich um so weniger lohnen, als die Leute, gegen welche sie
gerichtet waren, heutzutage kein erhebliches Interesse, nicht
einmal literarhistorischer Art, erregen.
Nicht allein die künstlerische, geistreiche Darstellung,
auch die ernste, schwer geladene Erudition achtet er, soferne
sie nicht der Kritik ermangelt. Er rühmt die Benedictiner,
die Gründlichkeit und Neuheit ihrer Untersuchungen; gerade
in Frankreich hätten sie sich hervorgethan. 1 Er preist den
Abbate Muratori als weisen und gelehrten Kritiker. 5 Gegen die
Bollandisten aber, ja gegen Dom Ruinart, welche, wie er meinte,
die Zuverlässigkeit und Wahrhaftigkeit ihrer Acta martyrum
und Vitae sanctorum überschätzten, schleudert er die heftigsten
Invectiven. 6 Als dann die Academie des belles-lettres der
1 Toutes les histoires modernes nous donnent presque toujours de fausses
notions parce qu’on a rarement distingue les temps et les personnes, les
abus et les lois, les evenements passagers et les usages. (Essai, c. 93.)
- Doch auch in der Naturlehre z. B. Arm. de l’empire a. a. 1283.
3 Les historiens, qui ue sont pour la plupart que de froids compilateurs
de gazettes, ne savent pas uu mot des lois des pays dont ils parlent.
(A Servan, 13. Jänner 1768.)
4 Siede de Louis XIV. Catalogue s. v. Ruinart. — Vgl. Baluze, Calmet,
Duchesne, Ducange (,de pareils hommes meritent notre eternelle recon-
naissance, apres ceux qui ont fait servir leur genie k nos plaisirs 1 ),
Labbe, Lacroze, Lelong, Petau, Simon, Sirmond.
5 Ann. de l’empire a. a. 997.
6 Essai, c. 9. Fragments sur l’histoire generale, VI. Art. Martyrs. Auch
die Chronologen, die sich mit Bestimmungen fietiver Daten abplagen,
behandelt er mit Hohn und Abscheu: z. B. Art. Chine, Sect. II. Phil,
de l’hist., c. 24. — Art. Chronologie. — Ueber die Chronologie Newton’s
vgl. Lettres philos. (1734), Nr. 17.
Yoltairo-Studien.
23
Historie ihre Aufmerksamkeit zugewendet hatte, so rühmte ihr
Voltaire, allerdings mit einiger Uebertreibung, nach, sie habe
für die Geschichte nahezu dasselbe geleistet, wie die Academie
des Sciences für die Naturwissenschaften: ,elle dissipa des
erreurs'. 1
Das Zeitalter Ludwig XIV. macht nach seiner Ansicht
auch in Sachen der historischen Kritik und Darstellung Epoche.
Seitdem gewinne der kritische Geist immer mehr Raum, während
man zuvor der Vergangenheit kaum mehr, als Irrthümer ent
lehnt habe. Je näher die Historiker seiner Gesinnung stehen,
desto mehr drückt sich in seinen Aeusserungen über sie das
Gefühl der Wahlverwandtschaft aus. St. Real’s ,Conjuration
de Venise' nennt er ein Meisterwerk, eine glückliche Nach
bildung des Sallust, welche ihr Vorbild vielleicht übertroffen
habe. 2 Rapin de Thoiras’ englische Geschichte gilt ihm für die
beste Bearbeitung des Stoffes vor Hurne. 3 St. Evremont, den
Verfasser der ,Discours sur les Romains', rühmt er nur als an
genehmen, geistreichen Schriftsteller, der indessen keiner
gelehrten Untersuchung fähig gewesen wäre. 1 Bernard de
Fontenelle ist ihm als Verfasser der ,Relation de l’ile de Bor
neo' und als Bundesgenosse in der Streitfrage über die Alten
und Modernen höchst sympathisch. Von dessen berühmter
,Histoire des oracles' weiss er nicht viel mehr zu sagen, als
dass sie ein ungemein verständiger und gemässigter Auszug
aus der grossen und gelehrten Geschichte der Orakel des Hol
länders Van Dale sei. 5 Unter den älteren skeptischen Schriften
betraf die Abhandlung des La Mothe-le-Vayer ,Traite de la
vertu des paiens' einen viel verhandelten Gegenstand. Auf
seiner Seite stand auch Voltaire gegen die Jansenisten, welche
1 Siede de Louis XIV, c. 31.
2 Siede de Louis XIV. Catal. s. v. St. Real und c. 32. Doch gibt er
zu, dass sich darin ,quelques embellissements de roraan 1 finden. (Essai,
c. 186.) Vgl. den Brief an Grosley, 22. Jänner 1758.
3 Sifecle de Louis XIV. Catal. s. v. Rapin de Thoiras und Articles extraits
de la gazette litteraire (1764), Nr. VII.
4 Lettre sur les Frantjais. (Nr. 7 der Lettres ä Mgr. le Prince de Brun
swick von 1767.) — A Damilaville, 6. Dec. 1763.
5 Catal. s. v. Fontenelle und Lettre sur les Fran<;.ais. — Art. Oracles, S. I.
24
Mayr.
mit Augustin die Tugenden der Heiden für glänzende Laster
erklärten. 1
So nahe Bayle seiner Richtung sonst stand, so nennt er
ihn doch ,souvent reprehensible et petit quand il tx'aite des
points diiistoire et des affaires du monde‘. - Seines Verhält
nisses zu Montesquieu, St. Pierre und anderen berühmten
Geschichtsphilosophen der Zeit werden wir noch bei passender
Gelegenheit besonders gedenken. 3
1 Lettre s. v. Franfais.
2 Essai, c. 174. Lettre sur Ies Framjais. De Bayle. — Art. Atbeisme IV.;
David; Pliilosophe I. — A d’Argenson, 21. Juui 1739. — A Vernes,
2. Jänner 1763. — Catalogue s. v. Bayle.
3 Unter den Geschichtschreibern zweiten Ranges hebt Voltaire im Schrift-
stellercataloge des Siecle de Louis XIV besonders hervor: Amelot de la
Houssaie, den Geschichtschreiber Venedigs und Coinmentator Machia-
vell’s (Prefaee de rAntimach., 1740) — Avrigny, den Verfasser der ver
lässlichen Ännales 1601—1715 ,auteur d'uue nouvelle maniere d’ecrire
l’histoire“ — Basnage — Beaumont de Perefixe, Geschichtschreiber Hein
rich IV. ,P. erneut tont cosur ne sensible et fait adorer la memoire de
ce prince“ — Beausobre, dessen Geschichte der Manichäer er ,un des
livres les plus profonds, les plus curieux et les mieux faits“ nennt —
Bergier's Histoire de grands chemius de l’Empire romain — Cordemoy,
den tüchtigen Forscher über ältere französische Geschichte — d'Olivet,
den Historiographen der Akademie, mit welchem Voltaire in Brief
wechsel stand — d’Orleans S. J. ,le premier qui ait choisi dans l’histoire'
les revolutions pour son seul objet“ — Dubos, den berühmten Aesthetiker,
dessen Geschichte der Ligne von Cambray Voltaire als Muster ihrer
Gattung preist — Duhalde, den Sinologen — Dupleix ,le premier historien
qui ait eite au marge ses autorites“ — Dupuy (Histoire des Templiers) —
Felibien (Entretiens sur la vie des peintres) — Flechier, den berühmten
Redner, Verfasser einer Geschichte des Theodosius — Henault’s Abrege —
Huet, den Skeptiker ,de tous ses livres le Commerce et la Navigation
des anciens et l’Origine des Romans sont le plus d'usage“ — Lenfant
(Histoire du concile de Constance) — Mezeray, wenn wir diesen Mann
zu den Historikern zweiten Ranges zählen dürfen — Pellisson (Histoire
de l’Academie; Histoire de la conquete de la Franehe-Comte) — Petis
de la Croix pere (Histoire de Gengis-kan et de Tamerlan) — Quincy
(Histoire militaire de Louis XIV) — Rollin, dessen beredte und gewandte
Compilationen Voltaire ihrer Kritiklosigkeit halber oftmals tadelte (z. B.
Phil, de l’hist., Defense de mon oncle, c. 9; Pyrrhonisme de l'histoire,
c. 6) — Adr. de Valois, Geschichtschreiber Frankreichs — Vertot,
,historien agreable et elegant“ — Velly et Villaret (Histoire de France)
vgl. Art. extraits de la Gazette litteraire, Nr. 21; Remarques de l’Essai
Voltaire-Studien.
25
Gleichwie Voltaire die Engländer im Allgemeinen be
wunderte und sich als Schüler Locke’s und Newton’s den Car-
tesianern entgegenstellte, so gehörte er auch zu den Lob
rednern ihrer historiographischen Leistungen. Er rühmt ihre
Kenntniss des classischen Alterthums; besonders erwähnt er die
Forschungen Marsham’s über das alte Aegypten, Hyde’s über
die Perser und die Religion Zoroasters, Sale’s über den Moha-
medanismus. 1 Ungemischtes Lob spendet er der englischen
Geschichte des als Historiker und Philosophen gleichberühmten
Hume. ,Nie‘, sagt er, ,hat das Publicum besser gefühlt, dass
es nur den Philosophen zukomme, Geschichte zu schreiben . .
Harne scheint in seiner Geschichte weder der parlamen
tarischen noch der royalistischen Partei anzugehören, weder
Anglikaner, noch Presbyterianer zu sein; man findet in ihm
nichts, als den billig denkenden Mann; er steht über seinem
Stoffe und spricht von den Schwächen, Irrthümern, Barbareien der
Menschen, wie ein Ax’zt von den epidemischen Krankheiten. 4 2
(1763), c. 3 — Levesque de Pouilly (a Damilaville, 23. April 1764) —
Mignot, Histoire de Ferdinand et d’Isabelle (a Florian, 22. Jänner 1766) —
Gaillard, Verfasser einer Geschichte Franz I. (;'i Gaillard, 2. Nov. 1768,
28. April 1769, 26. Nov. 1770, 4. Fehl-, 1771) — Mille’s Histoire de
Bourgogne (13. Sept. 1771) — Mailet du Pan (24. April 1772) — d'Es-
pagnac’s Histoire de Maurice eornte de Saxe (15. Sept. 1773, 10. Jänner
1774, 1. Febr. 1775, 10. März d. J.) —- Raynal (26. Nov. 1775) —
Bailly’s Histoire de l’astronomie aneienne (15. Dec. 1775, 9. Febr.
1776) — Meunier, Esprit des usages (24. Juli 1776) — Delisles de Sales
(7. März 1777).
1 Siede de Louis XIV, c. 34. Seines Verhältnisses zu den Deisten —
Tindal, Collins, Bolingbroke, Warburton — werden wir später ausführ
licher gedenken. Sarkasmen über die grosse englische Welthistorie siehe
Fragment von 1773, Art. X. — Ueber H. Walpole’s Geschichte Richard III.
siehe Lettre ä H. Walpole, 15. Juli 1768.
2 Articles extraits de la Gazette litteraire, 1764, Nr. VH. — Hingegen
wirft er Burnet, Clarendon u. A. ihre ParteUichkeit vor (Art. Histoire,
S. III, im Diet. pkil.) und meint überhaupt: ,Mais un Anglais veut qu’on
soit toujours partial, ou tout whig, ou tout tory, et la raison, qui est
impartiale, ne l’accommode pas‘. (A Frederic H, 1751, Nr. 1752 der
Hachette'schen Edition.) — Pyrrhonisme de l’hist., c. 18. — Ueber Hume
sagt er an einer anderen Stelle: ,La seule metbode, qui puisse convenir
ä une histoire generale, a ete aussitöt adoptee par le philosophe qui
ecrit l lüstoire particuliere d’Angleterre 1 . (Remarques de l’Essai, 1763.) —
,Nos malheureux Welches n'ecrirout jamais l’histoire comme lui (Hume);
26
Mayr.
Wie Hume, so überhäuft er auch Robertson,’ mit Lob
sprüchen.
Nach Allem lässt sich wohl sagen, dass Voltaire seine
Vorgänger und Zeitgenossen erstlich gekannt und zweitens
nicht getadelt habe, wofern sie es nicht reichlich verdienten ;
gelobt hat er sie just auch nicht im Uebermaass. Man wird
überhaupt diesem beweglichen und durchdringenden Geiste nie
seine Zustimmung und Bewunderung versagen können, wenn
man nicht an Einzelnheiten kleben bleibt.
II.
Voltaire’s Geschichtsphilosophie.
A. Voltaire’s Historik.
Die kritischen Aeusserungen Voltaire’s über seine Vor
gänger deuten überall auf seine positiven Ansichten; sie sind
voll des Geistes, in dem er selbst gedacht und gewirkt hat.
Schon die Titel seiner universalhistorischen Hauptschriften
offenbaren uns seinen Sinn und enthüllen uns seine Stellung
innerhalb des Entwicklungsganges der Wissenschaft: ,Philo
sophie de l’histoire’ und ,Essai sur les mosurs et l’esprit des
nationsh 2
Den Terminus ,philosophie de l’histoire' hat er erfunden,
Herder nach Deutschland verpflanzt. 3 Die Sache selbst hatte
ils sont eontimiellement genes et garrottes par trois sortes de chaines:
celles de la cour, celles de l’Eglise, et eelles de tribunaux appeles parle-
ments . . J’aime bien autant encore la pbilosopbie de M. Hume, que ses
ouvrages historiques. (A M. Du Deffand, 20. Juni, 1764.)
1 A M. Du Deffand, 28. Jänner 1770. — A Kobertson, 26. Febr. 1770.
2 Die Schrift, welche seit 1769 den definitiven Titel ,Essai sur les moeurs
et l’esprit des nations“ trägt, erschien zuerst (1754—1758) unter dem
Titel ,Essai sur l’histoire universelle“. 1765 erschien die ,Philosophie de
l’histoire“, welche seit 1769, mit dem Essai verbunden, als ,Introduction“
oder ,Discours preliminaire“ desselben figurirt. Davon zu unterscheiden
ist der ,Avant-propos“, welcher dem ersten Capitel des eigentlichen Essai
voranläuft.
3 In seiner Schrift ,Auch eine Philosophie der Geschichte zur Bildung der
Menschheit“ (1774). Uebrigens hatte schon 1768 ein J. J._ Harder Vol
taire’s Philosophie de l’histoire übersetzt,
Voltaire-Studien.
27
längst vor ihm existirt. Aber die Geschichte der Wissen
schaften zeigt, wie viel auf eine glückliche Namenschöpfung
ankömmt. Der pure Terminus ,Philosophie der Geschichte*
macht sich als eine fortzeugende Kraft bemerkbar und beein
flusst den Gang der Philosophie, wie der Geschichte. Er besagt,
dass es eine besondere Disciplin der Philosophie gebe, Namens
Geschichtsphilosophie, etwa wie eine Naturphilosophie existirt;
er macht zu wissen, dass es neben der gewöhnlichen Art der
Geschichtschreibung auch eine höhere Betrachtung historischer
Dinge gebe. Er enthält eine Aussage über das Zusammen
bestehen beider Wissenschaften. Wie weit nun die Wechsel
beziehungen beider reichen, sagt er nicht. Es geht uns hier
auch nichts an. Wir haben uns zuvörderst nur darum zu
kümmern, wie Voltaire selbst seinen Begriff einer ,philo sopliie
de l’histoire* definirt und verwirklicht.
Wir wären heutzutage am wenigsten geneigt, der Geschichts
philosophie zu vindiciren, was Voltaire gerade als eine ihrer
Hauptaufgaben betrachtet: die Kritik der Ueberlieferungen, der
Data und Facta. ,Bei allen Nationen*, sagt er, ,wird die Ge
schichte durch Fabeleien entstellt, bis endlich die Philosophie
die Menschen aufzuklären beginnt*. 1 Der ganze Zustand der
Historiographie, den er vorfaud, lehrte ihn, dass dieser Wissens
zweig der Philosophie bedürfe. 2 So rechnete er es denn auch
zu den grossen Ergebnissen seines Zeitaltei's, dass es den Geist
des Zweifels über die fälschlicher Weise Geschichte genannten
Fabeln des Alterthums verbreitet habe. 3 Kein Historiker wird
heutzutage so leicht zugeben, dass zur Kritik gerade Philo
sophie nöthig sei. Jedenfalls kann er zugeben, dass man zu
Voltaire’s Zeiten deren bedurfte, wenn auch heute die Um
stände gewechselt haben, und wenn wir auch gewohnt sind,
1 Essai, c. 197. — Unter den mancherlei Bedeutungen, welche Vol
taire dein ,esprit philosophique 1 beilegt, erscheint auch diese ,1’esprit qui
distingue le faux du vrai, l’incroyablc du vraisemblable et qui sacrifie
l’inutile“. (Sieele de Louis XIV. Liste rais. s. v. Bollin.)
2 Histoire de la Bussie, Preface, §. 7.
3 Precis du Sieele de Louis XV, c. 43. — Die sonst nicht näher bezeich-
neten Citate dieser Studie sind dem Art. Histoire des Dict. philos. ent
nommen. Ueher genannten Artikel vgl. den Brief au d’Alembert vom
9. October 175ti.
28
Mayr.
gewisse Ansichten, welche einst die Philosophie in hartem
Streite errungen hat, für selbstverständlich zu halten.
Die Geschichte hat für Voltaire nicht die Sicherheit der
Mathematik oder Naturwissenschaft. Jedes historische Datum
besitzt nur einen mehr oder minder hohen Grad von Wahr
scheinlichkeit. Einer, der die Schlacht von Philippi mitgemacht
hat, weiss davon allerdings kraft Anschauung oder Empfindung.
Das Hörensagen hingegen kann nie die gleiche Gewissheit
verleihen. Wenn einer die Sache auch von zwölftausend Augen
zeugen gehört hätte, besässe er doch nur eine annähernde, keine
volle Gewissheit. Die Angabe einzelner Zeugen ist zweifelhaft,
und von Generation zu Generation nimmt die Wahrscheinlich
keit immer mehr ab, bis sie gleich Null wird. Indess ist der
Mensch darauf angewiesen, sich mit dergleichen Wahrscheinlich
keiten nach bestem Vermögen zu behelfen. 1
Als Richtschnur möge Folgendes dienen: Nichts, was dem
regelmässigen Laufe der Natur widerstreitet, darf geglaubt
werden; was schlechthin unmöglich ist, ist auch nicht wirklich.
Nur das, was durch zuverlässige Zeugnisse erhärtet werden
kann, verdient Glauben; insonderheit wenn die Zeugen das
stärkste Interesse gegen die mitgetheilte Thatsache haben. 2
Ausgeschlossen sind: alle Daten, die überhaupt auf keinerlei
Beobachtung beruhen können; Angaben über Zeitalter, bezugs
deren keine Zeugnisse vorliegen können; ferner Erzählungen
unglaubwürdiger Berichterstatter. Mit der äussersten Behutsam
keit muss alles aufgenommen werden, was dem gesunden Sinne
widerstreitet, dem natürlichen Verstände ins Gesicht schlägt,
das Wunderliche, Monströse, Exceptionelle. 3
1 Art. Verite. — Art. Histoire, S. IIL — Art. Certitude — J’ai senti
combien il etait difficile d’eerire tme histoire contemporaine (Charles XU).
Tons ceux qui ont vu les meines erenements les ont vns avec des yeux
differents; les temoins se contredisent. (A Frederic, Mai 1737.) — Pour
l’histoire, ce n’est, apres tont, qu’nne gazette; la plns vraie est remplie
de faussetes et eile ne peut avoir de merite qne celni de style. (A Fre
deric U, 6. Jänner 1778.)
3 Tont ce qui n’est pas demontre aux yeux, ou reconnu pour vrai par
les parties evidemment interessees ä le nier, n’est tont au plus que pro
bable. (Essai sur les probabilites, 1772, Eingang.)
3 L’ineredulite est le fondement de tonte sagesse, selon Aristote. Cette maxime
est fort bonne pour qui lit l'liistoire et surtout l'histoire ancienne. Que
Voltaire-Sttiä ipn.
29
Theilt man nach den Berichten, welche uns vorliegen,
die Zeiten in historische und fabelhafte, so fallen diese ganz,
jene, sofern sie vor der Kritik nicht bestehen, aus der Geschichte
hinaus. 1 Grundsätze dieser Art sind auch zu Voltaire’s Zeiten
nicht neu oder unbekannt gewesen. Was aber Voltaire aus
zeichnet ist seine enorme Kraft, sie anzuwenden; denn ein
gesehen wird auf der Welt sehr viel, aber angewandt nicht,
aus Mangel an Urtheilskraft, als der Fähigkeit, das Einzelne,
de faits absurdes, quel amas de fables qui clioquent le sens commun.
(Histoire de Charles XU, Preface 1748.) — ,Son grand but etait de juger
par le sens commun les fables de fantiquite 1 , sagt er von sich. (Defense
de mon oncle, 1767. Exorde.)
1 ,La fable est la sceur ainee de I’histoire“, ist einer seiner Lieblings-
sprüche. — Apres les temps fabulenx viennent les temps historiques; et
eet historique est encore partout mele de fables. (Fragments historiques sur
Finde, c. 31.) — Je n’approuve point dans Tite-Live ce que j’aime dans
l’Homere. (A Colini, 21. Oct. 1767.) Kritische Erörterungen finden sich
aller Orten in seinen historischen und philosophischen ITaupt- und
Nebenwerken. Die ausführlichste kritische Untersuchung aus seiner Feder
betrifft das Testament Richelieu’s, worüber viel gestritten worden. Die
Zahl angeblicher Geschichten, welche er ins Fabelbuch verweist, ist
Legion. Ich nenne nur beispielshalber: die französischen Königsmirakcl
(ßheimser Flaschen etc.), Essai c. 42; das Histörchen von Eginhard und
Emma (,digne de l’areheveque Turpin*, Ann. de l'empire a. a. 794); den
Mäusethurm (a. a. 969); Heinrich II. Jungfräulichkeit (a. a. 1024); den
Antheil Kaiser Friedrich II. an dem Pamphlete ,De tribus impostoribus 1
(a. a. 1239); die Teilsage (,Fable danoise“, Essai, c. 67 und Ann. a. a.
1307). Wie genau er es mitunter nahm, dafür ein Beispiel statt hundert
anderer. Er las von einer angeblich aus dem Jahre 1301 stammenden
Kanone, die sich noch in Amberg befinden sollte. Das frühe Datum
machte ihn stutzen. Er veranlasste also den Grafen Holnstein, sich an
Ort und Stelle um die Sache zu bekümmern. Die Kanone existirte nicht.
Dagegen fand man auf dem Grabsteine eines Ingenieurs Abbildungen
von Kanonen und im Epitaph die Jahreszahl 1501. Offenbar hatte man
aus der abgebildeten eine veritable Kanone, und aus der Fünf eine Drei
gemacht. ,Si od approfondisait ainsi toutes les antiquites, ou plutot tons
les contes dont on nous berce, on trouverait plus d’une vieille erreur ä
rectifier. 1 (Kemarques 1763, Nr. VIII.)
Voltaire war weder der Erste, der obige Fabeln bezweifelte, noch
gab er sich dafür aus. Aber er hatte für das, was bezweifelt zu werden
verdiente, einen lebendigen Instinct. Er verbreitete den kritischen Sinn
über alle Welt und machte mehr, als irgend ein Andrer, die kritiklose
Erudition und den spielenden bel-esprit in der Geschichtschreibung un
möglich.
30
Mayr.
Concrete richtig zu subsumiren, und aus Mangel an Muth. So
schleppte man denn getrost alle Märchen der altorientalischen,
der griechischen, römischen und mittelalterlichen Historie durch
die Bücher. Man hielt es für das erste Erforderniss eines
Geschehnisses, durch Wunderlichkeit zu amüsiren. Noch zehrte
das Publicum an Büchern, wie denen Rollin’s, der den ganzen
livianischen und herodotischen Fabelkram kritiklos wiederkäute.
Sicherlich hat der in mancher Hinsicht vorzügliche Mann recht
wohl jene Grundsätze gekannt, welche Voltaire bewogen, die
ersten fünfhundert Jahre der römischen Geschichte ins Fabel
buch zu verweisen. Aber angewendet hat er sie nicht. Vol
taire aber machte geltend, dass über die besagten Zeiten keine
Nachrichten vorliegen könnten, weil der Bildungszustand der
alten Römer historische Aufzeichnungen nicht erlaubt hätte;
weil etwaige Documente im Laufe der Zeit, sicherlich beim
gallischen Brande, zu Grunde gegangen wären; endlich weil
die Daten selbst das Gepräge des Unwahrscheinlichen, Fabel
haften, Erfundenen an sich trügen. Das Verdienst Voltaire’s
bleibt ungeschmälert, wenn man auch unserer Zeit das ihrige
zuerkennt, nämlich nach verschiedenen Principien und mit ver
schiedenem Erfolge brauchbare Bausteine zum Aufbaue der
älteren römischen Geschichte aus dem Wüste der Ueber-
lieferungen ausgesondei-t zu haben. 1 Noch eclatanter springt
Voltaire’s historisches Verdienst in die Augen, wenn wir sehen,
wie er die nämlichen Grundsätze der Kritik in Anwendung
brachte, wo immer es sich um die Ueberlieferungen der alt
jüdischen und altchristlichen Geschichte handelt. Man mag an
seinen Spöttereien Aergerniss nehmen — sie gehören zur blossen
Einkleidung — und sich einer genaueren, umfassenderen Kennt-
niss der Dinge rühmen; das schmälert nicht Voltaire’s Ver
dienst, welches man auch dann schwerlich aus der Welt schaffen
wird, wenn man nachweist, dass er in dieser Beziehung den
englischen Deisten viel zu verdanken habe.
' Buckle, Geschichte der Civilisation III, 140 (Ritter’sclie Uebersetzung). —
Interessant ist in diesem Jahrhundert der Anklagen und Rettungen der
Versuch Voltaire’s, Calligula, Nero etc. von den Verleumdungen Sueton’s
und Tacitus’ rein zu waschen. (Pyrrhonisme de l’hist., c. 12 — 13.) Vgl.
Commentaire sur l’esprit des lois (1777), 45.
Yoltnire-Stndien.
31
So wenig, lehrt ferner Voltaire, als die pure Möglichkeit
oder Wahrscheinlichkeit die Wirklichkeit eines Factums er
härtet, so wenig reicht der Schein der Unwahrscheinlichkeit in
allen Fällen zu, eine Ueberlieferung zweifelhaft zu machen.
Auch das wahrscheinliche, an sich mögliche, widerspruchs
freie Factum bedarf des guten, gewichtigen Zeugnisses, um
Glauben zu verdienen. Andrerseits vermögen gute Zeugnisse
Nachrichten, die auf den ersten Anblick Verdacht erregen und
eine grosse Familienähnlichkeit mit den landläufigen Fabeln
haben, plausibel zu machen. 1 Unter den Ueberresten der Ver
gangenheit sind vornehmlich die Monumente schätzenswert!].
Jedoch beweist ein Monument als solches noch nicht die Wahr
heit eines hiedurch verewigten Factums; es beweist nur, dass
diejenigen, welche es errichtet, an das betreffende Factum
glaubten. ,Wie hätte ein Philosoph im Tempel des Jupiter
Stator die Menge überreden können, dass Jupiter nicht vom
Himmel herabgestiegen sei, um der Flucht der Römer Einhalt
zu gebieten? . . . Die Priester würden ihm geantwortet haben:
Ungläubiger Verbrecher! Ihr müsst zugeben, wenn ihr die
Rostra sehet, dass wir eine Seeschlacht gewonnen haben, von
der diese Säule das Wahrzeichen ist: so gebt auch zu, dass
die Götter auf die Erde herabgestiegen sind, uns zu vertheidigen,
und lästert nicht unsere Mirakel angesichts der Monumente,
welche sie bezeugen.' So wenig als Monumente gewähren
Medaillen, Feste, Ceremonien eine hinreichende Bürgschaft für
die Thatsache, von der sie Zeugniss geben sollen. 2 Was die
1 Ce qui n’est vraisemblable ne doit peut-etre cru, ii moins que plusieurs
contemporains dignes de foi ne deposent unanimement. (Siede de Lonis XIV,
c. 25, vgl. Essai, c. 197.) Dass das scheinbare Naturwidrige doch mitunter
wirklich ist, beweist die religiöse Prostitution in Babylon. (Defense de mon
oncle, 1767, 2.) Voltaire bekämpft das herodoteische Zeugniss mit dem
Satze: ,Ce qui n’est pas dans la nature n’est jamais vrai‘. Freilich sind
es analoge Fälle, die hier nnd oftmals dem nicht unbezweifelbaren Zeug
nisse zur Stütze dienen. Von der Analogie macht er selbst oft Gebrauch.
,11 serait encore difßcile de concilier les idees sublimes que Ies bramines
conaervent de l’Etre sublime, avee leurs superstitions et leur mythologie
fabuleuse, si Fhistoire ne nous moutrait pas de pareilles coutra-
dictions cliez les Grecs et les Romains. (Essai, c. 3.)
2 Phil, de l’liist., 24: Par quel exces de demence, par quelle opiniätrete
absurde, tant des compilateurs ont-ils voulu prouver dans taut de volumes
32
M ay r.
Autoren betrifft, so hat man sich erstlich um die Glaubwürdig
keit derselben zu kümmern, dann die Uebereinstimmungen und
Abweichungen der glaubwürdigeren zu beachten. Was durch
die öffentlichen Register, die Uebereinstimmung zeitgenössischer,
aufgeklärter, unter öffentlicher Controle schreibender Historiker
verbürgt ist, verdient Glauben. 1 ,Wenn Zeitgenossen, wie
der Cardinal von Retz und der Herzog von Larochefoucauld,
wechselseitige Feinde, das nämliche Factum in ihren Memoiren
erzählen, so ist dieses Factum unbezweifelbar; widersprechen
sie sich, so tritt der Zweifel in sein Recht/ 2 Zeitgenössische
Memoiren sind stets der Parteilichkeit verdächtig; da gilt es
denn, der satirischen Absicht, der Frivolität, der Uebertreibung
die Spitze abzubrechen. Gar keinen Werth besitzt, was von
obscuren Leuten in einem obscuren Winkel ohne alles historische
Gefühl in die Geschichte eingeschwärzt wird. In rohen Zeiten
sind Bildungslosigkeit und Einbildung, in aufgeklärter Partei
lichkeit und Schurkerei die Feinde historischer Wahrheit. 3
Zu den ,historischen Lügen' rechnet Voltaire nicht allein
die Wundergeschichten und Fabeln, sondern auch die Anekdoten,
die jPortraits' und ,Hai'angues'; ihnen allen gereicht das Moment
der Absichtlichkeit zum Verderben. Rohe und barbarische Zeiten
sind lügenhafter, als helle aufgeklärte. Je höher die geistige
Cultur eines Schriftstellers steht, desto höher steht er in der
Scala der Glaubwürdigkeit. Niedere Gesinnung, Unwissenheit
und Lügenhaftigkeit gehen Hand in Hand. Nur aufgeklärte
Zeiten bringen wahrhaftige Historiker hervor, woferne nicht
rednerisches Pathos, Affect oder Parteileidenschaft den Vorzug
der Aufklärung wieder zu nichte machen. 4 Indess sind nicht
enormes, qu’une fete publique etablie en memoire d’un evenement etait
une demonstration de la verite de cet evenement?
1 Essai, c. 197.
2 Siede de Louis XIV, c. 25. So dient ihm der Gegensatz Sarpi’s und
Pallavicini’s zur Controle ihrer Glaubwürdigkeit. (Essai, c. 172.)
3 Ces fables ne sont-eiles pas inventees par l’oisivete, la Superstition et
rinteret? (Remarques 1763, Nr. 21.)
4 D’ordinaire les histoires sont des satires ou des apologies, et l’auteur,
malgre qu’il en ait, regarde le lieros de son histoire comme un predi-
cateur regarde le saint de son sermon . . (Lettre k Caumont, 15. Sept.
1733.) — Un historien a bien des devoirs . . celui de ne point, calomnier
Voltaire-Studien.
33
alle historischen Daten, welche verworfen werden müssen,
qualificirte Lügen; es gibt auch historische Irrthümer sehr
verzeihlicher Natur. 1 Man kann irren aus Unachtsamkeit; man
kann irren in seinen Schlussfolgerungen, was nur allzu häufig
vorkömmt. Im Ganzen überwiegt die Lüge den Irrthum. So
berechtigt diese Erwägungen Voltaire’s sein mögen, so sind sie
doch zu allgemein hingestellt. Er kennt nicht den Unterschied
von Mythen, Sagen, Legenden und Tendenzmärchen. Wie sein
ganzes Jahrhundert gewährt er der bewussten Erfindung, der
eigentlichen Lüge, dem qualificirten Betrüge einen allzu weiten
Spielraum. Er bedenkt auch nicht, dass selbst Hass, Leiden
schaft, Servilismus selten absichtlich die Unwahrheit sagen;
sie umdunkeln vielmehr von vorneherein den Intellect und
heben dessen Freiheit auf.
Dass Voltaire die Anekdoten, die Volksreden im Stile
des Thukydides oder Livius, die Charakterschilderungen (por-
traits 2 ) üblicher Art bekämpft, liegt im rationalistischen
Zuge seiner Natur und seiner Zeit, in der bei ihm zum Durch
bruch gelangenden Abneigung des wissenschaftlichen Geistes
gegen die classicistische Tradition, welche darin einen un
entbehrlichen Schmuck der historischen Diction erblickte.
Insbesondere sieht Voltaire jeder Anekdote 3 scharf ius Gesicht;
ihre pöbelhafte Physiognomie hat etwas Empörendes für den
Mann, der mit den Grossen dieser Welt auf vertrautem Fusse
zu leben gewohnt war. Anekdoten reproducirt er niemals gerne,
auch wenn sie wohl verbürgt und glaubhaft sind. Erstlich
widerstrebt es ihm, wie oft geschieht, Anekdoten zu erzählen
und auf sie den Ursprung grosser Ereignisse zurückzuführen,
statt sich der Mühe einer Untersuchung ihrer verwickelten
et eelni de ne point ennuyer. (A Nordberg, 1742, Nr. 1271 der Ha-
chette’schen Edition.)
1 Histoire de la Russie, Preface §. 7.
2 Les portraits de.s hommes sont presque tous faits de fantaisie . . . les
hommes publies des temps passes ne peuvent etre caracterises que par
les faits. Vgl. Connaissance de la poesie et de l’eloquence (1749). Carac-
teres et portraits.
3 Ygl. den Art. Ana, Anecdotes im Dict. phil. — Histoire de la Russie
sous Pierre le Graud, Preface §. 4—7. — Siede de Louis XIV, c. 25. —
AM., sur les anecdotes (1775).
Sitzungsber. d. phil.-hist. ÜL XCV. Bd. 1. llft. 3
34
M a y i\
Bedingungen zu unterziehen. 1 Zweitens lenken sie nach seiner
Meinung- von dem eigentlich Historischen ab, zerren das oft
bedeutungslose Privatleben vor die Oeffentlichke.it und geben
der Gemeinheit, Bosheit, Niederträchtigkeit einen willkommenen
Anlass, das Erhabene auf ihr Niveau herabzuziehen. ,AUe
diese kleinen Geschichtchen, mit welchen man die Historie
aufputzen will, entstellen sie; unglücklicher Weise bestehen
fast alle alten Geschichten bloss aus derartigen Histörchen.
Malebranche hatte in dieser Hinsicht Recht, wenn er sagte,
er mache sich aus der Geschichte nicht mehr, als aus dem
Klatsche seines Viertels/ Es ist begreiflich, dass Voltaire
einem Zeitalter, dessen Interesse an der Oeffentlichkeit sich
lediglich um die chronique scandaleuse drehte, unaufhörlich
würdigere und zutreffendere Ansichten beizubringen bestrebt
war. Wenn Cicero sagt, der Geschichtschreiber dürfe keine
Wahrheit verheimlichen, so entgegnet Voltaire: ,Angenommen,
Ihr seid Zeuge einer Schwachheit gewesen, die ohne Einfluss
auf die öffentlichen Angelegenheiten geblieben ist, seid Ihr
verpflichtet, sie zu enthüllen ? In diesem Falle würde die
Geschichte zur Satire werden/ Voltaire hasste die Anekdoten
so zu sagen persönlich; denn einen seiner Helden hatte man über
seinen Maitressen, 2 einen andern über seinen Schnapsräuschen
beinahe vergessen. Auch hierin ist Voltaire ein populärer
Schriftsteller, der das Publicum zu sich emporzieht, während
Andere dessen ordinären Gelüsten nachgeben und das Edlere
ausser Cours bringen.
Voltaire rechnet nicht bloss die Anekdoten zum Ballast
der Historie; vielmehr sind seine Ansichten über das Unnütze,
das der philosophische Geist ausser Acht lassen dürfe, ziemlich
radicaler Natur. Man müsse die Dinge im Ganzen und Grossen
betrachten, sagt er; man müsse sich an die Gemälde der Jahr
hunderte halten; der menschliche Geist sei von Natur schwach
und erliege unter der Last minutiöser Details. Details, die
1 Die verborgenen, rein persönlichen Triebfedern der menschlichen Hand
lungen sind überhaupt kein Gegenstand für den Historiker. ,La cause
premiere n’est guere faite pour le pliysicien, et les premiers ressorts des
intrigues ne sont guere faits pour l’historien. (20. Mai 1738, an den Prinzen
Friedrich.)
2 Eigentlich ausser Ludwig XIV. auch Heinrich IV. (Vgl. Essai, c.. 174.)
Voltaire-Studion.
35
uns nichts lehren, seien dasselbe, was die Bagage bei einem
Heere ist: ,impedimenta‘. 1 Man habe sich nicht um die Samm
lung einer enormen Masse von Thatsachen zu bemühen, die
sich wechselseitig verwischen, vielmehr nur um die hauptsäch
lichsten und best beglaubigten zu bekümmern. 2 Man erforsche
mit aller Sorgfalt den Tag einer Schlacht, den Pomp einer
Ceremonie bis auf den letzten Lackei herab — gut. Aber
wenn man tausende von Schlachtbeschreibungen und hunderte
von Friedensschlüssen gelesen, habe man nichts weiter gelernt,
als Thatsachen, Ereignisse. Man vernachlässige um dieser
Dinge willen Kenntnisse von einer mehr fühlbaren und an
dauernden Nützlichkeit. 3 Aus der ungeheuren Fülle der That
sachen müsse man hervorheben, was gekannt zu werden ver
diene: den Geist, die Sitten, die Gewohnheiten, Vorurtheile,
Culte, Gesetze, Künste, Wissenschaften der Völker, gestützt
auf die zum Verständniss unentbehrlichen politischen Ereignisse.
Nicht der gekrönte Pöbel, sondern nur die Könige, deren
Grossthäten ihre Völker beglückt haben, seien der historischen
Erinnerung werth. 4 Die Ereignisse, Parteiungen, Revolutionen
1 Preface von 1754. — On nous accable d’histoires anciennes, Sans choix et
sans jugement; on les lit ä peu pres avec le meine esprit qu’elles ont dtd
faites et on ne se met dans la tete que des erreurs. (Phil, de l’hist., XIV.)
2 Remarques (1763) III. — Vous pensez anssi qu’il ne faut jamais s’ap-
pesantir sur les petits details qui otent aux grands evenements tout ce
qu’ils ont d’important et d’auguste . . Les mdmoires, les dupliques et
les repliques, sont de monuments & conserver dans des archives ou dans
les reeueils des Lamberti, des Dumont, ou meme de Roussel; mais rien
n’est plus insipide dans une histoire. (A Schowalow, 14. Nov. 1761.) —
De quels faits peut-on etre un peu instruits dans 1’histoire de ce monde?
• des grands evfenements publics que personne n’a jamais contestes . . mais
qui peut, penetrer les details ? On apcri'oit de loin la couleur domi
nante; les nuances echappent necessairement. (AM., sur les anecdotes
1775.) Le fond de son histoire (Cyrus) est tres vrai; les episodes sont
fabuleux: il en est ainsi de toute histoire. (Phil, de l’hist., XI.) — Er
meint, dass man die kritisch sicheren Details zum Behufe der eigent
lichen Historiographen annalistiseh oder lexikalisch zusammenstellen solle.
(Preface von 1754.) Des details que je hais . . Malheur aux gros livres!
je m’occupe h rendre celui-ei (Siede de Louis XIV.) plus petit et
meilleur. (A Richelieu, 16. Dec. 1752.)
3 ,Nouvelles eonsiderations sur l’histoire“. Vorwort zum Charles XII.
4 L’histoire des dates, des genealogies, des villes prises et reprises, a son
m^rite; mais l’histoire des moenrs vaut mieux, a mon gre. (A Burigny,
May i.
86
und Verbrechen solle man nicht um ihrer selbst willen der
Beachtung würdigen, sondern nur insoferne sie uns helfen,
die Geschichte der menschlichen Meinungen, des menschlichen
Geistes überhaupt verstehen zu lernen. 1 Weil die Geschichte
sich selbst unzählige Male wiederhole, genüge es die bezeich
nendsten Momente hervorzuheben. Freilich, die Principien,
nach denen Voltaire die Auswahl und Anordnung der histori
schen Geschehnisse vornahm und vorgenommen wissen wollte,
werden uns erst ganz klar werden, wenn wir den Umkreis seiner
historisch-philosophischen Ansichten werden durchmessen haben.
Welchen Nutzen verspricht sich nun Voltaire von seiner
kritisch gesichteten Historie? Was er selbst darüber sagt, das
übersteigt in der Regel nicht das Durchschnittsmaass skizzen
hafter Banalität; wir wollen dessen daher nur im Vorbeigehen
erwähnen; charakteristisch ist es immerhin, namentlich im Ver
gleich mit der theologischen und höfischen Auffassung Bossuet’s.
Die Geschichte, meint er, liefere dem Staatsmanne, wie dem
Bürger das Material zu Vergleichungen der aetuellen Zustände
seines Landes mit denen fremder Zeiten und Völker; dadurch
errege sie den Wetteifer der Nationen. Als Fehler- und Bei
spielsammlung übe sie eine heilsame Wirkung, zumal auf die
leitenden Persönlichkeiten, aus. Sie sei eine Schule der Politik;
so lehre sie das Gleichgewichtssystcm erkennen, dem Europa
verdanke, dass es nicht einer einzelnen Macht unterworfen
sei. 2 In Zeiten geschichtlicher Unwissenheit treffe man keine
10. Mai 1757.) Vgl. den Avant-propos des Essai. — Autant il faut con*
naitre les grandes actions des souverains . . qui ont rendu leurs penples
meillenrs et plus henreux; autant on doit ignorer le vulgaire des rois
qui ne servirait qu'a charger la memoire. (Introduction von 1753.)
1 Remarques (1703) II. — Tout ce qui s’ost fait ne merite pas d’etre ecrit.
On ne s’attachera, dans cette liistoiro, qu’ä ee qui merite l’attention de
tous les temps, h ce qui peut peindre le gdnie et les mceurs des hommes,
k ee qui peut servir d’instruction et couseiller l’amour de la vertu, des
arts et de la patrie. (Siede de Louis XIY. — Introduction.) Mon but
n’est pas d’ecrire tont ce qui s’est fait, mais senlement ce qui on a fait
de grand, d’utile et d’agreable. C’est le progres des arts et de l’esprit
liumain que je veux faire voir et non l’histoire des intrigues de cour et
des mecliancetes des liommes. (A Berger, April 1739.)
2 ,Ces details“, sagt er gelegentlich, ,pourraient fournir des exemples,
s’il y avait des cas pareils; mais il ne s’en trouve jamais, ni dans les
Voltaire-Studien.
37
Vorsichtsmaassregeln und öffne so allen Calamitäten Thür und
Thor. ,Aneantissez retude de l’histoire, vous verrez peut-etre
des St.-Barthelemy on France et des Cromwell en AngleterreJ
Das ist doch der ganze Voltaire! der Geist des achtzehnten
Jahrhunderts, welches glaubt, die Erkenntniss sei im Stande,
das Unheil, das aus den vernunftlosen Leidenschaften der
Völker entspringt, für ewige Zeiten zu bannen! 1
Wegen ihres Nutzens, aber auch ihrer höheren Zuver
lässigkeit halber, bevorzugt Voltaire entschieden die netiere
Geschichte. In dieser Beziehung ist er mit Bolingbroke einver
standen; einige seiner Aeusserungen scheinen unter dem directen
Eindrücke der ,Letters on the study of history' geschrieben zu
sein. ,Ich wollte', sagt er, ,dass man ein ernsthaftes Geschichts
studium erst mit jener Zeit beginne, wo sie für uns interessant
zu werden anfangt: das ist, wie mir scheint, gegen Ende des
fünfzehnten Jahrhunderts. Alte Geschichte treiben heisst einige
Wahrheiten unter tausend Lügen zusammenstoppeln. Alte
Geschichte ist nur insoweit von Nutzen, als es die Fabel ist,
nämlich durch ihre grossen Ereignisse, die den stets wieder-
affaires ni dans la guerre. Lea ressemblances sont toujourg imparfaites,
les diftereuces toujours grandes.' (Siede de Louis XIV. Catalogue s. v.
Quincy.)
1 ,Ceux qui diraieut k uii liistoi'ien: Ne parlez pas de lios extravagances
passees, ressembleraient aux enfants des pestiferes, qui ne voudraient pas,
qu’on dit que leurs peres ont eu le charbon. Les papiers publics . .
effrayent le crime, ils arretent la main prete ä le commettre. Plus d’uu
potentat a craint quelquefois de faire une mauvaise action qui serait en-
registree sur le cbamp dans toutes les archives de l’esprit humain“. (Re
marques de l’Essai, 1763, Nr. VII, vgl. Nr. XV.) •— ,Si les princes et
les partieuliers n’avaient pas quelque interet k s’instruire des revo-
lutions de taut des barbares gouvernements, on ne pourrait plus mal
employer son temps qu’en lisant l’histoire. 1 (Essai, c. 94.) — ,Lo juge-
ment de la posterite est le seul rempart qu’on ait contre la tyrannie
heureuse.“ (Essai, c. 166.) — ,La consolation du genre liumain est d’avoir
des annales fideles qui, en exposant les crimes, excitent ä la vertu. 1
(Annales de l’empire. Lettre k Madame la Duchesse de Saxe - Gotha,
8. März 1754.) — Tous les faits principaux de l’histoire doivent etre
appliques ä la morale et k l’etude du monde; sans eela la lecture est
inutile. (Pensees, remarques et observations de Voltaire.) Enfin les
hommes s’eclairent un peu par ce tableau de leurs malheurs et de leurs
sottises. (Remarques. 1763.)
38
May r.
kehrenden Gegenstand neuer Gemälde, Dichtungen, Gespräche,
moralischer Erörterungen bilden. Die alte Geschichte verhält
sich, wie mir scheint, zur neueren, gleichwie die alten Medaillen
zu den in Curs befindlichen Münzen: die ersteren bleiben in
den Cabineten, die letzteren circuliren zum Behuf des Handels
verkehrs in der ganzen Welt/ 1 Nützlich zu sein, d. h. min
destens die Einsicht zu erweitern, was die Anhäufung falscher
oder auch wahrer Details niemals vermag, rechnet Voltaire
zu den wesentlichen Pflichten des philosophischen Geschicht
schreibers. 2 Letzterer aber setzt den philosophischen Leser
voraus. 3
Dem Staatsmann, dem Philosophen kommt es nach Vol-
taire’s Ansicht zu, Geschichte zu schreiben; schriftstellerische
Talente sind ihm gleichfalls unentbehrlich. 4 Der Geschicht
schreiber muss die Menschen kennen, damit er sie schildern
kann. ,Begnügen wir uns', sagt er mit Montaigne, ,wenn wir ein
fache Historiker haben, welche mit Sorgfalt und Fleiss anhäufen,
was ihnen zur Kenntniss kommt, die alles redlich, ohne daran
1 Siehe ,Remarques“ und, Nouvelles considerations 1 vor dem Charles XII. —
,C’est duns l’histoire de nos propres folies qu’on apprend ä etre sage et
non dans les discussiuns tenebreuses d’une vaine antiquite.“ (Conclusion
von 17G3, Nr. IV.) Vgl. Conseils sur l’histoire (1737). — Laissons donc
lä toute la pretendue histoire ancienne, et, k l’egard de la moderne, que
e.hacun cherehe ii s’instruire par les fautes de son pays et par celles de
ses voisins, la le^on sera lougue. (L’A, B, C; 6 me entretien.)
- Vous voudriez que des pliilosophes eussent ecrit l’histoire ancienne . .
Vous ne clierchez que de verites utiles . . Tächons des nous eclairer
ensemble. (Phil, de l’hist. I.)
3 Si les hommes etaient raisonnables, ils ne voudraient d’histoires que
celles qui mettraient les droits des peuples sous leurs yeux . . mais cette
maniere d'ecrire l’histoire est aussi difficile que dangereuse. Ce serait
une etude pour le lecteur et non un delassement. Le'public aime mieux
les fables: on lui en donne. (Pyrrhonisme de l’hist., c. 16.)
4 Habile historien, c’est-ä-dire 1’historieu qui a puise dans les bonnes
sources, qui a compare les relations, qui en juge sainement, en un mot
qui s’est donne beaucoup de peiue. S’il a encore le don de narrer avee
l’eloquence eonvenable, il est plus qu’habile, il est graud historien, comme
Tite-Live, de Thou . . (Art. Habile.) — Enfin le grand art est d’ar-
ranger et de presenter les evenements d’une maniere interessante; c’est
un art tres-difficile, et qu’aucun Allemand n’a connu. (A Schowalorv,
14. Nov. 1761.)
Voltaire-Studien.
39
viel herumzuklauben, einregistriren, indem sie unser Urtheil
bezugs der Erkenntniss des Wahren freilassen/ ,Aber‘, setzt er
hinzu, ,wir wollen sie mit philosophischem Geiste lesen.' 1 Der
schalen Reflexion, des aufdringlichen und schiefen Urtheiles
müde, äussert sich Voltaire oft so, als ob es dem Geschicht
schreiber nur zukäme, die nackten Thatsaehen für sich selbst
sprechen zu lassen. Ihn beseelte zeitlebens ein reger Sinn für
alles Factische. Jedoch was er den Pedanten, den Fanatikern
verwehrt wissen wollte, dem auch für seine Person zu entsagen,
kam ihm gar nicht in den Sinn. Ihm waren seine Reflexionen,
seine Urtheile über Menschen und Ereignisse, die Wirkung auf
die Gesinnungen seiner Zeitgenossen Haupt- und Endzweck der
historischen Darstellung. 2
B. Gott und Mensch in der Geschichte. 3
Wie wir bisher gesehen haben, rechnet Voltaire zu den
Aufgaben einer philosophischen, über den gewöhnlichen geist-
losenBetrieb erhabenen Geschichtschreibung: erstens, eine scharfe,
rücksichtslose Kritik der Ueberlieferungen; zweitens, eine ver-
1 Articles extraits de la Gazette litteraire (1764), Nr. 24.
2 Je pense qu'il faut eerire l’histoire en pliilosoplie; mais qu’il ne faut pas
l’ecrire on precepteur, et qu’un liistorien doit instruire le genre huinain
sans faire le pedagogue. (A Thieriot, 31. Oct. 1738.) — ,J’ai fait tont
ce que j’ai pu pour eontribuer k etendre cet esprit de philosophie et de
tolerance qui semble aujourd’hui earaeteriser le siede*, schreibt er über
seinen Essai an Thieriot (26. März 1757). — Je crois que la meilleure
maniere de tomber sur l’iufäme est de paraltre n’avoir nulle envie de l’at-
taquer, de ddbrouiller un peu le chaos de l’antiquite . . de repandre
quelque agrement snr l’histoire ancienne, de faire voir combieu on nous a
trompes en tout, combien ee qu’on nous a donne pour respectable est
ridicule, de laisser le lecteur tirer lui meine les consequences. (A Dami-
laville, 13. Juli 1764.) Vgl. den Briefwechsel über die Philosophie de
l’histoire, März bis Juli 1765.
3 Die besten mir bekannten Darstellungen der Voltaire’selien Philosophie,
ausser der Monographie Bersot’s (La philosophie de Voltaire, 1848) sind:
D. Fr. Strauss: Voltaire, 5. Vortrag (vgl. K. Fiseher’s Francis Bacon,
2. Auf!., p. 678—682) — H. Hettner, Geschichte der französischen Lite
ratur (1872, 3. Aufl.), p. 178—226 — Windelband, Geschichte der
neueren Philosophie (187S), p. 367—375 — Flint, Philosophy of history,
p. 116—124.
40
Mayr,
ständige Auswahl der wichtigen, inhaltsvollen, erspriesslichen
Daten aus dem Chaos der Einzelheiten, wobei er das Haupt
gewicht nicht auf die Kriegs- oder Staatengeschichte, sondern
auf das, was ■wir unter Culturgeschichte begreifen, legt. Wir
haben nun mit ihm zu erforschen, welche die in der Geschichte
wirksamen Kräfte sind; welche Triebfedern die menschlichen
Handlungen bewegen; wie weit sich das Reich der Nothwendig-
keit und das Reich der Freiheit erstrecken. Erst müssen wir
den natürlichen Verlauf der Begebenheiten kennen, das Was
und Wie des historischen Geschehens : dann können wir die
Frage nach dem Wozu, dem Ziel und Ende der menschlichen
Bestrebungen aufwerfen, um daran den Werth derselben zu
messen. Kraft dieser Beurtheilung, über deren Art und Weise
wir hier keine allgemein gütige Norm aufzustellen gedenken,
bemächtigt sich die Philosophie eigentlich erst des empirischen
Stoffes. Doch hat sie zur gemeinen und wissenschaftlichen
Erfahrung noch ein anderes Verhältniss: sie kritisirt auch die
Zulänglichkeit der empirischen Erklärungsweisen. Gewöhnlich
gibt sie sich mit denselben nicht zufrieden, sondern sucht eine
Ergänzung zu den leicht fassbaren Factoren, mit weichen die
Empirie zu rechnen gewohnt ist. Sie stellt der Physik eine
Metaphysik zur Seite und unterwirft nun das ganze Gebiet
natürlicher, wie geschichtlicher Erfahrungen der metaphysischen
Betrachtung. Zu den metaphysischen Kräften, welche man zur
Natur und zur Geschichte in Beziehung bringt, zählt auch die
Gottheit.
Namentlich in der jüdischen und der christlichen Religion
hatte man den Wechsel und Wandel des historischen, socialen,
moralischen Lebens der Menschen auf das engste mit dem
Willen der Gottheit, ihren Plänen, ihren mannigfaltig bedingten
Actionen verknüpft. Voltaire fand das bezügliche Geschichts
system noch in voller Herrschaft. Doch hatte das philosophi
sche Bewusstsein der neueren Jahrhunderte gegen dasselbe
schon wiederholt revoltirt.
Mitten in die Bestrebungen, die auf eine gänzliche Eli
mination der' metaphysischen Potenzen aus dem Reiche der
Erfahrung zielten, Hel Voltaire’s Leben. Er hält auch hier eine
mittlere Richtung ein; ihm widerstreben alle Excesse der
Meinung; er gehört zur Partei des .juste milieu‘ und des ,bon
Voltaire-Studien.
41
sens'. 1 Nicht gegen die Existenz und die Wirksamkeit Gottes
im Allgemeinen wendet er sich; er bekämpft nur die anthropo-
morphistischen Vorstellungen, welche er in der christlichen Auf
fassung vorzufinden meint. Nicht das universelle Princip der
Thätigkeit stellt er in Abrede, wohl aber die Möglichkeit, die
Wirksamkeit Gottes in ihrem Wesen, ihrem Grunde und ihrem
Endziele zu erkennen. Nicht die Abhängigkeit des Universums
von ihrem Schöpfer und Lenker leugnet er, wohl aber die
Annahme, dass unser kleiner Planet oder wohl gar das Geschick
eines bedeutungslosen Völkleins der Punkt sei, auf welchem
sich das Wirken Gottes concentrire. Er verdammt das ,asylum
ignorantiae* und die ,ignava ratio'; er protestirt, dass man Alles,
was man nicht erklären könne, der Gottheit zuschiebe; er will
nicht, dass die Menschen in feiges Gewährenlassen und fata
listisches Zusehen versänken; er will ihnen vielmehr die Pflicht
des Selbsthandelns und die Selbstverantwortlichkeit zu Gemüthe
führen. 2
Der Gott Voltaire’s ist der Gott des Deismus, des Vernunft
glaubens, nicht der Gott des Dogmas und der Mystik. Unter
den Beweisen für seine Existenz bevorzugt er den physico-
theologisclien und den moralischen (ethico-theologischen); auch
den kosmologischen wendet er an. 3 Ist der Gott des Dogmas, so
zu sagen, historischer Abkunft und historischen Charakters, so ist
der Gott Voltaire’s, wie der der neueren Philosophie überhaupt,
physischer Herkunft, ein Naturgott, zu dessen entlegensten
1 II a fallu dire ce que je pense, et le dire d’une maniere qui ne revoltät
ni les esprits trop philosophea ni les esprits trop credules. J’ai vu la
ndeessite de bien faire connaitre ma fa<;on de penser qui n’est ni d’un
superstitieux, ni d’un athee; et j’ose croire que tous les honnetes
gens seront de mon avis. (A Cideville, 12. April 1756.)
2 Die wichtigsten Stellen über Gott sind in folgenden Schriften enthalten:
Traite de Metaphysique (1734). 2 c. — Elements de la philosopliie de
Newton, I part., 1—3 c. — Soplironime et Adelos (1768) — Le pliilo-
sophe ignorant (1766) — Ilomelie sur l’atheisme (1767) — Tout en
Dieu, Commentaire sur Malcbranche (1769) — Dieu et les hommes
(1769) — Lettres de Memmius a Ciceron (Traite de Memmius) I—XIII
(1771) — II fallt prendre un parti (1772) —■ Dialogues d’Evliemere
(1777). — Ferner diverse Artikel des philosophischen Wörterbuches, wie
Art. Athee; Atheisme; Dieu; Religion.
3 Hettner, Französische Literatur, p. 184 ff.
42 Mayr,
Actionsgebieten nebstbei die historische Welt gehört. Der in
der Natur vorherrschende Typus des Wirkens prädominirt in
dieser Gottesvorstellung, während die Merkmale des seelischen
Lebens, Liebe und Hass, von ihr geradezu ausgeschlossen werden.
Vernunft zwar, wie sie sich im Mechanismus der Natur zu offen
baren scheint, hat dieser physikalische Gott; aber menschlich
verständliche Absichten nicht. Wie die Welt der Empfindung
und des Begehrens nur ein Nebeneffect der ewig waltenden,
indifferenten Natur ist, so erscheint auch in der metaphysischen
Projection derselben der Charakter des Mechanischen, Gleich
gültigen, Unwandelbaren vorwaltend. Kein seelischer Contact
herrscht zwischen Gott und Menschenwelt; nur ein mechanisches
Verhältniss obwaltet zwischen Gott und Natur. 1 Er ist der
,eternel geomctre* des Universums; er ist der ,maitre de la
naturek ,Nature* und ,Dieu* werden als Synonyma gebraucht,
ähnlich wie Spinoza ,Deus sive Natura* sagt. 2 Gott ist die
ewige Macht, welche die von ihm ersonnene mechanische Thä-
tigkeit der Natur in ihrem bewunderungswürdigen, gesetzlichen
Ablauf erhält.
Die Unbegreiflichkeit des Naturlebens ist auch für Vol
taire der Grund, ein, trotz aller Reserve, doch nach mensch
licher Analogie fingirtes Wesen anzunchmen. Weil alles sich
bewegt und lebt ■— Himmel, Erde, Wasser, Organismus und
Leichnam — so muss es auch ein besonderes Princip dieser
universellen Thätigkeit geben; die Welt bedarf eines belebenden
Principes, eines Motors. 3 Die constante Uniformität der Natur
gesetze im Laufe der Gestirne, wie im Leben jeder Thiergattung
beweist die Einheit dieses Principes. Der Beweger des Alls
1 Le vulgaire imagine Dien corame un roi qui tient son lit de justice dans
sa cour. Les coeurs tendres se le representent comme un pere qui a soin
de ses eufants. Le sage ne lui attribue aucune aflection humaine. (De
l’äme, 1774.) — Les physiciens sont devenus les herauts de la Provi-
deiiee: un catecliiste annonce Dieu ii des enfants et un Newton le de-
montre aux sages. (Art. Tlieisme.) — cf. Art. Athee, S. II.
2 Le fabricateur eternel. (Sophronime et Adelos, 1766.) — L’eternel machi-
niste. (Traite de metapliysique, c. 8.) — L’arcliitecte de l’univors, 1’Arran
geur, formateur, conservateur, destructeur et reprodueteur u. s. w.
3 Eine der wichtigsten Schriften Voltaire’s ist übersehrieben: II faut prendre
un parti ou le principe d’actiou (1772). Es ist der treffendste Aus
druck seiner Meinung.
Voltaire-Studien,
43
ist sehr mächtig, nicht allmächtig, 1 sehr intelligent, sehr weise,
unveränderlich, ewig, wie das Universum. Identisch mit dem
letzteren ist er nicht: er ist nur dort, wo schon etwas ist. Er
ist der Arrangeur der Weltbestandtheile, der weise Urheber
der allwaltenden Gesetze. Wie Alles, so ist auch der Mensch
ein Geschöpf Gottes. Gott gab ihm seinen Leib und pflanzte
der Materie die Fähigkeit zu denken ein. Durch die Organi
sation, die er ihm gab, ward er zugleich der Urheber des ge
selligen Lebens, der Urheber des Sittengesetzes. Von einem Pol
zum andern ist der Urgrund der Menschennatur gleich; allein
das allen Gemeinsame ist der Abstufung, der Entwicklung, der
Vervollkommnung fähig. Das ist der Punkt, wo die Geschichte
an die Stelle der Naturgeschichte eintritt. So weit bedarf Vol-
taire Gottes; so weit reicht das Unbegreifliche, zu dessen Auf-'
hellung ihm der Gottesbegriff verhilft: von da ab beginnt das
Reich des Menschlichen, deshalb Verständlichen.
Die ursprüngliche Anordnung der Weltbestandtheile durch
eine höchste Intelligenz vorausgesetzt, vollzieht sich der Ablauf
der Ereignisse nach unwandelbaren Gesetzen; für besondere,
so oder so motivirte Eingriffe Gottes ist innerhalb dieses Systems
weder Bedürfniss, noch Möglichkeit vorhanden. Die Ereignisse
folgen sich nach dem Principe von Ursache und Wirkung. Alles
ist Rad, Rolle, Strick, Triebfeder in der ungeheuren Maschine.
Kein Geschöpf ist von diesen ewigen Gesetzen eximirt, mag es
empfindungslos sein oder Empfindung haben. Jedes Geschöpf
folgt den eigenen Gesetzen seiner Natur, ist aber in das grosse
Ganze hineinverwebt. Man missverstehe aber diese Lehre nicht.
Wohl ist jedes Ereigniss die Wirkung vorangehender Ursachen.
Aber nicht jedes Ereigniss wird selbst wieder Ursache. Wenn
die Vergangenheit die Mutter der Gegenwart ist, so geht auch
die Gegenwart mit der Zukunft schwanger: jedoch nicht jeder
mann ist Vater, wie er Kind ist. Es verhält sich damit wie
1 II est veritablemcnt le seul puissant, puisque c’eat lui qui a tout forme;
mais il n’est pas extravagamment puissant . . Chaque etre ost circon-
scrit dans sa nature; et j’ose croire que l’Etre supreme est circonscrit
dans la sienne. (Dialogues d’Evhdmire, 2.) •—• II est esclave de sa volonte,
de sa sagesse, des propres lois qn’il a faitos, de sa nature necessaire.
II ne peut les enfreindre, parce qu’il ne peut etre faible, ineonstant,
volage eomme nous. (Les oreilles du Comte de Chesterfield, c. 4, 1775.)
44
Mayr,
mit den Stammbäumen: alle Häuser gehen bis auf Adam zurück,
aber es gibt in jeder Familie Leute genug, die keine Nach
kommenschaft hinterlassen. 1 ,Wenn man nicht den Kaiser
schnitt an Cäsar’s Mutter vorgenommen hätte, so würde Cäsar
die Republik nicht zerstört haben. Maximilian heirathete die
Erbin Burgunds und der Niederlande, welche Heirath die Ursache
zweihundertjähriger Kämpfe wurde. Aber ob Cäsar rechts oder
links gespuckt, ob die Erbin von Burgund ihre Coiffure so oder
so geordnet hat, das war sicherlich für das System der Dinge
gleichgiltig. Es gibt eben Ereignisse, die Wirklingen hervor
bringen, und andere, bei denen dies nicht der Fall ist.‘ 2
Von dieser Lehre macht er denn auch als Geschichts
philosoph uneingeschränkten Gebrauch. So sagt er einmal in
Bezug auf den Islam: 3 ,Diese für uns so gewaltige Um
wälzung ist in Wahrheit nur gleich einem Atom, das in der
Unendlichkeit der Dinge seinen Platz gewechselt hat; . . aber
mindestens ist es ein Ereigniss, welches man als ein Rad in
der Maschine des Weltalls und als eine nothwendige Wirkung
der ewigen, unveränderlichen Gesetze betrachten muss: denn
kann sich irgend etwas ereignen, was nicht von dem Meister
aller Dinge wäre vorausbestimmt worden? Nichts ist anders,
als es sein muss . . Wie könnte in dem Werke des ewigen
Geometers, der die Welt hervorgebracht bat, nur ein einziger
Punkt sich ausserhalb der Stelle befinden, die ihm der oberste
Künstler angewiesen hat? Man kann Worte, welche dieser
Wahrheit widersprechen, Vorbringen; aber eine entgegenge
setzte Meinung kann kein Mensch haben, wofern er nachdenkt.
Der Graf Boulainvilliers behauptet, Gott habe den Mohamet
erweckt, um die orientalischen Christen zu strafen . . . Allein
dies heisst ihm parteiische und particuläre Absichten unter
legen. Es ist doch wunderlich, sich einzubilden, das ewige
und wandellose Wesen verändere seine allgemeinen Gesetze,
würdige sich zu kleinlichen Absichten herab . . . opfere durch
einen speciellen Eingriff die von seinem Sohne verkündete
1 Art. ,Enchainement‘ und ,Bestin'. — Vgl. die Anmerkung zum 75. Vers
des Poems ,Sur le desastre de Lisbonne 1 . — II fant prendre un parti
(c. 6—8.) — Elements de la Philosophie de Newton, I, 3.
2 Note zum ,Poeme sur le desastre de Lisbonne' (1755).
3 Remarques de l’Essai (1763), IX.
Voltaire-Studien.
45
Religion einer falschen auf. Entweder hat er seine Gesetze
verändert, was doch ein unbegreiflicher Wankelmuth bei einem
höchsten Wesen wäre; oder die Vernichtung des Christenthums
in diesen Himmelsstrichen war eine unfehlbare Folge der uni
versellen Gesetze 1 .
Unter den so verpönten particulären (den gesetzmässigen
Ablauf der Dinge unterbrechenden) Wirkungen Gottes nimmt
in Glauben und Geschichte das Wunder den ersten Platz ein.
Die Bekämpfung des Wunderglaubens bildete ein Lieblings
thema der Aufklärer. Voltaire hatte hierin berühmte Vorgänger,
wie Woolston, Bolingbroke, und einen noch berühmteren Mit
kämpfer: D. Hume. 1 So oft Voltaire auf die Wunderfrage zu
sprechen kommt, lässt er alle Künste seiner corrosiven Beredt-
samkeit spielen. Meistens ironisirt er, selten bricht er in Hohn
oder Entrüstung aus. In seinen verhältnissmässig jüngeren
Jahren — er wurde sehr alt und blieb sehr lange jung —
bevorzugt er die leichteren Formen des Witzes; je älter er
wird, desto knirschender wird sein Ton. Man focht eben da
mals nicht mit Schulklingen, sondern mit blanker, nicht selten
vergifteter Waffe.
Auf dem Standpunkte Voltaire’s gibt es kein Wunder;
über Wunder findet von Rechtswegen weder ein Wissen, noch
ein Meinen oder Glauben statt. Wohl aber gibt es einen
Wunderglauben als historische Thatsache, als historisch macht
vollen Wahn, der es seiner thatsächlichen, actuellen Bedeutung
halber verdient, auf seinen Ursprung, seine Motive, Ziele,
kurzweg Erscheinungsformen geprüft zu werden. Unter den
historischen Wundern sind wiederum die biblischen für uns
die wichtigsten, nicht weil sie realer wären, als die Wunder
der heidnischen Welt, sondern weil sie den stärksten Einfluss
auf die Schicksale der Menschen ausgeübt haben. Wenn sich
1 Ueber Woolston’s Schrift (Diseourses on the miracles of our saviour)
erzählt Voltaire: ,11 en fit en deux ans depuis 1727 ii 1729 trois editions
de vingt mille exemplaires chaeuue; il ost difficile aujourd’hui d’en
trouver chez les libraires 1 . (Art. Miracles, Sect. IV.) — Kr seihst bekämpft
das Wunder und die Wunder, man kann sagen, in jeder seiner philo
sophischen oder historischen Abhandlungen. Insbesondere vgl. Questions
sur les miracles (1765). —- Art. Miracles (nach llenchot nur zum Theile
von Voltaire' herrührend).
4G
M ayr.
die Wundergläubigen darauf berufen, dass Gott nur zu Gunsten
seiner Auserwählten Wunder verrichte, so entgegnet ihnen der
Philosoph, dass alle Völker sich für auserwählt hielten und die
Geschichte aller von Wundern wimmle, die man einem irgendwie
benannten Gotte zuschreibe. Entweder — oder! Entweder
gesteht die Göttlichkeit all diese Wunder zu, oder unter
werft auch eure eigenen Wundergeschichten der historischen
und philosophischen Kritik. 1 Die erstere beobachtet, dass
Wunder zu allen Zeiten an guter historischer Beglaubigung
Mangel leiden; dass sie sich in dem Maasse mehren, als die
Zeiten dunkler, barbarischer, unwissender werden; dass sie in
dem Maasse verschwinden, als Vernunft und Aufklärung zu
nehmen. 2 Die historische Kritik lehrt überdies, dass mit
den Mächten des Wahnes auch die Absicht zu täuschen, der
Betrug, Hand in Hand geht. Wunder finden sich überall
dort, wo es theokratische Ansprüche gibt; sie sind Stützen
und Mittel der Herrschaft über die rohe Menge. Der Wunder
glaube vergeht mit dem anbrechenden Lichte der Vernunft.
Das Wunder ist dem Philosophen ein Unding, weil es eine Ver
letzung der mathematischen, unabänderlichen, göttlichen Gesetze
des Weltalls behauptet; weil es auf eine ebenso widerspruchs
volle, als niedrige Vorstellung vom Wesen Gottes basirt ist; weil
es auf einem barbarischen Wahne von der Wichtigkeit unseres
winzigen Planeten und unserer erbärmlichen Querellen beruht. 3
1 Quoi? vous ne croyez pas aux mirac.les rapportes dans les Herodote et
les Tite-Live par eent auteurs respectes des nations; et vous croyez ä
des aventures de la Palestine racontes, dit-on, par Jean et par Marc,
dans des livres ignores etc. (Catechisme de l’honnete homme, 1763.) —
jChaque peuple 1 , spottet er in der Phil, de l’hist., c. 39, ,a ses prodiges;
mais tout est prodige ehez le peuple juif; et on peut dire qne cela devait
etre ainsi, puisqu’il etait conduit par Dien meine. II est clair que
l’histoire de Dieu ne doit pas ressembler ä celle des liommes. 1
2 Fonrquoi a-t-il (Dieu) fait une foule de miracles ineomprehensible en
faveur de cette chetive nation avaut les temps qu’on norame liistoriques?
Pourqnoi n’en fait-il plus depuis quelques siecles? (Questions de Zapata
III, 1767.) — Depuis les temps liistoriques, c’est-ä-dire depuis les con*
quetes d’Alexandre, vous ne voyez plus de miracles ehez les Juifs. (Art.
Miracles, S. III.) — Plus les societes perfeetionnent les connaissances,
moins il y a de prodiges. (Ibid.)
3 Eine reizende Persiflage des geoeentrischen Grössenwahnes enthält der
Roman Mikromegas.
Voltaire -Studien.
47
Den Wunderglauben finden wir häufig mit dem Aus
erwählungsglauben verbunden. Auch dieser widerspricht allen
besseren Vorstellungen über Gott und Weltlauf; er ist eine
blosse Ausgebui’t des nationalen Dünkels, insbesondere bei
den Juden und Christen. ,Das ist doch der Gipfelpunkt des
Schreckens und der Lächerlichkeit, Gott als einen unsinnigen
und barbarischen Despoten aufzufassen, der heimlich einigen
seiner Günstlinge ein unverständliches Gesetz verkündet und
die übrigen Völker hinwürgt, weil sie von diesem Gesetze
nichts wissend 1 Ebenso widrig dünkt unserem Philosophen
eine andere Grundvorstellung der christlichen Geschichts
philosophie, die Lehre von der Gnadenwahl sammt allem, was
daran hängt, der civitas dei und diaboli. In einem seiner
frühesten Gedichte 2 schon sagt Voltaire:
.Je veux aimer ce Dien, je cherche en lui mon pere:
On rae montre uu tyran que nous devons hair.
Ce Dien poursuit encore, aveugle en sa colere,
Snr ses derniers enfants l’erreur d’un premier, pere;
II en demande compte h cent pouples divers
Assis dans la nuit du mensonge;
II punit au fond de l’enfers
L’ignorance invincible ou lui-meme il les plonge,
Lui qui veut eclairer et sauver l’univers!
Amerique, vastes contrees,
Pouples que Dieu fit naitre aux portes du soleil,
Vous, nations hyperborees,
Que l’erreur entretient dans un si long somnieil,
Serez-vous pour jamais h sa fureur livrees
Pour n’avoir pas su, qu’autrefois,
Dans un autre hemispbere, an fond de la Syrie,
Le fils d’un charpentier, enfante par Marie,
Renie par Ceplias, expira sur la croix?
Später freilich bekämpfte er den nach seiner Meinung
tyrannischen und ungerechten Gott der jüdisch-christlichen
Geschichtsphilosophie nicht mehr vom Standpunkte einer ge
fühlvolleren, humaneren Auffassung. Er sah in ihm das Wider
spiel seines Gottes, seines ,maitre de la nature' mit ihrer ewigen,
1 Dien et les hommes (1769), Axiomes. — Vgl. über diesen Gegenstand
den folgenden Abschnitt vorliegender Abhandlung.
2 Le pour et le contre (1722).
48
MUyK.
un durchbrechbaren Gesetzlichkeit. Er sah in der jüdisch-
christlichen Eelig'ion nur ein Exemplar jener positiven Reli
gionen, in denen der Aberglaube der Massen und der Betrug
der Priester Verkörperung gefunden haben. Wenn Einem
Manne, so ist ihm die Vernichtung des bis dahin herrschenden,
noch von Bossuet vorgetragenen Geschichtssystems zu danken.
Gerade dass er hundertmal und tausendmal die nämlichen
Themen variirt, dass er kein Capitel vorübergehen lässt, in
dem er seinen Gegnern nicht einen Hieb versetzt: gerade dies
macht das Geheimniss eines literarischen Erfolges aus. Trotz
der ernstlichst gemeinten Wiederbelebungsversuche gelang es
nicht wieder, die entschlafenen Meinungen zu erwecken. Mag
einer über die Beziehungen der überirdischen zur irdischen
Welt so oder anders denken, in der Geschichte, als Wissen
schaft, darf er weder Wunder- noch Auserwählungsglauben
zum Vorschein kommen lassen; als Mitwisser der göttlichen
Absichten darf er sich nicht geriren: das einmüthige Verdict
der Wissenschaft würde ihn widrigenfalls in seine Schranken
weisen. Unser historisches Jahrhundert, das über das ,un-
historische' achtzehnte so gerne die Achseln zuckt, steht doch
auch in historischen Dingen auf dessen Schultern.
Ist Gott der weise Schöpfer, Ordner, Erhalter des Welt
alls, so entsteht die Frage, erstlich wie es sich mit dem in
der Welt vorhandenen Uebel verhält, zweitens wie er sich
dazu verhält.
Für Voltaire gibt es nichts Lächerlicheres und Beklagens-
wertheres als den Versuch, das Uebel zu leugnen oder hinweg
zu disputiren, als die Theodicee Shaftebury’s, Pope’s, Leib-
nizens, als den Satz: ,Tout est bien'. 1 In seinen historischen
und philosophischen Schriften, wie in seinen Romanen und
1 Ceux qui ont crie que tout est bien sont des cliarlatans. (II faut prendre
un parti, 15.) — Avouez que le mal existe, et n’ajoutez pas ä tant de
miseres et d’horreurs la fureur absurde de les nier. (Ibid.) — L’auteur
s’eleve contre les abits qu’on peut faire de cot ancien axiome: ,Tout
est bien*. 11 adopte cette triste et plus ancienne verite reconnue de tous
les liommes, qu’il y a du mal sur la terre . . ainsi que du bien;
il avoue qu’aucun philosopbe n’a pu jamais expliquer l’origine du mal
moral et du mal pbysique. (Prefaee zum Gedichte ,Sur le desastre de
Lisbonne 1 1756.)
Voltaire-Studien.
49
Gedichten — zumal im Candide und im Poeme sur le desastre
de Lisbonne 1 — gibt er in uneingeschränktestem Maasse die
Thatsache des Uebels zu; er macht auch keinen ernsthaften
Versuch, durch ätiologische oder teleologische Wendungen uns
mit derselben zu versöhnen. Seine Schilderungen des physi
schen, intellectuellen und moralischen Elendes der Menschen
stehen an Drastik hinter denen Schopenhauers kaum zurück,
der Voltaire auch mit Vorliebe citirt. Durch die ganze Natur
hin, sagt Voltaire, walten Kampf und Schmerz. Ein unwider
stehlicher Hang treibt Thier gegen Thier, und eines lebt vom
Morde des anderen. Mensch und Vieh leiden fast ohne Unter
lass, ja jenem ist gerade seine höhere Entwicklung eine Quelle
vermehrten Leides. 2 Wie zeigt uns erst die Geschichte so
recht das Elend des menschlichen Daseins! Man werfe nur
einen Blick auf die Schicksale der Gesellschaft etwa von den
Proscriptionen Sullas bis zu den irländischen Massenmorden!
,Un esprit justc‘, sagt er, ,en lisant l’histoire n’est presque
occupe qu’a la refuter/ Er nennt die Geschichte ,un tableau
de cruautes et de malheurs des hommes, une suite presque
continue des crimes et des desastres'. 3 Er spricht von der
,bizzarerie des eyenements', von der Herrschaft des Wider
spruches, des Unwahrscheinlichen, des Unberechenbaren, des
Dummen und Schlechten. 4 Er schwankt zwischen dem Tone
1 Vgl. die Briefe vom 28. November 1755 bis beiläufig zum Jänner 1756
über das Erdbeben selbst und die Briefe vom März 1756 bis in den
Mai d. J. über das Poem. Hiezu das Sendschreiben Rousseau’s vom
18. Aug. 1756. — lieber den Werth des Lebens im Allgemeinen spricht
sich Voltaire vornehmlich in seinem Briefwechsel mit der Du Defiand aus.
2 II faut prendre un parti, 15—25.
3 Je vous avoue que je souhaiterais, pour l’edification du genre humain,
qu’on jetfit dans le feu toute l’histoire civile et ecclesiastique: je n’y
vois guere que des annales des crimes . . puisque la papaute a subsiste
au milieu d’un debordement si long et si vaste de tous les crimes,
puisque les arcliives de ces horreurs n’ont corrigE personne, je conclus
que Thistoire n’est bonne ä rien‘. (L’A, B, C; 12 me entretien.)
4 II ne faut pas croire qu’il y ait aucune verite fondamentale dans la
Science de l’histoire comme il en est dans les mathematiques. (Annales
de l’empire a. a. 919—920.) — La bizzarerie des Evenements qui met
tant des contradictions dans la politique humaine. (Essai, c. 140.) —
C’est le sort du genre humain que la vEritE soit persEcutEe des qu’elle
commence k paraitre. (Ibid. 121.) — La destinEe se joue de l’univers.
Sitzungsber. d. phil.-hist. CI. CXV. ßd. I. Hft. 4
50
Mayr.
des Abscheus und der Entrüstung. ,Diese Geschichte' — so
schliesst er seine ,Annales de l’Empire' — ,ist doch beinahe
nur ein ungeheures Schauspiel menschlicher Schwächen, Fehler,
Verbrechen, Unglücksfälle, worunter man einige Tugenden und
Erfolge gewahrt; ebenso verhält es sich mit allen übrigen Ge
schichten.' Fast mit den nämlichen Worten drückt er sich
im Schlusscapitel seines Essai aus: ,Man muss gestehen, dass
diese ganze Geschichte eine Anhäufung von Verbrechen, Thor-
heiten und Unglücksfällen ist, worunter sich einiges Gute und
einige glückliche Zeiten befinden, so wie man etwa in wilden
Wüsteneien da und dort verstreute Wohnsitze antrifft.' ,Es
scheint', sagt er im zehnten Capitel des Ingenu, ,dass die Ge
schichte missfällt und langweilt, wie die Tragödie, wenn sie
nicht durch Leidenschaften, Unthaten und grosse Unfälle be
lebt ist.'
So crass diese Aeusserungen klingen mögen, vor einer
totalen Welt Verneinung haben unsern Philosophen doch stets
Naturell, bon sens und ideale Gesinnung bewahrt. Den Ex
tremen abhold hat er eine mittlere Stellung gesucht. Im Bahouc
heisst es: ,Si tout n’est pas bien, tout est passable'. Dieselbe
Ansicht bekennt er auch noch Jahrzehnte später. 1 Weder die
positive Natur des Vergnügens, noch die Hoheit der mensch
lichen Vernunft, noch das Vorhandensein der Tugend hat
Voltaire jemals bezweifelt. Der geschichtliche Fortschritt ge-
(Remarques, X, 17G3.) — Si vous aimez un tableau trbs Mole de ce
vilain monde, vous en trouverez un quelque jour dans ,1’histoire generale'
des sottises du genro humain. (A M. Du Deffand, 13. Oct. 17/59.) — Ce
qui n’est pas vraisemblable est arrive; et e’est qu’on a vu Cent fois dans
cet.te vaste histoire oü les grands evenements ont presque toujours trompe
les hommes. (Conclusion von 17G3.) — La torre entiere est gouvernee
par des contvadictions. (Fragments historiques sur l’Inde, c. 7.) —
O triste muse de l’bistoire
Ne grave plus ä la memoire
Co qui doive pcrir a jamais;
Tu n’a vu qüliorreur et delire,
Les annales de eliaque empire
Sont les areliives des fnrfaits.
(Ode sur lo passe et le präsent, 177/5.)
1 L’A,B, C; 3 mo entret.ien (17G9). — Dialogues d’Lvbemcre (1777), 2. —
Histoire de Jenny (1775), 9.
Voltaire-Studien.
51
hört zu den Fundamentalsätzen seines Bekenntnisses. Allein
sein klarer Kopf vermochte nie einzusehen, dass die That-
sächlichkeit und Fühlbarkeit des Uebels aus der Welt geschafft
oder nur irgendwie gemildert werde durch die Einsicht in die
NothWendigkeit 1 oder durch leere Spekulationen über die Zweck
mässigkeit des Widrigen und Verwerflichen oder gar durch die
Berufung auf die unerkennbaren Eigenschaften Gottes. Aller
Theodicee war er feind.
Schon im grauen Alterthume versuchten die Inder das
physische und moralische Uebel zu erklären und zu recht-
fertigen. Sie erfanden den vielfach nachgeahmten Roman vom
Falle der Geister, ihrer Busse und Erlösung; das Uebel galt
ihnen als gerechte Strafe des Bösen, als Mittel zur Reinigung.
Allein eine noch so schöne Fiction vermag unseren Verstand
nicht zu beschwatzen. Es kamen die Perser und trennten das
gute Princip vom Bösen; sie zerrissen die Einheit des welt
bewegenden Principes. Polytheisten, Monotheisten, Philosophen
aller Schulen versuchten sich in der Rechtfertigung des Uebels. 2
Voltaire, der das Uebel einräumt und sich nicht durch Re
flexionen auf den Zusammenhang des Weltalls irre machen lässt,
empfindet eben gar kein Bedürfniss, seinen Gott von der Schuld
oder Mitschuld am Uebel zu reinigen. Sein Gott ist zwar
mächtig, aber nicht allmächtig im überschwenglichen Sinne
der Theologie; er ist auch weise und gut; jedoch erzeigen wir
ihm keinen Dienst, wenn wir nach dem Wenigen, was wir
1 II serait bien plus important de trouver un remede ü nos maux, mais
il n’y en a point, et nous sommes reduits h rechercher tristement leur
origine. (Art. Bien.) Vgl. die drastische Schilderung einer Steinoperation
im Art. Tout est bien. ,Je meurs dans des tourments affreux: tout cela
est bien, tout cela est la suite evidente des principes physiques inalterables. 4
2 II faut prendre un parti, 17 — 25. — Ueber Leibniz vgl. Philosophe
ignorant, 26. — Art. Tout est bien. — Gegen ihn, Pope und Shaftes-
bury kämpft er vornehmlich für die Ansicht, dass alle Rechtfertigung
des Uebels verlorene Mühe sei; erstlich, weil die hiezu verwendeten
Gedankengänge die Grenzen unserer Erkenntniss überschritten; zweitens,
weil das Uebel nicht aufhöre Uebel zu bleiben, wenn wir noch so sehr
eingesehen haben, dass es notliwendig und gut sei; drittens, weil der
Widerspruch zwischen der Annahme eines allervollkommensten Wesens
und der Thatsache des Uebels bestehen bleibe, mögen wir die Sache
wenden, wie wir wollen.
4*
52
M a y t.
von der Welt und ihrem Zusammenhänge wissen, oder wenn
wir nach unseren beschränkten, augenblicklichen Zwecken (a la
Pangloss) die Vorsehung, ihre Weisheit und Güte rechtfertigen
wollen. Mit unserer Vernunft und Einsicht können wir der
allgemeinen Vernunft, deren Emanationen sie sind, schwerlich
zu Hilfe kommen. 1 Sicher ist nur dies, dass Gott wirklich
der Urheber der Gesetze ist, denen zufolge das Uebel eintritt,
dass Gott die Welt nicht anders machen konnte, als sie ist,
eben die Welt mit all ihrem Jammer und Verderben. ,Icli
werde stets über den Ursprung des Uebels ein wenig in Ver
legenheit bleiben, aber auch vermuthen, dass der gute Oromase
(Ahura - mazda), der Alles gemacht hat, es nicht hat besser
machen können. Unmöglich liegt eine Beleidigung für ihn
darin, wenn ich sage: Du hast Alles gethan, was ein mächtiges,
weises und gutes Wesen vermag. Es ist dein Fehler nicht,
wenn deine Werke nicht eben so gut, eben so vollkommen
sein können, wie du selbst . . Du hast keine Götter machen
können, es war nothwendig, dass die Menschen bei all ihrer
Vernunft auch Narrheit besässen, so wie Reibungen bei jeder
Maschine unvermeidlich sind . . Für meine Person, so unvoll
kommen ich bin, danke ich dir doch, dass du mir für einige
Zeit das Dasein geschenkt und mich insbesondere nicht zum
Theologieprofessor geschaffen hast/ 2 Die ewige Weltordnung
und deren intelligentes Princip ist eben zu erhaben, als dass
wir auch nur das Recht hätten, es mit unseren Schmerzen und
Klagen in Verbindung zu bringen. Die Uebel und Leiden der
Menschen afficiren Gott nicht. Wir haben eine der mensch
lichen Kraft angemessene Leidensfähigkeit; unsere mensch
lichen Schmerzen und Unvollkommenheiten erregen weder das
1 Tont en Dieu (1769), Resultat. — Art. Bien.
2 II faut prendre un parti, 24. — II y a certainement des ehoses que Ia
supreme intelligence ne peut empecher . . La liste de ces impossibilites
serait tres longue; il est donc tres vraisemblable que Dieu n’a pu em-
peclier le mal. (Lettres de Memmius i'i Ciceron. Traite de Memmius,
VIII.) — Tous ces earacteres, qui me paraissent essentiels t\ Dieu, ne
me disent pas qu’il ait fait l’impossible . . II etait probablement contra-
dictoire que le mal n’entrat pas dans lo monde. (Dialogues d’livlie-
mere, 2.) — Tont en Dieu, Resultat. — II y a dans la nature une
intelligence; et, par les imperfections et les miseres de eette nature, il
me parait que cette intelligence est bornee. (A Dalembert, 27. Nov. 1771.)
Voltaire-Studien.
OÖ
Mitleid, noch den Zorn Gottes, dass dieser sich etwa veranlasst
fühlen könnte, die einmal festgestellte Ordnung zu alteriren.
Unser Elend bleibt Elend, woferne wir nicht selbst die göttliche
Gabe der Vernunft zu dessen Linderung verwenden. Nur dai-in
liegt Trost; die Einsicht, dass es so sein müsse, oder die Fiction,
dass es so sein solle, gewährt keinen.
Alles Wehe beschränkt sich schliesslich auf die empfin
denden Wesen. Physisches und moralisches Elend kennt nur
der Mensch. Es ist mit dem innersten Kerne seines Wesens
unzertrennlich verknüpft. Auf den Menschen, den eigentlichen
Träger der Geschichte, d. h. des vielen, vielen Leides und
des wenigen Guten, das ihm zu Theil geworden, müssen wir
nun unseren Blick wenden.
Der innerste Kern der Menschennatur ist überall der
nämliche. 1 Wie könnte es auch in dieser gleichförmigen Welt
anders sein? Natura est semper sibi consona. Im sogenannten
Physischen tritt dies aufs deutlichste hervor. Alle Verrich
tungen der gleichartigen Organe, alle damit verbundenen Ge
fühle und Begierden sind überall gleich. Demzufolge sind
auch die Grundrichtungen des geselligen Lebens, soferne sie
auf der Natur des Menschen beruhen, bei allem Wechsel der
Formen, ein und dieselben. Das Gebiet des Veränderlichen
zeigt sich durchweg eingeschränkt. Der Mensch ist seiner Cor-
porisation nach eines der schwächsten, das waffenloseste unter
den Landsäugethieren. Die Männchen sind stärker als die
Weibchen. 2 Den Bedürfnissen des Körpers entsprechen die
primitiven Verrichtungen, von denen keiner eximirt ist und
in denen das Leben aller Menschen, wenige ausgenommen,
ohne Rest aufgeht. Ein Stück Brod, eine Hütte und ein Ge
wand: ,Voilä l’homme tel qu’il est en general d’un bout de
l’univers a l’autre'. 3 Auf diesen unabänderlichen Bedürfnissen,
auf der Arbeit, sie zu gewinnen und zu erhalten, ruhen Ge
sellschaft und Geschichte. ,Le physique gouverne toujours
le moral/ 4
1 Essai, 197; ibid. 142.
2 Art. Femme. — L’homme a beaucoup de superiorite par celle du corps
et meme de l’esprit.
3 Art. Homme. — Art. Instinct.
4 Art. Femme. (Physique et morale.)
54
May r.
Doch sind die Menschen weder im Physischen, noch Mora
lischen vollkommen gleich. Es gibt auch Unterschiede. Die
verschiedenen Kacen z. B. zeigen eine nicht unerhebliche Diver-
sität der äusseren Erscheinung und der geistigen Begabung. 1
,Gleichwie Birnbäume, Tannen, Eichen nicht von demselben
Baume abstammen, so kommen auch die bärtigen Weissen, die
wollhaarigen Neger, die schlichthaarigen Gelben nicht von dem
nämlichen Menschen her. 2 Dieselbe Vorsehung, die den Ele-
p hauten geschaffen hat, hat auch in einer andern Welt Menschen
von einem Charakter entstehen lassen, welcher nicht der unserige
ist.' 3 Voltaire ist demnach ein Anhänger der Lehre von der
UnVeränderlichkeit der Arten, und weil er die Menschenracen
für ,bonas species' hält, so kann er nicht umhin, sie mit all
ihren charakteristischen Merkmalen direct aus der Hand des
Schöpfers hervorgehen zu lassen. 4
Wie hinsichtlich des Körperlichen und Physischen, so ist
auch hinsichtlich des Psychischen und Moralischen die Natur
des Menschen nur eine; aber der Spielraum des Veränderlichen
erweitert sich. Was die intellectuelle Seite des Menschen betrifft,
so legt Voltaire auf sie einen grossen Nachdruck, wie es sich
für einen Schüler Locke’s ziemt. 5
Es gibt keine angeborenen Ideen (im Sinne des Cartesius),
welche der Schöpfer in den Menschen gepflanzt haben soll.
Alles muss sich der Mensch erwerben. Er tritt in die Welt
hinein und empfängt von ihr mittels der Sinne diverse Eindrücke;
daraus schafft er seine mehr oder minder complicirten Ideen. 6
Sowie das Kind bildet sich auch der historische Mensch erst
1 Art. Homrae. (Diff. raees.) — Essai, c. 146: On peut reduire, si l’on veut,
sous uue seule espeee tous les hommes, parce qu’ils out tous les meines
Organes de la vie, des sens et du mouvement. Mais eette espeee parut evi-
demment divisee en plusieurs'autres daus le physique et dans le moral.
2 Traite de Metaphysique (1734), I.
3 Phil, de l’hist., 8.
4 Si on ne s’etonne pas qu’il y ait des mouches en Amerique, c’est une
stupidite de s’etonner qu’il y ait des hommes . . Le niaitre de la nature
a peuple et varie le globe. (Essai, c. 146.) Vgl. Phil, de l’hist., S.
5 Tant de raisonneurs ayant fait le roman de l’äme, uu sage est venu,
qui en a fait modestement l’histoire. (Lettres philosophiqu.es, 13.)
6 Traite de Metaphysique, e. 3. — La nature etant par tont la meine, les hommes
out du adopter les meines verites et les meines errcurs. (Phil, de l’hist., 6.)
Voltaire-Studien.
55
allmälig im Laufe der Zeit seine Vorstellungen über Gott, Seele
und Welt. 1 Jedoch wird der Mensch, wenn er die untersten
Stufen überschritten hat, in eine schon vorhandene Welt von
Ideen und Meinungen hineingeboren. Wie diese überhaupt die
Welt regieren, so bemächtigen sie sich des Einzelnen und lassen
ihm nur einen geringen Spielraum.- Die Freiheit gewinnt der
Mensch nur durch die höchste Entwicklung seiner intellec-
tuellen Anlagen. Irrthum und Wahn machen den Menschen un
glücklich und böse; nur die Aufklärug der Vernunft vermag
ihn gut und glücklich zu machen. 3
Jedenfalls gestaltete sich, wie man daraus vorläufig ersehen
kann, auf dem Locke-Voltaire’schen Standpunkte die Geschichte
weit interessanter, als auf dem Bossuet’schen oder Cartesia-
nischen. Von dem Principe der Wunder-, Eingriffs- und Aus
erwählungstheorie ganz abzusohen, so hemmte das geschichts
widrige System der cingebornen Ideen, weil es aus historischer
Ignoranz stammte, das Verständniss der Geschichte. Aus dem
Locke’schen Princip ergab sich dagegen die fruchtbare Auf-
1 Vornehmlich Phil, de l’liist., c. 4 — 6. Tout a sa source daus Ia uature
de l’esprit humain. (Ibid. 48.)
2 Ueber die Macht der ,opinion‘ vgl. die Remarques de l’Essai (1703).
L’opinion, cette reine inconstante du monde. (Art. Climat.) — Die
Leistungen des Menschen auf wissenschaftlichem, überhaupt geistigem
Gebiete gelten ihm als die höchsten.
,Et le plus digne objet des regards eternels
Le plus brillant spectacle, est l’ämo du vrai sage
Instruisant les morteis. 1
(Ode ä MM. de l’Academie des Sciences.) L’opinion gouverne le monde,
mais ee sollt les sages qui ii la longue dirigent cette opinion. (Confonnez
vous aux temps, 1764.)
3 La seule maniere d’empccher les horames d’etre absurdes et meeliants, c’est
de les eclairer. (Remarques, c. XV.) — Pourquoi le plus superstitieux
est-il le plus mecliant? (Dialogues d’Evliemere, 1.) — Vgl. vornehmlich
,Eloge historique de la raison' (1774). — II est ridieule a penser
qu’unc nation eclairee ne soit pas plus heureuse, qu’uue uation ignorante.
(Reflexions pour les sots, 1760.) — Les hommes, etaut plus eclaires, en
sont devenus plus sages et moins malheureux. (Cri des nations, 1769.)
La vertu, quand eile est eclairee, cliange en paradis l’enfer de ce monde.
(A M. le Chevalier de Richelieu, 20. Sept. 1760.) — N’est-ce donc rien
d’etre gueri des malheureux prejuges qui mettent ä la chaiue la plupart
des hommes et sui'tout des femmes? (A M. Du Deffand, 4. Juni 1764.)
56
Huyr.
fassung, dass die Geschichte das Reich der sinnvollen, geistig
belebten Veränderung und Fortschreitung sei; dass es gelte,
den Spuren des Geistes nachzugehen und sich über den jeweilig
erreichten Höhegrad ein Urtheil zu bilden.
Voltaire, der Erfahrungs- und Geschichtsphilosoph, liebt
nicht, den Menschen als isolirtes Wesen zu betrachten. So oft
er auf ihn zu sprechen kommt, denkt er sich ihn als Mensch
unter Menschen, als ,bete sociale'. In der gesammten Thier
welt, lehrt er, manifestirt sich die Unveränderlichkeit der In-
stincte. Der Vogel baut sein Nest, wie die Gestirne ihre Bahn
einhalten. Wäre der Mensch zu einem solitären Leben bestimmt
gewesen, wäre er dann wohl, dem Naturgesetze zuwider, ein
geselliges Wesen geworden? Der Mensch muss von Anbeginn
kraft Naturgebotes, nicht infolge naturwidriger Entwicklung in
Heerden gelebt haben. Freilich hat er nicht immer ,schöne
Städte, Vierundzwanzigpfünder, komische Opern und Nonnen
klöster gehabt; aber von jeher hat ihn der Instinct beseelt,
sich in seiner eigenen Person, in der Gefährtin seiner Lust,
in seinen Kindern, seinen Enkeln, den Werken seiner Hand
zu lieben'. 1 Weil der Grund zur Gesellschaft stets vorhanden
war, so hat es auch stets eine gegeben. So roh wir uns den
Menschen auch denken mögen, wie die Dachse oder Hasen
hat er nie gelebt.
Den stärksten Antrieb zur Geselligkeit bildet die sexuelle
Begierde. Auf ihr und dem instinctiven Wohlwollen für die
Gattung ruht die älteste, einfachste Grundform der Gesellschaft:
die Familie.' 2 ,Jedes Thier wird durch einen unbezwinglichen
Instinct zu allem getrieben, was seiner Erhaltung dienen kann;
es gibt aber Momente, in denen es durch einen fast ebenso
starken Instinct zur Paarung und Fortpflanzung angetrieben
wird, ohne dass wir jemals sagen könnten, wie dies alles vor
sich geht.' 3 Wie bei anderen Thieren, so erstreckt sich auch
1 Phil, de l’hist., 7.
2 Art. Amour. — L’homme n’est pas comme les autres animaux, qui n’ont,
que l’instinct de l’amour-propre et celui de raccouplement; non seule-
ment il a cet amour-propre necessaire pour sa Conservation, mais il a
aussi, pour son espfece, une bienveillance naturelle. (Traite de Meta-
physique, 8.)
3 Phil, de l’hist., 7.
Voltaire-Stndien.
57
beim Menschen die Gesellung über die Geburt des Jungen
hinaus. Auf dieser Stufe entwickelt sich bereits der mecha
nische Instinct, mit welchem der Mensch lange, versehen ist,
ehe er die Gesetze der Mechanik aufzufassen vermag. Der
Keim einer Sprache entsteht, der freilich erst später zur Ent
faltung kommt. Ohne Nachahmungstrieb keine Sprache. ,Man
wird zweifellos mit Ausrufungen zur Bezeichnung der ersten
Bedürfnisse angefangen haben; hierauf werden die begabteren
Individuen, welche mit den biegsamsten Organen geboren waren,
einige Articulationen versucht haben, die ihre Kinder wieder
holten/ Die ersten Sprachen dürften monosyllabisch gewesen
sein. Nun ging es mit der Gesellschaftsbildung rascher von
Statten. Aber zur Entstehung von Reichen, wie sie der alte
Orient aufweist, bedurfte es ungezählter Jahrtausende, sowie
des Zusammentreffens vieler begünstigender Umstände. 1 Dieser
,concours de circonstances favorables‘ ist die Formel, durch
welche die mechanische Weltanschauung ihre Entwicklungs
lehre von den entsprechenden Doctrinen der teleologischen
Systeme unterscheidet. 2
Für die Entwicklung des Menschen, welchen wir bisher
nach seiner physischen und intellectuellen Seite gekennzeichnet
haben, kommt vor allem sein moralischer Charakter in Betracht. 3
Voltaire’s gemässigter Ansicht standen hier zwei diametral ent
gegengesetzte outrirte Meinungen gegenüber. Nach der einen
ist der Mensch in Folge des Sündenfalls corrumpirt, mit der
1 Phil, de l’hist., 3. — II est certain qu’il y a, dans toutes les langues
du monde, une logique secrete qui conduit les idees des hommes saus
qu’ils s’en aper<;oivent, comme il y a une geometrie cacliee dans tous
les arts de la main, sans que le plus grand nombre des artistes s’en
doute. (A Beaugee, 14. Jänner 1768.) Les philosophes n’ont point fait
les langues et voilä, pourquoi elles sont toutes imparfaites. (Ibid.)
2 II a fallu partout, non seulement un espace de temps prodigieux,
mais des circonstances lieureuses, pour que l’homme s’elevät au-
dessus de la vie animale. (Avant-propos de l’Essai.)
3 Tous ces peuples ne nous ressemblent que par les passions et par
la raison universelle qui contrebalance les passions . . Ce sont lä
les deux caraeteres que la nature empreint dans tant des races d’hommes
differentes. (Essai, 143.) — La nature a donne ä l’homme la disposition
k la pitie et le pouvoir de comprendre la verite. Ces deux preseuts de
Dieu sont le fondement de la societe civile. (Art. Conscience.)
58
Mayr.
Erbsünde behaftet, ohne göttliche Hilfe zeitlichem und ewigem
Elende verfallen. Nach der anderen ist der Mensch von Natur
gut und glücklich, aber durch die Cultur verderbt, entartet,
unglücklich gemacht. Die eine ist die Doctrin der Kirche, die
andere die Lehre Rousseau’s. Mit jener ist auch das Axiom
Hobbes’ verwandt, aus welchem er seine Staatslehre ableitet.
Voltaire hält die Lehre von der absoluten Bosheit und Corrup-
tion der Menschennatur für einen schlimmen Wahn, der von
eigensüchtigen Priestern genährt werde, um die Menschen in
Abhängigkeit zu erhalten. 1 Gegen die Lehre Rousseau’s empört
sich sein historischerSinn. Seine wissenschaftliche Ueberzeugung
geht dahin, dass der anfänglich wilde, barbarische, vernunft
lose Mensch nur mittelst der Cultur schrittweise besser, gebil
deter und auch glücklicher geworden sei. 2 Nach Voltaire’s
Ansicht ist die menschliche Natur nicht böse; sie ist ein Gemisch
von Gut und Böse, Tugend und Laster. Wäre der Teufel
wirklich der Herr dieser Welt, sagt er, so gäbe es längst
keinen Menschen mehr. 3
In seinen jüngeren Jahren waren Voltaire’s Ansichten leicht
blütiger, milder, optimistischer; in seinen späteren wurde er
strenger, herber, unzufriedener mit Welt und Weltlauf. Eine
principielle Wandlung seiner Ansichten hat er nicht durch
gemacht. Er hebt später nur das Widrige, Böse, Sinnlose stärker
hervor und legt minderes Gewicht auf Gedankengänge, die uns,
wenn nicht ganz, so doch einigermaassen mit dem Laufe der
1 Art. Homme. (L’homme est-il ne mechant?) — L’A, B, C; 3 mo entretien. —
Art. Original. (Pechd.)
2 Art. Homme. (De l’homme dans l’dtat de pure nature.)
3 1728 schreibt er gegen Pascal: ,J’ose prendre la partie de l’humanite
contre ce misanthrope sublime; j’ose assurer que nous ne sommes ni si
mechants, ni si malheureux qu’il le dit. (Premiers remarques s. Pascal.)
— L’homme est mele de mal et de bien, de plaisir et de peiue. — Si le
crime est sur la terre, la vertu y est aussi. (Histoire de Jenni, 9.) — 11
y a des aspects sous lesquels la nature humaiue est la nature infer
nale. (A Pinto, 21. Juli 1762.) — N’admirez-vous pas comme cette vie
est melde de haut et de bas, de blaue et de noir? (9. Febr. 1767, it
Damilaville.) — Vous avez grande raison, monsieur, de dire qu’on a sou-
vent exagere la meclianeete de la nature humaine; mais il est bon de
faire dos caricatures des mechantes gens, et de leur presenter des mi-
roirs qui les enlaidisseut. (A Condorcet, 1. Febr. 1772.)
Voltaire-Studien.
59
Dinge versöhnen können. Eine Apologie der Selbstliebe und der
Leidenschaften, wie sie das achte Capitel des Traite de metaphy-
sique enthält; eine Verherrlichung der Sinnenlust und des rafft-'
nirten Genusses, wie im Mondain, hätte er später nicht wieder ge
schrieben, obgleich er weder die Selbstliebe, noch die Begierden,
noch die Freuden des Daseins als solche jemals missbilligte. Zur
Fahne der Asketen hat er niemals geschworen. 1 In den eben
erwähnten Schriften seines Jugend- und Mannesalters (vor 1750)
legt er vornehmlich auf den Gedanken Nachdruck, dass Wohl
wollen, Mitleid, Sympathie von geringerem socialem oder histori
schem Werthe seien, als die von den Moralisten geschmähten
Laster und Leidenschaften der Menschen, wie Selbstsucht, IIocli-
mutli, Herrschbegier u. s. f. Diese Erörterungen deuten auf
den Einfluss Mandeville’s. Jedoch gedenkt Voltaire seiner mit
keinem Worte.
Vielleicht lagen die Ideen in der Luft, wie man sich aus
drückt. Vielleicht inspirirte sie ihm der Widerspruch gegen die
weltflüchtige Tendenz Pascal’s und anderer christlicher Sitten
lehrer. Sicher ist, dass Voltaire in seinen späteren Jahren die
Uebertreibung derselben durch Helvetius und die Materialisten
perhorrescirte. Auf diese späteren Jahre aber kommt cs bei
Voltaire an. Nahezu alle seine historischen und philosophischen
Schriften stammen aus denselben: der Dichter und Natur
kundige von ehemals war Denker und Geschichtsphilosoph
geworden.
Voltaire verkündet oft und mit grossem Nachdrucke seine
Absicht, die Menschen lieber schildern, als richten zu wollen.
Er lehnt es ab, die Gemeinplätze moralischer Art immer wieder
1 Oft nimmt er sieli der natürlichen Neigungen gegen ihre Verleumder an.
,Les m'alheureux harangueura parlent sans cesse contre l’amour qui est
la aeule consolation du genre humain.“ (Art. Guerre). Desgleichen ist er
ein Feind der Quietisten. (Siede de Louis XXV, 38.) Voltaire hätte
kein Franzose sein müssen, wenn ihm nicht Leichtsinn, Lebensfreudig
keit, Fröhlichkeit, Geselligkeit über Alles gegangen wären. ,Tout ce que
je crains c’est qu’un esprit de presbyterianisme ne s’empare de la tete
des Franifais et alors la nation est perdue. Dou/.e parlements jansenistes
sont capables de faire des Franfais un peuple d’atrabiliaires. II n’y a
plus de gaiete qua l’Opdra Comique. Tous les livres ecrits depuis
quelque temps respirent je ne sais quoi de sombre et de pedantesque.“
(A Damilaville, 30. Jänner 1764.)
60
M a y r.
aufzutischen. 1 Allein, er lässt es hei dem guten Willen be
wenden. Des Urtheils entschlägt el 1 sich meistens nur dann,
wenn er zwischen zwei feindlichen Richtungen, die er für gleich
absurd oder verwerflich hält, entscheiden soll. 2 Sonst aber ist
er keineswegs enthaltsam. Was er für edel oder gemein, für
gut oder schlecht, heilsam oder verderblich, weise oder un
sinnig erachtet, das gibt er auf das unzweideutigste kund. In
richtiger Selbsterkenntniss gesteht er, in seinem Essai nur die
Absicht verfolgt zu haben, dass der Tugend und dem Laster
ihr Recht werde. 3
Die natürlichen Regungen an sich hält er für moralisch
indifferent, aber social bedeutsam. Er leugnet dabei nicht,
dass sie in jeder Beziehung verderblich werden können. Von
den physischen Principien des ,Hungers und der Liebe' war
schon die Rede. Unter den Antrieben moralischer Natur ist
die Selbstliebe der wichtigste. 4 Die Selbstliebe dient dem In
dividuum zur Selbsterhaltung. Sie ist ihm und mittelbar der
Gesellschaft von Nutzen, woferne sie gezügelt wird. Desgleichen
haben die Begierden, sowie die aus ihrer Befriedigung er
wachsende Lust nichts Verwerfliches an sich. Gleichwie Sorge
und Schmerz, wenn sie ein gewisses Maass nicht überschreiten,
das Leben nicht verbittern, sondern anregen, so dienen auch
1 Notre objet est de peindre les hommes plutot que de les juger. (Essai,
e. 8.) — Je voudrais decouvrir quelle etait alors la societe des hommes
plutot que de repeter . . les lieux communs de la mechancete liumaine.
(Ibid. c. 81.) Vgl. p. 31.
2 Quel insense voudrait que j’eusse fait le controversiste au lieu d’ecrire
eil historien. Je me suis borne aux faits. (Annales de l’Empire. Brief an
die Herzogin von Gotha.)
3 A Albergati-Caparelli, 23. Dec. 1760. — Ueber die zweite Auflage seiner
Ilistoire generale im Verhältniss zur ersten schreibt er: ,On n’avait donne
que quelques soufflets au genre humain dans ces arehives de nos sot-
tises; nous y ajouterons forts coups de pied dans le derriere. (A Vernes,
25. Aug. 1761.)
4 La faim et l’amour, principe physique pour tous les animaux: amour-
propre et bienveillance, principe moral pour les hommes. Les premieres
roues font mouvoir toutes les autres et toute la macliine du monde est
gouvernee par eile. (Pensees, remarques et observations de Voltaire.) —
Art. Amour - propre. — II me parait que tout ce qui nous fait plaisir
sans faire tort k personne est tres-bon et tres-juste. (Entretien d’un sau
vage, 1761, I.)
Voltaire-Studien.
Gl
Begierden und Leidenschaften, die Thätigkeit des Menschen
anzustucheln, ihn mit Seinesg-leichen in Verbindung zu bringen
und zu beglücken. 1 Um ihres blossen Vorhandenseins willen
wäre die Welt weder elend, noch schlecht. Nun aber zeigt
uns die geschichtliche Erfahrung ein Uebermaass von Leiden,
Absurditäten und Verbrechen. Dies muss wohl daher rühren,
dass den natürlichen Regungen kein Zügel angelegt wird, dass
in den leidenschaftlichen Bestrebungen der Menschen kein
Maass waltet, dass Vernunft und Wohlwollen kein ausreichen
des Gegengewicht zu bilden vermögen.
Die Selbstliebe verwandelt sich in die interessirte Selbst
sucht. Ihr muss Alles weichen. Sie dictirt Gesetze und Sitten. 2
Sie nimmt den Schein des Wohlwollens, der Belehrung, der
Beglückung an, um so sicherer ihr Ziel zu erreichen. Mit der
Selbstsucht ist der Hochmuth verwandt, die Begierde, Andere
unter sich zu sehen, die Wonne, Andere zu beherrschen. Die
grauenhafteste Form hochmüthiger Herrschgier findet sich bei
Priesterschaften; sie entwickelt sich daselbst zum Fanatismus,
wohl der ärgsten Geissei, die je das Menschengeschlecht be
troffen hat.
1 N’a-t-il paa donne aux hommes l’amour-propre pour veiller k leur
Conservation; la bienveillance, la bienfaisance, la vertu, pour veiller
sur l'amour - propre; les besoins mutuels pour former la societe; le
plaisir pour en jouir ; la douleur qui avertit de jouir avec moderation;
les passions qui nous portent aux grandes cboses et la sagesse qui
raet un frein ä, ees passions? (Questions de Zapata, Nr. CG, a. 1767.) —
II fallait que les desirs s’allnmassent dans les Organes de tous les
aniraaux qui ne pouvaient chercher leur bien-etre Sans le desirer; ees
affections ne pouvaient etre vives Sans etre violentes, et par cons^quent
sans exciter ees fortes passions qui produisent les querelles, les guerres,
les meurtres, les fraudes et le brigandage. (Dialogues d’Evhemere, 2.)
Dieu prit pitie du genre huraain
Il le crea frivole et vain
Pour le rendre moins miserable.
(Ode sur l’anniversaire de St-Barthelemy.) — Dieu vous a donne des
passions avec lesquelles on peut faire du bien et du mal. (Histoire de
Jenni, c. 10.)
2 Cette prodigieuse Variete des meeurs qui ont tout le meme principe: l’in-
teret. (Essai, 194.) — Art. Interet: Avez vous connaissance de quelque
roi ou de quelque republiqne qui ait fait la guerre ou la paix . . par
un autre motif que celui de l’interet?
62
May l*.
Der Hochmuth, der intolerant macht 1 , ist nicht die einzige
Menschheitsgeissei. Zu ihm gesellt sich die Habgier, die Sucht,
Andere niederzuzwingen, und für seinen Vortheil auszubeuten. 2
Rachsucht und Neid sind die Laster der Unterdrückten oder
von der Natur minder Bevorzugten. Höherer Art sind Ehrgeiz
und Ruhmsucht. Sie spielen in der Geschichte eine grosse
Rolle. Ruhm wird jenen zu Theil, deren Thaten durch ihre
Grossartigkeit imponiren. 3 Die Eroberer, welche so viel Unheil
über die Völker bringen, müssen wir trotzdem bewundern. 4
Ueberhaupt ist es umsonst zu hoffen, man könne die Menschen
von dem sie entzückenden Laster der Ehrbegierde heilen.
Jeder Mensch will, dass seiner Ambition gehuldigt werde. 5
Hinter allen erdenklichen Vorwänden versteckt sich das näm
liche verderbliche Laster. 0 Vornehmlich bedient es sich der
Lüge, des Betruges, der Ränke, um zu seinem Ziele zu kommen.
Man nennt dies Politik. 7 Häufig greift es zur ultima ratio,
der Gewalt. Unter allen Uebeln das schrecklichste ist der
Krieg, und alle Laster sind insoferne fürchterlich, als sie zu
Krieg und Gewaltthat führen können. Der Krieg ist das
traurige Erbtheil unseres Geschlechtes seit Anbeginn der Ge
schichte. Um der nichtigsten Vorwände willen fallen die
Menschen in Massen über einander her. Ja, die Religion (die
,religion artificielle', nicht die ,religion naturelle',) gibt ihren
1 C’est l’orgueil seul qm eat intolerant. (Idees republieaines, 1762, 64.)
Bezugs clor geistlichen Herrschsucht vgl. man die Ausführungen im Essai
über Savonarola, Luther, Calvin u. s. f. — Art. Jesuites ou l’orgueil.
2 II n’y a pas d’autre sujet de guerre e.liez les liommes; chaeun defend son
bien autant qu’il le peut. (Petit commentaire sur l’eloge de Dauphin, 1764.)
3 Art. Gloire.
4 Conseils k un journal. (1734) sur l’histoire. — Art. Alexandre. — Dialogues
d’Evhemere, I (1776). — La Bible enfin expliqude (1776). Les Maehabees.
5 Homelie sur la Superstition (1767).
6 La religion et lo pretexte d’epurer la loi reijue, ees deux grands Instru
ments de l’ambition. (Essai, 118.)
7 Le monsongo a ete utile pour asservir les peuples. (Essai, 8.) — Dans
le vol A main armee, c’est le plus fort qui l’emporte : dans les acqui-
sitions convenues, c’est le plus habile. (Les droits des liommes, 1769, I.) —
Le grand art de surprendre, tner et voler. (L’A, B, C; 5 mo entretien.) —
Je voudrais savoir' pourquoi ce qui est un forfait abominable dans un
particulier serait innoeent dans trois Cents senateurs. (L’A, B, C; 12 me en
tretien. Code de la perfidie.)
Voltaire-Studien.
63
Segen dazu. 1 Und doch wie wenig bedeuten alle im Feld
erreichbaren Vortheile gegen das Unheil einer einzigen Cam
pagne. Das Schrecklichste von Allem bleibt, dass der Krieg eine
unvermeidliche Geissei ist, die schliesslich kein Raisonnement
aus der Welt schaffen wird. Kriege erzeugen sich durch Zufällig
keiten, Intriguen, Begierden, Eifersüchteleien, Hoffnungen und
vergehen damit, bis wieder neue entstehen.
Die wilden Leidenschaften (passions feroces) sind demnach
die Motoren des fürchterlichen Schauspiels der Geschichte. 2
Eroberung, Krieg, Politik, sie alle wurzeln in den verbrecheri
schen Neigungen der Einzelnen, ohne dass die Menschen
darüber zur Besinnung kämen, weil sie betrogen sein wollen
und dem Erfolge zujubeln. 3
Wie kommt es, dass bei alledem doch das Menschen
geschlecht noch existirt, dass in der Geschichte sich mancherlei
Gutes vorfindet, ja dass eine allgemeine Tendenz des Fort
schrittes, der Vervollkommnung nicht abgeleugnet werden
kann? Dieselbe Natur (oder auch dieselbe Gottheit), die uns
das Verlangen, die Selbstliebe, die Leidenschaft eingepflanzt
hat, hat uns auch einen Hang zum Wohlwollen für unseres
Gleichen mitgetheilt. Es gibt ein Moralgesetz, das zugleich
Naturgesetz ist, das man das einzige Fundamentalgesetz der
sittlichen Welt nennen kann, das von einem Weitende zum
andern herrscht und eben darum nicht menschlichen, sondern
göttlichen Ursprunges ist. 4 Dieses Moralgesetz, das, in allen
1 Art. Guerre. — L’A, B, C; ll m<! entretien: Les pretres ont toujours
prec.he le carnage.
2 Tout, se fait, comme partout ailleurs, par les passions liumaines. (La
Bible onfin expliqude. Eois II.)
3 Les hommes veulent. etre amuses et trompes. (Essai, 101.) — La postcriti,
eblouie par l’eclat de sa gloire, semble avoir oublie cettc injustice
(Annales de l’Empire, 772), sagt Voltaire über Karl den Grossen. Man
vgl. Essai, c. 15: C’est l’action d’un brigand, quo d’illustre succes et
des qualites brillantes ont d’ailleurs fait grand liomme. — Les hommes
ne jugent que par les succes. L’envie est eonfondue. On n’a rien ;'i
repondre k une bataille gagnee! (A Catherine, 17. Oc.t. 1769.)
* II est donc prouve que la natnre seule nous inspiro des idees uf.iles qui
pricedent, toutes nos reflexions. II en est de meme dans la morale.
Nous avons tous deux Sentiments qui sont. le fondement de la societd:
la commiseratinn et la justice . . Dieu nous a donnd un principe de
G4
May t.
Herzen wirksam, der Selbstsucht und der Leidenschaft ent
gegenstrebt, haben die Weisen und Lehrer aller Zeiten —
Confucius, Zoroaster, Jesus u. s. w. — in klaren Worten der
Welt verkündet. Mögen die Meinungen, die Gebräuche, die
Handlungen der Menschen noch so sehr divergiren, das Eine
Moralprincip findet hei allen die gleiche Anerkennung, wenn
gleich nicht Befolgung. In den Gewissensbissen kündigt es
sich an und als ,raison universelle' zügelt es die verderblichen
Triebe. Beglückung und Besserung der Welt gehen von ihm
aus. Die Anerkennung und Befolgung dieses Gesetzes ist der
einzige wahre Dienst Gottes, dessen Existenz es verbürgt.
Darin bestellt die natürliche Religion.
Je ne puis ignorer ce qu’ordonna mon maitre
II m’a donne sa loi, puisqu’il m’a donne l’etre.
Sans doute il a parle; mais c’est ä l’univers:
0 n’a point de l’Egypte liabite les deserts;
Delphes, Delos, Ammon ne sont pas ses asiles;
II ne se cacha point aux antres des sibylles.
La morale uniforme en tout tomps, en tout lieu
A des siecles saus fin parle au nom de ce Dieu.
raison universelle, comme il a donne des plumes aux oiseaux. (Phil, de
l’hist., 7.) — Au milieu de ces saccagemonts et de ces destructions
nous voyons un amour de l’ordre qui anime en seeret le genre humain
et qui a prevenu sa ruine totale. (Essai, 197.) —• Il y a une loi natu
relle, et eile ne consiste ni k faire le mal d’autrui ni k s’en rejouir.
(L’A, B, C; 4 mc entretien.) ■— Plus j’ai vu les liommes diffdrents . . et
plus j’ai remarque qu’ils ont tous le meme fond de morale . . Il m’a
donc parn que cette idde du juste et de l’injuste leur etait necessaire,
puisque tous s’accordaient en ce point . . Du moins il n’y aurait eu au-
cune socidte, si les lionimos n’avaient con(;u l’idee de quelqne justice . .
Comment l’auraient-ils eu los memes notions fondamentales du juste et
de l’injuste si Dieu n’avait donne de tout tomps ii l’un et k l’autre cette
raison . . La notion de quelque choso de juste me semble si naturelle,
qu’elle est inddpendante de tonte loi, de tout pacte, de toute religion . .
Gleich der Gravitation ,1a loi fondamentale de la morale agit egalement
sur toutes les nations bien connues . . depuis Zoroastre jusqu’ä Shaftes-
bury, je vois tous les pliilosophes enseigner la memo morale. (Pliilosophe
ignorant, 31—38.) — Lettres de Memmins ä Ciceron, 19—20. — Art.
Juste. — Art. Loi naturelle (mit dem 4. Dialogue zum A, B, C von 1769
nahebei identisch). — Natürlich schliesst dieses Naturgesetz, das nur ein
Gegengewicht gegen das Gesetz des Stärkeren darstellt (Remarques de
l’Essai, 15), weder Irrthum, noch Missbrauch aus.
Voltaire Studien.
65
C’est la loi de Trajan, de Socrate, et la votre,
De ce culte eternel dont la nature est l'apötre.
(Poeme sur la loi naturelle.)
Knüpfen wir liier wieder an das zu Beginn dieses Capitels
Gesagte an. Voltaire’s Gott, sagten wir da, sei der Gott des
physico-theologischen und moralischen Beweises. In dem oben
bezeichneten Sinne denkt sich Voltaire Gott als Urheber und
Herrn der sittlichen Weltordnung. Gott stattet den Menschen
mit seinen physischen, intellectuellen und moralischen Anlagen
aus und stellt ihn in den Zusammenhang der Dinge hinein.
Weder menschliche Bosheit, noch Heiligkeit veranlassen Gott
irgendwie, in den natürlichen Ablauf der Dinge einzugreifen,
und wäre es auch, um zu strafen oder zu lohnen. Dessen
ungeachtet und trotz seines Kampfes gegen die dogmatische
Annahme eines, vom Leibe abtrennbaren, unsterblichen Seelen
wesens will Voltaire den Glauben an eine Vergeltung nicht
fahren lassen. 1 Das Böse straft sich eben, da besondere Ein
griffe, Himmel und Hölle ausgeschlossen sind, nach göttlicher
Anordnung von selbst: es erhebt sieh die Stimme des Gewissens. 2
Wäre die Welt nicht so böse, so wäre sie nicht so unglücklich. 3
1 II faut reconnaitre un Dieu remunerateur et vengeur, ou n’en point
reconnaitre du tout . . Ou il n’y a point de Dieu, ou Dieu est juste.
(Homdlie sur l’athdisme, 1767.) — Tout le raonde rit aujourd’hui de votre
v enfer . . mais personne ne rirait d’un Dieu remunerateur et vengeur . .
en ignorant l’espece des chätiments et des rdcompenses, mais en etant
persuade qu’il y en aura, parce que Dieu est juste. (Diner de Comte
de Boulainvilliers, 3 me entretien.)
2 Sophronisme et Adelos (1766). — Art. Conscience. — Tout ce que je
puis vous dire, c’est que, si vous avez commis des crimes en abusant de
votre liberte, il vous est impossible de prouver que Dieu soit incapable
de vous en punir. (Histoire de Jenni, c. 10.) — Ueber die Fortdauer
nach dem Tode, die Art und Weise derselben lässt sich nach Voltaire’s
Ansicht nichts ausmachen. Jedenfalls ist es, wie die Geschichte zeigt,
eine praktische Annahme von grossem Werthe, an eine Belohnung und
Bestrafung über das Diesseits hinaus zu glauben. Vgl. Strauss, Voltaire.
(G. W. XT, 167 ff.) Das letzte Wort behält denn auch bei Voltaire die
praktische Vernunft*. Man könnte auch sagen, Voltaire bestand auf der
Möglichkeit einer Vergeltung in einem möglichen Jenseits, gerade weil
er in der Unsterblichkeitsfrage Skeptiker blieb.
3 Je voudrais qu’on examinät quel si&cle a £t£ le plus fecond en crimes et
par cons£quent en malheurs. (Derniers remarques sur Pascal, 99.)
Sitzungsber. d. phil.-liiet CI. XCV. Bd. I. Hft. Ö
66
Mayr.
Jedoch ist nicht jedes Unglück eine Folge der eigenen Schlech
tigkeit. Die Menschen sind den Naturkräften und der Bosheit
ihrer Mitmenschen preisgegeben. Wie in Allem, so zeigt sich
auch hierin die Welt als Gemische von Gut und Schlecht, als
das aus unvollkommenen Bestandtheilen zusammengesetzte Werk
des relativ höchsten Wesens. Das Princip der Vergeltung ist
vorhanden, aber es wird durchkreuzt und paralysirt, wie 'das
Sittengesetz von den schlimmen Neigungen, die Vernunft von
den willkürlichen Absurditäten überwuchert wird.
Kann nach dem Angeführten noch die Rede sein von
einer Freiheit des Willen? Nein, oder nur in einem sehr ein
geschränkten Sinne. ,Wahrhaft frei sein, heisst können. Wenn
ich thun kann, was ich will, so besteht darin meine Freiheit;
aber ich will nothwendig, was ich will; sonst würde ich ohne
Grund, ohne Ursache wollen, was unmöglich ist . . . Meine
Freiheit besteht darin, eine schlechte Handlung nicht zu be
gehen, wenn mein Geist sich dieselbe als nothwendig schlecht
vorstellt; eine Leidenschaft zu unterdrücken, wenn ich ihre
Gefährlichkeit erkenne und der Schauder vor einer solchen
Handlung mein Verlangen kräftig niederkämpft . . Es ist
wunderlich, dass die Menschen mit diesem Maasse von Frei
heit nicht zufrieden sind, d. h. mit dem Vermögen, das ihnen
die Natur verliehen hat, in einigen Fällen zu machen, was sie
wollen' 1 . . . Jedes Wesen ist eben an die Schranken seiner
Natur gebunden, selbst Gott. Nur sind dem Menschen keine
so engen Schranken gezogen, wie dem Himmelskörper oder
dem Thiere. 2 Zu den Gesetzen seiner Natur zählt auch das
Sittengesetz, zu seinen Fähigkeiten die Vernunft.
Eben deshalb dürfen sich die Menschen wegen des mora
lischen Uebels nicht auf Gott ausreden. Sie machen einen
1 Pliilosophe ignorant, 13. — De la mort de Louis XV (1774). — Art.
Destin; Liberte. — Vgl. Strauss, Voltaire (G. W. XI, 170—172). —
Traite de Metaphysique (1734), 7. Cap. — Sur l’homme. (Poüme.) Brief
an den Prinzen Friedrich vom Oct. 1737 nebst einigen weiteren über den
Gegenstand gewechselten Briefen. (A M. Du Deffaud, 24. Mai 1764.)
2 Chaeun obeit k son instinct . . Ainsi personne change son caractEre.
Tout suit les lois eternelles de la nature. Nous avons perfeetionne la
societe; oui, mais nous y Etions destinEs, et il a fallu la combinaison de
tous les Evenements pour qu’un maitre k danser monträt k faire la revE-
rence. (PensEes, remarques et observations.)
Voltaire-Studien.
67
verabscheuungswürdigen Gebrauch von der Freiheit, welche das
erhabene Wesen ihnen gegeben hat und geben musste, nämlich
von der Macht ihren Willen auszuführen, ohne welche sie blosse
Maschinen wären, geformt von einem bösen Wesen, um von
ihm wieder zertrümmert zu werden. ,Ihr werdet mir zugeben,
dass Gott die Welt mittels allgemeiner Gesetze regiert. Zufolge
dieser Gesetze beschloss Crom well, dieses Ungeheuer von Fanatis
mus und Heuchelei, um seines Interesses willen den Tod Carl I.
Nach den von Gott festgestellten Gesetzen der Bewegung schlug
der Henker diesem Könige den Kopf ab ; aber sicherlich tödtete
Gott Carl I. nicht durch einen besonderen Act seines Willens.
Gott war weder Cromwell, noch Jeffreys, noch Ravaillac. Gott
verübt, befiehlt, gestattet nicht das Verbrechen; aber er hat den
Menschen, sowie die Bewegungsgesetze gemacht; diese ewigen
Gesetze werden gleichermaassen von dem Barmherzigen, der dem
Armen zu Hilfe kommt, wie von dem Bösewichte, der seinen
Bruder erwürgt, ausgeführt/ 1
Wenngleich die Menschennatur nur Eine ist, so bringen
doch verschiedene Umstände Mannigfaltigkeit und Wechsel in
die Geschichte. 2 Die Menschen diverser Orte und Zeiten ähneln
sich, sind aber nicht vollkommen gleich. Wenn Alles schliess
lich vom Geiste des Menschen, der Höhe seiner Ausbildung-
abhängig ist, so müssen wir untersuchen, von welchen Factoren
er hinwiederum beeinflusst wird. ,Drei Dinge üben ohne Unter
lass Einfluss auf den menschlichen Geist: das Klima, die Re
gierung und die Religion/ 3 Indem wir Religion und Staats
wesen auf die nächstfolgenden Abschnitte versparen, fügen wir
hier noch die Erörterung der Art und Weise bei, wie sich
Klima und Menschengeschichte zu einander verhalten.
1 Histoire de Jenni, c. 9. — Tout le physique d’une mauvaise aetion est
l’effet, des lois generales imprinies par la main de Dieu k la matiere:
tont le mal moral de l’action criminelle est l’effet de la liberte dont
l’hommo abuse. (Ibid.)
2 II resulte de ce tableau que tont ce qui tient intimement k la nature
hnmaine se ressemble d’un bout de l’univers a l’antre; que tout ce qui
peut dependre de la eoutume est different . . L’empire de la coutume
est bien plus vaste que celui.de la nature . . il repand la Variete sur
la scene de l’univers, la nature y repand l’unite. (Essai, 197.)
3 Essai, 197.
G8
Mayr.
Wir berühren damit ein Thema, welches zu Voltaire’s
Tagen den Reiz der Neuheit besass. Wie weit Montesquieu,
der es in Schwung brachte, hiebei seinen Vorgängern ver
pflichtet war, ist denn doch am Ende eine sein' untergeordnete
Frage. Das wussten schon die Gelehrten des achtzehnten Jahr
hunderts, welche Wichtigkeit das Altertluim den Einwirkungen
des Klimas beigelegt hat; auch das Andenken des halb ver
schollenen Bodin wurde bei der Gelegenheit wieder aufgefrischt. 1
Thatsache ist, dass erst seit Montesquieu besagtes Thema in
der Socialwissenschaft dauernde Pflege gefunden hat. An Montes
quieu knüpfen auch die Erörterungen Voltaire’s unmittelbar
an. Wie immer, tritt er allen Extravaganzen und Paradoxien
entgegen.
Ohne Zweifel hat nach Voltaire’s Ansicht das Klima Ein
fluss auf Geist und Sitten der Menschen, aber einen vielmal
geringeren, als Staat und Religion. Läge Alles am Klima, wie
wäre es dann möglich, dass die Aegypter, von deren kriege
rischem Wesen die Geschichte erzählt, heute weichlich und feige
geworden sind? Warum gibt es dann in Hellas keinen Ana-
kreon, Aristoteles oder Zeuxis mehr? Warum hat Rom statt
seiner Ciceros und Catos heute nur mehr mundtodte Bürger
und verthierte Bettler, deren höchstes Glück darin besteht, Pro-
cessionen anzugaffen? Der Himmel Londons ist so neblig, wie
zu Cäsars Zeiten, und doch welcher Unterschied der Verhält
nisse! Das Klima beeinflusst ohne Zweifel die Religionen, was
die Ceremonien und Gebräuche anbelangt: das Dogma, der
Glaube, überhaupt das Geistige an den Religionen ist vom
Klima unabhängig. Die Veränderungen, die da stattfinden,
werden von anderen Ursachen hervorgerufen, von der Erziehung,
vom Wechsel der Meinungen, der Regierungsformen u. s. w. 2
Es gibt auch kein Land der Erde, wo Vermögen und Rechte
der Bürger von Wärme oder Kälte abhängig wären. Das Klima
1 D’auteur de l’esprit des lois, Sans citer personne, poussa cette idee plus
loin que Dubos, Chardin et Kodin (auch Fontanelle und Diodor von
Sieilien nennt er früher). Unc certaine partie de la nation l’en crut
l'inventeur et lni en fait un crime. (Art. Climat.)
2 Art. Climat. — Coinmentaire sur l’esprit des lois (1777). Du climat. —
Ueber die wechselseitige Angemessenheit von Klima,. Flora, Fauna und
Bevölkerung vgl. Histoire de Jenni, c. 9.
Voltaire-Studien.
G9
erstreckt seine Macht auf Grösse und Schönheit des Körpers,
auf die Anlagen, auf die Neigungen. ,Wir haben nie von einer
samojedischen oder äthiopischen Phryne, von einem laplän-
dischen Herkules, von einem ,Newton topinamboid sprechen
hören; dagegen hat Montesquieu schwerlich Recht, wenn er
behauptet, die Völker des Nordens hätten stets denen des Südens
obsiegt/ Gegeninstanzen: die Araber und Römer.
Auch die Erde, welche wir bewohnen, ihre Oberfläche
und ihre klimatischen Verhältnisse waren im Laufe der Zeit
Veränderungen unterworfen. 1 Vielleicht hat unser Planet so
viele Revolutionen durchgemacht, als unsere Staaten; sie er
strecken sich bis in die historischen Zeiten. Vielleicht auch
sind ganze Menschengeschlechter verschwunden, bevor eines
der ältesten Reiche, von denen wir Kunde haben, entstand.
So naturkundig Voltaire auch war, auf die Bedeutung
dieser natürlichen Factoren oder Vorgänge legte er kein be
sonderes Gewicht. Ungleich wichtiger nahm diese Dinge erst
Herder. Voltaire meinte eben, das Räthsel der Geschichte müsse
sich aus sich selbst lösen lassen. Er räumte dem Schöpfer und
Erhalter die gebührende Ehre ein, läugnete auch nicht die
Influenz der äusseren Natur, dämmte jedoch die Bedeutung
beider so weit ein, dass er sich im Ganzen nur mit den rein
menschlichen Factoren des historischen Lebens befassen zu
müssen glaubte. In der Darstellung, Erklärung und Beurthei-
lung der Geschichte hielt er sich innerhalb der Grenzen des
Menschlichen. In allem historischen Dasein, in allen Formen
der Thätigkeit — Religion, Staat, Cultur — fühlte er den Puls
schlag menschlichen Wollens, spürte er das Weben des mensch
lichen Gedankens.
C. Voltaire’s Philosophie der Religionsgeschiehte.
Wenn wir im vorangehenden Abschnitte betrachtet haben,
wie sich bei Voltaire Gott zum Menschen verhält, so obliegt es
uns nunmehr, auf das Verhältnis des geschichtlichen Menschen
1 Phil, de l'hist., 1. — Dissertation sur les changements arrives dans
notre globe (1746). — Art. Changements. — Defense de mon oncle
(1767), c. 19. — Les colima^ons (1768).
70
Mayr.
zu Gott, mit anderen Worten auf Voltaire’s Philosophie der
Religionsgeschichte tiberzugehen. 1 Was immer man von dem
Werthe seiner Auffassung göttlicher und menschlicher Dinge
denken mag, das Verdienst der Klarheit, Nüchternheit und
Consequenz wird man seinen Ansichten kaum absprechen
dürfen. Gerade in seiner Philosophie der Religionsgeschichte,
dem historisch bedeutsamsten Abschnitte seiner Thätigkeit,
treten diese nicht hochklingenden, aber seltenen Eigenschaften
in ungewöhnlichem Maasse hervor.
Jeder Mann der Wissenschaft ist schliesslich von dem
ihm zugänglichen empirischen Materiale abhängig; die Nach
welt hat es leicht, die vorangehenden Generationen an Fülle
des Stoffes, an Verallgemeinerungen und Schlussfolgerungen,
welche die ausgedehntere Erfahrung an die Hand gibt, zu
überbieten. Die heutige Welt wird über die Dürftigkeit des
Materiales, das unserem Philosophen zu Gebote stand, lächeln;
sie darf es: denn mit eisernem Floisse hat sie Unbekanntes
aufgespürt, Thatsache auf Thatsache gehäuft und auch nicht
verabsäumt, zu inductiven Verallgemeinerungen zu gelangen.
Allein, einen eigentlichen Vorwurf kann sie weder dem Jahr
hunderte noch dem grossen Schriftsteller, von dem wir sprechen,
aus dem Umstande machen, dass diese nicht verwerthet haben,
was sie nicht gewusst haben. Ferner folgt aus dem berührten
Verhältnisse noch lange nicht Recht oder Pflicht, die Leistungen
des abgelaufenen Jahrhunderts als irrelevant anzusehen. Ein
Jahrhundert, das in der denkenden Betrachtung, in der kriti
schen Beurtheilung seine Stärke hatte, kann und darf für die
Wissenschaft nie umsonst gearbeitet haben.
Voltaire kannte die Religionen Vorderasiens und Aegyptens
nur aus den griechischen und hebräischen Berichten; die Monu
mente dieser Völker traf damals noch kein forschender Blick. 2
Besser kannte er die Religion Zoroaster’s — schon hatten
Hyde und Anquetil - Duperron begonnen, das Geheimniss der
selben .zu enthüllen — besser auch die Religion Altindiens;
1 Zu diesem Abschnitte vgl. besonders: Philosophie de l’histoire (1765) —
Dieu et les hommes (1769) — Art. Religion.
2 II faut däsesperer d’avoir jamais rien des Egyptiens; leurs livres sont
perdus, leur religion s’est aneanti. (Phil, de l’hist., 17.)
Yoltaire-Studien.
71
doch lag das Sanskritstudium noch in den Windeln. 1 China
und die Lehre des Confucius war ihm durch die Schriften
jesuitischer Missionäre bekannt geworden. Er hatte den Koran,
das Alte und das Neue Testament, natürlich auch die antike
Mythologie studirt. Mit der Kirchengeschichte aller Zeitalter
war er wohlvertraut. Rechnen wir noch dazu, was er aus
Reisebeschreibungen von den religiösen Vorstellungen halb oder
ganz uncivilisirter Völker wusste, so haben wir den Umkreis
seines Wissens, überhaupt des zu seiner Zeit Wissbaren durch
messen.
Die erste Frage für einen Philosophen der Religions
geschichte ist wohl die nach dem Ursprung der Religionen.
Voltaire fand noch eine Beantwortung der Frage vor, die fast
canonisches Ansehen genoss: man führte nämlich die Ent
stehung der Religionen auf eine ursprüngliche göttliche Offen
barung und auf eine Corruption derselben durch den Einfluss
kakodämonischer Mächte zurück; man brandmarkte die heid
nischen Religionen als Teufelstrug und Götzendienst; man be
trachtete die heidnischen Götter als böse Geister, die Orakel
und Prodigien als Wirkungen derselben; dem Reiche des Teufels
setzte man dann das durch besondere Offenbarungen ausgezeich
nete, in Judenthum und Christenthum zum Vorschein kommende
Reich Gottes entgegen. 2 Allein das Studium der Alten hatte
1 In die veddiselie Religion gewährten ihm ,le Shasta et l’Ezourveidam 1
Einblick. Holwell und Dow macht er als seine Autoritäten namhaft.
(S. Art. Ezourveidam und Phil, de l’hist., 17.) Voltaire rühmt sich, allein
unter seinen Landsleuten die Forschungen der Engländer verwerthet zu
haben; zugleich wirft er den Franzosen vor, sie hätten während des
fünfzigjährigen Bestandes der ostindischen Compagnie verabsäumt, sich
mit Land und Leuten bekannt zu machen. (Lettres chinoises, iudiennes
et tartares, Nr. X.) — Vgl. Lettre ä Capperonnier, 13. Juli 1761 — ä
Vernes, 1. Oct. 1761, woraus hervorgeht, dass Voltaire jenen Veda-
Commentar von einem seiner Bekannten, Maudave, zum Geschenk erhielt
und der königlichen Bibliothek übermittelte, ,et on l’y regarde comme
le monument le plus precieux, qu’elle posscde 1 . — A Peacock, 8. Dec.
1767. — A Chabanon, 25. Dec. 1767. — A Bailly, 27. Febr. 1777.
2 Bientöt les peres de l’Eglise attribuerent au diable toutes les religious,
qui partageaient la terre, tous les grands evenements (Art. Oracles) —
Les monuments les plus irrefragables . . n’ont pas empeehe nos dispu-
tateurs de l’Occident de donner h des gouvernements si sages le nom
ridicule d’idolätres. (Fragments historiques sur l’Inde, 22.) — Cf. Art.
72
Mayr.
mit anderen Beantwortungen der Frage vertraut gemacht, und
die neuere Philosophie fügte auch ihrerseits selbstständige
Lösungsversuche hinzu. Im Ganzen kamen die Philosophen
auf das alte ,primos in orbe fecit deos timor' zurück. Sie be
mühten sich jedenfalls, das Problem aus den Höhen der Meta
physik auf den festeren Boden der Empirie und Psychologie
zu verpflanzen. So sagt auch Voltaire: ,Pour savoir, comment
tous ces cultes ou ces superstitions s’etablirent, il me semble
qu’il faut suivre la marche de l’esprit humain abandonne a
lui-memeh 1 Jedoch der psychologische Weg hat seine Gefahren.
Fast unmerklich schiebt der Forscher den Seelen primitiver,
überhaupt fremdartiger Menschen Ideen, Gefühle, Begehrungen
unter, die ihnen ebenso ferne liegen, als sie ihm selbst ge
läufig sind. Voltaire’s heller Geist war sich der Gefahr wohl
bewusst; seine ausgebreiteten Kenntnisse bewahrten ihn vor
einem Abwege, den jemand leichter geht, welcher aus Un
wissenheit seine Umgebung mit all ihren specifischen Merkmalen
für die Menschheit schlechthin nimmt. 2 Es ist nun überaus
merkwürdig, dass Voltaire den Urmenschen sich, ganz in mo
derner Weise, nach Analogie des Wilden und des Kindes
construirt; selbst der ihm aus unmittelbarer Anschauung be
kannte französische Bauer muss ihm zum Verständnisse des
Urmenschen herhalten. 3 Die Geistes- und Gemüthszustände,
Idole. — Gegen den Vonvurf der Teufelsanbetung: ,Ces reproches absurdes
sont intolerables . . II est temps que nous quittions l’indigne usage de
calomnier toutes les sectes et d'insulter toutes les nations. (Essai, c. I.)
1 Phil, de l’hist., V.
2 So sagt Voltaire z. ß. er halte Sonne und Mond nicht für die ursprüng
lichen Gottheiten. Culturlose Menschen ,ne sont frappes ni de la beaute
ni de l’utilite de l’astre qui anime la nature . . ils n’y pensent pas, ils
y sont trop accoutumes. On n’adore, on n’invoque, on ne peut apaiser
que ce qu’on craint; tous les enfants voient le ciel avec indifförence;
mais que le tonnerre gronde, ils tremblent 1 . (Art. Religion, S. III.)
Dass die Verehrung des Lingam bei den Indern nicht auf wollüstige
Ueppigkeit deute, erörtert er Essai, 143; Fragments liistoriques sur l’Inde,
29. — Les oreilles du Comte de Chesterfield (1775), c. 0.
3 Tous les peuples furent pendant des siicles ce que sont aujourd’hui les
habitants des plusieurs cotes meridionales de l’Afrique. (Phil, de l’hist.,
V.) — Examinons ce qui se passe dans les enfants . . Les premiers
hoinines ont sans doute agi de meine. (Art. Religion, S. III.) — Cf. Phil,
de l’hist., VII, XX.
Voltaire-Studien.
73
aus denen bei dem Wilden, dem Kinde, dem Bauern religiöse
Vorstellungen hervorgehen, sind also nach seiner Ansicht die
nämlichen, aus denen die primitiven Religionen überhaupt
hervorgegangen sind. Ist einmal der göttliche sowohl, als der
teuflische Ursprung der Religionen abgelehnt und der mensch
liche acceptirt, so ergibt sich auch für die Werthbeurtheilung
derselben ein anderer Standpunkt. Was involvirt doch die
bekannte Herleitung der Religion aus dem Affecte der Furcht?
Doch dies, dass die Religion selbst dahinfällt, wenn sich zeigen
sollte, dass die Furcht eine leere ist, oder wenn die Furcht
der inneren Missbilligung unterliegt und einer tapferen, edlen
Seele unwürdig erscheint. Jedoch, Voltaire’s Theorie fällt mit
der eben besprochenen nicht gänzlich zusammen.
Den religionsbildenden Urmenschen dürfen wir uns nach
Voltaire nicht völlig roh und thierisch vorstellen, sondern in
geselligem Vereine lebend, etwa in einer Dorfschaft ,dans unc
bourgade d’hommes presque sauvages'. 1 Vor der Urgesellung
liegt eine Periode absoluter Gottlosigkeit. So lange sich der
Mensch ausschliesslich mit der Sorge um die Fristung des
Daseins befasst, ist er der Conception eines übernatürlichen
Wesens unfähig. 2 Voltaire beruft sich auf die thatsächliche
Existenz atheistischer Völker, die man jedoch nicht im ge
wöhnlichen Sinne atheistisch nennen dürfe, indem sie Gott
nicht läugnen, sondern einfach nicht kennen. Nehmen wir
also an, einige nahezu wilde Menschen hätten sich zu einer
Dorfschaft vereinigt. Sie sehen ihre Nährfrüchte zu Grunde
gehen, eine Ueberschwemmung zerstört ihre Hütten, Blitz und
Donner erschrecken sie; kurz sie tragen, wer ihnen all das
angethan habe. Es muss eine geheimnissvolle Macht sein, die
sie misshandelt hat; es gilt, dieselbe zu versöhnen, indem man
1 Phil, de l’hist., V.
2 Alt. Atheisme: Pour les peuples entierement sauvages on a d^jä dit
qu’on ne peilt les coinpter ni parmi les athees, ni panni les theistes . .
ils ne sont pas plus ath4es, rpie peripateticiens. — Ausser der Entwick
lung der Gottesidee behandelt Voltaire auch die Entstehung des Glaubens
an eine Seele, den Ursprung der Riten, Orakel, Prodigien etc. gemäss
dem im vorangehenden Capitel erörterten Grundsätze: La nature etant
partout la meme, les hommes ont du necessairement adopter les meines
veriRs et les meSmes erreurs. (Phil, de l’hist., VI.)
74
M a y r.
ihr in klug berechnender Absicht Geschenke darbringt und
Ehrerbietigung erweist. 1 So weit geht Voltaire mit der
Schreckenstheorie; wie sie leitet er die primitive Gottesvor
stellung aus der psychischen Reaction gegen die Wahrnehmung
des Weltelendes ab. Jedoch nur die primitive Religion ruht
auf so schwankem Fundamente.
Wird dann die Einbildungskraft weiter angeregt, fährt
Voltaire fort, so bevölkert sich bald die ganze Erde mit gött
lichen Wesen; die Dörfer bekommen Kenntniss von den Göttern
ihrer Nachbarn und nehmen dieselben unter Umständen an.
Dies ist der Ursprung des Polytheismus, der Religion der
Masse, deren Gottesvorstellung immer und überall auf niedrigen,
unedlen Motiven beruht. 2 Jedoch sondert sich bei zunehmender
Cultur aus der Menge ein Häuflein Weiser ab, welche zu der
erhabenen und gütigen Idee eines Schöpfers, Ordners, Er
halters der sichtbaren Welt und zugleich Vergelters von Gut
und Böse Vordringen. 3 Wäre die Religion bloss auf die Motive
der Massen gebaut, so wäre sie der Beachtung nicht werth;
die Religion der Weisen aber (oder die Philosophie) macht
die Religionsgeschichte zu einem würdigen Objecte der Be
trachtung.
Iliemit sind wir an der Schwelle der eigentlichen Historie,
an der Schwelle der Ueberlieferung, bei den Religionen der
alten Culturvölker angelangt; Inder, Chinesen, Chaldäer sind
die ältesten derselben, jünger sind die Aegypter, Phönizier,
Juden, Griechen und Römer. Sie alle haben so ziemlich die-
1 Phil, de l’hist., V. — D’oii est donc derivee eette idee? du Sentiment
et de cette logique naturelle qui se developpe avee Tage dans les hommes
les plus grossiers. On a vu des effets etonnants de la nature, des moissons
et des sterilites, des bienfaits et des fleaux, et on a seuti un maitre. (Art.
Dieu I.) — Aber auch die moralische Naturanlage des Menschen bezeichnet
Voltaire als religiös. ,11 faut donc, avant tous les cultes, une religion
naturelle, qui trouble le cceur de l’hömme, quand il eut . . commis une
action inhumaine. 1 (Art. Expiation.)
2 Der Polytheismus folgt dem Ur-Monotlieismus zeitlich nach. ,J’ose croire
qu’on a commence d’abord par reconnaitre un seul Dieu, et qu’ensuite la
faiblesse humaine en a adopte plusieurs. 1 (Art. Eeligion, III, 2.)
3 Cependant il faut bien que la raison se perfeetionne . . Tous ces philo-
sophes babyloniens, persaus etc. admettent un Dieu supreme remunera-
teur et vengeur. (Art. Eeligion, ibid.)
Voltaire-Studien.
to
selben Phasen der Entwicklung durchgemacht. Eine Ausnahme
bildet China. Es stellt nicht den durchschnittlichen, sondern
den idealen Typus dar; es ist das Musterland, welches von
Anbeginn in einem Zustande religiöser Verfassung lebt, den die
anderen Länder selten erreicht haben. Voltaire hat die Chinesen
in der Weltgeschichte eingebürgert; den Essai eröffnet er mit
ihnen, ein Brauch, der bis auf den heutigen Tag in den soge
nannten Weltgeschichten fortdauert. Leider sind die idealen
Chinesen Voltaire’s nicht die Chinesen der Wirklichkeit, der
Geschichte und Ethnologie. 1
Nach Voltaire’s Schilderung zeichnet sich die Religion der
Chinesen durch ihre Einfachheit und Erhabenheit aus. Sie ist
frei von allem Dogmatismus und Aberglauben; deshalb gibt es
in ihr keinen Streit, keine Intoleranz, keinen Fanatismus. 2 Sie
besteht aus blosser Moral, wie sie die Weisen aller Zeiten und
Völker gelehrt haben. Sie verehrt nur Ein höchstes Wesen, den
Herrn der physischen und moralischen Welt. 3 Ihrer sittlichen
Auffassung des Familienlebens entspringt ein pietätvoller Cultus
der Ahnen. Der Lehrer, eigentlich Wiederhersteller, dieser Reli
gion, die zugleich Staatsreligion ist, war Confucius, ein Mann,
der weder den Inspirirten, noch den Propheten spielte, keinerlei
Mysterium, nicht einmal die Fortdauer nach dem Tode, sondern
blosse Sittenlehre verkündigte. Duldsam wie sie war, wehrte
die Religion des Confucius nicht dem Eindringen des Foismus
und des Bonzenthums. Dem neuen Glauben, dem Buddhismus,
einem Gemisch von Aberglauben und Unsinn, fiel der Pöbel an
heim, den die Bonzen für ihre Zwecke ausbeuteten; der alten
Religion blieben die herrschenden und gelehrten Classen treu.
1 lieber die chinesische Religion siehe Phil, de l’hist., 18 — Essai, 1—2 —
Art. Chine, Catecbisme chinois — Entretiens chinois (1768) — Frag
ments sur l’histoire generale (1773) — Lettres ehinoises (1776) — ferner
Siecle de Louis XIV, c. 39, und Essai, c. 195, sowie die Relation du
bannissement des Jesuites de la Chine (1768).
2 II n’y a eu qu’une seule religion daus le monde qui n’ait pas ete souillee par
le fanatisme, c’est celle des lettres de la Chine. (Art. Fanatisme, S. II.)
3 II est constant que tous les peuples polices en adorant un seul Dieu
venererent des dieux secondaires. Exceptons-en les seuls Chinois, qui,
doues d’une sagesse superieure, ne iirent jamais partager ä personne la
moindre ecoulement de la Divinite. (Canonisation de St-Cucufin, 1767
(1769?).
7(3
M a y r.
Letztere beschränkten sich darauf, Pöbel und Pfaffen in Zaum
zu halten, weshalb dem Lande die Geissei der Religionskriege und
der Kampf zwischen sacerdotium und imperium erspart blieb. 1
Auch als die Missionäre christlicher Herkunft den Fanatismus
zu schüren suchten, vermochte es den Frieden zu bewahren.
Infolge seiner religiösen Zustände war uud ist China, ungeachtet
seiner Mediocrität in den Wissenschaften und seines Hanges
zur Stabilität, das bestgesittete Land der Erde. 2
Es finden sich hier alle wesentlichen Stücke der Voltaire
schen Religionsphilosophie beisammen: sein Abscheu gegen das
Dogma; 3 sein Hass gegen die Organisation des Aberglaubens; 4
sein Kampf gegen eine Priesterreligion, die sich über den Staat
erhebt und dem Fanatismus Halt gewährt; seine Identification
von Religion und Moral; seine Lehre von der Uebereinstimmung
aller echten Religion an allen Orten und zu allen Zeiten; 5
seine Unterscheidung zwischen der Religion der Gebildeten und
dem Wahne des Haufens, gegen welchen, soferne er gewisse
Schranken überschreitet, der Höherstehende principiell keinerlei
1 ,Crois ce qui tu voudras, mais fais ce que je t’ordonne. 1 Dieses Princip
des Friedericianischen Absolutismus hält Voltaire auch für das der chi
nesischen Regierung. (Dieu et les hommes, c. 4.)
2 Siede de Louis XIV, 39.
3 La theologie u’a jamais servi qu’ä renverser les cervelles et quelquefois
les Etats. (L’A, B, C; 10 rae Entretien.) — Culte, necessaire; vertu, indispen
sable; crainte de l’avenir, utile; dogme, impertinent; dispute sur le dogme,
dangereuse; persecution, abominable; martyr, fou. (Pensees, remarques,
observations.)
4 Jamais la nature humaine n’est si avilie que quand l’ignorance super-
stitieuse est arraee de pouvoir. (Essai, c. 140.)
5 La religion enseigne la meme morale ä tous les peuples sans aucune
exception : les ceremonies asiatiques sont bizarres, les croyances ab
surdes, mais les preceptes justes . . il n’est pas possible qu’il y ait
jamais une societe religieuse instituee pour inviter au crime. (Essai,
c. 197.) — Die Moral aller Religionen ist vortrefflich, nur ihre Meta
physik absurd und ihr Ceremonienwesen lächerlich. (Dieu et les hommes,
c. 9.) — Toutes les sectes sont differentes parce qu’elles viennent
des hommes; la morale est partout la meine parce qu’elle vient de
Dieu. (Art. Theisme.) — On a dit souvent que la morale qui vient de
Dieu reunit tous les esprits, et que le dogme qui vient des hommes les
divise. (Instruction pour le prince royale de . . ., c. 3, 1752 oder 1767.)
— Vgl. Art. Dogmes.
Voltaire-Studien.
77
Duldung üben soll. 1 Zwischen den Zeilen lesen wir den Tadel
gegen das positive Christenthum, das Widerspiel des geschilderten
Idealszustandes. Das Christenthum ist dogmatisch, proselytisch,
fanatisch; es ist eine Volksreligion, die auch die Aristokratie
des Geistes knechten will; es ist theokratisch organisirt und stellt
sich nicht selten dem Staate entgegen; es hat seit anderthalb
Jahrtausenden Streit und Verderben über die Völker gebracht;
es vernachlässigt zu Gunsten des Dogmas die Moral, ja stellt die
fragwürdigsten Exempel der Sittlichkeit zur Nachahmung auf.
Die religiöse Entwicklung Indiens weicht von der Chinas
ab, nähert sich dagegen dem mittleren Durchschnitte. In Indien
haben wir den Ursprung der Theologie zu suchen; hier lebten
die Erfinder und Lehrer der ältesten, späterhin verbreitetsten
Dogmen und Mythologeme. So lange Priesterthum und König
thum noch nicht getrennt waren, konnte die Religion auf blosse
Vernunft (raison uuiverseile) gegründet werden, wie bei den
Chinesen; als aber das Priesterthum sich ablöste und zur Kaste
versteinerte, trat auch der Verfall der ursprünglichen Religion
zu Tage. 2 Die Bralimanen bewahrten stets eine edlere Glaubens
ansicht, als der Haufe. Sie verehrten einen einzigen höchsten
Gott, obwohl sie Untergötter anerkannten; sie lehrten die Welt
schöpfung aus dem Nichts, führten das Uebel der Welt auf den
1 La Canaille erea la Superstition, les honnetes gens la detruisent. (Diner
du Comte de Boulaiuvilliers, Pensees de St-Pierre.) — Chez presque
toutes les nations nommees idolätres il y avait la theologie sacree et
l’erreur populaire, le culte secret et les ceremonies publiques, la religion
des sages et celle de vulgaire. (Art. Idole.)
2 Ueber die Religion der Inder siehe Phil, de l'hist., 17 — Essai, 3—1 —
Defense de mon onele, 1767, c. 13 — Precis du Siecle de Louis XV,
c.. 29 — Art. Bracliraanes; Ezourveidam -— Fragments historiques sur
quelques revolutions dans l inde (1773) — Lettres chinoises, indiennes
et tartares (1776) — Vgl. den Roman: Les lettres d’Amabed (1769) —
Les Indiens de qui toute espece de theologie nous est venue (Phil, de
l’hist., 48) — Les Braclimanes furent les inventeurs de l’astronomie et
de la mythologie (Un Chretien c. six Juifs, II, 1776) — C’est des Indiens
que nous viennent ces prodigieuses austerites . . L’Europe en ce ne fut
que l’imitatrice de l’Inde (Essai, 139) —• II m’a parut evident que notre
sainte religion cliretienne est uniquement fondee sur l’antique religion de
Brahma . . une miserable et froide copie de l’ancienne theologie indienne
(A Frederic II, 21. Dec. 1775) — Vgl. 29. Jänner 1776, 14. Juni 1776
ä La Gentile.
78
Mayr.
Abfall himmlischer Geister zurück, lehrten aber auch die Er
lösung- der Verdammten durch stufenweise Rückkehr zu Gott.
An diese Lehre knüpfte der Seelenwanderungsglaube an, welcher
hinwiederum zur Begründung desKastenwesens verwendet wurde. 1
Mit der fortschreitenden Degeneration und Herrschsucht der
Brahminen griffen auch Ceremonienwesen und Aberglauben
um sich. Das indische Rituale erregt unser Lachen; freilich
revanchirt sich der Gangesanwohner, indem er über das Treiben
der Leute am Tiber lächelt; der Philosoph lacht über den einen,
wie über den anderen, sowie er ihnen auch, wo sie es verdienen,
Anerkennung zollt. Der Philosoph findet, dass, so lächerlich
das Rituale der Brahmanen auch sein möge, ihre erhabene
Moral nur Bewunderung erregen könne. 2 Gegenwärtig habe sich
die indische Religion nur mehr bei wenigen Philosophen in
ihrer alten Reinheit erhalten; diese gäben sich keine Mühe,
einem entarteten und verweichlichten Volke bessere Vorstel
lungen beizubringen: sie würden die anderen Brahmanen, die
Weiber, den Pöbel gegen sich aufreizen. In neuerer Zeit, er
zählt er, hat der Muhamedanismus Fortschritte gemacht, das
Christenthum hingegen trotz seiner Evidenz, seiner Heiligkeit
und seiner Missionäre keine. Wie könne man auch einem
Volke zumuthen, den Glauben von Menschen anzunehmen, die
gleich Räubern über ferne Länder herfallen und den religiösen
Hader ihrer Heimat an fremde Gestade tragen.
Die Geschichte der indischen Religion gibt Voltaire auch
über die Wechselwirkung von Klima, Religion und Gesellschaft
zu denken. 3 Die frappirende Aehnlichkeit zwischen indischen
1 Ce furent les premiers Brachmanes qui inventerent le roraan theologique
de la chute de Fhomme, ou plutot des anges: et cette cosmogonie, aussi
ingenieuse que fabuleuse, a ete la sonrce de toutes les fables sacrees
qui ont inonde la terre. (Deraieres remarques sur Pascal, Nr. 112, 1777.) —
Cf. Art. Ange.
2 Auch traurige Verirrungen, wie die Witwenverbrennung, bespricht er.
Ueber die Bussgebräuche sagt er: ,Des qu’il y eut des religions etablies,
il y eut des expiations; les ceremonies furent ridicules: car quel rapport
entre l’eau du Gange et un meurtre . . Nons avons dejä remarque cet
exc&s de demence et d’absurdite, d’avoir imagine que ce qui lave le
corps lave l’&me.‘ (Art. Expiation — Bapteme.)
3 Si jamais le climat a influe sur les hommes c’est assurement dans
Finde . . Leurs superstitions sont les m@mes que de temps d*Alexandre.
*
Voltaire-Studien. 7 9
und jüdisch-christlichen Lehren leitet ihn auf den Gedanken
einer Uebertragung mittels der Chaldäer und Aegypter. Jeden
falls hat Voltaire mit seiner Polemik gegen die schulgerechte
Lehre der Zeit Recht, der zufolge eine Uebertragung in um
gekehrter Ordnung, von der Bibel zu den Indern, stattgefunden
hätte. Aus mehr als einem Grunde setzt er die indische gegen
die chinesische Religion zurück: er macht ihr die kastenmässige
Abscheidung von König- und Priesterthum, die Ausspinnung
simpler und natürlicher Einsichten zu phantastischen Mytholo-
gemen, die Verhüllung des besseren Kernes durch ein obligates
Ceremoniell, die Erweckung abergläubischer und fanatischer Re
gungen, den verweichlichenden Einfluss zum Vorwurfe. Während
in China alle theokratischen Gelüste niedergehalten wurden,
haben sich in Indien, und später allüberall, die Priester zu
einer dominirenden Classe aufgeworfen. Sie haben Gesetze
gegeben und ihnen einen direct göttlichen Ursprung angedichtet.
Das angebliche Herabsteigen der Götter ist ein sicheres Indi-
cium der Theokratie. 1 ,Der erste Unverschämte', sagt Voltaire, 2
,welcher wagte, Gott sprechen zu lassen, war ein Gemisch von
Schurkerei und Fanatismus/ Traumgesichte brachten ihm wohl
selbst die Ueberzeugung seiner höheren Mission bei. ,Das Hand
werk lässt sich gut an; mein Charlatan bildet Schüler, die alle
mit ihm das nämliche Interesse theilen. Ihre Autorität wächst
mit ihrer Anzahl. Gott offenbart ihnen, dass die schönsten
Rinds- und Hammelsstücke, das fetteste Geflügel, der erlesenste
Wein ihnen zukomme. Der König des Landes schliesst hierauf
einen Handel mit ihnen, um besseren Gehorsam beim Volke
zu finden; aber bald ist der Herrscher der Narr bei dem
Geschäfte . . Samuel entthront den Saul und Gregor VII. den
Kaiser Heinrich IV. . . . Dieses diabolico-theokratische System
(Essai, c. 19t.) — La physique de l’Inde, differant en tant de choseä
du nötre, il fallait bien que le moral differät aussi. (Essai, c. 3.) — La
mollesse inspiree par le climat ne se corrige jarnais. (Ibid.) Leur climat
est si doux . . que tont y invite au repos et ce repos a la mfditation.
(Sur l’äme, 1774.)
1 Pliil. de Phist, 9. — Art. Theocratie.
2 L’A.B, C; 5 me Entretien (1769). — Depnis Calehas jnsqna Gregoire VII
et Sixte V . . la puissance sacerdotale a ete fatale au monde. (Art.
Pretres.)
i
May r.
«o
dauert fort, bis sich hinlänglich unterrichtete Fürsten finden,
welche Geist und Mutli genug besitzen, einem Samuel oder
Gregor die Klauen zu stutzen. Das ist, wie mir scheint-, die
Geschichte der Menschheit . . Das Volk ist immer bereit sich
um die Franciskaner und Kapuziner zu schaaren . . Die Mönche
bleiben mächtig, bis eine Umwälzung sie hinwegspült.'
Humatii gencris mores tibi nosse volenti
Sufficit una domus.
(Jnv. Sat. XIII, Vs. 159.)
Nächst den Veden und den Kings gilt der Zend-Avesta
für das älteste Buch der Erde. Zoroaster’s Sittenlehre ist vor
trefflich. 1 Dagegen macht er einen vergeblichen Versuch, das
Uebel in der AVelt zu erklären und zu rechtfertigen, indem er
den Gegensatz von Gut und Böse auf zwei ursprüngliche Prin-
cipien zurückführt, wodurch das gute Princip von dem Vorwurfe,
der es in monotheistischen Religionen trifft, entlastet wird.
Die Lehre von Himmel, Hölle und Teufel machte dann ihren
Weg über die AVelt; 2 zur Zeit der Iiasmonäer wurde sie von
den Juden adoptirt. Der Glaube an das Jenseits hat sich als
wirksamer Zügel der Massen erwiesen. Die Dogmen und
Riten dieser Religion sind ihm selbstverständlich ein Gräuel.
Ueber die Religionen der Chaldäer, Syrer, Phönicier eilt
A r oltaire ziemlich flüchtig hinweg; das Interessanteste daran
sind ihm die Namen, Lehren und Gebräuche, welche die Juden
diesen ihren Nachbarn oder Herren entlehnt haben. 3 Die
Religion der Chaldäer nennt er einen Sabismus, der aus der
Anbetung eines höchsten AVesens und der secundären A T er-
1 ,.Je me eonfirme dans l’idee que plus Zoroastre itablit des superstitions
ridicules en fait de culte, plus la purete de sa morale fait voir, qu’il
n’etait pas en lui de la corrompre. 1 (Pliilosophe ignorant, 39, 1766.) —
Je voudrais que, pour notre plaisir et pour notre instruction, tous ces
grands prophetes de l’antiquite, les Zoroastres etc. revinssent aujourd’hui
sur la terre, et qu’ilä conversassent avec Locke, Newton etc. que dis-je?
avec les philosophes les moins savants des nos jours, qui ne sont pas
les moins sens£s. J’en demande pardon h l’antiquite, mais je crois
qu’ils feraient une triste fignre. Helas ! les pauvres cliarlatans! ils ne
vendraient pas leurs drogues sur le Pont-neuf. (Art. Zoroastre.)
2 Art. Beklcer. — II faut prendre un parti (1772), c. 20.
3 Phil, de l’hist., 10—13.
Voltaire-Studien.
81
ehrung von Astralgeistern bestünde. 1 An der syrischen Reli
gion findet er die Ceremonie der Selbstverstümmelung be-
achtenswerth. Die rationalistische Deutung, als sei es der
Uebervölkerung wegen Brauch gewesen, die Priester zu ca-
striren, genügt ihm nicht. Er meint, dass wir es hier mit der
alten Sitte zu thun hätten, den Göttern das Liebste zu opfern,
was man habe; hiezu komme die Scheu sich ihnen, behaftet
mit dem, was für unrein gilt, zu nahen. 2 Die phönizische
Religion ist durch ihre Kosmogonie ausgezeichnet; ihr ent
lehnten die Juden die Namen ihres Gottes. Was die Aegypter
betrifft, 3 so hält er sie für jünger, als die genannten Völker,
wodurch die Prätensionen ihrer Lehrlinge, der Juden — die
Prätension das älteste Culturvolk zu sein, die Lehren und
Gebräuche aller anderen Nationen beeinflusst zu haben — in
Nichts zerfallen. Von dem ägyptischen Thierc-ultus, der Volks
religion, ist die reinere Lehre der Mystagogen zu unterscheiden. 4
Uebrigens lastet auf den Aegyptern der schwere Vorwurf der
Intoleranz, des Fanatismus. 5 ,Von den Aegyptern', sagt er,
,gilt die Bemerkung, die auch von den übrigen Völkern gilt,
dass sie niemals constante Meinungen besessen haben . . Nur
die Geometrie ist unveränderlich; alles ist sonst in unaufhör
lichem Wechsel begriffen . . Die Gelehrten streiten und werden
streiten . . Sie haben alle Recht, wenn man Zeit und Menschen,
die gewechselt haben, unterscheidet'. 15
Wir kommen nun zur Hauptarbeit von Voltaire’s Leben:
zu seinem Kampfe gegen die weltbeherrschende Lehre des
Christenthums. Sein Interesse für das Judenthum und das
1 Art. Babel.
2 Phil, de l’hist., 12. Vgl. Art. Circoncision, Climat. (Influence de elimat.)
3 Phil, de l’hist., 19—23.
4 II est ä croire que les fanatiques voyaient en lui (Apis) un dieu, les
sages un simple Symbole, et que le sot peuple adorait le boeuf. (Art.
Apis.)
5 In dem Schriftehen ,De la paix perpetuelle 1 (1769), c. 6 beschuldigt er
die Aegypter, sie seien die ersten gewesen ,qui ont donne Pidee de
l’intolerance; tont etranger etait impur chez eux . . le miserable peuple
a paye bien eher son intoleraiitisuio et est devenu le plus meprise de
tous les peuples apres les Juifs. — Dieu et les liommes, c. 10. — De
fense de mon oncle, 21, 3 me diatribe. — A Mairan, 9. Aug. 1760.
6 Phil, de l’hist., 22.
Sitznngsber. d. phil.-hist. CI. XCV. Bd. I. Hft.
6
82
M a y r.
Alte Testament wurzelt in dem actuelleren Interesse für die
christliche Religion. 1 Voltaire’s Stellung in dem langen Kampfe
zwischen Philosophie und Glauben ist durch den Gebrauch
gekennzeichnet, welchen er von den Waffen der historischen und
philosophischen Kritik gegen den Glauben macht. Seit der
Reformation war der Katholicismus bemüht, die Angriffe der
historischen, theologischen und philosophischen Kritik von sich
abzuwehren; der historischen Kritik gewährte er nur zu den
äussersten Vorwerken Zugang; die theologische Kritik blieb
eine rein interne, den Laien verschlossene Angelegenheit; mit
der Philosophie wussten sich namentlich die Jesuiten geschickt
abzufinden. Innerhalb des Protestantismus war immer eine
fortdrängende Richtung vorhanden, welche jederlei Kritik die
weitesten Concessionen machte, aber doch im Sinne der Er
haltung und des Glaubens. Erst die neuere Philosophie, indem
sie sich über den Gegensatz der Confessionen erhob, procla-
mirte auch das Recht der Vernunft, das Christenthum, die
Religion selbst, in Frage zu stellen. Die avancirtesten Vor
kämpfer des Deismus in England gingen von der protestanti
schen Verneinung der Tradition zur Bekämpfung der Bibel
über, lösten den Zusammenhang derselben mit der überirdischen
Welt auf und setzten den nunmehr als menschlich betrachteten
Lehren die Satzungen eines blossen Vernunftglaubens entgegen.
Voltaire ging im Principe nicht über die Deisten hinaus; ab
gesehen von seinen schriftstellerischen Gaben übertraf er sie
jedoch an historischer Gelehrsamkeit. In der Beurtheilung der
Quellen, der Kritik einzelner Daten, in der Erklärung der
religiösen Erscheinungen aus dem Geiste, dem Gemüthszustand,
den Geschicken der Zeitalter, bewies er eine bis dahin einzige
Meisterschaft. Sollen wir noch den Unterschied zwischen der
englisch-französischen Religionsphilosophie und der deutschen
1 Ce peuple doit nous interesser puisque nous tenons d’eux notre religion . .
nous ne sommes au fond qne de Juifs avec an prepuce. (Essai, 103.) —
Les Chretiens, qui ne furent pendant Cent ans, que des demi-juifs (L’A,
B, C; 3 mc Eutretien) — nous qui devons notre religion ä un petit peuple
abominable, rogneur d’espeees et marchand des rieilles culottes. (16. Aug.
1761 ä Mairan.) — II y a plus d’absurdite encore k imaginer qu’une
secte nee dans le sein de ce fanatisme juif est la loi de Dieu et la
verite ineme. (A d’Argence, 11. Oct. 1763.)
Voltaire-Studien.
83
bezeichnen, so ist er gleich dem Unterschiede von Empirie
und Speculation: die mit Lessing anhebende speculative Theo
logie sucht die von der Realphilosophie zersetzten Dogmen zu
sublimiren und zugleich den höheren geistigen Forderungen
der Zeit anzupassen.
Die Darstellung Voltaire’s, über welche ein Wort gestattet
sein möge, ist bald mehr ironisch gehalten, bald ergeht sie
sich in den unzweideutigsten Invectiven. Besonders wenn er
die Maske des Engländers vornimmt, wird seine Ausdrucks
weise heftig, extrem. Kein Terminus scheint mir weniger be
rechtigt, als das Wort .frivol', womit man Voltaire’s Art zu
kennzeichnen liebt. 1 Ihm war es mit der Sache wahrlieh bittrer
Ernst. Nur die Schwerfälligkeit oder der böse Wille können
sich durch seine Witze und Spöttereien veranlasst fühlen, ihm
Mangel an Ernst vorzuwerfen. Voltaire repräsentirt das äusserste
Gegentheil des Indifferentismus. Die Aufklärung über die
höchsten Fragen des Daseins ist seine vornehmste Leidenschaft.
Sie ist der innerste Beweggrund seiner heftigen Angriffe auf
diejenigen Mächte, welche ihrer ungehemmten Entfaltung feind
lich entgegen treten. Ihm standen Pathos und Cynismus gleich
sehr zur Verfügung. Er wollte gar nicht schonen, er wollte
verletzen, weil ihm die Dinge so sehr am Pierzen lagen. Wenn
er die Linien des ästhetisch Erlaubten vielleicht überschritt,
so möge man dies ästhetisch tadeln. Wer möchte aber Je
mandem Vorwürfe machen, dass er im Eifer des Kampfes die
Regeln Übertritt, welche auf dem akademischen Fechtboden
ihre Berechtigung allenfalls haben?
Das Reich der Wirklichkeit, zu dem doch hoffentlich der
Kampf um die höchsten Güter des Geistes gehört, unterliegt
anderen Gesetzen, als das Reich des schönen Scheines. Allein
auch der ästhetische Tadel ist übel angebracht, da Voltaire, trotz
der Energie und Leidenschaftlichkeit seiner Empfindung, sich
fast immer innerhalb der Grenzen des Anmuthigen hält; er ist
der liebenswürdigste Spötter, den es je gegeben hat. Er hat die
künstlerische Transfiguration der Unflätherei und Zote zu Wege
gebracht. Es liegt etwas wie Bonhomie über einem grossen
1 Was es überhaupt mit dem Vorwurfe der Frivolität auf sich habe, ex-
ponirt, D. Fr. Stranss in seinem Voltaire. (G. W. XI, 152.)
84
Mayr.
Theil seiner Schriften; ein ,bon homme 1 ist er freilich nicht,
aber gut und gross ist der innerste Kern seines Wesens.
Böse und klein sehen wir ihn nur im Hader mit der bösen
und kleinen Welt, in der er so lange lebte. Als Greis hat er
dann für die Sünden des Jünglings und Mannes ausreichende
Genugthuung geleistet.
,Voyons-donc, si le judaisme est l’ouvrage de DieuJ
Die Ansprüche des Judenthums ruhten auf dem Glauben an
die Inspiration der biblischen Schriften, dem Glauben an die
Auserwählung vor allen Völkern der Erde, dem Glauben an
eine specielle, so zu sagen, ordentliche und ausserordentliche
Lenkung seiner Schicksale. Wir wissen aus dem vorangehen
den Abschnitte, wie sehr diese Auffassung den Vorstellungen
widerstrebte, die sich das Aufklärungszeitalter von der Gottheit
zu machen pflegte.
Der Inspirations- und Offenbarungsglaube, obwohl den
Juden nicht fremd, bekam doch erst in der christlichen Welt
seine dauernde Form. 1 Nachdem durch eine merkwürdige
Verkettung der Umstände das kleine, verachtete Judenvolk
auf die religiöse Umwälzung des orbis romanus Einfluss ge
nommen hatte, setzte sich der Glaube an die Inspiration des
Alten Testamentes durch den Geist Gottes auch bei den
Christen fest; der paulinische Gedanke einer religiösen Stufen
folge, einer Erziehung der Menschheit («xiSaywY'o; st; Xpiaröv;
Gal. III, 24) schlug Wurzel. Dieser Gedanke leistete auch
der Hermeneutik grosse Dienste, indem sie die Inconvenienzen
und Widersprüche, welche der fromme und unfromme Scharf-
sinn aufstöberte, mit der Wendung löste, Gott habe sich der
Capacität des jeweiligen Zöglings accommodiren wollen. Solche
abgenützte exegetische Kunstgriffe gaben Voltaire reichlichen
Stoff zum Spotte. Während er vorschützt, an der Göttlichkeit
der heiligen Schrift nicht zu zweifeln und den Auslegungen
1 Notre sainte Eglise qui a les Juifs en horreur, nous apprend que les livres
juifs ont etc dictes par le Dieu createur et pere de tous les liommes . .
II est vrai que notre faible entendement ne peut coneevoir dans Dieu
une autre sagesse, une autre justice, une autre bonte, que celle, dont
nous avons l’idee; mais eDfin il a fait ce qu’il a voulu; ce n’est pas ä
nous de le juger, je m’en tiens toujours au simple historique. (Phil, de
l’hist., 36.) — Pyrrhonisme de l’liistoire, c. 4.
Voltaire-Studien.
85
der Kirchenväter Folge zu leisten, bittet er um die Erlaubnis,
als Historiker, Philosoph und Mensch sein unmaassgebliches
Urtheil abgeben zu dürfen. 1 Gleich den Pentateuch kann er
nicht für das Werk Mosis halten; das Buch dürfte schwerlich
vor dem Zeitalter der babylonischen Gefangenschaft, genauer des
Esdras, niedergeschrieben worden sein. 2 Wenn man die Bibel
unbefangenen Sinnes lpse, so sei Moses ,ein blosser Zauberer
und Wunderthäter, ein unfähiger und grausamer Volksführer,
ein Fanatiker, dessen Gebahren der Idee einer göttlichen Sen
dung auf das äusserste widerspreche. In Wahrheit sei er das
Erzeugniss einer althebräischen Umbildung der über die halbe
Welt verbreiteten Bacchussage. Diese fabelhafte Persönlichkeit
sei mit dem Gesetzgeber confundirt worden, der die Juden auf
ihrer Wanderung von den Grenzen Aegyptens nach Palästina
geführt haben mag, ohne dass irgend ein glaubhaftes Detail
darüber bekannt wäre.' 3
Der Glaube an die Inspiration heiliger Bücher und an
eine besondere Offenbarung ist keine Eigentümlichkeit der
Juden; sie theilen denselben mit den meisten Völkern der
alten Welt. Aber wie können wir diesen Glauben mit ihnen
theilen? Soll Gott wirklich die handgreiflichsten Märchen für
geschichtliche Thatsachen ausgegeben haben? 4 Soll Gott die
1 Homelie sur l’interpretation de l’Ancien Testament (1765): Nous savons
que Dieu daigna se proportionner ;i leur inteüigence eneore grossiere . .
l’Esprit saint a voulu nous faire voir combien une fausse science est
dangereuse . . il faut soumettre sa raison orgueilleuse soit qu’on lise
eette histoire comme veridique, soit qu’on la regarde comme un em-
bleme . . Edifions-nous de ce qui fait le scandal des autres. Vgl. Art.
Figure; Embleme. — Phil, de l’hist., 47.
2 Art. Moi'se, S. III. — Genese. — Examen important de M. Bolingbroke
(1767), c. 4. — Phil, de l’hist., 40.
3 Ils prirent une partie de la fable de l’ancien Back ou Bacchus, dont ils
firent leur Moi'se. (Examen important de M. Bolingbroke, c. 5.) — Vossius
est, je pense, le premier qui ait etendu ce parallele. (Art. Bacchus.) —
Cf. Phil, de l’hist., c. 28 und 40. — Art. Moi'se. — Voltaire polemisirt
in der Phil, de l’hist. (c. 25 und 28) gegen Huet, der Moses mit Minos,
Osiris, Typhon, Zoroaster, Aesculap, Romulus, Adonis, Priapus u. s. f.
identificirte. Ueber einen Fabeldeuter ähnlichen Kalibers siehe Art. ex-
traits du journal de politique (1777), IV.
4 Notre Gulliver a de pareilles fahles, mais non de telles contradictions.
(Examen important de M. Bolingbroke, c. 8.) — Ces prodiges de Gar-
86
Mayr.
Aufbewahrung- dieser absurden, geschmacklosen, schmutzigen
Erzählungen angeordnet haben?' Soll Gott gesagt haben, dass
die Massenschlächter, Betrüger, Wollüstlinge der Bibel nach
seinem Herzen seien? 2 Sollen von Gott die Bitten um Ver
nichtung aller Völker und alleinige Erhebung des Judenvolkes
eingegeben sein? 3 Soll Gott die barbarischen Gesetze, die
bizarren Ceremonien, die abgeschmackten Vorstellungen dieser
Nation ersonnen haben? 4 Ist Gott für die evidenten Wider
sprüche, die chronologischen, geographischen, naturwissen
schaftlichen Schnitzer der Bibel verantwortlich zu machen? ' 1
Unermüdlich, wie den Inspirationsglauben, bekämpft Vol
taire auch den Auserwählungswahn der Juden. Sie selbst
halten sich für die Günstlinge Gottes, für den providentiellen
Mittelpunkt der Weltgeschichte. 3 Noch Bossuet, der letzte
Kirchenvater, hatte diese Prätension anerkannt. Freilich mit
der Menschwerdung Jesu ändert sich, nach christlicher Auf
fassung, das alte Verhältniss; die Christen halten sich für be-
gantua. (L’A, B, C; 17 me entretien.) — Art. Gargautua. — Relisez les
mille et une nuits et tont l’Exode. (Instruction ii Fr. Pedicoloso,
1768, XI.)
1 Ces livres saus raison et sans pudern-. (Examen important de M. Boling-
broke, c. 9.) Monuments de la folie la plus outree et de la plus infame
debauche. (Ibid.) Cette chetive nation serait digne de nos regards pour
avoir conserve quelques fahles ridicules et atroces, quelques contes ab
surdes infiuiment au-dessous des fables indiennes et persanes. (Dernieres
remarques sur Pascal, Nr. 114.) Von den Invectiven gegen die cano-
nischen Bücher nimmt er den Hiob aus, welcher arabischen Ursprungs
sei. (Art. lob — Arabes.)
2 David l’homme selon le coeur de Dieu . . II faut avouer que nos voleurs
de grand cliemin ont ete moins coupables aux yeux des hommes; mais
les voies du Dieu de Juifs ne sont pas les notres. (Examen important
de M. Bolingbroke, c. 8.). — Art. David. Ein Thema, das bereits Bayle
abgehandelt hat. — La Bible enfin expliquee. Rois II.
3 Phil, de l’hist., 44.
4 Si leur loi n’etait pas diviue, eile paraitrait une loi de sauvages. (Art.
Juifs, S. II.) — Cf. Art. Lois. (S. II.)
5 Vgl. vornehmlich : La Bible enfin expliquee par plusieurs aumoniers (1776).
6 L’orgueil de ehaque Juif est interesse k, croire que ce n’est point sa
detestable politiqne, son ignorance des arts, sa grossierete qui l’a perdu;
mais que c’est la colere de Dieu qui le-punit. (Remarques sur les pensees
de Pascal, c. 9, 1728.)
Voltaire-Studien.
87
rechtigt, die nachchristlichen Juden zu verachten, zu schmähen,
zu tödten. 1 Voltaire weiss recht wohl, dass die Juden mit
ihrem Auserwählungsglauben sich in zahlreicher Gesellschaft
befinden; nationaler Dünkel ist etwas, das er gelegentlich auch
an seinen lieben Franzosen missbilligt. 2 So weiss er ebenfalls
recht wohl, dass die Ceremonien, Lehren, Gesetze der Juden
nicht als exceptionelle Monstrositäten angesehen werden dürfen.
Es empört ihn nur, dass man die ungleich höher stehenden
Nationen und Religionen des Alterthums — die chinesische,
indische, persische, griechische, römische — gegen die jüdische
zurücksetzt. Die Ungerechtigkeit, die darin liegt, bildet das
Leitmotiv seiner ,Philosophie de l’histoireb Was ihn zu den
heftigsten Invectiven anstachelt ist die Zumuthung, welche
doch in keinem anderen Falle gestellt wird, die natürlichen
Lebensäusserungen eines kleinen Winkelvolkes auf den unter
sten Stufen seiner Entwicklung für providentiell und muster
gültig ansehen zu sollen. Gott, der Herr und Schöpfer der
Welten, der Unerfassliche, der gerechte Vergelter soll sich
darauf capricirt haben, eine winzige, unwissende, abscheuliche
Horde zu bevorzugen, und wir sollen dies glauben, weil es
die Juden sagen! Derselbe Gott soll der Lenker einer Ge
schichte sein, die von Gräueln und Schandthaten trieft, wie
keine andere, vorausgesetzt dass wir glauben, was die Juden
von sich selbst erzählen! Er soll die grossen, edlen, policirten
Nationen des Ostens und Westens nur zu dem einen Zwecke
in Contribution gesetzt haben, damit sie den jüdischen National
zwecken dienen! Er soll eine Geschichte inscenirt haben, die
nichts als ein beständiges Fiasco der ihm untergeschobenen
Absichten wäre! 3
1 Nous detestons le judai’sme, il n’y a pas quinze ans qu’on brülait encore
les juifs ... et nous nous assemblons tous les dimanches pour psal-
modier des cantiques juifs. (Art. Contradictions.) — Sermon du Rabbin
Akib, 1761.
2 Discours aux Welches (1764).
3 Pourquoi Dieu, qu’on ne peut sans blasph&me regarder comme injuste,
a-t-il pu abandonner la terre entiere pour la petite horde juive et en-
suite abandonner sa petite horde pour une autre? (Questions de Zapata,
2, 1767.) Grand Dieu! un reste d’Arabes voleurs, sanguinaires, super-
stitieux et usuriers serait le depositaire de tes secretsl (Dernieres remarques
88
Mayr.
Wie ist denn die angebliche Lieblingsnation, wie ihre
Religion, ihre Geschichte beschaffen? Voltaire’s höchst un
günstiges Urtheil über die Juden ist aufrichtig und ernstlich
gemeint, allerdings im Eifer der Polemik ins Carrikirte ge
zogen. Jedenfalls hat das Jahrhundert, dessen Principien ihnen
die Emancipation brachte, sie herzlich missachtet. Indess der
Judenhass jener Zeit brach sich an der zunehmenden Huma
nität; wilder, thatkräftiger Eruptionen war die Gesellschaft, in
der die neuen Ideen gepflegt wurden, nicht fähig. In der
kirchlich gesinnten Welt des Mittelalters, welche den Juden
einen hohen, wenngleich veralteten Vorzug ein räumte, waren
sie den rohesten Ausbrüchen der Volkswuth preisgegeben; in
der Welt der Aufklärung, die ihre Prätensionen unbedingt
missbilligte, haben sie Schutz und Gleichberechtigung erlangt. 1
sur Pascal, 115.) La suite de l’histoire juive n’est qu’un tissu de for-
faits consacres. (Examen important de M. Eolingbroke, c. 8.) Si malheu
reusement une seule des aventures de ce peuple etait vraie, toutes les
nations se seraient reunies pour rexterminer; si elles sont fausses, on ne
peut mentir plus sottement. (Ibid. 7.) II est fort difficile & gouverner
les hommes. Les Juifs eurent pour maitre Dieu meine; voyez ce qui leur
en est arrive: ils ont ete presque toujours battus et esclaves. (Art. Demo-
cratie.)
1 Je vous aime tant, que je voudrais que vous fussiez tous dans Hersha-
lai'm (Art. Juifs, 6™, e lettre). Voltaire gibt aucb gelegentlich seinen Ge
sinnungen den Ausdruck des Mitleids: ,Vous devez savoir que je n’ai jamais
ha'i votre nation . . Loin de vous ba'fr, je vous ai toujours plaint. (Art.
Juifs, S. IV.) — Je n’accumule pas toutes ces verites pour offenser la
nation juive, mais pour la plaindre. (Un Cliretien contre six Juifs, 1776, II.)
Dass übrigens Voltaire nicht bloss die alten Hebräer, sondern auch, wie
Villemain sich ausdrückt, ,par contrecoup leur descendants 1 — die mo
dernen Juden — treffen wollte, davon zeugen hunderte von Aeusserungen.
,Vous ne trouvez en eux qu’un peuple ignorant et barbare, qui joint
depuis longtemps la plus sordide avarice ä la plus detestable Super
stition et k la plus invincible liaine pour tous les peuples qui les tole-
rent et qui les enrichissent . . ,11 ne faut pourtant les brüler. 1 (Art.
Juifs, I.) — Dieses letztangeführte Wort möge uns erinnern, dass Voltaire
die Grundsätze der Toleranz auch über die Juden erstreckt wissen wollte.
Wie weit hierin die französische Aufklärung ging, darüber möge man
den Sermon du Rabbin Akib II (1761) vergleichen. Von einer juden
freundlichen Gesinnung des achtzehnten Jahrhunderts lässt sich jedoch
nur mit grosser Einschränkung sprechen, sowie auch die Freiheiten,
welche der bevormundende Despotismus den Juden einräumte, sehr knapp
Voltaire-Studien.
89
Voltaire schildert uns den jüdischen Charakter, wie er
uns in der drei Jahrtausende alten Geschichte des Volkes, in
dem Ideale seines Denkens und Wollens entgegentritt. Er
nennt die Juden fleischlich und wollüstig, blutdürstig und
grausam, 1 fanatisch und exclusiv. 2 Kraft ihres erstarrten Ge
setzes sind sie die Erzfeinde des Menschengeschlechtes. Kein
bemessen waren. Vollkommen falsch ist das Aphorisma Heine’s, der
Judenhass beginne erst mit der romantischen Schule. Die stärksten
Ausfälle derselben sind matt gegen den Ton, in dem die Matadoren der
Aufklärung das Judenthum zu behandeln pflegen. Von den englischen
Deisten ganz zu schweigen, so gehört unser Reimarus zu den inten
sivsten Judenfeinden der Zeit. ,Die besondere Abneigung gegen die
jüdische Nation theilt Reimarus so vollkommen mit ihnen (den Deisten),
dass man oft nicht weiss, sind ihm die neuen Hebräer um der alten
oder die alten um der neuen willen so zuwider. 1 (Fr. D. Strauss, G.
W. V, 259.) Kant wollte von Lessing’s Nathan nichts wissen, weil die
Juden darin zu gut wegkämen. (Jul. Schmidt, Geschichte des geistigen
Lebens in Deutschland von Leibniz bis Lessing, II. p. 736. Leipzig,
1864.) Ueber Kant’s Beurtheilung des Judenthums vgl. die ,Religion
innerhalb der Grenzen der blossen Vernunft. 1 (G. W. ed. Hartenstein,
VI, 224 ff.)
1 Si l’on peut conjecturer le caractere d’une nation par les prieres qu’elle
fait ä Dieu, on s’apercevra aisement que les Juifs etaient un peuple
charnel et sanguinaire (Phil, de l’hist., 44) — porc, animal moins impur
que cette nation meme. (Examen important de M. Bolingbroke, c. 8.)
2 Wenn auch die Juden aus Politik, Hochmuth und selbst Fanatismus
Ströme von Menschenblut vergossen haben, so sind sie doch nie so tief
gesunken, wie die Christen, Kriege rein um der Religion willen zu
führen. ,Les Hebreux, voisins des Egyptiens, . . imiterent leur intole-
rance, et la surpasserent; cependant il n’est point dit dans leurs histoires
que jamais le petit pays de Samarie ait fait la guerre au petit pays
de Jerusalem uniquement par principe de religion. 1 (De la paix
perpetuelle, c. 7, 1769.) — Art. Tolerance, S. II: Le peuple juif etait
un peuple bien barbare. 11 egorgeait saus pitie tous les habitants d’un
malheureux petit pays, sur Iequel il n’avait pas plus de droit qu’il n’en
a sur Paris et sur Londres . . Les Juifs adoraient leur Dieu; mais ils
n’etaient jamais etonnes que chaque peuple eilt le sien . . Voilä des
exemples de tolerance ehez le peuple le plus intolerant et le plus cruel
de toute l’antiquite: nous l’avons imite dans ses fureurs absurdes, et non
dans son indulgence 1 . Vgl. Traite sur la tolerance (1763), c. 12—13. —
A Dalembert, 13. Febr. 1764. — Ueber Menschenopfer bei den Israeliten
vgl. Art. Jephte I: Voilä donc les sacrifices de sang lmmain clairement
etablis; il n’y a aucun point d’histoire mieux constate; on ne peut juger
d’une nation que par ses archives, et par ce qu’elle rapporte d’elle-meme.
90
Mayr.
menschlicher, kein edler Zug erhellt ihre düstere Geschichte.
Sie kennen keine Gastlichkeit, Freigebigkeit und Milde. Sie
sind aller Cultur haar; Wissenschaft und Kunst sind ihnen
fremd. 1 Nur Selbst- und Gewinnsucht hat seit jeher ihr Herz
erfüllt. Wenn sie die Sieger sind, so kennen sie kein Er
barmen; unterliegen sie, so scheuen sie keine Erniedrigung.
,Toujours superstitieuse, toujours avide du bien d’autrui, tou-
jours barbare, rampante dans le malheur et insolente dans la
prosperite' nennt er die Nation. 2 Keine hat so viel Unglück
erlitten, keine so viel verdient. Die Völker aller Zeiten und
Zonen stimmen in dem Abscheu vor den Hebräern überein.
Ihr Gesetz schreibt ihnen die Absonderung und den Hass vor;
sie dürfen sich nicht wundern, wenn sie mit gleicher Münze
bezahlt werden. Aus fanatischem Abscheu und schnöder Geld
gier machen sie den Wucher zu ihrer heiligsten Mission. Un
ablässig flehen sie, dass Gott ihnen ihre Feinde, d. i. die
Welt, in die Hände gebe. 3 Das sind, das waren die Juden.
Und die gläubigen Christen sehen in ihnen ihre Vorläufer,
,les herauts de la Providence'l
Hat Gott diesen ,peuple chetif' wirklich vor allen anderen
Völkern auserkoren, so muss sich dies, sollte man glauben,
in seiner Geschichte zeigen. Allein die jüdische Geschichte
erweist sich als das Werk einer politisch und moralisch
gleich missbegabten Nation; sie ist so natürlich, wie nur irgend
1 Nulle politesse, nulle seienee, nul art perfectionne dans aucun temps
chez cette nation atroce. (Essai, 6.)
2 Phil, de l'liist., 42.
3 Essai, c. 103. — Remarques sur Pascal (1728), 31. — La lepre, ainsi
que le fanatisme et l’usure, avait ete le caractere distinctif des Juifs.
(Art. Lepre.) La lepre, qui appartenait de droit au peuple juif, peuple
le plus infecte en tout genre qui ait jamais ete sur notre malheureux
globe. (A Paulet, 22. April 1768.) — Cette nation est, k bien des egards,
la plus detestable qui ait jamais souille la terre. (Art. Tolerance, I.) —
Le pour et le contre (Poeme, 1722):
II est un peuple obseur, imb^eile, volage,
Amateur insensd des superstitions,
Vaincu par ses voisins, rampant dans l’esclavage,
Et l’eternel mepris des autres nations.
Voltaire-Studien.
91
eine. 1 Die Juden haben es nie zu einem achtbaren Staatswesen
gebracht, kaum zu einer rechtschaffenen Theokratie, geschweige
denn dass ihre Hohenpriester unter der verfassungsmässigen
Lenkung Jehovas gestanden wären. 2 ,0 mein Gott!' ruft er
aus, ,wenn Du in eigener Person auf die Erde herabstiegest
und mir beföhlest, an dieses Gewebe von Mordthaten, Räu
bereien, Meucheleien, Schändlichkeiten, begangen in Deinem
Namen und auf Deinen Befehl, zu glauben, ich würde sagen:
Nein, Du willst mich ohne Zweifel nur versuchen. Wie könnte
man auch an diese gräuliche Geschichte auf so elende Zeugnisse
hin glauben!' 3 Rein historisch betrachtet, ohne theologische
Voreingenommenheit und ohne Concession an den jüdischen
Hochmuth, 4 sind die Hebräer ein kleiner nomadischer Stamm,
welcher sich, nachdem er längere Zeit unter ägyptischem Cultur-
einflusse gestanden, eines syrischen Landstrichs von elender
Beschaffenheit bemächtigte, 5 dann nach wechselvollen Schick
salen unter selbstständigen Königen lebte ß und seinen phönici-
schen Nachbarn das wenige Gute, das ihre Einrichtungen
hatten, entlehnte. Kurz nach seiner höchsten Bliithe spaltete
sich das Reich und gerieth unter die Herrschaft der vorder
asiatischen Grossstaaten.
Seit dieser Zeit verwarfen sich die Hebräer auf das
Mäkler-, Wechsler- und Trödlergeschäft, namentlich in dem
1 Pourquoi ces Juifs furent-ils presque toujours dans l'esclavage? . . le
Dieu des armees dtait toujours k leur tete . . N’est-il pas clair, que si
les Juifs, qui esperaient la conquete du monde, ont ete presque toujours
asservis, oe fut leur faute. (Phil, de l’liist., 41.)
2 Art. Theocratie.
3 Sermon des Cinquaute (1752), 2 me point. — Dialogue du douteur et de
l’adorateur (1763): Je ne crois pas ces horreurs impertinentes . . Diese
Ansicht hängt damit zusammen, dass er den Geschichtsbüchern des Alten
Testaments (wie des Neuen Testaments) nur einen höchst geringen
Quellenwerth beimisst. Die Einzelheiten derselben würdigt er keines
Glaubens; wenn er sie kritisirt, so kritisirt er sie aus philosophischen
Gesichtspunkten, um auch ihren intellectuellen und moralischen Werth
herabzusetzen.
1 Nous examinons eette histoire comme nous ferions celle de Tite-Live
ou d’Herodote. (Dieu et les hommes, c. 14.) ■— Les livres juifs ne sont
point juges en leur propre cause. (Ibid.)
5 Ueber das ,gelobte Land 1 vgl. Art. Judee — Juifs (6 me lettre).
6 Voltaire nennt sie selten anders, als ,les roitelets juifs 1 .
92
Mayr.
neugegründeten Alexandria, wo auch die griechische Cultur
auf sie zu wirken begann. 1 Sobald das Volk nur einen Schatten
von Freiheit genoss, wüthete es gegen sein eigen Fleisch und
Blut. Die Zeiten seiner Sklaverei waren die Zeiten seines
Glückes. Sein meuterischer Geist beschwor endlich die Straf
gerichte der Römer herauf, die Jerusalem zerstörten; doch
war es bereits vor dieser Katastrophe über alle Welt ver
streut. 2 Die Juden haben sich bis auf die Gegenwart erhalten,
was nichts Besonderes ist, da es noch mehrere solcher ver
sprengter, heimatloser Stämme in der Welt gibt. 3 Durch ihren
Glauben, der sie in dem Wahne verhärtet, die übrige Welt
sei nur um ihretwillen vorhanden, sowie durch ihre Achtung
vor Geld und Kindersegen gedeihen sie fort und fort. ,Les
Juifs ont regarde comme leurs deux grands devoirs, des enfants
et de l’argent.‘ 4
Natürlich betrachtet, zeigt sich auch die jüdische Religions
geschichte in einem anderen Lichte, als sie gemeinhin dar
gestellt wird. Der Mosaismus ist weder göttlichen Ursprungs,
noch schlechthin originell; er ist einfach zusammengestohlen. 3
Was man aufgenommen, wurde dann dem Volksgeiste angepasst,
d. h. vergröbert und mit einer Masse theils abergläubischer,
theils fanatischer Bräuche versetzt. 3 Erst in der Zeit des
1 La Bible enfin expliquee, Machabees.
- Plaisante politique que celle d’un malheureux peuple qui fut sanguinaire
Sans etre guerrier, usurier Sans etre eommercjant, brigand sans pouvoir
conserver ses rapines, presque toujours esclave et presque toujours
revolte, vendu an marche par Titus et Adrien, comme on vend l’ani-
mal que ces Juifs appellent immonde et qui etait plus utile qu’eux.
(L’A, B, C; 6 me entretien.) — Phil, de l’hist., 38—50.
3 Guebern, Banianen, Zigeuner. (Art. Juifs.)
4 Ueber die Lage der Juden im Mittelalter vgl. Essai, 103.
5 Hamas confus et contradictoire des rites de leurs voisins. (Dieu et les
hommes, XVII.)
6 C’est la nation faible et grossiere qui se conforme grossierement aux
usages de la gründe nation . . Leurs rapsodies demontrent qu’ils ont
pilles toutes leurs idees chez les Pheniciens, les Chaldeens, les Egyptiens,
comme ils ont pille leurs biens quand ils ont pu. (Examen important de
M. Bolingbroke, c. 5—6.) — Histoire de l’etablissement du Christ., 5. —
Le misdrable peuple jnif prit toutes les superstitions de ses voisins, et,
dans l’exces de sa brutale ignorance, il y ajoute des superstitions nou-
Voltaire-Studien.
93
Esdras kam die Entwicklung zur Ruhe. Lange vor den Juden
gab es Monotheisten. 1 Zudem haben sie nie an der Existenz
und der Macht anderer Götter gezweifelt, denen sie, zum
Aerger der Jehovapriester, gelegentlich huldigten. Auf die
Entlehnung Jehovas deutet der blosse Name; auch die übrigen
Namen Gottes sind phönikisch. 2 Wie jederlei Philosophie ihrem
harten Sinne fern blieb, so hat auch die Unsterblichkeitslehre
erst spät, infolge des Contactes mit Persern und Griechen
bei einzelnen Secten Eingang gefunden. Das mosaische Gesetz
kennt nur die Aussicht auf Oel, Wein und Krätzen. 3 ,Kannte
Moses die Unsterblichkeitslehre nicht, so war er unwürdig
eine Nation zu leiten; kannte und verheimlichte er sie, so war
er dessen um so unwürdiger/ 4 Der Mangel einer edleren
veiles. Lorsque cette petite liorde fut esclave ä Babylone eile y apprit
Ie nom du diable . . (L’A, B, C; 3“° entretien.) — Y a-t-il un seul
evenement dans l’Ancien et le Nouveau Testament qui n’ait ete copie
des anciennes mythologies? • • Comparez et jugez. (Epütre aux Romains,
3, 1768.) — Ces malheureux Juifs sont si nouveaux, qu’ils n’avaient pas
meme en leur langue de nom pour signifier Dieu. Ils furent obliges
d’emprunter le nom d’Adona'i des Sidoniens, le nom de Jehova ou Jao
des Syriens. Leur opiniätrete, leurs superstitions, leur usure consacree
sont les seules choses qui leur appartiennent en propre. Et il y a toute
apparence que ces polissons, cliez qui les noms de geometrie et d’astro-
nomie furent toujours absolument inconnus, n’apprirent enfin ä lire et ä
ecrire que quand ils furent esclaves a Babylone. On a dejh prouve que
c’est lä qu’ils connurent les noms des anges, et meme le nom d’Israel,
comme ce transfuge juif Flavius Josephe l’avoue lui-meme. (L’A, B, C;
17 me entretien.) — Art. Juifs, 4 m0 et 5 me lettre. — Phil, de l’hist., 48—49.
1 Mon seul but est de faire voir que tous les grands peuples civilisds et
meme les petits out reconnu un Dieu supreme de temps immemorial.
(Dieu et les hommes, c. 10.)
2 Dieu et les hommes, c. 16. — Phil, de l’hist. 48—49. —■ Art. Jeova.
3 Histoire de l’etablissement du Christ., 22.
4 Phil, de l’hist., 25. — A d’Argence, 11. Oct. 1763. — Warburton hatte
in einem zweibändigen Werke bewiesen, dass die Juden nicht an die
Unsterblichkeit der Seele glaubten, daraus aber gefolgert, die jüdische
Religion müsse göttlichen Ursprungs sein, sonst hätte sie sich nicht
erhalten können. Der Deist Morgan folgerte natürlicli das Gegentheil.
(Lettre ä d’Argence, 1. Oct. 1759. — A Warburton, 1767. — Art. Ame;
Enfer. — Defense de mon oncle, 15 —17.) Vgl. über dieses Thema:
Lessing’s Erziehung des Mg., §§. 22-—26. — 4. Fragment des Wolfen-
bütteler Unbekannten. Neuestens: Spiess, Entwicklungsgeschichte der
Vorstellungen vom Zustande nach dem Tode, 16. Capitel. (Jena, 1877.)
94
Mayr.
Vorstellung von Lohn und Strafe hängt zusammen mit dem
Mangel besserer Moralbegriffe.
So steht denn, können wir schliessen, dieses auserwählte
Volk gegen alle Nationen der Erde zurück; es hat weder
Cultur, noch Geschichte, noch Freiheit, Macht, Religion, Philo
sophie oder Moral besessen, welche sich denen anderer Völker
an die Seite stellen Hessen. Trotzdem verdient es unsere Be
achtung, weil nämlich die jüdische Religion die Mutter des
Christenthums und des Islam geworden ist. 1
Das Samenkorn des Christenthums wuchs im Römerreiche
zum Baume heran, der die helleno-romanische Welt überschattete.
Es ist auffällig, wie selten Voltaire von den Griechen und
selbst den Römern spricht. Er macht ihnen seine schuldige
Reverenz; jedoch sein Herz schlägt nur für die moderne Welt.
Gerade in religiöser Beziehung hatten Hellas und Rom keine
Bedeutung. Griechenland, das Land der Fabeln, Orakel und
Tempel, bot nur vermöge seiner Mysterien und Philosophen,
für welche die Lossagung vom Pöbel wahn charakteristisch
erscheint, Interesse. 2 Die Fabeln Griechenlands haben jedoch
vor denen der übrigen Welt den Vorzug, schön und geistreich
zu sein; um ihretwillen schlug man sich auch nicht todt. 3
Weder den Amphiktyonenkrieg, noch die Hinrichtung des
Sokrates will Voltaire als Proben von Fanatismus gelten
lassen; es seien Parteistreitigkeiten gewesen. 1 Was die Römer
1 Tont superstitieux, . . tont malheureux qu’ils ont ete et qu’ils sont
encore, ils sont pourtant les peres des deux religions, qui partagent au-
jourd’hui le monde. (La Bible enfln expliquee, Machabees.)
2 Pliil. de l’hist., 24—37. — Depuis Orpliee et Homfere jusqn’ä Virgile il n’y
a pas un seul poete, un seul philosophe qui ait admis plusieurs dieux
supremes . . II faut convenir que les anciens avaient plus de veneration
pour leurs dieux secondaires que nous. (Canonisation de St-Cueufin.)
3 Histoire de l’etablissement du Christ., c. 26. — Eine Apologie gegen
jansenistische Eiferer: ,Beaueoup de fables sont plus philosophiques que
ces messieurs ne sont philosophes . . Les heiles fables ont encore ce
grand avantage sur l’histoire qu’elles presentent uue morale sensible . .
Pour qui ne regarde qu’aux evenements, l’histoire semble accuser la
Providence, et les belles fables morales la justifient. (Art. Fable.) —
Hiezu das Poeme: Apologie de la fable. — Siede de Louis XIV, Catal.
s. v. Gedoin.
4 Ueber Sokrates vgl. Art. Soerate — Art. Tolerance, I — Prix de la
jnstice, XI, 1777 — auch den Art. Amour socratique.
Voltaire-Studien.
95
betrifft, deren Riten und Satzungen aus Tuscien und Griechen
land stammten, so zeichneten sie sich durch ihre extreme
Toleranz 1 — sie hatten keine Dogmen, daher keine Religions
kriege, wohl aber Denkfreiheit — sowie durch die öffentliche
Anerkennung eines einigen höchsten Gottes, ,Deus optimus
maximus', aus. Freilich verbanden sie damit eine Masse aber
gläubiger Vorstellungen.' 2 ,Die Scipio, Paulus Aemilius, Cicero,
Cato, Cäsar hatten andere Dinge zu verrichten, als den Aber
glauben der Masse zu bekämpfen. Wenn sich ein alter Irr
thum festgesetzt hat, so bedient sich die Politik seiner als
eines Gebisses, das sich der Haufe selbst angelegt hat, bis
ein anderer Wahn den früheren verdrängt, in welchem Falle
die Politik aus dem neuen Irrthume Nutzen zieht, gleichwie
aus dem alten/ 3
Den Sturz der antiken Götter führte das Christenthum
herbei, zu dem wir nunmehr übergehen. Dass die Geschichte
Jesu von einer Kritik der neutestamentarischen Schriften ab
hängig sei, war ein von der Wissenschaft jener Zeit längst
angenommener Lehrsatz. 4 Voltaire schlug den Werth dieser
Quellen äusserst gering an. Wer und was Jesus gewesen,
meinte er, lasse sich kaum mehr erkennen. In den ersten
christlichen Gemeinden sei Evangelium auf Evangelium ent
standen; jede habe das ihrige gehabt, je nach Geschmack und
Bedürfniss; an Mirakeln und Abstrusitäten überbiete eines
das andere. Vor Irenäus finde sich kein Citat, das auf eines
der vier canonischen Evangelien hinweise. Wie so aber gerade
1 A Henault, 26. Febr. 1768.
2 Art. Augure, Atheisme I, Idole II, Oraeles II. — Qu’on me montre dans
toutes leurs (Romains et Grecs) liistoires un seul fait, et dans tous leurs
livres un seul mot, dont on puisse inferer qu’ils avaient plusieurs dieux
supremes. (Art. Polytlieisme.) — Ou devait distinguer les Metamorphoses
d'Ovide de la religion des anciens Romains. (Art. Atheisme.)
3 Phil, de l’hist., 50.
4 Seine Vorgänger zählt er auf: Dieu et les hommes, 23, 31. — Ueber
das Verliältniss Voltaire’s zu den ihm voranlaufenden bibelkritischen
Leistungen vgl. Strauss: Voltaire (G. W. XI, 176 ff.) und Reimarus (V,
255). Es berührt eigenthümlich, dass z. B. Hase in seiner Geschichte
Jesu, allwo die obscurste Emanation des namenlosesten Pastors gewissen
hafte Berücksichtigung gefunden hat, die Engländer und Franzosen des
siebenzehnten und achtzehnten Jahrhunderts mit keinem Worte erwähnt.
96
Mayr.
diese dazugekoinmcn wären, vor ihren Mitgenossen bevorzugt
zu werden, sei purer Zufall. 1
Jesum hält Voltaire für einen guten, wohlwollenden
Menschen aus dem Volke, wie Fox; an all dem, was ihm
später zugeschrieben worden, sei er vermuthlich unschuldig.
Der Christus des Glaubens sei, wie das Christenthum selbst,
das Werk Jahrhunderte langer Entwicklung; Christus habe
nicht an die Neugründung einer Religion gedacht. 2 Er blieb
1 Chacun de ces petits troupeaux voulait faire son Evangile . . tous se
eontredisent . . tous lui (Jesus-Christ) attribuent autant de prodiges
qu’il y en a dans les Metamorphoses d’Ovide. Presque tous ces Evan-
giles ont ete visiblement forges apres la prise de Jerusalem . . Un
faussaire se decouvre toujours par quelque endroit . . ces fadaises et les
Evangiles leur (Grecs et ltomains) etaient entierement inconnus; on pou-
vait mentir impunement . . l’Evangile attribue ä Matthieu n’a ete ecrit
que tres-longtemps apres lui par quelque malheureux demi-juif demi-
chretien lielleniste . . Enfin on ehoisit quatre Evangiles: et la grande
raison, au rapport de saint Irunee, c’est qu’il n’y a que quatre vents e.ardi-
nanx . . Mais avant qu’on eilt donne quelque preference ;i ces quatre
Evangiles, les peres des deux premiers siecles ne citaient presque jamais
que les Evangiles nommes aujourd’hui apocryphes . . Mais qui a fabri-
que ces quatre Evangiles? n’est-il pas tres - probable que ce sont des
chretiens hellenistes? . . Quelle foule des contrarietes et d’impostures
est restee dans ces quatre Evangiles! N’y en eüt-il qu’une seule, eile
suffirait pour demontrer que c’est un ouvrage des tenebres . . Au
tant des mots autant d’erreurs dans les Evangiles. Et c’est ainsi qu’on
reussit avec le peuple. (Examen important de M. Bolingbroke, c. 13.) —
Avouons-le hardiment, nous qui ne sommes point pretres et qui ne les
craignons pas, le berceau de l’Eglise naissante n’est entoure que
d’impostures. C’est une suecession non interrompue de livres absurdes
sous des noms supposes . . C’est un tis,su de miracles extravagants . .
Tous ces contes furent ecrits dans des galetas et entierement ignores de
l’empire romain. (Histoire de l’etablissement du Christ., c. 12.) —
Art. Apocryphes; Christianisme, S. II; Evangile. — Sermon des Cinquante,
3mc point, 1752. —• Homelie (1765), 4. — Collection d’anciens Evangiles
(1769). — La Bilde enfin expliquee. (Sommaire liistorique des quatre Evau-
giles.) 1776.
2 Die Ursache, warum das Leben Jesu bei Voltaire so wenig Raum ein
nimmt und sich auf so wenige, oft wiederholte Punkte beschränkt, liegt
wohl darin, dass er den Evangelien einen ungleich geringeren Quellen
werth beimisst, als irgend ein maassgebender Kritiker des neunzehnten
Jahrhunderts; ferner darin, dass er die Lücken des historischen Wissens
nicht mit allerlei Speculationen iiberspinnt, wie dies wohl üblich ist,
weil er das Seelenleben Jesu und des Volkes, dem er angehört, nicht
Voltaire-Studien.
97
ein Jude, und auch die Urchristen bildeten eine blosse jüdische
Secte, wie die Essener, Therapeuten u. s. f. In allen Haupt
orten entstanden wieder besondere Spielarten. Insbesondere
erzeugte sich in Alexandria unter Einwirkung des Platonismus
die Logoslehre. Wie andere Secten, lebte auch die christliche,
so lange sie schwach, unbekannt und auf Duldung angewiesen
war, friedsam nach aussen und innen. 1 Doch manifestirte sich
schon in Paulus der Geist des Fanatismus. ,Sein Charakter
war leidenschaftlich, hochfahrend, fanatisch und gx-ausam. Er
übertrug die Heftigkeit seines Wesens auf die neue Secte, in
welche er eintrat/ Voltaire wird nicht fertig, ihn anzuklagen. 2
Dass Petrus nie in Rom gewesen, ex'klärt er für eine aus
gemachte Thatsache; 3 die Martyrien der älteren Zeit hält er
für baare Erfindungen: denn nur der Duldsamkeit des Römer
reiches verdanke das Christenthum sein Dasein. 4 ,Als die
ersten Galiläer sich unter die griechische und römische Volks
hoch anschlägt. Die Hauptstellen über Jesus Christus finden sich: Ser
mon des Cinquante, 3 me point (1762) — Traite sur la tolerance, c. 14
(1763) —• Catechisme de l’honnete homme (1763) — Dialogue du dou-
teur et de l’adorateur (1763) — Questions sur les miracles, vorzüglich
1.—3. Brief (1765) — Examen important de M. Bolingbroke, c. 10—11
(1767) — Homelie sur l’interpretation du Nouveau Testament (1767) —
Diner du Comte de Boulainvilliers, 2 m0 entretien (1767) — Conseils rai-
sonnables k M. Bugier (1768) — Profession de foi des theistes (de la
doctrine), 1768 — De la paix perpetuelle (1769), c. 15—18 — Dieu et
les hommes (1769) — La Bible enfin expliquee (Sommaire historique des
quatre Evangiles), 1776 — Histoire de l’etablissement du Christ. (1777),
c. 6—7 — Art. Christianisme; Divinite de Jesus; Genealogie; Messie
(vgl. k Dalembert, 12. Oct. 1764; k Damilaville, Nr. 4232 der Edition
Hachette; k Henault, 20. Oct. 1764); Art. Religion; Tolerance, S. III.
1 Art. Eglise; Esseniens. — II est reconnu par les fanatiques, meme les
plus entetes, que les premiers chretiens employerent les fraudes les plus
honteuses pour soutenir leur secte naissante. Tout le monde avoue qu’ils
forgerent de fausses predictions, de fausses histoires, de faux miracles.
(Dialogue du douteur et de l’adorateur, 1763.) — Sermon des Cinquante,
3 me point.
2 Histoire de l’etablissement du Christ., c. 8. — Examen important de
M. Bolingbroke, c. 12. — Art. Apötres; Paul. — Epitre aux Romains
(1768). •— Dialogue du douteur et de l’adorateur (1763).
3 Essai, 6. — Examen important de M. Bolingbroke, c. 20. — Art.
Voyage de saint Pierre. — Pierre.
4 Traite sur la tolerance (1763), c. 9. — Phil, de l’hist., 50.
Sitzungsber. d. pliil.-hist. CI. XCV. Bd. I. Hft.
7
98
Mayr.
menge mischten, fanden sie letztere mit allen erdenklichen
abgeschmackten Ueberlieferungen inficirt . . Die Obrigkeiten,
die besseren Bürger hielten sich von diesen Ausschreitungen
ferne, die Masse aber nährte sich davon: ,et c’etait la Canaille
juive qui parlait a la Canaille pai'enneJ 1 Stets behandelt
♦ Voltaire die ersten Christen en Canaille; wenn irgendwo, so
zeigt sich hier seine Differenz von der protestantischen An
schauung. Als Ursachen des allmäligen Wachsthums und end
lichen Erfolges der christlichen Secte gibt er folgende 2 an:
Die Sectenführer schmeichelten ihrer Horde mit der Idee der
natürlichen Freiheit, die gerade auf den Pöbel eine berückende
Kraft ausübt; es bildete sich ein Staat im Staate, eine Rotte
von Rebellen, so dass es kein Wunder ist, wenn das Gemein
wesen dagegen Maassregeln ergriff. Ferner waren die Christen,
ursprünglich ein Häuflein Juden unter Juden, dem Wucher-
gewerb.e ergeben, wodurch sie zu Geld und Macht gelangten;
Constantin Chlorus z. B. kaixx durch ihre Vorschüsse auf den
Thron. Die Christen genossen dabei einer nahezu ununter
brochenen Religionsfi’eiheit, was sich erst ändei’te, als sie
anfingen, staatsgefährlich zu werden und gegen die heid
nische Religion aggressiv vorzugehen. 3 Einer der stärksten
Gründe des Fortschrittes lag in der Ausbildung eines umfassen
den Systemes von Dogmen; die alten Religionen hatten nichts
dem Aehnliches. Aus platonischer Metaphysik und christlichen
Mysterien 4 entstand eine Lehre, welche alle erdenklichen Fragen
über Gegenwart, Vei’gangenheit und Zukunft beantwortete.
Jedoch blieben die Christen nicht bei dem einmal Errun
genen stehen, sondern die Geister wurden in steter Erregung
1 Examen important de M. Bolingbroke, c. 12. — tlne Canaille abjecte
s’adressait k une popnlace non moins meprisable (c. 14) — la Canaille
etant d’une necessite absolue pour etablir toute nouvelle secte. (Histoire
de l’etablissement du Christ., c. 10.) — Dernieres paroles d’Epictete
(1763), wo er die Entstehung des Christenthums mit den Augen eines
gebildeten zeitgenössischen Griechen ansieht.
2 Histoire de l’etablissement du Christ., c. 13. — Epitre aux Romains
(1768), 7.
3 De la paix perpetuelle (1769), c. 9—14. — Art. Diocletien, Art. Martyrs.
4 On voit que la philosophie de Platon fit le Christianisme. (Histoire de
l’etablissement du Christ., c. 9.) — De la paix perpetuelle, 17 (1769).
Voltaire-Studien.
99
erhalten. 1 Zu den Lockmitteln des Christenthnms zählt Voltaire
auch die Abschaffung der unappetitlichen Schlachtopfer und die
Einführung humanerer Ceremonien. ,Les Chretiens, dans leur
premier institut, faisaient ensemble un bon souper a portes
fermees. Ensuite ils changerent ce souper en un dejeüner,
oü il n’y avait que du pain et du vin/ 2
Auf solche Weise gelangte das Christenthum zur Herr
schaft im Römerreiche. Kaiser Constantin, welcher die Wen
dung der Dinge besiegelte, wird von Voltaire kaum besser
behandelt, als St. Paul. 3 Dagegen gesellt er sich zu den
Apologeten des Kaisers Julian. 4 Sobald das Christenthum
befestigt war, nahm es eine, nach seiner Ueberzeugung, für
das Wohl der Menschen verderbliche Entwicklung. Zunächst
untergrub es den Bestand des Reiches. ,Le christianisme
ouvrait le ciel, mais il perdait 1’empireJ 5 Die alte Religion,
unter deren Banner die Römer von Triumph zu Triumph
geschritten waren, wurde ausgerottet. Der Sectengeist decimirte
die Christenheit selbst.
Während die Barbaren an den Grundvesten des Reiches
rüttelten, versammelten die Kaiser Concilien und verliehen
den lächerlichsten Streitigkeiten das Gewicht ihrer Autorität. 6
In dieser Zeit befestigte der Fanatismus seine Herrschaft;
die Aera der Glaubensverfolgung um des Glaubens willen
brach an. Die neuen, unerhörten Gräuel des Fanatismus und
das Mitleid mit der davon betroffenen Blenschheit bilden die
Beweggründe des Hasses, den Voltaire gegen das Christen-
1 Ce qui contribua le plus & l’accroissement de la religion nouvelle, ce
fut l’idee qui se repandit alors que le temps de la fin du monde appro-
cliait. (Ibid. 10.) — Art. Fin du monde.
2 Histoire de l’etablissement du Christ., c. 13. Art. Autels; Baiser. f
3 Essai, 10—11. — Histoire de l’etablissement du Christ., c. 16—22. —
Art Constantin; Vision de Constantin. — Fragments sur l’histoire gene
rale (1773), VII.
4 Art. Apostat; Julien. — Discours de l’empereur Julien (1769). Portrait
und Supplement rühren von Voltaire her; die Uebersetzung des Urtextes
hat d’Argence geliefert.
5 Essai, 11.
6 Art. Anthropomorphites; Antitrinitaires; Arianisme; Conciles; Heresie;
Initiation; Originel; Trinite; Zele.
100
M a y r.
thum hegt. 1 Wenn er die übrigen Volksreligionen mehr aus
Gründen der Vernunft, des beleidigten bon sens missbilligt, so
verabscheut er das Christenthum insbesondere, weil es die In
toleranz zum Systeme und den Aberglauben zu einer Staat wie
Gesellschaft dominirenden Macht erhoben habe. Das Christen
thum habe den altjüdischen Fanatismus noch weit überboten.
Demgemäss sei die Geschichte des Mittelalters und der Neuzeit,
bis auf den Beginn des Aufklärungsalters, ja im abgeschwächten
Maasse bis heute, nur ein ungeheueres Register der Plagen,
welche Aberglaube und Verfolgungssucht über die Welt ge
bracht haben. In erster Linie komme die historische Ausbildung
der Hierarchie in Betracht. Die rein geschichtliche Betrachtung
der geschichtlich gewordenen Dinge ist der Triumph des
Aufklärungszeitalters über die vorangehenden Perioden des
Dogmatismus. Der schon im Zeitalter der Renaissance wieder
1 Pourquoi le monstre de l’intolerantisme habita-t-il dans la fange des ca-
vernes habitees par les premiers chretiens? Pourquoi, de ces cloaques, oü
il se nourrissait, passa-t-il dans les ecoles d’Alexandrie, oü ces demi-chre-
tiens demi-juifs enseignerent? pourquoi s’etablit-il bientot dans les chaires
dpiscopales et siega-t-il enfin sur le tröne ü cöte des rois? . . Avant
que ce monstre naquit, jamais il n’y avait eu de guerres religieuses
sur la terre; jamais aucune quereile sur le culte. (De la paix per-
petuelle [1769], 5.) — L’esprit de contention, d’irresolution, de divi-
sion, de quereile avait preside au berceau de l’Eglise. (Ibid. 19.) — Il
est evident, que la religion chretienne est un filet dans lequel les fri-
pons ont enveloppe les sots pendant plus de dix-sept siecles, et un
poignard dont les fanatiques' ont egorge leurs freres pendant plus de
quatorze. (Ibid. 31.) — La notre (sc. religion) est Sans contredit la plus
ridicule, la plus absurde et la plus sanguinaire, qui ait jamais infeete le
monde. (A Frederic II, 5. Jänner 1767.) — Traite sur la tolerance
(1763), 14. — Prix de la justice (1777), 8. — Cette religion chretienne, qui
a ete la source de tant de divisions, de guerres civiles et de crimes, qui
a fait couler tant de sang et qui est partagee en tant de sectes ennemies
' dans les coins de la terre oü eile regne. (Sermon des Cinquante, 3 mc point.)
— Dans tous les temps on se bat, s’egorge, on s’assassine. A chaque
dispute, les rois, les princes sont massacres. Tel est le fruit de l’arbre
de la croix, de la potenee qu’on a divinisee. (Ibid.) — Plus ma vieil-
lesse et la faiblesse de mon temperament m’approehent du terme, plus
j’ai cru de mon devoir de savoir si tant de gens celebres, depuis Jeröme
et Augustin jusqn’ä Pascal, ne pourraient avoir quelque raison. J’ai vu
clairement qu’ils n’en avaient aucune et qu’ils n’etaient que des advo-
cats subtils et vähements de la plus mauvaise de toutes les causes. (A M.
Du Deftand, März 1765.)
Voltaire-Studien.
101
erwachte historische Sinn, der während des Kampfes der Con-
fessionen zurückgedrängt worden war, gewann einen neuen
Impuls, indem kein Gebiet des Daseins ihm ferner verschlossen
blieb. Im Sinne des herrschenden Empirismus, von metaphy
sischen Voreingenommenheiten und wirren Geschichtsdoctrinen
unbeirrt, zeigte Voltaire Alles in seinem natürlichen Werden,
Wachsen, Vergehen und ermuthigte den Geist des Fortschrittes,
den auch die fatalistische und quietistische Reaction nicht
wieder aus der Welt zu schaffen vermochte. Ideal in seiner
Gesinnung, massig in seinen Erwartungen, nüchtern in seinen
Erkenntnissen, wies er den Geist der abgelaufenen Jahrhunderte
von sich; deren Denken, Wollen, Handeln erschien ihm als
ein Fremdes und Verwerfliches; weit davon entfernt, sie auch
nur als Uebergangsstufen in relativem Sinne gelten zu lassen,
verfiel er in den Fehler, das Mittelalter an sich zu beurtheilen,
wie dessen in die moderne Welt hereinragenden Ueberreste,
und zugleich die Widerstandskraft der letzteren zu unter
schätzen. Aber auch die bessere Einsicht in die Gewalt der
historischen Realität hätte ihn nie von der inneren Verpflichtung
absolviren können, das Richtigere und Bessere, wenigstens
nach seiner Einsicht Bessere, zu verfechten, vor dem Wahne,
der Verblendung und dem bösen Willen zu schützen.
Wie erwähnt, das wichtigste Moment der Geschichte des
Christenthums war nach Voltaire die Entstehung der Hierarchie.
Aus dem Wesen und der Geschichte der Hierarchie folgte
ihr Kampf mit der Staatsgewalt. 1 Auf dem Gipfel seiner
Macht nahm dann das Sacerdotium sogar den Kampf mit der
concurrirenden Weltreligion, dem Muhamedanismus, auf seine
Schultern.
Es sei hier gestattet, Voltaire’s Ansicht des Islam ein
zuschalten. 2 Der Islam entspringt, im Unterschiede vom
Christenthume, nahezu vollendet dem Haupte seines Stifters.
1 Ueber die Beziehungen zwischen Kirche und Staat, vgl. den nächst-
folgenden politischen Abschnitt.
2 Essai, 6—7. — Art. Alcoran; Arot et Marot; Mahometans. — Lettre
civile (1760). — Man vgl. die Tragödie Mahomet (Goethe’s Bearbeitung
im 35. Bande der Cotta’schen Ausgabe). — Remarques de l’Essai, 1763,
IX—X. — A Frederic, Dec. 1740.
102
M a y r.
Vor Allem gibt es keinen alten Gesetzgeber oder Eroberer,
dessen Geschichte uns zuverlässiger bekannt wäre, als die
Mahomets. Der Koran enthält dessen authentische Lehre; er
ist kein Machwerk späterer Zeiten. Mahomet ist das Modell,
nach welchem sich Voltaire alle Religionsstifter, mehr oder
minder, gebildet denkt, 1 so dass es einmal möglich ist, den Ur
sprung einer Religion im Detail zu erfassen. Mahomets Vor
gang hatte etwas Absichtliches, Ueberlegtes. Nach langem
Studium des Charakters seiner Mitbürger, reif an Jahren,
proclamirte er sich selbst als Propheten Gottes, als Wieder
hersteller der von Juden und Christen entstellten Lehre
Abrahams. Er war nicht unwissend und besass poetische
Anlagen. Von seinen Ideen lebhaft ergriffen, versank er wohl
selbst in Träumereien und endigte mit Selbstbetrug, ja dem
Betrüge Anderer. Dass er verfolgt wurde, war ihm von Nutzen;
einmal siegreich, verbreitete er, ein Unicum unter den Religions
stiftern, seine Lehre mit dem Schwert in der Hand. 2 Jedoch
unterschied sich die ungleich edlere Nation der Araber von
den einst ebenfalls erobernden Juden durch das Vermögen,
ihre Eroberungen zu behaupten und zu assimiliren. 3 Ueber-
redung und Belehrung vollendeten das Werk der kriegerischen
Unterjochung. Leicht fand der Koran Eingang, da er, ausser
dem Prophetenthume Mohamets, keine neue Lehre enthielt. 4
Späterhin war dem Islam nichts so heilsam, als die Vereinigung
von staatlicher und geistlicher Macht in den Händen der ersten
Chalifen. 5 Natürlich verdammt Voltaire die Absurditäten des
1 ,Mais detournons les yeux | de cet impur amas d’imposteurs odieux 1
sagt Voltaire im Poeme sur la loi naturelle I, und nimmt in der An
merkung blos Confutse aus. — ,11s etaient tout au plus de tres-prudents
menteurs 1 , sagt er von den Religionsstiftern im Gegensätze zu den Philo
sophen. (Art. Philosophe, I.)
2 Mahomet, imposteur, brigand, mais le seul des legislateurs religieux qui
ait eu du courage et qui ait fonde un grand empire. (Art. Contradictions.)
3 Pourquoi Mahomet et ses successeurs, qui commencerent leurs eonquetes
precisement commo les Juifs, firent-ils de si grandes choses, et les Juifs
de si petites? (Essai, 6.)
4 Art. Alcoran.
5 L’opinion et la guerre firent la grandeur des califes; l’opinion et l’ha-
bilite firent la grandeur des papes. (Remarques, c. X, 1763.)
Voltaire-Studien.
103
Korans und die furchtbaren Mittel seiner Verbreitung, wogegen
er ihn wider die unberechtigten Angriffe christlicher Eiferer
in Schutz nimmt. 1 Im Allgemeinen rechnet er auch den Islam,
wie den Judaismus und das Christenthum, zu den Calamitäten
der Menschheit. 2
Ohne uns in die Einzelheiten seiner Darstellung der
Religions- und Kirchengeschichte des Mittelalters einzulassen,
wollen wir nur auf den Refrain lauschen, in welchen er jedes
Capitel derselben ausklingen lässt. An der unsäglichen Barbarei,
Unwissenheit, Verwilderung dieser Jahrhunderte ist vor Allem
die Religion schuld. Sie hat die Menschen nicht besser ge
macht, sondern ihren Leidenschaften noch den Fanatismus,
den Glaubenshass, die Verfolgungswuth hinzugefügt. Träger
dieses Geistes sind die Priester, welche sich auf die thierischen,
fanatisirten Massen stützen und auch deren Führer mit sich
ziehen. Sie ersinnen neue Geissein (Mönchswesen, Inquisition)
für die ohnehin schon hinlänglich geplagte Menschheit, erregen
Kampf und Krieg, ja sie wagen sich an die nothwendig exi-
stirende Staatsgewalt. Solchermaassen basirt das Mittelalter
auf einem Gemisch von Unwissenheit, Betrug, Frechheit, Selbst
sucht der Herrscher, Dummheit und Schwäche der Beherrschten.
Jeder Lichtblitz erstickt in der allgemeinen Finsterniss; nicht
einmal eine ordentliche Häresie kann um sich greifen. 3
1 Les moyens sont affreux; c’est la fourberie et le meurtre . . (Alcoran.)
2 Der Islam hat wohl mit dem Schwerte bekehrt; aber je ne connais pas
une seule guerre civile entre les Turcs pour la religion 4 . (Homelie sur
la Superstition, 1767.) — Essai, 7.
3 C’est ainsi que vous verrez dans ce vaste tableau des demences hu-
maines, les sentiments des theologiens, les superstitions des peuples, le
fanatisme, varies sans cesse, mais toujours constants plonger la terre
dans rabrutissement et la calamite . . . (Essai, 62.) C’est de ce fanatisme
que sortirent les croisades, qui depeuplerent l’Europe pour aller im-
moler en Syrie des Arabes et des Turcs h Jesus-Christ. (Profession de
foi des theistes, c. 4.) — Les Chretiens n’ont cesse de s’egorger en
Afrique et en Asie que quand les musulmans, leurs vainqueurs, les ont
desarmes et ont arrete leurs fureurs. Mais ä, Constantinople et dans le
reste des Etats chretiens, l’ancienne rage prit de nouvelles forces. (De la
paix perpetuelle, 24.)
Les papes ont voulu abrutir l’esprit des hommes. (Art. Lois, S. 3.)
Rome donnait toujours le mouvement ä toutes les affaires de l’Europe.
104
Mayr.
Wenn Voltaire das Mittelalter aus diesen und ähnlichen
Gründen verurtheilte, wie verhielt er sich dann zur Reformation?
In keiner Hinsicht tritt der Gegensatz zwischen dem abgelaufenen
Jahrhundert und dem Durchschnittsbewusstsein des laufenden
schroffer hervor, als bezüglich des Urtheils über die Reformation.
Eine Verurtheilung der Reformation wird heute wohl nur mehr
von der streng katholischen Welt erwartet. Alles, was nur im
Entferntesten mit freisinnigeren Richtungen zusammenhängt, er
geht sich in Hymnen auf die Kirchenverbesserung. Und doch
sind es dieselben Principien der Aufklärung, denen zufolge
Voltaire über das Mittelalter und die Reformation den Stab
bricht. Seine Beurtheilung ist im höchsten Grade der Auf
merksamkeit werth.
Für Voltaire schiebt sich zwischen Mittelalter und Re
formation das denkwürdige Vorspiel der Aufklärung: die
Renaissance, das Zeitalter Leo X. 1 Den Lobrednern der Re
formation würde er heute antworten: Was wollt ihr mit euerer
Reformation, welche im Wesentlichen dieselben Lehren ver
kündete, auf dieselben Bücher schwor, wie die römische Kirche,
höchstens dass sie an die Stelle schon vorhandener Absurdi-
(Essai, c. 49.) — C’est pendant ces siecles d’ignorance, de Superstition,
de fraude et de barbarie, que l’Eglise, qui savait lire et ecrire, dicta des
lois k toute l’Europe, qui ne savait que boire, combattre et se confesser
ä des moines. (Prix de justice, VIII, 1777.) — L’empire et le sacerdoce
avaient desole l’Italie, l’Allemagne et presque tous les autres Etats.
(Essai, 127.) — Leur grande politique consistait ä exciter des guerres
civiles. (Ibid. 52.)
Ce fut saint Basile qui le premier imagina ces voeux, ce serment
de l’esclavage. II introduit un nouveau fleau sur la terre et il tourna en
poison ce qui avait ete invente comme remede. (Art. Esseniens.) —
Essai, c. 139. — Remarques de l’Essai (1763), XI. — L’inquisition est
comme on sait une invention admirable et tout k fait chretienne pour
rendre le pape et les moines plus puissants et pour rendre un royaume
hypocrite (Art. Inquisition). ■— L’inquisition, ce nouveau fleau, inconnu
auparavant chez toutes les religions du monde . . C’est donc ainsi que
l’inquisition commen^a en Europe: eile ne meritait pas un autre ber-
ceau. Vous sentez assez que c’est le dernier degre d’une barbarie brutale
et absurde de maintenir, par des delateurs et des bourreaux, la religion
d’un Dieu que des bourreaux firent perir. (Essai, 62.)
1 Essai, 121. — Siede de Louis XIV. Introduction.
Voltaire-Studien.
105
täten andere neue setzte? 1 Was soll uns der starrsinnige
Luther, der fanatische Calvin zu einer Zeit, die freieren An
schauungen und leichteren Lebensformen zustrebte? 2 Seht ihr
nicht, wie hinter dem Vorwände der Religion sich egoistische,
ehrgeizige, habgierige Tendenzen verbargen ? 3 Haben denn
Vernunft, Aufklärung, Fortschritt in dem Protestantismus ihre
Wurzeln, oder mussten sie nicht erst, nachdem die Welt des
Haders und Blutvergiessens müde geworden war, im Gegen
sätze zu Katholicismus und Protestantismus durchdringen ? 1
Hat nicht die Reformation die Geister, welche schon auf die
Stimme der Philosophie zu horchen begannen, auf das Feld
der religiösen Querellen abgeleitet und den Fanatismus, die
Glaubenswuth von neuem entzündet? 5 Beiläufig dies würde
1 Souvenez vous des temps de ces energumenes, nommcs papistes et eal-
vinistes, qui prechaient le fond des meines dogmes et qui se poursuivi-
rent . . pour quelques mots differemment interpretes. (Derni&res remarques
sur les pensees de Pascal, Nr. 123.) — Art. Eucharistie. — Vos refor-
mateurs n’ont renverse l’autorite du pape que pour se mettre sur son
tröne. Aux decisions des conciles vous avez fierement substitue celles
de vos synodes, et Barneweldt a peri comme J. Hus. (A Bertram,
26. Dec., 1763.) — Homelie sur la communion (1769).
2 ,La religion n’avait rien d’austere 1 , sagt er von der Zeit Leo X., ,elle
s’attirait le respect par des cer^monies pompeuses . . ce qui pouvait
offenser la religion n’etait pas aper^u dans une cour occupee d’intrigues
et de plaisirs. 1 (Essai, c. 127.) — Luther und Calvin öffneten die Klöster
,pour changer en couvents la societe humaine 1 . (Essai, c. 133.)
3 Essai, c. 118 und 138.
4 Les disputes de religion retarderent les progres de la raison au
lieu de les häter . . ces querelies ne furent qu’une maladie de plus
dans l’esprit humain. (Essai, c. 121.) — Depuis Charles V jusqu’i la
paix de Westphalie les querelies theologiques ont fait couler le sang . .
La seule arme contre ce monstre est la raison. (Remarques de l’Essai,
1763, c. XV.)
5 Le faste de la cour voluptueuse de Leon X pouvait blesser les yeux;
mais aussi on devait voir que cette cour meme polissait l’Europe . . La
religion, depuis la persecution contre les hussites, ne causait plus aucnn
trouble dans le monde. (Essai, 127.) — Eloge historique de la raison
(1775). — La fureur dogmatique a bouleverse plus d’un Etat, depuis les
massacres des Aibigeois jusqu’5, la petite guerre des Cevennes au com-
mencement du dix-huitieme siecle. Le sang a coule dans les campagnes et
sur les echafauds, pour des arguments de theologie, tantöt dans un pays,
106
Mayr.
Voltaire den modernen Apologeten erwidern, vorausgesetzt,
dass er sicli bei ihren Phrasen auch immer etwas denken
könnte.
Dass die Kirche einer Verbesserung' bedürftig war, gibt
Voltaire natürlich zu. Ein System, welches den Kampf zwischen
Staat und Kirche perpetuirte, die Gemüther ihrem Vaterlande
entfremdete, in jedem Staate ein stehendes Heer unterhielt
und aller Welt Geldbeutel in Anspruch nahm, schien auch ihm
der Erhaltung nicht werth. ') Allein bei der Abstellung dieser
Missbrauche blieb die Reformation nicht stehen.
Zu Anfang des fünfzehnten Jahrhunderts hoffte man von
der Beilegung des Schismas eine für das ganze kirchliche
System wohlthätige Wirkung; dann setzte man seine Hoffnungen
auf die Concilien: indess Concilien vergehen, während die
Päpste bestehen. 2 ) Es kamen Wiel eff, Huss, Savonarola, drei
erpichte Dogmatiker, letzterer ein herrschsüchtiger Rede
künstler, welcher für die Empörung, die er predigte, mit Fug
und Recht bestraft wurde. 3 ) Nach ihnen trat Luther auf, ein
kühner, eigensinniger Mann. Weil die Augustiner den Domini
kanern die Ablasssporteln missgönnten, so Messen sie ihn gegen
den Ablass predigen. 4 ) Die Nation folgte dem Anstosse —
aus Armuth. ,On vendait trop eher les indulgences et la deli-
vrance du purgatoire ä des ämes, dont les corps avaient alors
tres-peu d’argent . . On prit une religion ä meilleur marcheJ 5 )
Der Schauplatz des neuen Glaubens war der Norden Europas,
der Schauplatz des heissesten Kampfes Deutschland und die
tantot dans un autre, pendant cinq Cents annees presque sans interruption;
et ee fleau n’a dure si longtemps que parce qu’on a toujours neglige la
morale pour le dogme. (Essai, c. 197.) Faut-il qu’on ait eprouve plus
de deux Cents ans de frenesie pour arriver ä des jours de repos? (Essai,
c. 134.)
1 La forme du gouvernement la plus absurde. Cette absurdite consistait
h dependre chez soi d’un etrauger. (Essai, c. 65.) Vgl. Essai, 127: XI y
avait des abus violents, il y en avait de ridicules. — Traite sur la told-
rance, 3.
2 Essai, 71.
3 Ibid. 108.
* Ibid. 127.
5 Art. Cliniat.
Voltaire-Studien.
107
Schweiz; die Bewohner dieser Länder galten nicht für be
sonders aufgeweckt. 1 Das geistreiche, lebensfreudige, in In-
triguen verwickelte Volk Italiens blieb dagegen diesen Wirren
fern; es belustigte sich, wie früher, an dem kirchlichen Schau
gepränge und beutete den Aberglauben der übrigen Welt zu
seinem Vortheile aus. 2 In ganz Europa erregte die Kirchen
trennung politische Verwicklungen. Die deutschen Fürsten be
nützten die Gelegenheit zur Einziehung der Kirchengüter, zur
Aufrichtung von Landeskirchen und zum Widerstand gegen
die Reichsgewalt. 3 Das hatten also die Geistlichen von ihrer
theologischen Zänkerei, dass sie laut Commandos des Landes
herrn auf schmalen Sold gesetzt wurden. 4 Welches Unheil
hatte nicht die religiös-politische Parteiwuth über Voltaire’s
Vaterland gebracht! Dem Sänger der Henriade war klar, was
er von den Segnungen der Reformation zu halten habe. Eng
land hatte die nämlichen Schicksale erlitten *und auf seinem
Boden die paradoxesten Secten erwachsen sehen. 5 Am meisten
hasste Voltaire doch jenen Calvin, der so lange nach Duldung
schrie, bis er selber mächtig wurde und Servet verbrannte.
In Calvin hasste er den incarnirten Culturfeind, den Gegner
aller Lebensfreudigkeit, der Wissenschaften, der schönen Künste,
der Schauspiele. 6 ,Man muss gestehen', sagt Voltaire, ,dass die
1 Essai, 128.
2 Ibid. — Les Italiens s’enrichissaient du moins de l’aveuglement des
autres peuples; mais ailleurs on embrassait la Superstition par elle-meme.
(Essai, 82.) — Art. Democratie.
3 Les anciens dogmes embrasses par les Vaudois etc., renouveles et differem-
ment expliques par Luther et Zwingle, furent re(;us avec avidite dans
rAllemagne, comme un pretexte pour s’emparer de tant des terres dont
les eveques et les abbes s’etaient mis en possession, et pour resister aux
empereurs, qui alors marchaient ä grands pas au pouvoir despotique.
(Louis XIV, c. 36.)
4 Essai, 134.
5 Essai, 135—137; Lettres anglaises (1734), c. 1—8.
6 Essai, 133—134. Ueber Luther und Calvin : Tous deux laborieux et
austeres, mais durs et empörtes; tous deux brulant de l’ardeur de signa-
ler et d’obtenir cette domination sur les esprits . . . ils avaient des
moeurs farouches: leurs discours respiraient le fiel (133). In verschie
denen Briefen machte er den Genfern Elogen, dass sie ihm erlaubten, sein
108
BI ayr.
Missbrauche der alten Kirche kein hinreichender Grund waren,
so viele Bürgerkriege zu autorisiren, und dass es nicht noth-
wendig gewesen wäre, andere Menschen zu tödten, ,parce que
quelques prelats faisaient des enfants, et que des eures achetaient
avec un ecu le droit d’en faire*. 1
Die Deutschen, von dem besten Willen beseelt, fremde
Art zu begreifen, pflegen doch über derlei Bonmots zu straucheln.
Hätte Jemand die ernsthaftesten Dinge vorgebracht, es würde
ihm nichts nützen; bei den strengen Merkern hätte er ver-
sungen und verthan. Gilt es nun gar, wie im vorliegenden
Falle, die Reformation, welche man wohl als die tiefste und
energischeste Regung des deutschen Geistes zu feiern liebt, so
ist Jedermann nur um so mehr geneigt, die Frivolität und In-
competenz des Wälschen und Ungläubigen mit harten Worten
zu geissein. Es hat sich eine Reformationsmythologie heraus
gebildet, welche respectirt sein will, und derjenige, welcher als
Historiker oder Philosoph daran rührt, wird beschuldigt, er
beleidige das religiöse und nationale Gefühl. Die Wissen
schaft ist aber nicht dazu da, Gefühle zu cultiviren oder auch
nur zu schonen. Wer dergleichen von ihr verlangt, will das
Unmögliche von ihr. Die Wissenschaft ist gefühlloser, als die
Politik, ja als die Furie des Krieges; diese rechnen immex-hin
mit den menschlichen, heiligen Gefühlen: die Wissenschaft
gedeiht erst recht auf der Schädelstätte der Gefühle. Sie
kann und darf nicht fragen: Ist es erfreulicher, beglückender,
erhebender, moralischer, die Reformation als Mutter des mo
dernen Fortschrittes, als die fruchtbarste, ruhmreichste That
der deutschen Geschichte zu lobpreisen? Sie kann und darf
nur der Frage nachgehen: Ist es richtig oder unrichtig, dies
anzunehmen? Und sollte die Welt darüber zu Grunde gehen,
die Wissenschaft müsste achselzuckend bei ihrem Yerdicte
bleiben; das ist ihr Pathos, ihre Würde! In dem reinen Aether
der Wahrheit gibt die Rücksicht auf die Nützlichkeit oder
Erquicklichkeit einer Meinung den Ausschlag nicht. Selbst
wenn die Wahrheit unter allen Umständen schädlicher wäre,
abfälliges Urtheil über Calvin in Genf zn drucken; z. B. k P. Rousseau,
24. Febr. 1757. — Vgl. ferner k Henault, 26. Febr. 1768.
1 Essai, c. 127.
Voltaire-Studien.
109
als der Irrthum, die Wissenschaft müsste doch ihrem innersten
Impulse folgen. Die Fälle der Praxis aber, wo in der That
der Irrthum heilsamer ist, als die Wahrheit, kann sie getrost
auf sich beruhen lassen. Früher oder später kommt die Praxis,
der Buhlschaft mit dem Irrthume müde, doch wieder ge
schlichen, an den Pforten der Wahrheit zu pochen; sie kehrt
zurück und zwar um so sicherer, je weiter vorgerückt der
Zeiger der Weltenuhr ist. Voltaire selbst warf wohl gelegent
lich die Aeusserung hin: ,Die Philosophie ist nicht geeignet
die Welt zu regieren; sie erhebt sich zu hoch über den grossen
Haufen; sie redet eine Sprache, die er nicht verstehen kann'. 1
Allein gegen die absichtliche Täuschung der Menge hat er
stets seine Stimme erhoben, und als Schriftsteller, als Gelehrter
nie eine Zeile geschrieben, in welcher er die unpraktische Wahr
heit dem praktischen Irrthume geopfert hätte. Die Ansicht
Voltaire’s über die Reformation wird man also, trotz ihrer
Unerquicklichkeit, gar wohl der wissenschaftlichen Meditation
unterziehen können; man wird ihr wenigstens ein Plätzchen
zugestehen dürfen neben den herrschenden Ansichten, deren
eine die Reformation als Urquell des modernen Culturlebens
glorificirt, während eine andere die Reformation als Theil-
erscheinung der Renaissance, als Ergebniss der gleichen Kräfte
und als Ursache gleicher Wirkungen verherrlicht.
Allem Erwähnten zufolge war Voltaire über den Gegen
satz von Katholicismus und Protestantismus so weit hinaus,
dass er die beiden Confessionen für Erscheinungsformen ein
und des nämlichen Geistes nahm. 2 Die Vernunft schien ihm
1 Art. Pri&res.
2 Papistes, lutheriens, calvinistes, ce sont autant de factions sanguinaires.
(Axiomes im Anhänge zur Abhandlung ,Dieu et les hommes 1 .) — Quel
ques protestants ont reproche k l’auteur de l’Essai sur les moeurs
de les avoir souvent condamnes; et quelques catholiques ont Charge
l’auteur d’avoir montre trop de compassion pour les protestants. Ces
plaintes prouvent qu’il a garde ce juste milieu qui ne satisfait que les
esprits moderes. (Remarques de l’Essai, 1763, XVI.) Ausnahmsweise
gesteht er den Protestanten auch einen Vorzug zu: Si les protestants se
trompent comme les autres dans le principe, ils ont moins d’erreurs dans
les consequences. (Catdchisme de l’honnete homme.) Ce n’est pas que
les huguenots ne soient aussi fous que les sorboniqueurs; mais, pour
110
Mayr.
bei den Kämpfen, die theils wirklich, theils angeblich über
religiöse Querellen entbrannt waren, nichts gewonnen zu haben.
Ob man den Menschen die katholische, die lutherische oder
calvinische Lehre aufrede, galt ihm gleich viel. Alle drei waren
für ihn Töchter der Theologie, der Superstition, des Fanatismus.
Wie absonderlich musste doch dem Champion der Aufklärung
zu Muthe werden, wenn er mitten in seinem hellen Zeitalter
die öffentliche Aufmerksamkeit von dem Gezanke der Janse-
nisten und ihrer Gegner in Anspruch genommen sah, einem
Gezanke, das nun schon über Ein Jahrhundert währte. 1 Zu
seiner Genugthuung vermochte der Jansenismus dem Staate
nicht mehr gefährlich zu werden; aber diese Secte beeinträch
tigte das philosophische Interesse und erschien als eine blosse
Missgeburt des theologischen Geistes. Man argumentirte über
unentseheidbare, wahnschaffene Fragen mit Stellen der Schrift
und der Kirchenväter in den Terminis der Scholastik. Voltaire
empfand es als eine Schande seines erleuchteten Jahrhunderts,
dass man über Chimären stritt, wie z. B. welche Bewandtniss
es mit der ,gratia sufficiens, efficax und concomitans - ' habe, ob
Augustin oder Pelagius im Bechte sei, ob die Welt janse-
nistisch oder molinistisch denken solle! 2 Man wird den Wider-
etre fou a Her, on n’en est pas moins eitoyen; et rien ne serait assure-
ment plus sage que de permettre k tont le monde d’efcre fon k sa ma-
niere. (A Marmontel, 2. Dec. 1767.)
1 Sieele de Louis XIV, c. 37. C’est rendre Service au genre hurnain que
donner ä ces dangereuses fadaises le ridicule qu’elles meritent (A de
Faules, 4. März 1768) schreibt er über das bezügliche Capitel der
Geschichte Ludwig XIV. — Precis du Sieele de Louis XV, c. 36, 38. —
Histoire du parlement de Paris, 64—66. — Art. Convulsions. — Gali-
matias dramatique (1757). — Balance egale (1762). — D’un fait sin-
gulier concernant la litterature (1763). — Commentaire sur l’esprit de
Iois (1777). Avant-propos. — Dernieres remarques sur les pensees du
Pascal (1777). Avertissement.
1 Les sottises molinistes et jansenistes vont toujours Ieur train . . II est
hontenx pour l’humanite que dans un sieele aussi eelaire que le notre,
ces impertinentes disputes soient encore ä la mode; mais le vulgaire se
ressemble dans tous les temps. (A Caumont, 19. April 1735.) — 11 n’y
a plus guere de querelies fanatiques qu’en France . . Le prince n’a qu’ä
s’en moquer et les peuples eu riront: mais les princes qui ont des cou-
fesseurs sont rarement des rois philosophes. (A Frederic II, Nov. 1742.)
Voltaire-Studien.
in
willen Voltaire’s gegen den Jansenismus begreifen. In ihm
bekämpfte er den verhassten Dogmenstreit, die Sectirerei, den
Geist der Askese. So weit er Historiker Ludwig XIV. und
Ludwig XV. war, musste freilich auch er den verabscheuten
Zänkereien seine Aufmerksamkeit widmen. Jedoch nahm er
nicht für die Jansenisten Partei; ihm, dem philosophischen
Historiker, galten Jesuiten und Jansenisten gleich wenig, eher
die Jesuiten noch mehr, als die Jansenisten. 1 Der eigentliche
1 II y a toujours dans la nation un peuple qui n’a nul commerce avec les
honnetes gens, qui n’est pas du siecle, qui est inaccessible aux progres
de la raison et sur qui l’atrocite du fanatisme eonserve son empire,
comme certaines maladies qui n’attaquent que la plus vile populace . .
11 serait tres-utile ä ceux qui sont entetes de toutes ces disputes, de
jeter les yeux sur l’histoire generale du monde; car on voit le peu de
figure que font sur la terre un moliniste et un janseniste. On rougit
alors de sa frenesie pour un parti qui se perd dans l’immensite de choses.
(Siecle de Louis XIV, 37.) — Cette dispute ne produisit en France que
des mandements, des bulles, des lettres de caeliet et des brochures, parce
qu’il y avait alors des querelles plus importantes. (Ibid., 37.) —
Dans des temps moins eclaires, ces pudrilites auraient pu subvertir la
France . . mais le mepris que tous les honnetes gens avaient pour
le fond de ces disputes sauva la France. (Histoire du parlement de
Paris, 65.)
Ce qu’on appelle un janseniste est reellement un fou, un mau-
vais citoyen, et un rebelle . . Les molinistes sont des fous plus doux.
II ne faut etre ni ä Apollos ni ä Cephas, mais ä Dien et au roi. II est
certain que plus il y aura de philosophes, plus les fous seront ä portee
d’etre gueris. (Voix du sage, 1750.) On a ri ä la mort du janseniste et
du moliniste, et de la gräce concomitante, et de la medecinale, et de la
süffisante, et de l'efficace. Quelle lumiere s’est levee sur l’Europe de-
puis quelques annees. (Demieres remarques sur les pensees de Pascal.
Avertissement.) — Les jansenistes ont servi ä l’eloquence et non ä la
Philosophie. (Pensees, remarques et observations.) — Kurz nach dem
Attentate Damiens’ schreibt er: Je n’avais cru les jansenistes et les
molinistes que ridicules, et les voilä sanguinaires, les voilä parrieides!
(A Thiercot, 13. Jänner 1757.) — L’esprit convulsionnaire a pene-
tre dans l’ame de eet execrable coquin . . Si Louis XIV n’avait pas
donne trop de poids ä un plat livre de Quesnel et trop de confiance
aux fureurs du fripon Le Tellier, son confesseur, jamais Louis XV n’eüt
re?u de coup de canif. (A Cideville, 16. Jänner 1757.) — Aehnlich in
den Briefen des Jahres 1757 Monat Jänner, Februar, März. — Les
monstres, nommes jansenistes et molinistes, apres s etre mordus, aboient
ensemble contre les pauvres partisans de la raison et de Thumanite.
112
M a y r.
Todfeind der Jesuiten war überhaupt nicht er, sondern
Dalemhert.
Wo bleibt, nach so viel Negation, die Position? Was
hat uns Voltaire für die Verneinung der positiven Religion und
der Geschichte zu bieten? Was dürfen wir ferner glauben,
hoffen, lieben, heilig halten? Voltaire setzte den religiösen
Systemen der Geschichte seine Vernunftreligion, sein philo
sophisches Bekenntniss, seinen ,Theismus* entgegen, die zwei
Sätzchen: Verehre Gott und befolge das Sittengesetz. 1 Alle
anderen Fragen wies er als unvernünftig oder unbeantwortbar
zurück. Der Theismus war, nach seiner Meinung, nichts
Neues. Er hielt ihn für die Religion der Vernünftigen und
Guten seit Beginn der Civilisation, während der dumme, ver
derbte Haufe dem Aberglauben anhinge. 2 In dem Bemühen,
(A Palissot, ? März ? 1757.) — Voltaire’s Grimm erreichte seinen Höhe
punkt, als ,les serpents appeles jesuites et les tigres appeles convulsion-
naires 1 (ä M. d’Epinay, 25. April 1760) sich mit Erfolg gegen die Ency-
klopädisten alliirten. Die Jesuiten nannte er wohl auch Füchse, die
Jansenisten Wölfe. (A Chalotais, 3. Nov. 1762.) — ,On se plaignait
autrefois des jesuites; mais saint Medard devient plus ä craindre que
samt Ignace. Si on ne peut dtrangler le dernier moliniste avec
les boyaux du dernier janseniste, rendons ces pertubateurs du
repos public ridicules aux yeux des lionnetes gens. 1 (A Dalembert,
8. Mai 1761.) — A d’Argence, 26. Oct. 1761. — A d’Argental, 26. Jänner
1762. — A Damilaville, 30. Jänner 1762. — A d’Argental, 19. Nov.
1763. — A Damilaville, 30. Jänner 1764. — A Dalembert, 26. Dec.
1764. — Au meme 7. Aug. 1766. — A Marmontel, 7. Aug. 1767. —
A Dalembert, 26. Dec. 1767. — A De Faules, 4. März 1768. — A Dalem
bert, 1. Mai 1768. — A d’Argental, 6. Mai 1768.
1 Essai, 136 und 182. — Art. Theisme; Theiste; Athee; Atheisme. —
Elements de la philosophie de Newton, 5. — Examen important de
M. Bolingbroke, Conclusion. — Idees de la M. le Vayer (1751). —
Defense de M. Bolingbroke (1752). — Entretiens chinois (1768). —
Epitre ecrite de Constantinople (1768). — Profession de foi des theistes
(1768). — Histoire de l’etablissement du Christ., c. 26.
2 Notre religion est sans doute divine, puisqu’elle a ete gravee dans nos
coeurs par Dieu meme, par ce maitre de la raison universelle, qui a dit
an Chinois, ä l’Indien, au Tartare et k nous: ,Adore-moi et sois juste 1 .
Notre religion est aussi ancienne que le monde, puisque les premiers
hommes n’en pouvaient avoir d’autre. (Profession de foi des theisl.es.) —
Qu’on me montre dans l’histoire du monde entier une seule querelle sur
cette profession de foi: ,J'adore Dieu et je dois etre bienfaisant 1 . .
Voltaire-Studien.
113
historische Celebritäten zu baren Theisten in seinem Sinne
umzuprägen, ging Voltaire offenbar zu weit. Dagegen hatte
er nicht Unrecht, wenn er behauptete, der Theismus habe in
Voilä ce (l’adoration d’un Dieu et l’accomplissement de nos devoirs) qui
est neeessaire en tout lieu et en tout temps. II y a donc l’infini entre
le dogme et la vertu. (De la paix perpetuelle, e. 28.) — J’ose croire
une chose, c’est que de toutes Ies religious le theisme est la plus re
pandue dans l’univers: eile est la religion dominante 4 la Chine; c’est
la secte des sages chez les mahometans; et de dix philosophes chretiens
il y en a huit de cette opinion . . c’est une espece de secte, sans asso-
ciation, sans culte, sans eeremonies, sans dispute et sans zdle, repandue
dans l’univers sans avoir ete prechee. Le theisme se reneontre au
milieu de toutes les religions comme le juda'isme; ce qu’il y a de sin-
gulier, c’est que l’un etant le comble de la Superstition, abhorre des
peuples et meprise des sages, est tolere partout k prix d’argent; et
l’autre etant l’oppose de la Superstition, inconnu au peuple, et embrasse
par les seuls philosophes, n’a d’exercice public qu’a la Chine . . Ce
sont, k l’egard de la religion chretienne, des ennemis pacifiques qu’elle
porte dans son sein, et qui renoncent k eile sans songer ä la detruire . .
On n’a jamais vu de tlieistes qui aient cabale dans aueun Etat. (Art.
Athde, S. II.) Distingue toujours les honnetes gens qui pensent de la
populace qui n’est pas faite pour penser. Si l’usage t’oblige ä faire une
ceremonie ridicule en faveur de cette Canaille,- et si en chemin tu ren-
contres quelques gens d’esprit, avertis-les par un signe de tete, par une
coup d’oeil que tu penses comme eux, mais qu’il ne faut pas rire. (Art.
Ble.) — La plupart des honnetes gens sont instruits . . mais la popu
lace n’est-elle pas ce qu’elle etait du temps de Henri III et de Henri IV?
n’est-elle pas toujours gouvernee par des moines? n’est-elle pas trois
Cents fois au moins plus nombreuse que ceux qui ont refu une edu-
cation honnete? (Le cri des nations, 1769.) — Le petit nombre qui pense
conduit le grand nombre avec le temps. L’idole tombe et la tolerance
universelle s’eleve chaque jour sur ses ddbris. (De la paix perpetuelle,
1769, c. 32.) — Le monde s’ameliore un peu; oui, le monde pensant,
mais le monde brüte sera longtemps un eompose d’ours et de singes;
et la Canaille sera toujours Cent contre un. C’est pour eile que tant
d’hommes qui la dedaignent composent leur maintien et se deguisent;
c’est k eile qu’on veut plaire, qu’on veut arracher des cris de vivat;
c’est pour eile qu’on etale des eeremonies pompeuses; c’est pour eile
seule enfin qu’ou fait du supplice d’un malheureux un grand et superbe
spectacle. (Prix de la justice, 1777, 8.) — C’est la fatale philosophie des
Anglais qui a commence tout le mal . . Cette contagion s'est repandue
partout. Le dogme fatal de la tolerance infecte aujourd’hui tous les
esprits; les trois quarts de la France au moins commencent k demander
la liberte de conscience. (A Ilelveticus, 25. Aug. 1763.)
Sitamgeber. d. phil.-bist. CI. XCV. Bd. I. Ilft. 8
114
M a y r.
den letzten hundert Jahren Einfluss und Terrain gewonnen.
Namentlich blühe er in England. Mitten unter den streit
süchtigen Secten habe er sich befestigt, ohne selbst eine Kirche
oder Clique zu bilden. 1 Nicht im Dogma, in der Moral sucht
Voltaire das Heil der Welt. Sein Essai predigt unablässig die
grosse Lehre, dass vor Allem durch die (positive) Religion,
den Aberglauben, den Fanatismus, das Dogma — oder wie
sonst er ein und denselben Erscheinungscomplex benennen
mag — die Geschichte der Menschen eine Geschichte ihrer
Leiden geworden sei; 2 nur die Gewissensfreiheit, die Toleranz,
die Humanität, die Moral, die Philosophie, unterstützt von einer
weisen und starken Politik, vermöchten die Welt zu erlösen.
An einer Stelle berechnet Voltaire die Anzahl der seit Con-
stantin durch Religionskriege, Verfolgungen, Ketzergerichte
u. s. w. ums Leben gekommenen Menschen auf 9,468.800. 3 An
einer anderen Stelle sagt er: ,La religion ehrctienne a coüte ä
l’humanite plus de dix-sept millions d’hommes 1 . 4 Die Philo
sophie i. e. die Vernunft allein, habe diesen Zuständen ein
Ende gemacht. Um den Fanatismus dauernd zu bewältigen,
müsse man sich an die denkfähigen Leute wenden, überhaupt
das Volk auf klären und nicht im Aberglauben erhalten. ,Die
Aufgeklärten (honnetes gens) lesen die Geschichte der Reli
gionskriege mit Schaudern; sie lachen über die theologischen
Dispute, wie über die italienische Posse. Lasst uns eine Reli
gion bekennen, die weder schauern noch lachen macht/ 5
1 Unter den bestehenden Secten waren zwei, mit denen Voltaire, der
Einfachheit ihres Bekenntnisses halber, sympathisirte: die Socinianer und
Quäker.
2 L’histoire du monde est celle du fanatisme. (Homelie sur la Superstition,
1767.) Tantum relligio potuit suadero malorum (Lucret. I, 102) ist
eines seiner Lieblingscitate.
3 Dieu et les hommes, 42.
4 Art. Atheisme, S. II.
5 Diner du comte de Boulainvilliers. Pensees de St-Pierre. — L’esprit
de philosophie a enfin emousse les glaives. (Essai, 134.) — La raison,
en se perfectionnant, ddtruit les germes de guerres de religion. C’est
l’esprit philosophique qui a banni cette peste du monde. (La voix du
sage et du peuple 1750.) — Si la religion n’enfante pas plus de guerres
civiles, c’est ä la philosophie seule qu’on en est redevable. (Art. Dieu.) —
L’esprit philosophique, qui n’est d’autre chose que la raison, est devenu
Voltaire-Studien.
115
Voltairo’s Theismus ist keine leere Zukunftshoffnung,
sondern hat eine Vergangenheit und eine respectable Gegen
wart. In seinem Sinne sollen die höheren Classen, insbesondere
die Regierungen, denken und handeln. Den positiven Religionen
soll nicht durch aggressive Gewaltmaassregeln Abbruch gethan
werden; auch die Cabalenmacherei verschmäht Voltaire’s edler
Sinn: die unbehinderte Wirkung auf die Geister allein be
hält er dem Aufklärungsbekenntnisse vor. 1 Die Staatsgewalt
ehez tous les honnetes gens le seul antidote dans ces maladies 5pi-
demiques. (Art. Confession.) — La Superstition excita les orages et la
Philosophie les apaise. (L’A, B, C; 16 mo entretien.) — L’intoldrance
chretienne a seule cause ces horribles desastres; il faut donc que la
tolerance les repare. (Paix perpetuelle, c. 4.) — II n’est d’autre remede
ä cetto maladie epiddmique que l’esprit philosophique . . Les lois et la
religion ne suffisent pas contre la peste des ämes. (Art. Fanatisme,
S. II.) ■— II me semble qu’eux seuls (les philosophes) ont uu peu adouci
les moeurs des hommes, et que sans eux nous aurions deux ou trois
Saint-Barthelemy de sifecle en si&ele. (A Dalembert, 9. Nov. 1764.)
1 Adorer Dieu; laisser ä chacun la libertä de le servir selon ses idees;
aimer ses semblables, les eclairer s’il on peut, les plaindre s’ils sont
dans l’erreur: . . voilä ma religion qui vaut mieux que tous vos systemes
et tous vos symboles. (A M., 5. Jänner 1759.) — Ueber die Aufklärung
der Massen vgl. Jusqu’ä quol point on doit tromper le peuple (1756). —
Fragment d’une lettre de Bolingbroke (1761?): L’honnete homme sera
vdritablement religieux en dcrasant la Superstition. Son exemple influera
sur la populace. — Nous ne pretendons pas ddpouiller les pretres . .
mais nous voudrions que ces pretres . . se joignissent k nous pour
precher la vdrite. (Sermon des Cinquante, 3 me point.) — Traite sur la
tolerance, c. 20. — Wie sich Voltaire zur Action der Aufklärungspartei
verhält, geht vornehmlich aus seinem Briefwechsel mit Dalembert hervor.
Voltaire war kein Gegner der Volksaufklärung, wie aus seinen Schriften
klärlichst hervorgeht. Mit einzelnen Briefstellen, die er gelegentlich im
Zorne niederschrieb, wird man dem nicht widersprechen können. So
schreibt er einmal an Friedrich II.: ,La Canaille, qui n’est pas digne
d’etre eclaire et ä laquelle tous les jougs sont propres“. Voltaire reflec-
tirt denn da doch nur auf den thatsächlichen Zustand der Canaille, ohne
die Pflicht der Volksaufklärung in Abrede zu stellen. Fiir die Dinge,
wie sie lagen, war die Wirkung auf die Massen zu weit aussehend, zu
problematisch in ihren Erfolgen. Er betrachtete die Organisation der
erfahrenen Philosophenpartei "und die Aufklärung der ,honnetes gens“ als
die zunächst erforderlichen Leistungen, damit sie der Menge als Stütze
und Leitung dienen könnten. Jedenfalls würde man gut tlmn, sich
seinen Voltaire immer genau anznsehen. So wandert z. B. der Satz:
8*
116
Mayr.
solle nur die Störung des öffentlichen Friedens hintanhalten,
jeden Ausbruch des Fanatismus niederwerfen und die reli
giösen Angelegenheiten im Sinne der Toleranz verwalten. ,Voulez
vous donc empecher qu’une secte ne bouleverse l’Etat, usez
de tolerance/ 1
Ein Gemeinwesen ohne Religion schien Voltaire undenk
bar. Zeit seines Lebens bekämpfte er den Atheismus, als die
schlimmste Form der Religionslosigkeit. 2 Wenige Jahre vor
seinem Tode warf er noch dem ,Systeme de la nature‘ den
Fehdehandschuh zu. Als Philosoph machte er gegen den
,Quand la populace se mele de raisonner, tout est perdu 1 durch eine
Reihe von Schriften zum Beweise, dass der Philosoph ein inearniter
Feind der Volksaufklärung gewesen. Der Satz stammt aus einem Briefe
an Damilaville (1. April 1766). Liest man ihn im Zusammenhänge, so
bekömmt er einen ganz anderen Sinn; Voltaire spricht nämlich darin
ein verwerfendes Urtheil über die dogmatischen Zwistigkeiten der byzan
tinischen Kaiserzeit und der Reformationsperiode aus, welche deshalb
so schrecklich wurden, weil das unwissende, nicht aufgeklärte Volk
sich an ihnen betheiligte. Wie sich Voltaire das Verhältniss der Auf
geklärten zum niederen Volk dachte, mögen folgende Briefstellen er
läutern : ,Le bas peuple en vaudra certainement inieux, quand les prin-
cipaux citoyens eultiveront la sagesse et la vertu: il sera contenu par
I’exemple, qui est la plus belle et la plus forte des lei;ons . . c’est la
seule manihre d’instruire l’ignorance des villageois. Ce sont donc les
principaux citoyens qu’il faut d’abord eclairer“. (A Damilaville, 13. April
1766. ) ,Non monsieur 1 , schreibt er an Linguet, ,tout n’est pas perdu
quand on met le peuple en etat de s’apercevoir qu’il a un esprit. Tout
est perdu au contraire quand on le traite comme une troupe des tau-
reaux; car, tot ou tard, ils vous frapperont de leurs cornes. (15. März
1767. ) — On n’a jamais pretendu eclairer les cordonniers et les ser-
vantes; c’est le partage des apötres. (A Dalembert, 2. Sept. 1768.)
1 Commentaire sur la loi des delits et des peines (1766), IV. — Dass es
in Wirklichkeit nicht so friedlich hergehen könne, musste er freilich
einem Friedrich II., einer Katharina II. zugeben.
2 Art. Athee; Atheisme; Dieu. — Histoire de Jenni (1775, 8—11) in
welchem Romane Birton gegen Freind die Sache des Atheismus führt,
zum Schlüsse aber vor diesem Deisten die Segel streicht. — Traite de
mutapliysique (1734), 2. — Dialogue entre Lucreee et Posidonius (1758).
— Homelie prononcde ä Londres, I. 'Sur l’athdisme (1767). — Lettres
de Memmius üCiceron; Traite III—VI. — Dialogue d’Evliembre (1777),
2—4. — A Villevieille, 26. Aug. 1768. — Vgl. den Briefwechsel des
Jahres 1770.
Voltaire-Studien.
117
Atheismus die früher erwähnten Beweisgänge geltend. Nament
lich liess er es sich angelegen sein, die Argumente, welche
der Atheismus aus der Thatsache des Weltübels schöpfte, zu
entkräften. Doch hatte er gegen diese Doctrin noch weitere
Gründe ins Treffen zu führen. Er berief sich auf die ge
schichtliche Erfahrung. Italien war z. B. im fünfzehnten Jahr
hundert voll Atheisten. Was ergab sich daraus? Dass es so
gebräuchlich wurde, Gift wie Nachtessen zu verabreichen, Dolch-
stösse wie Umarmungen auszutheilen. Die Zeit des Atheismus
ist durch Namen wie Sixtus IV., Alexander VI, Cäsar Borgia
gekennzeichnet und gerichtet. 1 Voltaire gibt zwar zu, dass
gebildete Leute von guter Lebensstellung und sanftem Cha
rakter sich ohne Schaden für die Gesellschaft werden zum
Atheismus bekennen dürfen. Allein man denke sich die Armen,
die Ungebildeten ohne den Zügel der Religion, ohne die Furcht
Gottes. 2 Oder man denke sich einen atheistischen Herrscher
ohne das Gefühl der Verantwortlichkeit. ,Un roi athee est
plus dangereux qu’un Ravaillac fanatiqueJ 3 Gerade auf das
Praktische, die sittliche Wirkung legt Voltaire hier das Haupt
gewicht. Nur diejenigen Theisten, sagt er, welche glauben,
dass Gott den Menschen ein natürliches Gesetz gegeben habe,
besitzen eine Religion, wenn sie auch keinen Cultus äusserlich
mitmachen. 4 Eine solche praktische Religion darf um der
öffentlichen Moralität willen niemals von der Philosophie be
seitigt werden. Der Staat hat ein Interesse an der Existenz
der Religion. 5 Besser eine schlechte Religion, als gar keine,
1 Histoire de Jenni, 11. — Essai, 136.
2 On demande ensuite, si un peuple d’athees peut subsister; il me semble
qu’il faut distinguer entre le peuple proprement dit, et une societe de
philosophes au-dessus du peuple. II est tres-vrai que par tout pays la
populace a besoin de plus grand frein, et que si Bayle avait eu seule-
ment cinq h six Cents paysans h gouverner, il n’aurait pas manque de
leur annoncer un Dieu remunerateur et vengeur. (Art. Atheisme, I.)
3 Que l’atheisme est un monstre tres-pernicieux dans ceux qui gouvernent;
qu’il l’est aussi dans les gens de cabinet. (Atheisme, IV.) — Homelie sur
l’atheisme (1767).
4 Art. Athee II.
5 II est donc absolument necessaire pour les princes et pour les peuples,
que l’idee d’un Etre supreme ereateur, gouverneur, remunerateur et ven-
118
Mayr.
vorausgesetzt dass dem Fanatismus kein Spielraum gewährt
werde. 1 Denn unter den beiden Uebeln, Fanatismus oder
Atheismus, ist das erstere das schlimmere. Gerade aus den
Wirren des religiösen Meinungskampfes entstand ehedem der
Atheismus. Die wahre Philosophie, die Moral, das Interesse
der Gesellschaft haben ihn wieder verschwinden lassen. 2
Voltaire vertheidigt demnach die Religion gegen den
religionslosen Atheismus, sowie er seine natürliche Religion
gegen die künstlichen (,artificielle‘), die positiven oder hi
storischen Religionen zeitlebens verfochten hat. Eine Religion
in seinem Sinne, eine Religion, die minder schlecht wäre,
als alle bestehenden, müsste auf folgende Punkte Gewicht
legen: sie müsste die Anbetung eines einigen, höchsten Wesens,
Schöpfers und Erhalters, Vergelters und Rächers lehren; an
die Stelle aller bestreitbaren Dogmen die unbestreitbare Moral
setzen; sich alles eitlen Ceremoniells entschlagen; die Nächsten
liebe um Gottes willen und die echte Toleranz zum Grundsatz
erheben; daneben könnte sie erhabene Ceremonien ausüben,
welche die Masse frappiren, ohne die Weisen und Ungläubigen
zu irritiren, sowie auch ihren Dienern einen ausreichenden
Unterhalt sichern, ohne sie dem Wohlleben oder Müssiggange
anheimzugeben. 3 Gegen eine solche Religion hatte Voltaire
geur, soit profondement gravee dans les esprits (Atlieisme, IV). Philosophez
tant qu’il vous plaira entre vous . . Si vous avez une bourgade i gou-
verner, il faut qu’elle ait nne religion. (Art. Religion, I.)
1 II est indubitable que, dans une ville policee, il est infiniment plus utile
d’avoir une religion, mime mauvaise, que de n’en avoir point du tout.
(Art. Atheisme, S. IV.)
2 Essai, 136.
3 Art. Religion, I und III, 5 mo question: Apres notre sainte religion, qui
sans doute est la seule bonne, quelle serait la moins mauvaise? Ne
serait-ce pas la plus simple? ne serait-ce pas celle qui enseignerait
beaucoup de morale et tres-peu de dogmes? eelle qui tendrait ii rendre
les honimes justes, saus les rendre absurdes? . . Ne serait-ce point celle
qui ne soutiendrait pas sa creance par des bourreaux, et qui n’inonderait
pas la terre de sang pour des sophismes inintelligibles? celle dans la-
quelle une equivoque, un jeu des mots et deux ou trois chartes supposees
ne feraient pas un souverain et un dien d’un pretre souvent ineestueux,
homicide et empoisonneur ? celle qui ne soumettrait pas les rois ä ce
Voltaire-Studien.
119
nichts einzuwenden, so wenig als gegen eine Staatsreligion,
welche mit Berücksichtigung des Bestehenden die Priester und
Kirchen in ihre Obhut nimmt, woferne sie nicht die Grenzen
der Gesetze überschreiten und dem Gemeinwesen schädlich sind.
Diese Religion, meint Voltaire, wurzle theilweise schon in den
Herzen mancher Fürsten, aber zur Herrschaft würde sie erst
kommen, sobald die Artikel des ewigen Friedens, den der Abbe
St-Pierre in Vorschlag gebracht hat, von allen Potentaten sig-
nirt sein würden. 1 Voltaire pflegt eben allen überschweng
lichen Erwartungen einen Dämpfer aufzusetzen.
Voltaire nennt zwar seinen Theismus eine philosophische
Lehre; 2 aber die Gebiete der Philosophie und Religion fallen
für ihn nicht vollkommen über einander, ob er sie nun in
ihrem historischen Begriffe nimmt, oder ob er sich ihr Ideal
construirt. Für den Philosophen in Voltaire’s Sinne gibt es
noch ein besonderes, selbstständiges, unterscheidbares Gebiet
der Religion. Sondern wir alle jene Vorschläge, die auf die
bestehenden Verhältnisse Bezug haben, alle jene Mittel- oder
Compromissformen ab, welche von dem bestehenden auf idealere
Zustände überleiten sollen, so bleibt noch eine rein philo
sophische Religionslehre übrig, die zur eigentlichen Philosophie
ergänzend hinzutritt. Die Religion ist nicht blosses Surro
gat der Philosophie; sie ist auch nicht durch die letztere
pretre? celle qui n’enseignerait que l’adoration d’un Dieu, la justice, la
tolerance et l’humanite?
1 Art. Religion, I. Wie gemässigt Voltaire’s Ansichten überhaupt waren,
sofeme sie ins Praktische einschlugen, möge eine Stelle aus dem ver
traulichsten Briefwechsel beweisen: ,Je sais bien, qu’on ne detruira pas
la hierarchie etablie, puisqu’il en faut une au peuple; on n’abolira pas
la secte dominante, mais certainement on la rendra moins dominante et
moins dangereuse. Le christianisme deviendra plus raisonnable et par
consequent moins persecuteur. On traitera la religion en France comme
en Angleterre et en Holland, oü eile fait le moins de mal qu’il soit
possible. (A Helvetius, 26. Juni 1765.)
2 C’est que le theisme doit encore moins s’appeler une religion qu’un
Systeme de philosophie. (Art. Athee, II.) — On demande pourquoi, de
cinq ou six cents sectes, il n’y en a guere eu qui n’aient fait repandre
du sang, et que les theistes, qui sont partout si nombreux, n’ont jamais
cause le moindre tumulte? c’est que c.e sont des philosophes. (Art.
Theisme.)
120
Mayr.
überflüssig gemacht; sie ist nicht blosses Zähmungsmittel zu
Nutz und Frommen des Staates: sie hat ihre Berechtigung in
sich. Die Philosophie nämlich anerkennt die Thatsache und
die Giltigkeit des Sittengesetzes; aber dass es göttlichen
Ursprunges und dass Gott der Hort desselben ist, vermag sie
nicht zu erweisen, kann es höchstens plausibel machen. Noch
weniger ist die Philosophie im Stande, etwas über die Ver
geltung im Jenseits und die Unsterblichkeit der sogenannten
Seele auszumachen. Im Gegentheil, derartigen Annahmen
stehen die gewichtigsten Bedenken entgegen. Die Philosophie
lässt uns da vollkommen im Stiche; Vergeltung und sittliche
Weltordnung bedürfen daher der Stütze des Glaubens. Um
der Sittlichkeit willen muss der Einzelne, muss das Gemein
wesen an der Belohnung des Guten und Bestrafung des Bösen
durch Gott festhalten. Der Theismus Voltaire’s verlangt den
unbedingten Glauben an Gott den Vergelter; seine Philosophie,
die auch die Frage der Unsterblichkeit dahin gestellt sein
lässt, kann zwar die Existenz Gottes, des Schöpfers und Er
halters der Welt, beweisen, aber den göttlichen Ursprung des
Sittengesetzes bloss wahrscheinlich machen und uns überreden,
dass die sittliche Weltordnung nicht verneint werden müsse.
Religion ist demnach gleich der Entscheidung für die mora
lisch und social werthvolle Annahme, dass sich Gott für das
sittliche Leben interessire, was philosophisch nicht strenge er
wiesen werden kann. 1
Der reine Kant, wird man sagen. In Frankreich hegte
man die Meinung, Kant habe nur in schwer verständlicher,
schulgerechter Sprache gesagt, was vor ihm die Aufklärer,
Voltaire obenan, in graciöser, populärer Ausdrucksweise zum
1 Le Systeme des athees m’a toujours paru tres-extravagant. Spinosa lui-
meme admettait une Intelligente universelle. II ne s’agit plus que de
savoir si cette Intelligence a de la justice. Or, il me parait impertinent
d'admettre un Dieu injuste. (A Frederic-Guillaume, 11. Jänner 1771.) —
II y a deux sortes de thdistes: ceux qui pensent que Dieu a fait le
monde sans donner ä l’homme des regles du bien et du mal; il est
clair que ceux-lä ne doivent avoir que le nom de philo-
soplies. Il y a ceux qui croient que Dieu a donne ä l’homme une loi
naturelle (natürliches Sittengesetz), et il est certain que ceux-lä ont
une religion, quoiqn’ils n’aient pas de culte extdrieur. (Art. Athde, II.)
Voltaire-Studien.
121
Gemeingut der Lesewelt gemacht hätten. 1 Aber nicht bloss
hinsichtlich der Terminologie und des Vortrags unterscheiden
sich Kant und Voltaire. Der Letztere glaubt das Dasein Gottes
erweisen zu können, er ist hierin Dogmatist: Kant’s Kritik des
Erkenntnisvermögens betrachtet die Idee Gottes nur als Po
stulat der praktischen Vernunft. Voltaire schliesst aus der
empirischen Thatsache der Giltigkeit eines allen Völkern und
Zeiten gemeinsamen Sittengesetzes auf den göttlichen Ursprung
desselben: Kant baut auf die unbedingte Giltigkeit des Sitten
gesetzes, für welches alle empirische Bestätigung irrelevant
ist, den moralischen Glauben an Gott, Freiheit und Unsterb
lichkeit. Der Gott Voltaire’s ist in erster Linie Schöpfer und
Erhalter der natürlichen Welt und nach Analogie dieses Ver
hältnisses auch Organisator und Hort der von der natürlichen
nicht abtrennbaren sittlichen Welt: der Gott Kant’s ist der
Harmonisator der natürlichen und sittlichen Weltordnung, jenes
höchste Wesen, das der Würdigkeit glücklich zu sein die
Glückseligkeit verbürgt. Voltaire legt auf den Nutzen des
Vergeltungsglaubens, dass der Einzelne einen Zaum fühle und
die Gesellschaft keinen Schaden erleide, Nachdruck: Kant
nicht; ihm ist der Glaube ein Bedürfniss der Vernunft an und
für sich. Voltaire unterscheidet nicht strenge zwischen Glauben
und Wissen; auch wird er seinen Skepticismus nie voll
kommen los: nach Kant ist der moralische Glaube nothwendig
und allgemein giltig, indess nicht Wissen, sondern eben Glaube.
Die beiden Hauptsätze des Voltaire’schen Theismus sind ein
ander coordinirt: Verehre Gott und sei gerecht. Kant sub-
ordinirt den Glaixben an Gott und Unsterblichkeit der Moral.
Voltaire’s Mensch ist seiner Anlage nach ein Gemisch von Gut
und Böse: Kant, der diesen Synkretismus verschmäht, bekennt
sich zur Lehre von dem radical Bösen der Menschennatur.
Darauf ruht seine Heils- und Erlösungslehre, deren es bei
Voltaire gar nicht bedarf. Kant knüpft an das Christenthum,
insbesondere den Protestantismus an; er denkt sich seine Lehre
als den geistigen Inhalt einer die historische Continuität wahren
den Kirche und gibt sich unsägliche Mühe, den überlieferten
1 Lanfrey: L’eglise et les philosophes au dix-huitieme siede (2 e ed. Paris
1857), pag. 343 ff.
122
Mayr. Voltaire-Studien.
Mysterien einen fasslichen Sinn unterzulegen. Voltaire löst
mit Bewusstsein seinen Theismus von allem Zusammenhänge
mit Christenthum und Kirche ab, legt der kirchlichen Organi
sation keinen Werth bei, verhöhnt und verwirft alle Dogmatik,
geht überhaupt in seiner Verneinung der Geschichte weiter,
als Kant mit seiner Verneinung der statutarischen Religionen,
seiner Beschränkung des historischen Glaubens und seiner
Verdammung des Afterdienstes. Wir wollen der Parallele, die
sich ins Endlose fortspinnen Hesse, ein Ende machen.
Krall. ManetlioniseheB Gescliielitswerk.
123
Die Composition und die Schicksale des Mane-
tlionischen Geschichtswerkes.
Von
Dr. Jacob Krall.
Mit besonderer Vorliebe hat sich in unserem Jahrhun
derte die Forschung auf dem Gebiete altorientalischer Ge
schichte dem Manethonisehen Geschichtswerke zugewendet,
ich nenne nur die Namen von Boeckh, Bunsen, Lepsius,
Brugsch, Lauth, Liehlein, Unger, v. Pessl. Sie alle haben
sich der mühevollen Aufgabe unterzogen, theils die erhaltenen
Listen zu ordnen, theils sie mit den Denkmälern zu ver
gleichen, um dadurch möglichst sichere Grundlagen für die
ägyptische Chronographie zu gewinnen. Dagegen wurde eine
Reihe von Fragen, die direct diesem Zwecke nicht zu dienen
schienen, entweder als a priori ausgemacht angesehen oder
aber überhaupt gar nicht, in anderen Fällen wenigstens nicht
genügend in Betracht gezogen. In welchem Verhältnisse stehen
die Listen, die Josephus uns gibt zu den TCgoi, und wie haben
wir uns seine Zahlenangaben zu erklären — decken sich die
t6|ao[ hinsichtlich ihres Umfanges und ihrer Anlage mit den
Manethonisehen ßi'ßXoi — gehen sie auf eine von Manetho
seinem Werke beigefügte ehronographische Uebersichtstafel
zurück, oder hat eine solche überhaupt niemals bestanden —
und wenn dies Letztere der Fall ist, wer sind dann die Ver
fasser der Tijxst — woher kommen die bedeutenden Abwei
chungen der uns vorliegenden r/.oocetc, die doch alle von den
Arpttrttay.ä ausgehen — woher kommen die bedeutenden Ab
weichungen in der Zählung und Benennung der Dynastien
(Potestates) des Barbaras, während die ixSoset; des Africanus
und Eusebius das Bestreben zeigen, hier gleichmässig vorzu-
124
Krall.
gehen — schliesslich, was haben wir von den Dynastien und
ihrer Zählung zu halten?
Aus mehreren Stellen in ,Manetho und die Hundsstern
periode' kann man entnehmen, dass Boeckh mitten in seiner
Arbeit der Tragweite dieser Fragen, wenn auch leider nur
vorübergehend, sich bewusst ward. So schreibt er p. 498:
,nur wissen wir nicht, ob die vorhandenen Auszüge, nament
lich des Africanus und Eusebius aus der Urschrift geflossen,
oder selber nur früheren Auszügen entlehnt sind', oder p. 499:
,Josephus gibt einige Auszüge, und zwar etwas ausführlichere,
die sich nur auf etliche Dynastien beziehen; wobei es sehr
unwesentlich ist, dass er die Dynastien nicht unterscheidet;
die beiden anderen liefern ein ganzes System von Dynastien,
wobei es wieder sehr gleichgiltig, ob Manetho selbst oder ein
anderer auf ihn bauend die Abtheilungen gemacht habe', end
lich p. 502: ,Nach Ueberlegung alles Angeführten dürfte sich
kaum ein anderer Ausweg finden lassen als anzu
nehmen, das Manethonische Werk, dem die Auszüge entlehnt
sind, habe den Anfertigern der letztem in einer Gestalt oder
in Gestalten Vorgelegen, vermöge deren das Verschiedenste
daraus entnommen werden konnte'.
Diese Fragen weiter zu verfolgen ward Boeckh durch die
Anlage seiner gesammten Untersuchungen über Manetho ge
hindert. Auf Grundlage der von den erwähnten Forschern
gemachten Beobachtungen wollen wir den Versuch einer Lö
sung der aufgeworfenen Fragen wagen. Es kommen uns hiebei
zu Statten die gewaltigen Fortschritte, die die Erforschung der
Denkmäler Aegyptens und Assyriens in den letzten Decen-
nien gemacht, und die unsere Auffassung nicht nur der
orientalischen sondern überhaupt der ganzen alten Geschichte
wesentlich umgestaltet hat. Die bewunderungswürdige Geistes-
that Champollion’s hat uns über dreissig Jahrhunderte mensch
licher Entwickelung wiedererobert und uns gezeigt, wie all-
mälig der menschliche Geist zu der Höhe aufgestiegen ist,
auf der er früher unvermittelt im hellenischen Alterthume dem
staunenden Beobachter entgegentrat.
Wir haben früher einige Stellen aus dem Manetho von
Boeckh angeführt, um die Berechtigung der Fragen, zu deren
Lösung wir einige Bausteine zu liefern hoffen, darzuthun, wir
Manethonisches Geschicht9werk.
125
wollen noch ein Wort Boeckh’s dahersetzen, welches zu unserer
Rechtfertigung dienen soll, wenn uns nicht immer gelungen
sein sollte, die Wahrheit zu finden, (p. 394): ,Die Natur ist
frei von Irrthum und Lüge; die Erscheinungen, welche sie
offenbart, sind immer wahr: fehlt der Naturforscher, so liegt
die Schuld an ihm, an seiner unrichtigen Beobachtung oder
an unrichtigen Urtheilen und Schlüssen. Weit schlimmer steht
es mit dem geschichtlichen Versuch; die Ueberlieferungen, die
seine Grundlagen sind, hat Zufall, Nachlässigkeit, Lüge und
Betrug entstellt, und namentlich ist mir niemals ein verwirrterer
Gegenstand der Betrachtung als dieser Manetho vorgekommen'.
Einleitung.
Die Vertreibung der Hyksos bezeichnet den Beginn einer
neuen glänzenden Periode der ägyptischen Geschichte; Hand
in Hand mit dem gewaltigen politischen Aufschwünge des
ägyptischen Volkes, der in der Begründung eines eigentlichen
Weltreiches gipfelt, geht ein neues Aufblühen der Wissen
schaften und Künste. Mit besonderer Vorliebe wandte man
sich der Erhaltung und Sammlung der vorhandenen schrift
lichen Ueberreste der verflossenen Epoche zu, wie dies die in
dieser Zeit angefertigten zahlreichen Abschriften von uralten
Papyrus hinreichend beweisen. In dieser Zeit ist zugleich,
unserer jetzigen Kunde der Denkmäler zufolge, überhaupt das
Bestreben bei den ägyptischen Priestern erwacht, die ver
gangenen Perioden ihrer Geschichte zu durchforschen und
chronologisch festzustellen. Aus der Zeit der Thutmosiden
und Ramessiden stammen die Wandgemälde von Karnak,
Abydos und Saqqarah, welche uns eine Auswahl der Könige
seit den frühesten Zeiten der ägyptischen Geschichte vor
führen , sowie der leider heutzutage nur in Trümmern vorlie
gende Turiner Papyrus, der eine nach Gruppen geordnete
Reihenfolge der ägyptischen Herrscher bis auf Ahmes I. mit
ihren Regierungszahlen und ihrer Lebensdauer enthielt. 1
1 Das Original des Turiner Papyrus rührt aus der Zeit Ahmes I. her, die
uns erhaltene Abschrift dagegen wurde, da der Rückentext hänfig das
126
Krall.
Es drängt sich uns nun unmittelbar die Frage auf, wie
weit waren die Aegypter in dieser Zeit in der Lage, das Alter
ihrer Cultur und den Anfang ihres Königthums chronologisch
festzustellen, umsomehr als von der richtigen Beantwortung
dieser Frage auch die richtige Auffassung der uns erhaltenen
Fragmente des Manethonischen Geschichts Werkes abhängt,
welches nach des Verfassers ausdrücklicher Erklärung 1 nichts
anderes als die einheimischen Urkunden den Griechen zu ver
dolmetschen beabsichtigte.
ln der Zeit der Thutmosiden besassen die Aegypter, wie
es nach den epochemachenden Forschungen von Riel 2 fest
steht, bereits ein festes Sonnenjahr mit vierjähriger Schaltung,
welches mit der jährlich constant um dieselbe Zeit eintretenden
Nilschwelle begann, dessen sich jedoch die Priester nur für
die Regelung der Feste bedienten, während für den bürger
lichen Kalender das Wandeljahr in Verwendung blieb. Nach
je 120 Jahren verschob sich nun das Wandeljahr gegen das
feste Jahr um einen Monat, derart, dass wenn bei der Ein
richtung des festen Jahres, dessen erster Monat der Thot, mit
dem ,Thot des Wandeljahres sich deckte, nach 120 Jahren
derselbe mit dem Paophi des Wandeljahres zusammenfiel. Für
diese Periode von 120 Jahren besassen die Aegypter die sowohl
im Todtenbuche als auch im Turiner Königspapyrus häufig
vorkommende Gruppe^ Han-ti; 3 für die Periode
Namensschild des Königs Kamses III. enthält, unter den ßamessiden an
gefertigt. Lauth, Manetho und der Turiner Königspapyrns 75.
1 Josephus Contra Apionem I. 14, 1 ed. Müller: yiypoufz yap 'E/.Xd3i ^wvij
T7)v ov iaroplav, IV. ts twv Uptuv, io; 07]aiv aOtö;, jiörayplaa; cf. I. 2G, 1.
2 Karl Riel, Das Sonnen- und Siriusjahr der Ramessiden mit dem Ge-
heimniss der Schaltung und das Jahr des Julius Cäsar, Leipzig 1875. —
Der Doppelkalender des Papyrus Ebers, verglichen mit dem Fest- und
Sternkalender von Dendera, 1876. — Der Thierkreis und das feste Jahr
von Dendera, 1878.
3 Auf Grund der Gleichstellung des Turiner Papyrus (ed. Lauth II, 7),
,19 Hanti 2280 (= 19 X 120) Jahre* ist schon von Hincks (in Wil-
kinson: The hier. pap. of Turin 55) ausgesprochen worden, dass man in
der Gruppe, die wir nach der Darlegung von Lauth (Manetho 72) dem
hieroglyphischen gleichzusetzen und Hanti zu lesen haben, die Be
zeichnung einer Periode von 120 Jahren vorliege. Cf. Lauth, Aegyptische
Chronologie p. 8.
Manethonisches Geschichtswerk.
127
von 1460 jul. Jahren, nach deren Verlauf das feste und das
Wandeljahr sich wieder vollkommen deckten, hatten sie da
gegen in der Zeit der Thutmosiden und Ramessiden wenigstens
gar keine Bezeichnung.
Diese Verschiebung des Wandeljahres gegen das feste
Jahr bot eine sichere Handhabe für die Chronologie dar. Man
brauchte nur festzustellen unter welchen Königen das feste
und das Wandeljahr mit einander coincidirt hatten — was
wohl keinen besonderen Schwierigkeiten unterlag, da die Priester
denen die Obsorge der Zeitrechnung anvertraut war, über die
Verschiebung der beiden Jahre genaue Aufzeichnungen be
sitzen mussten — und hatte damit die Grundlagen gewonnen
um auf denselben das System der ägyptischen Chronologie
aufbauen zu können.
In welche Zeit fällt aber die Einrichtung des festen
Jahres? Nach Riel gehört sie in die Mitte des 18. Jahr
hunderts, 1 in die Zeit sonach der Erhebung des nationalen
Königthums gegen die fremden Hyksos. 2 Wir werden jedoch
durch den Umstand, dass 1766/2 der erste Thot des festen
Jahres nicht mit dem ersten Thot, sondern mit dem ersten
Pachons des Wandeljahrs sich deckte, auf die Tetraeteris
2726/2 hingewiesen, und es ist die Möglichkeit nicht auszu-
schliessen, dass schon damals den Priestern die Bildung eines
festen Jahres gelungen sei, mit dem die Verschiebung des
damals gleichgesetzten festen und Wandeljahres ihren Anfang
genommen hätte, um so mehr, als auch die Inschrift des Tlap-
zefa, 3 die wohl unter den Sebekhoteps entstanden ist, gewiss
aber der Zeit vor dem Einfalle der Hyksos angehört, das
grosse Nilfest, das Uaga, ebenso wie die Festkalender der
Ramessidenzeit auf den 16—17 Thot verlegt. Darnach würde sich
zu diesem festen Jahre von 2726/2 das Jahr von 1766/2 ebenso
verhalten, wie sich zu dem letzteren das Jahr von Canopus
verhält, wiewohl nicht zu läugnen ist, dass die Reorganisation
des Kalenders unter dem Könige Set-ää-nub-pehti eine viel durch
greifendere gewesen sein muss, als die unter Ptolemäus Euergetes.
1 ßiel, Sonnen- und Siriusjahr p. 365.
2 L 1. p. 107.
3 Ueber die leider noch nicht bearbeitete, in jeder Beziehung’sehr wichtige
Inschrift, cf. Brugsch, Becueil I, p. 21, und Geschichte Aegyptens p. 185,
128
Krall.
Auf die Tetraeteris 2726/22 weist uns ferner hin der lange
bis auf Riel 1 unerklärliche Bericht Herodot’s, wonach ,die
Sonne viermals ihren Ort gewechselt hätte, wo sie jetzt auf
gehe, sei sie zweimal untergegangen, und wo sie jetzt unter
gehe, sei sie zweimal aufgegangen, ohne dass sich irgend etwas
in der Natur ihres Landes oder Flusses geändert habe*. 2 Die
ägyptischen Priester hatten die Tetraeteriden 2726/22, 1986/2,
1266/2 und 526/2 im Auge; im Laufe dieser Zeit war die
Sonne zweimal im Sommerpunkte des Himmels, dem Morgen
punkte der Normalsphäre, und zweimal im Winterpunkte, dem
normalen Abendpunkte, aufgegangen, sie hatte sonach viermal
ihren Ort am Himmel verändert, ebenso wie auch die Gestirne
ihren Lauf inzwischen viermal vertauscht hatten. Sei es nun,
dass die Priester die Tetraeteris bloss durch Rückrechnung ge
wonnen hatten, sei es, dass damals thatsächlich die Aegypter
schon im Besitze eines festen Jahres waren, so viel ist aus
der angeführten Stelle Herodot’s sicher, dass die ägyptischen
Chronologen ihre auf astronomischer Grundlage basirten Auf
stellungen über das 28. Jahrhundert vor Christi nicht geführt
haben, in welcher Zeit sie, wie wir im Verlaufe unserer Unter
suchung sehen werden, die Regierungen der Amenemhä und
Usertesen verlegten.
Die sichere Grundlage der Verschiebung des Wandel
jahres und festen Jahres verliess die Aegypter für die Zeiten,
die vor dem Beginne der Herrschaft der Amenemhä und
Usurtesen lagen, in denen man ein Jahr von 365V 4 Tagen noch
nicht kannte — denn die Annahme, dass die Aegypter schon
von den frühesten Zeiten ihrer Cultur an, ein festes Jahr ge
habt hätten, erscheint ganz unzulässig und wird durch die an
geführte Stelle Herodot’s widerlegt. Für diese Periode ihrer
Geschichte mussten sie auf andere Hilfsmittel bedacht sein.
Es lässt sich nicht läugnen, dass bei der frühen Ausbildung
der Hieroglyphenschrift, die schon auf den ältesten Denk
mälern vollkommen ausgebildet uns entgegentritt und beim
sowie Mariette, Monuments divers pl. 64—68, wo sieh ein vortrefflicher
Abdruck der Inschrift findet und Brugsch, Materiaux p. 101.
1 1. 1. p. 184 f.
2 Herodot II, 142.
Manethonisches Geschichtswerk.
129
ausgesprochenen Sinne der Aegypter für die Erhaltung histo
rischer Ueberlieferungen ,auf dass lebe ihr Name auf Erden
ewiglich', schon aus früher Zeit Aufzeichnungen historischer
Art Vorgelegen haben. Ausserdem umfasste die Geschichte der
ältesten Zeit eine Reihe von Regierungen von Snefru bis auf
die Königin Nitokris — darunter die Pyramidenerbauer —
über deren Reihenfolge und Gesammtdauer man nicht im
Zweifel sein konnte. Anders stand es mit den Regierungen
nach Nitokris und vor Snefru. Dort klaffte eine gewaltige Lücke,
die bezeichnet ist durch die Herrschaft fremder Stämme über
Aegypten, die einen gänzlichen Verfall in der Entwickelung
Aegyptens herbeigeführt haben, 1 mit dem sich der durch die
Hyksos bewirkte gar nicht vergleichen lässt, und wenn nicht
alles trügt, so haben die Gelehrten der Thutmosidenzeit über diese
denkmallose Periode keine genauen chronographischen Angaben
gehabt. Mit den Vorgängern Snefrus stehen wir ganz auf
mythischem Boden, nicht mit Unrecht beginnt die Tafel von
Karnak mit ihm die Reihe der ägyptischen historischen Könige.
Man braucht nur die Anmerkungen zu den ersten Dynastien
der xopiot des Africanus oder Eusebius zu lesen, um sich hievon
zu überzeugen. Da hören wir, dass unter dem Könige Boethos
(II, 1) in Bubastus ,der Erde Schlund sich aufgethan und
mancher fuhr lebendig in die Hölle', 2 dass unter Nefercheres
(II, 7) ,des heiligen Stromes Wasser eilf Tage lang des
Honigs Wohlgeschmack annahm' und dass die Libyer durch
das plötzliche ,riesige Anwachsen des Mondes geschreckt, von
Necherophes (III, 1) bezwungen wurden', wir erfahren, dass
Sesochris (II, 8) fünf Ellen lang gewesen sei, dass unter Se-
mempses (I, 8) eine Pest und unter Unnepher (I, 4) eine
Hungersnoth ausgebrochen seien ,trotz aller Noth und Pein
gefiel’s dem letztem auf der Stätte von Kakami (Schwarzstier)
durch Pyramidenbauten seine Leute zu beschäftigen'. 3 Auch
die Nachrichten, dass Binothris (II, 3) die weibliche Erbfolge
eingeführt, dass Kaiechos (II, 2) den Dienst des Apis, Mnevis
1 Vergl. meinen Aufsatz ,Die Vorläufer der Hyksos 1 , in der Aeg. Z. 1879,
p. 34 f.
2 Ich folge der Uebersetzung von Brugsch, die uns den Geist dieser uralten
Nachrichten recht gut wiedergibt (Geschichte Aegyptens p. 61 f.).
3 Vergl. hiezu Herodot I, 94.
Sitznngsber. d. pbil.-bist. CI. XCV. Bd. I. Uft. 9
130
Krall.
und des heiligen Widders eingesetzt habe oder, dass Tosorthros
(III, 2) einer der Begründer der Arzneikunde, der ägyptische
Asklepios gewesen sei und die Kunst mit behauenen Steinen
Gebäude aufzuführen, erfunden habe, 1 können keinen höheren
Anspruch auf Geschichtlichkeit erheben als die Tradition, dass
das Fetialencollegium unter Numa Pompilius eingesetzt worden
sei 2 oder dass Jubal der Begründer der Musik und Thubal
Kain der der Metallarbeit gewesen sei. 3
Ueberdies sind wir sogar in der Lage die Entstehung
dieser Notizen bei den Aegyptern nachweisen zu können. Eine
Reihe von Capiteln, Formeln, die als besonders wirksam hin
gestellt werden sollten, wurde von den Aegyptern auf die Zeit
ihrer ältesten Könige zurückgeführt. So heisst es z. B. im
Todtenbuche von c. 130, es sei gefunden worden unter dem
Könige
der ~b\).o
werthvollcn medicinischen Papyrus Ebers von einer Haarsalbe
die schon von Ses der Mutter des Königs Teta, also
allem Anscheine nach, dem Athotis (I, 2) der Listen bereitet
wurde. 4 Dass wir es bei diesen Angaben nicht mit echten
Ueberlieferungen zu thun haben, ersehen wir einfach daraus,
dass dasselbe Capitel (das 64.) welches nach dem Turiner
Exemplar des Todtenbuches unter Menkaura aufgekommen
^ —**— J Husapti, also dem Usaphaides (I, 5)
i oder von c. 64 es stamme aus der Zeit des Königs
[ j | Menkaura, Mykerinos, her, ferner lesen wir im
sein sollte,
nach einer Reihe anderer Texte
sap-ti zugeschrieben wurde. Derartige theils fälsche theils
richtige Anmerkungen und Anspielungen, die in bedeutender
1 Trotzdem heisst es schon vom Nachfolger des Mona, Athotis ,6 -ä ev
Mafiosi ßaaü.Eia oizoBopzrjaa; 1 .
2 Dion. 2, 72. Plut. Numa 12, Camillus 18, Livius I, 32 schreibt sie da
gegen dem Ancus Marc.ius; Cicero, de rep. 2, 17, dem Tullns Hostilius zu.
3 Genesis 4, 22 ,die Zilla aber gebar auch, nämlich den Thubal Kain, den
Meister in allerlei Erz und Eisenwerk 1 . Cf. Delitzsch, Die Genesis I,
p. 207. Knobel, Die Genesis p. 65.
4 K. Lepsius, Ueber den Kalender des Papyrus Ebers und die Geschicht
lichkeit der ältesten Nachrichten Aeg. Z. 1875 p. 145 gelangt zu einem
abweichenden Ergebnisse.
Manethonisches Geschichtswerk.
131
Anzahl selbst in den wenigen uns erhaltenen Resten der alt
ägyptischen Literatur voi-kommen, kamen den Priestei'n der
Thutmosidenzeit, die daran gingen einen Canon ihrer ältesten
Geschichte zusammenzustellen, zur Ausfüllung desselben sehr
wohl zu Statten. Auch falsche Etymologien haben dazu her
halten müssen, das dürre Verzeichniss von alten Königs
namen zu beleben. Der vierte König der Tafel von Saqqarah
Stiere', wird einfach wegen
dieses seines Namens in den t6(j.o! als derjenige bezeichnet
£9’ ou oi ßoe? ’Axt? ev Mqx.sei y.ai Mveüi<; ev 'HXiouz6>,£t y.ai b
MevS^ato? zpd'(oq evopicJ0r)aav eivat 0eo(.
Erweisen sich sonach die Anmerkungen zu den einzelnen
Königen vor Snefru als von sehr zweifelhaftem Werthe, so
steigert sich unser Misstrauen, wenn wir die Reihenfolge der
selben sowie ihre Namen überhaupt ins Auge fassen. Die auf
uns gekommenen Königstafeln zeigen sowohl unter sich, als
auch mit Manetho und dem Turiner Papyrus verglichen,
eine Reihe von Abweichungen. Zuerst zeigt sich ein ver
schiedener Vorgang in der Auswahl der überlieferten Künigs-
namen, d. li. derjenigen Namen, welche die Priester der Tliut-
mosiden auf den ihnen vorliegenden Denkmälern überhaupt
erwähnt gefunden haben. So fehlen der grossen Königstafel
von Abydos bis auf Snefru drei oder vier Könige, die auf der
Tafel von Saqqarah stehen, dagegen hat diese sieben oder
acht Könige, die nicht auf der Tafel von Abydos Vorkommen,
und merkwürdig, sie beginnt, ebensowenig als die Tafel von
Karnak aus der Zeit Thutmes III., nicht mit Mena sondern
erst mit dem sechsten Könige der Tafel von Abydos — sollten
■<A AAAAAA <- f\ l\
ihrem Verfasser s ^ (j Tu(nu)ri, 1 in dem wir den
ältesten bisher uns namentlich bekannten historischen Kritiker
zu erkennen haben, über die Echtheit der ersten fünf Könige
Zweifel aufgestiegen sein ?
Trotz der Sorgfalt mit der die Priester vorgegangen sind
und des ungemein reichhaltigen Materials das ihnen vorlag,
5 | (j[| tu(nu)ri coptisah scoop fortem, potentem esse.
9*
132
Krall.
sind wir doch im Stande, da uns die Gräber von Gizeh und
Abydos, eine für die Aegypter verschlossene Geschichtsquelle,
zur Verfügung stehen, einige Namen nachzutragen, die den
Forschern der Thutmosidenzeit entgangen sind; wir finden auf
dem Steine von Palermo einen König
J «
Ahtes sowie
in dem Grabe des- Senofemliet einen A <iauhor,
welche der sogenannten V. Dynastie des Africanus angehören
müssen, die jedoch auf den uns vorliegenden Listen gar nicht
Vorkommen. 1
War sonach die Zahl der Vorgänger Snefru’s steten
Schwankungen ausgesetzt, so war man ebenso vielfach im Un
klaren über die Reihenfolge der einzelnen Fürsten. Da wir
hier keine eingehende Vergleichung der Königstafeln mit Ma-
netho und dem Turiner Papyrus geben können, so genügt es
auf einige typische Fälle hinzuweisen, die das von uns Gesagte
hinreichend erhärten werden. Vorerst erhebt sich hiebei die
Frage: wenn die Priester, wie wir darzuthun versuchten, keine
alten Verzeichnisse der Könige vor Snefru besassen, sondern
darauf beschränkt waren die einzelnen Namen erst zu sammeln,
wie war es für sie möglich eine geordnete Reihenfolge zu
geben? Hiezu waren ihnen zuerst dienlich die in der ihnen
vorliegenden Literatur wohl häufig vorkommenden Angaben
über Könige, die nacheinander regiert haben, durch deren
Verbindung man einige feste Punkte zu gewinnen im Stande
war. Der Papyrus Prisse gibt uns ein gutes Beispiel der
artiger Angaben; ,da starb“, berichtet er uns, ,seine Majestät
der König Huni; siehe es folgte seine Majestät der König
Snefru als guter König über das ganze Land“ — dadurch war
für die ägyptischen Forscher die Reihenfolge Huni, Snefru ge
sichert. Wie unzuverlässig jedoch dieses Material ist und wie
leicht dadurch die Priester zu falschen Aufstellungen verleitet
werden konnten, bezeugt uns eine Stelle des Berliner medi-
cinischen Papyrus. ,Aufgefunden wurde“, heisst es in demselben,
,dies Capitel unterhalb der Füsse des göttlichen Anubis in der
Stadt Sochem (Letopolis) zur Zeit als Sapti König war. Nach
1 Cf. Rouge, Reclierches sur les monuments qu’on peut attribuer aux six
premieres dynasties p. 84, 88.
Manethonisches Geschichtswerfc.
133
dessen Tode ward die Schrift gebracht zu seiner Majestät dem
Könige Sentafi 1 Die natürlichste Deutung dieser Stelle —
und man hat auch vor Auffindung der Königstafeln von Abydos
und Saqqarah an derselben festgehalten 2 — ist, dass König
Senta der Nachfolger Husapti’s gewesen sei. Bei der Betrach
tung der Königstafeln zeigt sich jedoch, dass beide Könige
durch sieben, beziehungsweise sechs Regierungen von einander
getrennt sind, dass die Priester sonach in der Lage gewesen
sind, durch anderweitige Hilfsmittel und Combinationen den
Zwischenraum auszufüllen. Dieses Beispiel ist ganz geeignet
uns zu zeigen, dass man bei Benützung ähnlicher Angaben
mit äusserster Vorsicht zu Werke gehen muss, und es würde
uns daher gar nicht überraschen, wenn irgend ein neuer Fund
darthun möchte, Snefru sei nicht der unmittelbare Nachfolger
Huni’s gewesen.
Die Vergleichung der beiden Königstafeln, zu der wir
nun übergehen, wird uns zeigen, dass auch die Priester der
Thutmosidenzeit über die Stellung einer Reihe von Königen
in ihrem Canon zweifelhafter Meinung gewesen sind.
Abydos
8) Qebuhu
OJÖ
9) Bufau
csm)
10) Qaqeu
(u£HI
i'"®,
'(=5)
11) Ba-n-nuter
—]
12) Ufnas
AAAA |Y^|
Saqqarah
2) Qebuhu
0JIM1
3) Ba(u)nuter
4) Q.aqeu
5) Ba-nuter
6) Ufnas
CITQ
Africanus
I, 8 Bieneches
II, 1 Boethos
II, 2 Kaiechos
II, 3 Binothris
II, 4 Tlas
' Chabas, Melanges I. Brugsch, Recueil de Momiments Egyptiens II. p. 113,
pl. XV.
2 Cf. Lanth, Manetho p. 120.
134
Krall.
Wir sehen, dass an der Stelle, wo wir in der Tafel von
Saqqarah einen Bufau erwarten müssen, da Vorgänger und
Nachfolger identisch sind, ein Ba(u)nuter steht. Man pflegt
gewöhnlich anzunehmen, 1 dass wir es hier mit zwei Namen
für einen und denselben König zu thun haben, ein Blick auf
die xöqo! belehrt uns jedoch, dass Bufau = Boethos und
Ba(u)nuter = Binothris ist. Nach der Tafel von Abydos, und
mit ihr steht hier in vollkommener Uebereinstimmung Manetho,
war Ba-n-nuter (Binothris) der Nachfolger Qaqeu’s (Kaiechos) —
was bewog den Verfasser der Tafel von Saqqarah hievon ab
zuweichen? Ein genaueres Eingehen auf seine Reihenfolge
zeigt uns, dass auch er auf Qa-qeu einen Ba-nuter folgen
liess; der Vorgänger und Nachfolger des Qaqeu sind sonach,
einige orthographische Kleinigkeiten abgerechnet, auf seiner
Tafel vollkommen identisch. Die Erklärung dieser so wunder
lich scheinenden Thatsache ist nach dem Gesagten sehr
einfach. Der Verfasser der Tafel von Saqqarah fand in dem
hergebrachten Königscanon, der uns in der Tafel von Abydos
und in den xsp.ot vorliegt einen Ba(u)nuter als Nachfolger des
Qaqeu, seine eigenen Forschungen wiesen ihn jedoch darauf
hin — und wer wollte ihre Berechtigung läugnen — dass ein
Ba(u)nuter der Vorgänger Qaqeu’s gewesen sei; es blieb ihm
sonach nur übrig, entweder anzunehmen, dass es derselbe
König sei, und einzugestehen, dass man seine genaue Stellung
gar nicht fixiren könne oder aber zwei Ba(u)nuter aufzustellen.
Er wählte das letztere, um sowohl seinen eigenen Forschungen
als auch dem Canon gerecht zu werden.
Die Reihenfolge der Könige stellt sich nach dem Gesagten
folgendennassen:
Abydos
Saqqarah
Africanus
I, 8 Bieneches
8) Qebuhu 2) Qebuhu
9) Bufau
II, 1 Boethos
3) Ba(u)nuter
10) Qaqeu 4) Qaqeu
11) Ba-n-nuter 5) Ba-nuter
12) Ufnas 6) Ufnas
II, 2 Kaiechos
II, 3 Binothris
II, 4 Tlas
Rouge, Recherches p. 21.
Manethonisches Geschiclitswerk.
135
Noch grösser als bei Baunuter ist das Schwanken der
ägyptischen Chronographen in Bezug auf die richtige Ein
reihung eines anderen Königs des jj Noferqarä. Nach
der Tafel von Abydos war er der unmittelbare Vorgänger des
Snefru, nach der Tafel von Saqqarah, die hier mit dem -röp.ot
iibereinstimmt, folgte er dagegen auf Senda: Senda und Snefru
sind nun etwa durch über zehn Regierungen von einander ge
trennt. Dasselbe können wir bei dem Könige
Nebqarä der Tafel von Saqqarah, der sich deckt mit dem
^37 £ j |J Nebqa der Tafel von Abydos, sowie bei ff
Hutefa beobachten. Eine vergleichende Zusammenstellung der
beiden Tafeln wird dies hinreichend darthun.
Abydos
Saqqarah
13) Senda
14)
15)
16)
17)
18)
19)
20) Snefru
7) Senda
Noferqarä
Noferqasokar
W L W
T’atai
Sar
Sarteta
Nebqarä
15) Huni
16) Snefru
Als Nachfolger des Mena bezeichnet die Tafel von Abydos
eine Reihe von ,Niederwerfern' es sind ^ Teta, (j AteO,
Ata.
Die tijjisl kennen dagegen nur einen Athotis,
dafür nennen sie uns als zweiten Nachfolger des Mena
den König Kenkenes, welcher deutlich auf das ägyptische
A A X Qenqen ,Gewalt' hinweist. Haben wir es hier
AAAAAA AAA/Wi S G
mit denselben Persönlichkeiten zu thun, führte der ,Nieder
werfer' noch den Beinamen der ,Gewaltsame', oder liegen uns
136
Krall.
hier Erscheinungen vor, wie wir schon mehrere bei den
Königstafeln beobachtet haben?
Wir kommen nun zu einem weiteren Hilfsmittel, dessen
sich die Priester bedient haben, um die überlieferten Königs
namen in eine feste Reihenfolge zu bringen, nämlich zu dem
der freien Combination. Hier ist es vorerst nothwendig auf
die Bedeutung der Namen selbst einzugehen. 1
J i i i i i r\
Mena [I der Muthige,
/W\AM 1
Teta ^(j der Niederwerfer,
AteO (jo|j der Schläger,
Ata (j q^\, der Verderbende,
Kenkenes
A x
der Gewaltsame,
AAAA/VA /WVWv > u
Husap-ti Q der Doppelgau,
Meribapu ct □ der des Metall(baus) Beflissene. 2
Semempses ^55^) das Bild des Ptah, 3
Qebuhu AJj ^ der Opferer,
Bufau JJ | der Mastbaum, 4
Qaqeu [ ^ ^i c= tB ^ er ® t4er der Stiere,
! Cf. Lauth, Manetho p. 87 f., der für den grössten Theil der Namen
dieser Könige ganz abschliessend die Bedeutung festgestellt hat.
O
Ba auf dem der Sonnengott einherfährt (Todtenbuch ,Aelteste
IM
Texte 1 , pl. 33, 59) ist entweder ein harter Stein (Brugsch) oder ein Metall
(Deveria, Chabas); Jj (| AfrV, ^Jj Ba ,Mine oder Steinbruch“
(Brugsch). In der Bedeutung ,Wunder 1 lässt sich xy so viel uns bekannt
ist, nicht nachweisen; wir glauben daher an unserer Uebersetzung fest-
halten zu können.
3 Lieblein, Becherches sur la Chronologie egyptienne p. 13, erinnert mit
Becht an jl _£T aaaaaa ^ Sem-n-ptah.
4 Cf. Todtenbuch ed. Lepsius c. 99, 13.
Manethonisches Geschichtswerk.
137
Ba-n-nuter AAAAAA die Seele des Gottes,
Uafnas J /WW\A P der mit blühender Rede Begabte,
r\ aaaaaa r\
S en d a der Ehrwürdige.
Hutefa ?
T’atai H @ (] [) der Kopf ,der Verständige',
Noferqarä oJ[_J Rä gab die Güte (Schönheit),
Noferqasokar <=> J [_] Sokar gab die Güte (Schönheit),
Nubqarä Q [ ] Rä gab Gold,
Sar ' ü der Organisator,
Sarteta
Huni
J Q (| der Organisator und Niederwerfer,
AA/V'A
w der Drescher,
Snefru der Wohlthätige.
Diese Reihenfolge gibt uns ein recht anschauliches Bild
von der Art und Weise, wie sich die Priester der Thutmo-
sidenzeit den Verlauf ihrer ältesten Geschichte vorgestellt haben.
Aus kriegerischen, anarchischen Zuständen Hessen sie das
Königthum hervorgehen und stellten an die Spitze ihrer Reiche
den ,Muthigen', den ,Niederwerfer', den ,Schläger', den Ver
derbenden', den ,Gewaltsamen', sonach diejenigen der über
lieferten Königsnamen, welche ihnen auf eine eminent unruhige
Zeit hinzuweisen schienen. Dieser Vorgang wird uns gar nicht
auffallend erscheinen, wenn wir die Zeit berücksichtigen in
der diese Tafeln entstanden sind — hatten die Aegypter nicht
während der Hyksoszeit das Königthum aus dem Chaos der
Verwirrung bei den fremden Eindringlingen hervörgehen ge
sehen? ,Lange Jahre der Verwüstung und des Elends waren
über Aegypten dahingegangen, endlich erhoben die Hyksos einen
König', so berichtet uns ja Josephus aus Manetho. Auf diese
Gruppe folgen Könige, die uns das Anbrechen einer neuen
besseren Zeit darlegen sollen, wie etwa auf Romulus und Tullus
138
Krall.
Hostilius in der römischen Königsreihe Numa Pompilius und
Ancus Martius folgen. Die beiden Vertreter des Krieges in
der römischen Liste haben jedoch in der Sage ihren Platz ge
hörig ausgefüllt — fortwährend waren sie mit kriegerischen
Unternehmungen beschäftigt — Athotis, ,der Niederwerfer' da
gegen baute die Königsburg von Memphis und schrieb anato
mische Werke, ,denn er war ein Arzt', — gewiss eine merk
würdige Verbindung von zwei von einander ganz unabhängigen
Mythonströmungen. Mit Husapti sehen wir den ägyptischen
Staat aus dem Chaos erstehen, es wird uns die Grundlage des
politischen ägyptischen Lebens ,der Doppelgau' (von Ober- und
Unterägypten), und im Anschlüsse daran die Erfindung der
Behandlung der Metalle vorgeführt -— Meribipen ist der ägyp
tische Thubal Kain. Sodann tritt uns die religiöse Seite des
ägyptischen Volkes (,das Bild des Ptah' und der ,Opferer',
endlich die Entwickelung des Handels und Verkehrs (das
Schiff, ,der Mastbaum') entgegen. Soweit das Leben im All
gemeinen; mit Qaqeu betreten wir ein engeres Gebiet, es
werden uns die Menschen, die sich auf der Grundlage des nun
geordneten Staates erheben, nach ihren verschiedenen Eigen
schaften hin, angeführt. AVie der Staat von kriegerischen An
fängen ausging, so beginnt auch diese Reihe der Muthige (der
Stier der Stiere, der Krieger) hierauf folgt die ,Seele des
Gottes', die uns auf die priesterliche Thätigkeit hinweist, und
daran sich anschliessend der mit blühender Rede Begabte und
der ,Ehrwürdige' und der ,Verständige', die sich in demselben
Anschauungskreise bewegen. Den Beschluss bilden die mit
Götternamen gebildeten Königsringe — eine allem Anscheine
nach, in den ältesten Zeiten sehr seltene Art der Namen
gebung — über deren Einfügung in die künstliche Reihenfolge
man, bezeichnend genug, wie wir gesehen haben, verschiedener
Meinung war.
Mit dem Könige Sar beginnt der Turiner Papyrus eine
neue Gruppe von Königen — er ist der Ordner, der Organi
sator, in seinem Nachfolger Sarteta sehen wir die verflossene
Periode mit der neu angebrochenen vereinigt, er ist der Orga
nisator und Niederwerfer. Noch einmal sehen wir das Spiel
sich wiederholen auf den ,Drescher', ,Schläger', Huni' folgt der
Manethonisches Geschichtswerk.
139
wohlthätige ,Snefru‘, mit dem wir in die monumental gesicherte
Geschichte Aegyptens eintreten.
Aus dem bisherigen Gange unserer Untersuchungen, die
weiter auszuführen unsere Aufgabe nicht gestattet, ergibt sich
etwa Folgendes: Die Priester der Thutmosidenzeit konnten ihre
chronologischen Untersuchungen auf astronomischen Grund
lagen basirend, bis auf die Zeiten der Amenemhas und Usur-
tesen führen; für die vorhergehenden Perioden waren sie
einerseits auf die Sammlung aller vorhandenen Nachrichten,
andererseits auf freie Combination angewiesen. Besondere
Schwierigkeiten boten ihnen zwei Zeiträume ihrer ältesten
Geschichte dar; der eine, der charakterisirt ist durch den Ein
fall fremder Völker in Aegypten, der andere der die Snefru
vorangehenden Regierungen bis auf die Begründung des König
thums hin umfasste. Wie sie mit dem ersteren fertig wurden
lässt sich mit unseren jetzigen Mitteln nicht sagen, dagegen
liegt zur Beurtheilung ihrer Anordnung des letzteren ein reiches
Material vor. Wir haben die Entstehung der Nachrichten, die
sich an die einzelnen Könige knüpfen, verfolgt und gesehen,
dass sie entweder aus Etymologien, die keinen Werth für uns
beanspruchen können, oder aber durch Rückschlüsse aus
grossentheils unrichtigen Angaben gewonnen sind; wir haben
ferner gesehen, dass über Auswahl und Reihenfolge der Kö
nige Zweifel und oft sehr bedeutende Zweifel bestanden und
schliesslich, dass die überlieferten Namen in ein System ge-
bracht wurden, welches den Mangel an Nachrichten über die
Succession einer Reihe dieser uralten Könige ersetzen sollte. *
Mit unseren jetzigen Mitteln sind wir gar nicht im Stande
Historisches und Unhistorisehes in der uns vorliegenden Liste
zu scheiden; wir können nur sagen, dass keiner der Könige
vor Sar — etwa Senda ausgenommen 1 — durch gleichzeitige
Denkmäler uns bezeugt ist, ja was noch mehr sagen will, dass auf
den Denkmälern der Nachfolger Snefrus keinerlei Erwähnungen
dieser früheren Herrscher sich vorfinden, 2 während wir doch
in denselben häufig Priestern verstorbener Könige begegnen.
1 Lauth, Manetho p. 123.
2 Eben so wenig finden sich Erwähnungen nach der Art der des Königs
Ra-n-usur (V. Dynastie) auf einer Statuette des Königs Usurtesen. Rouge,
140
Krall.
Nicht plötzlich treten wir sonach aus dem unbekannten
Nichts mit Mena in das helle Licht der Geschichte, sondern
wir sehen vielmehr in der ersten Königsreihe des Turiner
Papyrus Fabel und Geschichte innig mit einander verflochten,
und wir können daher wohl die Behauptung wagen, dass die
selbe mit der Liste der Patriarchen, zehn vor der Fluth, eben-
soviele nach derselben, zu vergleichen ist, ohne jedoch einen
Schluss auf gegenseitige Abhängigkeit der letzteren von der
ägyptischen, ziehen zu wollen.
Leider fehlt uns jegliche monumentale Nachricht darüber
wie gross die Aegypter den Zeitraum von Mena bis auf den
Beginn der Verschiebung des festen und des Wandeljahres an
genommen haben; denn die Bruchstücke des Turiner Papyrus
sind gar zu lückenhaft, als dass selbst eine Vermuthung in
dieser Hinsicht gestattet wäre. Da jedoch, wie wir bei Be
trachtung der TGjj.ot des Eusebius beobachten werden, die Re
gierung Mena’s von dem Anfänge der wirklichen Verschiebung
des festen und des Wandeljahres durch 1461 Jahre getrennt
gedacht wurde, so müssen wir annehmen, dass die Zeiten von
Menes bis auf Amenemha in Ermangelung anderer besserer
Hilfsmittel cyclisch zugeschnitten worden sei.
Unsere bisherigen Untersuchungen, die den hie und da
auftretenden Glauben einer bis auf Jahr und Tag möglichen
Bestimmung des Regierungsantrittes Mena’s zu erschüttern und
eine richtigere Auffassung der Bedeutung der ältesten Periode
der ägyptischen Geschichte zu begründen bemüht waren, zeigen
uns, dass das Werk, welches die Priester in der Zeit der
Thutmosiden und Ramessiden vollbracht haben, auf derselben
Höhe steht wie die Systeme der babylonischen, jüdischen,
griechischen und römischen Chronographen. Wie die jüdischen
Chronographen von dem Tempelbaue, so sind die römischen
von dem einzigen festen Datum ihrer alten Geschichte aus
gegangen, dem der Einnahme Roms durch die Gallier 01. 98/1
== 388/7 vor Christi, 1 und haben den Zeitraum der von der
Vertreibung der Könige bis aüf die Alliaschlacht verflossen
Recherches p. 89. Erst am Ende der ägyptischen Geschichte begegnen
wir einem Priester des Mena. Rouge 1. 1. 30, 31.
1 Mommsen, Römische Geschichte, I 6 p. 331.
Manethonisches Gescbiclitswerk.
141
war auf zwei Sossosperioden = 120 Jahre fixirt. Dadurch
kamen sie in das Jahr 508/7 vor Christi, von wo sie vier
Sossosperioden = 240 Jahre bis auf die Erbauung der Stadt
= 748/7 rechneten. 1 Der Gründungstag von Rom, der 21. April
747 fiel auf diese Weise, was den römischen Chronologen nur
erwünscht sein konnte, nahezu mit dem Beginne der Aera des
Nabonassar, 27. Februar 747, zusammen. 2
Zum Schlüsse müssen wir daran erinnern, dass der An
satz Amenemhä I. = 28. Jahrhundert v. Chr. nur gilt, wenn die
Annahme wahr ist, dass es den Aegyptern schon unter der Re
gierung der Amemhä’s gelungen sei, ein festes Jahr zu gründen,
gegen ■welches im 18. Jahrhunderte, wo sie nachweislich ein
solches besassen, das Wandeljahr um acht Monate verschoben
war. Sollten dagegen weitere Untersuchungen darthun, dass diese
Annahme unzulässig sei, dass die Aegypter erst im 18. Jahr
hunderte ein festes Jahr gebildet haben, so müssten wir unsere
Folgerungen noch weiterführen; wir müssten dann sagen, dass
die Priester ausgehend von dem sichern Punkte der Einrich
tung des festen Jahres, der daran sich schliessenden Ver
treibung der Hyksos und der Erhebung der Thutmosiden auf
die Zeit zurückrechneten, wo das feste und das Wandeljahr
sich deckten, und in dieselbe die Regierungen der Amenemhä,
der mächtigsten Herrscher der Vorzeit, verlegten. Noch eine
Epoche vorher fiel ihnen dann der Beginn des Königthums in
Aegypten, der Regierungsantritt Mena’s.
Wir wenden uns nun zu den Götterregierungen. Nach
der ägyptischen Mythologie gingen den menschlichen Regie
rungen die der Götter, Halbgötter und Manen voraus, für
welche unsere vorzüglichste Quelle ein Bruchstück des Turiner
Papyrus ist. Dasselbe gibt uns freilich nur über den ersten
Götterkreis Auskunft, indem es folgende Namen umfasst:
' Es sind dies die Ansätze des Fabius Pictor. In Uebereinstimmung mit
ihm verlegt Polybius III, 22 den Anfang der Republik in das Jahr 508/7.
Cf. Mommsen, Römische Geschichte, I 6 p. 460 A, 463 A; p. 204 macht
er darauf aufmerksam, dass die Theilung des Ganzen in 12 Einheiten
nationalitalisch sei; wodurch sich die Zahlen 120, 240 ganz ungezwungen
erklären.
2 Biidinger in Bursian’s Jahresbericht über die Fortschritte der classischen
Alterthumswissenschaft. 1873, II. B., p. 1182 A.
142
Krall.
Fr. 40 Ptah
Fr. 141 Eä
Seb
Osiris [Isis]
Sutech
Horus 300 J.
Thot 226 J.
Mät (200) J.
Hör . . .
Rubrik.
Leider sind uns im Papyrus die Regierungen von nur drei
Gottheiten erhalten; wir sind jedoch aus einem anderen Monu
mente im Stande uns zu vergegenwärtigen, in welcher Weise die
Aegypter bei der Bildung dieser Zahlen vorgegangen sind. Aus
den werthvollen von Naville herausgegebenen, von Brugsch
übersetzten Inschriften, 1 über den Kampf des Horus und Sutech
erfahren wir, dass ^^ ^Ep/ m
Anfänge der Tetraeteris 2 363 des Rä Harmachis“ das Ringen
der beiden gewaltigen Gegner begonnen habe. Die Aegypter
haben sonach die Ereignisse, welche sich nach ihrer Mythologie
im Laufe eines Jahres vollzogen, auf eine grosse Periode von
365 X 4 Jahren, deren einzelne Tetraeteriden den Tagen des
gemeinen Jahres entsprachen, übertragen. Wie in dem letz
teren Osiris, während der fünfzig Tage des Jahres, während
welcher der Samum über Aegypten weht, der Machtwaltung
des Sutech weichen muss, bis er in seinem Sohne Horus zu
neuer Kraft wiedererwacht, den Kampf mit Sutech während
der Epagomenen (361.—365. Tag) aufnimmt und seinen Gegner
vernichtet, so beginnt in der grossen Periode von 365 X 4
Jahren, von der 363. Tetraeteris ab, gegen Sutech der Kampf.
Wir werden diesen Angaben bei Besprechung der Götterreihe
der Excerpta Barbari begegnen.
Wichtiger als das besprochene Fragment ist für unseren
Zweck Fragment 1, auf dem wir eine Zusammenfassung der
1 Naville, Textes relatifs au mythe d’Horus. Brugsch, Abhandlungen der Ge
sellschaft der Wissenschaften zu Göttingen, XIV, 173.
2 Cf. Lauth, Chronologie p. 29.
Manetbonisclies Gescbichtswerk.
143
Götterregierungen vor uns haben; 1 die ersten Zeilen desselben
sind sehr lückenhaft, aus der zehnten Zeile jedoch ersehen
wir, dass bis auf Mena 23.300 + x Jahre verflossen sind.
Nach dem Zeichen für 300 bricht das Fragment ab, es kann
jedoch kein Zweifel darüber sein, dass wir 23.376 Jahx-e zu
lesen haben, d. h. sechzehn Perioden zu 1461 Jahren. Die
Götterzeit ist im Turiner Papyrus cyclisch zugeschnitten; vor
Menes endete daher eine Periode von 1461 Jahren, mit der
Tetraeteris 2726/2 begann eine neue, die Zeit von Menes bis
auf die Tetraeteris 2726/2 musste sonach entweder eine oder
mehrere Perioden zu 1461 Jahren umfassen (vgl. p. 140).
Also gestaltete sich das allgemeine Gerüste der ägyptischen
Chronographie in der Zeit da sich in ihrem Lande alles con-
centrirte, was der menschliche Geist überhaupt geleistet hatte
und wo zugleich die Völker des damals bekannten Erdkreises
den Herrschergeboten der Pharaonen sich fügten. Aus dieser
Zeit stammt das stolze Wort Thutmes III.: ,Siehe ewig wird
Theben bestehen, immerdar Amon herrschen, ich aber werde
erhalten bleiben in der Sage der spätesten Zeit'. 2 Es kam
aber anders — die Macht Aegyptens zerfiel rasch um sich
nimmer zu erheben, der Cult des Amon wich anderen reli
giösen Vorstellungen, und an die Stelle der Aegypter selbst
traten ganz andere Völker mit neuen Anlagen und Hervor
bringungen. Wenn auch anfangs nur zögernd, haben die
Aegypter sich doch genöthigt gesehen, die Vorherrschaft der
selben zuzugestehen, und da sie nicht mehr als die Herren
derselben gelten konnten, haben sie sich als ihre Lehrer und
Erzieher betrachtet.
So trat an die Aegypter die Nothwendigkeit heran, ein
heimische und fremde historische UeberlieferungeD in Ueber-
einstimmung zu bringen, was nach beiden Seiten hin auf man
nigfache Schwierigkeiten stiess. Einerseits fanden die Priester
in ihren Aufzeichnungen nichts Bestimmtes über die Griechen
und Juden, deren Ueberlieferungen dennoch vielfach auf
Aegypten hinwiesen — ebenso mochte es dem griechischen
1 Rouge, Recherches p. 162 f. gibt 22.300 Jahre, es ist jedoch mit Lauth
Chronologie p. 71 zu lesen ,Jahre 23.300 1 . . .
2 Mariette, Karnak XVI, 28—30.
144
Krall.
Forscher etwa des zweiten oder ersten Jahrhunderts ergehen,
der Nachrichten über das Erscheinen der römischen Gesandt
schaft in Athen während des glänzenden perikleischen Zeit
alters sich Raths erholen wollte 1 —■ andererseits fanden die
hohen Ansätze der Aegypter weder bei Griechen noch Juden
rechten Glauben. Schon der erste wissenschaftlich gebildete
Grieche, der Aegypten bereiste, Hekataios, kam mit den Angaben
der Priester in Conflict — er wusste ja, dass sein Stamm im
sechzehnten Gliede auf einen Gott zurückging, wie konnte er
es daher für möglich halten, trotz des Hinweises der Priester
auf die gewaltigen Kolosse der Piromis, d. h. der Menschen, 2
dass 345 aufeinanderfolgende Generationen vor ihm in Aegypten
gelebt hätten, von denen keine an einen Gott oder einen Heros
anknüpfte. 3 Das Ergebniss der Thätigkeit auf dem Gebiete
der Verschmelzung der Ueberlieferungen — besonders der
chronographischen — der alten Völker, die in Aegypten seit den
Saiten sich zu vollziehen begann, und durch die Ptolemäer
neue Anregungen erhielt, waren einerseits die däsaTOiu? p.u0o-
koyoö^sva, 4 wie sie Josephus richtig bezeichnet, die Sagen,
aus denen sich fast alles zusammensetzte, was von den Griechen
uns als ägyptische Geschichte überliefert worden ist, anderer
seits die Reductionen der jüdischen und später der christlichen
Forscher.
Auf Aegypten wiesen hin, von griechischer Seite, die
Sagen von der Io, von Danaus dem Bruder des Aegyptos, die
auch schon von Amasis officiell anerkannt worden war, 5 und
dessen Nachkommen Perseus, sowie von dem Aufenthalte des
Menelaus in Aegypten 6 und hieran sich anschliessend die Frage
nach dem in Homer genannten Polybus, 7 der natürlich ein
1 Livius III, 31. Dionysius X, 51, 52, 54, 56.
2 Das Wort V&f) !
I romu ,Menschen“ mit dem Artikel Pi-romu ist
I
im Hieroglyphischen selten, desto häufiger aber im Demotischen und
Koptischen nachzuweisen, v. Birch in Wilkinson, Manners and Customs.
1878, I, p. 12 A.
3 Herodot II, 143.
4 Contra Apionem I, 16, 3.
6 Herodot II, 182.
0 Herodot II, 112 f. Homer Od. IV. 351—352.
7 Odyssee IV, 126.
Manethonisclies Gescliiclitswerk.
145
König sein musste, sowie von Heracles und dem grausamen
Busiris; 1 von jüdischer dagegen die Geschichten Abrahams,
Josephs, des Auszugs und besonders die Zeitrechnung der Er
schaffung der Welt, der Sündfluth und der Völkerzerstreuung,
die sich bei den ursprünglich niederen Zahlen der heiligen
Bücher, mit den hohen Ansätzen der Aegypter nicht verein
baren Hessen.
Wiewohl ich in anderen Untersuchungen, auf den Ein
fluss, welchen die ägyptischen chronographischen Systeme auf
die der Griechen und Juden geübt haben, zurückzukommen
gedenke, so muss ich doch auch in diesem Zusammenhänge
auf einen Punkt eingehen, der für unsere Ueberlieferung der
Manethonischen xogot von der höchsten Bedeutung gewesen ist
— ich meine die erhöhten Zahlen der Septuaginta. Im 3. und
2. Jahrhunderte vor Christi ist diese griechische Uebersetzung
des alten Testaments entstanden, 2 in einer Zeit sonach, welche
wie wir gesehen haben, die Traditionen der östlichen Völker
in Einklang zu setzen bemüht war. Sollte dieses Streben an
der in Aegypten und wohl in Alexandrien entstandenen Septua
ginta spurlos vorübergegangen sein? Ein Blick auf eine ver
gleichende Zusammenstellung der Zahlen für die Patriarchen
vor und nach der Fluth in dem hebräischen Urtexte und in
der Septuaginta 3 wird uns leicht vom Gegentheile überzeugen.
Den Zeitraum von Adam bis zur Fluth hat die griechische
Uebersetzung um 606, den bedeutend kürzeren von der Fluth
bis auf die Einwanderung Abrahams gar um 650 Jahre ver
längert, und dies alles nur vom Bestreben geleitet, den Anfang
der Menschengeschichte im Anschluss an die ägyptischen Ueber-
1 Lepsius, Chronologie der Aegypter 273 f.
2 De Wette-Schrader, Einleitung in das alte Testament, p. 92 f.
3 Ich verweise auf die Tabellen bei Delitzsch Genesis I, 429, 430. Von
Adam verflossen bis zur Fluth nach dem hebräischen Texte 1656 Jahre
(130 + 105 -[- 90 -f 70 -f 65 + 162 + 65 -f- 187 -f- 182 -(- 500 + 100)
nach der Septuaginta dagegen 2262 Jahre (230 -)- 205 -)- 190 + 170
fl- 165 162 187 -(- 188 4- 500 + 100). Von der Fluth oder genauer
von der Geburt Arpachäad’s bis auf Abrahams Einwanderung liess
der hebräische Text 365 Jahre (100 -)- 35 fl- 30 + 34 + 30 + 32 -)- 30
fl- 29 —f- 70 —(— 75), die Septuaginta hingegen 1015 Jahre (100 -)- 135
-f- (130) 130 -f 134 130 -)- 132 -{- 130 —J— 79 -f- 70 75) verstreichen.
Sitzangsber. d. phil.-hist. CI. XCV. Bd. 1. Hit. 10
146
Krall.
lieferungen möglichst hoch hinaufzurücken. Ohne an der über
lieferten Lebensdauer der Patriarchen 1 im Allgemeinen zu
rütteln, haben die Urheber der Septuaginta dies dadurch er
reicht, dass sie das Alter, welches die Urväter hei der Geburt
ihres Erstgebornen hatten, fast durchgehends um 100 Jahre er
höhten. Auch für die Zeit von Abrahams Einwanderung bis zum
Tempelbau, weicht der griechische Text von dem hebräischen,
wenn auch nicht mehr so bedeutend, ab; so waren, von dem
Aufenthalte der Juden in Aegypten abgesehen — nach der
Septuaginta verstrichen von der Einwanderung Abrahams bis
zum Auszuge 430 Jahre, von denen die Hälfte auf den Auf
enthalt der Juden in Aegypten entfielen — zwischen dem Aus
zuge und dem Tempelbau nach dem hebräischen Texte 480,
dagegen nach der Septuaginta nur 440 Jahre verflossen. Die
Zeit des Tempelbaus lässt sich freilich nicht bestimmt fest
stellen, 2 wir können jedoch, da es für unseren Zweck auf eine
genaue Angabe gar nicht ankommt, für denselben die Mitte
des 10. Jahrhunderts vor Christi annehmen.
Tempelbau c. 950 a. Ch.
Vom Auszuge bis auf denselben 440 J.
Wanderschaft in Canaan und Aegypten 430 „
Von der Fluth bis auf Abrahams Einwanderung 1015 „
c. 2835 a. Ch.
Nach den Zahlen der Septuaginta fällt daher die Geburt
Arpachsad’s etwa 2835 vor Christi, und da er 135 Jahre alt
bei der Geburt Selah’s war, so fällt seine Generation etwa
in die Jahre 2835—2700 vor Christi. Arpachsad ist nun der
Sohn Sems, dessen jüngerer 3 Bruder Ham in der Genesis als
der Vater Mizraims bezeichnet wird, des ersten Aegypters nach
der Bibel, des Begründers des ägyptischen Staates überhaupt,
wie er ja auch in der That in den unter dem Einflüsse der
1 Oppert, La Chronologie de la Genese, p. 5 f. Bertheau im Jahresberichte
der deutschen morgenländischen Gesellschaft. 1845, p. 40 f. Lepsius,
Chronologie der Aegypter p. 394 f. Preuss, die Zeitrechnung der Septua
ginta p. 30 f.
2 Unger, Chronologie p. 232.
3 Delitzsch, die Genesis I, p. 272.
Manethonisches Geschiehtswerk.
147
heiligen Schrift entstandenen Königslisten 1 an der Spitze der
menschlichen Könige erscheint. Arpachsad und Mizraim sind
sonach Vettern und Zeitgenossen, und es gehört auch des letz
teren Generation etwa in die Jahre 2835—2700 vor Christi,
d. h. die Tetraeteris 2726/2, der Beginn der festen ägyptischen
Zeitrechnung und daher der sicher beglaubigten Geschichte,
fällt in die Generation Mizraims, und wir erhalten aus den
Zahlen der Septuaginta, die unter der Einwirkung der ägyp
tischen Zeitrechnung zugeschnitten sind, einen neuen Beleg
für die Richtigkeit unserer bisherigen Ausführungen. Als unter
den Chronographen die Anschauung sich geltend machte, dass
unter Phalek die Völkerzerstreuung eingetreten sei, da sehen
wir, dass Africanus dessen Generation in die Jahre 2841—2712
setzte, derart, dass die Tetraeteris 2726/2, mit der die feste
ägyptische Zeitrechnung und auch der zweite t6[j.oc begann, in
die Zeiten Phaleks fiel, vor dem ja an den Anfang von Staaten
nicht recht zu denken war. Wenn ferner das chronographische
System des Eusebius mannigfaltige Uebereinstimmungen mit
dem ägyptischen zeigt, 2 so wird uns dies, nachdem wir ge
sehen haben, das? die Zahlen der Septuaginta selbst von der
Gleichung Mizraim = Anfang der sichern ägyptischen Ge
schichte beeinflusst sind, gar nicht auffallend erscheinen, und
wir werden daher unsere Zuflucht zu der sehr unwahrschein
lichen Annahme nicht zu nehmen brauchen, dass Eusebius sein
chronographisches System nach den ihm vorliegenden tipoi
bearbeitet hat, denen er in seinem Canon gar nicht gefolgt
ist, wie dies die Vergleichung der Ansätze für die letzten
Dynastien deutlich zeigt. 3
1 So beginnt der Canon des Synkellos mit Msorpaip 6 xai Mrjvrj;.
2 v. Pessl, Das chronologische System Manetho’s. 1878, p. 101 f.
3 Tdpoi des Eusebius XXIX. Dynastie: Nepherite annis VI, Akhöris
annis XIII. Phsammuthes anno I Muthesanno I, Nepherites mensibus IV
Canon des Eusebius Ephirites a. 6, Aehoris a. 12, Psamuthes a. 1,
Nephirites a. 18.
Top.oi XXX Dynastie: Nectanebis annis X, Teos annis II, Nectanebus
annis VIII, Canon Teos a. 2. Nectanebus (alter, adhuc?) a. 18 (19 Z).
10*
148
Krall.
Dem neuen Culturvolke, den Griechen, welches unter der
Herrschaft der Ptolemäer alle Schichten des ägyptischen Volkes
zu durchdringen begann, fehlte zu einer richtigen Darstellung
ägyptischer Geschichte die genaue Kenntniss der Sprache, sowie
überhaupt das tiefere Eingehen auf die Eigenart des ägyptischen
Volkes; zugleich war ihnen wohl auch die Einsicht der in den
Tempelarchiven aufbewahrten heiligen Schriften, ohne welche
an eine richtige Darstellung ägyptischer Geschichte gar nicht
zu denken war, verwehrt. Da unternahm es im 3. Jahrhun
derte vor Christi ein ägyptischer Priester selbst, der ganz mit
griechischer Bildung erfüllt war, 1 Manetho aus Sebennytos,
den Griechen die Geschichte seines Volkes quellenmässig zu
erzählen. Ueber Manetho’s Leben sind wir fast gar nicht
unterrichtet, wir wissen nur, dass er in den letzten Lebens
jahren Ptdlemäus I. schon die priesterliche Laufbahn beschritten
hatte, 2 und dass sonach unter dessen Nachfolger Ptolemäus
Philadelphus der Höhepunkt seines Wirkens fällt. 3 Alle an
deren Angaben, die sich beim Synkellos finden, haben nur
einen problematischen Werth, da sie auf die Widmung der
unechten ßiß'Ao; ütoOsw? zurückgehen. 4 Eine Reihe von
Schriften wird auf ihn zurückgeführt, von allen sind jedoch
nur spärliche Fragmente auf uns gekommen. Gewiss gehen
auf Manetho folgende Werke zurück: 5
1 Josephus C. A. X 14, 1 xrjc 'IiXLjVi/.f); p.STeayrjxio; rauosfas.
2 Vgl. meine Schrift ,Tacitus und der Orient 1 (Wien 1879, bei Konegen), I.
3 Da die Angabe zu dem vierten Könige der XII. Dynastie der röpoi:
Aayaprjc o; tov iv ’Apmvotn) AaßupivOov eobjtm Tchpov xaTEazEuaue doch wohl,
wie Unger, Chron. 2, annimmt, von Manetho herrührt, so haben wir
neben der Angabe Plutarch’s, einen weiteren festen Anhaltspunkt zur
Bestimmung der Lebenszeit Manetho’s, sowie hauptsächlich der Abfassungs
zeit der Alyujrriay.ä gewonnen. Die Stelle muss einige Zeit nach der
Vermählung der Arsinoe mit Ptolemäus II. geschrieben sein, da er ja zu
Ehren seiner Schwester und Gemahlin der Stadt Krokodilopolis den
Namen Arsinoe gab. Die Heirat fand nach Unger (1. 1. p. 2) im Jahre
277 statt. Droysen (Geschichte der Epigonen I, 268 A) verlegt sie da
gegen ziemlich dicht vor das Jahr 266. In unseren Untersuchungen
,Tacitus und der Orient“, haben wir uns dem Ansätze Ungers ange
schlossen.
4 Synkellos p. 40 A. Günstiger urtheilt über dieselben Lepsius, Chrono
logie, p. 406.
6 Müller, F. H. Gr. II, 511 f. Parthey, Ueher Isis und Osiris p. 180 f.
Manethonisclies Geschichtswerk.
149
1) AfyuvtionuE
2) ‘lepa ß(ßAo?
3) tpugafijv STttTOjJ,^
4) riep't lopTÜv
5) Ilspi apyaicp.oj y.c/1 iügsßstaq
6) Ilspi y.aTagy.eu% y.u®üov.
Ob die vier letztgenannten Schriften nur Theile der
ispa ß(ßXo?, was uns mit Fruin 1 das Wahrscheinlichste scheint,
oder ob sie selbstständig erschienen sind, lässt sich mit Sicher
heit nicht erkennen.
Von den angeführten Werken wird uns fortan nur das
erstgenannte, die Aifurasr/.ä zu beschäftigen haben, von dem
zum Glücke uns zahlreiche Fragmente 2 erhalten sind. Unter
diesen kommen für unsere Untersuchungen diejenigen in erster
Linie in Betracht, welche Josephus in seiner Streitschrift
gegen Apion 3 uns gibt; einerseits weil Josephus nach seiner
eigenen Versicherung wenigstens 4 seinen Gewährsmann grossen-
theils wörtlich wiedergibt, andererseits weil er unter den
Quellen, auf die wir bei der Untersuchung der Fragmente
Manetho’s angewiesen sind, Manetho der Zeit nach am näch
sten steht, was bei einem Autor, der wie wir noch sehen
werden, im Laufe der Zeit so mannigfaltige Umgestaltungen
erfahren hat, sehr viel zu bedeuten hat. Jede Untersuchung
der Manethonischen Fragmente hat sonach von der primären
Quelle, von des Josephus Schrift Contra Apionem auszugehen
und vorerst an der Hand derselben eine möglichst deutliche
Vorstellung von der Anlage der Atyuimonwt zu gewinnen, die
noch immer trotz der fortschreitenden Erforschung der Denk
mäler unsere Hauptquelle für die ägyptische Geschichte bilden
müssen. In zweiter Linie kommen dann für unsere Untersuchung
1 Manetho p. LXXYI.
2 Ich bediene mich für den Africanus der Ausgabe von Unger in seiner
Chronologie des Manetho.
3 Der eigentliche Titel dieser erst nach dem Jahre 101 verfassten Schrift
ist izepl xtov ’louoahov apyaioxrjTO?. Bei Hieronymus finden wir sie dagegen
unter dem jetzt allgemein üblichen aber wenig passenden Namen auf
geführt: /.öd ouo ap‘/atoTr]Toc xaxa ’Aricovo? ypap.[xaTf/.oü ’AXe^avSpeco;. Cf.
J. G. Müller, Des Josephus Schrift gegen den Apion p. 17 f.
4 Wir kommen hierauf p. 152 zurück.
150
Krall.
in Betracht die x6p,ot des Julius Africanus und Eusebius 1 sowie
die Excerpta latina Barbari. 2 Während uns Josephus Bruch
stücke aus den ßtßXoi der AtYinrnoxä bringt, haben wir es hier
zu thun mit Uebersichtstafeln 3 zu chronologischen Zwecken,
die aus den ßißXoi gezogen worden sind, etwa in der Weise
wie Mark Aurel sich ausdrückt: feci excerpta ex libris 60 in
5 tomis. 4 Während uns in den ßt'ßXoi die ernste und gedrun
gene Darstellungsweise Manetho’s entgegentritt, werden uns in den
-&l>.oi dürre Namen- und Zahlenverzeichnisse geboten, die hie
und da von kurzen Notizen und Synchronismen aus griechischer
und jüdischer Geschichte unterbrochen werden und in den
Tsp.oL des Barbaras sogar gänzlich fehlen. Noch trüber fliessen
die Quellen, die uns in dem Vetus Chronicon und in den
Bruchstücken aus dem Sothisbuche beim Synkellos erhalten
sind. Ihre Verfasser haben kein Interesse mehr für Personen
und Ereignisse, sondern nur für Zahlen, ihre Quellen sind die
Tijjioi und die heilige Schrift, Quellen sonach, die auch uns zur
Verfügung stehen — für unsere Untersuchungen haben sie
daher keine Bedeutung, sie können uns höchstens zeigen, bis
zu welchem Grade die Verstümmelung der ursprünglichen
Manethonischen Angaben gediehen ist.
Schon Boeckh 5 hat dargethan, dass das alte Chronicon
ein Machwerk späterer Zeit sei, welches zum Behufe der
Rechtfertigung der biblischen Zeitrechnung gegenüber der
ägyptischen angefertigt wurde. Es umfasste 36.525 Jahre,
d. h. 25 Cyclen von je 1461 Jahren, die auf 30 Dynastien und
113 Geschlechter, die in Auriten, Mesträer und Aegyptier zer
fielen, vertheilt waren. Das Chronicon begann mit den Götter
regierungen und endigte mit Nectanebus, mit der Eroberung
Aegyptens durch Ochus sonach, mit welcher der Verfasser eine
Sothisperiode eintreten liess. Nach den Darlegungen von Boeckh 6
1 A. Schöne, Eusebi Chronicorum libri duo, I, 131 f.
2 Schöne 1. 1. I, 177 f.
3 Das Wort idjao; als Synonym mit unserem Worte Tafel, findet sich an
verschiedenen Stellen, wir erinnern an das o tou ^atr/a des Anian
beim Synkellos. Unger, Chronologie p. 9 f.
4 Bei Front» II 13, Unger, Chronologie p. 10,
5 Mauethu p. 421 f.
6 Manetho 1. 1.
Manethomscheß Geschiclitswerk.
151
Lauth 1 und Unger, 2 auf die wir, sowie wir das Sothisbuch
berühren, verweisen, ist die Bedeutung des Vetus Chronicon
klar gelegt, wir wissen nun, dass seine Quelle die des
Eusebius waren, und dass es allein Anscheine nach in der
zweiten Hälfte des 4. Jahrhunderts entstanden ist.
Auch die Unechtheit des Sothisbuches ist von Boeckh 3
mit durchschlagenden Gründen dargethan worden, v. Gutschmid 4
und im Anschlüsse an ihn, Lauth 5 haben die Werthlosigkeit
der von dem Sothisbuche als manethonisch gegebenen Zahl
3555 zur Gewissheit erhoben; Lepsius 6 und Unger 7 verdanken
wir den Nachweis, dass es jünger als das Vetus Chronicon
ist, dem es nach Zweck und Werth vollkommen gleichsteht.
Zur Ausfüllung der Dynastien, die in den ohne nament
liche Angabe der einzelnen Könige aufgeführt erscheinen, hat
der Verfasser des Sothisbuches die willkürlichsten Namen er
funden — so die ganze Reihe von Ramesses, Ramessomenes,
Ramesseseos, Ramessomeno, Ramesse Jubasse, Ramesse Uaphru,
die wie Lepsius und Lauth s dargethan haben, die XVI. Dy
nastie der T5JJ.01 darstellen sollen.
Ebenso wenig als das Vetus Chronicon und das So
thisbuch , werden wir bei unseren Untersuchungen ein drittes
Machwerk in Betracht ziehen, nämlich die angebliche erato-
sthenische Liste, die uns Synkellos theilweise erhalten hat.
Schon Rask hat darauf hingewiesen, dass die fünfzehn ersten
Könige dieser Liste gerade wie die fünfzehn Geschlechter des
Chronicon 443 Jahre umfassen, in neuester Zeit hat Id. Diels
den Beweis erbracht, dass die Liste ein Machwerk der nach
christlichen Zeit sei. 9
Nachdem wir uns also den Weg frei gemacht haben,
wenden wir uns zur Betrachtung der Manethonischen Frag-
1 Manetho p. 14 f.
2 Chronologie des Manetho p. 20 f.
3 Manetho p. 396 f.
4 Beiträge zur Geschichte des alten Orients p. 8.
5 Manetho p. 17.
6 Chronologie p. 413 f.
7 Chronologie Manetho’s p. 29 f.
8 Manetho p. 22.
9 Chronologische Untersuchungen über Apollodor's Chronica (Rheinisches
Museum 31 Bd., p. 1 f.).
152
Krall.
mente, wie sie uns bei Josephus vorliegen; ihn müssen wir
nach den Grundsätzen der historischen Kritik, da Manetho’s
Werk verloren gegangen ist, als den ältesten Zeugen über
dasselbe vernehmen.
I. Capitel.
Die Fragmente des Josephus.
Die Manethonischen Fragmente bei Josephus behandeln
den Einfall der Hyksos, ihre Herrschaft über Aegypten, sowie
ihre Vertreibung durch das nationale Königthum, ferner die
Geschichte des Sethotis und Armais, in welche getrübte Er
innerungen an den Kampf zwischen Sutech (Seth) und Har-
machis hineinspielen, endlich den Auszug der Juden, bei dem
Josephus näher verweilt. Zur Ausfüllung der Zeit, welche
zwischen diesen Ereignissen verflossen ist, dienen verschiedene
Königslisten, die von Synchronismen aus assyrischer und
griechischer Geschichte begleitet werden.
So wenig umfangreich und zusammenhängend diese Frag
mente auch sind, so geben sie uns doch ein ganz genügendes
Bild von der knappen und ernsten Darstellung Manetho’s, die
uns von Josephus theils wörtlich, theils auszugsweise wieder
gegeben wird. Hier ist es vor allem für uns wichtig festzu
stellen, mit welchem Grade von Genauigkeit Josephus bei der
wörtlichen Wiedergabe Manetho’s vorgegangen ist, wobei uns
wohl zu Statten kommt, dass Josephus sich bei der Wider
legung der Darstellung Manetho’s über den Auszug der Juden,
veranlasst sieht, dieselbe noch einmal vorzuführen. Die Ver
gleichung dieser beiden Reproductionen des Manethonischen
Textes 1 zeigt uns, dass wir bei Josephus auch in den wört-
1 I'26, 11: ’AvaXaßtuv xe xo'v xe zat 72 aXXa xa exeuh :J27a~:ij.^0:v72
tspa uöa, eu0u; Etc A?0torfav ävrjyOr, wird I 28, 10 wiedergegeben ’AptE-
vtoo’.v et? xrjv AtOtoixlav $u0'u; avoSpavat, tov oe Wxtv za: xtva xüiv aXXajv
üpwv £ojü>v napaxEOEtx^vat rot? UpEuat 8iai»uAdxxEa0at xsX$uaavxa oder I 26,
13: Ol OE 5oXup.ixai . . . zai Oüxa; zat apaystc xoüxiov (sc. xßv Upöv tlt-Wt)
lepst; zat -pourjxa; flvayza£ov yiyvsaOat verwandelt sich I 28, 11 in xou;
'lEpoooXupiixa; . . . zat xou; tEpcac änoopäxxEtv. Ferner I 28, 5 fnä oysobv
Manethonisclies Geschichtswerk.
153
liehen Fragmenten keine vollkommen genaue Wiedergabe seiner
Vorlage zu suchen haben, sondern, dass er im Gegentheile
sich zahlreiche Ungenauigkeiten und Versehen hat zu Schulden
kommen lassen, wie er denn auch I 2G, 11 liamses, den Sohn
des Amenophis, als TCvxasriuns vorführt, während er ihn
I 33, 6 dagegen vsavla? nennt; ja nach I 29, 5 soll er zu der
selben Zeit, also als ein fünfjähriger Knabe, ein Heer gegen
die eingefallenen xoipsves geführt haben.
Stossen wir demnach schon hier auf eine Trübung des
Manethonischen Berichtes, wie er dem Josephus vorlag, so er
öffnet sich uns keine erfreuliche Aussicht, wenn wir die Frage
aufwerfen, welche Veränderungen das ursprüngliche Manetho-
nische Geschichtswerk bis auf die Zeit, wo Josephus sein
Buch Contra Apionem schrieb, erfahren hat, d. h. während
eines Zeitraumes von ungefähr drei und ein halb Jahrhun
derten. Allem Anscheine nach lagen Josephus zwei verschie
dene Handschriften der AlfüimonM! vor, aus denen er uns zwei
ganz abweichende Erklärungen des Namens der Hyksos gibt. 1
Die eine derselben, die mit den Denkmälern vollkommen
überein stimmt, gehört wohl Manetho an, während die andere,
welche eine geringe Kenntniss der ägyptischen Sprache vor
aussetzt, uns an die schönen Erklärungen in der Königsliste,
die dem Eratosthenes zugeschrieben wird, erinnert; sie findet
jedoch die Billigung des Josephus, da sie den Vorzug hat, mit
der jüdischen Tradition besser in Einklang zu stehen, wodurch
sie sich freilich in unseren Augen als ein später Zusatz irgend
eines jüdischen Gelehrten documentirt. Zu den Ungenauig
keiten, die sich Josephus bei der Wiedergabe seiner Quelle
hat zu Schulden kommen lassen, treten sonach die Verände
rungen hinzu, die jüdische und griechische Gelehrte, die gleich-
mässig durch ihre Ueberlieferungen auf die ägyptische Chro
nologie und Geschichte gewiesen waren, am Manethonischen
Texte vorgenommen haben, und deren Tragweite wir leider
auXXey^vai wovon I 26, 6, wo der Bericht Manetho’s wörtlich
wiedergegeben wird, nichts steht. Ebenso I 27, 1: evtxrjaav (sc. tou;
Koijiivocs xat (xiapoä$) xat 7CoXXou? a-o/.Tdvavie; i8(co£av auirou; aypi xwv
opfwv Tfjs 2up(a; dagegen ausführlicher I 29, 7:6 8s fii^P 1 2up(a;
avaipwv, <p7]atv, auiouc rjxoAou(h)ge ota xf)$ <Jmx(j.[aou xrj; avuopou.
1 C. A. I 14, 16.
154
Kr all.
zu ermessen gar nicht in der Lage sind. Erwägt man ferner,
dass auch unser Text des Josephus viel zu wünschen übrig
lässt, 1 so wird man zugeben müssen, dass wir selbst bei den
Fragmenten die uns Josephus bringt, uns auf keinem sicheren
Boden bewegen.
Wir wenden uns nach diesen einleitenden Betrachtungen
zu den Königslisten und den chronologischen Angaben, die
uns Josephus mittheilt, da dieselben für unsere Untersuchung,
welche die Fragmente Manetho’s nicht nach ihrer sachlichen,
sondern ihrer chronologischen Seite hin, zu prüfen hat, haupt
sächlich in Betracht kommen. Werthvoll ist für uns hiebei
eine Bemerkung von Josephus, aus der wir erfahren, dass Ma-
netho jedem Könige auch die Zeit seiner Regierungsdauer sorg
fältig beigefügt hat. 2 Bevor wir die Königsreihen näher ins Auge
fassen, müssen wir zweierlei uns ins Gedächtniss zurückrufen,
einmal die Flüchtigkeit, mit der Josephus arbeitet, und die
besonders in chronographischen Dingen sich leicht rächt, sodann,
dass wir es mit den Fragmenten eines Autors zu thun haben,
dessen Genauigkeit, selbst für die ältesten Zeiten, die Tafeln
von Saqqarah und Abydos auf das glänzendste bestätigt haben.
Wir gehen daher von der Ansicht aus, die wohl bei Niemanden
Anstoss erregen wird, dass grobe Verstösse in einer an Monu
menten so reichen Zeit, wie die der Thutmosiden und Rames-
siden es ist, bei Manetho nicht vorauszusetzen sind.
Josephus gibt uns drei Königsreihen. Die erste I 14, 8
enthält die Hyksoskönige, die zweite I 15, 2 deckt sich grossen-
theils mit der XVIII. Dynastie des Africanus und Eusebius,
die letzte I 26, 4 mit der XIX. Dynastie.
Die Reihe in I 15, 2 lautet:
Thutmosis regiert nach der Vertreibung der
Hyksos 25 Jahre
Chebron, sein Sohn 13 „
Amenophis 20 „
Amessis, seine Schwester 21 „
Mephres 12 „
4 Monate
7
9
9
1 v. Gutschmid, Beiträge 16.
2 C. Ä. I 26, 3.
Manethonisclies Geschiclitswerk.
155
Mephramuthosis 25 Jahre 10 Monate
Thmosis 9 „ 8 „
Amenophis 30 „ 10 „
Oros 36 „ 5 „
Akenchris, seine Tochter 12 „ 1 „
Rathotis, ihr Bruder 9 „
Akencheres 12 „ 5 „
Akencheres 12 „ 3 „
Armais 4 „ 1 „
Ramesses 1 „ 4 „
Armesses Miamun 66 „ 2 „
Amenophis . . . . , 19 „ 6 „
Die Reihe wird von einem Könige eröffnet, der von Jo-
sephus beharrlich Thutmosis genannt wird; es kann jedoch
kein Zweifel darüber bestehen, dass wir es hier mit dem Ver-
treiber der Hyksos, Ahmes zu thun haben. Weiter unten
werden wir zu untersuchen haben, wie denn Josephus zu seiner
abweichenden Namensform gekommen ist, 1 hier genügt es
darauf hinzuweisen, dass die 25 Jahre, die diesem Könige
beigelegt werden, vortrefflich mit den monumentalen Angaben
stimmen, die das 22. Jahr des Ahmes verzeichnen. 2
Als dessen Nachfolger bezeichnet Josephus dessen Sohn
Chebron und dann Amenophis; nach den Denkmälern dagegen
folgte auf Ahmes vorerst sein Sohn Amenhotep I. und dann
Thutmes I. mit dem Beinamen Q | [ j Chep(er)-Rä-qa-ää,
in welchem wir das griechische Xsßpwv erkennen. Wir haben
es sonach mit denselben Königen zu thun, nur mit dem Unter
schiede, dass in der Reihe des Josephus ihre Folge ver
tauscht ist.
1 Der armenische Eusebius hat für Thutmosis die ursprüngliche Form
Sethmosis und wir glauben, dass Josephus den König Set-nub-ti-ää-pehti,
auf den wir in unserem Excurse zurückkommeu, mit Ahmes entweder
verwechselt oder verschmolzen hat.
2 Brugsch, Geschichte Aegyptens 258 f. Cf. überhaupt die vollständige Zu
sammenstellung unserer Nachrichten über die XVIII. Dynastie des Afri-
canus und Eusebius von Dr. Wiedemann in der Zeitschrift der morgen-
ländischen Gesellschaft Bd. 31 und 32, und Pleyte, ,Königin Makara 1
(Aeg. Z. 1874, p. 43 f.).
15«
Krall.
Als Nachfolgerin des Amenophis bezeichnet Josephus
dessen Schwester Amessis. Die Denkmäler wissen dagegen
Folgendes zu berichten : Thutmosis I. hinterliess drei Kinder,
eine Tochter Hasop und zwei Söhne, die späteren Thutmosis II.
und III., von denen der letztere noch unmündig war. Auf
den Vater folgte Thutmosis II., der nach ägyptischer Sitte mit
seiner Schwester Hasop sich vermählte, die nach dem bald
eingetretenen Tode ihres Gemahls und Bruders die Regierung
für ihren Bruder Thutmes III. führte. 1 Zu wiederholten Malen
finden wir Hasop neben ihrem königlichen Gemahl Thutmes II.
AA/VWA
Amon-sat bezeichnet, d. h. Amensis oder Amessis. 2
Die Liste des Josephus ignorirt die Regierung Thutmes II.
gänzlich, verzeichnet dagegen die seiner Mitregentin und
Schwester Amessis; während hinwiederum die officiellen ägyp
tischen Königsverzeichnisse nichts von Amessis-Hasop wissen
und blos die Regierung von Thutmes II. und III. kennen.
Einundzwanzig Jahre sagt uns Josephus hat Amessis-Hasop
regiert. In denselben müssen zuerst die Jahre der Regierung
Thutmosis II. und dann auch die Jahre eingerechnet sein, in
denen Hasop für ihren jüngeren Bruder Thutmosis III. die
Herrschaft führte. Die Denkmäler zeigen uns dagegen, dass
der grosse Eroberer die Mitherrschaft seiner Schwester über
ging, und die Jahre derselben sich allein zuzählte, wie er denn
auch den Namen seiner Schwester auf den Inschriften aus-
meisseln Hess. Leider verweigern die Denkmäler eine genaue
Auskunft darüber, wie lange Hasop mit Thutmes III. zusammen
regiert hat; wir wissen nur, dass das Jahr 16 des Thutmes
das letzte ist, in dem er mit seiner Schwester gemeinsam herr
schend auftritt, 3 und wir werden daher nicht viel von der
Wahrheit abweichen, wenn wir annehmen, dass seit seinem
16. Regierungsjahre, Thutmes allein die Herrschaft geführt hat.
Von den 21 Jahren der Regierung der Amessis würden sonach
etwa 5 auf ihre Herrschaft mit Thutmes II. und 16 auf die mit
Thutmes III. entfallen.
1 Brugsch, Geschichte Aegyptens, p. 275 f.
2 Pleyte 1. 1. p. 44.
3 Brngsch 1. 1. p. 291.
Manethonisches Geschichtswerk.
157
Auf Amessis folgten nach der Liste des Josephus, Mephres '
mit 12 Jahren 9 Monaten, Mephramuthosis mit 25 Jahren 10 Mo
naten; aus den Denkmälern ist uns dagegen bekannt, dass
Thutmes III. genau 53 Jahre 11 Monate und 4 Tage, 2 also
rund 54 Jahre, regiert hat. Von denselben würden nach dem
Gesagten etwa 38 Jahre auf die Alleinherrschaft, 16 auf die
gemeinsame Regierung mit Hasop fallen. Wir haben gesehen,
dass die Liste des Josephus die 16 Jahre in der Regierung
der Amessis untergebracht hat; addiren wir nun die Regierungs
dauer ihrer beiden Nachfolger, so erhalten wir die gesuchten
38 Jahre (und dazu 7 Monate), d. h. Mephres und Mephramu
thosis) sind nicht zwei Könige sondern nur einer; ihre Re
gierungen geben uns zusammengezählt die Zeit der Allein
regierung Thutmes III., wie denn der zweite Name nichts ist
als der, durch Thutmosis vermehrte, erste.
Wir erhalten sonach folgende Tafel der Regierungen der
Nachfolger des Ahmes:
1 Ahmes [Amasis] 25 Jahre 5 Monate
3 Amenhotep [Amenophis] . 20 „ 7 „
2 Thutmes I. [Chebron] ... 13 „
4 Amunsat-Hasop [Amessis] . ( 5 „ + x Thutmes II.
(16 fl -f" x) gemeinsam mit Thutmes III.
5 Mephres gt 12 J. 9 M. ( 54 J. Thutmes III.
6 Mephramuthosis ... ( 25 „ 10 „ ]
Der Beginn der Herrschaft des Mesphramuthosis fällt
mit dem 30. Regierungsjahre Thutmes III. zusammen, wie aus
der vorstehenden Tabelle ersichtlich ist, also mit dem Jahi’e,
welches als Abschluss einer Triakontaeteride in der Regierung
jedes Königs vom ganzen Lande festlich begangen wux-de.
Auf die Könige Mephres und Mephramuthosis folgen bei
Josephus Thmosis (9 Jahre 8 Monate), Amenophis (30 Jahre
10 Monate) und Orus (36 Jahre 5 Monate); die Denkmäler
dagegen geben uns die Reihe Amenhotep II., Thutmes IV. und
1 i\l7j<pp7]i; ist wie das folgende toj zeigt, ein Mann und keine Frau, wozu
ihn einige Forscher gern machen möchten.
2 Brugsch, ,Der Tag der Thronbesteigung des dritten Thutmes* (Aeg. Z.
1874, p. 138 f.).
158
Krall.
Amenhotep III., sodann den König Amenhotep IV., Achu-n-aten, 1
dessen Namen den Amonspriestern ein Gräuel war, hierauf
eine Reihe von Kleinkönigen, endlich Hor(-m-hib). In der
Liste ist sonach der Nachfolger Thutmes III., der zweite Amen
hotep, der nur kurze Zeit regiert haben kann — seine höchste
Regierungszahl, 3 Jahre, findet sich auf der Stele von Amada
— ausgelassen; hingegen sind dessen Nachfolger Thutmes III.
und Amenhotep III. an ihre richtige Stelle gesetzt. Mit Horus
(Orus, Hor-m-hibj begegnet sich die Liste des Josephus mit
den Monumenten wieder. Achu-n-aten und seine unbedeutenden
Nachfolger sind bei Josephus verschoben, sie wurden hinter Orus
aufgeführt (cf. p. 185 und 187). Als seine Nachfolger werden uns
nämlich Akenchris, die als seine Tochter, und Rathotis, der als
ihr Bruder erscheint, und zwei Akencheres bezeichnet. Leider
werfen auch die Denkmäler kein genügendes Licht auf diese
Periode ägyptischer Geschichte; wir befinden uns daher bei
der Vergleichung mit denselben in keiner günstigen Lage.
Amenhotep IV. nahm, in ausgesprochenem Gegensätze zu den
Amonspriestern in Theben, bald nach seinem Regierungs
antritte den Namen Achu-n-aten, Achu der Sonnenscheibe, an;
setzen wir hiefür Achu-n-rä, Achu der Sonne — der ägyp
tischen Priesterschaft musste ja alles daran liegen jegliche
Erinnerung an den Cult des Aten zu vernichten — so er
halten wir die ägyptische Form des griechischen Akencheres
oder nach der richtigeren Form bei Africanus und Euse
bius Acherres. Josephus, in dessen Liste er als letzter der
nachgetragenen, als legitim von den Aegyptern nie anerkannten
Könige erscheint, gibt ihm 12 Jahre 3 Monate, womit die Denk
mäler vollkommen übereinstimmen.' 2 Amenhotep IV., Achu-n-aten
starb ohne männliche Nachkommen zu hinterlassen. Eine seiner
Töchter Mer-aten war
mahlt; eine andere Anch-nes-pa-aten, die später den Namen
Änch-res-Amon annehmen musste, hatte (1
1 Ueber denselben vgl. Reinisch, Ursprung und Entwickelungsgeschichte des
ägyptischen Priesterthums, Wien, 1877. Ueber den Namen Achu-n-aten
cf. meine oben (p. 148) angeführte Schrift ,Tacitus und der Orient 1 I, e. 2.
2 Ueber die ganze Zeit: Brugsch 1. 1. p. 433 — 439, sowie Lepsius, Königs-
bneh Nr. 387—410.
Manethonisches Geschichtswerk.
159
Amon-tut-anch Hiq-an-res zum Manne. Beide sowohl Seäa-necht
als auch Tut-änch-Amon finden wir als Nachfolger Achu-n-aten’s
rwähnt, ausserdem noch den ,heiligen Vater' [j 0) [j [j Al der
sich O'
Cheperu-ra-ar-mat nannte. Die Bemer
kungen bei Akenehris und Rathotis ,seine Tochter', ,ihr Bruder'
geben uns keinen Sinn, wenn wir nicht den König Akencheres,
in welchem wir schon Achu-n-aten erkannt haben, zwischen sie
und Orus einsehieben. Dann ist in der That Akenehris (Acherres
Africanus) — aus Anch-nes-pa-aten und dieses wie Achu-n-rä aus
Achu-n-aten so seinerseits aus Anch-nes-rä entstanden — seine
(nämlich des Achu-n-aten) Tochter und auch Rathotis (Rathos
Africanus) konnte als ihr Gemahl, nach ägyptischer Sitte als
Bruder gelten. In Rathotis haben wir nach dem Gesagten
den Amon-tut-änch zu erkennen; wie seine Gemahlin ihren
frühem Namen Anch-nes-pa-aten in Anch-nes-amon verwandeln
musste, so mag auch er früher den Namen Aten-tut-änch geführt
haben, welcher von Manetho durch Rä-tut-änch wiedergegeben
wurde. Das ursprüngliche Aten der Denkmäler wird sonach
von Manetho durehgehends durch Rä ersetzt — in dieser ein
fachen Thatsache liegt die Erklärung dieser sonst unlösbaren
Namen. Noch bleibt ein Name zu erwägen; es ist der zweite
Akencheres bei Josephus — wohl eine Verschreibung veranlasst
durch den gleichlautenden folgenden König — für den Afri
canus die richtige Form Chebres gibt, worin wir unschwer
den Beinamen des heiligen Vaters Al ,Chep(eru)-rä‘ wieder
erkennen.
Seää-necht, dessen Name das einzige ist, was die Denkmäler
von ihm bisher gemeldet haben, wurde von der Liste des Jo
sephus mit Stillschweigen übergangen, die andern Herrscher
seit Amenhotep III. finden sich dagegen alle in derselben, und
es stellt sich sonach die Reihe bei Josephus seit Thutmes IH.,
mit den Denkmälern verglichen, folgendermassen :
[Amenhotep II. fehlt]
7 Thmosis [Thutmes IV.] 9 J. 8 M.
8 Amenophis [Amenhotep HI.J 30 „ 10 „
rä
13 Akencheres (Acherres) [Achu-n-aten] 12 „ 3 „
10 Akenehris, seine Tochter [Anch-nes-pa-aten] . 12 „ 1 „
160
Krall.
Ra
11 Rathotis, ihr Bruder [Aten-tut-änch] 9 J. — M.
12 Akencheres (Chebres) [Chep(eru)-rä Ai] .... 12 „ 5 „
9 Oros [Hor-m-hib] 36 „ 5 „
Mit Horus lassen die Denkmäler ein Königsgeschlecht
ausgehen und ein neues, das der Ramessiden, an seine Stelle
treten. Der erste dieses Hauses war Ramessu I., ihm folgten
Mineptah Seti I. und Miamun Ramessu II., von welchem
letztem wir das 67. Jahr auf den Denkmälern erwähnt linden 1
— es war sein letztes und gehörte ihm nicht ganz zu. Auf
Ramessu II. folgten den monumentalen Nachrichten zufolge
Mineptah II. Hotepbiermä und hierauf Seti Mineptah III. Die
Liste des Josephus macht bei Orus (9. König) beziehungs
weise Akencheres (13. König) keinen Abschnitt, sie setzt sich
fort mit Armais, Ramesses, Armesses Miamun (66 Jahre
2 Monate), und Amenophis (19 Jahre 6 Monate), mit dem das
Verzeichniss abbricht. Wir erhalten in den nächsten Para
graphen die Geschichte des Verrathes, den Armais gegen seinen
Bruder den König Sethosis, der auch Ramesses hiess, begehen
wollte, der jedoch mit der Vertreibung des Armais endete,
welcher nun den Beinamen Danaus erhielt, während sein Bruder
den von Aegyptos bekam. Wie wir aus I 26, 4 ersehen, herrschte
Setliosis-Aegyptus nach diesen Ereignissen noch 59 Jahre, und
es folgte auf ihn sein Sohn Rampses, der 66 Jahre regierte.
Wenn, wie es in der Tliat, nach der jetzigen Fassung der
Worte des Josephus den Anschein hat, der Sethosis-Ramesses
in I 15, 3, auf den Amenophis folgte, der die lange Königs
reihe in 115, 2 abschloss, dann hätten wir folgende Reihenfolge:
Armais
Ramesses
Armesses Miamun . . .
Amenophis
Hermaios und Sethosis
Sethosis [— Ramesses] .
Rampses
4 Jahre 1 Monat
1 „ 4 „
66 „ 2 „
19 „ 6 „
59
66
1 Pierret, Priere de R«amses IV k Osiris (Revue Arcli. XIX. p. 273),
Brugsch 1. 1. 561.
Manethonisches Geöchichtswerk.
161
Ganz abgesehen davon, dass eine solche Reihenfolge
monumental ganz undenkbar ist, zeigt eine ganz einfache Be
trachtung derselben, dass hier nicht eine sondern die zwei
folgenden Reihen vorliegen , die parallel mit einander laufen.
Denkmäler: I, 15, 2: I, 26, 4:
Armais 4J. 1M. Hermaios [= Danaus]
t =Ramessesl
. I 59J.
— AegyptosJ
RamessuII.Meiamun Armesses Miamun66 „ 2 „ Rampses 66 „
Meneptah II. Amenophis.
Der König Sethosis in I, 15, 3 folgte sonach nicht, wie
man nach dem Wortlaute der freilich verderbten Stelle, die
schon im Alterthume Anlass zu verschiedenen Conjecturen ge
geben hat, 1 annehmen müsste, auf Amenophis, sondern im
Gegentheile war das Verhältniss folgendes: Josephus gibt in
I, 15, 2 die gesammte Reihenfolge der Könige seit Ahmes, dem
Vertreibet’ der Hyksos an, d. h. der Zeit, in welche er den
Auszug der Juden setzte bis einschliesslich Amenophis (einem
der Könige der XIX. Dynastie des Africanus und Eusebius),
also dem Zeitpunkte, in welchem Manetho den Auszug statt
finden liess; er will uns hiedurch den Abstand zeigen, der
zwischen den beiden Ansätzen bestand, und damit einerseits
die Ansicht Manetho’s widerlegen, andererseits uns das hohe
Alter des jüdischen Volkes vorführen. Zu diesem Zwecke
nimmt er auch I, 15, 3 die Geschichte von Sethosis und Armais
auf, die sonst für den Zusammenhang seiner Darstellung ganz
überflüssig ist, indem ihm die Identificirung des ersteren mit
Aegyptus, des letztem mit Danaus willkommenen Anlass gibt, zu
constatiren, dass 393 Jahre vor der Ankunft des Danaus in
1 Bunsen (Urkundenbuch p. 46) bemerkt zu der Stelle: Ipsa autem sen-
tentia veteres jam exercuit grammaticos e quibus invita Minerva aliquis
haec adscripsit, quae in margine Codd. Big. et Hafn. apposita leguntur :
Eupcva’. ev hipo) avciypacpü) ou-ios'p.EO’ ov SeOwgi; xai 'Papifftnj? ouo aBeXcpol,
o (J.EV vaui'xrjv sf^cov ouvap.iv tou; -/.ata QaXaaaav axaVTüma; SiE/Eipouviro
TzoXiopxiov * |xet’ ou t:oXu 8s tov TatxEaayjv avsXojv v App.aVv aXXov auvou aSsAcpov
hhpor.ov T7)<; Aiyujttou xar^rojaEV. Der Satz womit I, 15, 3 anhebt knüpft
nicht an den letzten König Amenophis, sondern an den drittletzten
König an, es muss daher heissen: '0 8e Ss'Otoai? xai 'Paascrarj;, tatxf,v
xai vauxtxnv e^iov ouvau.iv, tov «SeX^ov w App.aVv hhpor.ov tfj; Aiyu^rou xazi-
aT7)asv x. t. X.
Sitzungsber. d. phil.-liist. CI. XCV. Bd. I. Hft.
11
162
Krall.
Argos und nahezu tausend Jahre vor dem trojanischen Kriege seine
Vorfahren aus Aegypten ausgewandert seien. Durch unsere An
nahme, dass die Königsreihe in I, 26, 4 schon in der von I, 15, 2
enthalten sei, lösen sich sofort die Schwierigkeiten der An
knüpfung der beiden Listen, die schon in den Königslisten bei
Eusebius, wie wir noch sehen werden Spuren hinterlassen haben,
und wir gewinnen zugleich die erwünschteste Uebereinstim-
mung mit den Denkmälern. Nur eine Schwierigkeit scheint
sich unserer Auffassung entgegen zu stellen; in I, 15, 2 werden
dem Könige Ramesses 1 Jahr 4 Monate gegeben, während der,
nach unserer Annahme, mit ihm identische König Sethosis-
Aegyptos-Ramesses über 59 Jahre regierte. Diese scheinbare
Schwierigkeit bietet im Gegentheile einen weitern Beleg für
die Richtigkeit unserer Ansicht. Aus der langen Inschrift von
Abydos ersehen wir nämlich, dass Seti I. [SethosisJ seinen Sohn
Ramessu II. sehr frühzeitig zum Mitregenten ernannt hat, und
zwar that er dies nicht aus Altersschwäche — Ramessu war
ja bei seiner Erhebung erst ein ,lockiger Knabe' [Inschrift
von Kuban| 1 — sondern aus politischen Gründen; durch die
Erhebung seines ältesten Sohnes, zugleich des Sohnes der
rechtmässigen Erbin des früheren Königshauses, konnte er nur
seine Stellung befestigen und vergessen machen, dass er nicht
aus einer königlichen Familie entsprossen sei. Wie lange Se-
tbosis gemeinsam mit seinem Sohne die Regierung geführt
hat, sagen uns die Denkmäler nicht, wir können mit Brugsch
nur sagen, dass mehr als die Hälfte der 66jährigen Re
gierung Ramessu II. auf sein gemeinschaftliches Königthum
mit dem Vater zu rechnen sein dürfte. 2 Halten wir nun die
Angaben der beiden Listen in I, 15, 2 und I, 26, 4 gegen
einander, so sehen wir, dass die erstere uns die Zeit der Allein
herrschaft Sethosis I. gibt, während die andere die seiner Ge-
sammtregierung über Aegypten uns vorführt.
Nicht unerwähnt dürfen wir lassen, dass Josephus auch
hier flüchtig vorgegangen ist. Aus I, 26, 4 erfahren wir gar
nicht, wie lange die gemeinsame Regierung des Armais und
Sethosis gedauert hat, sondern es wird uns nur gesagt, dass
1 Reinisch, Chrestomathie I, 10.
2 Brugsch 1. 1. p. 470—477.
Manethonisches Geschiehtswerfc.
163
Sethosis nach der Vertreibung seines Bruders aus Aegypten
noch 59 Jahre regiert hat; die Summe 518 in I, 26, 3 setzt
dagegen voraus, dass die 59 Jahre auch die gemeinsame Re
gierung der Brüder umfassen, da sie aus den Posten 393 (Re
gierungen bis auf die Brüder Sethosis und Armais) 59 (also
Sethosis und Armais) und 66 (Ramessu II.) gebildet ist. Ent
scheiden zu wollen, welche dieser beiden Angaben die ohne
dies nur um 4 Jahre (denn so lange dauerte nach I, 15, 2 die
gemeinsame Regierung der beiden Brüder) abweichen, die
richtigere sei, erscheint mir unthunlich.
Es ist ein buntes Wirrwar von genauen Angaben und
von Irrthümern, welches die beiden Listen des Josephus dar
bieten ; sie verschieben, wie wir gesehen haben, die Könige
Thutmes I. (Chebron) und Amenhotep, sie übergehen mit Still
schweigen die Könige Thutmes II. und Amenhotep II., sowie
den Fürsten Seäänecht, sie zerreissen die chronologische Reihen
folge seit Amenophis (Amenhotep III. = 8. König der Reihe);
ja noch mehr, sie machen aus dem einen Könige Thutmes III.
gar zwei, Mephres und Mephramuthosis; sie haben kein festes
Princip in der Auswahl der Könige. Während sie die Nach
folger Amenhoteps III. als illegitim aus der officiellen Reihen
folge ausscheiden und erst nach Horus nachtragen, geben sie
der Amessis 21 Jahre mit Ueberspringung ihres Gemahls
Thutmes II., wiewohl ihre Regierung schon von ihrem Nach
folger Thutmes III. als illegitim angesehen worden ist — mit
einem Worte die Listen sind entweder von Josephus selbst
oder von einem vor ihm lebenden Chronographen verfertigt
worden — denn dass sie unmöglich von Manetho herrühren
können, erscheint mir nach den bisherigen Darlegungen als
ausgemacht.
Wenn wir die Listen des Josephus mit denen des Euse
bius vergleichen, so tritt uns die merkwürdige Erscheinung
entgegen, dass der Verfasser der letztem in den Fehler verfallen
ist, die Reihe I, 26, 4 an die von I, 15, 2 anzuschliessen ohne
zu bemerken, dass die letztere in der erstem schon ganz ent
halten war. Dieser Fehler setzt die Kenntniss der Listen des
Josephus voraus, denn er ist nur aus ihnen zu erklären, und
wir müssen, da der durch denselben erwachsende Zuschuss
von Jahren durch die Anlage der Eusebischen Top-o’, wie wir
11*
164
Krall.
noch sehen werden, gefordert wird, annehmen, dass der Ver
fasser derselben den Josephus schon vor sich gehabt hat und
nicht etwa der Fehler von einem Spätem aus dem Josephus
in die hineingetragen worden ist. Auch die Topwt des
Africanus in ihrer jetzigen Gestalt tragen die Spuren der
Beeinflussung durch die Liste des Josephus deutlich an sich.
Dieselbe ist jedoch, wie die folgende Vergleichung zeigen wird,
nur etwas Aeusserliches, welches in die -cop-ci von einem Manne
hineingetragen woi’den ist, der dieselben mit dem ihm eben
falls vorliegenden Josephus zu vereinbaren bemüht war.
Josephus: Africanus:
Akencheres .... 12 J. 1 M. XVIII. Acherres .... 32 J.
Rathotis 9 „ Rathos 6 „
Akencheres .... 12 „ 5 „ Chebres .... 6 „
Akencheres .... 12 „ 3 „ Acherres .... 12 „
Armais 4 „ 1 „ Armessis .... 5 „
Ramesses 1 „ 4 „ Ramessis .... 1 „
Armesses Miamun 66 „ 2 „
Amenophis .... 19 „ 6 „ Amenophut. . . 19 „
Die Top.oi des Africanus haben die XVIII. Dynastie um
drei Könige, die der XIX. Dynastie angehören bereichert;
wir können den Grund dieser Einfügung der drei Könige Ar
messis, Ramessis und Amenophut leicht nachweisen. Sie geht
auf die zuerst von Josephus aufgebrachte Gleichsetzung der
Hyksos mit den Juden, nach der der Auszug unter dem Könige
Ahmes I. stattgefunden hat, zurück. Diesem kommt nach den
Listen eine 25jährige Regierung zu, welche, da der Pharao
des Auszugs bei der Verfolgung, nach der heiligen Schrift,
seinen Tod fand, vor die Vertreibung der Hyksos fallen musste.
Auch Africanus hat, wie wir aus seiner Anmerkung zum Kö
nige Amosis ersehen, der Ansicht des Josephus sich ange
schlossen, und wir können daher vorläufig (cf. p. 217) an
nehmen, Africanus selbst habe die Veränderungen an den
Tcpto’. vorgenommen. In der That weisen seine für die
Hyksosdynastie statt der überlieferten 259 Jahre: 284 (259 -)- 25)
auf. Dafür hat Africanus die 25 Jahre des Ahmes ausgelassen,
da dieselben in der Zeit der Herrschaft der Hyksos einbe
griffen waren, indem ja sein letztes Regierungsjahr sich mit
Manethonisches Gescliiclitswerk.
165
dem Jahre der Vertreibung der Fremden, also nach Joseplius
und Africanus der Exodus, deckte — so erklärt sich die Ab
wesenheit jeglicher Angabe der Regierungsdauer bei Ahmes,
die schon dem Synkellos 1 aufgefallen war. Um den Ausfall
der 25 Jahre des Ahmes bei der XVIII. Dynastie zu decken,
nahm Africanus, oder wer immer die Veränderungen vorge
nommen hat, aus der ihm bei Joseplius vorliegenden Liste die
genannten drei Könige auf, deren Regierungszeit genau 25 Jahre
ausmachte. So glaubte er der heiligen Schrift, den ihm vor
liegenden Top.oi und der so stark von denselben abweichenden
Liste des Josephus gerecht zu werden; wie wenig ihm freilich
dies gelungen ist, werden wir später beobachten können. Halten
wir dies fest, so ist die Herstellung der ursprünglichen Fassung
der Tcii.it sehr leicht, man braucht nur die Hyksosdynastie von
den 25 eingeschobenen Jahren zu befreien, Ahmes mit 25 Jahren
an die Spitze der XVIII. Dynastie zu setzen, und die letzten
drei Könige derselben zu streichen (cf. p. 173).
Wenn wir nun die von allen fremden Einflüssen gerei
nigte Liste des Africanus mit der des Josephus vergleichen,
so finden wir, dass abgesehen von einigen wenigen Abwei
chungen in den Regierungszahlen und Namensformen, die wil
dem schlechten Zustande unserer handschriftlichen Ueber-
lieferung zuzuschreiben haben, beide mit einander identisch
sind. Ganz dasselbe Verfahren in der Anordnung der Könige,
ganz dieselben Wunderlichkeiten und Versehen, die wir schon
oben näher ins Auge gefasst haben, und die uns bei den an
deren Dynastien wiederholt begegnen werden, treten uns nicht
nur in der ursprünglichen, von den Veränderungen, die ein
später Chronograph vorgenommen hat, gereinigten Fassung
der XVIII. Dynastie, sondern, wie wir vorgreifend bemerken
wollen, in allen übrigen Dynastien der xsjjioi entgegen und
es ist daher der Schluss unabweisbar, dass Josephus seine
Listen nicht selbst gemacht, sondern dass er sie einer chrono
logischen Tafel entnommen hat, die seinem Manetho-Exem-
plare beigefügt war, und die er natürlich als ein echt
Manethonisches Product ansah. Daraus erklärt es sich, dass
Josephus für Sethosis, den Bruder des Armais, zwei so ver-
1 Synkellos 70, B: toü yocp ouo’ oXoj; ew:ev ettj.
166
Krall.
schiedene Angaben uns mittheilt, die eine entnahm er den
Manethonischen ßi'ßXci, die andere seiner chronologischen Tafel.
Er nimmt zu der letztem seine Zuflucht, wenn er dem Leser
ty)v tuv xp6vtov xaljiv vorführen will (I, 15, 1), und es ist die
Möglichkeit vorhanden, dass wir in diesen Worten die Reste
des Namens der Tafel selbst zu suchen haben.
Ueber die Anlage dieser Uebersichtstafel gibt uns die
Betrachtung zweier Stellen hinreichende Auskunft, von denen
wir die eine, 518, schon kennen (p. 163), und deren andere 393
den Erklärern sehr viele Schwierigkeiten gemacht hat. Seit Thut-
mosis, dem Vertreiber der Hyksos, waren bis auf die Brüder
Hermaios-Danaus und Sethosis-Aegyptus, nach der Angabe des
Josephus, 393 Jahre verflossen. Rechnet man jedoch die Re
gierungszahlen der gesammten Reihe der Könige in I, 15, 2 zu
sammen, so erhält man erst 333 Jahre, und da es leider nicht
einmal gestattet war, an das beliebte Auskunftsmittel einer Ver
schreibung zu denken, da Josephus die Zahl zweimal gibt und
weil überdies die zweite Zahl 518 die erstere voraussetzt, 1 so
blieb scheinbar nichts anderes übrig als anzunehmen, Josephus
habe zweierlei Redactionen dieser Listen vor sich gehabt. 2
Nach unserer Auffassung der Liste stellt sich die Sache
dagegen einfach so: Wenn die 393 Jahre nur bis zu den Brü
dern Hermaios und Sethosis gingen, so müssen wir die Re
gierungen von Armais (4 Jahre 1 Monat), Ramesses (1 Jahr 4 Mo
nate), Armesses (66 Jahre 2 Monate) und Amenophis (19 Jahre
6 Monate), also zusammen 91 Jahre 1 Monat, von der Gesammt-
summe 333 abziehen, wodurch wir 242 Jahre erhalten. Ziehen
wir 242 von 393 ab, so verbleiben uns 151 Jahre, die wir
irgendwie unterbringen müssen. Hier setzt eine Angabe des
Africanus ein, die er bei der XVII. Dynastie, die vor Thut-
mosis-Ahmes regiert hat, anführt: ojaou ot xoipivs?, y.z: oi Gvjßaiot
ißactXsusav exv) pva' [151]. Ahmes begründete kein neues Geschlecht;
er ist ja, wie wir aus Josephus wissen, der Sohn des Mephra-
muthosis; seine Vorfahren hatten sich, wie wir aus Africanus
1 C. A. I, 26, 4; 16, 1; 26, 3; 31, 2.
2 Müller F. H. Gr. II, 574 .. . miraris sane licet Josephum exputare annos
393. Non enim librarii error subesse videtur, quum eundem numerum
denuo memoret in sequentibus. Haud dubie aliena miscuit Josephus, quem
scimus diversas Manethoniani operis recensiones aute oculos habuisse.
Manethonisches Geschichtswerk.
167
ersehen, lange vorher gegen die Hyksos erhoben und gegen
sie einen 151jährigen Krieg geführt. Hiemit haben wir die
Erklärung der wunderlichen Zahl 393 gewonnen, sie gibt uns
die Gesammtregierung der thebanischen Fürsten seit dem
Ausgange des letzten legitimen Hyksos, über den, wie wir
noch sehen werden, bei dem Verfasser der -cp.oc Zweifel be
standen. Josephus fand die Zahl in seiner Tafel, wohl am
Ausgange des Geschlechtes vor dem Emporkommen der Brüder
Danaus und Aegyptus, verzeichnet und glaubte sie auf die Re
gierungsdauer der thebanischen Fürsten seit Ahmes beziehen
zu müssen, während sie im Gegentheile auch noch alle seine
königlichen Vorfahren umfasste.
Aus dem Gesagten ergibt sich, dass die Zahl 393 nicht
von Josephus gemacht sein kann, wie etwa die Zahl 518,
welche er durch Summirung der Posten 393 —j— 59 -)— 66 ge
wann, wobei ihm das Versehen unterlief, die Jahre der gemein
samen Regierung des Sethosis und Ramesses Miamun doppelt
zu zählen. Wir ersehen ferner, dass die Tafel, die dem Jo
sephus vorlag, die XVII. und XVIII. Dynastie des Africanus
nicht getrennt vorführte, sondern noch als ein Ganzes rechnete,
was auch ganz natürlich war, da der letzte König der XVII.
Dynastie der Vater des ersten der XVHI. Dynastie war, und
das Ereigniss der Vertreibung der Hyksos gar nicht so ein
schneidend war; denn schon in dem Momente, da in Theben
sich einheimische Fürsten erhoben, hörte in den Augen der
Aegypter die Hyksosdynastie auf, legitim zu sein. Dagegen
ist bei Horus der Abschnitt gerechtfertigt, denn mit seinen
Nachfolgern Ramessu I. und Seti 1. betritt ein neues Herrscher
geschlecht den ägyptischen Thron, es ist das der Ramessiden.
Allem Anscheine nach hat der Verfasser der chronographischen
Uebersichtstafel, von der uns Bruchstücke in den Listen des
Josephus erhalten sind, die Königsgruppen nach Familien ge
schieden, wahrscheinlich nach dem Vorgänge von Manetho
selbst. So erklärt sich, dass Königsgruppen so oft mit Frauen
ausgehen, es sind eben die letzten Sprossen von Königsfamilien,
mit deren Hand auch die Herrschaft an fremde Königshäuser
überging. 1
1 Cf. auch Lauth, Manetho p. 116, der freilich dieses Gesetz auch auf die
sogenannte XVIII. Dynastie erstreckt, wo es keine Giltigkeit hat, denn
168
Krall.
Finden wir nun einerseits, dass die ursprünglich eine
Gruppe bildenden thebanischen Fürsten in zwei Dynastien ge
spalten wurden, so muss uns andererseits auffallend erscheinen,
dass Josephus den Einschnitt bei Hermaios und Sethosis, mit
denen ja eine neue Gruppe begann, gar nicht betont; es kann
daher auch seine Vorlage denselben nicht zu markant be
zeichnet haben. Wenn Josephus ferner mit Amenophis die
Reihe in I, 15, 2 abbricht, so geschieht diess nicht etwa, weil
dieser König den Abschluss einer neuen Gruppe bildete, son
dern einfach aus dem Grunde, weil Josephus dem Leser nur
die Könige bis zum Auszuge vorführen wollte. Amenophis
schloss ja kein Geschlecht ab, wie uns die Darstellung des
Auszuges bei Josephus selbst I, 26 bezeugt, und es lag für den
Verfasser der Listen des Josephus daher kein Grund vor, nach
Amenophis einen Abschnitt zu machen.
Zu diesen Beobachtungen tritt eine neue, ergänzende hinzu.
Das Wort, welches in den angeblichen Manethonischen Frag
menten bei Africanus so häufig vorkommt, und in unserer
Vorstellung als untrennbar von den AiyuxTiaz,a selbst erscheint,
ouvaoreta ist in den echten Fragmenten y.ni bei Josephus
gar nicht nachzuweisen. In den auszugsweise wiedergegebenen
Fragmenten kommt es wohl einmal vor I, 14, 15: (poßoupivou? Be
•ri]v' ’Accupfwv Buvaorelav; wir müssen uns jedoch vorerst daran
erinnern, dass man auf den Wortlaut in den auszugsweise
gegebenen Stellen bei Josephus nicht viel bauen kann; es zeigt
sich sodann, dass die betrachtete Stelle nichts anderes ist, als
die Paraphrase von I, 14, 6: ttpooptip.evoi; ’Accupitov töte psKov
is/uövTWV Ecopivvjv EitiÖupia r?)? ofirirfc ßaaiXsiag etpoBov, worin sich
nichts von Buvacteta findet. Während wir sonach in den echten
Fragmenten Manetho’s bei Josephus das Wort SuvacTEia als
technischen Ausdruck gar nicht finden, tritt uns dagegen das
Wort ßacnXEi« in zwei Stellen y.xva Xei;iv I, 14, 6, I, 15, 6 und, in
I, 26, 3 entgegen 1 sowie auf den bilinguen Inschriften der Pto-
Hasop beendete kein Geschlecht, ihr Nachfolger war ja ihr Bruder
Thutmes III.
1 C. A. I, 14, 6 saopivrjv ImOupia Tij; aü-rrji; ßaatWa; etpooov. I, 26, 3 xai oiä
touto ypo'10'1 aürou xij; ßaaüeias öp!aai pr| xokprjaa;. I, 15, 6 xai ixpanjae
TT); iSta? ßaailsia?.
Manetlionisch.es Geschichtswerk.
169
lemäerzeit 1 und dem entsprechend heisst es zur ersten Dynastie
bei Africanus pierä vsz.ua? za't xo'u? yjp.iQeou? itpfoxv) ßac.Asta y.axa-
piöjAsitai — es ist dies ein spärlicher Ueberrest der alten Be
zeichnung. Seiner etymologischen Bildung nach entspricht der
Name vollkommen dem technischen ägyptischen Ausdrucke
,König', wie ßaatAsia von ßac.Aeuc, Der
Untersuchung der beiden szoöcei? des Africanus und Eusebius
muss es Vorbehalten bleiben, diese Beobachtungen aufzunehmen
und weiter auszuführen; erst aus der Vergleichung derselben
wird sich herausstellen, was es für eine Bewandtniss hat mit
den ouvasTctat, die ■— schon nach dem Gesagten zu schliessen —
Manetho ganz fremd gewesen zu sein scheinen.
Während wir aus den xojaol des Africanus und Eusebius ge
wohnt sind, bei Manetho ein festes, in allen Einzelnheiten aus
gebautes chronographisches System zu suchen, finden wir in
den echten Fragmenten Manetho’s bei Josephus das Gegentheil
bezeugt; selbst wo wir Zahlenangaben wünschen möchten, gibt
sie uns Manetho nicht. Wir vermissen bei ihm eine genaue
Angabe darüber, wann die Hyksos sich entschlossen haben,
einen König zu erheben, Manetho sagt nur nspac (I, 14, 5);
ebenso wenig wird uns mitgetheilt, wie lange der tcöXsu.o? ydyaq
zai TioXuypovtoc (I, 14, 13) gedauert habe. Wir können diesen
Mangel nicht der Fahrlässigkeit des Josephus zur Last legen;
denn es ist gar nicht wahrscheinlich, er habe anstatt der ge
nauen Zahlenangabe des Manetho ein Ttspa? oder ein -öÄsp.o?
KoXuypövio; gesetzt. Zur Gewissheit wird sich der Mangel eines
ausgebildeten chronographischen Systems erheben, wenn wir
an der Hand der ey.oöcei? des Africanus und Eusebius werden
beobachtet haben, wie die Verfasser derselben sich bemüht
haben, aus den Aiyuwuaza ein System zu zimmern, und zu
welchen sonderbaren Auskünften sie manchmal ihre Zuflucht
haben nehmen müssen, um dem Mangel bestimmter Zahlen
abzuhelfen.
I ol r.pözspov ßsßaaiXeu/.ö-Es Stele von Tanis 8/15.
170
Krall.
II. C a p i t e 1.
Die xopot.
§. 1. Der zweite top-oc;.
Die Grundlage für die Betrachtung der tou.o’ des Afri-
canus und Eusebius müssen uns die Fragmente Manetho’s bei
Josephus bilden; ausgehend von dem, was uns diese be
richten , haben wir zu untersuchen, wie sich dasselbe in den
Topi.ot wiederspiegelt. Da uns bei Josephus nur Fragmente er
halten sind, welche Ereignisse behandeln, die innerhalb des
zweiten ~o\i,cc fallen, müssen wir daher mit demselben beginnen.
Schon eine oberflächliche Vergleichung der t6jo.oi des
Africanus und Eusebius zeigt, dass dieselben trotz bedeutender
Abweichungen, in einem Abhängigkeitsverhältnisse zu ein
ander stehen; die Top,ot des Eusebius setzen die des Africanus
voraus. Der grösste Theil der Notizen, die sich bei Africanus
finden, kehrt auch bei Eusebius wieder. Dies könnte freilich
auch durch die Annahme einer gemeinsamen Quelle erklärt
werden ; entscheidend ist jedoch die Stelle, die auch nach einer
anderen Seite hin für die iöp.oi des Africanus sehr wichtig ist
und sich beim Könige Chufu findet (IV, 2): OOtos; Se xal rasp-
ciuty)5 eic Oeou? iye'/exo xa't tv;v tepav mjVE'fpa^e ßfßXov, vjv w? p.Efa
^pYjp,a ev AiYÜiiTU Y £v ^p.svoc exTr)<jdp//)v. Bei Eusebius wird
diese Angabe, die natürlich in dieser Form nur für den Verfasser
der Täp.Gi des Africanus richtig war, also verändert: qui et
superbus in deos inventus est, usquedum eum poenituit, et Volu
mina sacra conscripsit; quos velut magnas opes habebant
Egiptii. Die Vergleichung dieser Stellen zeigt uns hinreichend
das Abluingigkeitsverhältniss, in welchem die Tcp.ci des Euse
bius zu denen des Africanus standen. Woher kommen denn
dann die grossen Abweichungen zwischen den beiden ezoogek;
— auf diese Frage zu antworten ist die Aufgabe der folgenden
Untersuchungen. Für den zweiten Top-oc geben uns die sxäöaei?
des Africanus und Eusebius, sowie die Excerpta Barbarorum
folgende Angaben :
Africanus:
XII. Dynastie 7 Thebaner . mit 160 Jahren
XIII. „ 60 Thebaner . „ 453
i)
Manethomsches Geschicbtswerk.
171
XIV. Dynastie 76 Choiten
XV.
XVI.
XVII.
XVIII.
XIX.
XII. Dynastie
XIII.
XIV.
XV.
XVI.
XVII.
XVIII. „
XIX.
6 Hyksos . .
32 Hyksos . .
— Thebaner .
16 Thebaner .
6 Thebaner .
Eusebius:
7 Thebaner.
60 Thebaner.
76 Choiten . .
— Thebaner.
5 Thebaner.
4 Hyksos. .
14 Thebaner.
5 Thebaner.
XI.
XII.
XIII.
XIV.
XV.
XVI.
Bubastanorum .
Tanitorum . . .
Sebennitorum .
Memphitorum .
Iliopolitorum .
Ermupolitorum
mit 184 Jahren
„ 284 „
„ 518 „
„ 151 (+43) Jahren
„ 263 Jahren
„ 209 „
mit 245 Jahren
„ 453
, „ 484
. „ 250
. „ 190
„ 103
. „ 348
■ „ 194
Excerpta Barbari:
X. Potestas Diospolitanorum
an. 160
„ 153
184
224
318
221
260
Die Abweichungen unserer Listen sind sehr bedeutend;
am grössten sind sie, sowohl was die Reihenfolge der Dyna
stien als auch die Zahl ihrer Regierungsjahre anbelangt, bei
denjenigen Dynastien, deren Herrschaft zwischen den Einfall
und die Vertreibung der Hyksos fällt. Nur folgende spärliche
Angaben erhalten wir, aus den echten Fragmenten Manetho’s
bei Josephus, über diese unruhige Zeit:
IT4, 2 die Hyksos fallen in Aegypten ein, als daselbst der
König (Amun ?)-Timaios regierte und bleiben eine Zeit
lang hindurch ohne Könige.
I 14, 5 Ilipag ei'heben sie Salatis zum Könige.
I 14, 12 Msta tau-ra erheben sich in Aegypten einheimische
Fürsten, die nach einem langwierigen Kampfe die Hyksos
vertreiben. [Aus der Darstellung des Josephus ist es nicht
klar ersichtlich, worauf sich das p-sva zaüvx bezieht, ob
Krall.
172
auf die Reihe der Hvksos, die mit Assis abschloss, oder
überhaupt erst auf die 511 Jahre; wahrscheinlicher ist
jedoch das erstere.]
I 14, 8 erhalten wir die Reihenfolge und Regierungsdauer der
von den Aegyptern selbst anerkannten Hvksos,
I 14, 11 erfahren wir, dass diese sowie ihre Nachfolger 511
Jahre über Aegypten regiert haben.
Diese letzteren Angaben sind allem Anscheine nach Ma-
netho und nicht der uns bekannten Tafel entnommen. Den
Angaben Manetho’s treten die Denkmäler ergänzend, berich
tigend und bestätigend zur Seite. So spärlich auch die monu
mentalen Nachrichten über den Beginn der Hyksoszeit sein
mögen, so viel steht doch fest, dass unmittelbar nach der
Königin Skemiophris, die in unseren Listen die XII. Dynastie
absckliesst, die Hvksos in Aegypten nicht eingefallen sein
können: dass vielmehr die Nachfolger derselben, die Sebekho-
teps, und zwar nicht bloss die ersten unter ihnen, noch immer
als uneingeschränkte Herren von ganz Aegypten erscheinen,
wie uns denn auch Monumente derselben in allen Theilen des
Landes, ja selbst hart an der Ostgrenze des Delta in Tanis
erhalten sind. 1 Der Turiner Papyrus lässt auf die Amenemha’s
etwa 140 Könige folgen, von denen der grössere Theil der
Zeit des Einfalls und des siegreichen Vordringens der Hyksos
angehören mag, wie denn in der That die niederen Regierungs
zahlen, die selten 3—4 Jahre überschreiten, die stürmische Zeit
hinreichend bezeichnen, 2 ohne dass jedoch uns irgend ein
Mittel an die Hand gegeben würde, diesen Zeitraum näher zu
bestimmen. 3 Der Turiner Papyrus bezeugt uns ferner, dass
1 Brngsch 1. 1. p. 175. Cf. übrigens Lieblein, Recherehes p. 92 £.
i Lautb, Manetho p. 236 f.
3 Wahrscheinlich werden uns die Keilinsehriften noch früher als die ein
heimischen Denkmäler Auskunft über diese dunkle Periode ägyptischer
Geschichte geben. Babylonische Inschriften berichten, dass der alte
König Sarrukin von Agani und sein Nachfolger Naram-sin in kriegerische
Beziehungen zu dem Lande Alägan getreten seien. Dass Mägan, schon
in dieser frühen Zeit, Aegypten bezeicbnete wird von Schräder (Keil
inschriften und Geschichtsforschung p. 297) bezweifelt; Maspero erinnert
jedoch mit Recht an Josepbns C. A. I, 11. 6, 15 sowie daran, dass die
Eroberung von Palästina-Phönieien durch Sarrukin inschriftlich feststeht
(Revue critiqne 1S79).
Manethonisches Gescbichtswerk.
173
die Aegypter der Thutmosidenzeit eine Reihe von Hyksos als
legitim in ihre Königsverzeichnisse aufgenommen haben 1 und
es sind uns in der That durch andere Denkmäler zwei Hyksos-
namen — Salatis und Apophis — erhalten. Aus dem Papyrus
Sallier n. I ersehen wir, dass unter dem letztgenannten Könige
Apophis sieh ein Haq in Oberägypten, Namens Raseqenen, er
hoben hat, dessen Nachfolger Ahmes I. es endlich gelungen
ist, die Hyksos aus Aegypten zu vertreiben. Andere Denk
mäler zeigen uns, dass Ahmes I. eine Reihe von Raseqenen
vorausgegangen ist, dass sonach die oberägyptischen Fürsten
eine Zeitlang als Vasallen der Hyksos regiert haben müssen,
bevor sie den Kampf geg-en dieselben aufnahmen. 2
Wir haben nun zu untersuchen, wie sich die Zahlen der
Tcp„s; zu den bei Josephus erhaltenen Manethonisehen sowie zu
den monumentalen Angaben stellen. Zuerst müssen wir uns jedoch
daran erinnern, dass, nachdem Josephus die Gleichsetzung der
Juden mit den Hyksos aufgebracht hatte, die Einwirkungen
der jüdischen und christlichen Chronographen bei keinem
anderen Theile der zip,o: so stark gewesen sind als gerade
bei diesem; wir müssen es daher versuchen, so schwierig es auch
sein mag, die Zahlen der -cp.it von diesen Einflüssen zu be
freien. Zu diesem Behufe gehen wir von der Hyksosdynastie,
die uns in drei Redactionen erhalten ist, ans.
Josephus 114, 8:
Salatis 19 J.
Beon 44 „
Apaehuas 36 „ 7 M.
Apophis 61
Annas 50 „ 1
Assis 49 „ 2
259 J.
A frieanus:
Saites 19 -J.
Bnon 44 ,
Pachnan 61 (36 25) J.
Staat: 50 J.
„Areihles 49 „
Iphohis 61 „
Eusebios [Arm]:
Saites 19 J.
Bnon 40 _
Archles 30 ,
Aphobis 14 .
284(259-J- 25) J.
103 J.
W T ir haben schon (p. 164) ausgeführt, dass die zipzi des Afri-
canus die Regierungsdaner der XV. Dynastie um 25 Jahre er
höhen ; aus dem vorstehenden Schema ergibt sich, wie dies,
durchsichtig genug, dadurch erreicht wurde, dass man dem dritten
Könige Apachnas statt der überlieferten 36 Jahre, 61 (36 -j- 25)
gab. Wir haben ferner gesehen, dass unter derselben Einwirkung
3 Zuerst ward hierauf Laufch aufmerksam, Manetho 247 f.
2 Maspero, Histoire ancienne p. 175.
174
Krall.
die 25 Jalire des Amasis bei Africanus ausgelassen wurden, da
sie als gleichzeitig mit den letzten Jahren der Hyksos angesehen
wurden. Das folgende Schema wird uns dies hinlänglich er
läutern :
Hyksos 259 J. , 9g4 Thebaner 194 J.
25 „ | ' Amasis 25 „
Wenn man consequent verfahren wollte, so musste man
auch die Gesammtdauer der Herrschaft der Hyksos über
Aegypten, die von Josephus auf 511, von Africanus, wir werden
noch (p. 178) sehen warum, auf 518 Jahre angesetzt wurde, um
25 Jahre erhöhen. Und in der That gehen sowohl die p6(*ot des
Eusebius als auch die Excerpta Barbari von der Voraussetzung
aus, dass die Hyksos 518 —j— 25 = 543 Jahre über Aegypten
regiert haben; wenn wir die Dynastien bei Eusebius ins Auge
fassen, die die Hyksoszeit repräsentiren, nämlich die
XV. Dynastie 250 J. i
XVI. „ 190 „ l 543 J.,
XVII. „ 103 „ )
so finden wir, dass sie genau 543 Jahre geherrscht haben. Die
-cpt-st des Eusebius sind sonach in ihrer jetzigen Gestalt durch
die von Josephus aufgebrachte Identificirung der Juden mit den
Hyksos beeinflusst, ebenso wie die Excerpta Barbari, welche
den beiden auf die XIV. Dynastie der tojj.01 folgenden Potestates
der XIII. und XIV., 224 -J- 318 = 542 Jahre zuweisen.
Indem wir uns diese Einwirkungen stets gegenwärtig
halten, die in den tcus: des Africanus etwas ganz äusserliches
sind, während sie in den des Eusebius und den Excerpta
Barbari viel nachhaltigere Spuren hinterlassen haben und uns
stets von denselben frei zu erhalten bemühen, wenden wir uns
zur Betrachtung der einzelnen Dynastiezahlen.
Wir haben schon eine Differenz zwischen der Hyksos-
reihe bei Josephus und Africanus kennen gelernt; viel wich
tiger ist für unsern Zweck eine andere. Während sich in
beiden Listen die Regierungszahlen der Könige und die Kamen
derselben, von einigen Verschreibungen abgesehen, vollkommen
decken, besteht in der Reihenfolge der Könige ein auffallender
Unterschied: nach Josephus ist Apophis der vierte, nach Afri-
Manethonisches Geschicht3werk.
175
cauus der letzte — sechste — König der Reihe. Die Erklä
rung dieser Thatsache haben wir bei Eusebius zu suchen.
Dieser hat nur vier Hyksos und gibt dem letzten derselben,
Apophis, anstatt der 61 Jahre, die wir bei Josephus und Afri-
canus finden, nur 14 Jahre, d. h. er lässt in dessen 14. Re
gierungsjahre die Erhebung des nationalen Königthums gegen
die Hyksosherrschaft stattfinden, welche in der That, wie wir
aus dem Papyrus Sallier wissen, unter Apophis eingetreten ist.
In dem Momente, als in Oberägypten sich eine einheimische
Dynastie erhob, hörten die Hyksos in den Augen des Ver
fassers der TÖpct des Eusebius 1 auf, als legitim zu gelten, er
schloss daher seine Hyksosdynastie mit dem 14. Regierungs
jahre des Apophis ab. Eine Anmerkung eines Scholiasten des
Platon, die in der Anführung der Namen und Zahlen für die
Hyksos mit Eusebius vollkommen übereinstimmt, zeigt, dass
Eusebius, nicht der Urheber dieser von Africanus abweichenden
Anordnung ist, sondern, dass er sie den ihm vorliegenden -opoi
entnahm; denn die Annahme die Anmerkung des Scholiasten sei
von Eusebius abhängig, ist schon deshalb unzulässig weil der
erstere einen Satz bringt, den der letztere gar nicht hat: o 8s
Safirjc -pc"lGr ( y.£ tu pYjv't upa^ tß', üc eivat iqpspüv V, y.xl tu svtau-ü
•/jpspac g' (s') y.at pepovs r;pspüv Wir ersehen aus dieser Notiz,
dass die Hyksos unter dem Einflüsse des ägyptischen Kalenders
ihr Mondjahr zu einem Sonnenjahre umgestaltet haben.
Die tc;j.si des Eusebius und die Notiz des Scholiasten
zeigen uns, dass Manetho, in Uebereinstimmung mit den
Monumenten, in die Mitte der Regierung des Apophis den An
fang der Erhebung der Thebaner gesetzt hat; denn hätte er es
nicht gethan, wie wären dann die Verfasser der Tspct auf das
Richtige gekommen?
Aber eben darin lag die besondere Schwierigkeit für den
Verfasser der Tcpst des Africanus — einerseits fand er eine
Reihe von sechs anerkannten Hyksos bei Manetho aufgezählt,
anderseits jedoch die Bemerkung, dass schon unter dem
vierten derselben, einheimische Fürsten sich erhoben hätten.
Wen sollte er als legitimen Herrn von Aegypten in seinen
Tjpo: verzeichnen? Diesen Schwierigkeiten, denen der Verfasser
1 v. Büdinger, zur ägyptischen Forschung Herodot’s p. 25.
176
Krall.
der TÖp-oi des Eusebius durch Abbrechen der Reihe mit Apophis
entging 1 , glaubte er am besten dadurch auszuweichen, dass er
den König Apophis an das Ende der Reihe versetzte. Mit einem
Schlage fällt nun klares Licht auf die XVII. Dynastie des
Africanus. Aus der Anmerkung zu derselben — noipive; aXXot
ßaaiXel? fr/ (sc. £tyj) y.ai 0-r/ßaToi A'oraoXtxat jrf' (sc. exr ( ), öfioü ot
tm\j.evs? zat ot ©rjßatot IßaatXsoaav evr, pva' — die von den Ab
schreibern gar nicht verstanden wurde und daher in einer
verderbten Gestalt uns zugekommen ist, ersehen wir, dass der
Gewährsmann des Africanus, die Zeit der gleichzeitigen Re
gierungen der Hyksos und der thebanischen Dynastien in zwei
ungleiche Theile schied, von denen die erste 43, die zweite
151 Jahre umfasste. 1
Nach den bisherigen Erörterungen müssen sich die 43 Jahre
auf die gemeinsame Regierung des Apophis mit den gegen ihn
aufgestandenen thebanischen Fürsten beziehen. Mit dem Tode
des Apophis endet die legitime Hyksosreihe — daher der Ab
schnitt. Die folgenden 151 Jahre repräsentiren uns den wei
teren Verlauf des xoXsp.o? pi-faq zal zoXu/povioc. Bei Eusebius
finden wir, wie wir. noch oft werden beobachten können, nahezu
durchgehends die überlieferten Zahlen verkürzt; auch die
Hyksosreihe bietet uns hievon einige Beispiele, dem Bnon gibt
er 40 statt 44, dem Archles 30 statt 36 Jahre, kein Wunder
daher, dass er die Erhebung gegen Apophis in dessen 14. statt
wie Africanus in dessen 18. Regierungsjahre eintreten lässt.
Die gleichzeitige Regierung der Hyksos und der einhei
mischen Dynasten dauerte nach Africanus im Ganzen 43 -j- 151
= 194 Jahre; aus diesen 194 Jahren hat der Verfasser der
■rap-oi des Eusebius seine XVI. Dynastie gebildet, die sich so
nach vollkommen deckt mit der XVII. des Africanus, wenn wir
davon absehen, dass die letztere eigentlich zwei parallele Dy
nastien umfasste. Von dem Ueberarbeiter der xöp.st des Euse
bius, der wie wir (p. 174) gesehen haben, von der Ansicht aus
ging, die Hyksos hätten 543 Jahre über Aegypten geherrscht,
wurden die 194 Jahre zu 190 abgerundet. Wir fassen die
bisherigen Ergebnisse, der leichteren Uebersicht halber, auf dem
folgenden Schema zusammen:
1 Cf. Lieblein, Chronologie p. 68 und Recherchen p. 124.
Miinethonischus Geschiehtswerk.
177
'Africanus.
XV. Dynastie 259 J.:
Saites 19 J.
Bnon 44 „
Pachnan 36 „
Staan 50 „
Archles 49 „
Apopliis
allein 18 J.i
’./'i
XVII. Dyn. m.d.Theb. 43 J- j ”
194 J.
Andere Hyksos 151 „ )
Eusebius.
XVII. Dyn. 103 J.:
Saites 19 J.
Bnon 40 „
Archles 30 „
Aphobis 14 „(statt 18J.)
XVII. Dyn. XVI. Dynastie
Thebaner 5 Tbebaner
(43 -f-151)
= 194 J. 190 J.
Wenn auch von denselben Angaben ausgebend, weichen
die beiden suSfioei? bedeutend von einander ab; nach der iv.aoaiq
des Africanus, wie sie jetzt sich uns darstellt, sind von Saites
bis auf die Vertreibung der Hyksos 259 -|- 151 — 410, nach
der des Eusebius dagegen nur 103 -f- 190 — 293 Jahre ver
strichen. Werden wir der Iy.oocn<; des Eusebius oder der des
Africanus den Vorzug geben? Bei dem jetzigen Stande unserer
Kenntniss dieser Periode, sind wir gar nicht in der Lage diese
Frage zu beantworten; so viel dürfte uns jedoch schon jetzt
klar geworden sein, dass auch Manetho’s Angaben für dieselbe
nicht so ganz abschliessend gewesen sein können; denn wie
hätten sonst die Verfasser der Topc. in redlichster Benützung
des ihnen gebotenen Zahlenmaterials zu zwei so verschiedenen
Systemen kommen können?
Wir wenden uns nun zur Betrachtung der anderen Dyna
stien der Hyksoszeit. Hier fesseln zuerst die zwei Riesendyna
stien des Africanus, die XVI. mit 518 und die XIII. mit
453 Jahren unsere Aufmerksamkeit. Die Gesammtdauer der
Herrschaft der Fremden über Aegypten betrug nach Josephus
511 Jahre, wovon 259 auf die legitime Hyksosdynastie und
252 (511—259) auf die Nachfolger derselben entfallen sollten.
Allem Anscheine nach hat jedoch Josephus, was bei ihm gar
nicht auffallen kann, seine Quelle flüchtig gelesen oder miss
verstanden , und cs umfassen die 511 Jahre die Gesammt-
dauer der Herrschaft der Hyksos über Aegypten, somit auch
die Zeit, während der sie keine Könige gehabt haben.
SiUungaber. d. phil.-hist. CI. XCV. Bd. I. Ilft. 12
178
K r al 1.
Wie dem auch sei, so viel ist sicher, dass in den 511 Jahren
die 259 Jahre der legitimen Hyksos enthalten waren; die
des Africanus dagegen haben, sowohl eine Dynastie zu 518, als
auch eine zu 259 Jahren. Wie für uns, so erhob sich auch
für die Verfasser der -iij.c. die wichtige Frage, wie denn die
511, beziehungsweise 518 Jahre zu vertheilen seien. Waren
denn die 151 Jahre, während welcher die Hyksos nach dem
Tode ihres letzten legitimen Königs, des Apophis, in fortwäh
rendem Kampfe gegen die Thebaner, bis zu ihrer sehliess-
lichen Vertreibung aus Aegypten, sich behauptet hatten, in die
Zeit der G-esammtherrschaft einbegriffen? Der Verfasser der
ts'j.c'. des Africanus hat sich dagegen erklärt; die eigentliche
Herrschaft der Hyksos brach für ihn mit dem Tode des Apo
phis ah. Ohnedies stand sein System nach diesem Ereignisse
ganz fest, der Rest von 518—259 Jahren musste sonach vor
Saites untergebracht werden.
Aus demselben eine Hyksosdynastie zu bilden war un
möglich; denn nach Manetho’s bestimmter Angabe war Saites
der erste König, den die Hyksos erhoben haben. 1 Wir wissen
jedoch, dass die Hyksos langsam und in stetem Kampfe gegen
die einheimischen Fürsten vorgerückt, und zur Herrschaft über
Aegypten gekommen sind, und dass der Turiner Papyrus die
langen Reihen der einheimischen Fürsten dieser Zeit enthielt
— ähnliche Erwägungen haben die Verfasser der t6jj.v. veran
lasst, den Rest von 518 (oder 511)—259 Jahren für eine
thebanische Dynastie in Anspruch zu nehmen. Es ist dies die
XV. Dynastie des Eusebius mit den hübsch abgerundeten 250
Jahren. Der Verfasser der des Africanus hat diese erste
thebanische Dynastie mit 259 Jahren mit der zweiten, die wir
schon ins Auge gefasst haben (die XVII.), mit 194 Jahren zu
seiner XIII. Riesendynastie mit 453 (259 -f- 194) Jahren zu
sammengefasst, ohne zu berücksichtigen, dass sie durch die
legitime Hvksosreihe von einander getrennt waren.
Wir haben bei unserer bisherigen Untersuchung nicht in
Betracht gezogen, was den Verfasser der des Africanus
bewogen hat, die von Josephus aus Manetho uns überlieferten
511 Jahre auf 518 zu präcisiren. Durch diese Erhöhung der
1 Josephns C. A. I, 14, 5.
Manet konisches (iesehicktswerk.
179
überlieferten Zahl erreichte er, dass die Gesammtdauer der
Hyksosherrschaft in zwei Hälften zu je 259 Jahren zerfiel, von
denen die erste der königlosen Zeit, die wie wir gesehen haben
als thebanische Dynastie in den xogoi erschien, die zweite da
gegen den sechs legitimen Hyksos angehörte. Unser Autor hat
sonach, allem Anscheine nach, dieselben kritischen Grundsätze
gehabt, wie die Urheber der Septuaginta, welche die 430 Jahre
seit der Einwanderung Abrahams bis auf den Auszug auch in
zwei Hälften zu je 215 Jahren theilten, von denen die erstere
auf den Aufenthalt in Kanaan, die zweite auf den in Aegypten
entfiel (vgl. oben S. 146).
Während die -sgo'. des Africanus und Eusebius trotz be
deutender Abweichungen in der Zählung der XV., XVI. und
XVII. Dynastie sich mit der XVIII. wieder begegnen und be
züglich der Herkunft der einzelnen sich entsprechenden Dyna
stien mit einander vollkommen übereinstimmen, finden wir in
den Excerpta Barbari gerade das Entgegengesetzte. Wiewohl
kein Zweifel darüber bestehen kann, dass die Potestas Dios-
politanorum mit der XII. Dynastie des Africanus und Eusebius
identisch sei, so ünden wir sie als X. Potestas bezeichnet;
ebenso erscheint die XIV. Dynastie als XII. und die XVIII.
als XVI. Potestas. Die XIV. Dynastie wird bei Africanus und
Eusebius als ,choitische', die XVIII. als ,thebanische' bezeichnet,
die ihnen entsprechenden Potestates dagegen als tanitische und
hermopolitische. Selbst in der Abtheilung der tcjjkk weichen
die Excerpta von den bisher betrachteten zwei szoöcs’.c ab;
während diese erst mit der XIX. Dynastie ihren zweiten
tigoc sehliessen, enden jene denselben mit der XVI. Potestas
(= XVIII. Dynastie). Die Abweichungen der Excerpta von
den £-/.Scs£': gehen nicht auf Verschreibungen zurück, wir können
an einem Beispiele vielmehr beobachten, dass dieselben wohl
begründet sind und die Kenntniss des Manethonischeu Werkes
veiTathen. Die Excerpta bezeichnen die XVI. Potestas als
eine hermopolitische, während die ihr entsprechende XVIII. Dy
nastie von Africanus und Eusebius übereinstimmend als ein
thebanisches Fürstenhaus bezeichnet wird. Wir wissen nun
aus den Denkmälern, dass Ahmes I., der die sogenannte
XVIII. Dynastie beginnt, nicht thebanischer Abstammung war,
sein Name, so wie der in seiner Familie so häufig vorkom-
12*
180
K lall.
mende von ,Thutmes‘, weisen uns vielmehr auf Hermopolis
hin, 1 die Hauptcultstätte des Mondgottes Thut, der von den
Griechen ihrem Hermes gleichgesetzt wurde — mit vollem
Rechte konnten daher die Excerpta die XVI. Potestas als eine
hermopolitische bezeichnen.
Wir haben schon (S. 174) die Summe der Regierungszeiten
der XIII. und XIV. Potestas, die die Hyksosherrschaft in den
Excerpta uns darstellen, ins Auge gefasst, es erübrigt uns noch
die Posten einzeln zu prüfen und dann den Anschluss der
selben an die Regierungen der X. Potestas (XII. Dynastie)
festzustellen. Nach Josephus, beziehungsweise Manetho, resi-
dirten die Hyksos in Memphis, als Memphiten werden im Vetus
Chronicon die vier legitimen Hyksos bezeichnet, in der XIV. Po
testas Memphitorum müssen wir sonach eine Reihe von Hyksos
erwarten. In der That stimmen auch die derselben beigege
benen dl8 Jahre vollkommen mit den Ansätzen des Eusebius
überein. Nach demselben regierten die Hyksos.
XVII. Dynastie 103 J.
XVI. ,. (gleichzeitig mit den Thebanern) 190 „
Dazu die Jahre des Ahmes . . 25 „
318 Ji
Auch hier zeigen sich die Excerpta von der durch Jo
sephus aufgebrachten Identificirung der Hyksos und Juden
beeinflusst, und zwar innerlich, nicht bloss äusserlich, wie wir
dies bei den io\im des Africanus beobachtet haben. Die XIII.
Potestas Sebennitorum mit 224 Jahren ist durch Subtraction
(542, Gesammtdauer der Hyksosherrschaft, —318, XIV. Po
testas Memphitorum) entstanden, ein Vorgang, der uns nach
den bisherigen Darlegungen nicht mehr auffallend erscheinen
kann. Ob sich der Verfasser der Excerpta die XIII. Potestas
als eine fremde oder einheimische Herrscherreihe gedacht hat,
können wir nicht sagen; wenn wir uns jedoch daran erinnern,
dass ihr Sitz nach Sebennytos, der Heimatsstadt Manetho’s,
verlegt wird, so liegt die Vermuthung nahe, dass wir es
hier wahrscheinlich auch, wie bei der XVI. hermopolitischen
Potestas, mit einer echt Manethonisehen Angabe zu thun haben,
1 Brugscli 1. I. 254.
Mauethonisches Geschichtswerk.
181
die wohl in diesem Falle auf den Localpatriotismus ihres Ur
hebers zurückzuführen sein dürfte. Manetho brauchte nur
anzugeben, dass beim Einfalle der Hyksos eine einheimische
Dynastie sich längere Zeit in Sebennytos zu behaupten ver
stand 1 — die Verfasser der t6|aoc berechneten nach der uns
wohlbekannten Weise die genaue Regierungsdauer leicht heraus.
Zwischen der XIV. Potestas, die, wie wir gesehen haben,
von den Hyksos eingenommen wurde, und der XVI., die dem
Ahmes und seinen Nachfolgern angehört, finden wir die XV. Po
testas Heliopolitorum verzeichnet. Es lässt sich bei dem
jetzigen Stande unserer Kenntnisse nicht sagen, ob wir es hier
mit der XVI. Dynastie des Eusebius (190 -j- 25 J.) oder aber
mit einer parallel laufenden zu thun haben, denn wir wissen
aus Josephus, dass gleichzeitig in verschiedenen Theilen Aegyp
tens nationale Könige gegen die Fremdherrschaft sich erhoben
haben 2 — immerhin mag nicht unerwähnt bleiben, dass die
Namen der Räseqenen uns nicht nach Theben, die Hauptcult-
stätte des Amon, sondern eher auf Heliopolis, die heilige
Stadt des Rä, hinweisen.
Den von uns bisher betrachteten Hyksosdynastien gingen
nach den sxBoreis des Africanus und Eusebius die XIV., welche
sie als choitische bezeichnen, voraus. In dieser nämlich, nicht
in der XIII., wie man bisher angenommen hat, haben wir die
Nachfolger der Skemiophris zu suchen. Abgesehen davon,
dass wir nun wissen, was es für eine Bewandtniss hat mit der
XIII. Dynastie, müssen wir uns erinnern, dass dieselbe als
eine thebanische Herrscherreihe hingestellt wird, während wir
dagegen wissen, dass die Nachfolger der Skemiophris keine
Förderer des Amoncultes in Theben gewesen sind, ja dass sie
sich im Gegentheile in directem Gegensatz zu demselben ge-
1 Es ist dies ja die Zeit, die in der grossen Meneptah-Insclmft also ge
schildert wird: ,die Könige Unterägyptens befanden sich innerhalb ihrer
Städte, umschlossen von Erdsehanzen, abgesperrt durch Kriegsvolk, denn
sie hatten keine Söldner, um jenen zu antworten' (1. 9); ,damals als Unter
ägypten in der Gewalt der Fremden war, indem sich diese fest behaup
teten, und die Könige von Oberägypten [nicht eingreifen konnten]' (1. 39)
— für die Uebersetzung cf. Brngsch, Geschichte Aegyptens 557 f. Chabas,
Reeherches p. 84 f.
2 C. A. I, 14, 12.
182
Krall.
stellt haben, durch die besondere Pflege des krokodilköpfigen
Sebek, der den frommen Aegyptern als Symbol des bösen
Sutech galt. 1
Genauer sind die Angaben der Excerpta; nach denselben
regierten nach der X. Potestas (XII. Dynastie) bis auf die
Hyksoszeit zwei Potestates, die erste in Bubastus mit 153, die
zweite in Tanis mit 184 Jahren. Die letztere ist identisch mit
der XIV. Dynastie der sy.äicrsic, wenn auch die Angaben hin
sichtlich des Sitzes der Regierung von einander ab weichen.
Regierten die beiden Potestates gleichzeitig, folgten sie auf
einander? Es ist schlechterdings unmöglich auf diese Fragen
antworten zu wollen ; es lässt sich nur sagen, dass die Residenzen
Tanis, Bubastus und Chois uns auf Unterägypten in vollkom
mener Uebereinstimmung mit den Denkmälern hinweisen, die
uns bestätigen, dass die Nachfolger der Skemiophris mit Vor
liebe in Tanis und Bubastus sich aufhielten — wir erinnern
nur an die gewaltigen Statuen des Königs Mermesa in Tanis. 2
Africanus legt seiner XIII. Dynastie 184 Jahre bei, Euse
bius dagegen in der zuverlässigeren armenischen Uebersetzung
484. Wir haben es bei dem letzteren mit einer Summe zu
thun, die sich analog der von 453 Jahren bei der XIII. Dynastie
verhält; wie diese die Regierungen der thebanischen Fürsten
während der Hyksoszeit zusammenfasst, so repräsentirt uns
die Zahl 484 die Regierungssummen der nichtthebanischen
Fürsten von der XII. bis zur XVIII. Dynastie, nämlich die
choitische Dynastie mit 184 Jahren, die XVI. legitime Hyksos-
reihe mit 106 Jahren und ihre Nachfolger, die mit den The-
banern gemeinsam 194 Jahre regierten. Dass wir es hier mit
den nicht reducirten Zahlen zu thun haben — die Reduction
derselben entsprang, wie wir gesehen haben, dem Bestreben,
die 543 der Hyksosherrschaft über Aegypten zu erzielen —
beweist, dass die Reduction nichts Ursprüngliches in den
ist, sondern erst von einem spätem Chronographen, der von
Josephus Schrift, Contra Apionem beeinflusst war, vorge-
nommen worden ist.
Zur leichtern Uebersicht der von uns bisher gewonnenen
Ergebnisse, geben wir eine Zusammenstellung der drei Haupt-
1 Brugsch L L p. 176.
J Brugsch L 1. p. 181.
Manethonisches Gesohichtswerk.
183
quellen für die Erkenntniss der Manethonischen Chronographie,
die uns deutlich zeigt, dass die Top.si ursprünglich tabellarisch
zusammengestellt waren, und erst später die Gestalt erhalten
haben, in der sie uns vorliegen.
co
io
Tt*
3
a
ß
o
fi
X
Africanus:
XII. Dynastie Thebaner 160 J.
XIV. Dynastie Choiten 184 J.
Thebaner 259 J.
XVII. Dynastie Thebaner
gemeinsam mitApophis 43 J.|
CO
v-H
lO
ß
ö
>
X
19t J.
Hyksos ohne Könige
259 J.
XV. Dyn. 6 Hyksos 259 J
Saites 19
Bnon 44
Pachnan 36
Staan 50
Archles 49
Apophis
allein 18 J
mit seinen Nachfolgern 151 „(
XVIII. und XIX. Dynastie Thebaner 472 J.
Ende des II. tojxo?,
mit denThebanern 43 J
Hyksos 151 „ j
*
61
194 J.
o
ß
ß
-o
<D
ß 1
'
X
- Eusebius:
XII. Dynastie Thebaner 245 J.
Choiten 184 J.
XV. Dyn. Thebaner 250
(st. 259 oder 252) J.
XVII. Dyn. Hyksos 103
(St. 106) J.
XVI. Dyn. Thebaner 190 Andere Hyksos 190
(st. 194) J. (st. 194) J.
gemeinsam mit Apophis
seit seinem 14. (st.lS.) J.
und dessen Nachfolgern.
XVIII. Dynastie Thebaner 348 J.
XIX. Dynastie Thebaner 194 J.
Ende des II. -opts;.
XIV. Dyn. Choiten 484 J.
184
Krall.
Excerpta Barbari:
X. Potestas Diospolitanorum 160 J.
XI. Potestas Bubastanorum 153 J.
XII. Potestas Tanitorum 184 J.
XIII. Potestas Sebennitorum
224 J.
XIV. Potestas Memphitorum
XV. Potestas Heliopolito- 318 J. (= 103 -f-190 -f- 25.)
rum 221 J.
XVI. Potestas Hermupolitorum 260 J.
Ende des II. "C|j.oc.
§. 2. Der dritte -6[j.oc.
Es kann hier unsere Aufgabe nicht sein, eine Vergleichung
der Könige der einzelnen Dynastien mit den überlieferten Car-
touchen zu geben, da wir es nicht mit ägyptischer Chrono
graphie überhaupt zu thun haben, sondern bloss mit der Unter
suchung der aus den Mfmuxm geschöpften iv.cccs'.c, um an der
Hand derselben einen Einblick in die Anlage der tc[jioi und
ihr Verhältnis zu den ßißXoi zu gewinnen. Hierauf werden
wir uns beschränken und die Denkmäler wie bisher nur soweit
heranziehen als für unsere Zwecke uns unumgänglich noth-
wendig erscheint.
Dynastie XIX. und XX. Die Differenzen, welche für
diese Dynastien in unseren bestehen, sind ziemlich be
deutend. Wir fassen zuerst die XIX. näher ins Auge.
Afric.
Sethos 51 J.
Rapsakes 66 „
Amenephtes 20 „
Ramesses 60 „
Amenemnes 5 „
Thuoris 7 ,,
Euseb. [Arm.]
55 J.
66 „
8 .”
fehlt bei Euseb.
26 J.
7 „
Monumente.
Seti I.
Ramessu II. Meiamun
Meneptah II.
Ueber die Gleichsetzung der drei ersten Herrscher mit
den monumentalen Königen Seti I., Ramessu II. und Meneptah
kann kein Zweifel bestehen; schwieriger steht es dagegen mit
Manethonisches Gescliiclitswork.
185
den drei, beziehungsweise zwei folgenden, da Eusebius den
König Ramesses mit 60 Jahren nicht kennt.
Die Denkmäler bezeichnen als den Nachfolger des Ame-
nephtes seinen Sohn Seti II., dem Setinacht-Merer-Miamun II.
folgte. Beide Könige hatten fortwährend mit Gegenkönigen
zu kämpfen; gegen Seti II. erhob sich Amonmessu, gegen
Seti-nacht der Gemahl der Ta-user, Mineptah Siptah. Die
höchste Regierungszahl, die von irgend einem dieser Könige
gefunden worden ist, ist das dritte Jahr des Siptah — es hat
sonach keiner dieser Könige lange regiert. Unter Seti-nacht
brachen fremde Völker in Aegypten ein; es ist die Zeit in
die uns das von Josephus erhaltene Manethonische Fragment
über die Exodus versetzt. Nach demselben haben die fremden
Eindringlinge dreizehn Jahre über Aegypten geherrscht, nach
deren Verlauf es Seti-nacht — warum er bei Josephus Amenophis
genannt wird, werden wir an einem anderen Orte zu unter
suchen haben — unter Beistand seines Sohnes Ramessu gelang,
die Feinde aus Aegypten zu vertreiben. Ramessu selbst
gibt uns in dem für unsere Wissenschaft so werthvollen Pa
pyrus Harris 1 die officiellen Belege für den Manethonischen
Bericht. Weder Seti II. und Seti-nacht noch ihre Gegenkönige
Amonmessu und Siptah können nach dem Gesagten mit dem
Ramesses des Africanus verglichen werden, dem volle 60 Jahre
beigelegt werden. Anders steht die Sache bei Seti-nacht’s
Sohne, dem erwähnten Ramessu; ganz abgesehen von der voll
kommenen Uebereinstimmung der Namen, ist für denselben
ein hohes Regierungsjahr — 32 — durch den schon ange
führten Papyrus Harris, das sein letztes auch nicht gewesen
ist, wohl bezeugt. Die beiden folgenden Könige sind monu
mental leicht erkennbar; Amenemnes ist der Gegenkönig Amon
messu und Thuoris ist die Gemahlin Siptah’s, die gewaltige
Tauser. Die tojaoi huldigen sonach auch hier denselben Grund
sätzen wie bei der XVIII. Dynastie, wo auch die legitimen
Könige bis auf Horus vorgeführt werden und erst dann die
Nebenkönige nachfolgen (p. 158 u. 187). Nach dem Gesagten
lösen sich die Abweichungen in den Regierungsjahren bei
1 Edd. Bireh und Eisenlohr, vgl. Eisenlohr’s Vortrag über den Papyrus
Harris, Chabas, Recherehes 23—27, Brugsch 1. 1. 589,
186
Krall.
Africanus und Eusebius von selbst. Meneptah hat nach Euse
bius acht, nach Africanus zwanzig Jahre regiert, der letz
tere fasst sonach, wie wir dies schon so oft beobachtet haben,
die Regierungen von Meneptah (8 J.), Amenemnes (5 J.)
und Thuoris (7 J.) zusammen. Anderseits hat Eusebius für
Amenemnes 26 Jahre, d. h. Amenemnes (5 J.), Thuoris (7 J.)
und die dreizehn Jahre der Herrschaft der Fremden; die nicht
legitimen Regierungen werden uns in ihrer Gesammtheit vor-
geführt. Die dreizehn Jahre der Anarchie werden von Afri
canus in die Regierung des Königs Ramesses (47 -f- 13 = 60 J.)
einbegriffen, etwa wie die Regierungen der nicht legitimen
Amenemnes und Thuoris in der des Meneptah enthalten sind.
Wo hat aber der Verfasser der toixoi des Eusebius die Regierung
Ramessu III. untergebracht? Die dreizehn Jahre, die in dessen
sechzigjähriger Regierung enthalten sind, figuriren bei Eusebius
in den 26 Jahren des Amenemnes — aber die übrigen 47 Jahre?
Hier tritt uns die überraschende Thatsache entgegen, dass die
nächste Dynastie bei Eusebius 1 43 Jahre mehr hat als bei
Africanus, d. h. Ramessu III. ist nach dem erstem das Haupt
der XX. Dynastie, während er bei dem letzteren in der XIX.
vorkommt. Trotzdem, dass mit der XX. Dynastie ein neuer
no’j.oc; beginnt, ist die Scheidung zwischen derselben und der
ihr vorangehenden keineswegs sehr scharf; sie hängen viel
mehr auf das innigste zusammen, wie es uns auch die Denk
mäler darthun. Es ist hier nicht unsere Aufgabe zu prüfen,
was die Trennung veranlasst hat; wir bemerken nur, dass wir
ähnlichen Erscheinungen schon begegnet sind bei der XVII.
und XVIII. Dynastie des Africanus, und dass uns dasselbe bei
der XI. und XII. Dynastie, somit an dem Uebergange des
ersten auf den zweiten tcjj.g;, entgegentreten wird. Dieselben
60 Jahre, welche bei Africanus dem Ramesses beigelegt werden,
sind bei Eusebius, nicht bloss auf verschiedene Könige, sondern
auf zwei Dynastien, ja auf zwei Top.s; vertheilt.
Zum Schlüsse stellen wir die gewonnenen Ergebnisse
tabellarisch zusammen:
1 Der griechische Text gibt der XX. Dynastie 178, die armenische Ueber-
setzung 172 (182?) Jahre. Wie nahezu dnrehgehends bei Eusebius sind
die Zahlen auch hier verkürzt.
Manethonisohes Gescliiehtswerk.
187
XIX. Dynastie
Sethos
Rapsakes
Amenephtes
Amenemnes
Thuoris
Herrschaft der Fremden
13 J.
Afr.
209 J.
51 „
66 „
1 20 „
Euseb. [Arm.]
194 J.
55 „
66 „
3 „
5 Ja 26 „
7 „l
III.
TOp.SC
Ramesses 47 J.
III. t6\j.oq. XX. Dynastie
12 Fürsten 135 J.
XX. Dynastie
Ramesses
47 J.
182 J.
12 andere Fürsten 135
Wir haben schon bei der Betrachtung der XVIII. Dy
nastie beobachten können, dass die illegitimen Nachfolger
Amenhoteps III., das Geschlecht des Achu-n-aten, erst nach
Horus nachgetragen wird; dieselbe Erscheinung können wir
auch bei der XIX. Dynastie verfolgen. Amenemnes und Thuoris,
welche, wie wir eben gesehen haben, vor Ramses III. (Ramessu)
regiert haben, folgen in den TÖp.o; auf denselben. Unsere bis
herigen Untersuchungen geben uns zugleich die Mittel an die
Hand, den Grund dieser Erscheinung festzustellen. Wir haben
gesehen, dass die Top.oi ursprünglich eine tabellarische Form
hatten, und dass sie erst später in die uns vorliegende Form
gebracht worden sind; wir haben ferner gesehen, dass für die
Zeit der Hyksosherrschaft zwei Rubriken vorhanden waren,
dasselbe müssen wir auch für die XVIII. und XIX. Dynastie
annehmen. Auf der einen Seite standen die legitimen, auf der
andern die illegitimen Könige — als man die tabellarische
Form der Top.ct aufhob, liess man die illegitimen Könige,
ohne sie an ihre richtige Stelle zu setzen, ohne Weiteres
auf die legitimen folgen; so kommt es, dass in den Top-oi auf
Ramesses seine Vorgänger Amenemnes und Thuoris folgen oder
dass dem Geschlechte Achu-n-aten’s, Horus vorangeht.
Gewaltsam hat man, wie wir gesehen haben, die XIX.
von der XX., sowie, worauf wir noch zurückkommen, die XI.
von der XII. Dynastie durch den Top.oq-Einschnitt auseinander
188
Krall.
gerissen — was berechtigte die Verfasser der tojj.oi zu einem
so gewaltsamen Vorgänge? Um diese Frage beantworten zu
können, müssen wir den zeitlichen Gesammtumfang des ganz
in sich abgerundeten zweiten Top.oc bestimmen. Hier wo es sich
um eine stricte Reihenfolge, nicht um die Gesammtsumme der
Regierungen handelt, müssen wir diejenigen Dynastien, die
wir als Nebendynastien oder als Zusammenfassungen anderer
noch besonders aufgezählter Dynastien festgestellt haben, aus-
scheiden.
Africanus:
XIL Dynastie
XIV. ' „
XVI. „
XVII.
160 J.
184 „
518 „
151
XVIII. u. XIX. Dynastie 447
Summe 1460 J.
Eusebius: Amenemes
XII. Dynastie
XIV. „
XV. „
XVI. „
XVII.
4 J.
182 „
184 „
250 „
190 „
103 „
XVIII. u. XIX. Dynastie 542
Summe 1455 J.
Die Summirung der Posten der einzelnen aufeinander
folgenden Dynastien ergibt sonach, nach beiden s/.Sscstc, die
Periode von Jahren, nach deren Verlauf sich Wandeljahr und
festes Jahr vollkommen wieder decken. Der TÖp.oc, und mit
ihm die Periode endeten mit Ramses III. — also in der Zeit,
wo nach den Forschungen von Riel, 1 von denen wir in unserer
Einleitung ausgegangen sind, der Thot des Wandeljahres mit
dem Thot des festen Jahres sich deckten. 1460 julianische
Jahre vorher war dies Ereigniss schon einmal eingetreten, und
in diese Zeit fällt nach dem übereinstimmenden Ansätze der
vopoi des Africanus, des Eusebius und der Excerpta Barbari,
die Regierung des Hauptes der XII. Dynastie, des Amenemes.
' Riel, Sonnen- und Siriusjahr p. 180—188.
Muiictkouisclies Gußchielitswerk.
189
Ueberall bieten uns die Togo; Abweichungen dar, nur in diesem
Cardinalpunkte stimmen sie miteinander vollkommen überein
— der beste Beweis, dass wir es hier mit einer echt Mane-
thonischen Angabe zu thun haben. Ist aber dieser Ansatz von
Manetho, dann ist auch unsere, schon oben (p. 128) ausgespro
chene Annahme, dass die ägyptischen Priester in ihren heiligen
Schriften, deren Dolmetsch Manetho nur sein wollte, den Be
ginn der Verschiebung der beiden festen Jahre in die Zeit
der Amenemha’s gesetzt haben, vollkommen gerechtfertigt.
Es scheint nun nahe zu liegen, und in der That ist dies
auch die allgemeine Meinung der Forscher, dass die ßißhot des
Manetho den einzelnen Togo; entsprechen. Dagegen spricht
jedoch die Nachricht des Josephus, 1 dass Manetho den Einfall
der Hyksos in seinem ersten Buche behandelt hat, während
uns dagegen derselbe erst in dem zweiten Togo; entgegentritt
— die Togo; laufen demnach nicht parallel mit den ßtßXot. In
der That wird uns dies nach unseren bisherigen Ausführungen
gar nicht auffallend erscheinen; Manetho’s Schrift ist ein histo
risches, die Togo; sind dagegen ein chronographisches Werk;
Manetho theilt nach historischen Gesichtspunkten sein Werk
ab, die Verfasser der Togo; hielten sich dagegen an die Periode
der Verschiebung des Wandeljahres gegen das feste Jahr,
deren Epochen ihnen von Manetho gegeben waren.
Die XIX. Dynastie bietet uns einen Synchronismus mit
griechischer Geschichte; unter ihrem Könige Thuoris soll näm
lich Troja eingenommen worden sein. Ueber die Zeit, in welche
dieses bedeutendste Factum ihrer Vorgeschichte anzusetzen
sei, waren die Griechen selbst abweichender Meinung. Nach
Herodot fiel die Einnahme von Troja etwa in das Jahr 1270
v. Chr., nach Thukydides dagegen in das Jahr 1209 v. Chr.
Ephoros setzte die Eroberung in das Jahr 1156, Timaios gar
in das Jahr 1349 v. Chr. Mit Zuhilfenahme der assyrischen
Zeitrechnung fixirte Ktesias dieses Ereigniss auf das Jahr 1183
v. Chr., ein Ansatz, der später von Eratosthenes und Apollodor
1 Die verlässliche armenische Version des Eusebius hat: et hie sane Ma-
nethös in primo (libro) rerum egiptiacarum hac ratione de nobis scribit.
Den Listen des Africanus und Eusebius zu Liebe wurde das ursprüng
liche sv T7j TZpioirj verwandelt £v “7) oeuxipa.
190
Krall.
acceptirt wurde und allgemeine Anerkennung fand. 1 Welchem
dieser Ansätze hat Manetho bei dem Synchronismus des Thuoris
— falls derselbe, was gar nicht mit Gewissheit auszumachen
ist, von Manetho selbst herrührt — sich angeschlossen? Dass
er sich an den Ansatz von 1183 v. Chr. nicht gehalten hat,
ist von Lepsius dargethan worden; unsere Untersuchungen
führen zu dem Ergebnisse, dass, da Thuoris in der ursprüng
lichen Anlage der Togot als Vorgänger Ramses III. verzeichnet
war, die Zerstörung von Troja nach den Togo: vor 1266
v. Chr. fallen müsste, und es steht sonach der Annahme
von Lepsius 2 nichts im Wege, dass Manetho den Ansatz
Herodots acceptirt habe — einen sichern Anhaltspunkt bietet
uns jedoch dieser Synchronismus aus griechischer Geschichte
ganz und gar nicht.
Dynastie XXI—XXVI. Birch hat zuerst 3 darauf aufmerk
sam gemacht, dass die Namen der Könige der XXII. Dynastie der
Togo: kein ägyptisches, sondern vielmehr ein assyrisches und
aramäisches Gepräge tragen; er setzte Osorehon Sargon, Ta-
kelat Tiglat und Namurot Nimrod gleich und schloss hieraus
auf eine enge politische Verbindung zwischen Aegypten und
Assyrien, sowie auf Verheirathungen zwischen den beiden
Königsfamilien. 4 Im Anschlüsse an Birch, aber in einer Reihe
von Punkten wesentlich von ihm abweichend, legte Lepsius 5
zuerst dar, dass die Bevölkerung des Delta und namentlich
seines östlichen an Asien grenzenden Theiles sehr gemischt
war, und führte hierauf aus, dass Sesonk 1. als das Haupt einer
ursprünglich asiatischen, wahrscheinlich semitischen, in Bu-
bastus eingebürgerten, Familie anzusehen sei. Die Ansicht
von Lepsius hat unter den Forschern allgemeine Geltung er
langt, da sie in der That an Klarheit und Einfachheit nichts
1 J. Brandts, Comm. de temp. graecorum antiquissimorum ratione, Bonn 1857.
2 Königsbuch p. 137.
3 Transact. of the R. S. of Lit. Second Ser. III, p. 165 f.
4 ,1 have entered into this philological detail because I think it demon-
strates, by a new route, an alliance between the Assyrian and Egyptian
courts, and shows that at the period Connections of blood must liave
existed between the two royal houses.“
5 lieber die XXII. ägyptische Konigsdynastie, Phil.-hist. Aldi, der Berliner
Akademie, 1856, p. 285 f.
Manethonisches Geschichtswerk.
191
zu wünschen übrig lasst, und eine ßcihe von schwierigen
Fragen glücklich löst. Da überraschte Brugsch die gelehrte
Welt mit der Entdeckungdass die ägyptischen Denkmäler
von dem Jahre 1000 v. Chr. an, uns zum ersten Male die
Kenntniss assyrischer Königsnamen in ägyptischer Schreibung
gewähren, und die Gegenwart assyrischer Satrapen im Nilthale
bezeugen. Pallascharnes, Sesonk, Nimrod, Tiglat, Sargon und
andere mehr, sind echt assyrische Gestalten, welche fortan mit
der Geschichte Aegyptens im engsten Zusammenhänge stehen
werden'. 1
Ausgehend von der Stele des Pesonhor 2 und einer grossen,
wenn auch nur zum Theil erhaltenen Inschrift, auf der Vorder
seite eines Granitblockes in Abydos, legt uns Brugsch dar,
dass das aussterbende von Herhor und seinen Nachfolgern be
drängte Geschlecht der Ramessiden Verbindungen mit den
Assyriern angeknüpft habe; ein Urenkel des von Herhor ge
stürzten Ramessu XIII. hätte sich mit der ungenannten Tochter
eines Grosskönigs, dessen Namen Pallascharnes an Ninip-pal-
lasar und Tiglath-phalasar erinnerte, vermählt, was den König
der Assyrer Naromath (= Nimrod) nach Aegypten zu ziehen
und seinen Sohn Schaschanq zum König von Aegypten ein
zusetzen, veranlast hätte.' 3
Die hohe Bedeutung der Darlegungen von Brugsch für
die ägyptische Chronographie, und daher für die Anordnung
der spärlich auf uns gekommenen Manethonischen Fragmente
leuchtet sofort ein; wir hätten ganz abgesehen von der Glei
chung Sesonk = 5. Jahr des Rehoboam, 4 noch eine andere
mit der assyrischen Königreihe gewonnen; es ist daher am
Platze dieselbe näher zu untersuchen, und mit den bisher
bekannten Thatsachen aus dieser Zeit zusammenzustellen.
Fassen wir vorerst die damalige Lage der grossen Reiche
im Oriente näher ins Auge. Als bequemer Anhaltspunkt bietet
1 Brugsch 1. 1. Einleitung p. X.
2 Mariette, Athen. Franp. 1855. Bull. Arch. p. 95. Lepsius 1. 1. p. ‘26t f.
3 Brugsch 1. 1. p. 6t3 f.
4 1 Könige 14, 25. Zuin Andenken au den Feldzug liess Sesonk im
21. Jahre seiner Regierung eine Säulenhalle des Amonstempel errichten,
in der wir ein langes Verzeieliniss von eroberten Städten wiederfinden.
Cf. Brugsch 1. 1. p. 660 f.
Krall.
l \rz
sich uns der Synchronismus Scheschonks Zug gegen Judäa
= 5. Jahr des Rehoboam dar. Die Reihe der Vorgänger Sche
schonks, Nimrod, Scheschonk, Pithut, Nebonescha, Mausan, die
wir nach Brugsch als assyrische Könige anzusehen hätten, 1
weist uns sonach in die Zeit, wo das Reich der Hebräer in
Folge günstiger Verhältnisse unter den Vorgängern Rehoboams,
Saul, David und Salomon im westlichen Asien eine bedeu
tende Stellung einnahm. Syrien ist von der Natur selbst darauf
gewiesen, in der Geschichte keine selbstständige Rolle zu
spielen, es war immer der Zankapfel zwischen den Monarchien,
die entweder im Nilthale oder am Euphrat und Tigris sich er
hoben hatten — nur vorübergehend, wenn dieselben zerfielen,
hat es eigene Bedeutung erlangt. Die ägyptische Monarchie
war unter den letzten Ramessiden, in steten inneren Kämpfen
begriffen, gar nicht in der Lage, ihr Ansehen nach Aussen
geltend zu machen; die assyrische war nacli der Niederlage
Tiglath-pilesar I. durch die Babylonier bei Hekali, und nach
der unglücklichen Schlacht seines dritten Nachfolgers Assur-
rab-amar unweit Karchemisch, die die vorübergehende Unab
hängigkeit Syriens begründete, ganz zerfallen. 2 Die nachfol
genden Könige verloren allmälig alle ihre Eroberungen und
sahen sich bald auf ein kleines Gebiet in der unmittelbaren
Nähe ihrer Hauptstadt beschränkt, 3 bis endlich mit Tiglath-
adar am Anfänge des neunten Jahrhunderts eine neue Er
hebung Assyriens begann. In dieser Zeit des Verfalls der ägyp
tischen und assyrischen Monarchien erhob sich gewaltig das
Reich der Hebräer, unter David und Salomon reichte es von
der ägyptischen Grenze bis zum Euphrat und rothen Meere ;
1 Brugsch tlieilt dieselben wühl in assyrische Könige und Fürsten (auf
seiner Stammtafel der königlichen Familien der Dynastien XX—XXVI).
Der Unterschied ist jedoch keineswegs stichhaltig, da auf der Inschrift
des Pesonhor von Nimrod aufwärts alle Vorgänger Scheschonks als
als mit derselben Würde bekleidet, bezeichnet werden [Lepsius
1. 1. p. ‘288 A]. Es waren sonach Nimrod und seine Vorgänger, Buiuuaua
ausgenommen, insgesammt assyrische Könige oder es war es deren keiner.
2 Menant, Annales p. 53—50.
3 Rawlinson, The five great Mouarehies II. 80—83. Oppert, Histoire des
empires de Chaldee et d’Assyrie p. 61—G9. Menant, Annales p. 59—64.
Maspero, Histoire ancienne p. 342—543.
Manefcbonisclies Gescbiclitswerk.
193
in dem Momente wo sich einerseits das ägyptische Reich unter
Scheschonk, andererseits das assyrische unter Tiglath-adar und
seinen Nachfolgern erhob, waren ihm die Grundlagen seiner
Existenz — die Schwäche seiner Nachbarn — entzogen und
es trat sein Verfall ein.
Diese Betrachtung über die Statik der Reiche im west
lichen Asien war nothwendig, um festzustellen, dass die An
nahme eines Zuges eines assyrischen Königs nach Aegypten,
die nur zu einer Zeit der höchsten Blüthe des assyrischen
Reichs und der völligen Unterwerfung Syriens, wie sie in den
spätem Perioden eintrat, überhaupt denkbar ist, für die Zeiten
Salomons ganz unzulässig ist. Aber noch mehr; so spärlich
auch unsere Nachrichten über die assyrische Geschichte dieser
Zeit fliessen mögen, so ist uns doch der grösste Theil der
Königsnamen erhalten; keiner derselben lässt sich auch nur
im Geringsten mit den Namen der Stele des Pisonhor iden-
tificiren. Es müsste denn doch ein sehr eigenthümlicher Zufall
gewaltet haben, wenn gerade die Namen dieser ganz geschlosse
nen assyrischen Königsreihe, die wir im Gegensätze zu allen
Nachrichten als ungemein mächtig ansehen müssten, da sie zu
Zeiten Davids mit Aegypten in Verkehr getreten waren, und
unter Salomon Aegypten zu einer Provinz ihres Reiches machen
konnten, gänzlich verloren gegangen wären, ja dass selbst die
historischen Bücher der Juden, die bei diesen Dingen in erster
Linie interessirt waren, gar keine Nachricht hierüber uns er
halten haben. Musste ja doch die gewaltige Ausdehnung des
assyrischen Reiches, wie sie eben in der Eroberung Aegyptens
gipfelte, weithin ihre Wirkungen äussern, wovon während
der ganzen friedlichen Regierung Salomons gar keine Spuren
vorliegen.
Wenn aber Nimrod und seine Vorgänger keine assyrischen
Könige waren, was waren sie denn dann ? Ihre Namen 1 weisen
uns darauf hin, dass sie assyrischen Stammes waren, wie kamen
sie aber nach Aegypten ? Um diese Frage zu beantworten,
müssen wir die Nachrichten, die wir über diese Vorgänger
Scheschonks haben, näher ins Auge fassen. Wir finden bei
1 Der Schluss ist freilich nicht ganz zwingend, denn wir finden z. B. bei
den Griechen den Namen Psametik seit der Sa'itenzeit häufig angewendet.
Sitzungsber. d. phil.-bist. CI. XCV. Bd. I. Hft. 13
194
Krall.
1'
Lepsius 1 die Legende : 1
II
O Of
AAAAAA
I I -
. Q££) -
lü W 1
I I IC
| ^ AAAAM A/WVAA <
a' il.,
,Der Sohn des Königs
Öl
Ramses, dei - Befehlshaber aller Truppen (Namens) Nimrod, seine
Mutter (war) die Tochter des grossen Fürsten von (Mäti),
Panuresnes (mit Namen)/ Es ist von Brugsch 2 mit Recht darauf
aufmerksam gemacht worden, dass unser Nimrod der Bruder
der auf einer anderen Stele genannten [Zadj Horaufänch und
[Zad] Annubasänch 3 sei, die nachweislich Zeitgenossen Sesonks I.
gewesen sind. Wer ist aber dann Panuresnes, ist es die Mutter
. \ rv- r *- / l
Nimrods, ist es der Name des Fürsten von ? Brugsch
entscheidet sich für das Letztere, 1 da ihn der Name an Ninip-
pallasar erinnert. Dem gegenüber müssen wir jedoch bemerken,
dass einerseits der Name Panuresnes sich gut ägyptisch er
klären lässt, ,unsere Freude über sie', 5 anderseits dass, da
wir in der Reihenfolge der
der ,assyrischen Könige' nach
der Annahme von Brugsch auf der Stele des Pisonhor kein
Panuresnes vorkommt, wir zur Aufstellung eines zweiten wohl
einem anderen Geschlechte angehörigen assyrischen Königs zur
Zeit der Vorgänger Schesclionks — also eines Gegenkönigs —
genöthigt wären. Ohne uns weiter in diese Hypothese hinein
zu verstricken, geben wir die Stammtafel Nimrods, daran fest
haltend, dass Panuresnes die Mutter Nimrods war.
Ich muss zudem daran erinnern, dass das Wort, welches dem Namen
Buiuuaua vorangeht, Thehen (p. 74, A 2) möglicherweise auch ,Libyer 1
bedeuten kann (Diimichen, Recueil II, p. 58 u. passim).
1 Königsbuch Nr. 784 und 785 (Nachtrag).
2 Ramses und Scheschonk (Aeg. Z. 1875 p. 163 f.).
3 in ^ fl «Ut Ä und ä 1 Q P f 5- Einen verbes "
serten Abdruck der Inschrift des Sohnes des Ramses, Nimrod, gibt v. Berg
mann in seinen ,IIieroglyphischen Inschriften* p. 4—6 und pl. III. u. IV.
4 1. 1. 644.
5
SS, res, Freude, pcvuje gaudium. Ich erinnere nur an Bentreä
,die Tochter der Freude*, die Gemahlin eines Ramessiden, von der uns
die bekannte Stele berichtet. Reinisch, Chrest. I. pl. 12. Mit Recht
schreibt daher Lepsius (1. 1.) ,seine Mutter Panuresnes*.
Manetliomsches Geschichtswerk.
195
grosser Fürst von
Ramessu XVI. (?) Panuresnes
[Zad] Horaufanch [Zad] Annubasanch Nemrud
Wir sehen aus dieser Stammtafel, wie innig die Bezie-
hangen zwischen den ,grossen Fürsten' von und den ägyp
q w
tischen Fürsten gewesen sein müssen; die Tochter des Assyrers
führt einen ägyptischen, der Sohn des ägyptischen Königs einen
assyrischen Namen, so war es möglich, dass die Herrschaft
von den Ramessiden leicht auf die Gross-Fürsten von l
|o w
übergehen konnte. Die Mutter Scheschonks Thentsepeh war
allem Anscheine nach eine Verwandte des letzten Ramessiden,
seine Gemahlin vielleicht dessen Schwester, mit ihrer Hand
gewann er auch das Recht der Nachfolge in Aegypten. Diese
Angaben der ägyptischen Inschriften reichen nicht aus, um die
wahre Bedeutung der ,grossen Fürsten von oder der
Mäti' festzustellen; wir müssen die Keilinschriften zu Rathe
ziehen. Auf einer Inschrift des Königs Tiglath-pilesar II.
(745—727), 1 finden wir einen Grenzwächter, einen assyrischen
Markgrafen erwähnt, ,den Itibi’il setzte ich zum Grenz Wächter
ein für das Land Musri'. Tiglath-Pilesar ist nicht erobernd
nach Aegypten gezogen, er fand es jedoch angemessen über
die an Aegypten grenzenden Gebiete einen ,nigab', einen
Wächter, aufzustellen. Steigen wir nun von Scheschonk, dem
altern Zeitgenossen Rehoboams, der also etwa der zweiten
Hälfte des zehnten Jahrhunderts angehört, sechs Generationen
aufwärts — so viele zählt nämlich die Stele des Pesonhor als
Vorgänger Scheschonks auf — so kommen wir in den Aus
gang des zwölften Jahrhunderts, d. h. in die Zeit Tiglath-
pilesars I., des gewaltigsten Königs der ersten Periode assy
rischer Geschichte, der nachweislich bis Arados vorgedrungen
ist, welches ihm seine Thore öffnete. 2 So gross war sein Ansehen,
1 E. Schräder, Keilinschriften und Geschichtsforschung p. 262 und A; die
Inschrift findet sich bei Layard 66 und II, K. 67 und III, ß. 10 Nr. 2.
2 Maspero, Histoire ancienne p. 282.
13*
196
Krall.
dass selbst der König von Aegypten sich beeilte, ihm eine
Reihe von Geschenken zu senden. 1 Halten wir dies alles zu
sammen, so kommen wir zu dem Ergebnisse, dass Buiu-uaua, 2
der Ahnherr der Familie Scheschonks, zum assyrischen
Markgrafen gegen Aegypten von Tiglath-pilesar I. eingesetzt
worden sei.
Mit Tiglath-pilesar I. Niederlage bei Hekali, zerfiel die
assyrische Macht; den assyrischen Grenzgrafen gelang es, allem
Anscheine nach, Dank der Waffenmacht, die ihnen Tiglath-
pilesar I. mitgegeben hatte, sich an der Grenze Aegyptens zu
behaupten. Nunmehr unabhängig von Assyrien, welches nur
mit Mühe sich der Angriffe der benachbarten Völker erwehren
konnte, traten Buiu-uaua und seine Nachfolger in Verbindung 3
mit den Ramessiden, denen ihre Unterstützung im Kampfe gegen
die Priester und Könige von Theben nur erwünscht sein konnte. 4
1 Auf dem zerbrochenen Jag'dobelisken von Nimrud, welcher von Asur-
nasirhabal herrührt, wird von Geschenken des Königs von Musri
gesprochen und unter denselben ,ein Namsuh (Krokodil) ein . . . des
Flusses, und Thiere des grossen Meeres 1 (Mittelländisches Meer) erwähnt.
Schräder, K. u. G. p. 254 f.
2 Er führt auf der Inschrift den Titel ~| ^ AAAwv/fyjjj 1 Thehen, dessen Be
deutung wir jedoch festzustellen nicht in der Lage sind. Immerhin erinnern
der That ein Titel und kein Bestandtlieil des Namens ist, zeigt die Stele
des Pesonhor, welche vor jedem Namen entweder einen Titel oder
Lepsius 1. 1. p. 288 A, vgl. jedoch oben p. 193 A 1.
3 Scheschonks gleichnamiger Grossvater war mit der ägyptischen Prinzessin
Mehet-n-Usech, dessen Sohn Nimrod mit Thentsepeh vermählt.
,grosser Fürst von oder der Mati‘, finde ich vollständig ausgeschrieben
bei Tiglath II., der vor seiner Thronbesteigung
,grosser Fürst der Mät‘ war [vide Lepsius, Königsbuch Nr. 600], Tiglath
war zugleich ,grosser Fürst der Maschuascha 1 (Maxyer). Es ist daher der
Titel,grosser Fürst von Mäti 1 nicht wie Brugsch (1. 1. p. 644) annimmt,
die Benennung eines assyrischen Grossherrn, sondern vielmehr die eines
Anführers, eines in ägyptischem Solde stehenden Volkstheiles — nach
unseren Ausführungen. die uns zur Annahme von Birch und Lepsius,
Manethonisches Gescliiclitswerk.
197
Wir wenden uns nun zur Betrachtung der xöp,oi. Die
beiden «iSscst? stimmen hinsichtlich der XXL Dynastie voll
kommen überein, mit der einzigen Ausnahme, dass bei Euse
bius dem letzten Könige der Reihe, Psusennes, 35 Jahre ge
geben werden, statt der 14 des Africanus. Der vorhergehende
König Psinaches regierte 9 Jahre, es beläuft sich sonach die
Regierungszeit der beiden letzten Könige der Dynastie in der
e'y.Socit; des Eusebius auf 44 Jahre.
In dieser Zahl liegt die Erklärung der Abweichungen
der beiden e-/.oöa£i<; für die XXII. bis XXVI. Dynastie.
Afr. Eus. Arm.
XXII. Dynastie Bubastiden 120 J. 49 J.
XXIII. ,, Taniten 89 „ 44 „
XXIV. „ Saiten 6 „ 44 „
XXV. „ Aethiopen 40 „ 44 „
XXVI.
Saiten
150 „ 6 M. 167
Der Verfasser der x6p,oi, wie sie uns gegenwärtig bei
Eusebius vorliegen, kannte die xop.oi des Africanus, auch seine
XXII. Dynastie ist hiefür ein neuer Beleg, sie umfasst etwa
70 Jahre weniger als bei Africanus, indem sie die sechs unge
nannten Könige desselben einfach streicht. Was bewog unseren
Anonymus die grossen Aenderungen an den überlieferten
Zahlen vorzunehmen ? Aus Herodot und Diodor war ihm be
kannt, dass vor der Erhebung Psametiks in Aegypten, die so
genannte Dodekarchie bestanden hatte — die neuen Ent
deckungen, die Pianchistele sowie die assyrischen Inschriften
bezeugen uns das Vorkommen von Theilkönigen im Delta — er
glaubte in seinen dieselbe zur Anschauung bringen zu
müssen. Jetzt wird es uns klar, warum bei der XXI. Dynastie
die Regierungszahl des letzten Königs auf 35 Jahre erhöht
wurde — nach der Auffassung unseres Autors haben die letzten
Könige derselben (9 -)- 35 = 44 J.), gleichzeitig mit der XXII.
bis XXV. Dynastie regiert. Dieselbe Erscheinung können wir
bei den Anfängen der XXVI. Dynastie beobachten. Hier
finden wir zuerst den Aethiopen Ameres (das Haupt einer
wenn auch mit einigen Modificationen zurückführen, werden wir in den
Mäti in der That assyrische Söldner zu erkennen haben.
198
Krall.
libyschen Königsfamilie!) mit 18 Jahren, dann den Stephinates
mit 7, den Nekepsos mit 6 und Nekao mit 8 Jahren, es sind
sonach seit der Erhebung der Dynastie bis auf Psametik
39 Jahre verflossen. Psametik selbst regierte nach Eusebius
44, nach Africanus 54 Jahre, d. h. der letztere gibt uns dessen
gesammte Regierungszeit, der erstere nur die Zeit der Allein
herrschaft. Zählen wir die 10 Jahre, während welcher Psa
metik mit den übrigen Theilfürsten zusammen regierte, den
39 Jahren seiner Vorgänger hinzu, so erhalten wir 49 Jahre,
d. h. so viele Jahre, wie bei der XXII. Dynastie. Es stellt
sich sonach das Schema bei Eusebius folgendermassen:
Taniten Bubastiden
XXI. Dyn. XXII. Dyn.
Psinaches 9 J.i . . . ._ T
P.u.enneB 36 J 44 X 49 X
Taniten
XXIII. Dyn.
44 J.
Saiten
XXIV. Dyn.
44 J.
Aethiopen
XXV. Dyn.
44 J. 49 J.
Saiten
XXVI. Dyn.
Ameris 18
Stephinates 7
Nekepso 6
Nekao 8
Psametik 101
441 54
Dadurch ward das Bild, wenn auch nicht einer Dodek-
archie, wozu die Namen bei Manetho gar nicht ausreichten,
so doch einer Hexarchie erreicht — freilich mit Vergewaltigung
der Manethonischen Angaben. Die Continuität, die der Ver
fasser der t6[j.oi des Africanus, seit dem Ende seines zweiten
t6[aoi; wohl oder übel einzuhalten bemüht war, war zerrissen;
zwischen dem Ende der XX. Dynastie und dem Beginne der
XXI. Dynastie, deren Ausläufer in die Zeit der Dodekarchie
fallen sollten, klaffte eine zweihundertjährige Lücke. Aus dem
Gesagten wird zugleich hinreichend klar geworden sein, warum
der Verfasser der xogoi des Eusebius den Synchronismus bei
Petubastis nicht aufgenommen hat. Africanus sagt von diesem
ersten Könige der XXIII. Dynastie, ap’ ou ’OXu^ta? vj^6r ( xcpchwj,
nach den xojjt.ci des Eusebius ist er dagegen ein Zeitgenosse der
Manethonisches Geschichtswerk.
199
Aethiopen, einer der Theilfürsten zur Zeit der Erhebung Psa-
metiks, es fiel sonach sein Regierungsantritt lange nach der
ersten Olympiade.
Dynastien XXVII—XXXI. Die beiden s-/.36gsk; weichen
hinsichtlich der Regierungsdauer des Kambyses, und demzu
folge auch der Zeit der Eroberung Aegyptens durch die Perser
von einander ah. Eusebius gibt dem Kambyses 18 Jahre,
wovon 15 Jahre vor und 3 Jahre nach der Eroberung Aegyp
tens fallen. Die xojj.ot des Eusebius zeigen sich vielfach beein
flusst durch die Angaben griechischer Autoren, auch hier können
wir dies beobachten. Die 18 Jahre sind dem Ktesias 1 —
vielleicht aber auch einer Quelle, die dem Ktesias folgte,
dann wahrscheinlich Diodor — entnommen. Wahrscheinlich
sind die 18 Jahre des Ktesias von der Einnahme Babylons ab
gezählt, derart etwa, dass Cyrus gleich nach der Eroberung
Babylons den Kambyses daselbst zum Nebenkönige eingesetzt
hätte. 2
Bei der XXVIII. Dynastie haben die Neueren Schwierig
keiten gefunden, die gar nicht existiren, sie haben annehmen
zu müssen geglaubt, dass der Amyrtaios, der dieselbe ausmacht,
ein Enkel des aus Herodot und Thukydides uns wohlbekannten
unterägyptischen Verbündeten der Athener, während des grossen
Aufstandes Aegyptens gegen Artaxerxes I., gewesen sei. Der
einzige Grund, den man hiefür vorgebracht hat, ist wenig
stichhaltig; zwischen dem Ausgange der XXVII. Dynastie und.
dem Beginne der XXIX., ist in den Toirot eine Lücke von
einigen Jahren, die man durch die XXVIII. Dynastie (6 J.)
ausfüllen zu können meinte. Bei der Betrachtung der tojaoi sind
uns jedoch ganz andere Lücken 3 und Unebenheiten entgegen
getreten ; dies wäre sonach für uns kein zwingender Grund,
einen zweiten Amyrtaios zu erfinden. Dazu kommt noch ein
weiteres entscheidendes Moment: Aegypten hat sich nicht erst
1 Ctesiae fragmenta ed. Müller p. 48.
2 Damit scheinen auch die Inschriften zu stimmen, die das eilfte Jahr des
Kambyses als Königs von Babylon vorfiihren. Cf. Schräder, Aeg. Z. 1879,
p. 39 f.
3 Auch für diese Zeit bieten uns die xop 01 Lücken; so fehlt in denselben
der König Psammetichos, der vom Scholiasten zu Aristoplianes Wespen,
718 aus Philochoros erwähnt wird.
200
Krall.
nach dem Tode Darius II., sondern viel früher erhoben. Denn
ausdrücklich versichert uns Diodor 1 zum Jahre 411, dass
Aegypten einen eigenen König gehabt habe, der im Bunde mit
dem Könige der Araber sogar einen Angriff auf Phönicien
plante; ferner ersehen wir aus Thukydides, 2 dass Athen, der
Feind des persischen Reiches, von Aegypten, Getreidesendungen
empfing, denen von den Lakedämoniern, den Verbündeten der
Perser, nachgestellt wurde. Es lässt diese Stelle uns einen
Bund zwischen Athen und den gegen die Perser aufgestandenen
Aegyptern vermuthen — also eine Wiederholung dessen, was
zu Zeiten des Jnarus und Amyrtaeos eingetreten war. Nur ein
Moment schien diesen Ausführungen entgegenzutreten — die
Aegypter im Heere Artaxerxes II. Wir wissen jetzt jedoch,
dass dieselben Nachkommen der von Amasis gesandten Hilfs
truppen im Heere des Krösus gewesen sind, denen Cyrus als
Anerkennung ihrer Tapferkeit im inneren Asien Städte ein
geräumt hatte, die noch zu Xenophons Zeiten Aegypterstädte
hiessen. 3 Erinnern wir uns nun zum Schlüsse, dass Synkellos
den Aufstand Aegyptens im zweiten Regierungsjahre des Darius
No.thus eintreten lässt, 1 so werden wir zugeben müssen, dass
Aegypten nicht erst mit dem Ausgange der XXVII. Dynastie
aufgestanden sein kann, sondern schon viel früher sich erhoben
haben muss. Zur Ausfüllung der Lücke, die dadurch entsteht,
reichen die sechs Jahre des Amyrtaios bei Weitem nicht aus.
Anderseits finden wir bei Diodor 5 zum Jahre 400/399 einen
König Psametik verzeichnet, der in den Listen gar nicht vor
kommt; wir werden uns daher bescheiden müssen, die Lücke
einfach zu verzeichnen und uns hüten, die XXVIII. Dynastie
von ihrer Stelle neben Artaxerxes I. wegzurücken.
Hinsichtlich der XXIX. Dynastie stimmen die beiden
ex8äüberein, wenn wir von dem Könige Muthes (1 Monat)
absehen, den Eusebius mehr hat. Bei der folgenden XXX. Dy
nastie werden im Gegensätze zu Africanus, die Regierungsjahre
1 XIII, 4G: KuvOavopevo; xo'v xe ’Apctßwv ßaoiWa xai xov Aiyjxriüiv EjrißoAeuetv
xoT; jxepl <I>otvfzr)V -pay^ctavi, wahrscheinlich aus Ephoros.
3 VIII, 35.
3 .Büdinger, Krösus’ Sturz p. 24.
4 p. 256 D. Cf. übrigens Unger, Chronologie p. 294—296.
5 XIV, 35.
Manethoniscbes Geschichtswerk.
201
der einzelnen Herrscher abgekürzt, um die Eroberung Aegyp
tens durch Ochus in dasselbe Jahr wie Diodor anzusetzen, wie
dies Boeckh schon mit entscheidenden Gründen dargethan hat. 1
§. 3. Der erste töy.oq.
Dynastien VI—XII. Wir haben in denselben ein Stück
vor uns, analog den Dynastien der Hyksoszeit, nur dass wir
hier des sicheren Leitfadens der Fragmente Manetho’s, sowie
überhaupt aller Monumente gänzlich entbehren. 2
VI. Dyn,
VII. „
VIII. „
IX. „
X. „
XI. „
Africanus.
6 Memphiten
70 „
27
203 J.
70 T.
142 J.
19 Herakleopoliten 409 „
19 „ 185 „
16 Diospoliten
Amenemes
43
16
Eusebius.
Memphiten
203 J.
75 „
100 „
5
5
4 Herakleopoliten 100 „
19 _ „ 185 „
16 Diospoliten 43 „
Amenemes 16 ,,
Wie uns bei Africanus in der XVI. Dynastie mit 518 Jahren
die Gesammtsumme der Regierungen der Hyksos, die schon
in anderen Dynastien enthalten waren, entgegen getreten ist,
so können wir dasselbe bei seiner IX. Dynastie mit 409 Jahren
beobachten. Sie stellt sich dar als Summe der VI., VII., VIII.
und XI. Dynastie, sowie der um vier Jahre erhöhten Regierung
des Amenemes, wie denn in der That auch der Turiner Pa
pyrus demselben über 19 Jahre gibt. 3 Die X. herakleopoli-
tische Dynastie erweist sich anderseits als gleichzeitig mit
der VIII. und XI. Dynastie, da sie 185 Jahre umfasst, also
gerade so viel als die beiden letzteren zusammen (142 -(- 43
= 185 Jahre). Es stellt sich sonach das ganz durchsichtige
Schema des Verfassers der xoy.oi des Africanus folgender-
massen:
1 Manetho p. 509 f. Für diese letzten Dynastien verweisen wir auf Unger,
Chronologie, wo die meisten Fragen abschliessend behandelt sind, sowie
auf Schäfer’s Demosthenes und seine Zeit, I. Bd., p. 15, 23, 54, 142, 102,
329 f., 412 f., 426 f., 442, endlich auf die Zeittafel.
2 Krall, Die Vorläufer der Hyksos, Aeg. Z. 1879, p. 34.
3 Lauth, Manetho p. 223.
202
Krall
Einheimische Fürsten.
Heraldeopoliten.
VI. Dynastie 203 J.
VII. „ 1 „
VIII. „ 142
XI. „ 43 „j
Ammenemes (16 + 4) 20 „
X. Dyn. 185 (142 + 43)
Anders steht es dagegen mit dem Schema des Eusebius,
auch hier tritt uns die schon häufig bei ihm beobachtete Vor
liebe für runde Zahlen entgegen. Wir finden zwei Dynastien
mit je hundert Jahren, was natürlich nicht geeignet ist, unser
Vertrauen in seine Angaben zu erhöhen. Für diese Periode
ägyptischer Geschichte fehlen uns die Hilfsmittel gänzlich,
durch deren Vergleichung uns die Reconstruction des Schema
für die Dynastien der Hyksoszeit gelungen ist — nämlich
Bruchstücke aus den Manethonischen ßißXoi und monumentale
Angaben. Wir können daher auf unsere bisherigen Beobach
tungen uns stützend, nur vermuthen, dass die VIII. und IX.
Dynastie zu je hundert Jahren in dem Schema des Verfassers
der Togot des Eusebius als gleichzeitig herrschende Dynastien
verzeichnet waren, und, da es feststeht, dass die Heraldeopoliten
eine Reihe von nicht ägyptischen Herrschern vorstellen, wir
es hier mit einem genauen Seitenstücke zu den Dynastien der
Hyksoszeit zu thun haben. Danach würde sich das Schema
also gestalten:
Einheimische Fürsten. Heraldeopoliten.
VII. Dyn. 75 J.l IX. Dyn. 100 J.1
VIII. „ 100 218 J. X. „ 185 „J '
XI. „ 43 „J
Wie für die Zeit der Hyksosherrschaft zwei Rubriken
nöthig waren, auf deren einer die Hyksos, auf deren anderer
die einheimischen Dynastien standen, finden wir auch in dem
Schema des Africanus und Eusebius eine analoge Gegenüber
stellung der Heraldeopoliten und nationalen Fürsten.
Wir kommen nun zur XII. Dynastie, bei welcher die
Angaben unserer beiden ezoocsk; bedeutende Abweichungen
zeigen. Africanus gibt 7 Könige mit 160 Jahren, Eusebius
dagegen wohl auch 7 Könige aber mit 245 beziehungsweise
Manethonisches Gescliichtswert.
203
182 Jahren. Addirt man nämlich die den einzelnen Königen
beigefügten Posten, so erhält man 182 Jahre, Eusebius selbst
gibt dagegen als Summe 245 Jahre. Darin scheint in der
That eine bedeutende Schwierigkeit zu liegen, und man nimmt
gerne, um ihr zu entgehen, seine Zuflucht zu Verschreibungen
oder man ignorirt sie einfach. Vor der XII. Dynastie regierte
die XI. ebenfalls thebanische Dynastie, über deren Zusammen
hang mit den Amememha’s kein Zweifel besteht; ihre Regie
rungsdauer betrug nach den übereinstimmenden Angaben der
togoi 43 -f- 20 Jahre — wir haben schon bemerkt, dass vier
Jahre des Amenemes ausgefallen sind, und dass er daher nicht
16 sondern über 19, also rund 20 Jahre geherrscht hat. Nehmen
wir zu diesen 63 Jahren die 182 hinzu, welche die Regierungs
posten (46 -(— 38 -{— 48 8 -{- 42) der XII. Dynastie bei Euse
bius betragen, so bekommen wir genau 245 Jahre. Es geht
sonach die Summe bei Eusebius über den xcp.ox-Einschnitt hin
weg und umfasst die XI. und XII. Dynastie, die ja so innig
mit einander Zusammenhängen, dass der erste König der XII.
Dynastie der Sohn des letzten Königs des I. zo\ioc war. Der
xo;j.oc-Einschnit,t hat sonach wie die XIX. von der XX., so auch
die XI. von der XII. Dynastie, die ursprünglich eine Einheit
bildeten, gewaltsam auseinander gerissen, ohne dass jedoch,
wie wir beobachtet haben, alle Spuren der ursprünglichen Zu
sammengehörigkeit verwischt worden wären.
Dynastien I—V. Nach den Arbeiten von Rouge und
Lauth können wir uns für diese Dynastien auf das Nothwen-
digste beschränken. Für die drei ersten Dynastien weichen
unsere sy.Söaeic, mit Ausnahme einer Differenz, auf die wir bald
zurückkommen werden, nicht bedeutend ab; wir bemerken
nur, dass Eusebius wie gewöhnlich verkürzte Summen uns
darbietet:
Afric.
I. Dynastie Thiniten 253 J.
II. „ Thiniten 302 „
III. „ Memphiten 214 „
Eusebius [Arm.].
252 J.
297
197
n
Bedeutender sind dagegen die Abweichungen bei der IV.
und V. Dynastie. Nach Africanus 8 Könige mit 284 und
9 Könige mit 248 Jahren, nach Eusebius, der nur seiner
204
Krall.
IV. Dynastie die Anzahl der Könige und ihre Regierungsdauer
beifügt, 17 Könige mit 448 Jahren, d. h. bei Eusebius sind
die zwei Dynastien des Africanus in eine zusammengefasst
(17 Könige =8 + 9, die Regierungssumme ist bedeutend ab
gekürzt). Es ist dies ein Vorgang, den wir schon zu wieder
holten Malen beobachtet haben, und der richtig aufgefasst,
sich also stellt. Sowie die zwei ersten Dynastien, die Thiniten,
nach dem Zeugnisse des Turiner Papyrus nur eine Gruppe
eigentlich bildeten, so hingen auch die IV. und V. Dynastie
des Africanus ursprünglich zusammen, was uns auch vom
Turiner Papyrus bestätigt wird, der mit Onnos (V, 9) einen
Abschnitt macht. Dieser ursprüngliche Bestand der memphi-
tischen Geschlechter wird uns von dem Verfasser der TÖgoi
des Eusebius wiedergegeben; der Gewährsmann des Africanus
hat dagegen, wie die thinitischen Geschlechter, so auch die mem-
phitischen Geschlechter in je zwei Gruppen zerschlagen, und
zwar aus rein praktischen Gründen; um zwei Riesendynastien
von je 17 Königen auszuweichen, hat er diese auf vier Dyna
stien vertheilt, von denen die einen 9, die anderen 8 Könige um
fassten. Wir haben schon bei der Erhöhung der Zahl 511 auf
518 für die Hyksosherrschaft gesehen, dass der Verfasser der
rogot des Africanus ein grosser Freund der Symmetrie ge
wesen ist.
Während sonach die Togos des Africanus bis auf Onnos
fünf Dynastien ergaben, hatten die des Eusebius bis dahin nur
vier; zu einer von seiner Vorlage abweichenden Zählung, wie
sie die Excerpta Barbari uns darbieten, konnte der Ueber-
arbeiter (p. 216) der rogoi des Eusebius sich nicht entschliessen,
und so blieb ihm nichts anderes übrig, als die VI. Dynastie des
Africanus in zwei Dynastien zu zerlegen, in die V. und VI.
Die 31 Könige, die der fünften Dynastie des Eusebius beigelegt
werden, geben uns eine Zusammenfassung der Könige der V.
und VI. Dynastie (die denselben entsprechende VI. des Afri
canus hatte 6 Könige), sowie der VIII. und XI., d. h. derjenigen
Dynastien, die wir als legitim bei Eusebius erkannt haben.
Für die Dynastien IV—XII ergibt sich nach den bis
herigen Untersuchungen folgendes Schema:
Africanus:
IY. Dyn. 8 Memphiten 284 J.
V. „ 9 Elephantiner 218 „
VI. „ 6 Memphiten 203 „
VII. „ 70 Memphiten 1 „
VIII. „ 27 Memphiten 142 „
XI. „ 16 Thebaner 43 ,
(= 70 Tage)
X. Dyn.
19 Herakleo-
politen
185 (142+43) J.
Amenemes (16 + 4) 20 J.
Ende des ersten t6[j.o<;.
XII. Dyn. 7 Thebaner 160 J.
Eusebius:
1 IV.
I
V.
\ VI.
VII.
VIII.
XI.
Dyn. 17 (8 + 9) Memphiten 448 J.
” 5
5
16
31 Memphiten 203 J.
Memphiten 75 „
Memphiten 100 „
Thebaner
Amenemes (16 + 4)
Ende des ersten tojj.o?.
XII. Dyn. 7 Thebaner
43
20
182
IX. Dyn.
4 Herakleo-
politen 100 J.
X. Dyn.
19 Herakleo-
politen 185 J.
245 J.
InS
o
Ol
Manethonisches Geschichtswerk.
206
Krall.
Die III. memphitische Dynastie scheiden wir nach dem
Vorgänge von Rouge 1 als eine Nebendynastie aus.
Die Götterdynastien. Africanus hat es verschmäht, die
selben aus den ihm vorliegenden Top.ot mitzutheilen, wir sind
daher in erster Linie auf Eusebius und die Excerpta ange
wiesen. Eusebius theilt uns über die Götterdynastien etwa
Folgendes mit. 2 Zuerst regierten über Aegypten Vulcanus, Sol,
Saturnus, Osiris, Typhon, endlich Horus, denen eine Reihe
ungenannter Herrscher folgte, die mit Bytes endete. Die erste
Götterreihe regierte 13.900 Jahre, ihr folgten die Heroen und
Manen
post deos regnavere heroes annis 1255
rursusque alii reges dominati sunt annis 1817
tum alii triginta reges Memphitae annis 1790
deinde alii Thinitae decem reges annis 350
Secuta est manium heroumque dominatio annis . . . 5813
Die Gesammtdauer der Götterherrschaft betrug nach Euse
bius 24.900 Jahre. Es ist schon oft darauf hingewiesen worden,
dass die Aufzählung des Eusebius an Klarheit viel zu wünschen
übrig lässt, und es sind mannigfache Versuche gemacht worden
die Angaben des Eusebius zu combiniren; für unseren Zweck
werden etwa folgende Andeutungen genügen.
Die Excerpta Barbari geben für die Götterregierungen
folgende Zahlen:
Hephaistos 680 J.
Sol 77 „
Sosinosiris (Isis et Osiris) 320 „
Orus 28 „
Typhon 45 „
Summe 1150 J.
Die Excerpta geben uns als Summe 1550, wir können
uns jedoch an dieselbe nicht halten, da ihre Summen ganz
werthlos sind. Als Anzahl der Jahre der Götterregierungen
erweist sich die Summe 1150 als viel zu klein , wir haben es
1 Rouge, Reeherches p. 25.
2 Lepsius, Chronologie p. 462 f. Lauth, Manetho p. 30 f. v. Pessl, System
Manetho’s p. 121.
Manetkonisclies Geschichtewerk.
207
daher mit einer Reduction zu thun. Wenn wir nach Diodor I, 26
unsere reducirte Zahl 1150 mit 12 multipliciren, erhalten wir
13.800 Jahre, d. h. nur um 100 Jahre weniger, als die Dauer
der Regierungen des ersten Götterkreises nach Eusebius be
trug. Wir können sonach die Zahl 13.900, die uns als Abrun
dung von 9i/j Perioden zu 1461 Jahren, d. h. 13.879 entgegen
tritt, als ziemlich gesichert betrachten. Auch nach einer an
deren Seite sind die Zahlen der Excerpta für uns wichtig
— die Regierungen des Osiris und Typhon betragen nach
denselben 365, d. h. nicht reducirt 365 X 12 Jahre.
Diese Angabe bestätigt unsere Ausführung, dass wir in den
Zahlen für die Regierung des Osiris, die Uebertragung des
jährlich im Laufe von 365 Tagen sich vollziehenden Kampfes
des Osiris und Sutech auf eine Periode von 365, respective
365 X 4 oder 365 X 12 Jahren zu erkennen haben. Die Zahlen
für die Halbgötter sind in den Excerpta zu verstümmelt, bei
Eusebius dagegen ist ihre Einfügung in das gesammte Schema
der Götterzeit zu zweifelhaft, als dass wir es wagen könnten,
etwas Sicheres hierüber zu sagen — so viel ist jedoch klar,
dass die Gesammisumme von 24.900 Jahren, an die, von den
Priestern für die Götterzeit gewonnene, Periode von 23.376
Jahren lebhaft erinnert. Die Manen und Heroen regierten
nach Eusebius 5813 Jahre, d. h. 5844 Jahre (= 4 Perioden
zu 1461 Jahren) weniger 31 Jahre. Die fehlenden 31 Jahre
sind an einer Stelle nachzuweisen, wo man sie nicht suchen
möchte. Der erste König der I. Dynastie, Mena, hat in der
armenischen Version des Eusebius 30 Jahre, d. h. 30 oder
32 Jahre weniger als gewöhnlich. Die Regierung des Menes
wurde, nach dem Calcul des Verfassers der -oy.o'. des Eusebius,
durch die Periode von 1461 Jahren ebenso zerschnitten wie
die des Königs Amenemes. Wie bei diesem 4 Jahre durch
Schuld der Abschreiber verloren gingen, so geschah es auch
bei Menes. Das Schema für den ersten zo;j.oq stellt sich sonach
nach Ausscheidung der Nebendynastien, zu denen auch die III.
gehörte, nach Eusebius folgendermassen:
Halbgötter und Manen .... öS 1 ° T
I. Dynastie Menes vor der
Epoche
208
Kra.ll.
Menes und seine Nachfolger
nach der Epoche 228 J.
II. Dynastie 297 „
,, 448 „
203 !
IV.
V.
IX. und X. Dynastie
285
1. Periode 1461 J.
III. Capitel.
Geschichte der xopot.
Die AtywmaxoE waren bestimmt, in knapper Form dem neuen
Culturvolke, das in Aegypten herrschend auftrat, den Griechen,
die wesentlichsten Momente der ägyptischen Geschichte vorzu
führen. Sie wollten dagegen, und konnten es wohl auch nicht, ein
in allen Einzelnheiten ausgebautes System geben; ebenso wenig
war es die Absicht Manetho’s, den hellenischen Leser, für den
ja sein Werk berechnet war, durch lange Verzeichnisse von
Königsnamen zu ermüden. 1 Manetho war ja ein Historiker und
kein Chronograph. Die zwei festen Anhaltspunkte, mit deren
Hilfe die Priester des 18. Jahrhunderts, ihre Systeme aufgebaut
hatten, glaubte er jedoch geben zu müssen, den einen wonach
die Verschiebung des Wandeljahres gegen das feste Jahr unter
Amenemha I. begonnen (vgl. oben S. 189), den anderen wonach
unter den Ramessiden dieselbe ihren ersten Kreislauf vollendet
hatte — aber selbst in dieser astronomisch gesicherten Periode
klaffte eine gewaltige Lücke, die Zeit der Hyksosherrschaft. Wir
haben hinreichend beobachten können, wie spärlich und un
sicher die Manethonischen Angaben über diese Zeit gewesen
sein müssen, ebenso wie über die Zeit der Herrschaft der
Herakleopoliten über Aegypten, die der Erhebung der XI. the-
banischen Dynastie vorausgingen. Mit grosser Vorliebe hat
sich Manetho, seiner Aufgabe entsprechend, bei den Berührungs-
1 Es waren ihm ja die Worte Herodots bekannt II, 101, und 102: twv 8c
aXXcov ßaaiX&ov, ou yap sXsyov ouBepiav spycov otcoSec-iv, zoct’ oü8'sv elvai Xap.-
Trponyros, 7cXr)V Ivo; . . . 7:apap.Et<|>ap.Evos üjv toutoui;.
Dlanethonisclitiü Geschieh tswurk.
209
punkten ägyptischer und griechischer Cultur axtfgehalten; wenn
er hier in der Betonung ägyptischer Einflüsse auf Griechen
land zu weit gegangen ist, so werden wir es ihm, dem Aegypter,
nicht so sehr zur Last legen, wenn wir bedenken, dass selbst
der Grieche Herodot, überwältigt von den Eindrücken ägyp
tischer Cultur, die in den nach seiner ägyptischen Reise ge
schriebenen koyoi, so mächtige Spuren hinterlassen hat, in den
selben Fehler verfallen ist. 1
Die spärlichen chronographischen Angaben genügten den
Späteren nicht — sie brauchten ein System der ägyptischen
Chronographie, um an demselben die Systeme der anderen
Völker zu messen, und da sie keines bei Manetho fanden, so
zimmerten sie aus den Äiyvxmxm ein solches zusammen. Wie
man in der alexandrinischen Zeit, die in den Werken des
Herodot und Thukydides zerstreuten Zeitangaben sammelte,
combinirte und mit denselben hübsche chronographische Karten
häuser aufführte, so that man es auch mit Manetho. Wo be
stimmte Angaben in seinem Werke fehlten, da half man mit
eigener Erfindung nach. So entstanden die tsjao:, deren erste
Spuren wir in den Bruchstücken einer chronographischen Ueber-
sichtstafel bei Josephus erkannt haben. Sie zeigt uns die
früheste Stufe der Entwickelung der zc[j.oi, sie kennt keinen
Abschnitt zwischen Ahmes und seinem Vorgänger Misphragmu-
tosis, sondern fasst die Regierungen der thebanischen Fürsten
seit dem Tode des letzten legitimen Hyksos, des Apophis, zu
sammen, sie betont die Dynastieabtheilungen gar nicht, ja sie
scheint den Namen Suvacxsia ebenso wenig als die echten Mane-
thonischen Fragmente bei Josephus zu kennen.
Diese Uebersichtstafel, von der uns Josephus nur so weit
er es für seine Zwecke braucht, Bruchstücke mittheilt, liegt
uns vollständig in der ursprünglichen Fassung der top.oi des
Africanus vor. Denn die Unterschiede zwischen beiden ver
schwinden den Uebereinstimmungen gegenüber — wir erinnern
einfach an die wunderliche Liste der Nachfolger des Ahmes
— und wir werden dadurch auf eine Gemeinsamkeit des Ur
sprungs der Tafel des Josephus und der togot des Africanus
(in ihrer ursprünglichen Gestalt) gewiesen. Die sind durch
1 Bauer, Entstehung des Herodotischen Geschiclitswerkes p. 27 f.
Sitzungsber. d. phil.-hist. CI. CXV. Bd. I. Ilft. 14
210
KraH.
viele Hände gegangen und haben mancherlei Umgestaltungen
erfahren, ehe sie die Form erhalten haben, in der sie uns nun
vorliegen. Eine derselben haben wir schon hinreichend be
sprochen und gesehen, dass sie erst spät in die xofjioi Auf
nahme fand, nämlich die Erhöhung der Regierungszeit der
Hyksos um 25 Jahre. Auf eine andere, bedeutend wichtigere,
werden wir noch zurückkommen.
Es ist hier am Platze, einen Blick auf den Verfasser der
xiij.cn des Africanus zu werfen, da uns ja in seinem Werke
allem Anscheine nach das älteste aus den Manethonischen An
gaben gezimmerte chronographische System vorliegt, welches
für alle späteren bis auf unsere Tage massgebend gewesen ist.
Für die Gestaltung der ägyptischen Chronographie hat es daher
grössere Wichtigkeit als Manetho’s Werk selbst gehabt, und
wir hoffen, dass unsere Untersuchung dargethan hat, dass die
Systeme, welche die Neueren auf Grundlage der x6p.ot auf
gebaut haben, im besten Falle nicht das System Manetho’s,
sondern das dieses unseres ersten Anonymus (Anonymus A)
wiedergegeben haben. Näheres erfahren wir über denselben
aus seinem Werke selbst, den xop.ot. Hier wird uns zunächst
erzählt, dass König Souphis, also Cheops, eine Ispa ßi[ßXo? ge
schrieben habe, und es findet sich hiezu die für uns wichtige
Notiz: fjv w? \jA'(cr. xpf^a sv A’.yöxxw ycvipsvst; ey.xv;ad|j,Y)v. Es wird
allgemein zugestanden, dass diese Notiz von Manetho nicht
herstammen könne; es bleibt sonach nur die Möglichkeit
übrig, dass dieselbe von Africanus oder einem Manne her
rührt, der vor ihm und nach Manetho gelebt hat. Erwägen
wir jedoch, dass der Verfasser an dieser Stelle sich selbst als
einen Aegypter bezeichnet, was Africanus nicht war, ferner,
dass die Schrift des Chufu nach Art des c. 64 des Todten-
buchs, auf jeden Fall aber in ägyptischer Sprache abgefasst
war, deren Kenntniss wir bei Africanus nicht anzunehmen
geneigt sein werden, schliesslich, dass unmöglich der Kirchen
schriftsteller Africanus die Schrift des heidnischen Königs
Chufu, die für ihn nur sinnlose Formeln enthielt, als ein jjiya
-/pij[j.a bezeichnen konnte, so werden wir zugeben müssen, dass
wir in diesem Zusatze eine Bemerkung des Verfassers der
xcjj.o: selbst vor uns haben. Derselbe war sonach ein Aegypter
von Geburt und wohl auch der ägyptischen Schrift und Sprache
Manethonisches Geschichtswerlc.
211
mächtig, und für die Erhaltung der Ueberreste des sich auf
lösenden altägyptischen Wesens besorgt. Die Vorliebe für
Mittheilung von Dingen rein antiquarischen Interesses, die
Hand in Hand geht mit einer Hinneigung zum Wunderlichen,
wird uns daher in seinem Werke, den xopot, 1 nicht überraschen.
Sie zeigen uns ein Gemisch genauer und ungenauer Angaben,
die bunt durcheinander gewürfelt sind, und die ganz von ein
ander zu scheiden, bei dem jetzigen Stande unserer Kenntniss
der Denkmäler, nicht möglich ist.
Seine xsgo! waren ganz tabellarisch eingerichtet; die gleich
zeitig herrschenden Königsgruppen waren einander gegenüber
gestellt — so waren für die Zeiten der Hyksosherrschaft zwei
Rubriken nöthig, auf der einen Seite standen die Hyksos, auf
der anderen die thebanischen Fürsten — ebenso waren die
legitimen von den nicht legitimen Königen geschieden, wie wir
dies für Achu-n-aten und seine Nachfolger, sowie für Ame-
nemes und Thuoris beobachtet haben. Nach Ablauf von Zeit
räumen, die als ein Ganzes hingestellt werden sollten — Hyksos-
zeit — oder nach Königsreihen, die wenn nicht den Familien,
so doch der Residenz nach als zusammengehörig betrachtet
werden konnten — Thebaner, Herakleopoliten — pflegt unser
Anonymus gewisse zusammenfassende Zahlen zu geben. Dort
wo bestimmte Angaben bei Manetho fehlten, schreckte unser
Gewährsmann, wie wir bei der Zahl 518 dargethan haben, vor
willkürlichen Combinationen nicht zurück.
Seine Abtheilung der xäj/.ot hat er nicht im Anschlüsse an
die Manethonischen ßtßkot gemacht, sondern sich der von Manetho
(vgl. oben S. 189) angegebenen Coincidenzpunkte des festen und
des Wandeljahres bedient. Dadurch wurden Königsreihen, die,
wie wir noch ganz deutlich erkennen können, bei Manetho ein
Ganzes bildeten, gewaltsam auseinander gerissen. So wurden
die thebanischen Amenemhä’s auf den ersten und zweiten, die
Ramessiden auf den zweiten und dritten x6\i.zc vertheilt.
Entsprechend der Aufgabe der xi\j.oi, eine Grundlage für
die Vergleichung der ägyptischen und fremden Chronographie
1 II, 2: £©’ ou ot ßo££ ’A-u £v Mepcpa xat MveuTc ev 'HXioujcoXet xat 6 Mev&jaiog
xpayo; ivo^i'aO^ffav eTväi Qeo(. III, 2: xat T7jv ota £e<tt(ov Xt'Ocov otxooouiav Eupato.
XXV, 1 : £<p’ oü apvfov £<p6£y£aro.
14*
212
Krall.
abzugeben, finden wir in denselben eine Reibe von Synchro
nismen aus anderen Geschichten herangezogen. Die Betrach
tung derselben zeigt uns, dass unser Autor die ägyptische
Chronographie nicht nach einer fremden umgemodelt hat, son
dern vielmehr den Manethonischen Angaben genau gefolgt ist.
Wir haben schon festgestellt, dass die scheinbare Ueberein-
stimmung der nop,oi des Africanus mit den Angaben des Jose-
phus über den Auszug der Hyksos, das Werk eines Spätem,
vielleicht des Africanus selbst, ist; es erübrigt uns noch
darzuthun, wie die Anmerkung des Africanus zu dem ersten
Könige seiner XVIII. Dynastie zu verstehen sei: if’ oo Mwürij?
scTj/.Oev e; Alybrzoi), w; r/J.els awoSstzvup,sv • ü: S’yj ^apouaa iMjso?
ävay/.äusi, sxt toutou tgv Moiiicea oi»[*ßaivst veov Zv. eivat. Nach
Africanus fand der Auszug unter Amosis statt, Manetho hatte
dagegen denselben unter einem Könige Amenophis angesetzt
— wir werden an einer anderen Stelle 1 auf diese Frage
zurückkommen — und so fand auch Africanus in den tojjwi den
Auszug unter dem längere Zeit nach Amosis lebenden Könige
Amenophis verzeichnet und konnte daher mit Recht sagen,
Moses sei den ihm vorliegenden tsj/oi zufolge zu der Zeit, da
er (sc. Africanus) den Auszug ansetzte, noch ein Knabe gewesen.
Diese Unabhängigkeit unseres Anonymus von der grie
chischen, und besonders der jüdischen Chronographie würde
uns, auch wenn wir es nicht aus seinem eigenen Munde wüssten,
ein deutlicher Beweis dafür sein, dass er ein Aegypter gewesen
ist. Leider lässt sich die Zeit, in der er geschrieben hat, nicht
näher fixiren; wir können nur sagen, dass er älter als Jose-
phus ist, da demselben, wie wir gesehen haben, die schon
Vorlagen. Wäre die Vermuthung Letronne’s [La statue vocale
de Memnon] richtig, dass die Anmerkung der Tcp.ot zum Könige
Amenophis (XVIII, 8) ciho? eextv 5 Mst/vwv eh sc. vc;j.u£;j.;'/ss -/.sei
(pösyyop.svoc XiBog erst nach dem im Jahre 27 v. Chr. einge
tretenen Erdbeben geschrieben sein könne, so hätten wir einen
weiteren Anhaltspunkt für das Zeitalter unseres Anonymus ge
wonnen — er müsste unter einem Kaiser der julisch-claudischen
Dynastie geschrieben haben. Unger 2 hat jedoch dargethan,
1 ,Tacitus und der Orient 4 , II. Wien bei Konegen.
2 Chronologie p. 190.
jJIanetbonisches Geschichtswerk.
213
dass die Argumentation von Letronne nicht zwingend sei, und
es entfällt daher dieser terminus a quo.
Es ist kein erfreuliches Bild, welches uns die Betrach
tung der TÖ|xot unseres Anonymus darbietet; dennoch bleiben
sie wegen ihrer Ursprünglichkeit und Treue für uns von be
deutendem Werthe. Ganz anders steht es mit den rege:, die
uns bei Eusebius erhalten sind. Auf Schritt und Tritt zeigen
uns dieselben ihre Abhängigkeit von dem Werke unseres Ano
nymus. Eines der merkwürdigsten Beispiele bieten uns die
Summen am Schlüsse der tcp.oi des Eusebius; wiewohl die
iv.ooc.c des Eusebius im Einzelnen wiederholt andere Zahlen
aufweist als die des Africanus, und man sonach auch eine
Abweichung in den Summen erwarten müsste, finden wir, dass
der Verfasser der -rigoi des Eusebius die Summe unseres Ano
nymus einfach herübernimmt. Aber nicht bloss von unserem
Anonymus A zeigt sich der Verfasser der -cp.o; des Eusebius
abhängig, sein Werk trägt vielmehr auch mannigfache Spuren
der Benützung des Josephus, Herodot, Diodor (Ktesias) an
sich. Abgesehen davon, dass er bei der XXII.—XXV. Dy
nastie ganz willkürlich vorgehend, die überlieferten Zahlen
der Dodekarchie zu Liebe zurechtgeschnitten hat, finden wir,
dass er bei der Wiedergabe der Nachfolger des Ahmes in
einen groben Irrthum, der nur aus der ungenauen Ausdrucks
weise des Josephus sich erklären lässt, verfallen ist. Und doch
hätte ein einfacher Einblick in das Manethonische Geschichts
werk den Verfasser der -iy.01 des Eusebius leicht von der Un
richtigkeit seines Beginnens überzeugen können, ein Einblick
in das Werk, dessen genaue Kenntniss durch eine Reihe von
Angaben der des Eusebius, wie wir gesehen haben, vor
ausgesetzt ist. Das Räthsel, vor welchem wir zu stehen scheinen,
löst sich jedoch ganz einfach. In den töp.o: des Eusebius haben
wir das Werk zweier Chronographen vor uns. Der eine der
selben, den wir den Anonymus B nennen wollen, hat mit ge
nauer Kenntniss der AtYu-iraax.se seine Togs: verfertigt und eine
Reihe werthvoller Manethonischer Angaben in seinem Werke
uns erhalten. Er gibt uns die IV. und V. Dynastie noch als
ein Ganzes, wie sie uns ja auch im Turiner Papyrus entgegen
tritt; ebenso fasst er die XI. und XII. Dynastie zusammen.
Er kennt ferner die richtige Reihenfolge der Hyksos, das Jahr
214
Krall.
der Erhebung der einheimischen Fürsten gegen die Fremd
herrschaft, mit welchem er die legitime Hyksosreihe unter
bricht -— lauter Angaben, die auch der Anonymus Ä nicht
kennt, und die sonach auf Manetho direct zurückgehen müssen.
Soweit wir beurtheilen können, war das Bestreben des Ano
nymus B auch darauf gerichtet, eine möglichst stricte Auf
einanderfolge der Herrschergeschlechter zu geben, er vermied
es daher Zusammenfassungen und Nebendynastien, wenn sie
ihm nicht unumgänglich nothwendig erschienen, zu geben.
Es ist sehr schwer über sein Yerhältniss zu dem Anonymus
A ein abschliessendes Urtheil abzugeben, da wir nicht im
Stande sind, aus den uns vorliegenden xöp.oi des Eusebius das
ursprüngliche Werk ganz herauszuschälen. Wenn die XIII.
Dynastie mit 453 Jahren — die die Erhöhung der Zahl 511
auf 518 voraussetzt, und daher nur auf den Anonymus A
zurückgehen kann — schon in den toijloi des Anonymus B ent
halten war, so wäre die gegenseitige Abhängigkeit dieser wich
tigsten Quellen für die ägyptische Chronographie nicht zu
läugnen; es ist jedoch nicht unmöglich, dass die 453 Jahre,
wie nachweislich so viele andere Angaben aus dem Werke
des Anonymus A erst von dem Chronographen, der den xo|j.oi
des Anonymus B die Gestalt gegeben hat, in der sie uns bei
Eusebius vorliegen, herübergenommen worden sind. Wie
dem auch sei, so viel ist jedoch sicher, dass die Ueber-
einstimmung des A und B so lange anhält, als die Darstellung
Manetho’s ruhig hinfliesst; sobald sie sich verwickelt oder un
deutlich wird, sobald seine Angaben Lücken zeigen, wie etwa
für die Herakleopoliten und Hyksos, stellen sich sofort Ab
weichungen ein.
So standen die Dinge, als ein dritter Chronograph, den
wir den Anonymus C nennen wollen, daran ging, die -öy.oi des
B mit Verwerthung der ihm vorliegenden des A, sowie
der gesammten übrigen griechischen Literatur über ägyptische
Geschichte, zu einem neuen Werke umzugiessen, welches uns
bei Eusebius erhalten ist. Der Anonymus C kennt, wie wir
gesehen haben, Manetho nicht — er ist also für uns eine
secundäre, keine primäre Qiielle — er hat aber auch kein
grosses Vertrauen auf die ihm vorliegenden Wenn es ihm
nur möglich ist, nimmt er zu anderen Hilfsmitteln seine
Manethonisches Gesciiichtswerk.
215
Zuflucht, um mit ihnen, wie er glaubt, die zu ergänzen und
zu verbessern; so zieht er sogar die von Josephus wieder
gegebenen Manethonischen Fragmente den ~i\s.v. vor, wobei er
freilich in einen gewaltigen Irrthum verfiel — ein Vorgang,
der uns an den des Synkellos erinnert, der die Fragmente
Manetho’s hei Josephus dem ihm vorliegenden Sothisbuche
vorzog. Unter dem Eindrücke der von Josephus aufgebrachten
Gleichsetzung der Hyksos mit den Juden, hat der Anonymus
C bedeutende Veränderungen, besonders Reductionen der Zahlen
der vojj-ci des B vorgenommen, die, wie wir gesehen haben (S. 182),
noch nachzuweisen sind. Den griechischen Autoren, besonders
dem Herodot und Diodor, hat er eine Reihe von Zahlen für
seine letzten Dynastien, sowie den Gedanken entnommen, in
seinen tojj.oi die Dodekarchie zu reproduciren, was ihm freilich
nur theilweise gelungen ist.
Aber noch mehr; hatte der Verfasser der tog-os des Africa-
nus die Abtheilung der ägyptischen Geschichte auf Grund der ihm
von Manetho überlieferten Coincidenzen des festen und Wandel
jahres vorgenommen, so glaubte der Anonymus C es besser
machen zu können. Inzwischen hatte nämlich die Siriusperiode,
die zuerst von Geminus im ersten Jahrhunderte erwähnt wird,
allgemeine Geltung erlangt. 1 Am Beginne des zweiten Jahr
hunderts wird sie von Tacitus angeführt, bei Clemens Alexan-
drinus heisst sie zum ersten Male SwOlav.r, TOpi'oSog und erst bei
dem Mathematiker Theon, am Ausgange des vierten Jahr
hunderts, wird der Aera dxb Msvispswc gedacht. Der Ausgangs
punkt der Siriusperiode, deren Entstehung wir sonach nicht
über den Beginn unserer Zeitrechnung hinaufrücken können,
war jedoch nicht das Jahr 1266, sondern das Jahr 1322 v. Chr.
Dies veranlasste den Verfasser der Tsp.ct des Eusebius — wie
es der Anonymus B gehalten hat, wissen wir nicht — den
top-oc-Einschnitt früher anzusetzen, d. h. er versetzte den König
Ramesses, der in seiner Vorlage den zweiten zo\i.oc abschloss,
an den Anfang des dritten So schloss in der That sein
zweiter zc\i.oc mit dem legitimen Könige Amenephtes ab, welcher
1 Lepsius, Chronologie p. 167 f. Cf. Riet, Sonnen- und Siriusjahr 160 f.
u. passim.
216
Krall.
Name zu Menophres verstümmelt, den Anlass zur Aera aitb
Msvifpsw? doch wohl erst gegeben hat.
Wir haben hiemit die Thätigkeit unseres Anonymus C
noch bei weitem nicht ganz kennen gelernt. Er war es, der
wenn nicht alles trügt, den Anstoss zur Aufstellung und Zäh
lung von Dynastien gegeben hat. Die ursprüngliche tabellarische
Form der xop.oi mit den vielfachen Rubriken, musste sich bald
als unbequem erweisen; um dem zu entgehen, verwandelte der
Anonymus C dieselbe in eine einfache Aufeinanderfolge der
einzelnen Gruppen; zusammengehörige Glieder wurden hiebei
von einander gerissen, nicht zusammengehörige mit einander
verbunden; manche wurden mehrmals aufgezählt, wieder an
dere ganz ausgelassen. So ist es gekommen, dass, um nur
an einige Beispiele zu erinnern, die XVII. (bei Eusebius XVI.)
Dynastie des Africanus von der XVIII. gerissen wurde, oder
dass die XVII. und XV. Dynastie des Africanus besonders
aufgezählt wurden, während sie schon in der XIII., beziehungs
weise XVI. Dynastie enthalten waren. Ebenso wurde die
XVII. Dynastie mit einer Gruppe, die in den vorliegenden
Top.ot des Africanus ausgefallen ist, zur XIII. Dynastie ver
bunden, wiewohl sie beide durch 259 Jahre in den xop.oi des
Anonymus A von einander getrennt waren. Die einzelnen auf
einander folgenden Gruppen wurden des leichteren Gebrauchs
halber numerirt und als Suvac-swct bezeichnet, ein Ausdruck,
der, wie wir gesehen haben, Manetho und vielleicht auch dem
Anonymus A und B fremd gewesen ist. Die Zählung der ein
zelnen Dynastien zeigt uns deutlich das Bestreben unseres
Anonymus, eine Uebereinstimmung der ihm vorliegenden xop.oi
zu erzielen. Trotz der bedeutenden Abweichungen zwischen
denselben, hat er es verstanden, 30 Dynastien aus den beiden
ihm vorliegenden tabellarischen Uebersichten herauszuschlagen,
und mit wenigen Ausnahmen ist es ihm auch gelungen, die
sich entsprechenden Dynastien mit einer gleichen Nummer zu
versehen. Um dies zu erreichen, hat er freilich zu recht
eigentümlichen Hilfsmitteln seine Zuflucht nehmen müssen.
Der Anonymus B fasste, wie wir wissen, nach Manethonischem
Vorgänge, die sogenannte IV. und V. Dynastie des Africanus
zu einer Gruppe zusammen, die als die IV. Dynastie be
zeichnet werden musste. In Folge dieses Ausfalles hätte die
Manetlionisclies Gesell iclitsiverk.
217
VI. Dynastie des Africanus in den to[Mi des Eusebius als
die V. verzeichnet werden müssen, wodurch die Gleichmässig-
keit der Zählung empfindlich gestört worden wäre. Um dem
Uebelstande auszuweichen, machte der Anonymus C aus der
Gruppe, die bei Africanus die VI. Dynastie bildet, zwei Dy
nastien, die V. und VI.
Africanus: Eusebius:
IV. Dynastie j Dynastie>
VI. Dynastie j ^ Uj '“ stte
Sehen wir sonach unseren Autor von dem Bestreben ge
leitet, eine gleichmässige Zählung der von ihm aus den tabel
larischen tojj.o'. des Anonymus A und B gezogenen Dynastien,
die er, wie wir gesehen haben, ohne jedes Verständniss des
inneren Zusammenhanges aus den einzelnen Gruppen ausschied,
herbeizuführen, und hiedurch die -o\j.ot des A und B wohl oder
übel in einen anscheinenden Zusammenhang zu bringen, so
werden wir nicht zweifeln können, dass er es gewesen ist, der
in seine tojj-oi aus den tsjaoc des Anonymus A die in denselben
enthaltenen Notizen, sowie die -o|j.Oi;-Sunimen, die ja zu seinem,
dem B entnommenen, Systeme gar nicht passten, herübernahm.
Sein Werk sollte Alles umfassen, was auf dem Gebiete Mane-
thonischer Foi'schung bis auf seine Zeit geleistet worden war,
es sollte alle seine Vorgänger überflüssig machen.
Den Beweis dafür, dass die Zählung der Dynastien und die
Notizen in den wie sie uns bei Africanus und Eusebius
vorliegen, das Werk eines Mannes, also gleichsam eine ■z6[j.z’.-
Harmonie sind, liefern uns die Topi.pt des Barbaras, die eine von
der allgemein üblichen, abweichende Zählung der Dynastien
uns zeigen. Die des Barbaras weisen uns wie die des
Eusebius auf das Werk zweier Chronographen hin, von denen
der erste (Anonymus D) eine zwischen den tojxo'. des A und
B in der Mitte stehende chronographische Tafel aus Manetho
zog — ihr erster Theil deckte sich mehr mit dem Werke
des A, ihr zweiter mehr mit dem des B — die dann von einem
zweiten, der nach Josephus lebte, überarbeitet und, dem allge
meinen Zuge der Zeit entsprechend, in eine Aufeinanderfolge
218
Krall.
von XVI Pole States, hierin ganz unabhängig- vom Anonymus C,
verwandelt wurde.
Wir stehen am Schlüsse unserer Untersuchungen. Drei
chronograpliische Systeme, deren gegenseitige Abhängigkeit
sich direct nicht nacliweisen lässt, haben wir aus dem Mane-
thonischen Werke erstehen gesehen; wir haben ferner erkannt,
wie das Erscheinen der Schrift des Josephus ,Contra Apionem'
und die in derselben aufgestellte Identification der Juden mit
den Hyksos, sowie der Beginn des Kampfes des Christenthums
gegen das Heidenthum, eine gewaltige Einwirkung auf die
tojaoi der vorchristlichen Zeit geübt haben. Ueber die ursprüng
liche Schichte legte sich eine zweite, die überall von diesen
neuen Momenten beeinflusst ist — es ist die Form, in der wir
die Tcp.oc bei Africanus, Eusebius und dem Barbarus vor uns
sehen. Weiter zu gehen und die folgenden Schichtungen zu
verfolgen, erscheint uns für die uns gestellte Aufgabe, wie wir
einleitungsweise bemerkten, ganz zwecklos. Schon in der
zweiten Schichte haben wir keine Spur auch nur der gering
sten Einsichtnahme in die Werke Manetho’s beobachten können;
mit dem Momente, wo die t6|j.ci zu entstehen begannen, hörte
ja, wie wir gesehen haben, das Interesse für die Abpiirax/.d auf.
Der leichteren Uebersicht halber, stellen wir die über
die fünf Anonymi gewonnenen Ergebnisse kurz zusammen.
1. Anonymus A. Ei" verfasste die Tcp,oi, die uns bei Jo
sephus theilweise, und, wenn auch überarbeitet, ganz bei Afri
canus vorliegen. Er kennt keine Zählung der Dynastien, er
gibt nur tabellarisch geordnete Gruppen von Königen. Die
Form, in der die löp.oi des Africanus uns jetzt vorliegen, haben
dieselben erst durch den Anonymus C, der die Gruppen zer
schlug und aus ihnen dreissig Dynastien bildete und ausserdem,
falls diese Aenderung nicht auf Africanus selbst zurückgeht,
an den Dynastien der Hyksoszeit, von Josephus beeinflusst,
verschiedene leicht auszuscheidende Veränderungen vornahm,
erhalten.
2. Anonymus B. Er verfasste, vielleicht ganz .unab
hängig vom Anonymus A, die Grundlage der Top».ot des Eusebius.
3. Anonymus C. Er überarbeitete die des B und
gab ihnen die Gestalt, in der sie uns bei Eusebius vorliegen.
Er ist ganz abhängig von Josephus und den griechischen
Manethonisches Geschichtswerk.
219
Autoren und wendet die Siriusperiode in seinen t4[*oi an. Er
macht die Dynastien und führt eine gleichmässige Zählung
derselben ein. Den 101*01 des Anonymus A entnimmt er die
Notizen bei den einzelnen Königen.
4. Anonymus D. Der Verfasser der -op-os, die uns über
arbeitet in den Excerpta Barbari vorliegen.
5. Anonymus E. Der Ueberarbeiter der töij.c. des D.
Er lebt nach Josephus und nimmt eine vom Anonymus C ganz
unabhängige Gliederung seiner Vorlage vor.
Wenn wir die Gesammtheit unserer Ausführungen über
schauen, so drängt sich uns unwillkürlich die Frage auf:
können wir denn noch weiter an der Fiction der ägyptischen
Dynastien und ihrer Zählung, wie man sie in gutem Glauben
an die x6p.ot bei Africanus und Eusebius angenommen hat, fest-
halten? Können wir, nachdem wir seinem Ursprünge nachge
gangen sind, dieses Machwerk eines Chronographen des zweiten
Jahrhunderts nach Christo auch fernerhin als Manethonisch
ausgeben? Nur so lange man die chronographischen Ueber-
sichtstafeln, wie sie sich aus den sy.Sioei? des Africanus, Euse
bius und des Barbaras ergeben haben, mit ihren Rubriken und
Zusammenfassungen vor Augen hat, haben die Gruppen, deren
willkürliche Entstehung wir für die dunkeln Epochen ägyp
tischer Geschichte beobachten konnten, überhaupt einen rechten
Sinn, ohne dieselben sind die xsp.oi in der Gestalt, die sie durch
den Anonymus C erhalten haben, ganz werthlos.
Leider liegen uns keine Nachrichten vor, über die Gesammt
heit der officiellen einheimischen Gruppirung der ägyptischen
Könige — denn dass eine solche bestand, zeigt uns der Turiner
Papyrus hinreichend. Wir werden uns daher, um nicht in den
Bahnen des Anonymus C weiter zu wandeln, am besten damit
behelfen, nach dem jeweiligen Stande unserer Kenntnisse
ägyptischer Geschichte, die zu einer Familie gehörigen Könige
unter dem Namen zusammen zu fassen, der in derselben am
häufigsten vorkommt — der ja gewöhnlich den Namen des
Gottes in sich schliesst, dem das Geschlecht besondere Ver
ehrung gezollt hat — und wo dies nicht angeht, was besonders
für die ersten Zeiten der ägyptischen Geschichte gilt, uns
an die Residenzen zu halten. Danach würde sich die ägyp-
220
Krall.
tische Geschichte — bis auf die Thutmosidenzeit kommt uns
der Turiner Papyrus wohl zu Statten — also gliedern:
1. Die Thiniten. In den to[j.o: sind sie auf die I. und
II. Dynastie vertheilt.
2. Die Memphiten. Beim Anonymus B bildeten sie
noch eine Gruppe; der Anonymus A hat aus ihnen zwei
Gruppen gemacht, die wir in der IV. und V. Dynastie wieder
finden. Nach den Pyramiden, den gewaltigsten Ueberresten
dieser Herrscher, kann man sie auch die Pyramidener
bauer nennen.
Nach dem Vorgänge von Rouge scheiden wir die III. Dy
nastie aus.
3. Die Könige von Abydos. Wir fassen unter diesem
Namen die Könige der VI. Dynastie des Africanus (V. und
VI. des Eusebius), sowie die Nachfolger der Nitokris zusammen.
Mit Nitokris macht bekanntlich der Turiner Papyrus keinen
Abschnitt; wir sind jedoch gar nicht in der Lage aus den
Fragmenten, die der Zeit seit Nitokris bis auf die Erhebung
Amenemhä I. angehören müssen, ein auch nur annähernd rich
tiges Bild zu gewinnen. Mit Hilfe anderer Nachrichten können
wir jedoch sagen, dass bald nach der sogenannten VI. Dy
nastie fremde Völker in Aegypten erobernd vordrangen, deren
Könige wir, nach dem Vorgänge von Lepsius, bezeichnen
können als
4. Die Herakleopoliten. In den sind sie durch
die IX. und X. Dynastie vertreten.
5. Die Amenemhä umfassen die XI. und XII. Dynastie;
in ihrem Namen ist zugleich der Gott erhalten, dem das Ge
schlecht besonders gehuldigt hat. Dasselbe ist der Fall bei
der folgenden Gruppe.
6. Die Sebelchotep entsprechen allem Anscheine nach
der XIV. Dynastie der -öpioi (p. 181).
7. Die Hyksos.
8. Die Thutinosiden umfassen die XVII. und XVIIT.
Dynastie bei Africanus, die ursprünglich, wie bemerkt, auch
in den ro^ot ein Ganzes bildeten.
9. Die Ramessiden, d. h. die Könige der XIX. und
XX. Dynastie, die ja fast alle den Namen Ramessu führen.
Mauöthonisclies (ieschiclitswerk.
221
10. Herhor und seine Naehfolger oder die Könige
und Propheten des Amon.
11. Scheschonk und seine Nachfolger.
12. Die Aethiopen. Ihnen entspricht in den to;o.oi die
XXV. Dynastie mit 3 Königen; während uns inschriftlich be
deutend mehr Könige bekannt sind.
13. Die Theilkönige. Unter diese Bezeichnung fassen
wir die Gesammtheit der Fürsten zusammen, die theils unter
assyrischer, theils unter äthiopischer Oberhoheit, theils auch
selbstständig in Aegypten, besonders in Delta herrschten.
Hieher gehört die XXIII. und XXIV. Dynastie.
14. Die Saiten umfassen die Fürsten der XXVI. Dynastie.
15. Die Perser und die Zeiten der Empörung unter
Amyrtäos, also die XXVII., XXVIII. und XXXI. Dynastie.
16. Die letzten nationalen Könige, d. h. die XXIX.
und XXX. Dynastie.
In diese sechzehn Gruppen zerfällt die ägyptische Ge
schichte; die Bezeichnungen derselben, die ohnedies sich ein
zubürgern beginnen, machen uns die Dynastieeintheilung ganz
entbehrlich, und es ist kein Zweifel vorhanden, dass bei dem
raschen Fortgange der ägyptischen Studien und bei dem Um
stande, dass wir bisher nur einen kleinen Tlieil der Hinter
lassenschaft der Aegypter uns zu Eigen gemacht haben, es
allmälig gelingen wird, die Gruppen schärfer zu präcisiren
und zu vervollständigen.
222
Krall.
E x c u r s.
Der Regierungsantritt Ahmes I.
In unseren Untersuchungen sind wir zu wesentlich nega
tiven Ergebnissen für die ägyptische Chronologie gelangt, wir
wollen es im Folgenden versuchen, von einer Stelle des Tacitus
ausgehend, ein positives Datum festzustellen.
Anknüpfend an das Erscheinen eines neuen Phönix in
Aegypten, gibt uns Tacitus, Ab excessu VI, 28 eine Darstellung
der Phönixsage, aus welcher folgende Angaben über die Dauer
der Phönixperiode für uns grosse Wichtigkeit haben: de nu-
mero annorum varia traduntur, maxime vulgatum quingentorum
spatium, sunt qui adseverent mille quadringentos sexaginta
unum interici, prioresque alios tres Sesoside primum, post
Amaside dominantibus, dein Ptolcmaeo, qui ex Macedonibus
tertius regnavit, in civitatem cui Hcliopolis nomen advolavisse
multo ceterarum yqluerum comitatu, novam faciem mirantium,
sed antiquitas quidern obscura: inter Ptolemaeum et Tiberium
minus ducenti quinquaginta anni fuerunt, unde non nulli fal-
sum hunc phoenicem neque Arabum e terris credidere, nihil-
que usurpavisse ex iis, quae vetus memoria firmavit.
Wenn wir die Angaben des Tacitus näher ins Auge fassen,
ohne uns vorerst zu kümmern, wie sich das Resultat zu der
ägyptischen Chronographie stellen wird, müssen wir sagen, dass
die ungezwungenste Erklärung derselben ist, die Königsreihe
auf die Periode von 1461 Jahren zu beziehen, denn sonst
müsste dieselbe vor den Worten sunt qui adseverent stehen,
falls wir nicht annehmen wollten, Tacitus habe in einer so
wichtigen Angabe aus Nachlässigkeit oder aus Absicht sich
undeutlich ausgedrückt.
Der letzte König der Reihe, Ptolemaeus qui ex Macedo
nibus tertius regnavit [ebenso Historien IV, 84 regnante Ptole
maeus quem tertia aetas tulit] ist, da Tacitus Ptolemäus
Soter und nicht Alexander den Grossen als den bezeichnet,
Manethonisches Gescliiclitswerk.
223
qui Macedonum primus Aegypti opes firmavit [Hist. IV, 83J,
kein anderer als Ptolemäus III. Euergetes, der 247 zur Re
gierung gekommen ist, womit auch vortrefflich die Bemerkung
stimmt: inter Ptolemaeum ac Tiberium minus ducenti quinqua-
ginta anni fuerunt. 1 In dem zweiten Könige der Reihe Amasis,
sehen die Erklärer, nach dem Vorgänge von Lepsius und
Bunsen, 2 den vorletzten König der sogenannten XXVI. Dy
nastie, den uns aus Herodot wohlbekannten Amasis. Wie, war
denn die Zeit des berühmten Königs Amasis so entlegen, dass
Tacitus nicht wissen konnte, es könne unmöglich zwischen
demselben und Ptolemäus Euergetes eine Periode von 500,
geschweige denn von 1460 Jahren verflossen sein! Gibt er
denn nicht, wenige Zeilen darauf mit den Worten ,inter Pto
lemaeum ac Tiberium minus ducenti quinquaginta anni fuerunt'
einen Beweis, dass er doch etwas von diesen Dingen verstand!
Mit Recht hat daher schon Unger 3 betont — es scheinen je
doch seine Worte ungehört verhallt zu sein —• dass der Amasis
des Tacitus nicht der Saite dieses Namens, sondern Ahrnes I.,
der Vertreiber der Hyksos, gewesen sein müsse. Nach der
Reihe bei Tacitus fällt sonach Ahmes I. Regierung 1460 Jahre
vor Ptolemäus Euergetes, d. h. etwa 1700 v. Chr., womit wir
uns in vollständiger Uebereinstimmung befinden mit dem von
Brugsch, aus den Genealogien der hohen ägyptischen Ge
schlechter, gewonnenen Ansätze. 4 Der erste König der Reihe
weist uns endlich in die Zeit des Beginns der Verschiebung
der beiden ägyptischen Jahresformen hin, in dieselbe Zeit, in
welche uns die Scheidung des ersten und zweiten TÖp.o?, sowie
die schon oft erwähnte Notiz Herodots versetzt haben, in die
Zeit der Amenemhä: Der König Sesosis bei Tacitus ist der
Sesostris (XII. Dynastie) des Africanus und Eusebius. 5
1 Nipperdey in seiner Tacitusausgabe zu ab excessu, VI, 28. Anderer An
sicht war dagegen Lepsius — Chronologie, 189 — und nach ihm Stein
zu Herodot II, 73.
2 Chronologie der Aegypter p. 188 f. Aegyptens Stellung in der Welt
geschichte IV, 8G f.
3 Chronologie des Manetho 123.
4 Geschichte Aegyptens 253, 768.
5 Es ist hier nicht unsere Aufgabe auf die astronomischen Grundlagen der
Phönixperiode einzugehen, es genüge darauf hinzuweisen, dass die Liste
bei Tacitus uns an wichtige Epochen in der Geschichte des festen Jahres
224
Krall.
Setzt, wie wir gesehen haben, die Liste bei Tacitus die
Regierung des Ahmes ungefähr 1700 v. Chr., so werden wir
in dieselbe Zeit durch eine andere ebenso werthvolle Nach
richt bei Africanus gewiesen. Wir finden nämlich bei seiner
XXIV. Dynastie folgende Bemerkung: ßiy//o>p'.:: stvj g',
ecp’ o'j ap'/’.ov e^Oryljaw etv], (990). Zählen wir von 720 v. Chr.
— um welche Zeit die Regierung des Königs Bocchoris fallen
muss, da sie unmittelbar der des Aethiopen Seve voranging —
990 Jahre aufwärts, so kommen wir in das Jahr 1710 v. Chr.,
d. h. in dieselbe Zeit, in welche uns die Liste bei Tacitus
mit ihrem Könige Ahmes I. versetzt. Aus Diodor (I, 69) er
sehen wir ferner, welche hohe Bedeutung die Aegypter darauf
legten, dass ihr Land 4700 Jahre von einheimischen Herrschern
regiert worden war, wir sehen ausserdem aus seiner Tafel (I, 44),
wie scharf zwischen einheimischen und fremden Herrschern
selbst bei chronologischen Uebersichten geschieden wurde —
Grund genug daher, bei Bocchoris die Regierungen seit der
Vertreibung der Hyksos zusammen zu fassen und dem Leser
vorzuführen, dass 990 Jahre nationaler Herrschaften verstrichen
waren, als Bocchoris dem fremden Eroberer erlag.
Gewinnt sonach das Jahr 1700, als ungefährer Beginn
der Regierung Ahmes 1. auch von dieser Seite seine Bestä
tigung, so erhebt sich nun die Frage, wie verhält sich dieses
Ergebniss zu der merkwürdigen Inschrift von Tanis, 1 deren
eigentliche Bedeutung Riel zuerst schlagend dargethan hat.
Ihre bis auf ihn räthselhafte Datirung ,Jahr 400 des Königs
Set-nubti-ää-pehti', hat er auf die Einrichtung des festen Jahres
in der Tetraeteride 1766—62 v. Chr. bezogen, und somit für
in Aegypten erinnert. Die, Regierung des Königs Sesosis, des ersten der
Reihe, knüpft an an den Beginn der Verschiebung des Wandeljahres gegen
das feste Jahr, der zweite König Ainosis, versetzt uns in die Zeit der
Errichtung des festen Jahres 1766—62, indem dieselbe lieber an ihn als
an den obscuren Set-nubti-ää-pehti angeschlossen wurde; die Regierung des
letzten Königs endlich, Ptolemäus Euergetes, wird bezeichnet durch die
Einrichtung des sogenannten festen Jahres von Kanopus, über welche
uns eine andere Stele von Tanis hinreichende Kunde bringt.
1 Rouge, Revue archeologique 1864, und Mariette 1. 1. 1865. Lauth, Ma-
netho j). 251. Ebers, Aegypten und die fünf Bücher Mose’s, p. 209.
Brugsch, Geschichte Aegyptens 546, Riel 1. 1. 177 f.
Manethonisches Gesckicktswerk.
225
die ägyptische Chronologie zwei feste Daten gewonnen. Es
fragt sich nun, wer ist der erwähnte König Set-nubti-ää-pehti ?
Die Inschrift selbst gibt uns hierüber Auskunft: $
-<s=-
CZDI
rmTn aawm
aufstellen eine grosse Stele aus Syenit für den grossen Namen
seiner Väter, mit dem Wunsche zu erhalten den Namen des
Vaters seiner Väter |und] des Königs Seti 1/ Der Vater
seiner Väter kann kein anderer sein, als der am Anfänge der
Inschrift genannte Set-nubti-ää-pehti, zu dessen Verherrlichung
ja die Angabe diente, der Stein sei gesetzt im Jahre 400 der
von ihm begründeten Aera. Es liegt kein Grund vor, in dem
Namen des Königs Set-nubti-ää-pehti einen Hyksos zu erkennen,
wie dies verschiedene Forscher gethan haben 1 — mit Recht
ist daher Chabas 2 dieser unwahrscheinlichen Annahme ent
gegen getreten. Set und Sutech sind urägyptische Gottheiten,
wie wir dies anderwärts dargethan haben, 3 und wir werden
sonach sagen müssen zu den Vorfahren des Königs Ramses
gehörte ein König Set-nubti-ää-pehti, und wir glauben uns nicht
zu täuschen, wenn wir annehmen, dass er sich von der Stadt
Ombos aus, erhoben hat gegen die Hyksosherrschaft. Für
das letztere bürgt Manetho, der uns (Josephus, C. A. III, 14, 12)
mittheilt p-sva raüva os twv st. ty;; GvjßafSo; -/.ai vr;<; äWriq AlyuK-
vou ßaciXswv yiVccöat orjciv exi to'j? xotp.eva? exaväavaaiv, für das
erstere der Name des Königs selbst. In Ombos, welches sich
ganz ketzerischen Culten schon von Alters her ergeben hat,
— wir finden hier auch den Sebek besonders verehrt -—
ward nämlich dem Ak] Sutech gehuldigt. Wohl wegen des
1 Besonders Rouge und Mariette y. Anra. 1 auf S. 224.
2 Chabas in der Aeg. Z., 1865, p. 29 f. Les Ramses sont-ils de la race des
Pasteurs? Etüdes sur la Stile de l’an 400.
3 Aeg. Z. 1879, p. 66.
Sitzungsber. d. pkil.-hist. CI. XCV. Bd. I. Hft.
15
226
Krall. Manethonisches Geschiehtswerk.
Namens i| (J @ ,Nubi‘, ,die Goldstadt £ , 1 den in den Hiero
glyphen Ombos führt, hat Set-nubti-ää-pehti den Beinamen
erhalten. Die Inschrift von Tanis bezeugt uns, dass
im Jahre 1766 die Erhebung gegen die Hyksos in vollem Gange
war; wir werden daher auch von den monumentalen Angaben
selbst auf das Jahr 1700 v. Chr. als auf das Jahr der Er
hebung Ahmes I. hingewiesen.
1 Gold galt ja bei den Aegyptern als typhonisch; Brugsch, Geschichte
Aegyptens p. 199 erinnert daran, dass beim Opferfeste des Helios, nach
Plutarch de Is. ac Osir. c. 30, die Priester ermahnt wurden, kein Gold
am Leibe zu tragen.
XVII. SITZUNG VOM 9. JULI 1879.
Das w, M. Herr Hofrath Ritter v. II ö fl er iu Prag über
sendet für die Sitzungsberichte die erste der ,Abhandlungen
aus dem Gebiete der slavischen Geschichte' unter dem Titel:
,Die Walachen als Begründer des zweiten bulgarischen Reiches
der Asaniden 1186—1257'.
Von Herrn Dr. Thomas Fellner in Wien wird eine Ab
handlung: ,Zur Geschichte der attischen Finanzverwaltung im
fünften und vierten Jahrhundert', mit dem Ersuchen um ihre
Aufnahme in die Sitzungsberichte, vorgelegt.
Herr Dr. B. Münz in Wien überreicht eine Abhandlung
unter dem Titel: ,Die Philosophie des Protagoras und die Aus
legung und Kritik, welche dieselbe erfahren', mit dem Ersuchen
um ihre Veröffentlichung in den Sitzungsberichten.
Das w. M. Herr Professor Dr. Hartei übergibt eine Ab
handlung des Herrn Professor Pius Knöll, w'elche betitelt ist:
,Das Handschriftenverliältniss der Vita S. Severini des Eugippius'
mit dem Ersuchen des Verfassers, dieselbe in die Sitzungs
berichte aufzunehmen.
228
An Druckschriften wurden vorgelegt:
Berlin, Friedrich-Wilhelms-Uriiversität: Druckschriften pro 1878/79. 9Stück4°.
Gesellschaft, k. k. geographische, in Wien: Mittheilungen. Band XXII.
(N. F. XII.) Nr. 6, 7, 8 und 9. Wien, 1879; 4°.
Müller, Max: The sacred books of tlie East. I., II., III. Volume. Oxford,
1879; 8.
,Revue politique et litteraire 1 et ,Revue scientifique de la France et de
l’Etranger 1 . IX e Annde, 2 e Sdrie. Nr. 1. Paris, 1879; 4°.
Sociedad cientifiea argentina: Anales. Mayo de 1879. — Entrega V.
Tomo VII. Buenos-Aires, 1879; 8°.
Tübingen, Universität: Akademische Schriften pro 1876/77. 21 Stücke.
4° und 8°.
— Universität : Akademische Schriften pro 1878. 21 Stück 4° und 8°.
Verein, militär-wissenschaftlicher: Organ. XVIIT. Band. Separatheilage zum
4. und 5. Heft. 1879. Wien; 8°.
Höfler. Abhandlungen aas dem Gebiete der slavischen Geschichte I. 229
Abhandlungen aus dem Gebiete der slavischen
Geschichte.
Yon
Constantin R. von Höfler,
wirkl. Mitgliedo der kais. Akademie der Wissenschaften.
I.
Die Walachen als Begründer des zweiten bulgarischen
Reiches, der Asaniden, 1186—1257.
Der Untergang des Bulgarenreiches durch Kaiser Basilios
den Bulgarentödter, 1018, gehört zu den wichtigsten und mass-
gebendsten Tatsachen des eilften Jahrhunderts, ja des Mittel
alters überhaupt. Das römische (romäische) Reich war wieder
aufgerichtet und reichte vom adriatischen zum schwarzen Meere,
von der Donau bis zur Südspitze des Peloponnesos. Im Innern
war die Fremdherrschaft gebrochen, der Traum eines bulgarisch
römischen Kaiserthums verflogen, der Kern des bulgarischen
Volkes auf den Schlachtfeldern geblieben, die Riesenknochen
der Bulgaren bleichten auf dem Schlachtfelde am Spercheios,
verödet waren die Ebenen um Nis, Sophia und am Ovöepolje,
die uneinnehmbaren Bergfesten, die Kaiserpaläste von Trnowo
und Kastoria in den Händen der Romäer; die Zwietracht und
der Verrath der Mitglieder des Sismaniden-Hauses hatten den
Untergang des Reiches beschleunigt, dieser selbst musste die
Verschmelzung der Bulgaren mit den Slaven und die Slavisirung
der ersteren erleichtern, ja vollenden. So schwer es aber für
die Romäer gewesen, den Untergang des Reiches herbeizuführen,
das ihnen selbst so oft verderblich gewesen, so schwer war es,
die Lücke auszufüllen, die der Sturz der heimischen Dynastie
und der politische Untergang des Volkes erzeugt hatte. Schon
230
Hö f 1 er.
in ihrem eigenen Interesse waren die Bulgaren Donauwächter
gewesen; ihre theuersten historischen Erinnerungen beziehen
sich auf die Zurückweisung des Russen Svjatoslav, dessen
Einbruch 969 zuletzt den Untergang des Bulgarenreiches von
Pfeslav und die Einverleibung desselben in das romäische unter
Johann Zimisches 971 herbeigeführt hatte. Darauf erst, auf
den Untergang des östlichen Reiches, erfolgte der Streit um
das Erbe der vier Söhne Sismans, der sich 963 von dem Haupt
reiche und dessen Czaren Peter losgesagt und das Reich von
Prespa (Ochrida, Kastoria) gegründet hatte. Der Zwiespalt
zwischen beiden Reichen, an welchem vielleicht das Ueber-
wiegen der slavischen Bevölkerung um Ochrida wesentlichen
Antheil genommen, erleichterte den Romäern den Sieg. Der
vierzigjährige Vernichtungskampf unter Basilios hatte aber nicht
blos die Besiegten entsetzlich heimgesucht; auch der Sieger
hatte ungeheure Verluste erlitten. Als Bulgarien schon unter
worfen war, ging ein griechisches Heer im Kampfe mit Stefan
Vojslav, Herrn von Zeta und Travunia, 1040 unter; neue Ver
luste brachte die bulgarische Erhebung unter Peter Deljan, angeb
lichem Sohne des Czaren Gabriel hervor, bis dieser durch
einen andern Sismaniden, Alusian, Sohn des Czaren Wladislav,
unschädlich gemacht wurde. Dann aber wurde erst noch ein
grosses romäisches Heer in den Engen am See von Skutari
aufgerieben. Diese entsetzlichen Zustände beschleunigten den
Einbruch der Polovcer (Petschenegen) in das alte Thracien
und Macedonien. Was der Bulgarenkrieg verschont hatte, ging
jetzt zu Grunde (1048—1051), und als die Petschenegen end
lich, nachdem sie dreimal die romäischen Heeresabtheilungen
vernichtet, über die Donau zurückgewichen waren, kamen erst
seit 1065 die mörderischen Rumänen, verbanden sich dann mit
den Petschenegen und raubten, mordeten und plünderten die
Donauländer bis tief in das zwölfte Jahrhundert. Als es
1122 gelang die Petschenegen tüchtig zu schlagen, traten die
Rumänen an ihre Stelle und versinken Land und Bewohner
in den Zustand gränzenloser Barbarei, Thracien gehörte wlachi-
schen Hirten, romänischen Nomaden an. Eine allgemeine Anar
chie war eingetreten. Basilios hatte die dreissig bulgarischen
Bisthtimer belassen, in Ochrida einen vom Patriarchen von
Constantinopel abhängigen griechischen Erzbischof eingesetzt;
Abhandlungen aus dem Gebiete der slaviscben Geschichte I.
231
er mochte hoffen, durch die Bischöfe auf die Bewohner des
unterworfenen Landes einzuwirken. Allein die Militärherrschaft
unter Strategen und der romäische Steuerdruck, der die Pro
vinzen dem Reiche entfremdete, lasteten schwer auf der wieder
gewonnenen Herrschaft; der griechische Clerus konnte sich mit
dem bulgarischen Volke, ,diesen schmutzigen, übelriechenden
Barbaren' nicht befreunden. Es war, wie der griechische Erz
bischof von Ochrida, Theophilaktos, schrieb, nur an Bosheit
reich, auf das Aeusserste herabgekommen, kleidete sich in
stinkende Felle und verleidete dem gebildeten Griechen den
Aufenthalt. Dazu kam, dass ,die Serben, die auch Kroaten
heissen', von der Katastrophe der Bulgaren für sich Gebrauch
machten, das Reich von Ochrida sich zu unterwerfen trachteten,
die Kirchen verbrannten, Alles mit Feuer und Schwert ver
wüsteten, so dass der Erzbischof 1073 schrieb, nicht Ein Dia-
con, nicht Ein Priester sei mehr in der einst so herrlichen
Kirche Bulgariens vorhanden. Die Auflösung machte sich nach
allen Seiten geltend. Theophylakt erwähnt eines Apostaten, 1
welcher Mokoi einen Theil von Ochrida beunruhige. Es war
dies zweifelsohne ein Bogomile. Nicht minder auch Dobromio,
der 1078 in Mesembria einen starken Heerhaufen sammelte.
Ein anderer behauptete sich in Beljatowo, heiratete eine kuma-
nische Fürstentochter und hauste nach Willkür in Thracien.
Es ist nicht unwahrscheinlich, dass dieses bewaffnete Auftreten
der Boffomilen wieder den Anschluss der Kroaten an Rom er-
leichterte, wie. dann andererseits die Ertheilung der Königskrone
an Zwonimir durch Papst Gregor VII. zu einem ähnlichen Be
gehren des Serbenfürsten Michael führte, eines Sohnes jenes
Stefan Vojslav, der sich gegen die Romäer erhielt und 1053
den Titel eines Protospatharios erlangte. Michael erscheint
zwar in dem Schreiben des Papstes als Slavenkönig, rex Sla-
vorum, aber mehr als factischer König anerkannt denn als
legitimer. Er befand sich in Zerwürfnissen mit dem Erzbischof
von Spalato, dem entgegen er den Bischof von Ragusa be
günstigte. Der letztere sollte wohl das Pallium erhalten, das
1 a servo et apostata. Ep. LXIV. Die lateinische Uebersetzung der Briefe
Theophylakts bei Baronius nach einem vaticauischen Codex stimmt aber
nicht mit den in der besonderen Ausgabe dieser Briefe veröffentlichten
überein.
232
H öfler.
Michael für einen Erzbischof begehrte, er selbst aber verlangte
eine Fahne zum Geschenke, mit welcher der neue König
Kroatiens päpstlicher Seits ausgerüstet worden war. Die Dinge
geriethen aber in der nächsten Zeit ins Schwanken, da der
Einbruch des päpstlichen Vasallenherzogs Robert Guiscard in
das romäische Reich erfolgte, das Königreich Kroatien mit der
Krone von Ungarn vereinigt wurde, endlich die siegreiche Aus
breitung der romäischen Herrschaft unter Manuel dem Komnenen
1143—1181 bis an die Adria erfolgte, Ungarn eine Zeit lang
mit dem romäischen Reiche vereinigt zu werden schien und
selbst der König von ,Tschechin', 1 Wladislaus von Böhmen, Vasall
des romäischen Kaisers wurde, der die Vereinigung der beiden
Kaiserthümer, des deutschen und romäischen, im Streite Papst
Alexanders mit Friedrich I. durchzusetzen hoffte.
Da erscheint plötzlich eine Nationalität, die bisher nur
bestimmt gewesen zu sein scheint, von Slaven, Bulgaren, Ro-
mäern, Petschenegen, Kumanen überritten zu werden, an der
Spitze neuer Ereignisse.
Die südslavische Welt hatte damals ihren Mittelpunkt
nicht mehr an der Donau, sondern in Ochrida und dem serbi
schen Dioclea, für welches das Erzbisthum von Antivari
begründet wurde, das selbst der serbische Primatialsitz wurde.
Lateinische Bisthtimer, die nachher verschwanden, 2 entsprachen
der lateinischen (römischen) Bevölkerung der Küste. Im
Innern des Landes aber treten die Nachkommen römischer
Provincialen als Wlachen auf, die mitten unter den Bulgaren
sitzen, so dass die Städte Ochrida, Prespal, Perlepe, Belgrad
in Ober-Macedonien als walachisch-bulgarisch erscheinen. 3
Noch im vierzehnten Jahrhundert wohnten in Cattaro, Anti
vari, Dulcigno, Svac, Scutari, Drivasto Lateiner, im zwölften
Jahrhundert aber sprachen nach Wilhelm von Tyrus (f 1188)
wohl die Einwohner des inneren Dalmatiens slavisch, aber
nicht die der Küstenstädte. Es gab Wlachen vor Allem in
Thessalien, das als Gross-Wlachien, p.syiXTj B'/.ayia, 1 bezeichnet
1 Wie Kynamos schreibt.
2 Episcopatus Swarinensis, Polatinensis, Arvastinensis, Svacinensis, Dnlei-
nensis, Sarcanensis. Theiner, Vet. monum. I, n. XIV.
3 Hopf, Griechenland S. 333.
4 Hopf S. 328—335.
Abhandlungen ans dem Gebiete der elavischen Geschichte I.
233
wurde; ein Klein-Wlachien auf der anderen Seite des Pindos,
ein Weiss-Wlachien in Mösien, dem sich ein Schwarz-Wlachien
in der Moldau gegenüberstellt; 1 in der Rhodope, in der Do-
brudza, bei Anchialis und Bizye. 2 Ansbert, der kenntnissreiche
Verfasser der Geschichte des Kreuzzuges Kaiser Friedrichs I.,
kennt in der Kühe von Thessalonika ein fruchtbares Land,
Flachiam 3 genannt. Koch mehr. Er, der den Grossherzog von
Serbien und Raseien (Crassiae), den grossen Nemanja nennt,
sehr wohl Bulgaren, Serben und Wlachen unterscheidet, nennt
auch geradezu die Gründer des zweiten Bulgarenreiches,
das unter dem Kamen der Asanidenherrschaft hervortritt,
Blachen; Peter, der auch Kalopeter heisst, ist Herr der Wlachen
(dominus blachorum). Ihre Macht, die auf der Vereinigung der
Wlachen und Kumanen beruhte, war 1190 so gross, dass sie
Kaiser Friedrich I. die namhaftesten Anerbietungen im Kampfe
mit den Romäern machten; ein serbisches Heer sollte sich an-
schliessen und Constantinopel erobern helfen, Petrus aber, der
sich bereits den goldenen Reif aufgesetzt, als er die Bulgaren
für sich gewann, durch den deutschen (alemannischen) Kaiser
Beherrscher von Constantinopel werden. Rösler hat in seinen
romanischen Studien ganz recht, 4 wenn er auf den Entschluss,
welchen damals Kaiser Friedrich fasste, als auf einen ungemein
folgereichen hinwies, da das romanische Volk, welches das
Innere aller Provinzen Thraciens, Macedoniens, Thessaliens,
Mösiens erfüllte, ,an Zahl und physischer Kraft das grie
chische übertraf"'. Kur, hätte er hinzufügen sollen, war es
nicht organisirt, fehlten vor Allem städtische Mittelpunkte, es
war weder politisch, noch kirchlich, noch territorial geeinigt,
es war überall und doch nirgends und erlangte einen festen
Kern zuletzt doch nur durch die in Städten lebenden Bulgaren.
Dass aber die Bewegung, die seit 1186 zur Aufrichtung eines
grossen Wlachenreiches führte, von Wlachen und begreiflich
1 1. c. p. 61.
2 Jirecek S. 218. Das Despotat von Epiros nannten die Serben das Wla-
chiotenland. Bösler, die Wohnsitze der Bomänen im Mittelalter, S. 105 ff.
3 Ausdrücklich sagt Niketas, dass die Wlachen über den Istros gingen und
sich mit den benachbarten Skythen verbanden, -bv "Iorpov otourWtsajiSTOt
-ot; ix ye itovojv Ixiüat? -pocspAav, p. 487.
* S. 115.
234
Hofier.
nicht von Bulgaren ausging, sehr uneigentlich also als bulga-
risch bezeichnet wird, spricht nicht blos Ansbertus aus, dem
man als Fremden, wenn auch seine Beobachtungsgabe sehr
treffend war, möglicher Weise irrige Auffassung nationaler
Verhältnisse zuschreiben könnte. Aber in ganz entschiedener
Weise stimmt einer der besten Zeugen jener Tage, der Choniate
Niketas, 1 mit dem deutschen Verfasser der Kreuzzüge Kaiser
Friedrichs überein. Er bezeichnet die wlachisehen Brüder als
jene, die das ganze Volk der Wlachen, zu dem sie gehörten,
aufregten, 2 die Asaniden als Wlachen, nicht als Bulgaren.
Es ist nun vor Allem nothwendig den Bericht des Cho-
niaten näher in das Auge zu fassen, da er Zeitgenosse des
wlachisehen Aufstandes war und als vorzüglicher Kenner der
Ereignisse seiner Zeit 3 auch besondere Anerkennung ver
langen kann.
Er kennt ihre Wohnsitze, bezeichnet sie als ehemalige Myser,
Mösier, die Brüder Peter und Asan stets als Wlachen, 4 erwähnt
die Gründe des Aufstandes, unterscheidet Bulgaren und Blachen
die die Brüder zu gemeinsamem Aufstande bewegen und zwar
mit der Absicht der Vertilgung der Bomäer, 5 die Selbstkrönung
Peters in der Stadt Pristhlaba, den ersten Blachenkrieg und
wie in diesem Peter und Asan mit den Ihrigen über den Istros
getrieben wurden und nun sich mit den benachbarten Skythen
(den Kumanen) vermengten, 3 so dass also ein dritter Völker-
bestandtheil mit dieser Erhebung hervortrat: Blachen, Bulgaren,
Kumanen. Die Blachen unterwarfen sich zum Scheine dem
Kaiser Isaak Angelos, der es versäumte den Aufstand völlig
niederzuschmettern und dadurch den Blachen die Möglichkeit
gewährte sich zu sammeln und aufs Neue loszubrechen. Auf
1 'Jatopt'a. Ed. Bekker, Bonnae.
2 to eSvo? oXov ivaadaav-s;, IIsTpo; Tt? xal ’A<jiv öpoyEvst; xal Tauro'ouopoi.
p. 482.
3 ouvstrapriv yao xal aOro; ßamXsi (Isaak Angelos im zweiten Wlachen-
kriege) fcofpappa-Euaiv, p. 518.
4 p. 482. 485.
5 tou; os ys auXXap.ßavop.fvou; xarx jsoXspov p.7j ijtnypstv, aXX’ xtoooxtts'.v xai
xatotTsivav av7)Xetöc, p. 486.
6 Auch noch später zogen Kumanen mit den Wlachen über den Istros nach
Thracien, was doch wohl beweisen dürfte, dass Wlachen und Rumänen
auf dem rechten Donauufer zusammenwohnten. Kiketas p. 663.
Abhandlungen ans dem Gebiete der slavischen Geschichte I.
235
dieses kehrte Asan mit gewaltiger Unterstützung der Kuinanen
zurück und nun trachtete er darnach, aus Blachen und Bulgaren
Ein Reich zu machen, 1 wie es früher gewesen war. Dies war
somit das zweite Stadium der Erhebung. Im nächsten Kampfe
erbeuteten Peter und Asan das kaiserliche Banner und die
kaiserlichen Gewänder und schmückten sich damit. 2 Dann er
folgte der neue Blachen krieg, 3 der Kampf des Kaisers mit den
Blachen und Kumanen bei Berrhoea, die Gefangennahme der
Gemahlin des Asan und die Auslieferung seines Bruders
Johannes als Geisel; der Krieg wurde schlecht geführt. Als
der Feldherr Constantinos Aspietes dem Kaiser Isaak bemerkte,
das Heer könne nicht zugleich gegen die Blachen und den
Hunger kämpfen, liess ihm der Kaiser die Augen ausstechen.
Die Blachen hatten ihre Burgen uneinnehmbar gemacht, ver
heerten mit den Kumanen die römischen Provinzen, der Kaiser
verlor (1190) Heer und Hauptschmuck (•/.aitv). 4 Die Beschrei
bung, die Niketas von dem Treiben des Kaisers Isaak Angelos
macht, bestätigt vollkommen, was er berichtet, dass die wlachi-
schen Brüder nichts so sehnlich gewünscht als Erhaltung dieses
Kaisers,’’ dessen Unfähigkeit den Wlachen und ihren skythi-
schen Freunden den Sieg ihrer Waffen verbürgte. Konnten
denn doch ihre Schaaren mit den Waffen ausgerüstet werden,
die die flüchtigen Romäer in den Engpässen verloren, die ihre
wie die Ziegen kletternden Leute ihnen abgenommen. 6 Sie
sind es, Wlachen und Kumanen, die fortwährend mit Isaak
Angelos Heeren kämpfen, 7 die Blachen sind es, welche siegen. 8
1 Die Stelle ist sehr merkwürdig-: tt)v iS» lljtrüv xal icov BouXydpwv 5-jva-
aiEtav sic - Ev auva^oua'.v tos ndXa: -ois fjV. p. 489.
2 ra Xpu'joüoi] ooü^a Tou v.a'.GCLpoq — xal za Qp.dfXouXa, p. 490.
3 osuxspav xaid tüjv Bax/ti>v s!-6pp.Y]aiv, p. 516.
4 p. 569.
3 ro: a-j-wv ßaaiXs-jöv-cov (die Angeli) e-t xal zzi -d Zfov BXdytov upoaE":owaouat
—£ xal jiEysOovö^aE-a!, p. 572. 573.
6 Aber nicht Bulgaren, sondern Wlachen und Kumanen.
7 Niketas III, 8.
8 1. c. p. 589. 600. 612. Niketas weiss selbst, dass ’lßayxb; (Ivanko) der
wlachische Name für Johannes war. Es war dies der Mörder des Johannes
Asan 1196. — p. 624. 643. 691, wobei immer Wlachen und Kumanen
vereinigt gegen die Romäer kämpfen und endlich auch die Russen gegen
sich haben. BÄa/cxo: xal XxoÖtxol, p. 824. 837. 852.
236
H öf ler.
Sie machen Thracien zur Wüste, zerstören die Städte, ermorden
die Einwohner oder verkaufen sie in weite Ferne in die Skla
verei, Feld, Wald und Weinberg, aller Anbau geht zu Grunde
und die einzige Frucht der Erhebung des neuen Reiches von
Trnowo ist Vernichtung der romäischen Cultur und soweit
Wlachen und Skythen, Rumänen, können, des romäischen
Volksstammes. Thracien sollte nur für wilde Thiere Wohn
stätte sein. 1 Ein nicht unbedeutender Fingerzeig in Betreff
der Wlachen, die jetzt die grosse Rolle spielen und nicht blos
auf dem rechten Donauufer Niederlassungen haben, ist der,
dass bei der Auflösung des romäischen Reiches der Angelos
und der Begründung eines lateinischen nicht blos in Nicäa,
Herakleia, Sinope und Trapezunt neue griechische Staaten ent
stehen, sondern auch Sguros Leon einen in Korinth und Nau-
plion gründet, 2 Chamaretos Leon in Sparta, Michael aus dem
Geschlechte der Sebastokrators Joannes in Nikopolis und Du-
razzo (Epidamnos), der lateinische Markgraf Bonifacius in
Thessalonike und Nieder-Thessalien, in Ober-Thessalien aber,
das jetzt Gross-Blachien genannt wird, ein anderer Fürst sich
aufwarf, den Niketas nicht namentlich anführte. Aber auch
der Franke Robert von Clary, der in französischer Sprache
den Kampf der Lateiner mit den Grien, den Griechen, und die
Eroberung von Constantinopel 1204 beschreibt, kennt den Tod
feind der Lateiner und Romäer, Johannes nicht anders denn
als Johans li Blaks 3 und ebenso seinen Neffen und Nachfolger,
nachdem der heil. Demetrius den ersteren im October 1207 bei
nächtlicher Weile erschlagen. Es waren Könige von Wlachien,
rois de Blakie. In gleicher Weise drückt sich Geoffroi de
Villeharduin aus: Johannis li rois de Blakie; nur gebraucht
er auch den Ausdruck le roy de Blakie et de Bougrie. 5 Der
neu französische Ueber setzer aber nahm sich die
unhistorische Freiheit, daraus le Bulgare oder
roy de Bulgarie zu machen, was nachher in unsere
1 Niketas III, 14. 15.
2 p. 841.
3 Hopf, Chroniques greeo-romaines p. 83.
4 1. c. p. 80, aber gleich darauf wieder le rois de Blaquie. Vergl. p. 84.
87. 88. 91. 95. 99. 100.
Abhandlungen aus dem Gebiete der slavischen Geschichte I.
237
Geschichtsbücher überging. 1 Selbst wo Geoffroy ausdrücklich
roi de Blakie hat, setzt der Uebersetzer roi des Bul
gare s. 2 Geoffroy redet nicht wie Niketas von den Skythen,
sondern von Rumänen und Wlachen. 3 Die gefangenen Ein
wohner romäischer Städte werden auf Befehl des Königs
Johannes nach Blaquie in den Kerker geschleppt. 4 Allmälig
(seit 1206) hört man auch von einem Czaren von Wlachen und
Bulgaren, 5 sogleich aber wieder von einem kumanischen.
Auch Heinrich von Valenciennes, der Nachfolger
Geoffroy’s von Villeharduin, spricht regelmässig von Blas et
Comains; 6 er erwähnt, dass Esclas, Vetter des Beherrschers
der Blas und Comains, Burille, für Blaquie la Grant Lehens
mann Kaiser Heini'ichs wurde.
Diese Thatsachen dürften denn doch schon an und für
sich genügen, um zu beweisen, dass das neue bulgarische Reich
der Asaniden vor Allem ein wlachisches, somit romanisches
war und vorherrschend diesen Charakter an sich trug. Doch
scheint noch immer dieser Anschauung entgegenzustehen, dass
dasselbe von Peter und Asan in Trnowo, der altbulgarischen
Hauptstadt, begründet wurde, und zweitens tritt der Aner
kennung der Asaniden als Wlachen selbst scheinbar ihre directe
Behauptung entgegen, sie seien aus dem Stamm der altbulga
rischen Czaren hervorgegangen, somit das Reich und sein
Fürstenhaus acht bulgarisch und nicht wlachisch. Wir werden
diesen Einwurf genau erörtern müssen.
1 Michaud et Poujonlat, nouv. Collection I. So p. 88. 89. Auf dem Wege
nach Salonichi kam der Markgraf Bonifacio in eine ,ville: la Blache 1
(wohl die von Ansbert bezeichnete Gegend Blachia), p. 65.
2 p. 78. 79. Wo Geoffroy Johanni le roi de Blakie et de Bougrie hat, p. 89,
heisst es: roy de Bulgarie. Auch p. 92. Statt Johannis p. 90 setzt er:
le roy de Bulgarie.
3 li Comains, p. 81. li Comains et li Blae et li Grien, p. 82. 90. 91. Uebri-
gens lernen wir auch aus Geoffroy, dass die Poplicane (Manicheans) sich
dem Wlachenkönige ergeben hatten, p. 90.
4 p. 93. 94. Das bezeichnet endlich die französische Uehersetzung als
Valaehie.
5 p. 102.
6 Michaud 1, p. 121. Die französische Uehersetzung hat wieder: les Bulgares
et les Comains.
238
Hofier.
Das erstere wird Niemand läugnen, und wenn die beiden
wlacliiscben Brüder das wichtige Trnowo und das Volk der
Bulgaren zur gemeinsamen Erhebung gegen die Romäer ge
winnen wollten, so mussten sie sich nach der alten Czaren-
stadt wenden und diese zum Ausgangspunkte ihres Aufstandes
machen, das bulgarische Volk in die Revolution verwickeln,
die ja die Vertilgung der Romäer zum Zwecke hatte. Nichts
begriffen die Bulgaren leichter, als dass auf einen romäischen
Bulgarentödter aus Constantinopel ein Romäertödter aus Trnowo
folgen werde.
Was nun den Ursprung der bulgarischen Erhebung be
trifft, so ist sicher, dass dieselbe gar nicht von Bulgaren aus
ging, sondern von den beiden wlachischen Brüdern, welche,
wie man später ersehen wird, sich selbst als Romanen, Römer,
aber nicht Romäer oder Lateiner bezeichneten. Das Begehren,
welches Peter und Asan an Kaiser Isaak Angelos richteten,
und dessen Ungestüm dem Asan auf Befehl des Sebastokrators
Johannes einen Backenstreich in das Gesicht eintrug, der nach
her mit so vielem romäischen Blute vergolten wurde, bezog
sich auch nicht auf Bulgaren, sondern auf den Eintritt von
Wlachen in romäische Kriegsdienste, und erst als das Gesuch
in der kränkendsten Weise zurückgewiesen worden war, ent
schlossen sich die beiden unternehmenden Brüder den Versuch
zu machen, auch die Bulgaren aufzuwiegeln, sich an deren
Spitze zu erschwingen und wie Nemanja unter den Serben die
Losreissung von der romäischen Herrschaft erstrebt, so Gleiches
gegen die schwankende Regierung des Hauses Angelos zu unter
nehmen.
Wären nun Petrus und Johannes Asan, wie neuerdings
behauptet worden, Nachkommen der alten Bulgarenczaren ge
wesen, so hätte sich ihre Erhebung sehr einfach gestaltet. Sie
brauchten nur in Trnowo sich darauf zu berufen und die Bul
garen, welche so oft schon den Versuch angestellt, das Joch der
Romäer abzuschütteln, so bald nur einer der wahren oder falschen
Abkömmlinge der alten Czaren das Banner der Unabhängig
keit aufgepflanzt, schaarten sich mit Enthusiasmus um sie. 1
1 tu; o Oso, tgj ttov BooXyapwv xxi xtov BXayov ysvou^ eXsuÖEptav 7jü§oy.7] | J£.
Niketas p. 485.
Abhandlungen ans dem Gebiete der slavischen Geschichte I.
239
Allein davon geschah nichts. Die beiden Wlachen bedurften erst
der Unterstützung einer Art von Prophetinen und Propheten,
die es als Gottes Wille ausgaben, dass die Wlachen und Bul
garen sich erhöben. Merkwürdiger Weise musste auch der
heil. Demetrios interveniren, der sich in Patras wie in Salonichi
als der grösste Gegner der Slaven erwiesen und unter dessen
Anrufung, wie die Czechen unter Anrufung des heil. Wenzel
gegen die Deutschen, so die Romäer zum Kampfe gegen die
Slaven auszuziehen pflegten. Jetzt hatte aber der Heilige nach
der Verwüstung von Salonichi durch die Normanen sein Heilig
thum in der Griechenstadt verlassen, um das in Trnowo, das
zwar nicht von Bulgaren, aber von dem Wlachen Peter erbaut
worden war, aufzusuchen. Nährte aber Kalopeter den Ge
danken, auch auf die mit der Herrschaft der Angeloi unzu
friedene griechische Bevölkerung einzuwirken, erstere zu
stürzen und Kaiser der Romäer zu werden, so gab es kein
besseres Mittel als den heil. Demetrios in das Spiel zu ziehen,
den Schutzpatron der Griechen, der wie einst St. Veit von den
Sachsen zu den Böhmen, jetzt von Salonichi nach Trnowo
gewandert war. Allein die Sache ging trotzdem nicht so leicht
vor sich. Bulgaren und Wlachen mussten sich noch auf die
Kumanen stützen, unter denen zweifelsohne auf dem linken
Donauufer Wlachen sassen. Die Begründung des Serben
reiches unter dem grossen Nemanja, wie Ansbert sich aus
drückte, bereitete den Romäern, die wiederholt die Bulgaren
geschlagen hatten, neue Verlegenheiten. Die Verbindung der
wlachischen Czaren Bulgariens mit den Kumanen war aber so
innig geworden, dass Kalopeter dem deutschen Kaiser in
seinen Streitigkeiten mit dem byzantinischen ein Plülfsheer
von 40.000 Bulgaren und Kumanen anbot, wolle er ihn als
romäischen Kaiser anerkennen. Friedrich I. hatte die An
erbietungen der Serben von Dioclea verworfen, er ging auf die
des Wlachen- und Bulgarenfürsten auch nicht ein, sondern zog
unaufhaltsam gen Jerusalem. Statt an den Jordan kam er aber
nur an den Saleph, die Leiche wurde im befreiten Antiochia
bestattet. Mit Mühe rettete damals 1190 Kaiser Isaak im
Kampfe bei Berrhoea mit den Bulgaren sein Leben; als diese
Nis und Sophia eroberten, führten sie von da die Reliquien
des ächten Patrons der Bulgaren mit sieh nach Trnowo. Der
240
Höfl er.
heil. Johannes von Ryl verdrängte bei den Bulgaren den
romäisirenden heil. Demetrios. Er konnte übrigens Johann
Asan I. nicht vor Verrath und Ermordung schützen. Der
jüngere Bruder wurde 1196, der ältere Kalopeter im Jahre
1197, beide von Bulgaren ermordet. Der dritte Bruder wurde
von einem Rumänen 1207 erstochen. 1 Nach der Legende fiel
er jedoch unter der Hand des heil. Demetrios von Salonichi,
unbeschützt von Johannes von Ryl, dem Patron der Bulgaren.
Es ist nun von Wichtigkeit zu erfahren, wie die Glieder
des neuen wlachischen Czarenhauses ihre Abkunft selbst be-
zeichneten. Diese Frage scheint durch einen Brief Papst Inno-
cenz III. an seinen Legaten in Antwort auf die Klagen des
Ungarnkönigs vom Jahre 1204 erledigt zu sein, in welchem
es ausdrücklich heisst, dass Peter und Johannicius, welche von
dem Blute der früheren Könige abstammten, nicht sowohl das
Land ihrer Väter zu gewinnen, als wieder zu erlangen streb
ten. 2 Hiemit scheint eine Stelle in dem Briefe des Johannicius
(Kalojohannes), Kaisers (imperator Bulgarorum et Blachorum),
übereinzustimmen, in welchem es heisst: Gott blickte unsere
Demuth an und brachte uns das Blut und das Vaterland in
Erinnerung, von welchem wir abstammen (das heisst aber: vom
Vaterlande). 3 DiesemBriefe, der sich bei näherer Betrachtung sehr
vorsichtig ausdrückt und von dem Papste eine Krone begehrte
(1202), wie sie Petrus und Samuel hatten, die durchaus nicht
als Vorfahren (progenitores) bezeichnet wurden, steht nun ein
Brief Basils des Erzbischofs von Zagora an denselben Papst
zur Seite, in welchem dieser als Grund der Würdigkeit einer
Kaiserkrone des Kalojohannes wie des ganzen Kaiserreichs Hin
neigung zur römischen Kirche bezeichnet, und zweitens dessen
Abstammung von römischem Blute (1202)! 4 In einem früheren
Briefe aber, den Kalojohannes an Papst Innocenz schrieb und
aus welchem dieser eine Stelle citirt, sagte der Beherrscher der
1 Acropolita p. 236.
2 duo fratres — de priorum regum prosapia deaeendentes terram patrum
suorura non tarn occupare quam recuperare eeperunt. Theiner, Yet. mon.
Slav. merid. I, p. 36.
3 reduxit nos ad memoriam sanguinis et patrie nostre a qua descendimus.
Theiner, 1. c. p. 15.
4 tanquam heredes descendentes a sanguine Romano. Theiner, 1. c. p. 27.
Abhandlungen aus dem Gebiete der slavischen Geschichte I.
241
Bulgaren und Wlachen (Bulgarorum et Wlachorum) geradezu,
dass seine Vorfahren aus Rom stammten 1 (1199?),
somit nicht Bulgaren waren.
Wohl ist es die römische Kanzlei, welche die
früheren ächtbulgarischen Czaren als progenitores des Johanni-
cius statt als praedecessores bezeichnet, wodurch dann der
Irrthum entsteht, als hätte der Wlache, der Romäne, der sich
ächtrömischer Abkunft rühmt, nicht sowohl Bulgaren zu Vor
fahren, als zu Ahnen gehabt! Innocenz erwähnt der Bitte des
Kalojohannes um eine römische Krone, wie sie Peter, Samuel
und anderen Vorfahren des Kalojohannes zu Theil geworden,
und ordnet an, dass der nach Bulgarien bestimmte Legat sorg
fältige Nachforschungen über die dessen Vorfahren von der
römischen Kirche gewährte Krone pflege. 3 Johannicius möge
vorderhand dafür Sorge tragen, dass die von dem Legaten ge
brachten Statuten von der ganzen Kirche der Bulgaren und
Wlachen angenommen und beobachtet würden. Einen gleichen
Ausdruck für das Doppelreich gebrauchte Innocenz auch in
der Antwort auf das Schreiben des Erzbischofs von Zagora
(27. Nov. 1202). 4 Kalojohannes aber nannte sich auf diess Im
perator Bulgarorum und versicherte den Papst, dass die
Griechen ihm durch den Patriarchen Anerbietungen gemacht
hätten, ihn zum Kaiser krönen zu wollen, ihm auch einen
Patriarchen zu geben, weil ohne diesen ein Kaiserthum nicht
denkbar sei. 5 Er wolle aber Diener des heil. Petrus und Seiner
Heiligkeit sein. Auf dieses entschloss sich Innocenz, ,den
Herrn der Bulgaren', wie er noch am 10. September 1203 Kalo
johannes nannte, am 25. Februar 1204 als König der Bul
garen und Blaehen anzuerkennen, 0 ihm eine Krone und
ein Scepter zu übersenden, ihn zum Könige krönen zu lassen,
den Erzbischof von Trnowo zum Primas (nicht Patriarchen)
1 quod de nobili Urbis Romae prosapia progenitores tui originem traxerint.
1. c. p. 11.
2 Schreiben vom 27. Nov. 1202: et aliis progenitoribus tuis in libris tuis
legitnr concessisse. 1. c. p. 16 (p. 21).
3 1. c. p. 17.
4 n. XXIX.
5 quia imperium sine Patriarcha non staret. 1. c. p. 21.
6 1. c. n. XLI.
Sitzungüber. 4. pliil.-hist. CI. XCV. Bd. I. Hft.
IG
242 Hofier.
des Königreiches der Bulgaren und W1 a c h e n zu er
heben, diesem das Recht zu ertheilen die Könige der Wlaclien
und Bulgaren zu krönen, das Chrisma in jeder Kirche Bul
gariens und Wlachiens zu weihen, worauf die entscheidende
Erklärung des neuen ,Kaisers' von ganz Bulgarien und Wlachien
erfolgte. 1
In dem Schreiben, durch welches Kalojohannes als Im
perator von ganz Bulgarien und Wlachien sein Reich dem
römischen Stuhle übergab, sprach er wiederholt von den
früheren Kaisern Bulgariens: Simeon, Petrus und Samuel. 2
Es ist nun bezeichnend, dass er selbst da, wo es in seinem
Interesse lag, sie als seine Ahnen zu bezeichnen, nur den
Ausdruck Vorgänger (praedecessores) gebrauchte, während er
sie Kaiser nennt, sich selbst ebenso bezeichnet und daneben
vom Kaiserthume Bulgariens und Wlachiens spricht. Erst als
er direct von Papst Innocenz begehrte, es solle der neue Erz
bischof von Trnowo und Primas von ganz Bulgarien und Wla
chien zum Patriarchen erhoben, ein immerwährendes Patriarchat
in seinem Reiche eingesetzt, er selbst gekrönt werden, 3 spricht
er von den Kaisern Simeon, Petrus und Samuel nicht blos als
seinen Vorgängern, sondern auch als seinen Vorfahren. Inno
cenz hütet sich ihn als Kaiser anzuerkennen, heisst ihn blos
rex, spricht aber auch von ihm als rex Bulgarorum et Vlacho-
rum qui imperat; 4 er erwähnt, dass Bulgaren und Wlachen
von römischem Blute abstammten, 5 was jedenfalls nur von
letzteren gelten konnte. Jetzt erst am 15. Sept. 1204 bezeichnet
der Papst in dem Schreiben an den König von Ungarn die
Brüder Peter und Johannicius als Abkömmlinge vom alten
(bulgarischen) Königsstamme, 6 was als historische Thatsache
nicht mehr Werth besitzt als die vorausgehende Erwähnung,
dass Bulgaren und Wlachen von römischer Abkunft seien.
1 me dominum et imperatorem totius Bulgariae et Vlacbiae. 1. c. n. XLIII.
2 u. XLIII.
3 n. XLVI, praedecessorum meorum Imperatorum Bulgarorum et Blaeliorum
— Symeonis Petri et Samuelis progenitoruin meorum. 1. c. p. 29.
4 Areliiepiscopis Belesbudensi et Prostlavensi, n. XLVII.
5 Bulgarorum et Blaeliorum populis — descenderunt etiam ex sanguine
Romanorum, n. XLVIII.
6 1. c. p. 36.
-
Abhandl ungon aus dem Gebiete der slavischen Gescliiehte I.
243
Kalojohannes hatte aber erreicht was er wollte. Er wollte
Kaiser werden wie die früheren Czaren, konnte es nur wer
den, wenn er sich auf diese stützte, und so wurden aus den
Vorgängern Ahnen; der Papst stimmte in Letzterem bei, um
dem Könige von Ungarn zu beweisen, dass die neue Erhebung
keine eigentliche Neuerung sei, nicht auf Kosten oder zum
Schaden von Ungarn geschehe, sondern die Brüder siegreich
nur das Ihrige zurückverlangten. Nur in dem Einen entsprach
der Papst nicht den Wünschen des Kalojohannes. Er nannte
ihn nie direct imperator, den Primas nie Patriarchen, und als
jetzt Balduin Graf von Flandern (lateinischer) Kaiser von
Constantinopel wurde, so genügte selbst die Krönung, die
Uebersendung von Scepter, Krone und Banner (vexillum)
nicht; unmittelbar mit dem Siege der Lateiner tritt bei dem
neuen Könige eine Verdriesslichkeit hervor, die sich schon in
dem Schreiben über die vollzogene Krönung kundgibt. Kalo
johannes nennt sich hiebei König von ganz Bulgarien und
Wlachien 1 und seine Herrschaft regnum, was übrigens ßaatAsu?
und ßaaiXsia, den griechischen Ausdruck für Kaiserthum, nicht
ausschliesst. Hingegen spricht der Erzbischof Primas von er
folgter Kaiserkrönung am 8. November 1204 bulgarischen Styls. 2
Die Theilung des Kaiserthums Romänien ist erfolgt, Balduin
von Flandern Kaiser des nur mehr aus einem Viertheile be
stehenden Reiches und der Kampf zwischen ihm und dem
bulgarisch-wlachischen Kaiser-König bricht los. Bald hat der
Reichsverweser (moderator) Graf Heinrich, Balduins Bruder,
von dem üblen Ausgange der Schlacht von Adrianopel am
15. April 1205, von der Gefangenschaft Balduins in dem
Kerker des Johannicius, des Herrn der Wlachen 3 zu melden,
der jenen mit einer unzähligen Menge von Wlachen und Ru
mänen angegriffen. Heinrich übersandte dem Papste die Be
weise, dass der Wlache sich auch mit den Türken verbunden,
nicht blos mit den Rumänen, die ja mit den Wlachen fast zu
einem Volke sich vereinen. Innocenz III. sah sich genöthigt,
an einem Frieden zwischen Bulgaren-Wlachen und Lateinern
1 n. LXI.
2 n. LXII.
3 a Joliannicio Blachornm domino, n. LXIII.
244
Hofier.
zu arbeiten; es gelang' ihm nicht einmal die Befreiung Bal
duins zu erwirken, dessen Haft wohl etwas erträglicher wurde
— er war anfänglich bis zum Halse mit Ketten beladen —
der aber zuletzt mit abgehauenen Armen und Beinen in einen
Abgrund geworfen wurde, in welchem er kläglich unterging.
Stadt für Stadt auf lateinisch-griechischem Boden wurde jetzt
ausgeplündert, ausgemordet; das neue Reich war wenigstens
insoferne ein bulgarisches, dass es wie dieses in den Tagen
Krum’s das herrlichste Land zur Wüste machte, nur wilde
Thiere, aber kein Romäer oder Lateiner sollte es bewohnen.
Der heil. Demetrios selbst musste endlich kommen und den
Romäoktonos bei nächtlicher Weile ermorden. Johannicius
hatte sich mit dem Anführer der Bulgaren entzweit und dieser
zog vor, anstatt ermordet zu werden, den Kaiser-König selbst
zu ermorden (1207).
Daraus dürfte denn doch eine Reihe von Thatsachen als
sicher hervorgehen.
1. Bulgarisches Reich im wahren Sinne des Wortes war
nur das ältere, welches durch die blutige Regierung des Basi-
lios Bulgaroktonos und die romäische Herrschaft von der
Asanidenherrschaft getrennt ist.
2. Die Gründer des erneuten Bulgarenreiches waren
Wlachen und nicht Bulgaren, von romänischer Abkunft und
das neue Reich vom Jahre 1186 ein wlachisch-bulgarischcs.
3. Die Erhebung des Jahres 1186 gmg von Wlachen
aus, stützte sich vorzüglich auf die Kumanen, riss die Bul
garen mit sich fort, und so unterscheidet sich dieses bulgarisch-
wlacliische Reich wesentlich von dem ersten; es ist ein vor
zugsweise wlachisches Reich, das sich bulgarisch nennt, weil
es den wlachischen Brüdern gelang, sich auch zu Herrschern
von Bulgarien zu erschwingen.
4. Erst nachdem dieses geschehen war, erfolgte auch die
Bemühung, das neue wlachische Herrschergeschlecht mit dem
alten bulgarischen in geschichtliche und verwandtschaftliche
Beziehungen zu bringen, was rein willkürlich und irrthüm-
lich war.
5. Das ganze Verhältniss der Wlachen zu den Bulgaren
und Kumanen hat man sich somit anders als bisher zu denken.
Welche Folgerungen aber hieraus für die Geschichte der
Abhandlungen aus dem Gebiete der slavischen Geschichte I.
245
Rumänen zu ziehen sind, ist nicht mehr Gegenstand dieser
Erörterungen.
6. Ist es denn doch wohl unstatthaft, von dem Reiche
der Asaniden als einem bulgarischen zu sprechen. Man be
ginge sonst denselben Fehler, in welchen, wie ich nach
gewiesen, der französische Uebersetzer Villeharduin’s verfiel,
als er willkürlich Blaquie in Bulgarie verwandelte und gerade
den charakteristischen Unterschied des Asanidenreiches von
dem früheren bulgarischen verwischte. Geht dadurch auch ein
Stück rein slavischer Geschichte verloren, so hat damit die ge
schichtliche Wahrheit nur gewonnen. Das Reich war wlachisch-
hulgarisch-cumanisch, die Dynastie aber wdachisch.
XVIII. SITZUNG VOM 16. JULI 1879.
Für die akademische Bibliothek wurden mit Zuschrift
eingesendet:
von Sr. Excellenz dem Herrn Ackerbauminister Graf von
Mannsfeld die von dem k. k. Ackerbau-Ministerium heraus
gegebenen ,Pläne landwirthschaftlicher Bauten des Kleingrund
besitzes in Oesterreich';
von der Centraldirection des kais. deutschen archäolo
gischen Institutes in Berlin die von de Rossi herausgegebenen
mittelalterlichen Stadtpläne von Rom;
von dem historischen Vereine zu Freiburg i. B. die bis
jetzt erschienenen Bände seiner Zeitschrift;
von dem Herrn Präsidenten in Catanzaro, Herrn Giuseppe
Collueci sein Werk: ,1 cosi della guerra per 1’indipendenza
d’America' 3 vol.
Von dem mit Unterstützung der kais. Akademie er
schienenen Werke: ,Die Gredner Mundart' von Gärtner
werden die Pflichtexemplare vorgelegt.
Von dem w. M. Herrn Dr. Pfizmaier wird eine für die
Sitzungsberichte bestimmte Abhandlung: ,Begebenheiten neuerer
Zeit in Japan' vorgelegt.
247
Herr Graf Julian Pejacsevich legt mit dem Ersuchen
um ihre Veröffentlichung in den akademischen Schriften eine
Abhandlung vor, welche betitelt ist: ,Peter Freiherr von Par-
chevich, Erzbischof von Martianopel, apostolischer Vicar und
Administrator der Moldau, bulgarischer Internuntius am kaiser
lichen Hofe und kaiserlicher Gesandter bei dem Kosakenhet-
mann Bogdan Chmelnicky (1612—1674)'.
Von Herrn Professor Dr. Johann Gebauer in Prag wird
eine Abhandlung über ,Nominale Formen des altböhmischen
Comparativs' mit dem Ersuchen um ihre Veröffentlichung in
den Sitzungsberichten eingesendet.
Herr Professor Dr. Richard von Muth hält einen Vortrag
über ,Heinrich von Veldeke und die Genesis der romantischen
und heroischen Epik um 1190' und ersucht um die Veröffent
lichung des Manuscriptes in den Sitzungsberichten.
An Druckschriften wurden vorgelegt:
Aceademia di Scienze, Lettere ed Arti in Modena. Tomo XVIII. Modena,
1878; gr. 44
— reale delle Scienze di Torino: Atti. Vol. XIV. Disp. 4" (Marzo 1879). 8°.
Ackerbau-Ministerium, k. k., in Wien: Pläne landwirtliscliaftlicher
Bauten des Kleingrundbesitzes in Oesterreich und Text explicatif. Wien,
1873; Folio.
Akademija, Jugoslavenska znanosti i umietnosti: Bad. Knjiga XLVII. U Za-
grebu, 1879; 8°. — Jugoslavenski Imenik Bilja. Sastavio Dr. Bogoslav
Sulek. U Zagrebu, 1879; 8°.
Bern, Hochschule: Akademische Schriften pro 1878. 65 Stück 4° und 8°.
Budapest, ltönigl. Universität: Akademische Schriften pro 1876—1878.
9 Stück 8° und 4°.
Central-Commission, k. k. statistische: Statistisches Jahrbuch für das
Jahr 1876. 2. Heft. Wien,' 1879; 8». Für das Jahr 1877. 8. Heft. 1879; 84
Colucci, Giuseppe: I casi della guerra per 1’ indipendenza d’ America. Vol. I.
Parte 1 e 2 e Vol. II. Genova, 1879; 84 Vol. II. Genova, 1879; 84
Ecoles franfaises d’Athenes et de Rome: Bibliotheque. Fasciciiles 3 e —7 e ,
Paris, 1879; 84
248
Gesellschaft, königl. böhmische, der Wissenschaften in Prag: Sitzungs
berichte. Jahrgang 1878; 8°. Jahresbericht vom 9. Mai 1877 und
10. Mai 1878. Prag, 1877/78; 8°. — Abhandlungen. V. Folge 15. Band.
Prag, 1866-1875; 4«. — VI. Folge 9. Band. Prag, 1878; 4».
— für Geschichtskunde zu Freiburg i. Br.: Zeitschrift. I. Band (1867—1869).
Freiburg i. Br., 1869; 8°. II. Band (1870 — 1872). Freiburg i. Br., 1872;
8«. III. Band. 1.—3. Heft. Freiburg i. Br., 1873/74; 8». IV. Band.
1.—3. Heft. Freiburg i. Br. 1875, 1877/78; 8°.
Institut, kais. archäologisches deutsches, in Berlin: Piante icnografiche e
prospettiche di Roma anteriori al secolo XVI raceolte e diehiarate da
Giov. Battista de Rossi. Roma, 1879; Folio.
Numismatische Blätter: Organ für Numismatik und Alterthumskunde.
I. Jahrgang. Nr. 1, 2, 3, 4 und 6. Wien, 1879; 4°.
,Revue politique et litteraire' et ,Revue seientifique de la France et de
l’Etranger 1 . IX C Annee, 2 e Serie. Nr. 2. Paris, 1879; 4°.
Society, the royal geographical: Proceedings and monthly record of Geo-
graphy. Vol. I. Nr. 7. July 1879. London; 8°.
Verein für hessische Geschichte und Landeskunde: Mittheilungen. Jahr
gang 1877. III. Vierteljahresheft. Cassel, 1878; 12. Jahrgang 1878.
I. und III. Vierteljahresheft. Cassel, 1878; 12. 1879. I. Vierteljahresheft.
Cassel; 12. — Zeitschrift. Neue Folge. VIII. Band. Heft 1 und 2. Cassel,
1879; 8°. — Bericht über die heidnischen Alterthiimer der ehemals kurhessi
schen Provinzen Fulda, Oberhessen, Niederhessen, Herrschaft Schmalkalden
und Grafschaft Schauenburg, von Dr. Eduard Pinder. Cassel, 1878; 4°.
Pfizmliier. Begebenheiten neuerer Zeit in Japan.
249
Begebenheiten neuerer Zeit in Japan.
Von
Dr. A. Pfizmaier,
wirkt. Mitgliede der kais. Akademie der Wissenschaften.
Uie hier gebrachten Erzählungen neuerer Begebenheiten
in Japan wurden den ersten drei Bänden eines im zweiten
Jahre des Zeitraumes Kuan-yen (1749 n. Chr.) in zwölf Bänden
erschienenen Werkes: ^ j]|] ^ sin-tsio-mon siü Samm
lung des neu zu Ohren Gekommenen' entnommen. Die in den
zwölf Bänden in sehr bedeutender Anzahl verzeichneten Be
gebenheiten fallen grösstentheils in das siebzehnte, einige auch
in das sechzehnte Jahrhundert unserer Zeitrechnung.
Das genannte Werk, welches seitdem nicht wieder auf
gelegt worden zu sein scheint, ist nichts weniger als leicht,
da nebst den Eigentümlichkeiten des Styles, wobei der Zu
sammenhang zumeist errathen werden muss, viele Zeichen der
Thsaoschrift von den jetzt in Japan gebräuchlichen verschieden
und nur teilweise mit der Aussprache versehen sind, welche
letztere gerade dort, wo deren Setzung am notwendigsten
gewesen wäre, fehlt.
Uebrigens stammt in diesem Werke die Aussprache der
chinesischen Zeichen, wo sie überhaupt angegeben wird, offen
bar nicht von dem Verfasser, sondern von den Herausgebern,
wesshalb sie mit der Schreibweise des Textes, namentlich was
die Verwechslung von wo und o, je und e betrifft, häufig im
Widerspruche stehen. Diese anscheinend dialectischen Ab
weichungen, deren Ursprung auf frühere Zeiten zurückzuführen
ist, wurden in der Wiedergabe des Textes nicht besonders
berücksichtigt.
250
Pfizma ier.
Dieses und mehrere andere Werke, deren Auffindung
der Güte zweier in Je-do lebenden hochgestellten Japanern
zu verdanken ist, wurden dem Verfasser dieser Abhandlung
durch Herrn W. Visse ring in Gravenhage, Verfasser des
von ungewöhnlicher Kenntniss des Chinesischen zeugenden
Werkes: ,On Chinese Currency 1 , zugesendet, nachdem eine
holländische Buchhandlung auf eine in Jokohama gemachte
Anfrage die Antwort erhalten hatte, dass diese Bücher nicht
zu haben seien.
& e (Tsiu-tsin) (tekkua) pjl (sih-tsiü)-
ico jakazn.
Dem redlichen Diener verbrennt ein glühendes
Eisen nicht die Handfläche.
BJJ (Mei-tsi) Q [pj] (fi-uga)-no tJ* kcmi (dono)-no
kubi sarasare-si-wo nani-mono-jaran nusumi-si sono Sjl g|| (sen
gt) fana-fadasi-kari-si toki yX (je-na) yj|| (i-man)-to
iü »A (ro-nin) tasika-ni mi-jari-si koto ari-te fi-uga-no kamt
tono-no ^ JiJf (ro-sin) ^ (sai-to) ^ kura-
suke-ga für S (sio-i) nari-to uttaje-si-ka-ba.
Das zur Schau ausgestellte Haupt Mei-tsi’s, des Herrn
Statthalters von Fi-uga, stahl irgend ein Mensch. Als die Unter
suchung desswegen äusserst streng betrieben wurde, machte ein
beschäftigungsloser Krieger Namens Je-na I-man die Anzeige,
dass, wie man es ganz gewiss gesehen, ein alter Diener des
Herrn Statthalters von Fi-uga, ein gewisser Sai-to, Gehilfe der
Kammer, dieses gethan habe.
■Jaga-te kura-snke-wo mesi-idascire tadzune-tamb-ni kura-suke
-Hl (i-gij-wo tadasi motte-no foka-no ke-siki-wo nasi. Sari-
to-mo Ä # tsiku-zen-no kcimi tono-ni-wa ni-awaza.ru ose nari.
3Ü" (Bo-kun) fon-i-wo tassezu-site kaku nciri-fate-si sono
sirusi nare-ba ikii-tosi-wo-mo sarasi-woki (sio-si)-no te-
moto-to-mo ncisu-beki-ni soregasi nummi-kakusi-te nani-no
(jeki)-ga aran-to i-i-si-ka-ba.
Der Gehilfe der Kammer wurde sogleich vorgeladen, und
man befragte ihn. Der Gehilfe der Kammer machte sich auf
eine würdevolle Weise zurecht und nahm eine ungewöhnliche
Begebenheiten neuerer Zeit in Japan.
251
Miene an. Er sprach: Bei alledem hat der Herr Statthalter
von Tsiku-zen unpassende Worte. Dass der todte Gebieter
seinen Willen nicht kundgegeben und so geendet hat, ist be
wiesen. Während er so viele Jahre zur Schau ausgestellt
blieb und es sämmtlichen Kriegsmännern vor der Hand liegen
konnte, welchen Nutzen sollte ich haben, ihn zu stehlen und zu
verbergen ?
Tsiku-zen-no liami tono-ni-mo si-goku-no koto-ni mesi-idciscire
lcono uje-ica tote kura-suke-to i-man-to-ni jjj|| (ten-zin)-no
maje-nite ßfe (tekkua)-wo nigirase-si-ni i-man-wa tatsi-
matsi jake-tatare-si-ni kura-suke-ica nani-no kaicari-si koto-mo
na-kari-kere-ia tsui-ni J|| (nan)-wo nogare-si-to nari.
Von dem Herrn Statthalter von Tsiku-zen in der äusser-
sten Sache vorgeladen, liess man überdiess den Gehilfen
der Kammer und I-man vor den Göttern des Himmels ein
glühendes Eisen erfassen. I-man verbrannte sich auf der Stelle
und wurde von den Göttern gestraft. Bei dem Gehilfen der
Kammer fiel gar keine Veränderung vor, und er entkam so
gleich dem Unglück.
Kio-dai itmwari-te yfy ^c|] ßj- (ki-ri-si-tan)-ni kudaru.
Zwei Brüder reisen zum Scheine zu den Christen.
P (Je-do)-nite am rio-nin Mb-dai-site oja-wo # ff
(ko-kö)-se-si-ni moto-jori su-beki icaza na-kere-ba tada tp|
(kon-kiü)-no koto nomi-wo nageki-kurase-si aru toki ani-ga iivaku
midzukara-wo ki-ri-si-tan nari-to ^ (so-nin)-site go-fb-
bi-wo n « (fai-reo)-si oja-wo ijjfe (an-raku)-ni arase-jo-to.
Zwei in Je-do lebende beschäftigungslose Krieger, welche
Brüder waren, behandelten ihren Vater mit Kindlichkeit. Da
sie ursprünglich kein Geschäft hatten, das sie betreiben konnten,
verbrachten sie die Tage bloss in Beseufzung ihres Elends.
Zu einer Zeit sagte der ältere Bruder: Zeige mich an, dass
ich ein Christ bin, nimm die Belohnung in Empfang und be
wirke, dass der Vater Gemächlichkeit und Freude hat.
besi.
besi.
Sikiri-ni i-i-si-ka-ba wototo makoto-ni kono |j|| (gi) sikaru-
Sikasi-nagara ani-wo uttajen-lcoto-wa ten-no osore-mo aru-
Tada negawaku-wa soregasi-wo uttaje-tamaje-jo-to ßta-sura-
.
1
I
252 Pfizmaicr.
ij
ni nageJci-si-ka-ba oja-no tame-ni säten inotsi wosimu-beki köio-
ka-wa to-mo kaku-mo jo tote.
Er sagte dieses fortwährend. Der jüngere Bruder er-
wiederte: Diese Sache ist in der That angemessen. Jedoch
wenn man den älteren Bruder anzeigen wollte, müsste man
Furcht vor dem Himmel haben. Um was ich bitte, ist, dass
. du mich anzeigest.
Dabei klagte er ungemein. Jener sagte: Sollte um des
Vaters willen das Opfer des Lebens zu bedauern sein? Wie
immer es auch sei, es ist das Beste.
Oja-ni-wa fukaku kakusi ki-ri-si-tan l (bu-gib) nari-
si # ± (wi-no vje) tsiku-go-no kami tono-je uttaje-si-ni sono
mi-mo ki-ri-si-tan nari-si-ka-do m a (so-nin)-no koto nare-
ba siro-kane fiaku-mai fo-bi-taniawari kano mono-iva sunaicatsi
JjL ^ (kin-goku)-serare-si.
Es vor dem Vater streng geheim haltend, machte er bei
dem Herrn Wi-no uje, Statthalter von Tsiku-go, welcher Ober
aufseher der Christen gewesen, die Anzeige. Derselbe war
zwar selbst ein Christ gewesen, doch da es eine Anzeige war,
gab er eine Belohnung von hundert Silberstücken und schloss
dann jenen Menschen in das Gefängniss.
Sikaru-ni ki-ri-si-tan kasira-jori kono tabi-no mono-iva lcono
fo-no (siv-to)-nite-wa fanberazu-to uttaje-si-ka-ba kore-
wa ibukasi-ki koto tote ‘f&fc (so-fb)-wo mesi sen-gi ari-si-ni
sare-bci ware-ra-ga (siü-monj-ni-wa sadamari-taru tonaje-
koto-no sbrb-wo kono mono-iva katsu-te sirazu. Mata ika-naru
te-suzi-jom nareru-'zö-to kiki-si-ni tasika-naru-ni seö-ko-mo arazu-
to kuwasi-ku i-i-si-ba.
Indessen wurde von Seite des Hauptes der Christen aus
führlich gesagt: Man zeigte an, dass der Mensch, um den es
sich diessmal handelt, kein Anhänger der Secte dieser Gegend
sei. Dieses für sonderbar haltend, liess ich beide Tbeile holen.
Es fand eine Untersuchung statt, doch die von unserer Secte
bestimmten Gebete kannte dieser Mensch durchaus nicht. Ich
hörte auch, dass er von irgend einer Abzweigung sei, doch
ich habe keinen Beweis, dass es gewiss ist.
Kono koto sa-mo aru-beki tote kano mono-ivo seme-tamai-si-
ni kono uje-wa tsutsumu-beki-ni arazu-to sika-silca-no g|£ Hj*
-L
Begebenheiten neuerer Zeit in Japan.
253
(bö-kei)-wo motte go- (kö-gi)-wo kamme-tate-matsuru toga
nogare-gatasi. Ogi-negawaku-wa M JL (sin-kio)-wo on-tasuke
ari-te soregasi-ga fitori-wa nani-bun-ni jjjjj (kei-bas) si-
tamaware-to j kasira-wo tataki JÖL (tsi)-ni na-i-te nageki-si-ka-ba
jaga-te jSj (kb-bun)-ni (tas) si (kd-do)-no
mare-naru mono nari-tote matsi-tosi-joru-no ;jf| (zon)-ja (fudzi)
£ PI (e-mon)-ni adzake ari-te sono notsi inotsi-wo tasnke-
sase tamo.
In der Meinung, dass diese Sache so sein könne, ver
hörte er jenen Menschen. Derselbe konnte darüber nichts
verbergen. Er sagte: Der Schuld, durch solche Anschläge das
Oeffentliche beraubt zu haben, kann ich unmöglich entkommen.
Um was ich flehentlich bitte, ist, dass man meinen älteren
Bruder rette. Ueber mich allein möge man, auf welche Weise
es sei, Strafe verhängen. — Indem er hiermit das Haupt
an den Boden schlug und bei dem Blute weinte, klagte er.
Man brachte es sogleich nach oben zu Ohren und sagte,
es sei ein seltener Mensch des Weges der Kindlichkeit. Man
übertrug es Fudzi-e-mon, dem Vorangehenden der bejahrten
Männer der Strasse, und bewirkte hierauf, dass man ihm das
Leben schenkte.
Tsiku-go-no kami tono-jori & ¥ (kin-su) -J-* pp} ziii-
rib matsi-bu-gib kaka- fr (t sume) fr (bu-jei)-no |§ (fu)
tono-jori kane itsi-mai kago-bu-gib |Jj (isi-de) tate-waki-jori
kane ppj (san-rib) fudzi-ta-ro-jori kane san-rib & %
ko-rioku ari-si-to nari. Kono Jcoto ifi: (jo)-ni kakure-na-kari-si-
ka-ba Jcano kib-dai-wo « m (fo-sina) fi-go-no kami tono-je mesi-
idasare-si-to nari.
Von dem Herrn Statthalter von Tsiku-go wurden zehn
Tael in Goldstücken, von dem Strassenoberaufseher Herrn Kaka-
tsurne, Stützenden der kriegerischen Leibwache, ein Stück Gold,
von dem Sänftenoberaufseher Isi-de Tate-waki drei Tael Goldes,
von Fudzi-ta-ro drei Tael Goldes zum Geschenke gemacht.
Da diese Sache in der Welt nicht unverborgen blieb,
berief man jene zwei Brüder zu dem Herrn Fo-sina, Statt
halter von Fi-go.
254
Pfizmaier.
* a pi(Pin-ka mon-guai).
Man lässt die Sänfte vor dem Thore.
pf (Je-ro) (uje-no) suke tono kago-ni nori-
nagara (uje-sugi') iE (tan-sib) tono ja-siki-no nra-
P^l (mon)-jori kaki-irerare-si-wo [JJ (saka-ta) ^ p^
go-e-mon-to iü mono momo-datsi takaku tori-te fasiri-ide kago-
ico osaje köre uje-no tono ika-ni tan-sib-no (zippu)-ni
site owasi-mase-ba tote uje-sugi-no ije-wa koto-kata-to-wa Jcaivareri.
Kakaru furumai-wa kono ije-no kizu-ni nari-sbrb mama sumijaka-
ni kaki-modosi katsi-nite irase-tamaje-to manako-wo iraragete i-i-
si-ka-ba ge-ni-mo ajamari-tari tote katsi-nite iri-tamai-si-to nari.
Herr Uje-no Suke von Je-ro, in einer Sänfte sitzend,
liess sich durch das innere Thor des Hauses des Herrn Uje-
sugi Tan-siö hereintragen. Ein Mann Namens Saka-ta Go-e-mon,
die Beinkleider hoch umschlagend, lief hinaus, hielt die Sänfte
nieder und sprach: Herr Uje-no! Möget ihr irgendwie der
wirkliche Vater Tan-sio’s sein, das Haus Uje-sugi’s wird mit
einer verschiedenen Seite vertauscht. Ein solches Benehmen
wird ein Flecken dieses Hauses. Lasset euch eilig zurück
tragen und tretet zu Fusse ein! — Sein Blick zeigte dabei
Aufregung.
Jener sprach: Ich habe mich in der That geirrt. —
Hiermit trat er zu Fusse ein.
3E A (Siü-zin)-wo ^ (tsui-bo)-site ^ (mi-
jake)-sima-ni itaru.
Den Gebieter noch liebend, gelangt man zu der
Insel Mi-jake.
Je-do ^ 4^ (gin-za) 2Ji gjjt (fira-no) Ja. (lä)-si-rb-
wa ke-rai-no aku-zi-ni jotte i-dzu (mi-jake)-sima-ni
0E ‘Jffi (fai-ru)-serare-si-ni mesi-tsukai-no ^ (V a ~
san-fin)-to iü mono rj; A (siü-zin)-no wakare-wo kanasi-mi
ika-ni-mo site ima itsi-do ai-ma-irasen-to kosi-kata kokoro-wo
kudaki.
Fira-no Ki-si-ro aus dem Silbermünzhause zu Je-do wurde,
der Uebeltlmten seiner Hausgenossen wegen, nach der zu I-dzu
O 0 7
Begebenheiten neuerer Zeit in Japan.
255
gehörenden Insel Mi-jalte verbannt. Der ihm dienende Ija-
san-fin war wegen der Trennung von dem Gebieter betrübt.
Er quälte sich seitdem mit dem Gedanken, wie er auf irgend
eine Weise jetzt einmal mit ihm Zusammentreffen könne.
(An)-wo megurasi fune-wo kogi-narai kai-zoku-gata
^ & M ( k o-gasa-wa.ra) ^ fiko-dai-fu tono-no kumi-no
ka-lco-ni idete mi-jake-no tajori-no fune-wo matsi-te 'jfif
(to-kai)-si 4p (nen-rai) ^ (jd-i)-se-si loolmri-mono
amata irase 4p (su-nen)-no Jjp{ (i-guan)-no toge-fanberi-
si sono notsi ten-wa san-nen ki-si-ro sia-men : xco komuri |j|jS [j||
(ki-koku)-se-si tolti ija-san-fin mi-no ari-kiri-no ||p (sai-fd)-
wo motte siü-zin-wo tasuke ito-nengoro-ni fd-kd-se-si-to nari.
Fort und fort sinnend, lernte er rudern und trat in der
Gegend der Seeräuber, in Ko-gasa-wara, unter die Schiffsleute
des Herrn Fiko-dai-fu. Er wartete auf das Schiff, welches
Nachricht von Mi-jake brachte, und übersetzte das Meer. Die
vielen durch Jahre bereit gehaltenen Geschenke hereinnehmend,
erreichte er seinen mehrjährigen Wunsch. Als später, im dritten
Jahre des Zeitraumes Ten-wa (1683 n. Chr.), Ki-si-rö Ver
zeihung erhielt und in das Reich zurückkehrte, half Ija-san-lin
durch die in seinem Besitze befindlichen Güter und Kostbar
keiten dem Gebieter und diente ihm sehr eifrig.
w Ä (Fiaku-sed) ^ (zin-suke) # t» (kö-tei)-ni
site ije tomu.
Das Haus Zin-suke’s, eines Menschen des Volkes,
wird durch Kindlichkeit und Bruderliebe reich.
Bittsiu-no kuni jlj (asa-gutsi) kowori (s iba-
ki) mura-no fiaku-seo -p (ko) mi-tari-ni B üb (den-dzi)-wo
mi-tsu-ni icakete judzuri-si-ni ani futari-wa m # (kb-saku)
okotari-gatsi-ni site 4p (nen-nen) pp (mi-sin)-se-si-
ka-do wototo-no * Kt (zin-8uke)-wa kata-no gotoku ‘|'jy (sei)-
idase-si juje * m (mi-sin) nado-mo naku-te faiva-mo kore-ga
kata-nite kokoro-joku jasinai jome-ga pp (kb-kv) matatagui-
na-lcari-si.
.
256
Pfizmaier.
Ein Mann des Volkes in dem zu dem Kreise Asa-gutsi,
Reich Bittsiü, gehörenden Dorfe Siba-ki vererbte seinen drei
Söhnen die Grundstücke, die er in drei Theile theilte. Die
zwei älteren Brüder, da sie hauptsächlich den Ackerbau ver
nachlässigten, waren Jahr für Jahr mit den Abgaben im Rück
stände. Jedoch der jüngere Bruder Zin-suke, weil er nach der
Vorschrift sich Mühe gab, war in keinem Rückstände. Auch
seine Mutter ernährte er seinerseits mit Freuden, und die
Schwiegertochter hatte in kindlichem Wandel nicht ihres
Gleichen.
Aru tolii futari-no ani-ga iwaku oja-ncigara # Ö'e-
ko) an nandzi-ni-wa jold den-dzi-wo judzuri icare-ware-ni-ioa asi-
ld tokoro-wo ataje-si juje itsu-mo mi-sin-to nareri nandzi-no
PJf "fl{ (sio-reo)-to kaje-toran-to are-ba makoto-ni ivose-no gotoku-
nite tsune-dzwie seo-si-ni omoi-si mama naru-fodo sa-jo-ni mesaru-
besi-to ije-ba ija tatoi nandzi-ga jV ■||| (i-gi) aru-to-mo torade-
wa woku-beki-ka tote.
Einmal sagten die zwei älteren Brüder: Ist es auch der
Vater, so war er doch parteilich. Er vererbte dir die guten
Grundstücke. Weil er uns die schlechten Orte gab, kam es
dahin, dass wir immer mit den Abgaben im Rückstände
blieben. Wenn wir deinen Antheil von Land in Tausch nähmen,
wäre es wirklich seinem Worte gemäss und auf das beständige
Leid Bedacht genommen. Also, es soll so geschehen.
Sie setzten hinzu: Ei, gesetzt du mögest anderer Mei
nung sein, sollen wir, ohne es zu nehmen, es dabei bewenden
lassen?
Wosi-te tori-kajesi-ka-domo sukosi-mo uramuru kokoro-naku
kano asi-ki ta-wo tsukuri-te nawo mi-sin-suru koto-mo nakari-si
ani-wa tsugi-no tosi-ni mi-sin masari-te Jjjj“ (seo)-ja-jori t.odome-
ni ai-si-wo zin-suke nageki-te wabi-goto-si woi-mono nado jbjaku-
ni tsugunoi-jari-si-wo m (seö)-ja-mo % & (fv-bin)-no koto-
ni omoi ani-domo-wo jurusi-keri.
Obgleich sie es mit Gewalt im Tausche Wegnahmen,
hatte er nicht den geringsten Groll im Herzen. Er bebaute
jene schlechten Felder und blieb nicht mehr mit den Abgaben
im Rückstände. Die älteren Brüder blieben im nächsten Jahre
mit den Abgaben noch mehr im Rückstände und geriethen
Begebenheiten neuerer Zeit in Japan.
257
von Seite des Aeltesten des Dorfes in den Verhaft. Zin-suke
klagte darüber und flehte. Er bezahlte und schickte nach und
nach, was sie schuldeten. Der Aelteste des Dorfes empfand
Mitleid und liess die älteren Brüder frei.
Aru tosi-no aki jpl M (rin-u)-site yifc ^ (ho-zui) ari
den-dzi o-oku nagarete mura-mura o-oki-ni nagelcu tokoro-ni zin-
suhe-ga ft (sio-bun)-w.a sukosi-mo. itamu koto-mo nalcu, fo-
nami itsu-mo-jori-mojoku tatsi-si-ka-ha ft t (dai-kuan)
(naka-mura) 2p (taira) ^ pp (san-fin) (ken-bun)
ari-te köre tada-koto-ni nrazu lote H U (koku-si)-je uttaje-
tamai-si-ni me-tsuke gin-mi-no uje-nite makoto-ni imizi-ki koto
nari isogi zin-suke-wo jobi-jose-jo-to ari-si-ni.
In dem Herbste eines Jahres war langwieriger Regen
und entstand grosses Wasser. Viele Grundstücke wurden fort
geschwemmt, und in den Dörfern beklagte man sich sehr.
Indessen hatte der Antheil Zin-suke’s nicht im Geringsten zu
leiden und die Saaten standen trefflicher als gewöhnlich.
Die stellvertretende Obrigkeit Taira-san-fin von Naka-
mura besichtigte es, und in der Meinung, dass dieses keine
gewöhnliche Sache sei, zeigte er es dem Reichsvorsteher an.
Nach der Untersuchung der Aufpasser war es wirklich eine
äusserst merkwürdige Sache. Es hiess: Man rufe eilig Zin-
suke her.
Sono $ (jo) zin-suke-ga jume-ni ^ (siilkke) si-go-
nin tsuki-wo ivogami-irare-si sono usiro-ni fakama-ki-taru fito
amata owasi-te Jjlp jj|5 (kib-wo)-no ijjji (tei)-ni mije-si john-
teb fawa-ni-mo tsikaki mono-ni-mo kakaru jume mi-fanberi-si-to
katari-ajerii, tokoro-je woka-jama kowori-no bu-gio-jori isogi kitare-
to ari-si-ka-ba jaga-te ide-juld-si-ni fawa-mo ibukasi-ku omoi ato-
jori ani-wo mi-mai-ni tsukawasi-keru.
In dieser Nacht träumte Zin-suke, dass vier oder fünf
Bonzen den Mond verehrten. Hinter ihnen befanden sich viele
mit Beinkleidern bekleidete Menschen, und es hatte den An
schein, als ob es eine Bewirthung gäbe. Am nächsten Morgen
erzählte er der Mutter und den ihm nahestehenden Menschen,
dass er einen solchen Traum gehabt habe. Er hatte dieses
kaum gethan, als ihm von Seite des Oberaufsehers des Kreises
Woka-jama aufgetragen wurde, er solle eilig kommen. Er
Sitzungsber. d. phil.-hist. CI. XCV. Bd. I. Hft. 17
258
Pfizmaier.
ging sogleich fort. Die Mutter, darüber verwundert, schickte
ihm zur Erkundigung die älteren Brüder nach.
Sono fi-wa ||| ffj (koku-si) ;jfj| j||§ (sib-zin)-bi-nite
Btt, (koku-si'o-zi)-no / f||' (so) si-go-nin kitareru-ni
medzuraka-ni (ko-sin)-no mono ari mi-tamaje tote tono-
ni-mo fakama-wo tsiaku-si-tamai m % (ka-rb)-no men-men-
mo n ^ (retsu-za)-si suje-no ma-je zin-suke-wo jobase-tamo.
# $ (sen-ja)-no jume-ni sukosi-mo tagawazu.
An diesem Tage war der Reinheitstag des Reichsvor
stehers und vier bis fünf Bonzen des Klosters Koku-siö waren
gekommen. Er sagte: Es gibt einen Menschen von einem
wunderbar kindlichen Herzen. Sehet ihn! — Er zog in dem
Palaste die Beinkleider an, die Alten des Hauses sassen alle
in Reihen. Er liess Zin-suke in das letzte Zimmer rufen. Es
war von dem Traume der vorigen Nacht nicht im Geringsten
verschieden.
Säte nandzi ijasi-ki mi-to site (nen-rai) fawa ani-
ni (ko-tei)-wo tsukuse-si koto makoto-ni ^ (ten)-no
m m (mio-zio)-ni ai-kanajeri. Fd-bi-to site nagaka ta-fata-wo
tamawari-si (mon)-ni iwaku.
— Dass du, niedrig wie du bist, Jahre hindurch der
Mutter und den älteren Brüdern gegenüber Kindlichkeit und
Bruderliebe erschöpft hast, hierin konntest du in Wirklichkeit
der dunklen Hilfe des Himmels zu Theil werden.
In der Schrift, in welcher er ihm zum Lohne für immer
die Felder verlieh, hiess es:
Fittsiü asa-gutsi kowori wowo-sima siba-ki-mura m fr
(kakaje-bun) tci-gata R (san-dan) fata-gata — R (san-
* (ko-tei)-
dcin) ff (tsu-kb) (roku-dan)
no ff (kb)-wo aru-no J|| (ka.n)-zuru-ni jot.te ft (jei-
tai) kore-ioo cito. Moto-jori n «6 (feki-tsi)-no tami J |^
(ko-tei)-no wosije-aru koto-wo sirazu-to ije-domo makoto-ni ^ ®
(ten-zitsu)-no fT
iQ1/ (rei-mib) naru kana. (Gun-tsiü)
(bi)-iuo (seo)-snru-ni itaru köre mata
wnna sono =
(ten)-no frei) nciri. Karu-ga juje-ni ^
motte kore-wo (sib)-snru mono nari.
(ten-roku)-wo
Begebenheiten neuerer Zeit in Japan.
259
* « « (Saka-masa fan).
& Ü (Seo-wo) san-nen ziü-itsi-guatsu ziü-san-nitsi.
Siba-ki-mura zin-suke.
In dem Dorfe Wowo-sima Siba-ki, Kreis Asa-gutsi in
Fittsiü, umscblossene niedere Felder drei Stück, Bergfelder
drei Stück, zusammen sechs Stück, in Betracht, dass man von
dem Wandel der Kindlichkeit und Bruderliebe eingenommen
ist, für ewige Zeiten verschenkt man sie. Obgleich ursprüng
lich das Volk der abgelegenen Erde die Lehre der Kindlich
keit nicht kennt, ist es wirklich das geistige Wunderbare der
Wesenheit des Himmels! In dem Kreise sind Alle dahin
gelangt, die Trefflichkeit zu preisen. Dieses ist ebenfalls die
Geistigkeit des Himmels. Desswegen belohnt man ihn mit
dem Segen des Himmels.
Das Siegel Mitsu-masa’s.
Dreizehnter Tag des eilften Monats des dritten Jahres
des Zeitraumes Se6-wo (1654 n. Chr.).
An Zi-suke aus dem Dorfe Siba-ki.
Kaku-no gotoki JÄ i: (kub-dai)-no go- H M (v:on-
sio)-wo n (fai)-se-si-ka-do tada dai-zi nasi-to bakari i-i-te sa-
nomi tsune-no ke-siki-ni kawaru koto nasi. Wori-kami-wo kitanaki
fukuro-ni ire-si-wo kowori-bu-gio mi-tamai-te fako-wo sasase torasen
tote fito-fi tome-wokare-si.
Obgleich er eine so grosse Gnade und Belohnung empfangen,
sagte er bloss, es sei von keiner Bedeutung und zeigte in
seiner Miene keine Veränderung. Er legte das gefaltete Papier
in einen schmutzigen Sack. Der Oberaufseher des Kreises
sah dieses und sagte, er werde ein Kästchen machen lassen
und es ihm geben. Eines Tages blieb es darin niedergelegt.
Mata joko-me jama-da-no fara (?•£>)-ta-ro-ni icowose-
tsuke fawa-ga jö-su-wo mise-tamo-ni tosi-iva (fatsi-ziün)-
to ije-domo fana-fada wakaku mije-si ^5 (ko-si)-wo mote-
ba nani-goto-mo kokoro-ni Jcakaru koto na-kere-ba ika-navu
(dai-mib) (ko-ke)-wo-mo urajamasi.-ku-wa omoi-fanberazu-
to fawa-ga i-i-si-mo makoto-ni saru koto-nite fanberi-si.
Derselbe gab ferner dem Späher Kö-ta-ro von Jama-
da-no fara einen Auftrag und sah den Zustand der Mutter.
Obgleich sie achtzig Jahre zählte, schien sie überaus jung zu
17*
mo
P f iz maier.
sein. Sie sagte: Da ich einen kindlichen Sohn habe und
nichts ist, das mir Sorge macht, so denke ich selbst an irgend
welche Fürsten und hohe Häuser nicht mit Neid. — Dieses
ist wirklich der Fall gewesen.
ff # (Zon-bo)-ni-wa (^') ko-wo tsukusi (bo-
fu)-ni-ioa fodokosi-wo okonb.
Gegen die lebende Mutter erschöpft man die
Kindlichkeit, dem verstorbenen Vater erweist
man Wohlthaten.
Bittsiü loa-ke kowori sofu-ko mura-ni _e. + m (*
ziü-rb)-to iü mono ari fttori-no fawa-ni (ko-db) tagui
nasi. Kare-ga ane ni-nin ari kore-wa ije nado-mo tomi jutaka
nari sare-domo faiva sore-ga kata-je-wa jukazu madzusi-ki ki-
ziü-rb-ni jasinaware-si.
In dem Dorfe Sofu-ko, Kreis Wa-ke in Bittsiu, lebte ein
Mensch Namens Ki-ziü-rö. Dessen Weg der Kindlichkeit
gegen eine Mutter war ohne Gleichen. Er hatte zwei ältere
Schwestern, deren Häuser reich und voll Ueberfluss waren.
Indessen ging die Mutter nicht zu ihnen und wurde von dem
armen Ki-ziü-rö ernährt.
Sikaru-ni jome-ga kokoro-zasi utoki tote ¥ (ko) mi-tari
ari-si-wo iü m (ri-bes) su. Mura-no mono-domo rvabi-koto-se-
si-ka-do ija-to-jo fawa-ni % # (fu-ko)-no mono ilca-de woku-
beki-ka koto-ni kare mi-me-mo fito-nami-ni-iva sugi-tari. Ima
ivakaki aida-ni idzutsi-je-mo jvki-taru koso sono mi-no tame-mo
katsura-me tote dö-sin-sezari-si.
Da jedoch die Vorsätze der Schwiegertochter entfremdet
waren, Hess er sich von ihr, welche drei Söhne hatte, scheiden.
Die Leute des Dorfes legten zwar Fürbitte ein, doch er sagte:
Nicht doch! Eine gegen die Mutter unkindliche Frau, wie
soll ich sie hinstellen können? Sie ist besonders durch ihr
Angesicht vor den gewöhnlichen Menschen ausgezeichnet. Jetzt,
während sie jung ist, ist sie irgendwohin gegangen, ihretwegen
auch als Brautführerin. ■— Er war mit ihnen nicht einver
standen.
Begebenheiten neuerer Zeit in Japan.
261
Ki-ziü-rb mai-nitsi siba-ioo Itari (siro)-ni nasi-te fawa-
100 jasiriö. Tsitsi-ga ffc 0 (mei-nitsi)-ni-ioa siba-wo tera-ni
motsi-juki leado-ni sute-woi-te kajeri-si-wo £ ft (dziü-dzi)
mite mata ki-ziü-ro-ga m ä (sio-i) naru-besi tote jjj® (rei)-
wo ije-ba ware-wa sirazu-to iü. Onazi-mura-no mono nado kono
aida-wa taki-gi-ni koto-kaku-to ije-ba sono mama siba-wo motsi-
juki sute-woku m (rei)-no koto-to omoi jjj® (rei)-wo ije-ba jume-
jume sirazu tote kawo-wo akame-si.
Ki-ziü-rö schnitt jeden Tag Reisholz, machte es zu Geld
und ernährte die Mutter. An dem Todestage seines Vaters,
trug er Reisholz zu dem Tempel, legte es an dem Thore nieder
und kehrte heim. Der Vorsteher des Tempels sah dieses und
sagte: Dieses wird ebenfalls das Werk Ki-ziu-rö’s sein, doch
was die Beziehung zu den Gebräuchen betrifft, so weiss ich
es nicht.
Die Leute seines Dorfes meinten, man habe während
dieser Zeit Mangel an Brennholz, und er trage unterdessen
Reisholz herbei und lege es nieder, es sei eine gewöhnliche
Sache. Was die Beziehung zu den Gebräuchen betrifft, so
wussten sie dieses nicht im Geringsten und stieg ihnen darob
die Röthe in das Angesicht.
Mata ini-si-je-wa den-dzi-mo firoku motsi-si-ka-do uri-fanatsi-
kere-ba bu-gib-mo fu-bin-ni omoi kajeru jb-ni site torasen-to are-
ba uri-si toki-wa uresi-gari-si-wo ima fito-no te-ni iri-si-wo kajesi-
mbsu koto omoi-mo jorazu tote kajette wabi-goto-wo se-si kakaru
IE Ä (sib-zild) # M, fko-dbj-naru koto |||j ff] (koku-
si) ± vk & (mitsu-masa-kö)-ni-mo kikosi-mesi-te A A
(fatsi-boku)-wo tamawafi-si nawo kasanete den-dzi-wo tamawaran-
to-no koto-to-ka-ja.
Auch besass er ehemals Grundstücke in grosser Aus
dehnung, doch er verkaufte sie. Der Oberaufseher empfand
Mitleid und wollte sie, als ob sie zurückfielen, ihm geben.
Doch Jener hatte zur Zeit des Verkaufes Freude,, und er
dachte nicht daran, dass man dasjenige, was in die Hände
der Menschen gekommen, zurückstelle. Er verlegte sich im
Gegentheil auf Bitten. Die Sache eines so richtigen und
geraden Weges der Kindlichkeit kam dem Reichsvorsteher,
■
262
P f i z m a i e r.
Fürsten Mitsu-Masa, zu Ohren und er verlieh ihm Reis. Er
wird ihm vielleicht noch wiederholt die Grundstücke ver
leihen.
#| (Sei-siü) kame-jama-nite ^ ^ (fu-kei)-no kataki-
wo ntsu.
Auf dem Schildkrötenberge in Sei-siü tödtet
man den Feind des Vaters und des älteren Bruders.
Aworjama ina-ba-no kamt tono wowo-zaka go- * ft (z io-
dai)-si-tamo toki ^ pjj (ka-tsiu)-ni ^ ^ (isi-i) ¥ r«;
(-e-mon)-to iü mono-wa tosi-goro i-so-zi bakari-nite mono-
koto ai-Jcokoro-je fito-nctmi imizi-ki furumai nare-ba
(fö-bai) naka made-mo ujdmai-keri.
Zur Zeit, als Awo-jama, der Herr Statthalter von Ina-ba,
Stellvertreter in der Feste von Wowo-zaka war, verstand in
dessen Hause ein Mensch Namens Isi-I U-e-mon in einem
Alter von fünfzig Jahren alle Sachen. Da er ein Mann von
ausgezeichnetem Benehmen war, wurde er selbst von seinen
Genossen geehrt.
Sikaru-ni jJEj |gjj| (sai-koku)-gata-ni aka-fori gen- (go)-
e-mon-to ijeru ft A (ro-nin) tosi ni-ziu-sai amari-ni site fi-
goro ari-tsuki-ico kasege-domo -womo sina-mo na-kari-si. Sono siru
fito-no nanigasi-ni mono-si nani-to-zo sono fo 4j| (sin-rui)-
no u-e-mon tono-ivo tajori-to site awo-jama tono-no go- ^ pp|
(ka-tsiü)-ka mata-wa Jg|| (td-goku-fen)-no ni-awasi-ki
koto-mo kana-to sikiri-ni tanomi-kere-ba iza-jo tote m i
(seo-soku) ai-soje u-e-mon kata-je kosi-keri.
Indessen bemühte sich ein über zwanzig Jahre alter
beschäftigungsloser Krieger Namens Gen-go-e-mon aus dem zu
der Gegend der westlichen Kreise gehörenden Aka-fori lange
Zeit hindurch um eine Anstellung im Dienste, doch es waren
keine Umstände, wie 'er sie sich dachte. Er wandte sich an
einen seiner Bekannten und sagte: 0 wenn ich doch irgend
wie mit, Hilfe eures Verwandten, des Herrn U-e-mon einen
Dienst in dem Hause des Herrn Awo-jama oder etwas Passendes
an den Gränzen der östlichen Reiche erhalten könnte! — Da
er fortwährend bat, sagte Jener: Wohlan! — Er gab ihm ein
Schreiben mit und schickte ihn zu U-e-mon.
Begebenheiten neuerer Zeit in Japan.
263
U-e-mon koto-no josi-wo kiki-todoke saburai-wa tagai-no koto
nare-ba to-kaku j^j (in-jen) b# n (zi-setsu) aran-ni
madzu segare [J (san-si-naivo)-gata-ni (kiü-
soku)-si tare-tare-to-mo ^ (kaku-i) arase-na tote mi-utsi
do-zen ^ m (kai-fb)-serare-keri.
U-e-mon, als ihm der Grund der Sache zu Ohren kam,
sagte: Da es bei dem Kriegsmann eine gegenseitige Sache ist,
so wird jedenfalls die Zeit der geheimen Beziehung sein. Zuerst
ruhe ich bei meinem Sohne San-si-nawo aus, es soll, wer es
auch sei, keinen Zwiespalt geben. — Er wurde von seinen An
gehörigen so wie früher gepflegt.
Gen-go-e-mon i-nazimi 5^ pj? (ka-tsiü)-no wakaki pjj
(siü-dziü)-to ule-ai jari-no aü) (si)-to nasi koko-kasilco mote-
fajasare-si-ni aru toki u-e-mon ßsoka-ni gen-go-e-mon-wo maneki
nanigasi-mo wakaki toki-jori ißjb (bu-gei)-ni to-ja kaku-to
kokoro-too tsukusi W. (mio)-ga-ni ai-kanai tono-ni-mo jari-no
go- (si-nan)-wo mbsi (ka-tsiü)-no tare-kare-
mo (de-si)-nite ari-si-ga sono fo-no jari lcono goro mono-
kage-jori ultagai-mi-si-ni ilca-ni-mo * m (mi-ziüku)-ni-zo mije-
si-ga mosi-wa V] 5# Ecb -sia)-naru mono mi-togamen-mo kokoro-
u-kere-ba jame-tamaje-to ari-si-ka-ba.
Gen-go-e-mon, an seinen Wohnort gewöhnt, ging mit den
in dem Hause befindlichen jungen Herren gemeinschaftlich
hinaus, machte den Meister der Lanze und wurde hier und dort
berühmt.
Einmal winkte U-e-mon heimlich Gen-go-e-mon zu sich
und sagte: Ich erschöpfte seit meiner Jugend auf jede Weise
meine Gedanken bei den schönen Künsten des Krieges, im
Stande, der dunklen Hilfe theilhaftig zu werden, unterrichtete
ich auch den Herrn in dem Gebrauche der Lanze, und Manche
in dem Hause waren meine Schüler. Ich habe eure Lanze um
diese Zeit aus einem Verstecke beobachtet. Wie immer auch
sie dem Unerfahrenen erscheinen mag, der erfahrene Mensch
wird sie vielleicht vorwurfsvoll ansehen, und da er im Herzen
betrübt ist, so lasset davon ab.
Kotoba-ni-wa jpC (sib-in)-site sara-ni jamazari-si-wo
mata-no toki samvrai —■ ^ (itsi-dzu)-no kasegi-ioa sawari
264
P f i z m a i e r.
nasi ä m (bu-gei)-no koto-wa uje-naki mono nare-ba kajette
fito-no jg J|£ (fb-fen) -mo nado-to koto-no wake-ivo tatete j?
(i-ken)-se-si-ni sikara - ba (ki-den)-no go-si-nan-ni ai-
taki tote (kei-ko)-jari-wo tori-idasi pjj' (sio-mö)-
site-gere-ba ija Stt (mu-jd)-no koto nari tare-no makete-mo
sinci asi-si-to (zi)-si-si-ka-do tsurete-no koi-nite awase-se-si-
ni ja-a-to iü ko-e-no sita-ni mune sitataka tsukare-kere-ba ima
fito-awase-to ari-si-ivo —• [j]J (fito-muki)-ni osi-tome-si-ni ke-
siki kawatte nozomi-si-ico inami-gataku-te mata awasi-ni sono
mama naga-je-ioo fumi-otosarete keri.
Diesen Worten zwar beistimmend, Hess er durchaus
nicht ab.
Ein anderes Mal sagte er: Bei dem einzigen Streben
des Kriegsmannes ist kein Hinderniss. Da die schönen Künste
des Krieges eine Sache sind, über welche nichts geht, so ist
im Gegentheil auch Lobpreisung und Herabsetzung der Men
schen. — Hiermit die Bedeutung der Sache hinstellend, war
er verschiedener Ansicht.
Jener sagte: Also will ich mich eurem Unterrichte an-
schliessen. — Er nahm eine Uebungslanze hervor und ging
auf sein Ziel los.
— Nein, es ist eine unbrauchbare Sache. Mag Jemand
auch besiegt werden, die Art ist schlecht.
Er weigerte sich, doch auf wiederholtes Bitten traf er
mit ihm zusammen. Indem er einen Ruf des Erstaunens aus-
stiess, wurde er stark in die Brust gestossen.
Jener sagte: Jetzt ein Zusammentreffen. — Der Andere
hörte mit einem Male auf. Seine Miene veränderte sich, es
war unmöglich, das Gewünschte auszuschlagen und auch bei
dem Zusammentreffen war der lange Schaft niedergetreten
worden.
Gen-go-e-mon ika-bakari kutsi-osi-ki koto-ni omoi kono
^j||t (i-siu) farasan-to fima-wo ukagai-ari-si-ni jagate-no
& (jo) inu-no koku-bakari-ni u-e-mon siro-jori kajeri-si ivori-
si-mo faru-same-si ama-gu totonoje nani kokoro-naku kajeri-si-
tokoro-wo gen go-e-mon-wa ko-jabu-no kage-jori tonde ide jari-no
i-siii obojeta-ka tote ko-jari-nite dd-fara-wo tsuki-towose-ba u-e-mon
katana nuki-si-ka-do M (boku-ri) knzikete utsi-tawore-si-ni
Begebenheiten neuerer Zeit in Japan.
265
•||| (boku)-wa osorosi-ki koto-ni omoi sono mama .=0 (taku)-je
kake-modosi ka-jb-ka-jb-no koto-to tsuge-kere-ba san-si-nawo-wo
fazime ke-rai nolcorazu kake-tsuke jo-jaku-ni tasukete kajeri-si-
ka-do wowo-kizu nare-ba je-mo tamarazu.
Gen-go-e-mon, an eine so bedauerliche Sache denkend,
lauerte auf eine Gelegenheit, seinen Hass zu befriedigen. In
einer sogleich darauffolgenden Nacht, um die Stunde Inu,
kehrte U-e-mon aus der Feste zurück. Um diese Zeit hei ein
Frühlingsregen. Während er, mit den Geräthen gegen den
Regen sich versehend, unbesorgt heimkehrte, flog Gen-go-e-
mon aus dem Verstecke eines kleinen Dickichts hervor und
durchstiess ihm mit dem Rufe: Hast du die Feindschaft
der Lanze gemerkt? mit einer kleinen Lanze die Seite des
Rumpfes. U-e-mon zog zwar das Schwert, doch in seinen Holz
schuhen strauchelnd, stürzte er zu Boden.
Der Knecht, bei dem Gedanken an die schreckliche
Begebenheit, lief unterdessen in das Wohnhaus zurück und
meldete alles, wie es geschehen. Von San-si-nawo angefangen
liefen die Hausgenossen insgesammt herbei, halfen allmälig
und kehrten nach Hause. Doch da es eine grosse Wunde
war, konnte er es nicht überstehen.
* J§ (Zi-nan) |j|| (naka-kura)-wa go-sai ^
(san-nan) yjijji m (moto-kura)-wa ni-sai tomo-ni f't (fo-
tsi) nare-ba fawa zui-bun-ni ^|ji (jo-iku)-se-jo ani san-si-
nawo-wa ziü-fatsi-sai-no koto nare-ba ude-ni (mi)-mo iri-si
mama tsitsi-ga kataki-wo utte M fr (bio-zen)-ni sonaje-jo-to
ijeru-wo jj|r (sai-go)-no koto-to site sono notsi tsu-i-ni munasi-
ku nari-nu.
— Der nächste Sohn Naka-kura ist fünf Jahre alt. Der
dritte Sohn Moto-kura ist zwei Jahre alt. Da Beide unmündig
sind, möge sie die Mutter sorgfältig aufziehen. Da der ältere
Bruder San-si-nawo achtzehn Jahre alt ist, möge er, indess in
seinen Arm Tüchtigkeit kommt, den Feind des Vaters tödten
und vor dem Ahnentempel das Opfer reichen.
Dies waren seine letzten Worte. Später war er alsbald
verschieden.
San-si-nawo-wa ~j^ ^3 (u-san-teb) tono-je =5" (gon-
zib) - si *1f * (men-kio-sib)-wo itadalci t.osi-bai-no waka-tb
266
Pfiz m aier.
itsi-nin mesi-tsure idzuku-to-mo nakn idete ni-ziu-ni-sai-nö faru
made to-sei nan-boku-no kuni-guni jama-wo koje umi-wo watari-te
tadzune-si-ka-do kataki sara-ni sirezari-si.
San-si-nawo brachte die Meldung dem Herrn U-san-to,
nahm, einen Erlaubnissschein auf dem Haupte tragend, einen
Begleiter von gleichem Alter mit sich, zog, ohne ein be
stimmtes Ziel zu haben, aus und überschritt bis zu dem Früh-
linge des zwei und zwanzigsten Jahres die Berge der östlichen,
westlichen, südlichen und nördlichen Reiche, übersetzte das
Meer und suchte. Allein von dem Feinde hatte er durchaus
keine Kunde.
Amari-no koto-ni omoi gen-go-e-mon |ij|| ^ (kei-fu) aka-
fori (jü-sai)-to in ||? ff (i-sia) ^ (woico-tsu)-
ni ari-kere-ba kono mono-ivo utte 4 L (ko - satsu) - wo täte
toga-naki jü-sai-wo utsi-si mono-wa isi-i san-si-nawo nari woja-
no katalä-wo toran-to omowa-ba mi-no-no kuni nani-mura-no nani-
R (zi)-ga ije-je kitare aka-fori gen-go-e-mon-je ma-iru-to Icaki-tari.
Er machte sich im Uebermasse Gedanken. Da der Stief
vater Gen-go-e-mon’s, ein Arzt Namens Aka-fori Jü-sai, sich in
Wowo-tsu befand, tödtete er diesen Menschen und stellte eine
hohe Schrifttafel hin, auf welche geschrieben war: Derjenige,
der den schuldlosen Jü-sai getödtet hat, ist Isi-i San-si-nawo.
Wenn du den Feind des Vaters zu fangen begehrst, so komm in
das Reich Mi-no, in das und das Dorf, in das Haus des und
des Geschlechtes. Ich gehe zu Gen-go-e-mon in die Gesellschaft.
Säte natsu-ni-mo nari-si-ka-ba san-si-nawo mi-no-no nani-
zi-ga firo-niwa-nite ff ^JC (gib-zui)-si-kere-ba liwr (si-
go-teo)-mo tsndzuki-si takaki jabu-no utsi-jori gen-go-e-mon kake-
idete woja-no kataki wobojeta-ka tote kata-saki-jori kiri-keri.
San-si-nawo fi-goro matsi-uke-si ltoto nare-ba kokoro-je-tari tote
kosi-moto-ni motase-si waki-zasi-nite nuki-utsi-ni-si-kere-ba gen-
go-e-mon-ga senaka-to oboje-si tokoro-wo farai-kiri-ni-site-geri.
San-si-nawo wowo-kizu nare-ba tamarade g|) ^ (soku-za)-ni
5F (si)-si-keri.
Da es auch im Sommer war, badete sich San-si-nawo in
dem weiten Vorhofe des und des Geschlechtes von Mi-no.
Aus einem in einer Ausdehnung von vier bis fünf Strassen-
längen sich fortsetzenden hohen Dickichte stürzte Gen-go-e-mon
Begebenheiten neuerer Zeit in Japan.
267
hervor und hieb mit den Worten: Hast du dir den Feind des
Vaters gemerkt? von der Vorderseite auf ihn ein. San-si-nawo,
da er durch lange Zeit auf ihn gewartet hatte, zog mit den
Worten: Ich habe es verstanden! das an der Hüfte getragene
kurze Schwert und hieb damit ein. Er führte im Schwünge
einen Hieb gegen die Stelle, wo er bemerkte, dass es der Rücken
Gen-go-e-mon’s sei. San-si-nawo, da er eine grosse Wunde hatte,
überstand es nicht und war auf der Stelle todt.
Tsuki-soi-si walca-tb nan-bb kutsi-osi-ki koto-ni omoje-domo
gen-go-e-mon juki-kata-wo mi-usinai-si koto nare-ba ze-ß-naku
^ g (fon-goku)-je tatsi-kajeri (zi-nan) — (san-
nan)-ni koto-no dan-dan-wo i-i-fukume-si.
Der hinzugegebene Begleiter hielt es zwar für eine be-
dauernswerthe Sache, doch da er die Gegend, wohin Gen-
go-e-mon ging, aus dem Gesichte verloren hatte, kehrte er,
ohne anders zu können, in sein Reich zurück und erzählte dem
nächsten Sohne und dem dritten Sohne die Umstände der Sache.
Rib-nin-mo jb-jaku JjÄ. A (sei-zin) site ^ [pj (sio-koku)-
ivo kake-mawari-keru-ga moto-kura ni-ziü-san-sai-no toki sukosi
koto-no fasi-wo kiki-si jvje mn (sei-siü) kcime-jama-no siro-ni
ita-kurci mw (su-fb)-no kami tono ka-tsiu ni-fiaku-go-ziü-^j
(seid) ton-si fata-dai-sib sita-mura ^ (mago)-e-mon-je 2p
(mori-fei)-to na-wo aratame zo-ri-tori-ni suje mi-wo tsukusi fone-
ivo kudaki-te tsukaje-si jvje siü-zin-mo « * (ta-zi)-naku fu-
bin-gari-si onazi ka-tsiü-no tare-tare-ni-mo mi-sirarezi. Naka-ni-
mo aka-fori (midzu)-e-mon tote fiaku-go-ziü-(£j (seki) tori-si
mono-no kata-ni mori-fei-ga ke-rai-no mono-iuo ivaka-tb fo-ko-ni
sumase-si aida fito-siwo nengoro-mo ide-iri-se-si.
Die beiden Menschen 'waren, indem sie allmälig auf
wuchsen, in allen Reichen umhergesprengt. Zur Zeit als Moto-
kura drei und zwanzig Jahre alt war, hörte er ein wenig von
einem Theile der Sache. Die Ursache war: Der in dem Hause
Ita-kura’s, des Vorgesetzten der Feste des Schildkrötenberges
in Sei-siü, des Herrn Statthalters von Su-fö, befindliche groses
Heerführer der Fahnen, welcher zweihundert fünfzig Scheffel
einnahm, gab Sita-mura Mago-e-mon den neuen Namen Mori-fei
und setzte ihn zum Strohschuhehalter ein. Weil dieser sein
Aeusserstes that und seinen Dienst mit Mühe verrichtete,
268
Pfizmaier.
batte auch der Gebieter, ohne eine andere Sache, Mitleid mit
ihm und war keinem der in dem Hause befindlichen Menschen
von Angesicht bekannt. Unter diesen befand sich auch ein
Mann Namens Aka-fori Midzu-e-mon. Während man ihn von
Seite eines Menschen, welcher einhundert fünfzig Scheffel ein
nahm, zum Hausgenossen Mori-fei’s mit dem Dienste eines Be
gleiters machte, trat er immer freundlicher aus und ein.
Gen-roku ziü-san-nen-no natsu-no Tcoto-nite ari-si-ga mago-
e-mon-jori midzu-e-mon kata-je ^ (jo)-no koto ari-te mori-fei-wo
tsukaicase-si midzu-e-mon (gib - zui) - site - geri. Fi - goro
(zen-min)-wo kuwaje-si mori-fei nare-ba jobi-jose senaka-
100 nagasase-si-ni senaka-jori kosi-ni itari motte-no foka-no kizu-
ato ari.
Es war im Sommer des dreizehnten Jahres des Zeit
raumes Gen-roku (1700 n. Chr.), als von Seite Mago-e-mon’s
für Midzu-e-mon etwas zu thun war und man Mori-fei ab
sandte. Midzu-e-mon badete sich eben. Da es Mori-fei war,
der seit Tagen ihm Mitleid zugewandt hatte, rief er ihn herbei
und liess den Rücken auf dem Wasser schwimmen. Von dem
Rücken bis zu den Hüften zeigte sich ein ungewöhnliches
Wundmal.
Mori-fei-ga iwaku kore-wa ika-jb-no kizu-nite owase-si-to
cire-ba sare-ba sono fo-wa ff ^|J (kaku-betsu)-no mono nari
kataran. Soregasi ivakaki toki ka-jo-ka-jb-no koto-nite isi-i u-e-
mon-to iü mono-ivo utsi-si sono segare san-si-nawo-to iü mono
soregasi-wo fiki-idasan tame-ni soregasi-ga icoja jü-sai-wo utte-
kere-ba mi-no-no kuni nanigasi-no wowo-jabu-no utsi-ni si-go-ziu
nitsi ukagai-kakure san-si-naioo ff yfc (gio-zui)-se-si tokoro-wo
tobi-kakari tasika-ni wowo- fÖEJ (ge-sa)-ni utsi-si-ga sasu-ga-
no mono nare-ba kosi-moto-ni waki-zasi-wo motasete soregasi
niguru tokoro-wo farai-si sono kizu nari.
Mori-fei sprach: Was für eine Wunde ist dieses gewesen?
— Dieses ist eine eigenthümliehe Sache, ich werde es
erzählen. In meiner Jugend hatte ich in einer solchen und
solchen Sache einen Mann Namens Isi-i U-e-mon getödtet.
Dessen Sohn, ein Mensch Namens San-si-nawo, tödtete, um
mich hervörzulocken, meinen Vater Jü-sai. In dem grossen
Dickichte des und des Geschlechtes in dem Reiche Mi-no
Begebenheiten neuerer Zeit in Japan.
269
spähte ich verborgen durch vierzehn bis fünfzehn Tage. Als
San-si-nawo sich badete, flog ich herbei und stach ihn zuver
lässig in die grosse Schärpe. Da es_ ein solcher Mensch war,
trug er an den Lenden ein kurzes Schwert und schwang es
gegen mich, als ich entfloh. Daher ist diese Wunde.
ßore-ga wototo rio-nin ari-si-ga si-go-sai-no midzu-ko-no
Icoto nare-ba iki-taru-mo sini-taru-mo sirazu. Tatoi iki-te iru-
to-mo mi-sirazare-ba ima-sara utan-to ori-ni koto-wa kanawazi.
Sikare-domo nanigasi-mo kataki aru mi nare-ba ika-bakari mi-
ivo dai-zi-ni omo. Mata tono-ni-mo kono koto-wo siri-tamb jnje
zui-bun kakoi-tamaioaru. Kono koto kamajete fito-ni kataru-na-to
nengoro-ni (sei)-si-rare-si.
Er hatte zwei jüngere Brüder. Da dieselben kleine Kinder
von vier bis fünf Jahren waren, so weiss ich nicht, ob sie leben
oder gestorben sind. Gesetzt auch, sie sind am Leben, so
ist, da sie mich nicht kennen, zu der Zeit, wo sie mich jetzt
endlich tödten wollen, die Sache nicht passend. Da aber auch
ich einen Feind habe, wie sehr halte ich meinen Leib für
eine wichtige Sache! Ferner bin ich von dem Herrn, weil er
diese Sache weiss, ziemlich umhegt. Verschliesse diese Sache
und erzähle sie nicht den Menschen. — Hiermit wurde freund
lich ein Verbot gemacht.
Mori-fei kokoro-no atsi-ni-im kore-zo kami-fotoke-no fiki-
awase-to omoje-domo tsuju-mo ka-nari-ni-wa idasazu mi-goto-ni
ai-sassi-te sari-nu. Koko-ni oi-te mori-fei i-sai-ni fumi sitatame
je-do-ni ari-si ani naka-kura tono-je i-i-tsukawasi nani-to-zo site
kono fd (zib-tsiü)-je kitari-tamaje-to i-i-kosi-lcere-ba naka-
kura-mo koko-kasiko kiki-tate m w (su-wb) tono fu-tsi-nin
tsutsumi-utsi natsume (fatsi) ff (san-fin) kata-je ^
(kitsi-suke)-to na-wo aratame ari-tsaki kame-jama-je tomo-site
kitari-si.
Mori-fei dachte sich im Herzen: Dieses ist die Zusammen
fügung des göttlichen Buddha. Doch er sprach es nicht im
Geringsten aus, dass es sein könne. Er grösste artig und
ging fort.
Demgemäss schrieb Mori-fei ausführlich einen Brief und
schickte dem in Je-do sich aufhaltenden älteren Bruder, dem
Herrn Naka-kura das Wort: Wie es auch sei, kommet in die
Feste. — Nachdem er dieses Wort hinübergeschickt hatte, zog
auch Naka-kura hier und dort Erkundigungen ein. Einem
unterstützten Menschen des Palastes von Su-wo, dem Trommler
Natsume Fatsi-san-fin veränderte er den Namen zu Kitsi-suke.
Derselbe trat in seine Dienste und war, ihn begleitend, zu
dem Schildkrötenberge gekommen.
Joku-nen san-guatsu-no de-kawari-ni tatte itoma-wo tori
mori-fei kutsi-iri-nite sitsi-ziü seki tori-si SIS (kin-ziü-
jaku) suzu-ki ^ (siba)-e-mon kata-je fb-ko-si kore-jori jj/J
(setsu-setsu) mori-fei-to midzu-e-mon-kata-no ivaka-tb-to
(san-gin) ide-ai nani-to-zo tono-no je-do Jpi i^jfj (san-kin)-no
maje-ni fon-i-wo togu-beki tote fXj =$$ (nai-dan) ktwame-keri.
Bei dem Dienstaustritte des dritten Monates des nächsten
Jahres erhob er sich, nahm Abschied und diente auf Em
pfehlung Moi’i-fei’s dem den Dienst eines Nahen und Ver
trauten versehenden Suzu-ki Siba-e-mon, welcher siebzig Scheffel
einnahm. Seitdem traf er fleissig mit Mori-fei und dem Be
gleiter Midzu-e-mon’s in dreifacher Untersuchung zusammen.
Er sagte: O wenn ich doch vor dem Herrn, dem in Je-do
zum Besuche erschienenen Fürsten, meine Absicht erreichen
könnte! — Sie trieben die heimlichen Gespräche auf das
Aeusserste.
Midzu-e-mon-gci waka-tb mbsi-se-si-wa soregasi looja-wa
£j§ (tsiaka-si) san-si-naico tono-ni tsuki-soi-si-ka-do fon-i-wo
togezu-site nmnasi-ku kuni-moto-nite mi-makari-si toki sono fb-wa
ftf 'Ha (fu-dai)-no mono nare-ba nani-to-zo site zi-nan san-nan-wo
wo-mi-tate-mosi looja ani-no kataki-ioo utase-mosi kono i-siii-ivo
farase-jo. Ware-ioa tada kono koto nomi kusa-ba-no kage-made-
mo womo-zo ai-kamajete munasi-ku nam-na-to == (jui-gon)-
site owari-nu. Negawaku-wa # ® (go-rio-sio)-no suke-
datsi jurusase-tamaje-to.
Der Begleiter Midzu-e-mon’s sprach: Mein Vater war
dem erstgebornen Sohne, dem Herrn San-si-nawo zugesellt,
doch er erreichte seine Absicht nicht, und zur Zeit als er
vergebens in seinem Reiche starb, sagte er: Da du die Ge
schlechtsalter hindurch zu dem Hause gehörst, so sieh auf
den nächsten Sohn und auf den dritten Sohn, lasse sie den
Feind des Vaters und des Bruders tödten und diesen Hass
Begebenheiten neuerer Zeit in Japan.
271
löschen. Ich habe nur an diese Sache sogar in dem Schatten
der Blätter der Pflanzen gedacht. Bringe es in Ordnung und
handle nicht vergebens. — Nachdem er mir diese Worte
hinterlassen, starb er. Ich bitte, dass ihr mir erlaubet, euch
Beiden das helfende Schwert zu sein.
Kun-kajesi i-i-si-ka-ba PÜ A (rib-nin)-no iwaku ija kuni-
moto-ni (rb-bo) ari isogi kudari kono josi-wo mbsi jj||
(tsü)-ze-jo yj —• (ban-itsi) (si-son)-zi-tara-ba rib-nin-ni
nari-kawari fawa-wo jo-iku-itase. Mosi somuku-ni oi-te-wa
(sitsi-sib)-made-no |||j '|| k (kan-db)-to ari-kere-ba sikara-
ba kono uje-wa tsikara nasi sa-ara-ba kono tokoro-jori —• Jjl
(itsi-ri) bakari-no sono tokoro-wa matsu woi-sigeri kage arcncare-
gataki koto nare-ba soregasi kate-wo motsi-juki ai-matan-ni fon-
i-no uje-nite sen sono tokoro-je kitari-tamaje kanarazu-kanarazu-
to an-kere-ba kono koto sikarn-besi tote Ijr A (siil-zin) midzu-
e-mon kata-wo —■ f# 0 (itsi-rib-nitsi)-no fima-wo koi-te ide-
jvki-keri.
So drehte er die Sache mit Worten herum. Die beiden
Menschen sprachen: Nein! In dem Reiche haben wir eine
alte Mutter. Reise eilig hinab, melde diesen Umstand und
theile es mit. Wenn wir, zehntausend gegen eins, zu Schaden
gekommen sind, so vertritt die Stelle von uns Beiden und
ernähre die Mutter. Wenn du diesem zuwider handelst, hast
du bis zu dem siebenten Leben den älterlichen Zorn.
— Wenn es so ist, so geht darüber keine Stärke. Also
an einem Orte, der von diesem . Orte eine Weglänge entfernt
ist, wachsen Fichten dicht und in Menge. Da ein Schatten
sich nicht zeigen darf, nehme ich Lebensmittel mit und warte
auf euch, es wird mehr als euer ursprünglicher Wille sein.
Kommet zu diesem Orte.
— Gewiss, gewiss.
— Diese Sache wird angemessen sein. — Er bat den
Vorgesetzten Midzu-e-mon um einen oder zwei Tage Urlaub
und ging fort.
Kitsi-suke-wa si-gwitsu-no kokono-ka-no Jp. jtfj (sb-teo)-ni
siii-zin si.ba-e-mon-je nt m (sakv-ban) negai-mbsi-sbro towori
4M (kon-teo) itsu-tsu toki-ni kunikata-no mono kono Ij^l
(jeH )-wo towori-si mama sibasi-no itoma taniaivare tote ide-si-wo
272
Pfizmaier.
siü-zin mada wosoku-mo arazi (kami-saka-jald)-wo
site juke-to ije-ba itsu-mo-no gotoku sore-sore-ivo totonoje omoi-si
koto sukosi-mo iro-ni idasazu. Ai-tsutomete sore-jori siro-no ura-
fori-no fata matsu-no ko-kage-ni (kon)-no fitoje-mono-ni
woico-waki-zasi-nite sinobi-i midzu-e-mon toioori-si tokoro-wo ososi-
to matsi-uke-tari.
Kitsi-suke sprach am frühen Morgen des neunten Tages
des vierten Monats zu dem Vorgesetzten Siba-e-mon: Um was
ich gestern Abends gebeten habe: Heute Morgen um die fünfte
Stunde, während ein Mensch von Seite des Reiches durch
diese Post gegangen, gewähret mir für eine Weile freie Zeit. —
Hiermit trat er hinaus.
Der Vorgesetzte sprach: Es ist noch nicht spät. Mache
mir den Mondausschnitt des Haupthaares und gehe dann fort.
Jener brachte alles in Ordnung wie gewöhnlich und liess
das, was er dachte, nicht im Geringsten durch die Miene
kund werden.
Nachdem er den Dienst verrichtet, blieb er in dem Schatten
der an dem Rande des äusseren Grabens der Feste befind
lichen Fichten, in einem blauen einfachen Kleide und mit
einem grossen kurzen Schwerte, verborgen. Er wartete mit
Ungeduld, bis Midzu-e-mon hindurchgegangen sein würde.
Mori-fei-wa siü-zin-jori waka-to-ni su-beki josi-wo H-
(sni-snn) itvare-si-ka-do katsu-te ukezari-si-ga nani-to omoi-keru-
ni-ja kono aida-wa kata-zi-ke-naki josi-wo mose-ba siü-zin-jori
katana tamawari na-wo (tsu)-e-mon-to aratamu. Kono koto
wodzi-ni kikase-si-ni ika-bakari jorokobi J|f (dziu-dai)-no
fito-kosi-wo kure-si-wo siü-zin-je mise-kere-ba j||| (seki) idzumi
kami-no ZU. R (ni-siakn) ^ vj" (san-sun)-no kowori-no gotoku-
nite kimo-wo fijasi-faberi-si.
Mori-fei, obgleich ihm von Seite des Vorgesetzten zwei-
bis dreimal gesagt wurde, dass er den Begleiter machen solle,
nahm es niemals an. Was mochte er sich gedacht haben?
Da er unterdessen etwas Verbindliches sagte, erhielt er von
dem Voi’gesetzten ein Schwert zum Geschenke und man ver
änderte seinen Namen zu Tsu-e-mon. Er brachte die Sache
dem Oheim zu Ohren. Dieser freute sich ungemein und gab
ihm ein durch mehrfache Geschlechtsalter vererbtes Schwert.
Begebenheiten neuerer Zeit in Japan.
273
Als Mori-fei es dem Gebieter zeigte, war es gleich dem zwei
Schuh drei Zoll messenden Eisen Seki’s, Statthalters von Idzumo,
und erkältete das Herz.
S,ate ja - ka - ni midzu -e- mon - kata - no T ± (ge-dzio) -ni
siroki sita-wobi futa-suzi-no fasi-nui-wo tanomi kokono-ka-no
sb-teo siu-zin-no kia-ra-no abura moto-jui nado totonojen tote ide-
si-ni yp HU (fu-to) wowo-te-nite midzu-e-mon-ni ai-si kore-iva
itsn-ni kawari §?^ j3|J (ko-ja-rb) itsi-nin-nite wo-sagari ika-
ga kokoro-moto-nasi-to i-i-si-ka-ba midzu-e-mon-ga iwaku sare-ba
(kon-te6) koto-no foka (dzu-tsü)-se-si juje itsu-
tsu-no (ban)-kawari-wo matsi-kane (do-jaku)-ni
kotowari-wo täte ja-rb-ga kusuri motsi-kitari-si-wo saiivai-no koto-
ni omoi kajeru-to are-ba.
Am achten Tage des Monats begehrte er von der Magd
Midzu-e-mon’s einen weissen unteren Gürtel mit einer Rand
naht von zwei Fäden. Am frühen Morgen des neunten Tages
des Monats sagte er, dass er für den Vorgesetzten Calambacöl,
Haarschopfbänder und Anderes herschaffen werde und ging
hinaus. An der Vorderseite der Feste begegnete ihm un
verhofft Midzu-e-mon.
— Dieses ist anders als gewöhnlich. Ihr kommt mit
einem kleinen Burschen herab. Wie könnt ihr ängstlich sein?
Auf diese Worte erwiederte Midzu-e-mon: Weil ich diesen
Morgen einen ungewöhnlichen Kopfschmerz hatte, konnte ich
den Wechsel der fünften Nachtwache nicht erwarten. Ich ent
schuldigte mich gegen meine Dienstgenossen. Dass der Bursche
mit Arzneien gekommen war, hielt ich für einen glücklichen
Umstand und kehrte heim.
Sikara-ba nanigasi j|p (an-ma) itasi yj^ (reo-dzi)
ma-irasen nado tawamure-to-mo se-si-ni midzu-e-mon-no iwaku
sono fo kutsi-ire-no siba-e-mon ke-rai-no kitsi-svke-wa nani-to-mo
ga-ten-no jukanu manako-zasi nari kasanete ^ (rio-guai)
ara-ba utte suten-to are-ba tsu-e-mo iwaku (ge-ge)-iva tare-si-
mo onazi-koto nari tada wowo-me-ni mi-tamaje-to.
— Ich werde also das Kneten vornehmen und die Hei
lung bewerkstelligen.
Er machte noch andere Scherze, doch Midzu-e-mon sprach:
Der von euch empfohlene Kitsi-suke, der Hausgenosse Siba-e-
Sitzungsber. d. phil.-hist. CI. XCV. Bd. I. Hft. 18
274
Pfizra aier.
mon’s, wirft Blicke, die ich gar nicht verstehe. Wenn er
wieder unartig ist, werde ich ihn niederhauen.
Tsu-e-mon sprach: Unter den Niederen findet hei Jemandem
dieselbe Sache statt. Sehet ihn nur mit grossen Augen an.
lü tokoro-je kitsi-suke matsu-kage-jori tobi-idete isi-i u-e-
mon-ga segare naka-kura nari woja narabi-ni ani-no kataki
obojeta-ka-to iü mama-ni kcisira-jori fana-no sita-je fan-bun-ni
kitte otosu. Wonazi-ku wototo gen-kura nari tote kata-saki-jori
ivoico-ge-sa-ni kiri-fanasu. Soregasi kio-dai san-ziü-san-sai-to san-
ziü-sai-to kono fi-ni atari-te (nen-rai)-no ^ jgf (so-i)-wo
3^1 (fas) seri köre fito-je-ni J]j[j] (butsu-zin)-no on-megumi
mata-iva tl 3L (bö-fu) (bb-kio)-no kusa-ma-no ^
(nen-riki) nari tote te-wo aicase P9 ij (si-fö)-wo fai-si. Säte
kaki-woki-si —• (ippü) midzu-e-mon-ga fakama-no kosi-ni
jui-tsuke kib-dai moro-tomo-ni asi-bajaku MW (zib-guai) sasi-te
ide-keri.
Indem er dieses sagte, stürzte Kitsi-suke aus dem Schatten
der Fichten hervor und sprach: Es ist Naka-kura, der Sohn
Isi-I U-e-mon’s. Feind des Vaters und zugleich des älteren
Bruders, hast du es gemerkt? — Mit diesen Worten hieb er ihn
von dem Haupte bis unter die Nase entzwei und streckte ihn
nieder.
Er sagte: Es ist ebenso der jüngere Bruder Gen-kura. —
Mit diesen Worten hieb er ihn von dem Vordertheile der
Schulter bis zu der grossen Schärpe entzwei.
— Wir Brüder haben nach drei und dreissig Jahren und
dreissig Jahren diesen Tag erlebt und haben den jahrelangen
Willen durchgesetzt. Dieses ist einzig die Gnade des Buddha
geistes und die Entschlossenheit des verstorbenen Vaters, des
verstorbenen älteren Bruders zwischen den Pflanzen.
Dieses sagend, legten sie die Hände zusammen und
verbeugten sich nach den vier Gegenden. Nachdem sie ein
zurückgelassenes versiegeltes Schreiben an den Lendentheil
der Beinkleider Midzu-e-mon’s gebunden, gingen die Brüder
gemeinschaftlich in der Richtung ausserhalb der Feste hinaus.
Ko-ja-ro-iva kore-ni odoroki kakoi-no fori-je otsi-si-ka-do
jb-jaku fai-agari koto-no (si-ziü)-wo mi-tari-si sassoku
tono-je gon-zio-si kudan-no —■ (i’P'pü)-wo firalce-ba icowo-
Begebenheiten neuerer Zeit in Japan.
275
zaka i-rai-110 dan-dan-wo kaki-tsukusi a » (zi-bun)-zi-bun
n ^ (ke-mio) * ^ (zitsu-mib)-uoa mosu-ni ojobazu katana
waki-zasi-no (mei) made kuwasi-ku sirusi-te-geri.
Der kleine Bursche, darüber erschreckend, fiel in den
Graben der Umschliessung, doch er kroch allmälig empor und
hatte den Anfang und das Ende der Sache gesehen. Er mel
dete es unverzüglich dem Herrn. Als man den erwähnten
Brief öffnete, waren seit Wowo-saka die Umstände vollständig
niedergeschrieben, und man hatte aus eigenem Antriebe den
falschen Namen, den wirklichen Namen und, was anzugeben
nicht nöthig ist, selbst die Inschriften des Schwertes und des
kurzen Schwertes ausführlich bekannt gemacht.
Wotte-ni-wa tare-ka kare-ka-to futa-toki bakari (an)-zi-
tamai-te jo-jaku wöse-idarare-si-to nari makoto-ni fukaki go-
jj> (si-rio)-ja-to mina-fito kan-zi-ajeri. Bio-nin-no mono-wa
kanete i-i-awase-si matsu-jama-no utsi-ni san-si-nitsi tamerai-i-te
ft ü (wo-kuan)-no fito-no uwasa kiki-todoke mo-faja ivotte-no
ki-tsukai nasi tote waka-to-wo fon-koku-je kajesi.
Unter den Verfolgern betrieben diese und jene durch
zwei Stunden die Untersuchung, und endlich wurde das Wort
herausgegeben. Sagend, es sei wirklich eine tiefe Ueberlegung,
waren alle Menschen in Gemeinschaft gerührt.
Die beiden Menschen hatten sich im Voraus verabredet.
Sie weilten in dem Gebirge der Fichten drei bis vier Tage
unschlüssig und hörten das Gerede der hingehenden und
zurückkehrenden Menschen. Sie sagten: Von den Verfolgern
ist bereits nichts zu besorgen. -—• Dabei schickten sie den
Gefährten in das Reich zurück.
Bib-nin-wa madzu uje-kata-no go- «1 B (tsio-men)-wo
kesan tote juki-si-ga saka-no sita-no J|^ (jeki)-ni go-roku-fiaku-
seki-mo toran-to obosi-ki bu-si-no T i*) (ge-ko)-seru-wo mi-kake
sukosi Iffi (viu-sin)-no koto ari. Ka-jo-ka-jb-no g jjöft
(si-siix)-nite tada-ima tatsi-sari-si lcono aida $ ( san-ja)
madoromaeu koto-no foka tsukare-si mama sibasi on-kakoi ari-te
jasumasete gasi-to ije-ba.
Die beiden Menschen, sagend, dass sie vorerst das hohe
Register löschen werden, gingen fort. An der Post unter der
Bergtreppe zog ein Kriegsmann, von dem man glaubte, dass
18*
276
Pfizmaier.
er fünfhundert Scheffel einnehmen werde, abwärts. Als sie
dieses sahen, war bei ihnen ein wenig Widerstreben. Mit
solchen Absichten eben jetzt fortgegangen, hatten sie unter
dessen durch drei Nächte nicht geschlummert. Während sie
ungemein ermüdet waren, trafen sie nach einer Weile auf eine
Einschliessung. Sie sagten: Möchte man uns doch ausruhen
lassen!
Saburai-wa tagai-no koto nari tote ^ (tsia)-ja-no woku-no
ma-ni fan-nitsi bakari ne-sase mo-faja. Jjf^ (bcm)-ni ojobi-si rnam.a
jukase-jo tote (reo-ri) susume -jp- (kin)-su
(ziü-rib) tori-idasi ikagasi-ku söraje-domo tada (f u -
zi-jü)-wo tasi-tamaje-jo-to are-ba tsika-goro won-kokoro-zasi-wa
wasure-gatasi. Kono fö-ni-mo takuwaje-mono se-si tote W PI
(ßaku-rib) bakari tori-idasi misure-ba tanomosi-ki won- (si)-kata
nari iza sara-ba-sara-ba-to tagai-ni jjj|| |j|| (rei-gi)-wo nobe
pff t|[j (nan-boku)-je wakarete-geri.
Der Kriegsmann sprach: Es ist eine gegenseitige Sache.
Schlafet in dem inneren Zimmer eines Theehauses den halben
Tag. Da es schon gegen den v^bend ist, gehet hin. — Hier
mit trug er ihnen gekochte Speise an, nahm zehn Tael in
Goldstücken hervor und sagte: Ich bin zwar in Ungewissheit,
doch helfet damit nur bei Ungelegenheit aus.
— Eure eben kundgegebene Absicht ist unvergesslich.
Auch bei uns hat man einen Vorrath angeschafft.
Hiermit nahmen sie hundert Tael hervor und zeigten
sie ihm.
— Es ist eine verlässliche Handlungsweise. Also lebet
wohl, lebet wohl!
Sie bezeigten sich gegenseitig ihre Achtung und trennten
sich nach Süden und Norden.
Säte awo-jama ina-ba-no kami tono go- jä (si-soku)
simo-tsuke-no kami tono-ioa ^>j>| (jen-siü) (fama-
matsu)-no siro-ni ima-zo kajeri-kere-ba rio-san-nin tatsi-kajeri-
si-wo tagui-sukunaki mono-domo tote ika-bakari iwawase-tamai
ani naka-kura-ni woja-no 2f5C itfe (fon-tsi) ni-fiaku-go-ziü-seki
wototo moto-kura-ni (sin-tsi) ni-fiaku-seki tamawari ja-siki
sabisi-ku kakoi #A (ban-nin) sore-sore-ni wose-tsukerare-si-to
nari. Makoto-ni A H* # (mi-so-u)-no koto tote tsutaje-si
Begebenheiten neuerer Zeit in Japan.
277
fito-bito (kan)-zezaru-wa na-kari-si. nt (Jo)-ni gen-roku
Ü* ^4 ( so ~9 a ) tote mote-fajase-.n-mo ito imizi-ki (setsu) nari.
Als der Herr Statthalter von Simo-tsuke, der Sohn Awo-
jama’s, des Herrn Statthalters von Ina-ba, zu der Feste Fama-
matsu in Jen-siü jetzt zurückgekehrt war, kehrten die zwei
oder drei Menschen heim. Er sagte, es seien Menschen, der
gleichen es wenige gebe und liess ihnen in grossem Masse Glück
wünschen. Dem älteren Bruder Naka-kura wurden zweihundert
fünfzig Scheffel als das ursprüngliche Lehen des Vaters, dem
jüngeren Bruder Moto-kura zweihundert Scheffel als neues Lehen
verliehen. Der Grund war einsam und wurden Wächter der
Umschliessung jedem Einzelnen hinzugegeben. Man sagte, es
sei eine Sache, welche in Wirklichkeit noch nicht vorgekommen,
und überlieferte es. Unter den Menschen war keiner, der es
nicht bewundert hätte. In der Welt sagte man: das Geschlecht
So-ga des Zeitraumes Gen-roku, und indem man es rühmte,
waren es ausgezeichnete Reden.
* ßt (Wowo-zaka) Af (seo-nen) rj: (siü)-ni sitai
|| M (zi-mes) su.
Ein Jüngling von Wowo-zaka, nach dem Vor
gesetzten sich sehnend, tödtet sich selbst.
Wowo-zaka ^ (a-tsutsi)-matsi-no ^ (je-ra)
j|j ^ ^ (ßko-san-fin) ko (fiko)-ta-rb san-sai-no toki
yj-» (ko-mono)-ni. -||fj (kan)-ta-rb tote ziü-issai naru-wo woki-
si - ga ijiJJ (teb-bb) nare-sitasi-mi-keru-ga. Fiko-ta-rb fassai-
110 toki fu-to wadzvrai-tsuki-te % (zi-sai)-ni tanomi-naku
nari-te kan-ta-ro-wo tsikadzukete woja-tatsi fL # (niü-bo)-ni
saki-datsu kolo ze-ji-mo nasi-to omoje-domo tada nandzi-ni wakaren
koto-no kanasi-sa-jo-to ije-ba kan-ta-rb-ga iwaku mosi 2fs (ß n )~
buku-mo owasezu-wa (mei-do) MM (kub-sen)-no tomo-
si-nan on-kokoro jasu-kare-to fukaku i-i-kawase-si-ni fodo-naku
tsui-ni fakanaku nari-si.
Als Fiko-ta-rb, der Sohn Je-ra Fiko-san-fin’s von der Strasse
A-tsutsi in Wowo-zaka drei Jahre alt war, bestellte man zum
dienenden Knaben einen Menschen Namens Kan-ta-rö, welcher
278
Pfizmaier.
eilf Jahre alt war. Derselbe war am Morgen und Abend ver
traut und freundschaftlich. Als Fiko-ta-rö acht Jahre alt war,
befiel ihn unvermuthet ein Unwohlsein, und sein Zustand wurde
im nächsten Jahre hoffnungslos. Er zog Kan-ta-rö nahe zu
sich und sagte: Ich glaube, es ist keine Frage, dass ich den
Aeltern und der Amme im Tode vorangehe, doch welch’ eine
Betrübniss, dass ich von dir getrennt sein werde!
Kan-ta-rö sprach: Wenn deine Wiederherstellung nicht
erfolgt, so werde ich dir auf dem finsteren Wege, an den
gelben Quellen Gesellschaft leisten. Sei im Herzen beruhigt. —
Er gab ihm ein feierliches Versprechen. Nicht lange Zeit darauf
verschied Jener.
Ran-ta-ro-wa £ A (siü-zin)-no —■ pjj (ikka-tsiüj
kujami-i-i ariki-te naka-itsi-nitsi woki-te Kl jlgj (ni-kai)-ni agari
icosi-fada-nugi fidari-no uoaki-ni waki-zasi-wo tsuki-tcitete migiri-
no waki-je fiki-mawasi Jlg (kiil-bi)-jori foso-no sita-made
+ £ (ziü-mon-zi)-ni kiri-te fuje-wo kaki-si-ni fone-mo
kirete usiro-no ^ (kcnca) sukosi kalcari-si sono waki-zasi-wo
tsuje-ni tsuki kabe-ni motarete (si)~su. Waki-zasi-no kissaki
si-go-bu bakari wore-tari-si.
Kan-ta-rö ging umher, indem er in dem ganzen Hause des
Vorgesetzten sein Leid klagte. Nachdem er einen Tag dazwischen
gelassen, stieg er in das zweite Stockwerk. Schnell den Oberleib
entblössend, in die linke Seite das kurze Schwert stossend, drehte
er dieses zu der linken Seite, machte von der Herzgrube bis
unter den Nabel einen Durchschnitt und zerkratzte dann die
Kehle. Indem auch der Knochen durchschnitten war, hing
rückwärts die Haut ein wenig herab. Auf das kurze Schwert
wie auf einen Stab sich stützend, lehnte er sich an die Mauer
und starb. Die Spitze des kurzen Schwertes war vier bis
fünf Linien weit gebrochen.
j% (Ka-nai) odoroki ^ ^||| (ko-gi)-je uttaje-si-ka-ba
nm (ken-si) kitari-te ware-ra iku-tabi-ka i w (zi-gai)-se-
si-wo mi-si-ni kakaru kenage-naru furumai kiki-mo ojobazu-to
J§ (kan)-zi-keru. föl (Wa-siü)-ni oja-no ari-si-ga kono tei-
wo mite fi-goro-no on-nengoro-ni kakaru kokoro-base nasi-te-wa-to
isagijoku mbse-si.
Begebenheiten neuerer Zeit in Japan.
279
In dem Hause war man erschrocken und meldete es der
Obrigkeit. Der untersuchende Abgesandte kam und sagte voll
Bewunderung: Wir haben wohl mehrmals gesehen, dass man
einen Selbstmord beging, allein ein so kühnes Vorgehen ist
uns nicht zu Ohren gekommen.
In Wa-siü befand sich der Vater Kan-ta-rö’s. Diesen
Zustand sehend, meldete er aufrichtig: Er hat in seiner lang
jährigen Freundlichkeit einen solchen Entschluss gefasst.
Katawara-ni —* (ittsü)-no kaki woki-ari-si-ga go-bu-
giö % (isi-maru) 5 Ä (iicci-mi) tono (fi-ken)-si-
tamb-ni ^ ‘{|S (bun-tei)-mo otona-si-ku siii-zin-no .jpL (mei-
do)-no tomo-seru josi-no ^ (bun) nari-kere-ba tono-mo ncimida-
ni muse-tamai-te ana fu-bin-ja ima-doki-wa bu-si-ni-mo kakaru
mono-wa mare-naru-zo-ja masi-te matsindo-no ge-ge-to i-i 4p
(zialtu-nen)-nite sari-to-iva (ki-tai)-no mono kana. Ato-
jori toburai-te torase-jo-to woserare-si sunawatsi mm (db-ton)-
fori * 0 (sen-nitsi)-dera-ni & (siii-zijü)-no isi- (tb)
—* (issio)-ni tatsi-si-to-zo. Kono koto jen-fo go-nen si-guatsu
ni-ziü-jokka-nite ari-si.
Zur Seite war eine Schrift zurückgelassen worden. Als
die Oberaufseher, die Herren Isi-maru und Iwa-mi sie öffneten
und durchsahen, waren die Schriftzüge männlich, es war eine
Schrift, welche besagte, dass er der Begleiter des Vorgesetzten
auf dem finsteren Wege gewesen. Auch der Herr schluchzte
unter Thränen und sagte: Ach wie bedauerlich! In der gegen
wärtigen Zeit ist selbst unter den Kriegsmännern ein solcher
Mensch, selten. Um so mehr ein Jüngling, welcher einer der
Niedrigen der Menschen der Strasse genannt wird, er ist somit
ein Mensch der seltenen Zeitalter. Nachher lasset ihn den
Besuch des Grabes annehmen.
Man errichtete dann an dem Graben Do-ton, in dem
Kloster der tausend Tage, zugleich die steinerne Pagode des
Gebieters und Dieners.
Dieses ereignete sich am vierzehnten Tage des vierten
Monates des fünften Jahres des Zeitraumes Jen-fö (1677 n. Chr.).
280
Pfizmaier.
Fawa-wo isame midzu-ni iru.
Der Mutter Vorstellungen machend, stürzt man
sich in das Wasser.
Je-do Ico-ami matsi-no fotori-ni aru mono-no ^ ^ (kö-
sitsu) tosi san-ziu-sitsi-fatsi bakari nari-si-ga asa-na jü-be-ni
(fun)-wo nuri beni-wo iroje * m (i-sib)-ni itaru-made ima-
jb-no fü-riü-wo tsukusi arui-iva siba-i (ken-butsu) arui-
wa kami-jasiro-mbde tera-ma-iri nado-to mai-nitsi idzuru koto
(nen-getsu) kasanari-kere-ba [ft (jo)-no sosiri fito-no
azakeri kiki-nikuki koto-domo-nite ari-si.
In Je-do, in der Nähe der Strasse Ko-ami, war die zweite
Gattin eines Mannes sieben bis acht und dreissig Jahre alt.
Dieselbe legte am Morgen und am Abend weisse Schminke
auf, färbte sich mit Roth und selbst in ihren Kleidern erschöpfte
sie die Zierlichkeit der gegenwärtigen Tracht. Bisweilen sah
sie das Schauspiel, bisweilen ging sie zu dem göttlichen Altäre,
besuchte den Tempel und andere Orte. Da ihre täglichen Aus
gänge durch die Monate des Jahres sich wiederholten, tadelte
die Welt, die Menschen spotteten, und es gab zugleich Dinge,
welche abscheulich zu hören waren.
Ni-ziü-sai bakari naru (nan-si) ari-si-ga kono koto-
wo fukaku itoi-lcanasi-mite sasu-ga-ni woja-ko-no naka i-i-gataku-
te fito-wo tanomi-te sama-zama-ni isamure-domo sara-ni j^j
(sib-in)-mo sezari-kere-ba sen-kata-naka-ja omoi-ken kaki-woki
nengoro-ni totonoje Pfö Bl (rio-koku)-fasi-no uje-jori mi-wo
T « (sen-ninJ-no (sui-tei)-ni nage-si-ga nani-to-ka
si-tsuran sidzumi-jedo kawa-no vje-ni nagare-juku. j|pj jjjj'
(Koma-gata-db)-no fotori-nite fito-bito fiki-age-si-ni sini-mo jarade
ivoja-moto-ni okuri-kere-ba fawa waga ajamatsi juje kaku koso
are-to futsu-ni itfc (jo)-wo naki-mono-ni site kami-wo kiri sama-wo
kaje (go-se) — (san-mai)-no ßto-to nari-faberi-ki.
Sie hatte einen Sohn, der zwanzig Jahre alt war. Der
selbe empfand über diese Sache tiefen Verdruss und Traurigkeit.
Da es indessen zwischen Aeltern und Kind unmöglich war, es
zu sagen, bat er darum einen Menschen und machte ihr durch
diesen auf allerlei Weise Vorstellungen, doch sie stimmte
durchaus nicht bei.
Begebenheiten neuerer Zeit in Japan.
281
Wohl in der Meinung, dass sich nichts thun lasse, ver
fertigte er eine zu hinterlassende freundschaftliche Schrift und
stürzte sich von der Brücke Riö-koku in die tausend Halb
klafter messende Wassertiefe. Was er auch gethan haben wird?
Er konnte nicht untersinken und schwamm auf dem Strome
fort. Bei der Halle Koma-gata zogen ihn Menschen herauf.
Er war nicht todt, und man schickte ihn zu den Aeltern.
Die Mutter sprach: Es wird meiner Fehler wegen so
geschehen. — Indem sie entschieden die Welt für nichts hielt,
schnitt sie das Haupthaar ab, veränderte ihr Wesen und wurde
ein im Guten beharrlicher Mensch des späteren Zeitalters.
Goku-rin-no j^[f (sin) toki-wo matsi St (sai)-wo (km)-zu.
Ein überaus geiziger Diener wartet auf die
Zeit und macht die Güter zum Geschenke.
# ¥ (Matsu-fira) sagami-no kami tono (nai-seo)
(fu-nio-i)-ni tsuki subete ^ (ka-tsiü) mbai-awase
ft ff (tsi-geö ) (taka)-ni jfjii (wo)-site (kin-su)
sore-sore-ni sasi-age-si-ni ;juj* (take-mura) (zin) go-e-mon tote
ni-fiaku-seki tamawari. Kiwamete ijasi-ki fito-nite m ? (teo-
seki) kuro-gome-mesi-ni jaki-siwo-no foka nuka-mi-so-no azi-wo-mo
sirazari-si fodo-nite fito maziwan-mo ikko-ni na-kari-si-ga.
Matsu-fira, der Herr Statthalter von Sagami, erfuhr in
Sachen des Inneren Unannehmlichkeiten. In seinem Hause
reichte er, dem übereinstimmend angegebenen Ertrage des Lehens
entsprechend, einem Jeden Geld.
Ein Mann Namens Zin-go-e-mon aus Take-mura erhielt
zweihundert Scheffel Gehalt. Da er als ein äusserst gemeiner
Mensch am Morgen und am Abend bei seinem Mahle von
schwarzem Reis ausser gebranntem Salze nicht einmal den
Geschmack der Brühe aus Reiskleie kannte, hatte er auch
durchaus keinen Umgang mit Menschen.
Kono tabi uttaje-si-wa sore-gasi-ga (roku)
(ziü-nen) fai-no itasazu sono aida 5 # (gun-jaku) mata-ioa
(sio-bu-tb) Icoto-gotoku ai-tsutome koto-ni [Aj
(faku-gin) san-zvä-kuan-me sasi-age-tai-to fito-je-ni negai-si-ka-ba
282
Pfizmaier.
tono-wo fazime gun-sin mina kan-zi tamajeri. Sikare-domo kudcin-
no negai-iva (sio-si)-no m (rei)-ni more-kevu tote uke-
tamawazari-si-to nari.
Dieses Mal zeigte er an: Ich habe den Gehalt durch
zehn Jahre nicht in Empfang genommen. Ich habe unterdessen
bei den Obliegenheiten des Heeres, ferner bei den Kriegs
männern alle Dienste geleistet. Ich möchte insonderheit dreissig
Schnüre Silber darreichen. — Hiermit bat er flehentlich. Von
dem Herrn angefangen bis zu den Dienern waren alle von
Bewunderung erfüllt. Was jedoch die erwähnte Bitte betraf,
so sagte man, es sei durch die Gewohnheiten der Kriegs
männer weggefallen, und man nahm es nicht an.
|| jt|[ (Siaku-sonJ-ni tr # # (bd-fu-bo)-ni mamijen
koto-wo (ki-gü)-su.
Man erbittet von Buddha, dass man die ver
storbenen Aeltern sehe.
Je-do (jo-tsu ja)-ni (wosi-da) f± (seo)-e-
mon tote » * (go-zio)-no go-fo-kb-nin ari (jo-nen)-no
toki # # (fu-bo)-ni okure j||| ^ (gan-sioku)-wo wobojezaru
koto-wo fukaku nageki-si-ni.
In Jo-tsu ja in Je-do war ein Mann Namens Wosi-da
Seo-e-mon ein Dienender in der hohen Feste. In den Jahren
der Kindheit von seinen Aeltern zurückgelassen, beklagte er
tief, dass deren Züge ihm nicht im Gedächtnisse waren.
Gen-roku san-ziü-nen-no natsu jJEj (raku-zai) @ *
(sa-ga)-no siaku-son (go-koku-zi)-nite fatsi-ziu-nitsi-
no pfj fjl^ (kai-tsio) ari-si-ni mai-nitsi (san-ro)-no negai-
wo wokosi nahi fu-bo-ni fito-tabi awase gan-sioku vii-ma-irase
kotoba-wo kawasase-tamaje-jo-to —• (issin)-ni & >$- (nen-gu)-
se-si-ka-ba.
Im Sommer des dreizehnten Jahres des Zeitraumes Gen-
roku (1700 n. Chr.) war im Westen der Hauptstadt, in dem
das Reich schützenden Kloster des Buddha von Sa-ga die
achtzigtägige Eröffnung des Vorhangs. Er brachte jeden Tag
bei dem Besuche die Bitte vor: Lasse mich ein einziges Mal
Begebenheiten neuerer Zeit in Japan.
283
mit den verstorbenen Aeltern Zusammentreffen, ihre Züge
sehen und Worte wechseln. — Er betete so mit ganzem Herzen.
Go-nitsi-ni
Bg (ki-sen)
atavu $ (jo)-no jume-ni siaku-son-no on-maje-ni
amata ari-si naka-ni -J-* (zittoku) ki-taru
H ^ (zen-mon)-wa usiro-wo mi-mawasi ware-wa nandzi-ga
tsitsi nari j|{| (joku) koso mai-nitsi gj| (san-kei)-se-si-to
tasika-ni kotoba-wo kawase-si tsitsi-jori ija- -j=| (sin-sin) isami-
te inori-kere-ba san-ziü-nitsi-ni ataru (jo)-no jume-ni ma-no
atari fawa-ni mamije-faberi-si sono totosa mi-ni simi-te itsi-ri
amari fedate-si tokoro-je tsu-go san-ßaku-do san-kei-si-tari-si.
In der Nacht des fünften Tages träumte ihm, dass vor
Buddha viele Vornehme und Geringe sich befanden. Unter
ihnen sah sich ein in ein langes Kleid gekleideter Bonze nach
rückwärts um und sagte: Ich bin dein Vater. Du hast gut
gethan, dass du jeden Tag den Tempel besucht hast. — Durch
den Vater, der sicherlich Worte gewechselt hatte, fasste er in
dem gläubigen Herzen immer mehr Muth und betete.
In der Nacht des dreissigsten Tages träumte ihm, dass
er die vor seinen Augen befindliche Mutter besuchte. Diese
Ehre machte auf ihn tiefen Eindruck, und er erschien an dem
durch einen Zwischenraum von mehr als einem Ri getrennten
Orte im Ganzen dreihundertmal zum Besuche in dem Tempel.
(Kiü-min)-wo nigiwasi-sukui
(sib)-nio.
Indem man das erschöpfte Volk unterstützt
und rettet, erhält man Lohn.
Bittsiü-no kuni (ja-ta)-mura jäh •fiß (ko-zui)-site
ta-fata koto-gotoku ^ (son-bb)-se-si-ka-ba (ßaku-sed)
sude-ni (ga-si)-ni ojobi-nu. j£ m (Seo-ja) miru-ni
taje-gataku omoi-te * Wt (bei-koku)-no aru kagiri-wo tori-
idasi wono-wono-ni kasi-atcije mcita warci amata torasete zb-ri
wara-zi nado tsukurasete nigkvase-si-ka-ba ßto-bito joroköbi-ajeru
koto kagiri-nasi.
In dem Dorfe Ja-ta, Reich Bittsiü, war grosses Wasser,
und die Felder wurden sämmtlich beschädigt und zu Grunde
gerichtet. Die Menschen des Volkes waren dahin gelangt,
284
Pfizmaier.
Hungers zu sterben. Der Dorfälteste, der dieses sah, hielt es
für unerträglich, er nahm das Aeusserste des vorhandenen
Reises und Getreides hervor und lieh oder schenkte es jedem
Einzelnen. Ferner liess er vieles Stroh nehmen, Grasschuhe
und Strohschuhe verfertigen und damit betheilen. Die gemein
schaftliche Freude der Menschen hatte keine Gränzen.
Kono goro m tu (koku-si)-jori ^ (ju-asa)
(min-bu)-wo jip; (bu-gio)-to site (sio-sio)-no gj ||
(kon-kiü)-wo tadzune-tamai-si-ni mura-mura-jori m (ga-si)
tasuke-no (fu-tsi)-wo koi-si Icoto kazu-wo sirazu.
Um diese Zeit machte der Reichsvorsteher seinerseits
Ju-asa, einen Angestellten von der Abtheilung des Volkes,
zum Oheraufseher. Derselbe suchte an allen Orten die Er
müdeten und Erschöpften auf. Die Zahl der Bitten von Seite
der Dörfer um Unterstützung zur Rettung der Verhungernden
war unbekannt.
Sono naka-ni midzu-ni tsujoku aterare-si ja-ta-mura-jori-wa
nani-no negai-mo sezare-ba seo-ja-no fakarai-to site ko-fiaku-seb-
iva sini-si-dai-to omoi-keru-ni-ja fu-todoki-no koto nari-to tote
imizi-ku sen-gi-si-tamai-kere-ba tada-ima koto mbsu-beki-wa fon-
i-ni-mo arazu mata kakusu-beki-ni-mo faberazare-ba tote ari-no
mama-ni i-i-si-ka-ba bu-gib te-wo utsi odoroki ka-bakari IM #
(ki-doku)-no koto koso are-to sumijaka-ni -;J- (tai-ziu)-je
uttaje-tamai-si-ni Jjj| )\(kan-sin) nciname-narazu owasi-te
(fatsi-boku)-ivo tamawari-si-to nari.
Darunter war von Seite des von dem Wasser stark be
troffenen Dorfes Ja-ta irgend eine Bitte nicht gestellt worden.
Man sagte: Ist es eine Berechnung des Dorfältesten und hat
er vielleicht gedacht, es sei für die kleinen Menschen des
Volkes in der Ordnung, dass sie sterben? Es ist eine Frech
heit! — Als man genau nachgeforscht hatte, hiess es, dass
man es eben jetzt melden solle, ist nicht die ursprüngliche
Absicht, man kann es auch nicht verheimlichen. Man sagte
es, wie die Sache sich verhielt.
Der Oberaufseher schlug in die Hände und rief erstaunt:
Eine so wundervolle Sache sollte es geben! Er meldete es
schleunig dem Statthalter. Die Bewunderung in dessen Herzen
war keine geringe, und er machte ein Geschenk von Reis.
Begebenheiten neuerer Zeit in Japan.
285
(Mu-jen) ^ (beo)-wo san-ziü-san pjf (sio)-ni inoru.
Man betet wegen der Krankheit eines Nicht
verwandten an drei und dreissig Orten.
Wowo-zaka naga-fori naka-fasi-no zo-ri-uri t: (nin)-be-e-
ga tana-ni J$p (an-gia)-no (so) kosi-kake (tsia)-
wo koware-si-kci-ba mi-gurusi-ku-wa nije-domo kore-je irase-jo
tote tsia-ioan aratame-susume-keri.
In der Bude des Strohschuhverkäufers Nin-be-e an der
mittleren Brücke des langen Grabens zu Wowo-zaka setzte
sich ein wandernder Bonze nieder und bat um Thee. Nin-be-e
sagte: Wenn sie garstig ist, so schenket ihn, obgleich er ge
sotten ist, in diese. -— Hiermit reichte er ihm eine neue
Theeschale.
Nin-be-e-ga ani nari-si "pfj (itsi)-be-e-to iü mono i-awasete
kon-nitsi-wa kokoro-zasi-no fi-nite ari. Madzusi-ki soregasi nare-
domo @L M (so-sb)-naru (fi-zi) ma-irase-tasi-to ije-ba
(ki-doku)-no koto ari. Juki-te taben tote tomonai-juki-si
jH' (so)-no iwaku Ü=£ (tei-siil)-wa manako-no asi-ki-ni-ja
sare-bakono (gan-beo) juje itodo (sin-tai) semari-
taru-ni mata-mo su-beki jo nasi-to nageki-kere-ba.
Ein Mensch Namens Itsi-be-e, welcher der ältere Bruder
Nin-be-e’s war, hatte sich hinzugesellt und sagte: Heute ist
der Tag des Vorsatzes. Obgleich ich, der Arme es bin, möchte
ich ein grobes Nachmittagsmahl darreichen.
Es war eine wundervolle Sache. Er sagte: Wir werden
fortgehen und speisen. — Er begleitete ihn und ging fort.
Der Bonze sagte: Sind denn die Augen des Wirthes schlecht?
Wegen dieser Augenkrankheit wurde der Körper mehr und
mehr bedrängt. Es gibt auch nichts, was man thun kann. —
Dabei klagte er.
Sikara-ba san-ziü-san-sio-no j||| jjjj| (ziün-rei)-tco se-jo-to
susume-tamai-si-ka-do m m (ro-sen)-mo nasi ^ ^ (sai-si)-
no jasinai-mo naku tada Jp{ (guan) bakari-nite omoi-tatsi-gatasi-
to are-ba sate-si-mo It (seo-si)-no koto-ivo kiku mono kana.
Mi-dzukara mosi inotsi ara-ba rai-nen nandzi-no tame-ni ziün-
rei-su-besi-to iware-si-ka-do masasi-karazaru koto-ni omoi-si-ni.
286
P f i z m a i e r.
— Indessen rieth man mir, dass ich, an dreiunddreissig
Orten umherziehend, die Andacht verrichte. Doch ich habe
kein Reisegeld, Gattin und Kinder sind auch ohne Nahrung,
es ist unmöglich, den blossen Gedanken an das Gelübde auf-
komrnen zu lassen.
— Also höre ich den Gegenstand des Leides! Ich selbst
werde, wenn ich das Leben habe, im künftigen Jahre für dich
umherziehend die Andacht verrichten.
Jener, obgleich ihm dieses gesagt wurde, hielt es für
eine Sache, die nicht wahr ist.
Mib-nen san-guatsu-ni kitari jaku-soku-no ziun-rei-si faberi-
nan-to are-ba itsi-be-e utsi-odoroki makoto saru koto-nite ari-si-
ka-jo-to Jal (kucin-ki)-no namida-wo nagasi ito ari-gataku-
wa oboje-si-ka-do moto-jori madzusi-ki ivare nare-ba su-beki jb-mo
faberazu köre nan woja-jori tsutawari-si viamori Jßfy j^f
(dzi-zb-son)-nite oicase-si semete-no koto-ni fodokosi-ma-irasen-to
are-ba jagate eri-ni kake nengoro-ni itoma-koi-si idete juki-tamai-si.
Im dritten Monate des nächsten Jahres kam der Bonze
wieder und sagte: Ich werde die versprochene Andacht im
Umherziehen verrichten.
Itsi-be-e, sehr überrascht, rief: Ist es in Wahrheit eine
solche Sache gewesen? — Er vergoss Freudenthränen und
sagte: Ich fühle mich sehr zu Dank verpflichtet, doch da ich
ursprünglich arm bin, kann ich auf keine Weise etwas thun.
Dieses von dem Vater vererbte Zaubergehänge ist der Geehrte
der Erdkammer. Ich werde es zum Wenigsten als ein Geschenk
reichen. — Jener hängte es sogleich an den Kragen, nahm
freundlich Abschied und ging, indem er hinaustrat, fort.
Fodo-naku roku-guatsu ni-ziü-itsi-nitsi-ni ~fi [H] (9 e ' U )
ari-te sore-no me (dzi)-si-gataku-wa mi-dzukara me-si-i-te
nandzi ito kokoro-jo-karan jb-ni-to jjp( (guan)-tate-si-ka-do 'fyfy
(butsu-rikij-ni-mo kanawade-ja kono vje-wa omoi-akiramu-besi.
Kaku sm-tdi-mo ijo-ijo otoroje (sai-si)-mo ri-bessi wototo-
ga ft m (kai-fö)-ni awan-mo ito kokoro-u-kam-besi. Ware-wa
Pj üf li| (ko-ja-san) gfj (sai-koku) |g| |jjt (ren-ge)-
(in)-no j^|| (in-kio)-nite faberi nandzi fitori-no ari-te-mo sa-
nomi nan-gi-ni-mo faberazi iza ko-jo tote.
Begebenheiten neuerer Zeit in Japan.
287
Nach nicht langer Zeit, am ein und zwanzigsten Tage
des sechsten Monats, kam er zurück und sagte: Wenn diese
Augen nicht zu heilen sind, so war ich selbst blind, und ob
gleich du auf eine wohl freudige Weise das Gelübde gethan
hast, so war es vielleicht der Kraft Buddha’s nicht angemessen.
Darüber kann ich dich aufklären. Wenn so dein Leib
immer mehr abnimmt, deine Gattin und deine Kinder sich
trennen und du der Pflege des jüngeren Bruders überlassen
bleibst, wirst du im Herzen sehr traurig sein. Ich bin ein in
Verborgenheit Wohnender des Gebäudes Ren-ge in dem west
lichen Thale des Berges Kö-ja. Bist du auch ein einzelner
Mensch, du wirst nur so nicht im Unglück sein. Also komm!
ATcuru ß JsJ slt (dö-do)-site ^ jjj (td-san)-si-tamai-si.
Gen-roku san-nen-no koto nari. Mizu sirazu-no fito-wo ka-bakari
itaivari-tamai-si-wa maltoto-ni totoki fiziri-nite owasi-masu-to fito-
bito J|| (kan-rui)-se-si.
Am nächsten Morgen reiste er mit ihm gemeinschaftlich
und erstieg den Berg. Dies ereignete sich im dritten Jahre
des Zeitraumes Gen-roku (1690 n. Chr.). Derjenige, der für
einen Menschen, den er nicht gesehen hatte und nicht kannte,
auf eine solche Weise Sorge getragen, ist wirklich ein vor
nehmer heiliger Mann. Dieses sagend, bewunderten und weinten
die Menschen.
m ? (Jen-si) woja-ico (rio)-site A AS (zin-sin)-
wo Jgfc (kan-fas) su.
Der junge Affe heilt den Vater und erweckt
in dem Herzen des Menschen Rührung.
Sin-siü simo-i-na kowori Alf# (iru-no-ja) mura-no
mono fvju-no fi kari-ni ide r- tt (fu-si)-awase-nite kajeru
mitsi-no woico-ki-ni wowo-zaru-ho i-tan-si-ico köre kukkio-no koto
nari tote utsi-tori (jo)-ni iri jado-ni tsuki mib-nitsi kawa-ico
fagi-nan kori-te-wa fagi-gatasi tote i-ro-ri-no uje-ni tsuri-oki-nu.
In dem Kreise Simo-i-na in Sin-siü ging ein Mensch des
Dorfes Iru-no-ja an einem Wintertage auf die Jagd. Als er
kein Glück hatte und heimkehrte, sass auf einem grossen
288
Pfizmaier.
Baume des Weges ein grosser Affe. In der Meinung, dass
dieses eine vortreffliche Sache sei, erlegte er ihn und nahm
ihn mit. Es wurde Nacht, er erreichte sein Nachtlager und
sagte: Ich werde morgen die Haut abziehen. Wenn sie gefriert,
kann man sie unmöglich abziehen. — Hiermit befestigte er
ihn an einen Haken über dem Ofen.
21? (Sin-ko)-ni vie-wo scimasi mire-ba ikete oki-si fi-
Icage mije-tsu kakure-tsu suru-wo ibukasi-ku omoi m v (no-
nb) itkagai- mire-ba ko-saru woja-no waki-no sita-ni tori-tsuki-i-
keru-ga —■ E (ippiki)-dzutsu kawaru-gawaru ori-te * (fi)-nite
¥ (tej-wo aburi woja-saru-no teppo-kizu-ico atatame-si-wo miru-
jori aivare-sa kagiri-naku-te wäre ika-nare-ba mi-fito-tsu taten
tote kakaru nasake-naki koto-wo nasi-tsu-to (sen-fi)-wo
kui-te aku.ru fi jagate nio-bo-ni itoma torasete kasira-wo sori
jo-wo nogare —• (■issin fu-ran)-no ^ 'ffy ^
(nen-butsu-zia)-to nari =|| [||j (sio-koku) jjj|] (an-gia)-ni
ide-si-to van.
Als er um die Zeit der tiefen Nachtwache sich ermun
terte und hinsah, war der Schein des Feuers, das er angefacht
und hingestellt hatte, bald zu sehen, bald war er verdunkelt.
Darüber verwundert, blickte er spähend hin. Junge Affen
hatten sich unter der Achsel des Vaters festgehalten. Sie stiegen
einer um den anderen abwechselnd herab, wärmten an dem
Feuer die Hände und wärmten die durch einen Flintenschuss
beigebrachte Wunde des alten Affen.
Als jener Mann dieses sah, hatte sein Mitleid keine
Gränzen. Er sagte: Wie kommt es, dass ich, um mich allein
aufzurichten, eine so grausame Handlung beging? — Das
frühere Unrecht bereuend, gab er am nächsten Morgen sogleich
seinem Weibe den Abschied, schor das Haupt, vermied die
Welt und wurde ein mit ganzem Herzen, durch nichts gestörter,
den Namen Buddha’s Betender. Er zog aus, um alle Reiche zu
Fusse zu durchwandern.
Begebenheiten neuerer Zeit in Japan.
289
/pjf ^ (Yü-men) ^ ^ (zan-sia) jfc ^ (sen-fi)-wo
'|$J (kd-kuai)-su.
Ein begnadigter Verleumder bereut das frühere
U nrecht.
P )il (To-kawa.) fi-go-no karni tono ke-rai U4 (sugi-
jama) (sige)-e-mon-to iü mono siü-zin-no aku-zi ziü-san-ka-
{%, ( de °) 4V M (ko-gi)-je uttaje-si-ka-domo makoto-naki koto-
nite fu-todoki mbsi-taru tote sunawatsi sige-e-mon-wo siü-zin-ni
kudasare-tari. Ka-ro-no men-men ai-gi-site kubi-wo fanen-to iü.
Siil-zin kiki-tamai-te ija sore-ni ojobazi tote jurusi-tamai-si-ka-ba
ka-tsiü-no mono-domo woku-ba-wo kami-te ikari-wo osaje-tari.
Ein Hausgenosse To-kawa’s, des Herrn Statthalters von
Fi-go, ein Mensch Namens Sugi-jama Sige-e-mon zeigte dreizehn
Schlechtigkeiten seines Vorgesetzten bei dem Hofe an. Man
sagte jedoch, es seien unwahre Dinge und er habe auf freche
Weise die Meldung gemacht. Hierauf überliess man Sige-e-mon
dem Vorgesetzten. Die Aeltesten des Hauses gingen einzeln
unter sich zu Rathe und sagten, man werde ihm das Haupt
abschlagen. Der Vorgesetzte hörte dieses und sagte: Nein, so
weit darf es sich nicht erstrecken. — Hiermit begnadigte er
ihn. Die Leute im Hause bissen die Zähne zusammen und
unterdrückten ihren Zorn.
Sono notsi ike-da 'g* ft (ku-nai) tono-je (sin-dai)
susumi-te kuni-tsukai-ni sige-e-mon kitari-si-ni nikvki & A
(nei-zin) koso kitarem-to nnna fito mrami-si-nt fi-go-no kami-dono
sono mono kore-je tote jobi-idasi nnndzi-ni fisasi-ku awazu sin-
dai ari-tsukeru jo-na kn-nai-dono-ni ai-na-ba tori-a.wa.se iü-beki-
zo-to ari-si-ka-ba sige-e-mon sikiri-ni (kan-rnij-ni musebi
ari-gataki on-kokorn kann waga ajamari si-gokn tsukamatsuri-nu.
(Seo-seo) iä V (jo-jo) waswre-gataki. go- J|J (kb-
won) nari tote jorokobi-si-to nari. Kore-wo i-zen-ni korosi-na-ba
nani-tote kaku-bakari. waga ajamari-to-wa omo-beki-ja-to tono-
ni-mo mata-mata jorolcobi-tamajeri-to-ka-ja.
Später trat er vor Herrn Ike-da, den Inneren des Pa
lastes, und als Abgesandter des Reiches kam Sige-e-mon.
Alle Menschen blickten finster und sagten: Der abscheuliche
Schmeichler ist gekommen. — Der Herr Statthalter von Fi-go
Sitzungsber. d. phil.-hist. CI. XCV. Bd. I. Hft. 19
290
Pfizmaier.
sagte: Jener Menscli hierher! und rief ihn hervor. Er sagte:
Ich bin mit dir lange Zeit nicht zusammengetroffen. Wenn
ich mit dem Herrn, dem Inneren des Palastes, welcher, wie es
scheint, dich angestellt hat, zusammentreffe, so werde ich alles,
unter einander gemengt, ihm sagen.
Sige-e-mon, fortwährend zu Thränen gerührt und schluch
zend, sagte: Wie schätzbar ist euer Herz! Mein Fehler hat
die äusserste Gipt’elung erreicht. Weil durch alles Leben,
alle Zeitalter hindurch eure hohe Gnade unvergesslich ist,
habe ich mich gefreut. Wenn man mich früher tödtet, wie
könnte ich in einem solchen Masse an meine Fehler denken?
Ist es bei dem Herrn auch der Fall, dass er immer wieder
sich freut?
m m (Yen-kon) )|^ (kuai)-ico nasu.
Der Hass des Affen bewirkt Seltsamkeiten.
Kusi-ge-dono kita-jama uxrico-fara-no pjy (tsi-gio-
sio)-nite teppb-iro motsi icotro-zaru-no mije-si-tco nerai-tamb. Saru
onore-ga fara-ico wosijete te-tco awase-tari-si-wo utsi-kbrosare-si.
Sono ß-jor! kokotsi asi-ki tote mijako-m kajeri-tamb. Tsune-ni
kitareru W m o -si)-no mije-si fodo-ni jagate (miaku)-wo
mise-tamaje-ba kore-wa tsune-no jamai-ni-wa kmcareri. Mamvsi-
tco motsi-i-tamatra-ba tatsi-dokoro-ni simsi ari-nan. Sara-ba sore-
tco moiome-jo-to.
Der Herr Kusi-ge ergriff auf seinem Lehen Wowo-fara
in Kita-jama eine Flinte und zielte auf einen grossen Affen,
welcher sich zeigte. Der Affe, der, seinen eigenen Bauch in
Acht nehmend, die Hände zusammengelegt hatte, wurde ge-
tödtet.
Seit diesem Tage sagte Kusi-ge, dass er sich schlecht
fühle und kehrte nach Mijako zurück. Als ein gewöhnlich
kommender Arzt erschien, liess er ihn sogleich den Puls fühlen.
Der Arzt sprach: Dieses hat sich aus einer gewöhnlichen
Krankheit verändert. Wenn ihr eine Kalter verwendet, so
wird es auf der Stelle ein Kennzeichen geben.
— Also verschaffe sie.
Begebenheiten neuerer Zeit in Japan.
291
In tokoro-je wmco-wara-no m Hg (seb-ja) kitari-si-ka-bn
tada-ima nandzi-ga Jcata-nite mamusi-wo tori-te ma-irase-jo-to
tsukai-wo tsukawasu tokoro nari. Seo-ja-ga iwaku saiwai fito-ni
tanomarete mamusi-wo motsi kitari-sbrb kiü-naru on-koto-ni sb-
raica-ha madzu kore-wo tate-matsuru-besi tote iori-id,asi-icerv-v:o
jagate i-si-no icosije-si. mama-ni totonojete rna-irase-keru-ni
(netsu) fanafada sakan-ni natte taica-koto-ico i-i osorosi-kan-
kere-ba woi-tvoi i-si-no moto-ni fito-wo jari-kern-ni.
Indem er dieses sagte, war der Dorfälteste von Wowo-
fara gekommen.
— Es v'erde ein Bote geschickt, welcher in deiner Gegend
eine Natter fangen und herbringen lässt.
Der Dorfälteste sprach: Glücklicher Weise wurde ich
von einem Menschen darum gebeten und habe eine Natter
gebracht. Wenn es bei euch eine dringende Sache ist, so kann
ich sie euch früher darbieten. — Hiermit nahm er sie hervor.
Man bereitete sie sogleich nach der Vorschrift des Arztes
und reichte sie. Das Fieber wurde sehr heftig, er redete irre
und war furchtsam. Man schickte eilig zu dem Ärzte.
■Jb-jaku i-si-mo kitari-si-ni mamusi-ico ma-irasete-jori kaku
koso owasure-to kataru. 1-si odoroki soregasi-wa kono goro gb-
sitt-ni. makari tada-ima kajerirsi tokoro-ni tsukai täbi-tabi-ni ojobi-
si-fo uke-tamawari-te ma-iri-sbrb-to w # (sekkaku) kore-wo
kUd fu-si-gi-no koto nari tka-ni-mo juje aru-besi tote woico-fara-
ni fito tsukawasi-te towase-keru-ni seb-ja kono aida-wa
(kib-to)-ni ide-sbrawazu-fo in.
Endlich kam auch der Arzt. Man erzählte ihm, dass,
nachdem man die Natter gereicht, der Kranke sich so befinde.
Der Arzt war erstaunt und sagte: Ich war um diese Zeit nach
G6-siü verreist und als ich eben jetzt zurückkehrte, vernahm
ich, dass ein Bote mehrmals angelangt sei. Kaum dass ich
hereinkomme, höre ieh dieses. Es ist eine wunderbare Sache.
Es muss irgendwie eine Ursache haben.
Man schickte nach Wowo-fara einen Menschen und liess
fragen. Man sagte, der Dorfälteste sei während dieser Zeit
nicht in die Hauptstadt gekommen.
Kore tada-koto-ni arazu tote kusi-ge-dmw-no (ren-
si)-hite owasi-keru ^ J (waka-icb-sij ^ (m-zib)-to
19*
292
Pfi y,in ai e i.
ßj (rokkalcu-no) jjj jjl| (seo-sen-in) jjj (sd-ziö)-
to ai-tomo-ni jfj^ (dan)-wo kazari-te inorase-tamo-ni dan-no uje-
ni wowo-zaru fito-tsu araware-si-wo sb-zib jagate fiki-kumi dan-
jori sita-ni korobi wotsi-saru-ivo osajen-to serave-si-ni saru-wa
nigete p^| ßj* (mon-guai)-nite juki-gata-naku nari-si-ka ba so-
zib-mo sate-wa kono inori kanawazu tote dan-ioo jaburare-si kono
toki-ni (bib-zia) iki-taje-keru-to-ka-ja.
In der Meinung, dass dieses keine gewöhnliche Sache sei,
schmückten der Richtige der Bonzen bei dem jungen Königs
sohne und der Richtige der Bonzen von dem sechseckigen
richtigen Gebäude der Unsterblichen, Menschen, welche die
Brüder des Herrn Kusi-ge waren, einen Erdaltar und beteten.
Auf dem Erdaltare zeigte sich ein grosser Affe. Die Richtigen
der Bonzen umklammerten ihn sogleich und rollten ihn von
dem Erdaltar herab. Sie wollten den gefallenen Affen nieder-
drücken. Der Affe entfloh, und da vor dem Thore der Ort,
wohin er gegangen, nicht zu sehen war, sagten auch die Rich
tigen der Bonzen: Also ist dieses Gebet unmöglich! — Sie
zerstörten den Erdaltar, und um diese Zeit gab der Kranke
den Geist auf.
forobosu.
Ein
vernichtet das Haus.
(Setsu-gai)-no (f (*) * (ko)-fo natte ije-ico
gemordeter Bonze wird der Sohn und
Je-do-nite aru ka-tsiu-no JjjA P|j (iwa-ma) (kan)-za-
je-mon-to iü moho-no ■7- 0") A + M (fatsi-ziü-ro) onazi
^ |>|$ (roku-ziü-rb) jfj| 2^1 (baku-jeki)-ni fokoreri. Jo
fvkete-wa ^ (sai)-musume nado-mo idete # & (sa-fo) mi-
gurusi-ki kikoje ciri-si-ka-ba woja-wa jJt (seppvku)
(ko) futari-wa (sen-siü)-nite kubi-wo fanerare-si.
Fatsi-ziü-rö und Roku-ziü-rö, die Söhne eines in Je-do
lebenden Hausgenossen Namens Iwa-ma Kan-za-je-mon, waren
dem Spiele ergeben. Wenn es tief in der Nacht war, gingen
seine Gattin und seine Töchter aus, und von ihrer Aufführung
verlauteten hässliche Dinge. Der Vater schnitt sich den Bauch
auf, die zwei Söhne wurden in Sen-siü enthauptet.
Begebenheiten neuerer Zeit in Japan.
293
Oja-seppuku-no toki Jfya m (ken-si)-ni mukai sibaraku
matsi-tamaje mosi-oki-taki koto ari. Ware niaku-nen-no koro
akinai-fiziri fi-goro i-i-kawase-si koto-no ari-te nen-goro asa-ka-
razu wori-ni-wa ivciga fe-ja-ni kitari tomari-si aru toki kin-su
san-fiaku-rib amari motsi-kitari kon-do-wa si-aiocise joku-te |J
(kin-zitsu) mijako-je ctgaru tote sono (jo)-mo onazi-töko-ni
ne-tari-si-ga tsuku-dzuku-to omoi-keru-ioa kono fito-ivo korosi kane-
ioo tori omö mama-ni tsukai-fabera-ba kokoro-jolcaran-to 35
(aku-nen) okori-si-wo jjj ^ (siiikke)-to i-i sitasi-ki tomo-to i-i
saburai-no ni-awazaru koto ika-de aru-beki-to mi-ico kajeri-mite
nere-ba sara-ni ne-gataku-te tsui-ni ake-gata-ni sasi-korosi si-gai-
wo fukaku kakusi kudan-no kane-wo tsukb-ni mono-koto ^ M
(fu-soku) na-kari-si-ka-ba notsi-ni-wa imizi-ku-mo si-tavi-to omoi-
si koto-mo faberi-si.
Zur Zeit als cler Vater sich den Bauch aufschnitt, sagte
er zu dem untersuchenden Abgesandten: ,Wartet eine Weile!
Ich habe etwas, das ich aussagen möchte. Als ich ein Jüng
ling war, geschah es, dass ein mit Handel sich befassender
heiliger Mann gewöhnlich mit mir Worte wechselte, und seine
Freundlichkeit war keine geringe. Zuweilen kam er in mein
Zimmer und kehrte bei mir ein. Zu einer Zeit brachte er
über dreihundert Tael Goldes. Er sagte: Diessmal ist die Ge
legenheit gut, ich werde nächster Tage nach Mijako reisen. —
Diese Nacht schliefen wir in einem und demselben Bette. Ich
dachte ernstlich: Wenn ich diesen Menschen tödte, das Geld
nehme und es nach Gutdünken verwende, so werde ich in
Gemächlichkeit leben. Indem ich diesen bösen Gedanken
fasste, nahm ich auf mich Rücksicht und dachte: Es ist ein
Bonze, es ist ein nahestehender Gefährte. Wie könnte eine
für einen 'Kriegsmann unpassende Sache stattiinden? Es war
mir unmöglich, zu schlafen, es wurde endlich Tagesanbruch,
und ich erstach ihn. Ich versteckte den Leichnam gut, nahm
das erwähnte Geld und verwendete es. In meinen Sachen war
nichts Unzureichendes, und später glaubte ich, dass ich etwas
Vortreffliches gethan habeb
Sono notsi i||E (sai)-ico mukajete fatsi-ziü-rb umare-si-ja
ina-jct ubu-ja-no utsi-ni kakajete miru-ni kano fiziri-ni sukosi-mo
tagawazu. Amari fiL-si-gi-sa-ni fiziri-no kosi-sita-ni-wa folcuro
ari-si kore-ni-wa naki-ka-to mire-ba azajaka-ni ari. Sate-wa
294
Pfizmaier.
fiziri-no waya Ico-ni mumare-taru-jo-to wosorosi-ku omoi-si-ga
itsu-si-ka fito-to nari-nu. Ima kakaru uki-me-ni cd nt ± ( bu -
si)-no mitsi-ni arazaru wowari-wo tori-si koto mattaku fatsi-ziu-
rb-ga toga-ni arazu waga ijS (seki-aku) ima koko-ni mu-
kui kitareri. Kore-wo |'fj^ >|^ (zan-ge)-si # £ (go-sed)-ivo
tasukaru tajori-ni-mo nare-kasi-io fadzi-ivo-mo kajeri-mizu-site
m'öse-si nari. Ono-ono —• (ippen)-no Ifil fHj (je-kb) ta-
muke-sase-tamäje. Wakaki kata-gata-wa kore-wo mi-oki-tamaje
kanarazu jokosima-naru koto si-tamo-na. Ima kore-made nari
tote seppuku-se-si-to nari.
Später nahm ich eine Gattin, und Fatsi-ziü-rö wurde
geboren, vielleicht auch nicht. Als ich ihn in dem Wochen
zimmer in die Arme nahm und anblickte, war er von jenem
heiligen Manne nicht im Geringsten verschieden. Zum Ueber-
flusse des Wunderbaren hatte der heilige Mann unter der
Hüfte ein Mal. Als ich nachsah, ob dieses nicht vorhanden
sei, war es deutlich vorhanden. Ich dachte entsetzt: Also
wurde der heilige Mann als mein Sohn geboren! — Zu einer
Zeit war er erwachsen. Dass ich jetzt in solche Mühseligkeit
gerathen bin und ein Ende nehme, welches nicht der Weg
des Kriegsmannes ist, dieses ist nicht gänzlich die Schuld
Fatsi-ziCx-rö’s. Für mein aufgehäuftes Böse ist jetzt hier die
Vergeltung gekommen. Indem ich dieses bekenne, möchte es
ein Mittel zur Rettung des künftigen Lebens sein, und auf
die Schande nicht Rücksicht nehmend, sagte ich es. Möge
ein Jeder als Handopfer die Gebete hinlegen. Junge Herren,
sehet dieses! Hütet euch, Unrechte Dinge zu thun. Jetzt ist
es so weit gekommen. — Dieses sagend, schnitt er sich den
Bauch auf.
ub (Won-nen) tatsi-matsi /|X /jr (bu-zio)-ni tsukete
kataki-ioo -=|£ (gai-su).
Man heftet die Rachsucht plötzlich an eine
Beschwör er in und tödtet den Feind.
Je-do jiljj (go-tsiaj-no midzu-no jama-gidsi (ija)
go-za-je-mon dono ke-rai-wo jj|jj (fi-db)-ni korosare-si ||| zjh
(rei-kon) siu-zin-ni tsuki aranu koto kutsi-basiri-si-ka-ba mi-ko-
Begebenheiten neuerer Zeit in Japan.
295
wo maneki jori-wo tatasase inori-keru-ni ^ pjy (ki-nen-
sio)-ni nuki-nii-wo tate-oki-taru-ni sono katana-wo ottori ija go-
za-je-mon-ivo tada fito-utsi-ni kiri-korosi-taru aida sunawatsi
mi-ko pjy (feö-zio-sio)-ni fiki-idasi sm-gi masi-masi-
keru-ni mi-ko-ga iwaku sara-ni oboje-faberazu wäre wonna-no
mi-nite nani-no m m (i-kon)-mo naki-ni ajame-mosan-ja-to
i-i-si-wo sa-mo ari-nu-beki koto-to kiki-todoke-tamai mi-ko-wa |j||
(nein)-wo nogare-ni-keri.
In Je-do, an dem Bergausgange des Wassers Go-tsia,
hatte der Herr Ija Go-za-je-mon einen Hausgenossen wider
rechtlich getödtet. Der Geist des Getödteten heftete sich
an den Vorgesetzten und sprach durch dessen Mund unbe
gründete Dinge. Man berief eine Beschwörerin imd liess sie
ein Bannseil aufrichten. Während sie betete, hatte man an
dem Orte des Gebetes eine blosse Schwertklinge hingestellt.
Sie ergriff dieses Schwert und tödtete Ija Go-za-je-mon mit
einem einzigen Hiebe.
Unterdessen führte man die Beschwörerin in das Gerichts
haus. Als man Nachforschungen machte, sagte die Beschwö
rerin : Ich erinnere mich durchaus nicht. Da ich als ein Weib
gegen ihn keinen Groll empfinde, warum sollte ich ihn tödten?
— Man nahm an, dass es so gewesen sein könne, und die
Beschwörerin entkam dem Unglück.
(Ken-si)-ivo korosi-te notsi m m (kei-riku)-
seraru.
Nachdem man einen Mann der Bestätigung
getödtet, wird man mit dem T o d e bestraft.
Mijako fatsi-man-no fasi moto-ni k'ozi-ja ffel (jo)-za-je-
mon-to iü mono-wo & Ü (dzib-siüku)-ni si-keru jama-busi aru
toki kitari-te katari-si-wa tosi-fisasi-ku kitari-si-ka-domo sa-nomi-
no koto-mo na-kari-si-ni kon-do mitsi-mitsi-na j]py Jpg (ki-td)-
wo tanomare fu-se-ni gin-su ni-mai uke-si sono iwai-ni sake ma-
irasen-to ari-kere-ba sove-wa tjt (tsin-teo)-no koto nari
ware-mo ajakaran tote sakana-ico totonoje tagai-ni nomi-keri.
Jama-busi joi-ni-sitc ne-taru tokoro-ivo sasi-korosi-te-geri.
296
Pfizmaier.
Ein wahrsagender Bonze, der seine Einkehr bei einem
an der Brücke Fatsi-man in Mijako wohnenden Hefenverkäufer
Namens Jo-za-je-mon nahm, kam zu einer Zeit und sagte im
Gespräche: Ich bin schon lange Jahre gekommen, doch eine
solche Sache ist noch nicht gewesen. Diessmal wurde ich auf
den Wegen um Gebet ersucht und erhielt als Almosen zwei
Stück Silber. Zur Feier dessen werde ich Wein darbieten. —
Der Andere sagte: Dieses ist eine kostbare Sache. Auch ich
werde etwas Aehnliches thun.
Er schaffte Fisch her, und sie tranken mit einander.
Als der wahrsagende Bonze in der Trunkenheit eingeschlafen
war, erstach ihn Jener.
Sono goro mijako-ni fo-kö-sase-keru mumme kitari-ite kono
ari-sama-wo mite oja-nagara-mo osorosi-ki koto suru mono-kana-
to mamori-i-keru-ga. Jagate H[ (ran-sin)-site kutsi-basiri
nasake-na-ja wadzuka-no kane-ni loare-iuo korosu kono urami
sukosi-kcirazu mi-jo-mi-jo nandzi % 1 (an-on)-ni-ica taku-
nuisi-ki-zo ara kutsi-wosi-ja-to nonosiri-sakebu fodo-ni woja-no
kasira-ni nawa-wo tsuku-beki mono nari tote kore-mo sasi-ko-
rosi kmva-ni nagasi-keri.
Um diese Zeit war seine Tochter, welche er in Mijako
dienen Hess, gekommen. Indem sie diesen Umstand sah, dachte
sie sich: Obgleich es der Vater ist, verübt er schreckliche
Dinge! — Sie war auf ihrer Hut. Sogleich wurde sie im
Herzen verwirrt und sprach mit dem Munde des Todten:
Unbarmherzig! Wegen einer Kleinigkeit Geldes tödtet man
mich. Dieser Hass ist kein geringer. Siehe, siehe! Du lebst
in Ruhe wohlauf, wie bedauerlich!
Als sie so schmähte und schrie, sagte er: Sie ist eine,
die an den Hals des Vaters den Strick legen kann. — Er
erstach auch sie und warf sie in den Fluss.
Tsuma-ga iioaku musume-ga nuno-ko-wa fagi-te nagasi-
keru-ka-to ije-ba joku i-i-tari-to faruka-ni nagare-si si-gai-wo
ivokkake fadaka-ni nctsi-te jari-keri. Kaku-bakari A ^ A
(aüi-aku-nin) juje ivokkake nusu-bito-no jado-ivo se-tsi toga-nite
fai'i-tmke-ni kakareri. Kono toki nani-to omoi-kaje-keru ni-ja
dan-dan-no aku-zi-wo (zan-ge)-site-geri.
Die Mutter fragte: Hast du das Tuchkleid der Tochter
ausgezogen und sie dann in das Wasser geworfen V
Begebenheiten neuerer Zeit in Japan.
297
— Es ist gut gesagt.
Er lief dem Leichnam der weit weggeschwommenen
Tochter nach, zog sie nackt aus und trieb sie fort.
Wegen eines so grossen Bösewichts machte man sich
auf die Verfolgung, und er wurde wegen des Verbrechens,
Räuber beherbergt zu haben, an das Kreuz gehängt. Wie
mochte er um diese Zeit anders gedacht haben! Er gestand
seine nach und nach verübten bösen Thaten.
Woi-wo korosi-te ami-wo jaku.
Man tödtet den Neffen und man verbrennt
das Netz.
So-siü $ g (fon-me)-ura-ni (dai-ku) fatsi-ro-
bib-je-to iü mono-no looi-ni (aku-nin) atte mote-atsukai-
si-fja tsui-ni karamete umi-ni sidzume korosi-keru-wa jen-fo sitsi-
nen-no natsu-no koto ari-si. Joku-nen-no natsu (sai) % *
(nan-si)-wo umu. Tori-agete mire-ba fitai-ni tsuno ari ±T
(zio-ge)-no (fa) kui-tsigai sono ivomote-buri woi-ni ni-tari-
si-wo osorosi tote ^*|Jf X (sai-ku)-no db-gii-bako-wo itje-ni tooki-
te wosi-korosi-keru-ni.
An der Bucht Fon-me in Sö-siü hatte ein Zimmermann
Namens Fatsi-ro-biö-je zum Neffen einen bösen Menschen und
verhandelte mit ihm. Zuletzt band er ihn und versenkte ihn
in das Meer. Dieses geschah im Sommer des siebenten Jahres
des Zeitraumes Jen-fo (1679 n. Chr.).
Im Sommer des nächsten Jahres gebar die Gattin einen
Knaben. Als er ihn emporhob und anblickte, befand sich auf
dessen Stirn ein Horn, die oberen und unteren Zähne standen
einander ungleich gegenüber und dessen Gesichtszüge hatten
Aehnlichkeit mit denjenigen des Neffen. In der Meinung, dass
dieses fürchterlich sei, stellte er über ihn die das Handwerks
zeug enthaltende Kiste und erdrückte ihn.
Sibaraku-wa muku-muku-to motsi-age-si-to-ka-ja sore-ivo mi-
ko-no adzusa-ni kakete hiki-keru-ni ware-wo umi-ni sidzume-si
urami fukaku-te -jp (ko)-to umare ata-wo nasan-to se-si-ka-do
mata korosare-nure-ba tsikara nasi. Kono uje-wa e||| (kua-
298
Pfizmaier.
'nanj-ni awasu-besi-to i-i-si-ka-ba sono notsi fodo-naku ura-no
mono-to issio-ni ami-wo fosi-oki-si-ni f'atsi-ro-bib-je-ga ami nomi
nivoakci-ni moje-agari-te jake-faberi-si-to-ka-ja.
Nach einer Weile war es, als ob es in windender Be
wegung die Kiste erhöbe, und man sagte: Ich habe dieses an
den Hartriegel der Beschwörerin gehängt und es gehört. Der
Hass darüber, dass man mich in das Meer versenkte, war tief,
und ich wurde als Sohn geboren, wollte als Feind auftreten,
doch da man mich wieder tödtete, habe ich keine Kraft.
Ueberdiess werde ich Feuerschaden erleiden lassen.
Später, nicht lange nachher, legten die Menschen der
Bucht gemeinschaftlich ihre Netze zum Trocknen nieder. Das
Netz Fatsi-ro-biö-je’s allein loderte plötzlich auf und verbrannte.
W M ( Firi )- n i jatsuko-wo korosi _ (ni-si) Ö %
(kio-bio)-su.
Man tödtet ohne Recht Sclaven und zwei
Söhne werden wahnsinnig.
Bi-siü towo-jama m ü (ka-monj-to iü fito mai-nen ke-
rai-ivo te-utsi-ni M M (sei-bai)-seraruru koto sono kadzu-wo
sirazu. Ka-mon futari-no ko an ani-wo lil (zin-no
suke) wototo-wo M Z ® (muma-no suke)-to iü. Tomo-ni
SL (ran-sin)-site-geri.
Die Zahl der Hausgenossen eines Menschen Namens
Ka-mon aus Towo-jama in Bi-siü, welche alljährlich von ihm
durch Erschlagen gestraft wurden, kennt man nicht. Ka-mon
hatte zwei Söhne. Der ältere hiess Zin-no suke, der jüngere
hiess Muma-no suke. Sie wurden zugleich geisteszerrüttet.
Sono wokoru toki-wa =f (doku-gon)-ni ware-wa nani
je-mon nani za-je-mon nani suke nani kura-nite sbro-zo ware
war e-wa sukosi-no toga-nite faberu-ni inotsi-no (gi) o-jurusi
o-tasuke-tamoware-ja-to tsubvjaki-te-wa mata manako-wo ikarakasi
asi-ki jatsuko kana sore-dzure-no koto iü-ni-ja nan-deö onore-wo
tasuken-to i-i-te-wa futto tatsi-te fasira-nite lmsira-wo utsi-tsuke-
utsi-tsuke utsi-jaburi * 5E (zessi)-si-keru-ivo sono mama-ni
sute-oke-ba mata jomi-kajeri-te ie m (sio-ki)-ni nari mi-no
uje-wo kanasi-i-nageku koto ki'o-dai tomo-ni onazi-kavi-si-to-nan.
Begebenheiten neuerer Zeit in Japan,
299
Als ihr Wahnsinn ausbrach, sprachen sie mit sich selbst
und flüsterten: Ich bin der und der Je-mon, der und der Za-
je-mon, der und der Suke, der und der Kura. Wir haben eine
geringe Schuld. Wird die Sache des Lebens von euch zuge
standen, von euch gerettet? — Ferner blickten sie zornig mit
den Augen und sagten: Welch’ ein schlechter Sclave! Eine
solche Sache sagst du? Wie werde ich dich retten?
Plötzlich erhoben sie sich und die Häupter immer an
einen Pfeiler stossend, zerbrachen sie ihn. Sie waren gänzlich
todt, und als man sie so liess, wurden sie wieder lebendig und
waren bei Sinnen. In der Traurigkeit und der Beklagung ihrer
selbst blieben die Brüder einander gleich.
Muma-wo itsuwari-te e m (kub-si)-m.
Man sagt bei dem Pferde Lügen und stirbt im
Wahnsinn.
(Matsu-fira) a-wa-no kami dono muma-wo seme-
sasen tote kai-wo si-taru-ja-to tadzune-tamai-si-ni sukosi kai-tsure-
domo kurusi-karazi-to omoi imada kai-faberazu-to mbsi-tari-si-ka-
ba soho muma-wo seme-tamo. Sikari-si-jori sono muma wadznrai-te
tsui-ni JE (si)-si-keri.
Matsu - fira, der Herr Statthalter von A - wa, wollte ein
Pferd abrichten und fragte: Ist es gefüttert? — Man erwiederte:
Ich habe es ein wenig gefüttert, doch ich glaube, es kann nicht
mühsam sein. Ich füttere noch nicht. — Jener richtete dieses
Pferd ab. Weil es so geschehen, wurde das Pferd krank und
starb zuletzt.
Mono notsi muma-ja-no mono ei (kio-ki)-site kutsi-basiru
j'o-vja tono-no o-ose-ni-mo kai-wo sezu-wa norazi-to koso faberi-
si-ni onore itsuware-si juje kaku jamai-dzuki n (si)-tare-ba
kono urami nandzi-ni ari-to i-i-te tsui-ni kurui-sini-keri.
Hierauf wurde der Mensch des Pferdestalles wahnsinnig
und sprach mit dem Munde des todten Pferdes: In dem Be
fehle des Herrn hiess es: Wenn man nicht gefüttert hat, so
besteigt man es nicht. Weil du gelogen hast, wurde ich so von
300
Pfizmaier.
Krankheit befallen, und ich bin gestorben. Dieser Hass fällt-
auf dich. — Alsbald starb er im Wahnsinn.
M (Nu-fi)-wo fgj; (kin-goku)-si &£ (zia)-ni £&
(fen)-site inotsi-ivo ub'o.
Eine Magd, in das Gefängniss gesetzt, ver
wandelt sich in eine Schlange und raubt das
Leben.
Je-do ßsa-je-mon matsi-ni ^J' Jg (kon-ja) ik (sa)-ta-ro-to
iü mono ari. Aru jo nusu-bito-ni ai ka-nai-no sen-saku imizi-
kari-si-ni (ge-zio)-ga mippu sono jo kitari-si-ico siru-
be-ni bu-gio-sio-ni uttaje-si-ka-ba toi-zib-ni kakaru. Kono ivotoko-
wa (sa-ku-ma)-teo T (san-ted)-me (kin)-
bi'o-je-to iü mono nari kore-ga siü-zin kono mono-wa sa-aru koto
suru mono-ni-ica arazu-to kataku mbsi-tatete adzukari-nu.
Zu Je-do, in der Strasse Fisa-je-mon lebte ein Färber
Namens Sa-ta-rö. Derselbe traf in einer Nacht einen Räuber.
Indem er die Untersuchung in dem Hause sorgfältig betrieb,
erfuhr er, dass der Buhle der Magd in jener Nacht gekommen
war. Als er dieses dem Amte des Oberaufsehers anzeigte, schritt
man zur Befragung. Dieser Mann war ein Mensch Namens Kin-
biö-je aus dem dritten Hause der Strasse Sa-ku-ma. Dessen
Vorgesetzter behauptete fest, dass dieser Mensch kein Mensch
sei, der eine solche That begeht, und erklärte sich für verant
wortlich.
Kudan-no wonna nomi ft 59 (gö-mon)-ni kakari tsuraki
seme tabi-tabi-ni kasanari wadzurai-si-wo siü-zin-ni (kan-
bib)-su-besi-to no-tamai-si-ka-do sa-ta-ro-ga (sai) motte-no
foka-ni ikari-nonosiri nusu-bito-ni woi-to-wa kono koto nari sina-
ba sine-to tori-awazari-si-ni tsui-ni komori- (si)-si-tari-si-wo
si-gai-wo tori-oku-besi-ja-to o-oserare-si-ka-do nawo-mo sono koto
ima-imasi tote mimi-ni-mo kiki-irezari-si-ka-ba 0 J# Bl (siü-
goku-si)-jori tera-ni wokuri-si.
Man schritt bloss zum Verhöre des erwähnten Weibes.
Da harte Peinigung sich mehrmals wiederholte, wurde sie
krank. Man sagte ihrem Herrn, dass er sie in der Krankheit
Hp^ebenheiien neuerer Zeit in Japan.
HOI
pflegen möge. Die Gattin Sa-ta-rö’s zürnte und schmähte
jedoch, indem sie sagte: Für den Dieb eine Dareingabe ist
diese Sache. Wenn sie stirbt, so sterbe sie. — Sie kümmerte
sich nicht, und die Magd starb bald in dem Gefängnisse. Man
befahl, dass sie den Leichnam wegnehme, doch es war ihr
noch immer unangenehm, und sie hörte es nicht an. Der
Vorsteher des Gefängnisses schaffte hierauf den Leichnam in
den Tempel.
Sono goro sa-ta-rb-ga ^ (sai) itawari-si-ga jo-na-jo-na
an-do-no uje-ni febi wadakamari-si sono toki-wa koto-ni kurusi-
mi-keri. Febi-wo korosi-te sutsure-domo mata tsugi-no jo-wa kitari-
iru-nari su-beki koto-naku mote-atsukai-si-ga tsui-ni mi-makari-si.
Si-gai-wo moku-joku-sase-keru-ni kubi-ni febi-no matoi-tari-si-wo
wotto mirn-jori mi-no ke jodatsi-te uki koto-ni omoi ije-wo ide
fl AÜ> (fossin) f(^ ff (siu-gib)-no mi-to nari-nu.
Jetzt empfand die Gattin Sa-ta-rö’s Mitleid. Allnächtlich
krümmte sich über der Laterne eine Schlange, und um diese
Zeit war sie besonders leidend. Sie tödtete die Schlange und
warf sie weg, doch diese kam die nächste Nacht wieder und
verblieb. Ohne etwas thun zu können, befasste sie sich damit
und alsbald verschied sie. Als man den Leichnam waschen
liess, hatte sich um ihren Hals eine Schlange gewunden. So
bald ihr Mann dieses sah, standen ihm die Haare zu Berge
und dieses für eine traurige Sache haltend, trat er aus dem
Hause, bekehrte sich und wurde ein den Wandel Uebender.
Mumä-no suzi-fone-wo itamete J[i$ # (sin-zen)-ni k
(tsi)-wo miru.
Man verletztSehnen und Knochen des Pferdes
und sieht vor dem Gotte Blut.
Mnsasi-no A 3E T (fatsi-wb-si) sen-nin-siü kasira
W, #■ (fara-fan)-sa-je-mon dono tsune-ni muma-no wo-suzi
maje-suzi-wo kiri jaki-gane-wo atsuru koto-wo konomare-si. Aru
tosi-no guan-nitsi-ni si-soku fff- (gon)-ziü-rb udzi-gami-je J|\f fßi
(sia-san)-sen tote tori-i-no maje-made jvkare-si-ga ana kitana-no
muma-no k (tsi)-ja ko-wanani-to iü koto-zo jjjjj' (sin-zen)-made
(man-mnn)-tarisan-kei-wanaru-be-karazu. Tomo-no saburai-
domo ika-naru koto no-tamb-ni-ja tsi-wa katsu-te mije-faberazu-to.
302
Pfizm aipr.
Der Herr Fara-fan-sa-je-mon, das Haupt der Menge der
tausend Menschen der acht Königssöhne von Musasi. liebte
es gewöhnlich, die Schweifsehnen und vorderen Sehnen des
Pferdes zu dui-chschneiden und ein glühendes Eisen darüber
zu halten.
An dem ersten Tage eines Jahres wollte sein Sohn Gon-
ziü-rö den Altar des Gottes der Geschlechtsnamen besuchen
und war bis zu dem Yogelsitze gegangen, als er ausrief: Sehr
schmutziges Pferdeblut! Was bedeutet dieses? Es hat sich bis
zu der Vorderseite des Gottes verbreitet. Der Besuch des
Tempels kann nicht stattfinden.
Die ihn begleitenden Kriegsmänner sprachen: Was für
eine Sache sprechet ihr? Blut ist durchaus nicht zu sehen.
Ije-domo mi-dzukara-ga me-ni-wa mina tsi-nite fnmu tokoro
nasi tote tori-i-no foka-nite nukadsuki kajeri-keru-jori wadzurai-
dzuki muma-no inanaku ma-ne-wo si nanu-ka-ni atari-sifi ie m
(sib-ki)-ni nari-te iwaku mu-nen-ja woja-no jo-karanu koto-ico site
muma-wo kurusime-taniö (zai-sib) ware-ni mukui tsikn-
sib-do-ni (das) suru koto-no kanasi-sa-jo tote % ‘1# (**-
kuai)-serare sono $ (jo) munasi-ku narare-ki.
Er aber sagte: Vor meinen eigenen Augen ist alles Blut.
Es ist kein Ort, auf den ich treten könnte. — Er schlug ausser
halb des Vogelsitzes das Haupt an den Boden. Sobald er
heimgekehrt war, wurde ihm unwohl. Er ahmte das Wiehern
des Pferdes nach. An dem Tage, an welchem es sieben Tage
waren, kam er zu Sinnen und sagte: O Leid! Der Vater thut
Dinge, welche nicht gut sind, und quält Pferde. Das hindernde
Verbrechen wird an mir vergolten. 0 die Traurigkeit, dass
ich dem Wege der Thiere verfalle! — Reue bezeigend, starb
er in derselben Nacht.
(Dai-zia)-u'o ;j|£ (setsu-gai)-site notsi onazi-bi-ni
Man zerhaut eine grosse Schlange und stirbt
später an dem nämlichen Tage.
Tö-db idzumi-no kamt dono utsi » 0 (waka-wara)
(i~j°)~to iu fito-no ke-rai (zin-fei)-to iu mono
Begebenheiten neuerer Zeit in Japan.
303
i-se-no ^|j (ga-ma)-wo fune-nite toworu toTd iwa-ni ataru-to
omoi-si-ni wobitatasi-ku fibiki-te * (dai-zia) ugolci-ide-tari.
Als Zin - fei, der Hausgenosse eines in dem Inneren To-
dö’s, des Herrn Statthalters von Idzumi, befindlichen Menschen
Namens Waka-wara I-jo, durch Ga-ma in I-se zu Schiffe reiste,
glaubte er, dass man an einen Felsen stosse. Es wiederballte
gewaltig, und eine grosse Schlange hatte sich herausbewegt.
Zin-fei suJcosi-mo sawagazu katana-wo nuki * ftfe ( dai-
zia)-no kasira-wo vtsi-otose-si sono take ziü-san-ken ari-si. Kakaru
mono-wa ato-ni tatari-wo nasu-to iu * (ko-zitsu) ari tote
db-wo mi-tsu-ni kiri kubi-to issio-ni fomnri-te tobwrai-si-ni ziu-
san-nen-me-no (do-guatsu) ft 0 (do-zitsu) |iT 3^|J
(db-kokti)-ni midzu-wo nomu tote musende sini-keri. Ika-naru
koto-no ajasi-ki koto-no ari-keru-ni-ja sadamete (zia)-no juje
naru-besi-to fito-bito mbsi-ajeri-ki.
Zin - fei, nicht im Geringsten bestürzt, zog das Schwert
und hieb das Haupt der grossen Schlange ab. Die Länge
derselben betrug dreizehn Ken. Meinend, es sei ein altes
Gesetz, dass solche Wesen iu der Folge Heimsuchung bewirken,
zerhieb er den Rumpf in drei Theile, vergrub diese zugleich
mit dem Haupte und beging die Trauer.
Im dreizehnten Jahre, in demselben Monate, an demselben
Tage und in derselben Viertelstunde, indem er Wasser trank,
schluchzte er und starb. Welche Seltsamkeit irgend einer
Sache geschehen sein mochte ? Die Menschen sagten unter
einander, dass es wahrscheinlich wegen der Schlange sein
werde.
Kome-wo ubai momo-wo kiri -b ft (sitsi-dai) asi-wo jamu.
Man raubt Reis, haut den Schenkel ab, und
sieben G e schl e cht s al t er haben kranke Füsse.
Seki-ga-icara pj|[ (dzin)-ni, ,{3| (mi-ma) Jr (sui)-san-
rb-to iü fito jama busi-no fl (bei-nö)-wo motsi-te towori-keru-
wo Jk (fib-ro)-no tame-ni tote jama-busi-no migiri-no taka-
momo-ico kin-te otosi kome-wo ubai-tori-kere-ba jama-busi tcowoi-ni
ikari-te sitsi-dai-wa urami-wo nusan-to omeki sini-keri.
Pfizmailo r.
304
/
In dem Kriegslager von Seki-ga-fara hieb ein Mensch
Namens Mi - ma Sai - san - rö, als ein wahrsagender Bonze mit
einem Sacke Reis hindurchging, unter der Angabe, es sei
wegen der Mundvorräthe der Krieger, den rechten Ober
schenkel des wahrsagenden Bonzen ab und raubte den Reis.
Der wahrsagende Bonze, in grossem Zorne, schrie: Ich werde
sieben Geschlechtsalter hindurch Rache üben! und starb.
Sore-juje-ni-ja sai-san-ro migiri-no kata nage-asi-ni nari.
1 M (In-kio)-site ^ 'jlp (ka-toku)-rco watase-ba asi na-
wori-te ka-toku-no ko mata nage-asi-ni naru koto ima-ni itari-te
onazi. Maki-no suru-ga-no kami domo m % (ka-rb)-to nan
mbsi-tsutaj e-si.
Desswegen wohl wurde Sai-san-rö auf dem rechten Fusse
lahm. Als er sich zurückzog und seinen ältesten Sohn brachte,
heilte sein Fuss, und der Fuss des Sohnes des ältesten Sohnes
wurde wieder lahm. Bis jetzt geht es so fort. Der Haus
älteste Maki-no’s, des Herrn Statthalters von Suru-ga hat es
überliefert.
Tora-no kawa usi-wo matoi usi-no naki-wo nasi-te
(si) - su.
Mit einer Tigerhaut das Rind umwickelnd,
ahmt man die Stimme des Rind .es nach und stirbt.
Je-clo wo-wari ®r (teo) itsi-teo-me-no bgi-ja usi-no ko-wo
motome womote-jori asi-made tora-no kawa-nite nui-fukumi sakai-
®T (ted)-no siba-i-ni idasi dai-bun-no atai-wo tori-si sika-mo
nakasezi tote kutsi-wo nui-kome-si juje-ni Ä #1 (sioku-motsu)-
wo tatte roku-sitsi-nitsi sngure-ba sini-keru-ico tori-kaje-tori-kaje
go-roku- [ZC (ßki)-ni ojoberi. Sono goro-jovi kano mono lcokoro-
asi-ku-te najami-si notsi-vi-wa fitasnra-ni usi-no naku ma-ne-wo
site sini-si-to nan.
Zu Je-do, in dem ersten Hause der Strasse Wo-wari,
suchte ein Fächermacher ein Kalb, nähte es vom Gesichte bis
zu den Füssen in eine Tigerhaut, führte es dann zu dem
Schauspielhause der Gränzstrasse hinaus und nahm dafür einen
übermässigen Preis. Jedoch, damit es nicht blöke, hatte er
ihm den Mund zugenäht. Desswegen hatte es kein Futter,
und nach Verlauf von sechs bis sieben Tagen starb es. Er
Begebenheiten neuerer Zeit in Japan.
305
nahm immer wieder andere und gelangte bis zu fünf oder
sechs Thieren. Seit dieser Zeit war jenem Menschen im
Herzen übel, und er kränkte sich. Später ahmte er ernstlich
die Stimme des Rindes nach und starb.
Nezumi jubi-wo kurai itamu.
Der Schmerz von dem Bisse einer Ratte in
den Finger.
Je-do ko-isi-gawa jjjj (den-dzü-in)-ni jjj|J
(ri-satsu)-to iü m vc (sio-ke) ari. Kono ^ (sd) ziaJcu-
nen-no toki aru-fi-no sciru-no koku-bakari-ni nezumi-wo torajen
tote woi-mawasi migiri-no te-nite nigiri korosare-si-ni nezumi ka-
sira-wo furi-kajesi jubi-uio kurai-te sini-keri. W ft (Tb-
bun)-ni sukosi itami-si-ka-do sassoku kokoro-joku nari-faberi-si-
ga sono notsi fi-goto-ni jjj|5 (ban) nana-tsu koro-ni-wa kudan-no
jubi siku-siku-to itami-te. —• £ (isseo)-ga aida onazi-koto nari.
Kano nezumi. ikare.ru jj|f il|j (sai-go)-no —• (itsi-nen)-ni-ja
makoto-ni osorosi-ki -ft 42* (siv - sin) nari-to tmne-ni kata-
rcire-si.
Zu Je-do, in dem Gebäude Den-dzu von Ko-isi-gawa,
befand sich ein Novize Namens Ri-satsu. Dieser Bonze wollte
in seiner frühen Jugend, an einem Tage um das Viertel der
Stunde Saru eine Ratte fangen. Indem er sie herumtrieb,
erfasste er sie mit der rechten Hand. Während sie getödtet
wurde, drehte die Ratte schnell das Haupt zurück, biss ihn in
den Finger und starb. Obgleich es ihn im Augenblicke ein
wenig schmerzte, war er sogleich guter Dinge. Später schmerzte
ihn jeden Tag am Abend um die siebente Stunde in geringem
Grade dieser Finger, und es blieb sich dieses gleich, so lange
er lebte. Man sprach gewöhnlich: Diese Ratte war zornig,
sie war wohl in dem einzigen Gedanken der letzten Stunde.
Es ist in der That eine schreckliche Ergreifung des Herzens.
Sitzungsber. d. phil.-hist. CI. XCV. ßd. I. Hft.
20
306
Pfizmaier.
fjC it ( Ka ' sai ) k k (seö-zio) mi-dzukara
su.
(seo-setsu)-to 7^- (go)-
Ein durch die Gabe des Liedes ausgezeich
netes junges Mädchen nennt sich Fich te n sch n ee.
I-se-uo kuni nanigasi-no musume-ni '(inu)-to ijeru mono
ari. $ ‘Ir (Fon-seö) jasasi-ku-te Wi (wa-ka)-ico kono-
meri. Notsi-no asita-no koi-to ijeru (dai)-site
Kinu-ginu-no toakare-no fodo-no ivomoi-dete ima dani tsu-
raki tori-no ko-e knna.
In dem Reiche I-se war ein Mädchen Namens Inu. Ihre
Gemüthsart war freundlich, und sie liebte das japanische Lied.
Sie dichtete auf den Gegenstand: ,Die Liebe des späteren
Morgens' die Verse:
Der Seidenzeuge | Trennung, ihre Zeit | wenn in die
Gedanken kommt, | ist jetzt nur die schmerzliche | Stimme
des Vogels!
-j— (Ziü-san-scti)-no jowai-ni gen-roku ziü-nen
sib-guatsu-ni ■mi-makari-keru-ga ito-joku # tä (go-se)-no ito-
nami-wo-mo satori-te aru (su)-ioo maneki roaga naki-na-wo
;jy^ =Ej* (sed-setsu)-to tamaware, sari-si koro matsu-no juki-to
ijeru ]j[pj (dni)-nite uta jomi-fanberi-keru tote
Saza-nami-jci "|=} (si-ga)-no fcima-matsu itsu-jori-mo
ima ßto-süvo-no juki-no ake-bono.
5E tlj % (Si-de-dzi)-no (kate)-ni h 1t ( zM -
nen)-wo sadzuke-je-sase-tamaje tote nen-goro-ni -jrjj} (nen-
bus) si.
Moro-tomo-ni kutsi-na-ba kutsi-jo nagarajete nokoru-mo tsu-
rasi adasi uki- % (na)-no
to jomi-te owari-to nari.
In dem Alter von dreizehn Jahren, im ersten Monate des
zehnten Jahres des Zeitraumes Gen-roku (1698 n. Chr.), starb
sie. Sehr gut den Aufbau der späteren Welt erkennend, rief
sie einen Bonzen zu sich und sprach: Verleihet mir nach
meinem Tode den Namen Seö-setsu ,Fichtenschnee'. Um die
Zeit meines Scheidens habe ich unter der Aufschrift ,der
Fichtenschnee' ein Gedicht verfasst:
Begebenheiten neuerer Zeit in Japan.
307
Die krausen Wellen! | Die Uferfichte von Si-ga, | seit
wann auch | ist sie jetzt immer noch | der Tagesanbruch des
Schnees?
Lasset mich auf dem Wege des Todeshimmels als Mund-
vorrath die zehn Gebete gereicht erhalten! — So sagend,
betete sie eifrig zu Buddha.
Wenn Alle zugleich | verfaulen, mögen sie verfaulen! |
Im Fortleben | übrig bleibend, leidvoll ist | ein anderer eitler
Name.
Nachdem sie diese Verse gesagt, verschied sie.
Fodo-fete notsi. Icono musume-no kakaru m Jr (jen-
sai)-no ari-si koto ika-naru tajori ari-te-ka A ft (dai-ri)-
ni kikosi-mesare anata-no =üj( (jei)-no naka-ni 3J. ~§|[ (ffo-siü)
n (on)-tome-sase-kerurto-ja j|^ (jo)-vo ^ (ni-siii)-wn
morasi-tsu. Matsu-no juki-to ijeru dai-wo (an)-zi-wadzural
te (si)-seru fito-no futa-tabi Tdtare.ru ija-to fito-bito i-i-ajeri.
Nach einiger Zeit hörte man, da wohl irgend eine Nach
richt zugekommen, in dem grossen Inneren, dass dieses Mädchen
von so schöner Begabung gewesen, und man behielt unter jenen
Gesängen etwa fünf Stücke zurück. Die übrigen zwei Stücke
gingen verloren. Das Gedicht ,der Fichtenschnee' beurtheilte
man mühsam, und die Menschen fragten in Gemeinschaft, ob
die Verstorbene noch einmal gekommen sei oder nicht.
T B ü A (Rib-nen zen-ni) omote-wo jai-te 8?
(fb)-wo motomu.
Die Nonne Riö-nen verbrennt ihr Angesicht
und sucht die Vorschrift.
T M ü % (Rib - nen zen - ni) - ica S (mijciko) -no
fito-nite A ft (o-o-utsi)-ni tsukaje-faberi-si-ga (kon-
in)-no koto fito-no naka-daist-svdceru-ni | ¥ (ho) = 0 A
(san-si-nin)-mo umi-na-ba itoma tamaware-to (kei-
jaku-site m (ka)-si juki-keri. — -J-“ ^ J|| (San-ziü-
jo - sai)-no toki made ^ (nan - nio) A (san - nin)
20*
308
Pfi2maier.
mbke wotto-ni sika-sika-no koto-wo i-i tsui-ni kami-wo sori ko-
romo-wo some jjjjg (rin-sai) jK (wb-baku)-no =||
ili (sio-zen-rin)-ni in # st (san-db) fima-naku tsu-
tome-keri.
Die Nonne Riö-nen stammte aus Mijako und diente in dem
grossen Inneren. Ein Mensch machte für ihre Vermälung den
Vermittler. Indem sie sich bedung, dass man, wenn sie drei
bis vier Kinder geboren haben würde, ihr die Entlassung gebe,
vermalte sie sich und ging weg. Bis zu ihrem dreissigsten
Jahre erhielt sie Söhne und Töchter im Glanzen drei. Sie
sagte dem Manne das Bewusste, schor hierauf das Haupthaar,
färbte die Kleider und in den Priesterwald der die Vollendung
überwachenden gelben Flügelfrucht tretend, befleissigte sie sich
unablässig des Besuches des Weges.
Ten-wa guan-nen-no fuju (fen-san)-no tame-ni
tote ft p (je-do)-ni kudari # ± (i-no uje) jamato-no
kami tono-no ja-siki-ni ari-si £ # (faku-wo) wo-sib-ni ma-
vnije & (fd)-ivo uhen-to koi-si-kci-do kawo-katatsi uruwcisi-ki-
ni-wa A P (nin-ko) osore ari-to no-tamai-si-ka-ba jagate tatsi-
kajeri fi-kaki-wo jaki fitai-jori (rib)-no kawo-ni itaru, made
jaki-tadarasi too-sib-ni ma-iri-si-ka-ba sono vfcr (kon-si)-wo
fukaku (kan)-zi A & (tai-fb) nokori-naku I# ^ (f w '
ziit) ari-si toki jf^f (si-ka)-ivo (fu)-site ^ (tei)-
si-keri.
Im Winter des ersten Jahres des Zeitraumes Ten - wa
(1681 n. Chr.) reiste sie, wie sie sagte, um überall die Tempel
zu besuchen, nach Je-do herab, erschien bei dem in dem
Hause I-no uje’s, des Herrn Statthalters von Jamato, befind
lichen Bonzen Faku-wö und bat, die Vorschrift in Empfang
nehmen zu dürfen. Doch dieser sagte ihr, dass bei der
Schönheit ihrer Gfesichtsziige die Reden der Menschen zu
fürchten seien.
Sie ging sogleich nach Hause, glühte ein Schüreisen
und brannte sich von der Stirne bis über beide Wangen.
Als sie sich hierauf zu dem Bonzen begab, war dieser von
ihrem ernsten Vorsatze tief ergriffen und überlieferte ihr
vollständig die grosse Vorschrift. Er dichtete dann ein chine-
Begebenheiten neuerer Zeit in Japan.
309
sisches Gedicht und ein japanisches Lied und machte es da
durch bekannt.
Mukasi i s|j‘ j|| (kiü-ri)-ni asobi [||j j||| (ran-zia)-wo
taku | ima jjjp (zen-rin)-ni itte 0 & (men-fi)-wo jaku.
Einst wandelte sie zu dem Inneren des Tempels, brannte
Luftblumen und Moschus. Jetzt tritt sie in den Priesterwald
und verbrennt die Haut des Angesichts.
JJIJ Jy! (Si-zio)-no (riü-kö) sara-ni ato-nasi |
tare-ka köre jgj tjl (ko-tsiü)-ni utsuru koto-ivo sirazu.
Der Lauf der vier Ordnungen ist wieder ohne Spuren.
Man weiss nicht, dass Jemand in die Zahl übergegangen.
Ikeru nt (jo)-ni sutete taku (mi)-ja u-karamasi
(tsui)-no taki-gi-to omoicazari-se-ba.
In der lebendigen Welt | der Leib wohl, den man ver
wirft und brennt, | wird elend sein, | als Brennholz des
Endes | wenn man ihn nicht betrachtet.
Tadare-taru kizu jagate ijete sukosi-mo ato tsaJcazari-si-mo
mata ^ # (K -dokuj-no koto nari. Je-do-tsikalä wotsi-jai-to
iü tokoro-ni mi-dzukara ^ (sed-zia)-wo |jjf| j’f (kon-
riü)-si —* ^ (itsi-zed-in)-to -7^* (gö)-si ama-siü-wo atsume
jä? (fö)-wo toki-si-to nari.
Die Brandwunden heilten sogleich und Hessen nicht im
Geringsten Narben zurück, was ebenfalls ein Wunder ist. An
einem nahe bei Je-do gelegenen Orte Namens Wotsi-jai er
richtete sie ein geistiges Haus. Indem sie dieses das Gebäude
der einzigen Ueberwindung nannte, versammelte sie die Nonnen
und erklärte die Vorschrift.
jjjja JF]^ (Zen-ni) womote-ivo jaki fj^ (jei-ka) ^
(fo)-wo uku.
Eine Nonne verbrennt ihr Angesicht, singt
ein japanisches Lied und nimmt die Vorschrift in
Empfang.
Mukasi (kö-siü) siwo-jama-ni a % (fo-sin)
wo-seo tote Uh ff (kö-so)-no imoto nari-si zen-ni owasi-keru-
310
P fizmaier.
ni ft m (sai-tsi) fito-ni koje 15 H (sessö)-ni tagui-na-
kari-si-ka-do bi-rei-no kikoje ari-te iä (jo)-no sosiri sake-ga-
tasi-to 0[Jj (si)-no no-tamai-si koto-ico kiki-tamai-te tfo
(tekkua)-wo womote-ni ate ^0 ^ (ica-ka)-ico (jei)-site
Waget ivomote urami-te jaku-zo siwo-no jama -p-
(ama)-no taku k (fi)-to fito-ja miru-ran.
Einst befand sich auf dem Salzberge in Ko - siü eine
Nonne, welche die jüngere Schwester eines hohen Bonzen, des
Bonzen Fö-sin war. Dieselbe überragte die Menschen in Be
gabung und Verstand, ihr Festhalten an der Tugend war ohne
Gleichen. Da sie jedoch in dem Rufe der Schönheit stand
und gehört hatte, dass der Meister sagte, es sei ihr unmöglich,
den Tadel der Welt zu vermeiden, legte sie ein glühendes
Eisen auf ihr Angesicht und sang das japanische Lied:
Mein Angesicht, | im Hasse verbrenn’ ich es. | Auf dem
Salzberge | als Feuer, welches die Seefischer brennen, | werden
es die Menschen seh’n.
Kaku - te m (sij-no moto-je itari-tamaje-ba jagate i||l ^
(b-gi)-wo katabuke-tsukusi-te sadzuke-tamai-si-to nari.
Als sie so zu dem Meister kam, neigte dieser sogleich
die tiefen Bedeutungen gänzlich seitwärts und übergab sie ihr.
^ UM OZAm - zui) jpj (wo-ssib) Lp? (zia-siü)-wo
VC (ked-kej-su.
Der Bonze Ban-zui belehrt und umgestaltet
die Unrechte Secte.
ji JN (Kid-siü) Hy ^lj (ki-ri-si-tan)-no ^
(siü-mon) [jj] (fakkb)-site (sei-db)-no samadalce-to
naru koto fanafadasi-kari-kere-ba m ^ (si'o-gun)
(buppo)-wo motte (dzi)-sezun-ba naru-mazi-ki koto-to obosi-
mesi-te fff (zd-zi'o-zi)-no jg gjjj (koku-si)-to go-
Wi (nai-dan) ari-te ojoso kono koto ft m (si-toge)-nan-
wa (xio-siü)-no naka-ni |j^|. [kg (ban-zui)-ni sitgi-tarn-
tca arazi tote.
Begebenheiten neuerer Zeit in Japan.
311
Als in Kiü-siü die Secte der Christen entstand und in
hohem Masse ein Hinderniss des Weges der Lenkung wurde,
glaubte der Heerführer, dass man nicht anders als durch die
Vorschrift Buddha’s sie zurecht bringen könne. Indem er mit
dem Reichslehrmeister des Klosters So-ziö eine geheime Unter
redung hatte, sagte er: Wenn man diese Sache zu Stande
bringen will, so ist unter sämmtlichen Secten Niemand, welcher
Ban-zui übertroffen hat.
(Zio-si)-wo motte on-tanomi ari-si-ni wo-si'o kataku
(zi) serare-si-ka-domo ± « (zio-si) san-do-ni ojobi mosi
kono SK 13 (aku-do) ’/p ^ (tai-dzi)-si-tamawa-ba ika-naru
koto nari-to-mo nozomi-ni makasa-besi-to ari-kere-bci lconc uje-wa
H # (ze-ji)-ni qjobazu sa-ara-ba [pjj (ge-ko)-si-nan kasiko-
ni karl-no (db)-wo tsukurase-tamqje-to ari-kere-bci sunawatsi
0 ffi] (fi~ u 9 a )~ n0 kuni-ni oi-te —• ^ (itsi-u)-wo
(zb-riü) ciri-keri ima-no |A| äjp (faku-do-zi) köre nari.
Er bat diesen durch einen oberen Abgesandten. Der
Bonze weigerte sich zwar beharrlich, doch der obere Ab
gesandte sagte, als es das dritte Mal war: Wenn ihr diese
schlechten Genossen zurückwerfet und zurecht bringet, so wird
man, was für eine Sache es auch sei, sie eurem Wunsche über
lassen.
Jener konnte dagegen nichts einwenden, und er sprach:
Ich werde also hinabreisen. Lasset dort eine vorläufige Halle
erbauen. — Man liess hierauf in dem Reiche Fi-uga ein Vor
dach errichten. Dieses ist das gegenwärtige Kloster des weissen
Weges.
Sore-jori omo tokoro are-ba tote i-se j|jja (kuma-no)-je
raoden tote madzu fl# ^ (tai-zin-gü)-wo inori-tate-matsuran-
to ifi ffl (jama-da)-ni itari-tamo sono « (jo)-no jume-ni
kata-zi-ke-naku-mo M ili$ (son-sin) mahura-ni tatase kono tabi-
no T [S] (ge-ko) motto mo (siü-sed) nari ware-mo
tsikara-wo sojen-to-no tsuge ari-si-ka-ha koto-ni totokn omoi sono
A3 i|JJ (joku-teb) (butsu-zo)-wo uri-mono kitareri.
Hierauf, indem er sagte, was er im Sinne habe, wollte
er sich nach Kumo-no in I-se begehen und gelangte früher,
um in dem Palaste des grossen Gottes zu beten, nach Jama-
da. In dieser Nacht träumte ihm, dass dankbar der geehrte
312
Pfizmaier.
Gott an dem Polster stand und ihm sagte: Dieses Mal ist die
Reise hinab sehr vortrefflich. Ich werde auch meine Kraft
hinzugeben. — Er hielt dieses für besonders ehrenvoll. Am
nächsten Morgen war der Verkäufer eines Buddhabildnisses
gekommen.
Iza tote wogamase-tamb-ni sono t'otosa iü-mo sara-nari-lcere-
ba masasi-ku I=|r )[}|jl (son-sin)-no tsikara awasase-tamo sirusi
naran tote ||^ ia. (kuan-ki)-si jagate gjjf (seo)-si tamai-keru.
Saru fodo-ni nandzi idzvku-no fito-zo-to are-ba sadaka-ni iwazu
ato-wo sitote mi-tamo-ni jj^ [Jj (sin-ro-san)-ni iru-to fitosi-
ku juku-katci sirazu nari-ni-si.
Er gerohrte es somit und dessen Schätzbarkeit war durch
Worte nicht auszudrücken. Glaubend, dieses werde richtig ein
Zeichen sein, dass der geehrte Gott mit ihm die Kraft vereint,
freute er sich und erbat es sogleich. Er fragte: Also, woher bist
du? — Jener sagte es nicht bestimmt. Der Bonze blickte ihm
verlangend nach. Jener trat in das Gebirge des göttlichen
Weges, und zur selben Zeit wusste man nicht, wohin er ge
gangen.
Sore-jori kuma-no-wa kajeru-sa-ni se-baja-to fi-uga-no kuni-
ni kudari-tsuki-te E ft (sio-bo)-wo toki-nobe (zia-fo)-
wo sirizoke-kudaki-tamai-kere-ba kano (zia-to) mina-
mina ciratame-kui m ik (ki-fuku)-site Jp- ± PI ( zio-do-
mon)-ni iru mono iku ^ (sen-man)-nin-to iü koto-wo
sirazu. Sono naka-ni * .. .
uresi-sa-no amari tote tatsi-dokoro-ni 3t (sia-sin)-si-keru-
to-ka-ja.
Hierauf, in der Absicht, dass er es in Kuma-no bei der
Rückkehr thun werde, reiste er zu dem Reiche Fi-uga hinab
und erklärte und verbreitete bei der Ankunft die richtige
Vorschrift, warf zurück und zertrümmerte die Unrechte Vor
schrift. Alle Unrechten Genossen besserten sich und bereuten,
diejenigen, welche, sich zuwendend und sich unterwerfend, in
das Thor der reinen Erde traten, man weiss nicht, wie viele
Tausende und Zehntausende es waren. Unter ihnen mochten
über dreitausend Menschen gewesen sein, welche in dem Ueber-
masse der Freude darüber, dass sie die richtige Vorschrift
getroffen, auf der Stelle der Welt entsagten.
(san-sen)-jo-nin-wa sib-bo-ni ajeru
Begebenheiten neuerer Zeit in Japan,
313
Wo-sio omoi-no mama-ni tj/, ^|J (gu-dzü-n-jaku)-
site Jcano jSl (rei-zo)-wo-ba ölt (faku-do-zi)-no
jöf (fon-zon)-to agame-tate-mcitsuri mata kuma-no-je womo-
muM-tamai-te sunawatsi -b 0 (nanci-ka) komori-te
(fo-se)-si-tamai-keru-ni dai-nana-ka -pjj (mei) owari-tamai-si-wo
M # (zui-si)-no M (dai-tsü fd-si) f|
(kua-sd)-ni nasi-keru-ga fone-iva sukosi-mo naku-te ¥ £
(fei-zei) (sio-dzi)-no ^ ^ (nen-ziü) ifgk 'j;|| (kuan-
rau)-to teri-kagajakeru. £ m (Sia-ri)-to nari-te tsunagi-
nagara-ni X $ (kua-tsiü)-jori ide-kere-ba kore-wo
(je-do)-je mori-tate-matsuri-te ima mm u (ban-zui-in)-no
Ipf ^ (dziü-fö)-nite-zo ari-keri.
Der Bonze, der nach seinem Wunsche den grossen durch
gängigen Nutzen geschafft, verehrte jenes heilige Bildniss als
den vorzüglichsten Geehrten des Klosters des weissen Weges.
Indem er ferner nach Kuma-no eilte, schloss er sich durch
sieben Tage ein und befasste sich mit der Vorschrift. Am
siebenten Tage war sein Lehen zu Ende.
Der folgende und aufwartende Bonze des grossen Durch
weges war bei der Feuerbestattung thätig. Es waren nicht im
Geringsten Gebeine vorhanden, und der Rosenkranz, den er
durch sein ganzes Leben in den Händen gehalten, erglänzte
hell. Er wurde das Ueberbleibsel und als er zusammen
gebunden aus dem Feuer herausgekommen wai’, bewahrte man
ihn für Je-do. Er war die wichtige Kostbarkeit des jetzigen
Gebäudes Ban-zui.
jtf (In-sei) wo-sio kane-wo sute (kio)-wo ivosamu.
Der Bonze In-sei verschmäht das Gold und
ordnet die mustergiltigen Bücher.
iH* (Zb-zio-zi)-no jp| (in-sei) wo-sio-to ijeru
fit o-je ^0 41f (gaku-mon-reo) tote & T (kin-su) ziZ-
(san-fiaku-vib) fito-no je-sase-tate-matsum-wo wäre negai ari tote
zb-zio-zi-no —* -{jjfj (issai-kio)-no musi-ni (son)-si-taru-
wo ura-utsi-si (san-zas) site mi-wake-gataki-wo koto-
gotoku woginai-aratame. jen-fo si-nen-jori onazi fatsi-nen-ni itarn
314
Pfizmaier.
made-ni jo-jaku negai mitsi-nu. Onazi ku-nen i-se-no |ij| jjn
(ren-ge)-dani-ni fiki-komori ||| (in-ton)-serare-si wo-sio-wa
j|^ (tora)-no tosi tora-no tsuJci tora-no fi tora-no toki-ni umare-
tamaje-ba osanaki-jori kono na-ivo tsuke-tamo-to nari.
Einem Menschen, welcher der Bonze In-sei von dem
Kloster Zö-ziö hiess, Hessen die Menschen für die Leitung
des Lernens dreihundert Tael Goldes zukommen. Er sagte:
Ich habe einen Wunsch. — Hierauf verklebte er sämmtliche
mustergiltigen Bücher des Klosters Zö-ziö, welche wurmstichig
waren, inwendig mit Papier und besserte alles, was zerstreut,
vermischt und nicht zu erkennen war, von Neuem aus. Vom
vierten Jahre des Zeitraumes Jen-fö (1676 n. Chr.) angefangen
bis zu dem achten Jahre desselben Zeitraumes (1680 n. Chr.)
hatte er endlich seinen Wunsch erfüllt. Im neunten Jahre
desselben Zeitraumes (1681 n. Chr.) verbarg er sich in dem
Thale der Lotosblumen in I-se und lebte abgeschieden.
Dieser Bonze war in dem Jahre Tora, 1 in dem Monate
Tora, dem Tage Tora und in der Stunde Tora geboren. Man
legte ihm daher seit seiner frühen Jugend diesen Namen bei.
iife J=^ (Zen-tei) fö-si (jei)-wo kirai-te
(kotsu-zihi)-su.
Der Bonze Zen-tei verabscheut den Ruhm
und bettelt.
f| Ü (Zen-tei) fö-si-wa kama-kura % m ^ (kub-
mio-zi)-no (gaku-rio) nari-si-ni notsi-ni \!^ (raku-
jb) 'M (tsi-won-in)-ni (gü-kio)-serare-si mgure-
taru-wo netamu tä (jo)-no narai nare-ba mutsu-kasi-ki koto-
domo o-o-kari-si-wo uki koto-ni omojeru koro Ul 3p (san-siü)-j<yri
tera t.amawan-to ari-si-ka-ba kaku uto-masi-ki M (jo)-ni nani-
ka sen fajaku m (mio-ri)-wo suten-ni-wa sikazi-to omoi-
sadamete (jo-zai)-wo sute-woki tada ^ pp} (Icin-
1 Kiu Jahr, für dessen Zählung das cyclische Zeichen
gebraucht wird.
(in oder toraj
Begebenheiten neuerer Zeit in Japan.
315
san-rio)-wo motsi kore-wa 4p (seki-nen) -jori negai ari-te i-se
iP (iai-sin-gü)-ni fö-nd-si.
Der Bonze Zen - tei wurde ein Lerngenosse des Klosters
des glänzenden Lichtes in Kama-kura. Später wurde ihm der
Wohnsitz in dem Gebäude der Gnade des Verstandes in Raku-
jo zugewiesen. Da es die Gewohnheit der das Ausgezeichnete
beneidenden Welt ist, waren die verdriesslichen Dinge eine
grosse Menge. Während er in Traurigkeit nachdachte, sagte
man, dass man ihm von Seite des Vorgesetzten des Berges
ein Kloster verleihen werde. Was sollte er in einer so ent
fremdeten Welt thun? Indem er in Gedanken beschloss, dass
das Beste sei, auf Namen und Vortheil schnell zu verzichten,
Hess er das übrige Gut liegen und nahm bloss drei Tael Goldes.
Er bot dieses, da er seit früheren Jahren den Wunsch hatte,
dem Palaste des grossen Gottes von I-se dar.
Sore-jori ^>J>| (sin-siü) -|fe (zen-kuo-zi)-ni
sasurai-juki-te kotsu-ziki-sercire-si-ivo tokoro-no fito-bito ncisake-
fukaku maziwari-te Tjfij (toki) nado ma-irase ifj M (fu-se)-
mono-wo sonore-domo fu-tsu-ni uke-je-tamawazari-si (toki-
maje) tote ma-irasure-ba itsi-do-no (jo) fodo nokosi-te foka-
wa kotsu-ziki-ni toraserare-nu. Sono sama ijasi-karanu fito nari-to
ito wosimi-te (an)-wo musubi-ma-itase-si.
Hierauf wanderte er zu dem Kloster des Glanzes des
Guten in Sin - siü aus und bettelte. Die Menschen des Ortes,
zu ihm innige Neigung fassend, verkehrten mit ihm und
reichten ihm Mahlzeiten, boten Almosen, doch er nahm es
nicht ganz an. Wenn man den gespendeten Reis darreichte,
Hess er so viel als für einen einmaligen Gebrauch nöthig war,
übrig und gab das Andere den Bettlern. Man bedauerte sehr,
dass er ein Mensch von nicht gemeiner Erscheinung war,
baute eine Strohhütte und bot sie ihm dar.
m m (Dd-koku) matsu-möto-jori ^ (kiü-jü)-no to-
aru (so) kitari toi-faberi-si-ni katari-te iwaku mnkasi ware-
wo netami-si fito-jci ari-gataki m w ü (zen-tsi-siki) - nite
owase-si sono fito na-kari-se-ba kaku bakari iö: (jo)-wa sute-mazi-
to namida-wo nogöte jorokobqre-si-to nari. Jen-fo 4p Pp (nen-
tsiü)-no koto-nite ari-si.
Pfizmaier.
316
Aus Matsu - moto in demselben Reiche kam ein Bonze,
welcher zu ihm ein alter Freund war, und befragte ihn. Jener
sagte im Gespräche: Dank den Menschen, welche mich einst
beneideten, bin ich ein gut Wissender und Erkennender ge
wesen. Wenn diese Menschen nicht wären, würde ich in einem
solchen Masse der Welt nicht entsagen. — Er trocknete die
Thränen und freute sich. Dieses ereignete sich in den Jahren
des Zeitraumes Jen-fo (1673 bis 1680 n. Ohr.).
i'Pl EÜj (Ziün-sei) mi-wo seme ^ (ko-jen) fotoke-
wo Ijjl (gen)-zu.
Ziün-sei, sich selbst quälend, macht in dem
wohlriechenden Rauche Buddha erscheinen.
jjj (Zi'o-siu) '/X p (je-do)-sald -fc ^ ^ (dai-
nen-zi)-no tsikaki tokoro-ni sumi-si (ziün-sei)-to ijeru
fo-si-ioa umare-tsuki kiwamete IE it (sib-ziki)-naru mono-
nite a nt (nin-zio)-wo kazari-si koto tote-wa tsuju-bakari-mo
na-kari-si 2p (fei-zei) (usi) jg^ (tora)-no 5^|J (koku)
bakari-ni woki-te nen-butsu-wo (jü-mi'o)-ni tsutome-si.
Mosi wokizaru maje-ni karasu-no naki-watare-ha mi-dzukara
mi-wo semete iwaku sia-mon-no mi-to site kaku-made inete tai-
setsu-no ||jjj (gon-gi'o)-wo ivokotari-si koto-no fu-todoki-jo
kore-ni jotte keö-wa (sioku-zi)-wo ft It (teo-zi)-sen
tote joku-zitsu meide ||||f (dan-ziki) -si-keri.
Der an einem dem Kloster des grossen Betens von Je-
do-saki in Ziö-siü nahen Orte wohnhafte Bonze Namens Ziün-
sei hatte als ein von Gemüthsart äusserst richtiger und gerader
Mann nicht das Geringste, wodurch er die Eigenschaften der
Menschen verschönert hätte. Sein ganzes Leben hindurch
um die Stunde Usi oder Tora • aufstehend, befleissigte er
sich muthig und stark des Gebetes zu Buddha. Wenn, ehe
er aufstand, Raben krächzend vorüb erzogen, quälte er sich
selbst und sagte: Dass ich als ein Bonze in einem solchen
Masse geschlafen und den wichtigen emsigen Wandel vernach
lässigt habe, ist ungebührlich! Desswegen werde ich heute
Begebenheiten neuerer Zeit in Japan.
317
mit dem Essen innehalten. — Hiermit fastete er bis zum
nächsten Tage.
M 0 (Ka-zit.su) ä m (ta-siiltsu)-no toJci-wa kanarazu
Jpj (sen-su) ni-fon motsi-si ippön-wa Jpj (sib-zio-
sen) tote jjj|| ^j} (rei-butsu)-no toki narade-wa motsi-i-zu. Mata
ika-bakari-no (u-setsu)-no toki-ni-mo rrdno kasa naku-te
ariki-si fito ilmgari-te toje-ba sare-ba koso ^ (ten)-jori nurasi-
te jo-kere-ba koso ü % (u-setsu)-wo furase-tamb. Terasi-te
jo-kere-ba koso fare-sase-tamb. Sikaru-wo watakusi-no J j||j
(rib-ken)-ivo motte mino kasa-wo kite josi-to iü koto-ioci o-oki-
naru fi-ga koto-nite faberi-si tote fito-sibori-ni nari-te
(wo-rai)-se-si. Roku-guatsu-no ^ (jen-ten)-ni-mo tsui-m
kasa kizari-si-mo onazi-kotoiuari narr.
In den Tagen des Sommers, wenn Andere ausgingen, trug
er sicher zwei Fächer. Den einen, welcher der klare und reine
Fächer hiess, gebrauchte er nicht, wenn nicht die Zeit der Ver
ehrung Buddha’s war. Auch zur Zeit von irgend vielem Regen
und Schnee wandelte er ohne Mantel und Hut. Als die Menschen
sich darüber verwunderten und ihn fragten, sagte er: Also wenn
von Seite des Himmels das Benetzen gut ist, so lässt er regnen
und schneien. Wenn das Erleuchten gut ist, so lässt er es heiter
werden. Wenn ich jedoch nach der eigenen Meinung mich mit
Mantel und Hut bedecke, so ist die Sache, welche man gut
nennt, ein grosses Unrecht gewesen. — Nachdem es zu einem
einmaligen Auswinden gekommen, ging er auf und ab. Dass er
bei dem heissen Wetter des sechsten Monats sich sofort nicht
mit Mantel und Hut bedeckte, geschah aus dem nämlichen
Grunde.
xli (J e 'o-kin)-vr} (do-nin)-iuo susumete ^ ^
(dzib-roku)-no mi-da-son-wo j*jf (zb-riü)-site (zib-
kb)-ico taki-keru-ni sono soba-naru |§p; (sib-zi)-ni itsu-to naku
(kb-jen) kawori-kakari-te si-zen-no mi-da-son (jei)
de-kisase-tamb. Mata fodo-tsikaki & # P (kana-i-do)-to
iü mura-no jiaku-seb-no ije-ni itari jo-mo-sugara nen-busse-si-ni
fusuma-sib-zi-ni katsu-zen-to ^ (zib-roku)-no jtjf (son-
jei) araware-sase-tambte ima-ni ari. Am toki ziün-sei-ga mimi
mwaka-ni mimi-si-i-te jaja ari-te sikiri-ni nari-si tote tataki-
kere-ba nani jaran mono-no ide-tari-si-wo mi-si-ni tsi-isaki
318
Pfizraaier.
(kna-kei)-no ^J} (butsn-zö)-ni ni-taru & m (sia-ri)-nite
owasi-ki.
Er forderte alle in der Nähe und Ferne befindlichen Menschen
auf, einen die Knie zusammenlegenden Amida-Buddha zu ver
fertigen. Als man den gewöhnlichen Weihrauch brannte, bängte
sich an den zur Seite stehenden Schirm nach und nach wohl
riechender Rauch, und das Bild Amida-Buddha’s kam von selbst
hervor.
Ferner kam er in das Haus eines Menschen des Volkes
in dem nahen Dorfe Kana-i-do und betete die ganze Nacht zu
Buddha. Auf dem Schirme des Schubfensters zeigte sich plötz
lich das Bild des die Knie zusammenlegenden Amida-Buddha
und ist heute vorhanden.
Einmal waren die Ohren Ziun-sei’s plötzlich taub. Nach
einer ziemlichen Weile sagte er, dass es fortwährend klinge.
Er schlug hin, und irgend ein Gegenstand kam heraus. Als
man hinsah, war es ein heiliges Bein, welches einem kleinen
in liegender Gestalt verfertigten Buddhabildnisse glich.
— (San-kai) (sib-nin) ame-wo inori gjj
(rai)-wo ßß. (tsin)-su.
Der Bonze San-kai erbittet den Regen und
unterdrückt den Donner.
Simbsa 2j£ (moto-kuri)-fasi (gio-nen)-zi-no
[jlj |Jj (kai-san) ~ (san-kai) sio-nin-wa ^ (moku-
ziki)-nite ;jv|i (tsiku-rin)-no naka-ni san-nen-ga aida jrjiß jj(
(ki-riü)-no (gib)-wo tsntome |_[j (ju-dono-san)-ni tosi
mbde-site imizi-ki (kb-toku)-nite owasi-ki.
Der den Berg eröffnende Bonze San-kai aus dem das Gebet
ausübenden Kloster an der Brücke von Moto-kuri in Simösa
befleissigte sich, Baumfrucht verzehrend, mitten in dem Bambus
walde drei Jahre hindurch des Wandels der Erhebung. Indem
er den Berg Ju-dono jährlich besuchte, war er ein Mann von
sehr hoher Tugend.
Simotsuke-no (mi-hu)-no fen sah-nen utsi-tsudzuki
fideri-site sato-bito fanafada kurusimi-si aru toki sib-nin-wo
Begebenheiten neuerer Zeit in Japan.
319
maneki ame-no inori-wo koi-keru-ni wäre inoru nara-ba ika-naru
♦ ß (kan-batsu) nari-to-mo ame-furazu-to in koto nasi-to
no-tamai-si-wo netamasi-ku omoje.ru ff (so) ivowo-kari-si. Sib-
nin nana-Jca ||Jj' (dan-ziki)-si ft ft (tan-sin)-wo nukinde
tamo-ni dai-sitsi-nitsi-ni ojobi-si-ka-do nani-no sirusi-mo mijezari-
si-ka-ba kano iS ft (to-so)-domo kara-kasa-wo sasi 7^
(boku-ri)-wo faki isami kitari-te sam.a-zama-ni PijjJ] (teo-
rb)-si-keru-ni fitsuzi-no koku-bakari-ni (Jjg (sei-ten) niwaka-
ni kuro-kumo okori ame. jjj. j|i[|| (sia-ziku)-wo nagasi-kere-ba
kano sö-domo omote-buse-nite kaje.ri-ke.ru.
Seitwärts von Mi-bu in Simotsuke war durch drei Jahre
fortwährend Dürre, und die Menschen der Dörfer hatten überaus
zu leiden. Einst luden sie den Bonzen ein und baten ihn um
das Gebet um Regen. Er sprach: Wenn ich bete, mag es was
für eine Dürre immer sein, es ist nicht der Fall, dass es nicht
regnet.
Der neidisch gesinnten Bonzen waren viele. Der Bonze
fastete durch sieben Tage, hob sein aufrichtiges Herz hervor.
Obgleich es der siebente Tag war, war irgend ein Zeichen nicht
zu sehen. Jene neidischen Bonzen spannten die Sonnenschirme
auf, zogen Holzschuhe an, und indem sie kühn herbeikamen,
verspotteten sie ihn auf allerlei Weise. Um die Stunde Fitsuzi
erhoben sich bei heiterem Himmel plötzlich schwarze Wolken,
der Himmel goss Wagenachsen herab, und jene Bonzen kehrten
beschämt nach Hause.
Mata ft ft- (satte,)-no J|^ (eki)-ni juje, ari-te g|} jjjtjj
(rai-sin)-ivo fjpL (tsin)-si-tamai jasiro-wo ^ (zb-jei) arare-
si kono mitsi-suzi fazime-wa faba firo-kari-si-wo (seo-ja )-
jori nen-nen-ni nusumi-mawasi-kere-ba sib-nin kiki-tamai-te ika-
de kaku-tva se-si-zo (dzi)-wo kajesu-besi. Mosi sa-naku-wa
Hl (rai)-no tatari-ni awasen-to simesare-si-ka-do sukosi-mo
osoruru ke-siki-mo na-kari-si-ka-ba nandzi-ni omoi-sirasen tote
inorare-si-ni tatsi-matsi ^ (rai-den) seb-ja-ga ije-ni otsi
nari-fatameku koto nana-ka nana-jo nari. Seb-ja. ft ij
(sen-kata)-naku-te mi-wo kudaki nageki-kanasimi-te fita-sura-ni
tanomi % ft (sen-fi)-wo kui-si-ka-ba kono uje-uia tote inori-
kajesare-si-to nari.
320
Pfizmaier.
Ferner unterdrückte er an der Post Satte aus einer Ursache
den Donnergott und erbaute einen Altar. Diese Abzweigung
des Weges war anfänglich breit. Von Seite des Dorfvorstehers
raubte man alljährlich einen Theil in der Runde umher. Der
Bonze hörte dieses und sagte: Er hat es irgendwie so gethan,
er muss den Boden zurückgeben. Widrigenfalls werde ich ihn
die Heimsuchung des Donners erfahren lassen. — Ungeachtet
dieser Erklärung zeigte Jener nicht im Geringsten in seiner
Miene Furcht. Der Bonze sagte: Ich werde dich es erkennen
lassen. — Dabei betete er. Plötzlich fuhren Donner und Blitz
auf das Haus des Dorfältesten herab, der Donner rollte durch
sieben Tage und sieben Nächte. Der Dorfälteste, rathlos und
gebrochen, trauerte in Leid, bat inständig und bereute das
frühere Unrecht. Jener nahm in Betreff dessen das Gebet
zurück.
3t£ A (Bu-fu) (sei)-wo womonzu.
Ein Kriegsmann schätzt den Geschlechts
namen hoch.
* ? (Mi-to)-no ^ jijf (ka-sin) * 0] (naka-
jama) bi-zen kami-no # % (ziü-sia) - ni m # (ogi-ga
jatsu) A (fatsi)-be-e-to ijeru ari. Sono m n (s io-zi)-no
katana-wo A (siü-zin) HU (fu-to) me-ni tomari-te
anagatsi-ni nozomare-si koto san-si-do-ni ojobi-si-ka-do m ?l
(seö-in) -sezari-si-ka-ba © fr (zi-bun)-no katana-wo tamaicari
kane ziu-rib jj|| (rei-motsu) mono-sen tote ari-si-ka-do tatoi
inotsi-wa usinb-to-mo jurusase-tamaje-to (zi)-si-si-ka-do siü-
zin jj[ j]|I (rippuku) fanafadasi-ku-te m Pi (fei-mon)-
saserare-si-ni.
Unter den Hausdienern des Geschlechtes Mi-to war ein
Mann, der als Begleiter Naka-jama’s, Statthalters von Bi-zen,
den Namen Ögi-ga jatsu Fatsi-be-e führte. Es geschah drei
bis viermal, dass das in seinem Besitze befindliche Schwert
der Vorgesetzte, zufällig darauf mit den Blicken verweilend,
hartnäckig begehrte, doch er willigte nicht ein. Jener sagte:
Ich werde dir mein eigenes Schwert schenken und dir zehn
Begebenheiten neuerer Zeit in Japan.
321
Tael Goldes als Erkenntlichkeit geben. — Doch er weigerte
sich, indem er sagte: Sollte ich auch das Leben verlieren, ent
schuldiget! — Der Vorgesetzte wurde überaus zornig und liess
ihn das Thor verschliessen. 1
Kokoro-jasu-ki jjf (fo-bai) toburai-te ka-fodo inade-
7io ai'amcisi-wa ika-sama juje a7'an-to kotoba-wo tsikai-te tadzune-
kei'e-ba sa-ara-ba kataran mi-dzukara-wa ± (uje-sugi)
(nori-masct)-no (tsiaku-son)-ni site Jcono katana-
wa m (si-dai) motsi-tsutaje-si ogi-ga jatsu-no
(sei-go)-wa kama-kura-ni kari-zumai-se-si £ ^ (zai-mio)
7\a,7'i-to kuwasi-ku i-i-si. Kono koto (siü-zin)-mo fisoka-ni kiki-
tamai-te fatsi-be-e-wo jobi-idasi koto-no si-sai-wo toi-tamaje-domo
kasii'a-wo sage irajezu.
Ein gegen ihn freundlicher Gefährte besuchte ihn und
sagte: Eine so weit gehende Schroffheit wird auf irgendwelche
Weise eine Ursache haben. — Bei diesen Worten schwörend,
fragte er nach. Jener erwiederte: Ich werde also sprechen. Ich
bin der rechtmässige Enkel Uje-sugi Nori-masa’s, und auf diesem
Schwerte ist der Name des Geschlechtes Ogi-ga jatsu, welches
es vier Zeitalter hindurch besessen und vererbt, als es in Kama
kura vorläufig seinen Wohnsitz hatte, eingegraben. — Er sagte
dieses in seinen Einzelnheiten.
Der Vorgesetzte, welcher diese Sache im Geheimen hörte,
rief Fatsi-be-e heraus und fragte nach den Umständen der Sache,
doch Jener senkte das Haupt und willigte nicht ein.
Sono oinomuki (sai-sib-ko) kikosi-mesi-te fatsi-
be-e-wo (ge-za)-ni woki-keru-ja ± 4k (zio-za)-ni
mukaje toje-jo-to woseo'are-si sono omomuki-ni mote-nasi-kere-ba
fatsi-be-e nani-no & (zi-tai)-mo naku ± 4k (zio-za)-ni
naivori i-sai-ni mbsi-faberi-si-to nan.
Als diesen Gegenstand der Fürst, der Vorgesetzte und
Reichsgehilfe hörte, sagte er: Hat man Fatsi-be-e auf den unteren
Sitz gesetzt? Man empfange ihn auf dem oberen Sitze und
frage ihn. — Auf diese Weise behandelte er ihn. Fatsi-be-e
ging, ohne irgendwie sich zu weigern, wieder auf den oberen
Sitz und meldete die Sache ausführlich.
1 Er gab ihm Haushaft.
Sitzungatier. d. phil.-hifst. CI. XCV. Bd. I. Hft.
21
322
Pfizmaier.
Sai-sib-ko-mo 4^ (tai-za)-nite on- (ai) ari-te
(jo- (kon)-no wose-domo-nite waget (reo-tsi)-no
utsi-ni JE (zai-taku) arare-jo tote go- m t (zib-ka)
tsikaki tokoro-nite ni-fiaku- ^ (seki) tamawari-si-to nan.
Der Fürst, der Vorgesetzte und Reichsgehilfe, auf dem
gegenüber befindlichen Sitze das Zusammentreffen habend, sprach
mit freundlichen Worten: Wohnet in einem Hause innerhalb
meines Lehens. — Er verlieh ihm an einem der Stadt seiner
Feste nahe gelegenen Orte zweihundert Scheffel Gehalt.
(Teo-jo) matsu-wo uje kawadzu-no kamabisusi-ku
naku-wo (siu)-su.
Teo-jo, Fichten pflanzend, beschwört das
laute Geschrei der Frösche.
Wowo-saka (tani) - matsi-suzi A ®r (fatsi-ted)-me
m & (guan-sed)-zi JSk (teö-jo)-wa zui-bun-no nen-hutsu-
no ffi (do-si) nari-si. Kono tera moto-wa (so-
an)-nite wadzukci-ni ^ ^ (san-ken) JJCJ jgj (si-men)-no
loara-buki-no —> ^2 (itsi-u) bakari nari-si-ioo ima-wa ^ ^
(butsu-den) ij ± (fb-dzib) Jij| 5fr||J (ku-ri) made kotn-gotoku
(zio-ben)-site keri.
Teo-jo aus dem Kloster des Entstehens der Bitte an der
achten Strassenvereinigung des Pfades der Thalstrasse in Wowo-
saka war ein leitender Lehrmeister des fleissigen Betens zu
Buddha. Dieses Kloster, ursprünglich eine Grashütte, war bloss
ein einziges mit Stroh gedecktes Vordach von kaum drei Schritten
Höhe mit vier Seiten. Jetzt hatte er die Vorhalle Buddha’s,
das Kloster, selbst die Küche sämmtlich vollendet und unter
schieden.
Kono ^ (siil-jei)-no fcizime-ni ne-naki matsu-wo
futa-kuki P^ (mon-kio)-ni uje mosi ^ p^j (zi-mon)
|Ü (fan-jtd)-se-ba kono matsu (sei-tsib)-su-
besi-to mi-dzulmra jjjjj (siaku)-serare-si-ni fatasi-te jg|j.
(utsu-mo)-site ima o-oki-naru ki-to nareri.
Begebenheiten neuerer Zeit in Japan.
323
Im Anfänge der Anordnung dieses Baues pflanzte er die
Stämme zweier wurzellosen Fichten an der Gränze des Thores.
Er betete dabei: Wenn das Thor des Klosters vielfachen Glanz
erhält, so werden diese Fichten vollkommen aufwachsen. — In
der That sind dieselben, dunkel und in Fülle, jetzt grosse Bäume
geworden.
Mata siwo-matsi-ni (kan-kio)-no 7^ (an)-wo
sime-tamai-si-ni niwa-no ike-no naka-ni kawadzu mure-nai-te
kamabisusi-kari-kere-ba -J-* ^ (ziü-nen)-wo sadznkete jj-
(teo-zi)-serare-si-ni £ m (seö-gai)-no utsi-wa katsute naka-
zari-si.
Als er ferner in der Salzstrasse eine Hütte des ruhigen
Wohnens in Besitz genommen hatte, schrien und lärmten in
dem Teiche des Vorhofes die Frösche in Schaaren. Indem er
ihnen die zehn Gebete übergab, brachte er sie zum Innehalten,
und sie schrien niemals mehr, so lange er lebte.
Gen-roku kiü-nen fatsi-guatsu ziü-sitsi-nitsi sitsi-ziü-ni-sai-
nite arakazime (metsu - go) - no (so-siki)-ivo
itonami maje ziü-itsi-nitsi-jori % m (an-jo)-no
(sei-siu)-no (sü)-ni iri-si koto-ivo obojete tattoku nen-bussite
wowari-nu.
Am siebzehnten Tage des achten Monats des neunten
Jahres des Zeitraumes Gen-roku (1696 n. Chr.), in seinem zwei
undsiebzigsten Lebensjahre, bestimmte er im Voraus die nach
seinem Tode zu beobachtenden Gebräuche der Bestattung. Indem
er schon früher, seit dem eilften Tage, bemerkt hatte, dass er
in die Zahl der Heiligen des Paradieses eingetreten, betete er
vornehm zu Buddha und verschied.
A-ki \n a (i-fatsi) ivo-sw.
Der Bonze I-fatsi von A-ki.
Wh jJ'l'J (Gei-siü) mija-zima tjjj (kub-mib-in)-
no Ü |1| (kai.-san) /\ (i-fatsi) wo-sib-wa jf| ^|'|
(wo-am) iwa-ki-no fito nari. Sono fawa -jp (ko)-no naki koto-
wo urpjete m » % ± (ben-sai-ten-nio)-ni jjjff S|* (ki-
21*
324
P fizmaier.
sei)-site woke-ni midzu-ivo irete kasira-ni itadalä asi-ioo tsuma-
datete tsuki-kage-ivo utsusi-jadosi arata-ni Jjjjj (ki-zui)-wo
jete gjljj; t^ (tan-zed)-si-tamb. Notsi-ni siilkke-si-tamai-te
(tokkb) nozokari-keri.
Der Bonze I-fatsi, Gründer des Gebäudes des glänzenden
Lichtes zu Mija-zima in Gei-siü, stammte aus Iwa-ki in Wö-
siü. Seine Mutter, betrübt, dass sie keine Kinder hatte, betete
zu der Göttin Ben-sai-ten. Nachdem sie in einen Zuber
Wasser gegossen, trug sie es auf dem Haupte, stellte sich auf
die Zehen und Hess das Mondlicht darin sich abspiegeln und
einkehren. Sie erhielt von Neuem ein wunderbares Glücks
zeichen, und er wurde geboren. Später entsagte er der Welt
und trachtete nach dem Wandel der Tugend.
Jto i§ ( Ka-to) s£ « * « (siki-bu tai-fu) tono-
iva ^ 'S (fu-sinj-bito nari-kere-ba iza sono ^ (so)-wo
kohoro-min tote (teo-zeo) ari-te 7^ (toki)-ioo mokete
m ft (ka-ro) ni-nin * # (so-ban)-ni site sono kio-wö-ni
koto-gotoku (gio-teo)-wo 3g (reo-ri)-si fgg ^
(jen-sioku) - aru iz ¥ (nio-si) go-roku-nin tada fitoje-naru
usu-mono-wo kisete (kiü-zi)-ni idasi mono-no fima-jori
ukagai-mi-tamo-ni ivo-sio © # (zi - ziaku)-to site sibaraku
manako-wo todzi-tamo-ni tJS}- jg (reo-ri) - seru * Ä (gio-
teo)-wn tatsi-matsi-ni tobi-odori kiü-zi-seru nio-si-wa misu-misu
*P§* (gai-kotsu)-to nari-nu. Tai-fu-dono wowoi-ni odoroki-osore
HP A (soku-za)-ni (kai-ge) (fossin)-si-tcmiaje-ba
mina moto-no gotoku-ni nari-si.
Der Herr Ka-to, grosser Stützender von der Abtheilung
der Muster, war ein ungläubiger Mensch. Er sagte: Wohlan!
Ich werde diesen Bonzen auf die Probe stellen. — Er bat ihn
zu sich, richtete eine Mahlzeit her und indem er ihm zwei
Alte des Hauses zu Gefährten gab, liess er für die Bewirthung
lauter Fische und Vögel zubereiten, liess fünf bis sechs Mädchen
von zierlichem Aussehen bloss in einfachen Flor sich kleiden
und schickte sie zur Bedienung heraus. Dabei blickte er
spähend durch den Zwischenraum eines Gegenstandes. Der
Bonze benahm sich so wie früher und schloss eine Weile die
Augen. Die zubereiteten Fische und Vögel flogen plötzlich in
Begebenheiten neuerer Zeit in Japan.
325
die Höhe, die Mädchen, welche bedienten, wurden zusehends
Todtenknochen. Der Herr grosse Stützende war in grossem
Masse von Schrecken und Furcht erfüllt. Er besserte sich,
bereute und bekehrte sich auf der Stelle. Alles wurde hierauf
wie es ursprünglich gewesen.
Wo-sib ^ (keo-ge) nen-goro-ni si-tamai-te sore-jori
a-ki-no kuni-ni iri-tamai-te mija-zima-ni £ Jg (ziü-kio)-wo
simeraru. Tsune-ni bi-rei-naru wonna ziü-jo-nin |£|| (zui-si)-
si-keve-bci ^|; 7icisi~kßvu- , wo kiki~ta7ncii~t6 ft m
(fo-dan)-no (seki)-je jobi-idasi nandzi-ra juje sa-ni sosiri-no
tsumi-ioo nasasimuru Icoto mata waga kanasi-mi nari. Isogi kono
tokoro-wo tatsi-noku-besi-to ari-si-ka-ba J (kcä-zib) niwaka-
ni ^ (fa-rb) okori-te ^ (bo-fu) susamasi-kari-
kere-ba j^j (teb-mon)-no fito-bito kimo-wo fijasu tokoro-ni
sasi-mo % BS (jb-jen) nari-si sugata tatsi-matsi «fl
(zia-gib)-to naii-te kuro-kumo-to fitosi-ku J[gj (kai-tei)-ni
ire-ba makoto-ni % Jk (ten-nio)-no Jl (ziü-go) ^
(do-zi)-wo tsukaivasi-te ^ (kiü-zi)-sesime-tamb koto kono toki
fazimete siri-si-to-ka-ja.
Der Bonze betrieb eifrig' Belehrung und Umgestaltung
und trat hierauf in das Reich A-ki, wo er in Mija-zima den
Wohnsitz aufschlug. Da ihm gewöhnlich zehn schöne und
zierliche Mädchen folgten, redete man ihm Uebles nach. Als
er dieses hörte, rief er sie zu dem Teppiche der Besprechung
der Vorschrift und sagte: Dass ich euretwegen auf diese Weise
das Verbrechen der üblen Nachrede begehen lasse, dieses ist
auch mein Kummer. Ihr könnet euch eilig von diesem Orte
zurückziehen. — In diesem Augenblicke erhoben sich auf der
Meeresfläche plötzlich Wellen und der Sturmwind war fürchter
lich. Während die Zuhörer sich entsetzten, wurden selbst die
so zierlich gewesenen Gestalten plötzlich Schlangengestalten
und traten, mit den schwarzen Wolken gleich, in den Boden
des Meeres. Dass er wirklich fünfzehn Knaben, welche Himmels
mädchen waren, verwendete und sich von ihnen bedienen liess,
erfuhr man um diese Zeit wohl zum ersten Male.
Sono notsi —• * 0 (issen-nitsi)-no m Bf (betzu-zi)-
nen-butsu-wo (ziil)-si-tamb. MB (Fatsi-fiaku- nitsi)-
326
Pfizmaier.
mo sugi-nuru koro itsukvrsima-no jjfJ; (sia-nin) tare-kare
su-nin itsi-jb-ni jurne-no tsuge ari-te nokoru tokoro-no ni-fiaku-
nitsi-wa jjpt j^J (sia-nai)-nite tsutomu-beki josi ^ Jjjf (zi-
gen) arata-ni rio-do made-ni ojohi-si-ka-ba kono uje-ica tote
kano betsu-zi-nen-butsu-wo sia-nai-ni utsusi-te tsutomeraru. Mata
fiaku-go-ziu-nitsi fodo-fete wo-sio tattoki ^ (rei-mu)-no
ari-te wäre kono 0 [H) (je-ko)-no fi-ni citari (w'o-zib)-
su-to no-tamai-si-ka-ba ||| (jen-kin)-ni kikoje (d'o-
zoku) iku- (sen-man) atsumari-si.
Spätei- übte er das eintausend Tage währende, zu ver
schiedenen Zeiten stattfindende Gebet zu Buddha. Zur Zeit
als achthundert Tage vergangen waren, hatten hier und dort
einige Altarmenschen von Itsuku-sima 1 auf die nämliche Weise
einen Traum zu melden, und eine Offenbarung, dass man sich
in den noch übrigen zweihundert Tagen in dem Inneren des
Altares befleissigen solle, war von Neuem selbst zweimal er
folgt. In Bezug auf dieses verlegte er jenes zu verschiedenen
Zeiten stattfindende Gebet zu Buddha nach dem Inneren des
Altares und befleissigte sich.
Als ferner hundertfünfzig Tage vergangen waren, hatte
der Bonze einen vornehmen reingeistigen Traum und sagte:
Ich mache an einem Tage dieses wiederholten Gebetes den
Gang zu dem neuen Leben. — In der Nähe und Ferne ver
lautete dieses, und Männer des Weges und Laien versammelten
sich in einer Anzahl von mehreren Tausenden und Zehn
tausenden.
Sono fi-no fi-naka-ni ^j| (gun-ziü)-no mono-ni takaraka-
ni + lk (ziü-nen) sadzukete * # £ (tai-wb-zio)-wo toge-
tamai-si. Sp? (Si-an) jjfj (sai-fo)-jori tanabiki ^
(ten-kua) (mib-ko) (bi-mib) - naru koto-domo
nari. A? (Ro-seo) ||f| ^ (zui-ki)-no namida fosi-ajezu
■ Irl.
9°- TT
(kotsu)-wo firoi-tori-te
(ketsi-jen)-sen-to matsi-
kake-taru-ni nitoaka-ni usiwo minagiri-kite —• ^ (itten)-no
(jo-kuai)-mo naJcu mina jfjf: (kai-isiu)-ni nagare-
1 Itsuku-sinia ist so viel als Mija-zima.
Begebenheiten neuerer Zeit in Japan.
327
iri-si-to nan. Makoto-ni
J|it}) (riü-zin)-no -±k
(ku-j'o)-
se-si koto-jo-to obojete nawo totosi.
Am Mittage dieses Tages tlieilte er clen Versammelten mit
lauter Stimme die zehn Gebete mit und erreichte den grossen
Gang zu dem neuen Leben. Eine purpurne Wolke neigte sich
aus der westlichen Gegend herab, es waren die unschein
baren wundervollen Dinge des wundervollen Wohlgeruchs der
Himmelsblüthen.
Kaum dass Alte und Junge die Freudenthränen getrocknet,
erwartete man, dass man die Gebeine auflesen und das Ver-
hältniss zu Buddha knüpfen werde. Plötzlich kam die Meer-
fluth überschwellend heran und ohne dass ein Punkt übriger
Asche gewesen wäre, wurde alles in das Meer geschwemmt.
Indem man erkannte, dass der Drachengott ihm das Opfer
gebracht habe, war er noch mehr geehrt.
De-wa kiri-jama pjj (gan-tsiu) (dai-zia).
DiegrosseSchlange in dem F eisen desNebel-
berges in De-wa.
De-wa-no kuni Idri-jama-no siro-wa (dai-zia)
maki-i-te ^ s|£ (siil-go)-se-si-to mukasi-jori i-i-tsutaje-si. Sare-
ba |=f jH (ko-gan)-no man-naka-ni fast nagaku tatete
(si-mn) bakari ware-taru tokoro ari sono maje-ni kaki-wo jui
sime-ico fiki-tari. Sono ware-me-jori utsi-ico ukagaje-ba ki-iro-
nite isi-datami-no gotoku naru uroko-no faje-taru ■feg (zia)
tsune-ni fima-naku meguri-keri. Eubi-to wo-.to-ico mi-si fito-
wa nasi.
Von der Feste des Nebelberges in dem Reiche De-wa
wurde von Alters her überliefert, dass eine grosse Schlange,
welche zusammengerollt war, sie beschütze. Indessen stellte
man gerade in der Mitte des grossen Felsens eine lange Brücke
auf, welche eine gespaltene Stelle von vier Zoll hatte. Vor
ihr errichtete man eine Mauer und zog ein Bannseil. V enn
man von dieser Spalte in das Innere spähte, wand sich ge
wöhnlich eine Schlange, auf welcher gelbe, steinernen Stufen
ähnliche Schuppen wuchsen, ohne einen Stillstand zu machen,
328
Pfizmaier. Begebenheiten neuerer Zeit in Japan.
umher. Es war kein Mensch, der ihr Haupt und ihren Schweif
gesehen hätte.
* (Teo-i) ^ ^ (sa-kib)-no suke tono kano tokoro
ijJj (rib-tsi)-si-tamai-si toki ^ (ka-sin) ^
(taka-tsu) ku-rb-be-e-to iü fito IE m (zai-ban)-ni Icose-si toki
tabi-tabi mi-kajeri-nu-to katarare-si.
Zur Zeit als Teo-i, der Herr Gehilfe der Mutterstadt zur
Linken, jenen Ort zu seinem Gebiete machte, erzählte sein
Hausdiener, ein Mensch Namens Taka-tsu Ku-rö-be-e, dass
er, wenn er auf der Wache hinüberschritt, mehrmals sie er
blickt habe.
Dudik. Historische Forschungen in der Bibliothek zu St. Petersburg.
329
Historische Forschungen in der kaiserlichen öffent
lichen Bibliothek zu St. Petersburg.
Von
Dr. B. Dudik 0. S. B.
Die Geschichte der kaiserlichen öffentlichen Bibliothek
in St. Petersburg 1 liegt in ihrer Zusammensetzung. Sie ist nicht
genetisch geworden, auch wurzelt sie nicht in der Vergangen
heit des russischen Staates, sie ist vielmehr ein Conglomerat
neueren Datums, entstanden in der jetzigen Form um 1810
aus verschiedenen Sammlungen, die längst schon, bevor sie in
den grossen Complex, der jetzt ,die kaiserliche öffentliche
Bibliothek' heisst, aufgenommen wurden, ihre eigenen Ge
schichten hatten, die man kennen muss, um sich mit Nutzen
in den weiten Räumen der am Katharinenplatze stehenden
kaiserlichen Bibliothek, und in ihren breitangelegten Catalogen
auszukennen.
Als Grundlage der jetzigen Bibliothek, welche nahezu
anderthalb Millionen gedruckter Werke und an 40.000 Hand
schriften zählt, dient die bis zum Jahre 1795 in Warschau
bestandene, und, in Folge der dritten Theilung Polens, durch
die Kaiserin Katharina II. nach Petersburg geschaffte soge
nannte Zaluskische Bibliothek, mit der wir uns ihrer reichen
historischen Quellen wegen, welche allerdings unmittelbar die
Geschichte Polens, mittelbar jedoch auch die der österreichisch
ungarischen Monarchie beleuchten, eingehender beschäftigen
wollen.
Den Namen führte diese ihrer Zeit berühmte Bücher
und Handschriften-Sammlung von ihren Begründern, den Brü
dern Andreas Stanislaus Kostka und Josef Andreas Grafen
Zaluski in Zaluskie. Söhne des Wojwoden von Rawa, gehören
sie einem alten polnischen Geschlechte, welches sich in der
330
Dudik.
Staats- und Literaturgeschichte Polens, einen ehrenvollen Platz
errungen hatte. Der ältere Bruder, Andreas, machte in seiner
Jugend grosse Reisen, studierte in Rom, wo er die Doctor-
würde nahm und widmete sich dem geistlichen Stande. Noch
sehr jung-, erhielt er am 18. Dezember 1722 den bischöf
lichen Sitz zu Plock, den er bis 1737 inne hatte, er wurde
dann unter dem Könige Friedrich August II. 1735 zum Gross
kanzler des Reichs befördert, welches Amt er zehn Jahre lang
verwaltete, darauf 1737 nach Luck, am 15. Juli 1739 nach
Kulm, und endlich am 2. Mai 1746 nach Krakau versetzt, wo
er den 16. Dezember 1758 in dem Rufe eines gelehrten und
biederen Mannes und Bischofs starb. Seine reiche Bücher
sammlung vermachte er seinem jüngeren Bruder Josef.
Josef Andreas Zaluski, geboren 1701, ist der eigent
liche Gründer der nach ihm benannten Bibliothek. Durch
Reisen in Deutschland, Holland, Frankreich und Italien ge
bildet, trat er frühzeitig mit den gelehrtesten Männern seiner
Zeit in literarischen Verkehr, und fasste den Entschluss, sein
bedeutendes Vermögen dadurch zum Wohle seines Vaterlandes
zu verwenden, dass er eine öffentliche Bibliothek in Polens
Hauptstadt, Warschau, zu begründen sich vornahm, eine Bi
bliothek, die in erster Linie alles vereinigen sollte, was die
polnische Literatur je zu Tage förderte. Die Verhältnisse
waren diesem seinen Unternehmen günstig. Es mag auffallen,
dass wir diese Behauptung aufstellen, denn Zaluski’s Jugend
fällt in die Parteiungen hinein, welche in Folge des nordischen
Krieges in dem Wahlstaate Polen zu Tage traten. Dem recht
mässigen Könige, Friedrich August, wurde nämlich 1704 durch
den Einfluss des Königs von Schweden, Karl XII., der Woj-
wode von Posen, Stanislaus Leszinski, als Gegenkönig auf
gestellt. Allerdings gewann 1709 Friedrich August wieder die
Oberhand; aber das Land blieb nichts destoweniger gespalten,
bis erst 1733 mit der Wahl Friedrich August II. eine etwas
festere Ordnung in das unglückliche Polen gelangte. Josef
Zaluski zählte damals das 22. Lebensjahr, und seine Bibliothek
bereits 4000 Bände und mehrere hunderte von kostbaren, die
politische und Rechtsgeschichte Polens beleuchtenden Hand
schriften. Er erwarb sie bei den allgemeinen politischen
Wirren um billige Summen, und da er sich entschloss, dem
Historische Forschungen in der Bibliothek zu St. Petersburg.
331
Gegenkönige Stanislaus ins Ausland zu folgen und in Lothringen
reiche Benefizien anzunehmen, fand er neben seinem Vermögen
die hinreichenden Mittel, seine Bibliothek nach Wunsch zu
vermehren; darum sagten wir, dass gerade die politischen
Wirren dem strebsamen Manne günstig waren, um seiner
Bücherliebhaberei nachgehen zu können.
Als die Zustände Polens um das Jahr 1733 durch die
Wahl des sächsischen Kurfürsten Friedrich August II. (III.)
zum Könige sich zu regeln anfingen, kehrte Graf Josef in die
Heimat zurück, wählte Warschau zu seinem gewöhnlichen
Sitze, und hier war es, wo er 1747 seine und die seines
Bruders Andreas, Bischofs von Krakau, bereits catalogisirte
Bibliothek mit grosser Feierlichkeit dem Publikum öffnete,
selbe, sammt dem Palais worin sie stand, und das im Werden
begriffene Museum, dem Vaterlande für immerwährende Zeiten
durch eine eigene Schrift, welche zugleich die Bestimmungen
des Donators über die Verwaltung und Benützung der Bibliothek
enthält, zu Eigen gab mit der Motivirung: ,ut exstet perpetuum
quoddam quasi monumentum meae erga sedcm apostolicam de-
votionis, cum qua (bibliotheca) cupio huiusmodi legato con-
scientiam meam exonerara, si quos fructus ex reditibus meis
ecclesiasticis, dum vixi, male forsan, perceperim'. 1 Wir be
sitzen diese Bestimmungen und eine gleichzeitige, kostbare Re
lation über diesen am 3. August 1747 stattgefundenen Akt,
von dem wir hier Einiges dem freundlichen Leser mittheilen.
Josef Zaluski sagt in dieser Schrift, dass seit 46 Jahren
an der Bibliothek gesammelt wurde. Da nun, wie wir wissen,
Graf Josef 1701 geboren war, so ist klar, dass hier auch von
den Büchern seines viel älteren Bruders Andreas, die Rede ist,
welcher damals, als die Inauguration stattfand, Bischof von
Krakau war. Leider wurde nach seinem, wie oben gesagt,
am 16. Dezember 1758 erfolgten Tode diese bischöfliche Schen
kung wegen gewissen Formenfehlern seines Testaments revo-
cirt, so dass blos ein Kapital von 46.000 Gulden polnisch und
von den Büchern 2500 Bände für die Warschauer Bibliothek
übrig blieben; doch dies störte den Gründungseifer des Grafen
1 Catalogue des publications de la bibliotheque imperiale publique de
Saint-Petersbourg depuis sa fondation jusqu’ en 1861 etc. 4% und darin
pag. X Ritus inaugurationis, worin pag. XVI die obige Stelle vorkommt.
332
Dudik.
Josef keineswegs, höchstens, dass von nun an Josef allein als
der eigentliche Stifter galt.
Als Bibliothekare amtirten noch zu Lebzeiten des Kra
kauer Bischofs Andreas, der in der literarischen polnischen
Welt bekannte Canonicus, Johann Daniel Janocki, und etwas
später, doch mit ihm zugleich, der Jesuit Albertrandi und
Kantzier. Vom Janocki stammen die ersten Cataloge der
Zaluskischen Bibliothek; der Handschriftencatalog führt den
Titel: ,Specimen Catalogi codicum manuscriptorum bibliothecae
Zaluscianae exhibitum iussu et sumptu optimi et munificentis-
simi principis episcopi Cracoviensis* etc. 1752, 4°. 175 pp. und
über die seltenen polnischen Drucke: ,Nachricht von denen in
der hochgräflichen Zaluskischen Bibliothek sich befindenden
raren polnischen Büchern'. Dresden. Walther 1747 —1753.
Fünf Partien in 2 Bänden. 8°. Beide diese Cataloge ver
schafften der Zaluskischen Bibliothek in Warschau den euro
päischen Ruf, dessen sie sich mit Recht erfreut hatte, und wer
noch heut zu Tage die Zaluskische Bibliothek kennen lernen
will, muss zu diesen beiden Arbeiten des Bibliothekar Janocki
seine Zuflucht nehmen.
Minder glücklich angelegt und durchgeführt ist von
Janocki folgender Catalog: ,Bibliographia Zalusciana, exhibens
ill. excell. atque reverendissimi D. D. los. Andr. Comitis in
Zaluskie Zaluski, Kioviensis atque Czernichoviensis episcopi,
heroici ordinis aquilae albae equitis, tarn edita quam edenda
scripta, inspersis plurimis notis atque observationibus lite-
rariis ex eiusdem illustrissimi praesulis scrinio desumtis.
Opus literariae historiae Poloniae amatoribus iocundum ac
perutile, partim Berdiczoviae in typographeo Mariano, par
tim Varsaviae Mizlerianis, collegiique Societatis Iesu typis
impressum annis 1763, 1764, 1765 et 1766. Fol. Man sieht
es diesem Werke an, dass damit nicht so sehr der Wissen
schaft, als vielmehr der Eitelkeit des alternden Fundators
gedient werden sollte, denn selbst die unbedeutendsten An
spielungen auf den Grafen, die in welcher Literatur immer
gefunden wurden, stehen hier als Bibliogi’aphia Zaluskiana ver
zeichnet, des mittlerweile 1759 zum Bischöfe von Kijew-
Äitomirz ernannten Grafen Zaluski, dessen Leben am besten
beschrieben erscheint in ,Fi - iese, Vitae episcopoi’um Kiowien-
Historische Forschungen in der Bibliothek zu St. Petersburg.
333
sium et Czernichoviensium.' Varsoviae 1761. Das Petersburger
Exemplar ist voll von Anmerkungen und Zusätzen, die von
der Hand des Bischofs stammen. Man sieht daraus, dass sich
der Bischof gerne in Berdiczow in der Ukraine aufhielt, und
das ist der Grund, warum Janocki einen Theil der Bibliographia
Zaluskiana in Berdiczow drucken Hess, und warum die Fort
setzung des Werkes in Warschau geschah, wird erklärlich,
wenn man in der oberwähnten Bischofsgeschichte liest, dass
Graf Josef als polnischer Senator nach dem Tode des Königs
August II. nach Warschau eilen musste, um 1764 dem neuen
Herrscher, Stanislaus August Poniatowski, die Stimme zu geben.
Als er jedoch auf dem Reichstage 1766 gegen die von den
Russen beschützten Dissidenten heftig auftrat, ward er auf
Veranlassung des russischen Gesandten, Repnin, nach Kaluga
verwiesen, und daselbst bis 1773 festgehalten. Aus dieser Zeit
stammt ein höchst rares Werkchen: ,Mensonges imprimes du
sujet de Joseph comte de Zaluski 4 etc., s. 1. und ,Przypadki
niektore J. W. J. 1. Jözefa Zaluskiego, ktöre mu sie w niewoli
Moskiewskej 6-letniej trafylib (s. 1.) 1773. 8°. Kaum frei ge
worden, starb dieser polnische Patriot am 9. Januar 1774.
Obwohl die nach Josef Zaluski genannte Bibliothek kraft
seines Testamentes der polnischen Nation gehörte, bestimmte er,
dass die Jesuiten die Verwalter derselben blieben; die Jesuiten
aber wurden schon 1773 aufgehoben, und so ging die Bibliothek
in die Verwaltung des Staates über, und wurde zwanzig Jahre
hindurch von der Warschauer Erziehungscommission verwaltet
wiewohl die Verwandtschaft der Gründer Einsprache dagegen
erhoben hatte. Der Process dauerte noch fort, als die dritte
Theilung Polens 1795 erfolgte, und 1795 die Kaiserin Katha
rina II. den Befehl ertheilte, die Zaluskische Bibliothek als
Staatsgut nach St. Petersburg zu überführen. Sie zählte damals
w’eit über 200.000 Bände, und bildete die Grundlage der jetzigen
kaiserlichen öffentlichen Bibliothek, die dann später zwischen
den Jahren 1831 und 1834 noch durch eine Auswahl seltener
Schriften aus Plotzk vermehrt wurde, die ehedem im Besitze
der Jesuiten waren, weiter durch die ausgezeichnete Bibliothek
der Fürsten Czartoriski, die in Pulawü stand, sowie durch die
der Sapieha und Rzewucki, und endlich durch 150.000 Bände,
welche der Gesellschaft der Literaturfreunde in Warschau
334
D u d i k.
gehörten, worunter sich mehrere Tausende der seltensten Erst
lingsdrucke aus dem 15. und 16. Jahrhunderte, und viele gute
Handschriften (im Cataloge mit G bezeichnet) befinden, welche
die Gesellschaft in Folge der Jahre zumeist aus den polnischen
Klöstern, wo sie verborgen lagen, gesammelt hatte. Man kann
daher mit voller Berechtigung sagen, dass die heutige kaiser
liche öffentliche Bibliothek in St. Petersburg, in ihrer grossen
Mehrzahl aus Büchern und Handschriften besteht, die vor den
polnischen Revolutionen im Königreiche Polen lagen, und nur
als Siegesbeute nach St. Peterburg wanderten.
Allerdings bewahrt die kaiserliche öffentliche Bibliothek
auch noch andere Aquisitionen, zu denen wir in erster Linie
die Manuscripten - Sammlung des russischen Kirchensängers
und nachmaligen russischen Gesandtschaftsbeamten in Paris,
Peter Dubrawski, zählen. Augenzeuge der französischen Re
volution von 1789 und der Plünderung der Abtei von St. Germain
und anderer französischen Bibliotheken und Archive, wusste
Dubrawski eine Menge werthvoller Handschriften, die von der
rohen Masse zum Tlicile auf die Strasse geworfen wurden, um
ein geringes zu erwerben, und so zu retten. Dubra-wski schenkte
in späteren Jahren, nachdem er zum Legationsrathe vorgerückt
war, seine ganze Sammlung dem Kaiser Alexander I., der ihn
dafür zum Conservator des Handschriften - Departements der
Bibliothek mit reichlichem lebenslänglichen Gehalte ernannte.
Auch die 27.000 Bände reiche Sammlung des als russischen
Gesandten in Stockholm 1836 verstorbenen Grafen Suchtelen
bildet einen Bestandtheil der jetzigen kaiserlichen öffentlichen
Bibliothek. Sie wurde um 100.000 Rubel angekauft, und so
könnten wir noch eine ganze Reihe von Acquisitionen an'fuhren,
um die anderthalb Millionen Bände, welche die weiten Säle
der kaiserlichen Petersburger Bibliothek fassen, begreiflich zu
machen, wenn es uns um eine Geschichte der erwähnten
Bibliothek ginge; dies ist nicht unser Zweck. Unser Zweck
lag, als wir unsere historischen Studien in St. Petersburg ein
leiteten, die Handschriften der ehemals Zaluskischen Bibliothek
durchzugehen, um ihren Werth für die österreichisch-ungarische
Staatengeschichte zu constatiren.
Allerdings sind jetzt die Zaluskiana unter die anderen
vorhandenen Handschriften eingereiht, und bilden somit keine
Historische Forschungen in (1er Bibliothek zn St. Petersburg.
335
selbstständige Abtheilung, und es wäre eine fast vergebliche
Mühe gewesen, sie herauszufinden, wenn die Verfasser der
Cataloge nicht zu jeder Handschriften-Nummer die Provenienz
angemerkt hätten. Sie thaten dies aber mit grosser Gewissen
haftigkeit, und ermöglichten uns unsere Studien, die durch die
ungemein wohlthuende Zuvorkommenheit des Bibliotheks-
Directors, des Staatsrathes Deljanow, und durch die unver
drossene Gefälligkeit der beiden Oberbibliothekare, MinzlofF
und Byschkof, zur angenehmen Beschäftigung wurden. Ich
sage hier den erwähnten Herren öffentlich meinen Dank. Nicht
nur, dass mir die Cataloge ohne Ausnahme zur Durchsicht
überlassen wurden, ich erhielt auch sonst noch Zugeständnisse,
die mir die Arbeit sehr erleichterten und ich meine Zeit gut
ausnützen konnte, denn nur dadurch wurde es möglich, dass
ich vom 14. August bis 13. September, nahezu an hundert
Handschriften prüfen und einen The.il der Handschriftencataloge
durchgehen konnte.
Die Handschriftencataloge der kaiserlichen öffentlichen
Bibliothek — und nur mit diesen haben wir es zu thun —
richten sich nach der Aufstellung der Manuscripte. Der Haupt-
eintheilungsgrund derselben bildet die Sprache, weiter die
Materie und endlich das Format. Unsere Aufgabe war blos
die lateinisch und polnisch geschriebenen Manuscripte durch
zugehen; in böhmischer Sprache abgefasste besitzt die Bi
bliothek nicht. Für die lateinischen Handschriften besteht der
Catalog aus drei, und für die polnischen aus einem Bande.
Der erste Band der lateinischen Handschriften enthält die
Abtheilungen (odeleni): I. Theologia, der zweite Band: II. Iuris-
prudentia, III. Philosophia, IV. Historia, V. Historia naturalis,
VI. Medicina, VII. Physica, VIII. Chymia, IX. Mathesis,
X. Artes mechanicae, XI. Artes liberales, XII. Musica, XIII. Ars
delineandi, und der dritte Band: XIV. Poesis, XV. Lingui-
stica, XVI. Eloquentia, XVII. Polygraphia und XVIII. Historia
literaria.
Nach diesen Abtheilungen, in der Bibliothek Odöleni ge
nannt, zerfallen also die Handschriften in XVIII. Gruppen.
Man muss dies wissen, weil man sonst die Handschrift nicht
auffinden könnte, denn die Signatur einer jeden Handschrift
ist: die erste, die Angabe der Sprache, die zweite, ob die Hand-
336
D u d l k.
schrift auf Papier oder Pergament geschrieben, die dritte, die
Abtheilung, die vierte, das Format und endlich die fünfte, die
laufende Nummer des Formats und der Abtheilung, deren jede
mit Nummer eins beginnt, und zwar separirt für Charta und
Membrana, und separat nach dem Format: Folio, Quart oder
Octav. Zu jeder Nummer ist im Cataloge mit einem Buch
staben die Provenienz derselben angegeben, z. B. Z. Zaluski,
D. Dubrovski, Gr. Gesellschaft der Literaturfreunde in War
schau, W. Warschau etc. Es ist dies allerdings ein viel zu
komplicirter Apparat der Aufstellung, besonders, als das Ein
reihen der einzelnen Handschriften nach Materien in gar vielen
Fällen fast zur Unmöglichkeit wird. Indess da der Stock der
Bibliothek, die Zaluskiana, diese Bezeichnung schon mitbrachte,
beliess man sie auch für die später acquirirten Manuscripte.
Man muss daher, um in der St. Petersburger Bibliothek eine
Handschrift regelrecht zu verlangen, also die Signatur angeben:
Lat. chai't. I. fol. Nr. 185.
Wir wollen jetzt nach den Abtheilungen, die von mir
benützten oder blos eingesehenen Handschriften, wobei ich
abermals erinnere, dass ich mich fast ausschliesslich nur mit
ZaluskischenManuscripten beschäftigte, anführen, und zu jedem
für spätere Forscher die Signatur beisetzen.
I. Abtheilung. Theologia.
In folio menibr. et Charta.
1. Legendae Sanctorum. Seculi XIV. membr. Sig. 124.
Im Catalog steht die Bemerkung, dass von diesem Werke zwei
Volumina vorhanden seien. Ich sah nur einen Band mit schönen
Initialen. Im vorliegenden Bande ist das Leben der heiligen
Elisabeth, der Landgräfin von Thüringen, in der Recension, in
welcher sie in der Legenda aurea Iacobi a Voragine vorkommt.
Das Leben der böhmischen Landespatrone: Ludmilla und
Wenzeslaus fehlt in diesem Bande. Auch unter der Sig. 426
kommt ein Legendarium vor, in welchem unter anderen schon
das Leben des heiligen Stanislaus, aber noch nicht das der
heiligen Clara und der heiligen Hedwig vorkommt, ein Beweis,
Historische Forschungen in der Bibliothek zu St. Petersburg.
337
dass dieser Codex aus einem viel älteren Exemplare abge-
sclirieben wurde, da Clara 1255 und Hedwig 1267, Stanislaus
aber bereits 1253 heilig gesprochen wurden. Vitae Sanctorum
Seculi XV. liegen ferner unter der Sig. 515, und eine Vita
sanctae Elisabethae und St. Hedwigis de anno 1472 unter der
Sig. 333.
2. Bartholomaei, Ord. Praedicatorum, Summa de casibus
conscientiae de anno 1347. Von Fol. 1 bis 217. Darauf von
217' bis 218: De casibus reservatis. Folio 218' bis 220' leer.
Von Fol. 221 bis 237 Statuta Arnesti Archiepiscopi Pragensis.
Eigentlich sind es auf Grund der Arnestinischen Provinzial-
Statuten vom November 1349, medergeschriebene Informationen
für den Seelsorg-Clerus und für die Beichtväter der Prager
Kirchenprovinz. So ist gleich der Anfang der Statuten ge
nommen aus Cap. 45 (Editio, Dudik, Brünn 1872, pag. 54),
und lautet: Statuta domini Arnesti Archiepiscopi sic dicunt:
Nullus presbyter parochianum alterius sine proprii licentia
sacerdotis, non in articulo mortis constitutum, ad confessionem
recipiat, cum eum absolvere nequeat vel ligare, neque ei mini
stret quodcumque aliud saoramentum ecclesiasticum. Quaestio:
utrum nos religiosi, et non curam populi habentes, possimus
procurare oninibus sacramentis parochianos aliorum, ut merca-
tores, viatores et peregrinantes, si venerint ad nos et inciderint
in infirmitates, ut timeatur periculum mortis, quod forte non
habent licentiam, nec cogitaverunt petere? Responsio: Si veri-
similiter timetur mortis periculum, et de facili licentia a pro
prio presbytero haberi non potest, potest, cum necessitas legem
non habeat; alias non est tutum etc. Peregrinos autem et
sanos, si peram et baculum a propriis presbyteris susceperunt,
vel ab aliis de licentia propriorum, vel cum iam iter arripue-
runt, absolvere potest etc. Und in dieser Form geht es weiter.
Stets eine Frage, und darauf eine Antwort. Die Fragen nach
alphabetischer Ordnung gestellt, z. B. Absolutio criminum inter
religiosos, oder Aqua benedicta, oder Anni pubertatis qui sunt?
Sehr umständlich: de usura et de restitutione. Werth copirt
zu werden. Fol. 235' Sequuntur Rationes magistri Drusonis.
Alles, wie sich der Beichtvater bei den angeführten Facten
verhalten solle. Ein Iudex von drei Seiten endet das Ganze,
welches eine eigene Folirung hatte mit den roth geschriebenen
Sitzungsber. d. phil.-hist. CI. XCV. Bd. I. Htt. 22
338
Du dik.
Worten: ,Expliciuut Statuta domini Amesti Archiepiseopi Pra-
gensish Darauf .de ornatu midier um', eine culturgeschichtliche
Predigt etc. Cod. chart. fol. Sec. XIV. Folia 242. Sig. 7.
3. Eusebii Historia per Rufinum. Die Chronik schlecht
und fehlerhaft geschrieben. Zwei Citationes Olomucensis Epi-
scopi in membr. Sind zwei Vorsatzblätter ohne Bedeutung
Sec. XVI. Darauf Quaestiones decisae in Rota audientiae do
mini pape de diversis inateriis. Schluss: Collationes episto-
larum dominicalium editae a fr. Nicolao de Interamnis, Ord.
fr. Minor. Cod. Chart. Sec. XV. Sig. 11.
4. Fr. Conradi Pragensis Postilla, mit der Schlussbe
merkung: Jlunc librum dominus Michael, praepositus Miecho-
vien, comparavit Pragae in Studio existens, pro LX. sexagenas'.
Cod. Sec. XV. Sig. 27.
5. Mathäus de Cracovia, Tractatus de conscientia et ra-
tione, elucrubratus Präge 1390. Cod. Sec. XIV. Sig. 39.
6. Postilla Studentium Prägen universitatis. Circa annum
1393. Cod. Sec. XIV. Sig. 39.
7. Postilla Studentium Pragensium a. D. Conrado Wal
thusen compilata 1427. Cod. Sec. XV. Sig. 185.
8. Mathäi de Legnitz Postilla per manus Simonis de
Auspitz. Sec. XV. Sig. 53.
9. Homiliae per Quadragesimam scriptae a. D. 1414. Ge
hörten im erwähnten Jahre dem Nicolaus de Hustopec, nunc
plebani in Krasa. Cod. Sec. XV. Sig. 132.
10. Iacobi a Voragine, Legenda aurea de anno 1423.
Cod. Sec. XV. Sig. 167. Ein zweites Exemplar Sex. XV. hat
die Sig. 191. Darin: ,Vita quinque fratrum in Polonia'. Leider
nur ein Blatt und unvollständig, eine Vita, welche sonst in der
Legenda aurea nicht vorzukommen pflegt. Auch ist hier die
Vita anders als im Benedictiner Brevier.
11. Liber poenitentiarius per Petrum, Cracoviensem epi-
scopum, in synodo Wislicensi anno 1396 promulgatus. Cod.
Sec. XV. Sig. 187. Es ist da die Rede von dem Krakauer
Bischöfe Petrus Wisz Radolinski, welcher 1392 das Bisthum
erhielt und 1412 nach Posen versetzt wurde. Er starb 1414.
Obwohl einer späteren Zeit entsprossen, ist dieser ,Liber poe
nitentiarius 1 schon darum höchst merkwürdig, weil er noch
Busscanonen enthält, die in Folge des Entwickelungsganges,
Historische Forschungen in der Bibliothek zu St. Petersburg.
339
welchen die Bussdisciplin genommen hatte, in den Bussord
nungen des westlichen Europas nicht mehr vorkamen.
12. Rubrica missarum secundum consuetudinem ecclesie
Olomucen et Cracovien, scripta circa annum 1396. Cod. Sec.
XIV. ad finem. Sig. 43. Ein viel versprechender Titel! Leider
besteht die Rubrica missarum nur aus vier Blatt. ,Incipit de
prima Dominica Adventus et finit in die Parasceve“, die wei
teren Theile des Jahres fehlen; doch immerhin wichtig, weil
der Rest die Uebereinstimmung des kirchlichen Directoriums
der beiden aneinander grenzenden Diöcesen darthut, und daher
den Schluss erlaubt, dass beide Diöcesen einen und denselben
Ursprung hatten, und dass demnach die Tradition, die Slaven-
apostel, Kyrill und Method, seien auch ihre Begründer gewesen,
doch irgend einen Grund haben müsse. Was nach der ,Ru
brica“ im Codex noch folgt, ist ein Liber poenitentiarius, dann
Canonen und verschiedene Predigten.
13. Apologia Theutonicorum contra Bohemos per mona-
chum Cisterciensem. Cod. Sec. XVI. Sig. 44. Bios auf sechs
Seiten ohne Werth; es sind theologische Argumente wider den
Husitismus. Voran gehen theologische Abhandlungen und Aus
züge aus Thomas von Aquino.
14. Revelationes S. Brigidae. Beginnen: Epistola solitarii
ad reges. Liber coelestium imperatorum, revelatus s. Brigidae.
Geschrieben um das Jahr 1430. Cod. Sec. XV. Folia 348.
Sig. 195. Ein anderer Codex Revelationum s. Brigidae ist
vom J. 1448. Sig. 233.
15. Literae pro canonisatione S. Brigidae et S. Cathe-
rinae Suecae de anno 1480 usque ad an. 1500. Bekanntlich
ist Catharina die Tochter der heiligen Birgitta. Cod. Sec. XVI.
Folia 22. Sig. 376. In der Zahiskischen Bibliothek signirt
mit Z. 155.
16. Iohannis de Capistrano praedicatio Cracoviae circa
1453. Cod. Sec. XVI. Sig. 207. Der Codex selbst enthält
Predigten und darunter Fol. 394 ist Capistrans Rede.
17. Liber de viris illustribus Ord. Cistercien de anno
1435. Folia 256. Cod. Sec. XV. Sig. 208, und Sig. 223 ist eine
ähnliche, wenn auch nicht gleiche Schrift unter dem Titel:
Anonymus Clarevallensis monasterii, de viris illustribus Ord.
Cistercien. Liber scriptus 1444 pro monasterio KoprivniceDsi.
22*
Dudik.
340
18. lacobus de Paradiso, abbas Mogilensis s. Clarae
Tumbae, Sermon es et alia opuscula inedita. Scripta circa an.
1439. Cod. Sec. XV. Sig. 223.
19. Gallus, abbas Aulae regiae in Bohemia, Malogranatum
i. e. Liber de tripliei statu religiosorum. Compillatum 1342
(ob es nicht 1372 lauten soll?). Cod. Sec. XV. Folia 222.
Sig. 311. Der Schluss fehlt und viele Blätter sind zerrissen.
Der Abt Gallus lebte um das Jahr 1370; der Codex kann
also nicht, wie der Catalog sagt, 1468 geschrieben worden sein.
20. Gesta Concilii Constantienis. Cod. Sec. XVI. Folia
480. Sig. 321. Ist unvollständig und ungenau.
21. Registrum lectoris et subprioris ab anno 1436 et alia
vetusta scituque digna usque ad 1511. Cod. Sec. XVI. Sig. 212.
Dass diese hier niedergelegten Annotata einem Breslauer Kloster
gehören, ersieht man aus folgender Anmerkung: ,Sub anno
1436 die 17. Aprilis ego Fr. Michael Kerer, lector et supprior
conventus Wratislavien, ,etiam praesens registrum concepi con-
scribere cum diligentia, qua potui res et utensilia conventus
praedictib Was war das für ein Convent?
22. Annales conventus Cisterciensis ac res gestae in regno
Poloniae succincte ab anno 1684 connotati. Cod. Sec. XVII.
Folia 478. Sig. 569 e bibl. Kuropatkiana.
23. Leopoliensis archiepiscopatus historia ab anno 1624?
per Iohannem Thomam Iosephovicz, Leopolien Canonicum, ex
actis authenticis et historicis per annotationes annorum collecta
ad annum 1700. Cod. Sec. XVIII. Folia 482. Sig. 585. Bei
Zaluski 322, Janocki, specimen catalogi etc. pag. 30. LXXXI.
I. Theologia iu 4° iu meiubriuia.
24. Beda venerabilis, historia ecclesiastica Anglorum.
Sec. VIII. (Autograph?) i Sig. 18 (D. 143). Cod. membr.
Fol. 161.
25. Ordo scrutinii catechumenorum. Sec. IX. Cod. Cor-
beien. Fol. 88. Sig. 34 (D. 234).
26. Calendarium de anno 1228 usque ad 1234 ad usum
fratrum Ordinis Theutonici. So im Catalog. Wir bezweifeln,
dass es ein Calendarium ordinis Theutonici sei. Es enthält
sechzehn Blätter. Nach dem Calendarium kommt ein lateinisches
Historische Forschungen in der Bibliothek zu St. Petersburg.
341
Lied de B. M. V. mit Noten und darauf Peregrinus de Sanctis.
Cod. memb. Sec. XIII. Sig. 69, bei Dubrowski 295.
27. Constitutiones Cracoviensis ecclesiae dto. Cracoviae
1326 Nonis Octobris. Die Statuten sind sieben Blatt stark.
Darauf kommt, wie in der vorigen Nummer, Peregrinus de
Sanctis. Fol. 85' liest man roth : Explicit Peregrinus de
sanctis et Evangelia dominicalia scripta per manus Petri de
Zytauia. Ist das der Abt von Königssaal, der Geschichts
schreiber? Darauf kommt: Summa poenitentiae. Der Codex,
Anfangs Sec. XIV ist am Schlüsse unvollständig, die Holzdeckel
gebrochen. Cod. Memb. Fol. 128. Sig. 105 (G. 535).
28. Historia passionis et ascensionis Domini cum narra-
tione de Iosepho Arimatheo. Cod. memb. Sec. XV. Fol. 10.
Sig. 187 (D. 349).
I. Theologia in 4° in Charta.
29. Breviarium ad usum ecclesiae Moraviae.
Diese Aufschrift gab dem Büchelchen Zaluski und mit
Recht. Es enthält nämlich einen Theil des ,Proprium Moraviae
Sanctorum'. Nach einigen Stylübungen eines böhmisch ge
schriebenen Briefes, beginnt Fol. 1' Historia corporis Christi,
ad primam Anthiph. Super psalmos ant. Sacerdos in eternum
Christus Dominus secundum ordinem melchisedech etc. —
Fol. 5'. Marie Nivis. Ad primam vesperam antiphona etc. —
Fol. 6. Sancte Anne. — Fol. 7'. Sancti Victorini. — Fol. 9.
Istoria sanctorum Cirilli et metudii confessorum.
In I. Vesperis.
Adest dies gloriosa pontificum beatorum cirulli et metudii
germanorum de alexandria grecie genitorum. Psalmi feriales.
Capitulum. Plures facti sunt sacerdotes secundum legem,
idcirco quod morte prohibentur permänere. Deo gracias.
Responsorium: Gaude Welgrad et tota gens Bohemorum
de adventu istorum presulum, beatorum cirillo et me-
tudio, adeo tibi concessis de alexandria grece (sic) pro-
genitis, laudaque Deum in excelsis.
Versiculus. Nec silcat vox in imnis, cantent et laudes in
eorum laude provincia lauda.
342
Dndik.
Ympnus: Sanctorum meritis inclyta gaudia, etc. ut in
plurimorum martyrum.
Oratio. Omnipotens, piissime Deus, qui nos per beatos
pontifices ac confessores tuos nostrosque apostolos et
patronos, metudium et cirillum, ad credulitatem fidei
cristiane vocare dignatus es, presta, ut qui eorum festi-
vitate in presenti gloriamur, eorum etiam gloriam sem-
piternam consequi mereamur. P. D. N. — Alia omnia
secundum cursum temporis.
Ad matutinas.
Invitatorium. Sonora voce et mentis iubilo iubiiemus altissimo
in sanctorum Cirilli et metudii, nostrorum patronorum,
natalicio.
Psalmus: Venite exultemus etc.
Ymnus: Eterna cbristi munera etc. (Plurimorum mar
tyrum).
In primo nocturno.
1. Antif.: Papa Nicolaus corpus allatum sancti clementis rorne
in ecclesiam intulit, dudum in honore ipsius construc-
tam, et honorifice sepeliuit.
Psalmus: Beatus vir (ut in festo Plur. martyr.).
2. Antif.: Ibique beatus cirillus, archiepiscopatui cedens, mo-
nacbum se fieri obtinuit, et in eodem loco, Claris
miraculis fulgens, vitam finiuit.
Psalmus: Quare fremuerunt gentes etc.
3. Antif.: Qui frater suus, sanctus metudius, in sedem vele-
grad substituitur remuneratusque a papa multis gratiis,
ad sedem predictam r.emittitur.
Psalmus: Cum invocarem etc.
Versus: Letamini in Domino et exultate iusti.
Pesp.: Et gloriamini omnes recti corde.
Lectiones.
1. Lectio. Quemadmodum ex bistoriis plurimorum sanctorum
et ex cronicis diversis colligitur, beatus Cirillus et
metudius, fratres germani de alexandria grecie et sla-
wonice ligwe (sic), venerunt ad terram morauie, Domino
Historische Forschungen in der Bibliothek zu St. Petersburg.
343
Deo concedente, ad salutem gentis illius in forma pere-
grinorum ac sacerdotali gradu, sine titulo insigniti.
Quibus rex Swatopluk terre moravie, paganico ritu
deditus, cum gente sua occurrit et reverenter eos sus-
cepit. Qui tandem, gracia Dei largiente, ipsum cum
tota gente sua ad fidem cristi conuerterunt et ad bap-
tismi gratiam perduxerunt. Qui Swatopluk rex pro-
curavit pro augmento fidei cristiane, quod sedes archie-
piscopalis in welgrad ecclesia, quam romane fidei
ordinaverat, et ubi sedes regni sui erat, et septem
episcopi sufraganei sub ipsa sede ordinati in polonia
et in ungaria fuere, sanctum quoque Cirillum in archi-
presulem obtinuit ordinari. Cui magnifice beatus Ci-
rillus presidens, multos in fide Christi roborauit, et per
eius sanctam doctrinam multorum anime ad celos
transierunt.
Resp.: Cum beatus Cirillus pape et cardinalibus esset
delatus, quod in slawonica ligwa (sic) missas et divina
officia decantaret, multum de hoc est per eos repre-
hensus, sed ille dauidicis et apostolicis auctoritatibus
se digne excusauit.
Versiculus: Multum de hoc est per eos reprehensus etc.
Lectio. Cum beatus Cirillus missas et divina officia in sla-
wonico decantaret, et romam causa orationis venisset,
delatus fuit summo pontifici et dominis cardinalibus,
quod in ligwa (sic) prohibita hec faceret contra san-
ctorum patrum instituta. Propter quod vocatus fuit ad
domnum papam, qui veniens suo se conspectui presen-
tavit, causam sue vocationis requirens. Quem domnus
papa cum indignacione magna reprehendit, cur in
ligwa (sic) vetita missas et divina officia presumeret
celebrare? Illo humiliter satis faciente, et eos volens
mitigare, arrepto psalterio versum psalmographi in eo
recitauit, videlicet: Omnis spiritus landet dominum, et
ait: Cur presbyteri ellecti prohibetis missarum solempnia
decantare in ligwa (sic) mea slavonica, et verba greca
seu latina transferre in slawonicum ? Nam nisi hec
facerem, nidlo modo possem genti, per me converse,
subvenire, quia gens dure ceruicis est et ydyota et
344
Dudik.
ignara viarum dei, solum salutare eis reperi deo inspi-
rante, per quod multos illi aquisiui, quapropter ignoscite
mihi patres et domini mei.
Resp.: Cuius rationibus papa cum collegio cardinalium
sibi assistencium aquieuit, Et ut in slawonico in par-
tibus suis misse et divina officia cantaret instituit.
Versiculus: Quod quidem in partibus slawonicis ad hec
tempora observatur.
3. Lectio. Item quidem et beatus paulus apostolus inquit: loqui
diversis ligwis (sic), nolite prohibere. At illi hec
audientes et admirantes tantam viri dei fidem et meri-
tum, auctoritate sua statuunt et confirmant slawonica
ligwa (sic) in partibus illis missarum solempnia ceteras-
que horas canonicas ympnizare. Demum sanctus Ci-
rillus ad partes suas rediens, spiritu sancto edoctus ad
oysonam (das Wort corrigirt, kann auch ozysonam,
chersonam gelesen werden), insulam marinam properat,
et mari siccato, diuinitus ecclesiam dudum per angelos
ibi constructam, ingreditur, et corpus sancti clementis
pape et martyris cum anchora invenit, quod multa tem
pora fuerat ibi proiectum. Q.uod reuerenter recepit, et
illud ad ecclesiam suam Welgrad deportauit et ibidem
multo tempore retinuit. Sed in spiritu preuidens terre
moravie destruccionem futuram, suscepto corpore sancti
clementis, ßomam illud detulit, et domno pape nicolao
nunciauit, quod tantum thezaurum romam deferret.
Resp.: Omnesque qui aduenerant, sunt admirati sancti
Spiritus doni tanti ei donati; quod tot et tantis auctori-
tatibus eos superasset.
Ferne.: Qui perenni victi (sic) aquierunt, quod tot et
tantis etc.
In secundo nocturno.
4. Antif.: Beatus Metudius de roma remeans, a rege Swatopluk
et sua gente gratanter suscipitur et eis letieia magna
ex aduentu suo cumulatur.
Psalmus: Verba mea.
Historische Forschungen in der Bibliothek zu St. Petersburg.
345
5. Antif.: Iste beatus ducem Borzywoy bohemorum in quodam
convivio regis Swatopluk convertit, et cum eo triginta
suos baptizauit et de fide catholica edocuit.
Psalmus: Domine Dominus noster.
6. Antif.: Sacerdotesque eis adiunxit, qui gentem suam in
bohemia regnantem, ad fidem cristi conuerterunt et ad
baptismi gratiam perduxerunt.
Psalmus: Domine, quis habitabit etc.
Vers.: Exultent iusti in conspecfu Dei.
Resp.: Et delectentur in letitia.
Lectione s.
4. Lectio. Dominus papa cum clero et toto populo romano cum
ingenti gaudio ei occurrit, et illud corpus in ecclesia
sancti clementis, que ante multa tempora fuit fabricata,
sepeliuit, et ibi sanctus Cirilus episcopatui renuncians,
monacbum se fieri obtinuit, et ibi miraculis coruscans,
in domino quieuit, et per domnum papam honorifice
in eadem ecclesia tumulatur. Qui fratrem suum, san-
ctum Metudium, substituit in locum archipresulatum,
quem multis gratiis remunerans, ad ecclesiam suam in
Welgrad remittit, qui benedictione papali recepta, ro-
gat, ut fraternum corpus secum possit deferre pro
augenda deuotione gentis morauice et fidei cristiane
per eos suscepte confirmacione. Cuius peticioni papa
noluit annuere. Sanctus tarnen metudius clam pro
tempore stetit rome et tandem nocturno tempore in-
grediens ecclesiam sancti clementis, corpus sancti cirilli
oculte recepit, et secum illud versus moraviam depor-
tavit, et cum aliquod dietas cum eo fecisset, tandem
in loco ameno cum eo requieuit, et cum ab illo loco
illud vellet deferre, nulla ope seu racione hoc facere
potuit. Kam adeo se graue illud corpus exhibuit, quod
nulla arte abinde potuit remoueri.
Resp.: Letare felix Cirille, qui meruisti conuertere regem
Swatopluk morauie cum gente sua incredula, Et ad
fidem Christi perducere.
Vers.: De fideque Christi eum tu edocuisti, Et ad
fidem etc.
346
D u d ik.
5. Lectio. Tandem cum orationibus, vigiliis ac ieiuniis sanctus
metudius insisteret, petens sibi divinitus revellari, utrum
vellet moraviam, vel denuo romam deferri, qui manu
d extra ellevata ostendit multis videntibus, quod romam
deberet reportari. Et cum illud reportaretur, pape boc
nunciatur, qui cum clero et populo romano ei occurrit,
et illo recepto ad ecclesiam sancti clementis illud de-
fert, et honorifice in eodem tumulo, in quo prius iacue-
rat, recondit. Post liec veniente sancto metudio ad
suam ecclesiam in welgrad, rex Swatopluk cum gente
sua ei ocurrit et usque ad suam ecclesiam conduxit.
Resp.: Gloriosos principes nostros, cirillum cum metudio,
honore veneremur, qui sub se septem presules ha-
buerunt, Et Welgradensis ecclesie regni moravie archi-
presules fuerunt.
Vers.: Nam et apostoli gentis illius exstiterunt. — Et
welgradensis etc.
6. Lectio. Qui in fide Christi subditos suos informans, eccle-
siamque suam in omni sanctitate gubernans, tandem in
quodam conuinio, facto per regem Swatopluk principi-
bus plurimis, ducem borzywoy bohemorum, qui sub
mensa regis in detestationem sue perfidie locatus in
convivio fuerat, convertit, predicens ei ore prophetico,
quod si baptizaretur, quod ipse et sui successores prin
cipes et reges, maiores omnibus principibus et regibus
ligwe (sic) slawonice fierent, quod verifice est imple-
tum usque in hodiernum diem. Cuius verbis dux bor-
zywoy consentiens, se post refectionem petit babtizari
cum suis omnibus, numero triginta, qui tune ibi secum
aderant, et eis babtizatis et de fide Christi edoctis et
sacerdotibus secum receptis, libris et aliis ornamen-
tum (sic) ad propria revertitur, et uxorem suam sanctam
Ludmillam cum tota gente bohemorum procurat babti
zari. Qui in fide Christi viventes, post multa tempora
animas Christo reddiderunt et sancta exempla post se
relinquentes suis posteris usque in hodiernum diem ad
laudem et gloriam Deo omnipotenti, cui laus est et
gloria per infinita secula seculorum amen.
Historische Forschungen in der Bibliothek zu St. Petersburg.
347
Eesp.: Magnificemus Dominum, salvatorem omnium, qui
meritis presulum beatorum Cirilli et metudii convertit
ad fidem gentem Bohemorum.
Vers.: Dignasque laudes eis soluere nostra studeat mens.
Et convertit ad fidem etc.
In tertio nocturno.
7. Antif.: Sanctus metudius predixit ore duci borzywoyo pro-
phetico, quod si fidem Christi assumeret, maior ipse et
sui posteri ligwe Slawonice fieret.
Psalmus: Conserva Domine.
8. Antif.: Quod ab illo tempore est verificatum, et usque hodie
impletum, quia principes et reges bohemie maiores sunt
totius ligwe Slawonice.
Psalmus: Dominum cantate.
9. Antif.: Hoc testantur sacre historie et multorum sapientum
dictate cronice.
Psalmus: Beati quorum.
Vers.: Iusti autem in perpetuum vivent.
Eesp.: Et apud Dominum est merces eorum.
Lectiones.
Omelia: Sint lumbi vestri precincti (de communi Confessoris
non pontificis).
7. Eesp.: Ad laudem digna preconia nostra resultent cantica
Deoque cum omnium gaudio nostra psallat devocio oris
et mentis iubilo in sanctorum Cirilli et metudii na-
talicio.
Vers.: Ut eorum suffragio sociemur sanctorum consorcio
— In sanctorum etc.
8. Eesp.: Accidit stupendum miraculum, cum beatus metudius
corpus sancti Cirilli defert moraviam ad suam eccle-
siam, adeo grave et inportabile se reddidit, quod romam
illud deferri oportuit.
Vers: Quod sanctus Cirillus fraternis victus precibus,
ostendit omnibus per sue vicinis manus errectionem
versus romam indicacionem. Quod romam illud etc.
Das Weitere fehlt. Mit rother Tinte stellt bemerkt;
348
D u d l k.
Residuum vero quere in fine libi'i in secundo folio f
tale signum. Dort die Fortsetzung:
9. Resp.: Quod dum miraculum narratur, statim processio ad
oecurrendum ei paratur, cui papa cum clero et populo
toto romano reverenter occurrit et in waluis suis eum
suscepit.
Vers: In ecclesiaque sancti clementis eum sepeliuit et
indulgentias largas Omnibus, qui aderant, donauit. Et
in waluis suis eum excepit etc.
Ad Laudes Antifonae.
1. Magnificemus Dominum de tantis personis nobis donatis et
propter eorum merita salutis fructibus condonatis.
2. In dignaque memoria eos habeamus, et ut propicii nobis
esse debeant, ipsos devote imploi’amus.
3. Gestaque et actus eorum imitemur, ut ipsorum precibus ad
gloriam eternam perducamur.
4. Nec eis immemores et ingrati esse debemus de tot et tantis
beneficiis ab ipsis nobis collatis.
5. Cum quevis gens et nacio suos apostolos condigno laudum
veneretur preconio.
Capitulvm. Plures facti sunt sacerdotes (ut in vesperis).
Hymnus (deest).
Versicnlus (deest).
Ad Benedictns Antifona: Festa veneranda, ad liec tempora per
nos neglecta, digne solempnisemus officio Cirilli et
metudii beatorumque nostrorum apostolorum, qui gen-
tem boemorum de statu dampnatorum suis dignis operi-
bus angelorum agminibus sociare meruerunt, nunc
quoque consortes fac et nos eorum patrociniis.
Oratio: Omnipotens, piissime Deus (ut in uesperis).
Ad Horas, ut in Communi plurimorum martyrum, ex-
ceptis capitulis.
Capitulum ad Sextam: Iesus autem cum manet in eter-
num, sempiternum habet sacerdotium, unde et saluare
in perpetuum potest.
Capitulum ad Nonam: Tales enim decebat, ut nobis
essent pontifices sancti, inocentes, inpoluti, segregati a
peccatoribus et excelsiores celo.
Historische Forschungen in der Bibliothek zu St. Petersburg.
349
In secundis Vesperis.
Totum ut in communi plurimorum martyrum exceptis:
Antifonae ut in laudibus.
Capitulum: Qni non habet cottidie necessitatem quemad-
modum sacerdotes prius pro suis delictis hostiam offerre,
dein de (sic) populo hec cum facit semel se offerendo
Dominus Iesus Christus.
Resp.: Quod dum miraculum (ut in responsorio nono).
Hymnus ut hic adiungitur (deest).
Vers.: Exultabunt etc.
Ad Magnificat. Antifona: Glorioses principes et patronos nostros
digno honore prosequamur beatos Cirillum et metudium,
qui sub se septem sufraganeos episcopos habuerunt,
sedemque suam in morauia welgrad salubriter ornauerunt
apostolique et conversores gentis illius et nostri fuerunt.
Oratio ut supra.
Ad Missam: Sacerdotes Dei benedicite.
Oratio: Ipsorum — alia temporis.
Epistola: Plures facti sunt sacerdotes.
Graduate: Exultabunt sancti in gloria.
Tractus: Qui seminat in lacrymis.
Ewangelium: Sint lumbi vestri praecincti.
Offertorium: Anima nostra.
Communio: Ego vos.
Wir halten dieses Officium divinum der mährischen Apostel
Ivyrill undMetliud für dasjenige, welches durch ein Diöcesanstatut
vom Jahre 1380 in den Mährischen Kirchen zum ersten Male
eingeführt wurde. (Man vergleiche Cod. Dipl. Mor. VII pag. 696
,De festivatione Cyrilii et Metudih, wo statt 1349 zu lesen ist
1380). Darauf scheint die Antifona ad Benedietus: ,Festa
veneranda, ad hec tempora per nos neglecta, digne solemnise-
mus officio Cirilli et Metudii, beatorumque nostrorum Aposto-
lorund etc. anzuspielen. Wenngleich bei der Olmützer Kathe-
dralkirche in einer Grabeskapelle des Canonicus Telchontius,
bereits 1310 ein Altar der heiligen Kyrill und Methud dotirt
und weiter 1330 und 1360 bereits bestiftet wurde; so musste
dennoch ein eigenes Diöcesan-Statut provocirt werden, um das
Andenken an die Wirksamkeit der beiden Apostel wachzurufen
350
Duclik.
und an ihren Sitz Welehrad zu erinnern. In der, dem Officium
einverleibten Legende sind allerdings Facta beigemischt, die
sich mit der strengen Geschichte nicht vertragen, wie z. B.
die Ernennung des heiligen Cyrill zum Erzbischöfe von Wele
hrad. Dass aber diese Ansicht im 14. Jahrhunderte in Mähren
festgewurzelt war, zeigt die Gewohnheit der Olmützer Metro
politankirche, die Series Episcoporum Olomucensium mit Kyrill
und Method zu beginnen, und Welehrad als den ersten erz-
bischöflichen Sitz hinzustellen. Die Erinnerung an diesen
Sitz erhielt sich, wie das Officium deutlich zeigt, auch dann
noch, als weder von den Reliquien der beiden Heiligen, noch
auch von ihrer kirchlichen Verehrung mehr die Rede war.
Ihr amtliches Andenken wurde vielleicht absichtlich zurück-
gedrängt, der Ort jedoch ihrer Wirksamkeit, Welehrad bei
Hradisch, blieb lebendig in der Erinnerung des dankbaren
Volkes, welches wohl Ideen, nie aber die Wirklichkeit zu ver
gessen pflegt.
Nach diesem Officium folgt:
Fol. 10. Historia sancti Castuli. Ist wieder das ganze
Officium.
Fol. 13. Historia sancte Marie Egyptiace.
Fol. 14'. De lancea Domini — Officium.
Fol. 18. S. Longini martyris. Hoc festum celebratur quarto
die post Gregorii.
Fol. 20'. Decem millia militum. Nur ein Theil des
Officiums.
Fol. 21. Item de s. Sigismundo. Antiphonen und Hymnus.
Fol. 22. Paraphrasirtes Pater noster. Nach: libera nos a
malo presenti, preterito et futuro steht: Pomni na inne, mily
Boze, kdyz jinak byti nemoze, vysvobod mne z teto nüze, od
neprätel mych velikych, kaciruv zlofecenych, mila panno Marie,
rac byti za to orodovnice. Darauf kommt
Fol. 22' ein paraphrasirtes Ave, und nun in zwei Co-
lumnen, im Ganzen vier Columnen, chronologische Noten aus
der böhmischen Geschichte. Sie beginnen: Anno Domini
M°. CCC°. X coronatus est rex Iohannes, pater Karoli impera-
toris, et vixit annos XXXVI. Eodem anno Relicta regis Io-
hannis et filia Wenceslai secundi, ultima heres regni bohemie,
Historische Forschungen in der Bibliothek zu St. Petersburg.
351
copulata fuit Iohanni filio Henrici septimi imperatoris . . .
Anno D. M. CCC°. XVIII 0 natus est secundus filius, nomine
prziemisl. Anno D. M. CCC°. XXII 0 natus est Iohannes, pater
marchionum Moravie. Anno D. M. CCCXXII1 0 . nate sunt
due gemelle, Anna et Elisabeth in Bavaria . . . Anno D.
M. CCC.XLVII. Studium Pragense fuit confirmatum . . . Anno
D. M. CCC. XLIX. advenerunt flagellarii in regnum Bohemie ..
A. D. M. CCC. LI. instituti fuerunt canonici reguläres ad s.
Karolum . . . A. 1). M. CCC. LXI. natus est Wenceslaus, filius
Karoli, in civitate Nurenburgensi, et ibidem fuit baptizatus . . .
A. D. M. CCC. LXV. allatum fuit corpus sancti Sigismundi
versus Pragam in vigilia s. Wenceslai de civitate Augnesii . . .
Anno D. M. CCC. LXXX 0 . fuit pestilentia magna in Bohemia,
que viguit a festo sti Sigismundi usque ad wenceslaum . . .
A. D. M. CCC. XCIIII 0 . rex Wenceslaus fuit captivatus in
Verona a marchione Moravie et a Baronibus in die sancti Sta-
nislai, et post quindecim septimanas fuit liberatus per fratrem
suum, ducem Iohannem Gorlicensem. Schluss: Anno Domini
M°. CCC 0 . XCIX (1399) in die sancti Nicolai combustum fuit
pretorium cum multis armis in maiori civitate pragensi.
Fol. 24. De sancto Ioanne baptista. Bios Lectiones.
Fol. 25 und 26. Arithmetische Zifferreihe von 1 bis 538.
Darauf Fol. 26 der Schluss des Officiums der heiligen Cirill
und Method, und Fol. 27 zum Theil abgerissen, Daten aus der
Weltchronologie, und da steht: Ab origine mundi usque ad
nativitatem Christi V. M. C. XXIX. anni (5129 Jahr). Ob XX
es ist, ist nicht klar, abgerissen. — Geheftet im Papierumschlag.
Cod. chart. Sec. XV. Fol. 27, Sig. 4 (Z. 1759).
30. Breviarium monasticum 1264 —1313 adiunctis notis
pluribus a recentioribus manibus a. 1580 et 1642. Fol. 427.
Sig. 2 (G. 198).
31. Petrus de Rosenheim 0. S. B. monasterii Medlicen.
V. et N. Testamentum, versiculis mnemonicis expressum an.
1348. Fol. 37, Sig. 3 (D. 427).
32. Amandus Fr. Ord. Praedicatorum, Horologium divi-
nae sapientiae. 2. Visiones s. Brigidae etc. de anno 1411. Fol
339, Sig. 24 (G. 468).
33. Novum testamentum praemissa tabula lectionum etc.
Inter alia: Fol. 216 a . Epistola ad Hussonem, haereticum, a
352
Dudi k.
papa damnatum cum suis sequacibus. — 205“. Explicit opus-
culum epistolarum a M. Mareil contra liaereticum Huss etc. a.
D. 1422. Sig-. 33. Fol. 109 . M. Mareil, Exhortatio ad Bohe-
mum hussum, haeresi infectum. Ibid. (G. 184). Sehr zerrissener
und beschädigter Codex.
34. Tractatus contra IV. articulos Bohemorum etc. Sec. XV.
Fol. 242. Sig. 38 (G. 361).
35. Articuli oblati Concilio ex parte regni Bohemiae et
marchionatus Moraviae. an. 1433. Fol. 38, Sig. 49 (Z. 1752).
36. De fide catholica etc. Darunter Fol. 162 a . Constitu-
tiones Alberti. episcopi Cracoviensis sub anno 1420. Explicit.
Fol. 185, Sig. 50.
37. Hieronymus de Praga, Linea salutis heremitarum etc.
per Nicolaum Ord. S. B. monasterii s. Crucis Calvimontis
1434 etc. Sig. 51 (G. 469). Etiain Sig. 67.
38. Alanus, Auctoritates Sanctorum, scriptus 1437. Decem
praecepta etc. Schulhefte, worunter auch Mauritii ad Iohannem
Hus epistola und dann zwei Pergamentblätter mit der rothen
Aufschrift: ,Dc studentibus ad generalia studia mittendisb Es
ist dies ein Fragment aus der Bulla Benedicts XII. dto. Ave-
nione XII. Kal. Iulii (20. Iuni). Pontif. an. secundo. Der Codex
gehörte dem Benedictiner-Kloster Stae Crucis in monte calvo
(lisa göra), ist stark ruinirt. Cod. Sec. XV. Fol. 335. Sig. 63
(G. 691).
39. Hermannus de Lonsbach, Historia de assumtione B.
M. V. Deventriae 1457 scripta. Dann: Petrus de Rosenheim,
O. S. B. Versus biblici und Chronica Kadluben, et Chronica
temporum. Fol. 264 et Petrus Fol. 383. Cod. Sec. XV. Sig.
90 et 91.
40. Historia trium regum, et alia de anno 1458. Sig. 94
(G. 528).
41. Vita de sancta Barbara. Cod. Sec. XV. Sig. 127.
42. Alanus et alia theologica, worunter ein Auszug aus
Beda’s Chronik, die Jahre 966 bis 1170 betreffend, und dann
aus der Papstchronik die Jahre 1284—1464. Cod. Sec. XV.
Sig. 132 (G. 876).
43. Conradus de Zoltkov in Studio Prägen, Glossa supra
sacram constitutionem de fide catholica. Cod. Sec. XV. Sig.
149 (G. 708).
Historische Forschungen in der Bibliothek zu St. Petersburg.
353
44. Henricus, Prägen Magister, Vita Salvatoris. Fol. 277
Cod. Sec. XVI. Sig. 168 (Gr. 895).
45. Hieronymus de Praga, Sermo coram Concilio Con-
stantien in Octava Paschae 1413, et Matheus de Cracovia de
7. mortalibus peccatis. Cod. Sec. XV. Sig. 177 (Z. 818).
46. Ioliannes Hus, Super quatuor libros sententiarum.
Beginnt: praemisso registro 1°; Si quis vestrum indiget sa-
pientia, postulet a Deo etc. Der Codex datirt: ,Anno D. 1411
currente interdicto Arcbiepiscopi per Pragamh Im Catalog die
Bemerkung ,autographum‘. Keineswegs, scheint aber im Husens
Besitze gewesen zu sein. Cod. Sec. XV pag. 361, Sig. 180.
47. Iohannis Hus et Iohannis de Praga Positiones. 1°.
quia heu rectoratus fungor officio etc. pag. 14. cum identitas
sit mater fastidiorum etc. Scripta 1471. Cod. Sec. XV. Fol. 50.
Sig. 182. Z.
48. Iohannis Hus, Sermones l a . Dixit Martha etc. pag. 33.
In missa universitatis ad S. Iacobum a. D. 1410. Mgr. loh.
Hus praedicator fecit sermonem infra scriptum: Et fui in
coelo etc. pag. 37. Sig. 183 (Z. 1814).
49. Iohannes de Verona, quondam abbas in Aula regia,
Malogranatum de an. 1428 und dann Schluss pag. 258 a : Epi
stola episcopi Olomucen in böhmischer Sprache, eine Privat
angelegenheit betreffend. Cod. Sec. XV. Sig. 189.
50. Stephanus Palecz, Sermo contra Mgr. Hus. ,Gaude
Maria Virgo, cunctas haereses sola interemisti in universo
mundoh Pars tantum maioris Voluminis. S. XV. Fol. 25.
Sig. 210. Z.
51. Evangelium Nicodemi de passione Christi. Cod. Sec.
XVI. Sig. 219 (G. 455).
52. Thomas a Kempis: ,Incipit über interne consola-
tionis' etc. Cod. Sec. XV vel XVI. Fol. 187. Sig. 283. Z.
Ein Exemplar in 8°. chart. Sig. 30. Gehört zu den besseren
Handschriften mit dem Namen des Verfassers.
53. Iohannes de Capistrano, poenitentiarius publicus.
Einige Briefe von ihm pag. 206 a im Cod. Sec. XVI. Sig. 296 Z.
54. Martinus, Prior Calvimontis 0. S. B. Sermones de
Sanctis, scripti 1560. Beigebunden ist das Leben der heiligen
Dorothea in memb. Sec. XIV. Der Codex selbst Sec. XVI.
Sig. 311 (G. 348). Das Leben der heiligen Dorothea gab nach
Sitzungsher. d. phil.-hist. CI. XCV. Bd. I. Hft. 23
354
I) u d i k.
dieser Handschrift Minzloff heraus unter dem Titel: Beschrei
bung 1 einiger Prussica der kaiserlichen öffentlichen Bibliothek
zu St. Petersburg. 1858. S. 14 in 8".
55. Peti'i Illicini, I. U. Dr. et canonici Olomucen, opus-
cala. Olim inscripta catalogo domus Cracovien S. I. ad S.
Barbaram. Darunter: Epistola ad Moravos contra Novatores
de unitate fidei cum episcopo servanda — ad Transilvaniae
Vojvodam de pellendis haereticis — ad Transilvanos, qui de-
fecerunt, reprehensio, — ad Polonos de novis Sabellianis pel
lendis —■ ad Saxoniae ducem de falsa Wittenbergensium reli-
gione. — Epistola ad Wittembergenses. Cod. pag. 620. Sig.
339 (Z. 1244).
56. Relatio de vitae sanctitate, miraculis et processibus
beati Stanislai Kostka S. I. facta a. D. 1616 Romae a N.
Lanuco (sic!). Cod. pag. 23. Sig. 376. Z.
57. Meditationes et exhortationes a P. Druczbicki S. I.
1639 etc. Cod. Sec. XVII. Sig. 419, 420 etc.
58. Catalogus monasteriorum regni Poloniae ab anno
1154—1278 etc. Cod. Sec. XVI. Sig. 550. Z.
59. Historia provinciae Croaticae Ord. frat. Eremitarum
S. Pauli ab anno 1721—1723 a Iosepho Bedekovich. Fol. 16.
Cod. Sec. XVIII. Sig. 1298 (Z. 3792).
60. Bonaventura Makowski, Fr. 0. Minor. Convent. War-
saviae, 1764 in novum exemplar redegit Chronicam Ord. frat.
Minor, conventus St. Francisci provinciae Poloniae, auctore
fratre Iohanne Fürstenhaino, eiusdem Provinciae, ad mandatum
Stephani de Bruna, Generalis vicarii et Commissarii, Brunae
1503 die 4. Maii. Ms. in archivio Cracoviensi olim asservatum.
Chronica transscripta a Didaco Stanislao Meller, insertis frag-
mentis variis, historiam et Status eiusdem provinciae concer-
nentibus. Mortuus est praefatus Meller in Conventu Posna-
niensi die 28. Julii 1651. Pag. 351. Sig. 1322.
61. Compendium historicum S. S. Polonorum regni Patro-
norum 0. S. Francisci Conventualium martyrum et confessorum
utriusque sexus personarum, a Martino Baronio, Iaroslaviense
clerico, congestum — ex veteri exemplari transscriptum Cra-
coviae per Fr. Ludovicum Starcovicz ex mandato Fr. Marcin-
kovski, Guardiani Cracov. 1640. Cod. Sec. XVI. Sig. 1322.
Historische Forschungen in der Bibliothek zu St. Petersburg.
355
I. Theologia iii 8° membrana.
62. Psalterium germanicum. Cod. memb. de anno 1253.
Sec. XIIT, pag. 279. Sig. 26 (Z. 663).
63. Breviarium iuxta Ord. Cistercien post an. 1267. Cod.
memb. pag. 277. Sig. 30 (G. 116).
64. Processionale ad usum fratrum Praedicatorum in Po-
lonia circa 1450. Cod. memb. Sec. XV. Sig. 114. Z.
65. Breviarium Benedictinum ad usum Poloniae circa
1476. Cod. memb. Fol. 97. Sig. 122 (Z. 1212).
66. Regula sti Benedicti, scripta 1466. Was diesen Codex
wichtig macht, ist der Anhang: De imitatione Christi libri
quatuor, mit der ausdrücklichen Bemerkung, dass der Verfasser
Johann Gersen heisse. Cod. memb. Sec. XV, pag. 284. Sig. 121,
bei Dubrowski 84. Wir haben Nr. 52 den Verfasser Thomas
a Kempis genannt. Wer ist demnach der Verfasser des gol
denen Büchleins ,De imitatione Christi?' Nach dem literarischen
Handweiser, Jahr 1878 Nr. 13, war der erste, welcher dem
Thomas von Kempen (Regularcanoniker vom heiligen Augustin)
die Autorschaft des oberwähnten Büchleins absprach, ein
Spanier in einer anonymen Schrift des Jahres 1604; dieselbe
führt den Titel: ,Apparejos para administrar el sacramento de
la Penitenzia'. Der Jesuit, Petrus Manriquez, soll der Ver
fasser derselben sein. Petrus meinte, das Buch werde schon
vom heiligen Bonaventura erwähnt, was sich jedoch bald als
unwahr erwies. Mittlerweile aber hatte sich der Benediktiner
abt, Cajetan von St. Barontius, in Rom des Fundes bemächtigt,
da ihm zu gleicher Zeit eine Handschrift der Imitatio zuge
stellt wurde, von der er glaubte, sie stamme aus dem 13. Jahr
hunderte; dieselbe hatte am Ende des vierten Buches die
Notiz: ,explicit über quartus et ultimus abbatis Iohannis Gersen'.
Darauf unternahm Cajetan eine wissenschaftliche Reise durch
Italien, um die verschiedenen Handschriften der Imitation in
den einzelnen Bibliotheken zu untersuchen, und als er nun zu
Polirona bei Mantua einen zweiten Codex entdeckte, -welcher
dem Abte Gersen die Autorschaft des Buches zuschrieb, trug
er kein Bedenken mehr, dasselbe dem Thomas von Kempen
abzusprechen, und für Abt Gersen, den er ohne Beweis zum
Benediktinerabte macht, zu reclamiren. Seine Ausgabe erschien
23*
D udik.
856
zu Rom unter dem Namen des genannten Abtes Gersen 1616,
prachtvoll ausgestattet. Das ist der Ursprung des berüchtigten
Federkriegs über den Verfasser der Nachfolge Christi. Der
älteste bis jetzt bekannte, noch vorhandene Codex mit dem
Namen Iohannes Gersen, ist ein Salzburger vom Jahre 1463
bei St. Peter. An diesen würde sich nun der Petersburger
von 1466 anreihen, während die kaiserliche Bibliothek in Wien
Handschriften aus dem 14. Jahrhunderte besitzt, welche den
Namen Thomas a Kempis tragen. In der deutschen Sprache
verfasst, ist dieses Werk Sec. XV, 8 (l in der erwähnten Hof
bibliothek unter Nr. 3003. Es erscheint uns demnach die
Frage über den Autor des asketischen Tractates bereits als
abgethan, und für Thomas von Kempen entschieden.
I. Theologia in 8° Charta.
67. loh. Wikleff, de compositione hominis. Cod. Sec.
XVI. Fol. 27. Sig. 58 (D. 468).
68. Iohannis de Capistrano Literae und dabei: Ex anna-
libus Polonorum ab anno 550 usque ad au. 1484. Cod. Sec.
XVI. Sig. 242.
69. Orationes XI. S. Brigittae de passione Domini. Vil-
nae typis academicis S. I. 1699. Sig. 547.
70. Spicilegium, sive collectio veterum aliquot scriptorum,
qui in Poloniae bibliothecis delituerant, in ordine ad coniicien-
dam historiam generalem monasteriorum ord. S. Benedicti, in
eodem regno existentium. Opera et studio D. Gerardi Lefe-
bure O. S. B. Datum in monasterio S. Crucis in calvo monte
die 2. Aprilis 1702 (sic!), Sig. 577; in mehreren (7) Bänden.
Cod. Sec. XVIIII. Auch im Catalog noch an zwei Stellen
verzeichnet, nach Nr. 564 und nach Nr. 576. Gehörte dem
Josef Zaluski. Die Jahreszahl im Cataloge 1702 ist unrichtig.
Es soll 1802 stehen. Damals verliess Dom. Gerard Lefebure,
welcher in der Provinz Artois in einer kleinen Feste, Bapaume,
den 28. April 1764 geboren wurde, und im Jahre 1784 in dem
Benediktinerkloster Stae Bictrudis, Diöcese Arras, die Profess
ablegte, das Kloster Lisa göra, und ging nach Raigern in
Mähren. Zu dieser Auswanderung zwang ihn die französische
Revolution, nachdem 1790 sein Kloster secularisirt wurde. Er
Historische Forschungen in der Bibliothek zu St. Petersburg.
357
ging- zuerst nach Brüssel, dann in das Stift Weiblingen, weiter
nach Lisa göra (mons calvus ad starn Crucem)’, Tyniec bei
Krakau und 1802 nach Raigern. Mit den Franzosen kehrte
er 1805 in sein Vaterland wieder zurück — ein sehr fleissiger,
aber wenig productiver Mann , der sich mit dem Ordnen der
Archive und mit dem Copieren von Urkunden und Annalen
gerne befasst hatte. Sein Spicilegium hat für die Geschichte
des Benediktinerordens in Polen darum einen hohen Werth,
weil die Originalien, aus denen er schöpfte, nicht mehr vor
handen sind.
71. Constitutiones S. M. Brigittae de humilitate, castitate
et paupertate. Datum Bononiae 1379 etc. Fol. 45. Sig. 779 (Z).
Sec. XVII. Ziemlich selten.
Im Ganzen sind in der Abtheilung I. Theologia im Catalog
verzeichnet:
in Folio . . . 132 Nummern in Memb. und 677 in Charta
in 4 n . . . . 225 „ n » » ^03 » »
in 8" . . . . 187 „ „ „ „ 865 „ „
Summa: Theologia 544 Nummern in Memb. und 1945 in Charta.
II. Abtheilung. Iurisprudentia.
Iu Folio. Chart.
72. Zaluski (J. A.). Notata e libro, qui vocatur Thea
trum politicum, quibus adsuta sunt: 1. Specimen historiae po-
lonicae criticae eiusdem Zaluski, et 2. alia varia notata.
Sig. 7. Z.
73. Sczerbie (Pauli) Promptuarium legum Poloniae. Sig. 9.
Z. Etiam Sig. 30 et Sig. 193. Z.
74. Instructio Cracoviensis canonisationis B. Iohannis
Kantii. Folia 36. sine anno. Sec. XVIII. Sig. 14. W.
75. Liber definitionum Capituli generalis Ord. S. Cist.
de anno 1605. Sig. 15.
76. Formularium literarum polonicarum. Folia 435. Sig. 18.
W. — Aliud Sig. 20. Z. sub Job. Casimiro.
358
Dudik.
77. Codex Diplomatum regni Boh. Fol. 183. Sig. 25. W.
Immerhin werth für Karl IV. durchgegangen zu werden, wenn
gleich Baibin und Goldast benützt sind. Ohne Schluss.
78. Enchiridion iuris Hungar. consuetudinarii de anno
1720. Sig. 26. Z.
79. Bogoria (Iaroslai de — archiepis. Gnesnen) Consti-
tutiones ecclesiarum Poloniae anno 1357 sancitae, insertis ve-
terrimis praedecessorum statutis. Sig. 31. Z. pag. 9. Cod. auto-
grafus Augusti II. temporibus Upsaliam devectus, ibique anno
1741 a Iosefo Andrea Zaluskio recuperatus.
80. Concilium Basiliense XLVI. sessionibus absolutum,
scriptum 1521. Sig. 32. W.
81. Acta varia, quae monasterii Scirzicensis Ord. Cister.
bona spectant, ab anno 1382 usque 1738. E biblioth. Kurs-
patkiana. Sig. 36. W.
82. Decisiones sacrae Rotae Romanae de anno 1376.
Sig. 43. W.
83. Acta congregationis Benedictinae in Polonia et Magno-
Ducatu Lituaniae una manu exaratus Codex per secretarium
Congregationis. pag. 196. Sig. 51. W. Beendet 1711, ange
fangen 1653.
84. Acta publica dictalia Pozonii a 14. Mai 1741 usque
ad 27. October. Sig. 52. W.
85. Extractus e Republica Boema a Paulo Stransky.
Sig. 74. Z.
86. Bremond (Antonini) Magistri generalis Ord. Prae-
dicat. Dissertatio de diplomatibus Pontificiis. Beurtheilung ihrer
Echtheit und Unechtheit, Styl, Schrift etc. Wichtig. Sig. 78. Z.
87. Inventarium omnium et singulorum privilegiorum,
literarum etc., que in arce Cracoviensi asservabantur anno
1682. Sig. 79. Z. Fol. 13. —- Etiam de anno 1613. Sig. 198. Z.
Kommt häufiger vor.
88. Acta legationis Cardinalis Bernardi Macziejovski ad
Sigismundum III. regem Poloniae in causa eius matrimonii
cum filia archiducis Caroli, Constantia, de anno 1605. Sig. 81.
W. (Janocki, specimen catalogi etc. pag. 40. CII.)
89. Zaluski Pauli notata iuridica e Mss. Iosefi Andreae
Zaluski. Sig. 84. Z.
Historische Forschungen in der Bibliothek zu St. Petersburg.
359
90. Statuta synodalia Episcopatus Plocensis de anno 1398.
Sig. 123. Z.
91. Kostka Pauli leges. Cod. Ser. XV. Sig. 124. Z.
Am Schlüsse dieses in zwei Columnen geschriebenen Codex
liest man: ,Expliciunt libri legum Theutonicalium, Iuris Magde-
burgensis et feodalis, nec non Statuta zkazimiri (sic) in terra
Cracoviensi, et Statuta zlaciciensis (sic) terre, et statuta dacum
et dominorum terrigenarum terre Masoviensis per manus Pauli
Kosthka, civis de Woynycz. Finiti et linita sunt feria quinta
precise in Octava Nativitatis B. M. V. Anno Domini Millesimo
CCCC 0 . sexagesimo tertio. Et sic laus et decus Deo patri,
filio et spiritui sancto per infinita secula seculorum. Amenb
Diese Worte geben auch den Inhalt an. Nach einem sehr
umständlichen Idex mit Capitelanzeige folgt von Fol. 7 V das
Magdeburger Recht, getheilt in drei Bücher: Ius municipale,
Ius provinciale et ius feodale, und endet Fol. 86 T . (Die Fol. 57
und 72 v sind zur Hälfte weggerissen.) Darauf: ,Hic incipiunt
constituta Polonicalis iuris castri Cracoviensis perpetue con-
servatah Es sind dies die Statuta des Königs Kazimir. Leider
sind nach Folio 86 etwa zwölf Blätter ausgeschnitten, so dass
nach dem Anfänge des Caput II ,Nemo ex parte consanquinei
seu familiaris ad iudicium veniat', der Schluss des Cap. LVI
(Fol. 87) folgt. Mit dem Cap. CVIII ,De invento occiso per
ministerialem* hören die Iura regis Casimiri auf, und es be
ginnt Fol. 96 Incipit forma de processu iudicii spiritualis se-
cundum formam iuris. ,Antequam de processu iudicii dicatur,
notandum est, quid sit iudicium, et que sint partes iudicii et
que sint persone, que debent consistere in iudicio. Iudicium
est actus trium personarum, scilicet: iudicis, actoris et rei etc/
Diese Abhandlung endet Fol. 109. Darauf: ,Notantur Con-
stitutiones et iura terre laciciensis, per omnes terrigenas maiores
facte et ah antiquo observateh Anfang: ,Quum Kmetho ali-
quem nobilem vulnerat seu interficit, quocunque iure residet,
seu manet, iure theutonico, seu quovis alio se defensare non
potest; sed iure Polonico respondere tenebitur, et hoc servatur
in omnibus terris regni polonic'. — Der letzte Artikel lautet
Fol. 144: Statuta ducum et dominorum terrigenarum terre
Maszowiensis et principaliter de milite vulnerato per Kme-
thonem. Anfang: Sub anno Domini 1421 feria quinta post
360
Dudik.
festum S. Kiliani martyris gloriosi nos Domini de eonsilio
nostro principalem articulum statuimus pro nobilibus et kme-
thonibus etc. Schluss: ,Idem ius inter nostros milites et dom-
num Archiepiscopum observeturh — Expliciunt etc. wie oben.
— Ein zum Vergleich, wie das Magdeburger Recht in Polen
Anwendung fand, und wie es in das polnische Recht über
ging, recht brauchbarer Codex im alten weissen Ledereinbande
mit Messingbeschlägen.
92. Novüm opus tripartitum (Hungar. consuetud.) de
anno 1719.
93. Proventus Tinecensis monasterii. 0. S. B. Fol. 47.
Sig. 132. Z.
94. Pensiones in Zuppis Wieliciensibus, Bochnensibus et
Cameris Mazoviae ordinatae de anno 1685. Sig. 136. Z.
95. Zaluski Josef, referendarii Reg. Norma interregni
Polonici de anno 1733. Sig. 140. Z. et 141. Z.
96. Rolandini Magistri Summa artis notariae. Sec. XV—
XVI. Sig. 156. Z.
97. Formulare de modo iuridico. Sec. XV. Sig. 162. W.
98. Cromerii Martini, Formularium Cancellariae regni
Pol. Anno 1536—1549. Sig. 172. Z.
99. Tractatus inter regem et episcopos Norvegiae. Sec.
XVI. Sig. 188. Z.
100. Speculum Saxonicum, seu ius theuton. Magdeb.
scriptum 1499. Sig. 191. Z.
101. Statuta episcopi Cracovien. Scripta 1470. Sig. 202. W.
102. Acta Concilii Basilienis de anno 1433 (Iohannes
de Regusio, Rokyezan, Hieronym. de Praga etc.). Fol. 363.
Sig. 219. W.
In 4° membrana.
103. Statuta regni Poloniae Sec. XIV. Sig. 4. W. Fol. 30.
Cod. Ms. memb.
104. Res ecclesie. Beginnt roth: Quid sint res ecclesie?
Res ecclesiae, sicut a sanctis patribus traditur, et in superiori-
bus capitulis continetur, vota sunt fidelium etc. Der nächste
Aufsatz: TJt canonici cuculas monachorum non induant. Es
sind nach gewissen Rubriken Kirchencanonen, oder ein Liber
Historische Forschungen in der Bibliothek zu St. Petersburg.
361
poenitentiarius aus Isidor, unterschiedlichen Concilien, Kirchen
vätern etc. Fol. 53'. Ex Ordine Romano pro inonasterio Cor-
hejensi. Scheint diesem Kloster gehört zu haben, als Peter
Dubrowsky den Codex in Paris aquirirt hatte. Cod. memb.
Secul. IX. 4». Fol. 56. Sig. II. 4«. Nr. 5 (Dubrovsky).
105. Statuta Ord. Cistercien de anno 1366. Sig. 6. W.
Cod. memb.
106. S. Benedicti Regula. Cod. memb. Fol. 95. Sig. 7. W.
Sec. XV.
107. Regulae SS. Augustini, Benedicti, Francisci, Iero-
nimi ad virgines. Cod. memb. Sec. XV. Sig. 9. W.
108. Lex Salica seculi IX. Folia 40. Sig. 11. D. Cod.
memb.
In 4° in Charta.
109. Mycielski Christof, Processus iudiciarius regni Polon.
1642. Sig. 22. Z. Cod. Chart.
110. Zamoyski Iohannes. Liber legationum aliorumque
negotiorum externorum, anno D. 1582 et 1583 (84?) Iohanne
de Zamoyski in Cancellaria regni tractatorum expeditorumque.
Sig. 135. Z. Folia 576. (Janocki, specimen etc. p. 40, C I.)
111. Processus iudicarius Bohemiae, et 2. formae iura-
mentorum bohemice. — Die Handschrift beginnt mit einer
Inhaltsanzeige: Pro debito maiori trina citatio. Pro debito
fideiussorio maiori, trina citatio etc.
Da diese Processordnung, wie sie in Mähren unter den
Markgrafen Prokop und Jodok gesetzlich war, im Jahre 1870
dem Herrn Hermenegild Jirecek zur Benützung eingeschickt
wurde, glauben wir von einem Eingehen in die Handschrift
absehen zu dürfen. Ihre vollständige Abschrift liegt in Jireceks
Händen. Der Codex ist unvollständig. Es fehlen am Schlüsse
einige Blätter. Am letzten Blatt oben in margine steht die
Bemerkung: ,manus bergow filii'. Jirecek gibt hiezu folgende
Bemerkung: ,Otto starsi z Bergova na Beline byl purkrabim
prazskym 1388—1392, pak na krätce 1402 podkomofim; vzdy
vsak protivnikem Väcslava IV. Otto mladsi z Bergova pfichäzi
mezi rokem 1399 a 1415‘. -— Sig. 142. Z. Fol. 37. Codex
Sec. XV.
362
D u d i k.
112. Oricliovius (Orzechowski Stanisl.) Facies perturbatae
et afflictae reipublicae eiusque restaurandae ratio, per visionem
in Pathmo cuidam revelata. Sie;. 146. Z. (Janocki specimen
62. CLXXXIII. ? de ao. 1566?)
113. Caramuel, Lobkovetzii loh. Disputatio politica de
supremo imperii tribunali. Sig. 147. Z. Folia 28.
114. Leges Magdeburgicae Sec. XV. Fol. 123.
115. Lascharii Andreae (loslawicki, episeopi electi Pos-
nanen (f 25. August 1426), regis Poloniae legati, oratio pare-
netica in Concilio Constantiensi 1414 mense Ianuarii ad Io-
hannem XXIII. Cod. Fol. 19. Ex antiquissimo Ms. Caes. Vidob.
Parte IV. Acta Concil. Constant. post medium Fol. 149. Sig.
158. W.
116. Canones Apostolorum, Conciliorum etc. Sec. XIV—
XV. Sig. 204. Z.
117. Constitutiones Patrum Marianorum Ord. imac. B.
M. V. congregationis Polonicae. Sig. 231. Z. Folia 63.
118. Statuta Ord. Praemonstrat. reformata anno 1618 et
1619 in capitulo generali. Cod. Folia 44. Sig. 264. W.
119. Statuta ducis Massoviae de anno 1473. 2. Iura Theu-
tonicalia. Sec. XV. Sig. 277. Z.
120. Functiones sacerdotum congregationis Missionis.
Sig. 280. Z.
121. Catalogus (sic) omnium transactionum, erectionum in
Archivo Universitatis Cracovien existentium. Cod. Folia 14.
Sig. 330. Z.
122. Modus gubernandi Eremorum familias et manutenendi
disciplinam Ord. Camaldulensis. Sig. 398. Z.
123. Alberti Episc. Cracovien Constitutiones 1420. Sig.
399. Z.
124. Forma processus fori spiritualis in regno Hungariae.
Sig. 397. W. Folia 177.
125. Statuta ecclesiae Cracovienis ab anno 1028—1523.
Ms. Folia 96. Sig. 427. Z.
126. Blonie Nicolaide Sacramentale (mit lateinischen
Vei-sen) de anno 1472. Sig. 437. W.
127. Statuta incliti ac heroici ordinis Equitum immacu-
latae B. M. V. Sig. 449. W.
Historische Forschungen in der Bibliothek zu St. Petersburg.
363
128. Dunin Petri Spoth, Comitis de Skrzynno etc. De-
claratio, quali Polonia indigeat rege ? Pragae excudebat Geor-
gius Nigrinus 1590. Ms. Folia 45 apographum libri impressi.
Sig. 450. Z.
In 8° in Charta.
129. Constitutiones monachorum congregationis S. Mauri
0. S. B. conscriptae anno 1795 in monasterio S. Crucis montis
Calvi. Cod. Fol. 212. Sig. 21. W.
130. Constitutiones fratrum Carmelitarum Congregationis
S. Elisabeth discalceatorum 1623. Sig. 50. Z.
131. Summa de poenitentiariis D. Archiep. Hostiensis,
Leonis etc. Ms. Fol. 404. Sec. XV. Sig. 84. Z.
Im Ganzen sind in der Abtheilung II. Iurisprudentia im
Cataloge verzeichnet: in Folio 252, in 4 U 466 und in 8° 87 Num
mern. Der grössere Theil ist von Josef Andreas Zaluski (die
mit W. bemerkten aus Warschau), und betrifft das Studium
des römischen und Kirchenrechtes im Allgemeinen, und das
von Polen in Specie. Die Zaluskischen Manuscripte dieser
Abtheilung gehören dem 17. und 18. Jahrhunderte an.
III. Abtheilung. Pliilosopkia.
In Folio Charta.
132. Ferdinandi Rom. regis et aliorum principum ei coe-
vorum horoscopus factus circa an. 1550 et a coeva manu
scriptus. (Ex bibl. Mich. Walckeri sen.). Cod. Folia 8. Sig. 35. Z.
In 4° in Charta.
133. Hugonis Mag. Prioris Sti Laurentii, De avium mo-
rali et mystica significatione. Cod. Folia 54 cum figuris et ima-
ginibus avium. Sig. 1. D.
134. Tractatus Anonymi: An Iudaei humano sanguine
utantur, et quaenam sunt praecipua Iudaeorum de re medica
et secretiori Philosophia Volumina. Cod. Folia 63. Sig. 26. Z.
364
Dudi k.
185. Leibnitz (Friedrich) unterschiedliche Reden. Cod.
Folia 66. Sig. 48. Z.
136. Almanzoris opera cabalistica eiusdemque iudicia ad
magnum regem Saracenorüm. Cod. Folia 138. Sec. XVI.
Sig. 262. D.
137. Tei’balissi, Astronomi Arabi, geomantia, neomantia
et alia magica. Sec. XV. Cod. Folia 27. Sig. 454. D.
138. Comenii loh. Amos, Typographeum vivum, h. e. ars
compendiose, et tarnen copiose ac eleganter sapientiam non
chartis, sed ingeniis imprimendi.
Der Zweck dieser Schrift ist, zu zeigen, wie gute Schulen
eingerichtet werden sollen: Multos equidem esse nostro aevo,
qui rei literariae et scholarum emendationem Optant, quaerunt,
moliuntur, verum est, sed quo adhuc profectu? Comenius nimmt
zum Thema dieser Abhandlung den Satz: Filii huius seculi
prudentiores sunt filiis lucis in generatione sua (Luc. 16. 18),
und beginnt mit der Frage die Untersuchung: De filiorum lucis
prudentia a filiis seculi mutanda, hoc est: quomodo artium
mechanicarum exemplis Ars artium, hominum ingenia ingenuose
tractandi, ad summam certitudinem ac evidentiam deduci possit?
rationabilis disquisitio. Es ist dies eine halb mystisch gehal
tene Abhandlung mit häufiger Bezugnahme auf seine Didactica.
Man lernt aus derselben das ganze Verfahren einer Buch
druckerei und alle dabei gebrauchten technischen Ausdrücke.
Das Werkchen beginnt: Domini nostri Iesu Christi effatum
est: Filii huius seculi prudentiores sunt filiis lucis in genera
tione sua (Luc. 16. 18), quod non, ut suos imprudentiam do-
ceret, sed ut, si eam committunt, exprobraret, dixit: male nos
circa minora solertiores, circa maiora negligentiores esse . . .
Quinam enim sunt filii seculi ? etc. . . Schluss: Sed et sanc-
tissimus Deus, quod alias quoque ultimis se facturum promisit
diebus, ut indat legem suarn menti nostrae, cordibusque nostris
inscribat eam. Iei-em. Cap. XXXI. v. 33, Amen. Gehöi'te dem
Grafen Zaluski. Hie und da sind Correcturen von fremder
Hand. — Cod. Fol. 19. Sig. 480. Z. Kommt unter den Schi-iften
des Amos Komenius nie vor.
Die Abtheilung III. Philosophia, zählt etwa 643 Nummer
in 4° und 115 in 8° und stammt grossentheils von Zaluski,
Historische Forschungen in der Bibliothek zu St. Petersburg.
365
hat jedoch einen sehr untergeordneten Werth. Es sind Schul
hefte und Compendien über die mannigfachsten philosophischen
Studien, worunter Astrologie, Chemie, Chyromantie etc. gezählt
werden.
IV. Abtheilung. Historia.
In Folio Meinl).
139. Iohannis Petri Caballi de Terronibus (?), Descriptio
urbis Romae veteris et novae. Codex Descriptus 1387. Sig. 1.
140. Compendium historiarum, a mundo condito usque
ad tempus christianum. E museo Dubrowski. Sig. 7.
141. Ademari chronieon de origine et gestis Francorum.
E museo Dubrowski. Sig. 1. 97.
142. Codex chronicarum Franciae, vita Caroli M. Ade
mari Engolismen. Sig. 1. 168.
In Folio Chart.
143. Kronica Dzirswy s Annotatami, kronica Kadlubka,
Bogufala a Archidiacona Gfnieznienskeho. Sig. 19 et 31. Weiter
sind hier vorzüglich in mehreren Handschriften: Dlugossi Lon-
gini historia, seu Annales et Chronica regni Poloniac vertreten.
Sec. XVI et XVII. Ebenso Chronika Kadlubka und Bogu
fala. — Ueber die hier und überhaupt in den Petersburger
Bibliotheken aufbewahrten Handschriften des Chronisten Dlugosz
schrieb Antoni Bialecki, Rekopisma Dlugosza w Petersburg-
skich bibliotekach pod wzgledem paleograficznym i bibliogra-
ficznym, S. 32 litografowanimi podobiznami. Petei-sburg, dru-
kiem Jozafata Ohryzki 1860. SS. X. 126. Es sind hier be
schrieben : in der kaiserlichen öffentlichen Bibliothek von der
ganzen Chronik 37 Mss. und von der abgekürzten 5 Mss.
Ueber Vincentius Kadlubek, Bischof von Krakau (1208—1218
f 1223) und seine Chronik Polens schrieb Heinrich Zcissberg,
im Archiv der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften,
Bd. 42, Wien 1870, wo auch S. 188 die Petersburger Hand
schriften erwähnt und beschrieben wurden.
Dudik.
366
144. Kaisörling (Com) Comitia sub Piastis regibus Polo-
niae habita a Piasto 842 usque ad Interregnum post obitum
Ludovici regis 1385, imo ad an. 1456. Sig. 26.
145. Hessii (Gregor) rerum in Prussia gestarum Libri V.
opus posthumum Studio Thomae, Hessii tilii, reipubl. Elbingen
Proconsulis anno 1649. Sig. 28.
146. Bogufali Cbronica magna Lechitarum et Polonorum.
Gutes Exemplar von Zaluski benützt. Sig. 31.
147. Orzelsky. Interregni Poloniae libri VIII a Suentoslao
Orzelsky, Radeoviensi Capitaneo, editi a. S. 1576. Sig. 36.
(Janocki, specimen etc. p. 38, XCVIII.)
148. Chronologiae universae a creatione mundi usque ad
an. 1640 a J. A. Zaluski. Sig. 44.
149. Manuscriptum itineris Pauli Knibby I. U. Dr. Vene-
tiis per Italiam anno 1574. Sig. 61.
150. Diplomata Poloniae et Prussiae. Scripta 1430. Sig. 68.
151. Swirsky Nicolaus, Annales Poloniae ab anno 1657—
1666. Sig. 83. (Janocki, specimen etc. p. 88, CCCII.)
152. Brevis et accurata regiminis ac stoliorum Zupparum
Vieliciensis et Boclmensium anno 1518 Descriptio. Sig. 85.
153. Orzelscii Suentoslavi . . . historia Polonica ad suum
avunculum Czazukovium, Castellanum Poznanien, res post obi
tum Sigismundi Augusti gestas ab anno 1572 ad anno 1576
complectens libros VIII. Sig. 94 (v. supra Nr. 147).
154. Gesta Sigismundi I ab anno 1508—1544. Sig. 101.
155. Historia Husitarum (Janocki specimen 1. c. 116.
CCCLXXXIV. 2. Vol.). — Ohne einen eigentlichen Titel beginnt
der aus mehreren Theilen bestehende Codex, die jedoch alle einen
und denselben Zweck verfolgen: darzustellen die Ungiltigkeit
der Wahl des Königs Georg Podebrad, mit einem sehr reich
haltigen Index einer Abhandlung, die sich die Frage vorlegt:
ob man im Gewissen verpflichtet ist, einem häretischen Könige
zu gehorchen? Diese Frage wird negativ beantwortet, und so
mit dargelegt, dass, da Georg von Podebrad häretisch ist, man
an ihn nicht gebunden sei. Nicht er, sondern König Ladislaus
sei der rechtmässige König von Böhmen, Markgraf von Mähren
und Fürst von Schlesien. Um dies zu beweisen, wird die Ge
schichte zu Hilfe genommen, und dieser Umstand macht den
gutgeschriebenen Codex zu einem werthvollen.
Historische Forschungen in der Bibliothek zu St. Petersburg.
367
Die Abhandlung 1 beginnt Fol. 19, nachdem von Fol. 1
bis 8' von einer andern Hand ,de Thaboritaruin origine in
Bohemia et quibusdam Wiclefitarum actibus' geschrieben ist.
Dieser Aufsatz beginnt: ,Wenczeslaus rex Bohemie, volens
obstare principiis, quesivit iam, licet sero. consilia varia, qui-
bus iam conspirationem viperinam capitibus diversis, sed caudis
ad invicem colligatis, possit dissolvere etc. Schluss Fol. 1':
Post dies octo, a festo s. Marie Magdalene computando, Magister
civium etc. sunt sine misericordia interfecti. — Adhuc de
eodem. Fol. 1'. Quidam Ioannes apostata de Ordine Cister-
ciensi, qui postmodum anno Dom. 1422 feria II. post Remini-
scere in die sanctorum Cyrilli et Methudii in pretorio maioris
civitatis pragensis hora prandii per Consules secte Wiclefistice
extitit decolatus etc. Darauf: Fol. 2. De morte regis Wences-
lai et eius sepultura. Qualiter corpus eius exhumatum fuit et
conbustum, et de tyranide Husitarum. Hier wird unter anderen
erzählt von der Trommel, die 2izka aus seiner Haut zu machen
anbefahl. ,Hic (2izka) dum morti proximus esset consulerent-
que Taborite, quem post se principem designarent: Postquam
animus, inquit, a me fugerit, excoriate corpus meum, et carnes
date volucribus, ex coreo vero tympanum facite, atque hoc in
prelio ducem habete. Nam quocies locorum Theutones sonum
eius audierint, mox terga dabunt, Zizkam in tympano formi-
dantes etc. Hic Zischka (geschrieben Zischa) sabbato ipso,
die Laurentii per Wycleiistas corpus Wenceslai regis Bohemie
fecit exhumari et ossa eius in ecclesia dispergi et monasterium
incinerari. Die Erzählung geht bis zur Wahl Georgs von
Podebrad 1458 und endet mit dem abgebrochenen Satze: Anno
Domini 1460 confederati sunt Bohemi et Poloni in na Blogonia
maiori. — Fol. 9—18' Inhaltsanzeige. — Fol. 19—140 die
Abhandlung: Utrum salva conscientia in regno Bohemie, heresi
et schismate infecto, dari potest obedientia regi, eiusdem con-
ditionis electo? Diese Abhandlung schrieb, wie es scheint,
irgend ein Jurist iti Breslau unter Papst Pius II., und zwar
auf Antrag des damaligen Fürstbischofs von Breslau. Am
Schluss steht roth geschrieben: Compilata est huius questionis
determinatio anno D. 1463. Das Ganze per extensum ge
schrieben.
Duant.
368
Der zweite Theil der Handschrift, von einer andern, aber
gleichzeitigen Hand, ist in zwei Columnen abgefasst, und
behandelt dasselbe Thema: juridisch und historisch die Un
gültigkeit der Wahl des Königs Georg darzulegen und zu
zeigen, dass Niemand im Gewissen verpflichtet sei, ihm zu
gehorchen. Beginnt: ,Ordo nature et rationis exigit, quod, ubi
magna eminent pericula, cautele adhibende sunt habundantiores.
Sed postquam hec alma Slesie provincia illustrata est spiritu
sancto inspirante fide catholica 4 — daher darf sie sich den
Georg Podebrad, wie die Böhmen wollen, nicht als König auf
dringen lassen. Die Abhandlung endet Fol. 154. — Fol. 154'
beginnen unterschiedliche Bullen und Breven in Georgs An
gelegenheiten von verschiedenen Händen. Die erste ist ,Bulla
Pii II. ad Bohemos ddo. Senis XIX. April. Pontf. anno primo.
Der grössere Theil bezieht sich auf Breslau. Merkwürdig ist
ein Brief Georgs an Pius II. ddo. Pragae die XXVII. Octobr.
anno 1462. — Fol. 157 folgt: Responsio domini nostri ’sanctis-
simi Pii Papae II. data Oratoribus Bohemorum regis, die ul
tima mensis Martii anno 1462 in publico Consistorio Romae.
Endet 159'. — Fol. 160 abermals päpstliche Briefe, darunter
Episcopo Olomucensi, Aufmunterung und Ermahnung im katho
lischen Glauben in diesen Tagen der Häresien fest auszuhalten
und das Volk vor Irrthümern zu bewahren. ,Hec scribimus,
sagt der Papst, non quod diffidamus de tua bona uoluntate,
sed ut zelum et favorem, quem te habere credimus, paternis
monitionibus magis iucendamus, iterum atque iterum hortantes
tuam fraternitatem, ut predicta omnia diligenter atque sollicite
exequaris, unde premium a Deo consequaris et apud nos com-
mendationem. 4 Das Breve an Capitulo Olomucensi ist ddo.
Thuderti sub annulo piscatoris die tertia Decembris. Anno D.
1462. Pontif. nostri anno X. — Fol. 161 ist abermals eine
juridisch-canonische Abhandlung über Georgs Rechtmässigkeit.
Endet 171'. — Fol. 173. Zwei Bullen Pius II. ddo. Romae
apud st. Petrum 1463. IV. Kal. Apr. Pontf. n. an. 5 ad uni-
versos Christi fideles, und die zweite ddo. Romae 1463, Kai-
April. Pontf. a. V., die dritte mit einer andern Hand an den
Klerus, Hauptmann, die Consules und die Gemeinde von Breslau
ddo. Romae sub annulo piscat. 1463 1. April. — Fol. 175' ,Rex
Bohemiae ad Dominum apostolicum Anno 1463, 3. Martii 4 , mit
Historische Forschuugeu in der Bibliothek zu St. Petersburg.
3(39
Interlinear-Glossen. Pragae die tertia Martii, regni nostri anno
quinto. — Fol. 181 bis zum Schluss des Codex 263' folgt ein
reiches Material zur Geschichte König Ludwigs und Georgs.
Fol. 181. Dominus Petrus, Wratislaviensis Orator ad sedem
apostolicam. ,Exegit angustiarum pressura' etc. — Fol. 184.
Legatio administratorum ad ducatus Sweytnitz ac Iawren per
magistrum Iohannom Crusfen (sic?). Abgesandt waren: Nico
laus Tempilfeld, Lehrer der heiligen Schrift und Andreas Scoda,
Domherr von Breslau. Endet Fol. 185', ist in deutscher
Sprache. — Fol. 186. Epistola Domno Georgio, regi Bohemiae,
a Donmo leronymo, Archiepiscopo Cretensi, ac Vicecammerario
sedis apostol. missa, ist unvollendet. Nach 193 sind vier Blätter
ausgeschnitten. Darauf von 197 an abermals Briefe. — Fol. 197.
Eine Relation über König Ladislaus Tod und des Wiener
Bürgermeisters Holzers Gefangennehmung und Tod. Beginnt:
Quum illustrissimus atque nobilissitnus ille princeps Ladislaus . . .
coronatus in regem Bohemie etc. Schluss Fol. 199': Diem
suum taliter qualiter, prout Deus novit, ut fertur, violenter
clausit extremum, Cuius anima fruatur requie sempiterna. Amen'.
Drei Blätter leer. •— Fol. 203. Decretum sacri concilii Basi-
liensis in 30. Sessionc etc. Briefe des Papstes an König Georg
bis 210 inclus. — Fol. 211—226. Dialogus contra Bohemos et
Taboritas de saera communione sub una specie. (Confer Aen.
Sylvii opera. Basileae 1571 typis edita Epistol. C. XXX. Fol.
660 fg.) Die rothe Aufschrift lautet: Ad Cardinalem sancti
Angcli de disputatione contra Bohemos per moduni Dialogi. —
Fol. 226'—232, Hie notande sunt interrogationes, cum quibus
interrogantur Wiclefiste, et contra ipsorum responsioues statim
allegantur scripture, contra quas rationabiliter nesciunt os ape-
rire, et sunt multum utiles iste interrogationes. Es sind vier
zehn Fragen und Antworten theologischen Inhalts. — Fol. 232—
246. Francisci de Toledo contra Iohannem de Rokyczan Dispu-
tatio de Communione utriusque specie abusuque Bohemorum.
Beginnt: Franciscus de Toletho Iohanni de Rokyczana Salutem.
In ipso articulo recessus ab ista civitate nostra etc. Schluss:
Deo gratias. — Fol. 246—254. Hi sunt excessus circa vene-
rabile Sakramentum Ewkaristie commissi, et circa missam et
occasione utriusque speciei perpetrati in Katholicis post edita
compactata et nonulla post mandata novissime regio nomine
Sitzungsber. d. phil.-hist. CI. XCV. Bd. I. Hft. 24
370
Dndik.
facta. Es werden siebzig- Errores angeführt. Schluss: ,Hec pauca
ex multis et infinitis scripta et collecta sufficiunt. Datum Präge
Anno D. 1455 per venerabiles et egregios Domnum Wenczes-
laum de Crumpnaw decretorum doctorem, Decanum et admi-
nistratorem in spiritualibus sede vacante ecclesie Pragensis, nec
non per Magistrum Prokopium, Baccalaureum in theologia for-
matum pragensem, qui domni Rokyczani omnem nequitiam et
occultissimos articulos hereticales fünditus sciunt et ipsis mani-
festi extant, sed Präge manifestare non presumunt, ne forte
tumultus tieret in popuhr. — Fol. 254.—263. Sequuntur articuli
et errores lohannis Rokyczani, quos contra sanctam ecclesiam
Romanam . . profert, tenet, dogmatizat, multiplicat, augmentat,
qui ex sermonibus et operibus et factis suis et suorum eliciti
sunt non putativi sed veridici. Primo circa cultum adorationis
Iesu Christi. — Fol. 263. Sequuntur Statuta, que fecerat (Ro-
kyczana), cum Pragam advenerat et obtinebat post traditionem
domini Sigismundi Polonorum, ex quibus cognoscitur iides illius
et religio ad ecclesiam Romanam. Schluss: Fol. 263' Sabatho
post . . . A. D. 1461. Präge collectum. Sit laus Deo. Im
weissen Leder gebunden. Cod. chart. Fol. Sec. XV. Sig. 102.
156. Radzivilii (Alberti Stanislai ducis), De rebus gestis
Sigismundi III., Wladislai IV. et Casimiri. Sig. 109. (Janocki
1. c. 88. CCXCVIII.?)
157. Pistorii loh. Chronica Polonorum et ducatuum Sile-
siae. Sig. 111.
158. Vitae archiepiscoporum G-nezdensium loh. Longini?
Fol. 560. Sig. 112 (Janocki, 1. c. 30. LXX1X.?)
159. Pastorii ab Hirtenberg, Päcificationis Olivensis Dia
rium. Fol. 127. Sig. 115. (Autograph, Janocki 1. c. p. 42. CIX.)
160. Zadzilt Iacobus, Actq.,publica ad Ducatum Prussiae
spectantia. Fol. 148. Sig. 117.
161. Wenceslaus Cornes a Lessno, Annales rerum Polo-
nicarum ab exordio gentis usque ad Sigismundum III. Conti-
nuatio ab anonymo. Fol. 103. Sig. 121.
162. Sumaryusz transakczi spisanych in Archive Castrensi
Opocznensi de domu Zaluskich referujczich. Fol. 30. Sig. 122.
163. Liber legationum aliorumque negotiorum externorum
anno D. 1582 und 1583 (1584?) a Iohanne Zamoiski in Can-
Historische Forschungen in der Bibliothek zu St. Petersburg.
371
cellaria regni tractatorum expeditorumque. Fol. 192. Sig. 124.
(Janocki 1. c. p. 46. CI. ?)
164. Rudkowski, Historiarum Poloniae ab excessu Wla-
dislai IV. Tomi primi libri IX. auctore Laurentio Iohanne
Rudkowski, Cathedralis ecclesie Olomucenis Canonico, Sacrae
Caes. Maiestatis ac Serenissimi Leopoldi Guilielmi, Archiducis
Austriae, Consiliario. — Das gut geschriebene und durchgesehene
Werk, welches von Zaluski als Rudkowski’s Exemplar (Opus
authographum) bezeichnet wird, beginnt mit einer Epistola dedi-
eatoria an Kaiser Leopold I., worauf ,Benevolo lectori author
Salutem'folgen lässt. Das Letztere istdatirt: Viennae Austriae
die 20. Sept. 1660. Jedem Buche geht eine Inhaltsanzeige voran.
Die Geschichte geht bis zum Frieden von Oliva 1660. Ge
druckt wurde dasselbe in Warschau und Leipzig 1755. Ueber
Rudkowski: Encyklopedia powszechna. Warschau 1866. Die
Herausgabe der Encyklopedie besorgte Orgelbrand. Auf dem
braunen Ledereinbande ist ein Wappen: Kreuz, ein Halbmond
und ein Stern übereinander. Cod. chart. Fol. Sec. XVII.
Fol. 972. Sig. 129 (Janocki, p. 41. CVII.).
165. Starowolsci Simeonis, Rerum memorabilium libri
tres. Sig. 142.
166. Görski Stanislaus, Epistolarum, legationum etc. sub
Iohaune, Alberto, Alexandro, Sigismundo, Regibus emissarum.
Stanislaus Görski, Canonicus Cracovien. et Plocen., Vicecan-
cellarius Petri Tomicii Episc. Sig. 145. In neunzehn Folianten.
Ein zweites Exemplar Sig. 146 (Janocki, p. 35. XCII. Ge
druckt Acta Tomiciana etc.).
167. Epistolarum reg. Sigismundi patris et Sigismundi
filii per Stanisl. Hosium et Martinum Cromerum secretarios
conscriptarum. Tomi duo. Sig. 150.
168. Zamoiski, Commci. irium literarum, regum etc. in
rebus status tenente seeptrum in Polonia Stephano Bathori.
Sig. 155 (Janocki etc. p. 40. CI.).
In 4° in Charta.
169. Chronicon Polonorum auctore Vincentio Kadlubek.
Sig. 2. Z. E bibl. Stanisl. Augusti; aliud Exempl. Sig. 6. Z.
(bei Zeisberg pag. 188 und 189).
24*
372
Uudik.
170. Zaluski, Genealogia comitum Zaluskiorum Junossi-
tarum, descripta a Iosefo Andrea Zaluski. Sig. 3. Z. Item 48.
Z. Item 91. Z.
171. Chrepinski Valentin, Diarium reverend. D. Iosefi
Andreae Zaluski 1763, 1764, 1765 et 1766. Sig. 13 und 14. Z.
172. Stemmata regni Poloniae, alphabetico ordine digesta,
adiunctis unique stemmati observationibus. Sig. 21. Z. Ms. Fol.
87. Auch Sig. 41. Z. 42. Z.
173. Zaluski los. Andr., Excerpta ex actis Capituli Cra-
covien ab anno 1464—1547. Sig. 22. Z.
174. Martini Poloni, Chronica Martiniana, continuata ad
an. 1320. Ms. Fol. 195. Sig. 25. Z. Auch 30. D. Sec. XV.
175. Zimorowicz, Leopolis, Russiac metropolis, a Turcis,
Tartaris, Cosacis, Moldavis anno 1672 hostiliter obsessa, a Deo
mirifice liberata, per Bartholomaeum Zimorowicz Consulem
ibidem. Sig. 27. Z. Folia 54.
176. Grabiecki Martini, Diarius circa gesta huius tem-
poris 1663—1680. Autog. Sig. 45. Z.
177. Memoriale rerum gestarum in Polonia a morte Sigis-
mundi III. inchoatum et continuatum ab anno 1632—1654 a
me Alb. Stanisl. Radziwil. Pag. 1136. Sig. 56. Z. (Janocki, 1.
c. 88. CCXCVIII.)
178. Percepta et distributa pecuniarum privatorum pro-
ventuum regis Sigismundi Augusti a 1. Ianuario 1560 usque ad
diem ultimum Decembr. 1568. Sig. 59. Z.
179. Europae descriptio geogralica, Fol. 14. Authogr.
regis Sobieski. Sig. 63. Z.
180. Origines stemmatum Poloniae cum annexis Symbolis, ,
auctore Theophilo Rutka. Fol. 368. Sig. 71. Z. Zd. 79. Z.
181. Posselius Ioachim. Compendium historiae Posselianae
ab an. 1387—1623.
182. Konarski, Genealogia domus Potockiorum . . prin-
cipi Theodoro Potocki, Archiep. Gnesnensi dedicata a Stanislao
a S. Laurentio, alias Konarski, schob piar. et iussu los. Zaluski
ex autografo descripta. Fol. 38. Sig. 83. Z.
183. Diarium rerum gestarum ab anno 1644 usque ad
an. 1655. Sig. 97. Z.
Historische Forschungen in der Bibliothek zu St. Petersburg.
373
184. Chronica Polonicalis, conscripta a Vincentio Kadlu-
bonis (sic) Episc. Cracovien. (Unwichtig, ist die Chronik von
Dzirswa). Sig. 98. Z.
185. Chronica de gestis principum Poloniae auctore Ma-
thaeo, Cracov. Episc. Ms. Fol. 277. Codex elegantissime exa-
ratus. Sig. 105.
186. Dusburgi Petri anno 1326 historici, Res Pruthenicae
in compendium redactae studio Gotofr. Fr. T. Zamelii, Cons.
Elbib. 1668 (Zamelsche Chronik) pag. 32. Sig. 100.
187. Swirski Nicol. Episcopi Suffragan. Chelmensis, An-
nales Poloniae ab anno 1657 usque ad anno 1666. Fol. 170.
Sig. 124. Z. (Janocki 1. c. p. 88. CCCII.)
188. Ulustrissimi principis D. D. Guilielmi Egonis, Land-
gravii Fürstenbergii iniusta dedentio. Fol. 35. Sig. 126. Z.
189. De ordine Hospitalariorum, seu de Cruciferis Prus-
siae, fragmentum de anno 1453. Sig. 129. Z.
190. Insignia gentilitia Episcoporum Smogroviensium et
Wratislaviensium in Silesia ab anno 969 ad 1600, variis colo-
ribus depicta et descripta. Fol. 45. Sig. 137. Z.
191. Radzivila (Albert. Stanisl.) historia gestarum in Po-
lonia sub tribus regibus, Sigismundo III., Wladislao IV. et
Iohanne Kazimiro, Ms. Fol. 214. Sig. 143. Z. (Janocki 1. c. p. 88.
CCXCVIII.)
192. Tomicki Petri, Codex epistolarum etc. Sigismundi I.
regis anno 1531. Ms. pag. 700. Sig. 154. Z. (Janocki 1. c. 36.
XCIII. ?)
193. Rungius (C.), Notitia scriptorum bistoriae Silesiacae.
Ms. Fol. 356. Sig. 155. Z.
194. Disceptatio de antiquis mensuris, monetis et ponde-
ribus . . . cum eorum reductione ad mensuras, nronetas et
pondera nostri temporis anno 1673. Exemplar zum Drucke be
stimmt. Ms. Fol. 23. Sig. 158. Z.
195. De primis Polonorum nummis argenteis, sive grossis
Pragensibus exercitatio (descripta ex impresso libro cum qui-
busdam additamentis). Ms. Fol. 5. Sig. 159. Z.
196. Respublica, sive Status regni Poloniae, Lituaniae,
Prussiae, Livoniae etc. diversorum auctorum, nempe Stanislai
Krzistanowicz, Martini Poloni, Chodkiewicz etc. Ms. p. 871.
Gekauft am 30. Juni 1844 a Mss. Conservatore,
374
Dudik.
197. Zalusbi (J. A.), Eruditiones de stemmatibus gentiliciis
Polonorum ordine alphabetico (A—T.) etc. Ms. Fol 36. Sig.
189. Z.
198. Hankius Mart. Collegium de rebus Silesiacis habi-
tum 1692. Ms. p. 120. Sig. 204. Z.
199. Apographa publicarum literarum, brevium Pontifica-
lium et aliorum actorum, quae historiani Poloniae spectant.
Darunter: 1. Regni Hungariae politica descriptio (pag. 46 —
Fol. 24). 2. Epistola Andreae, Comitis de Lesno et Arcbiep.
Gnesnensi, de proelio ad Warsaviam commisso (F. 4). 3. Frag-
mentum historiae Principum domus Saxoniae (F. 24). 4. Annales
1657. Fragmentum cbronici Poloniae Nicolai Swirski. 5. Facies
Europae exeunte anno 1667 breviter delineata. 6. Narratio de
confoederatione violenta statuum Poloniae, vulgo Rokosz, contra
regem Ludovicum Hungarorum ad Gliniany coactarum etc.
manu Zaluskii. Ms. Fol. 136. Sig. 213.
Tn 8° in Charta.
200. Nicolaus frater, Peregrinatio terrae sanctae ,Fecimus
compositiones de Bursa nostra per 2. Florenos ad comparan-
dum necessaria* etc. de anno 1461. Ms. Fol. 106. Sig. 2. D.
521. — Descriptio Palestinae de anno 1522. Sig. 3. D. 490.
201. Mirabilia Romae. Videtur Ms. editum 1475. p. 10 in 4 n .
202. Calendarium Gregorianum et chronica temporum cum
aliis miscellaneis per fratrem Stanislaum Glitowski, Priorem
S. Crucis, Praep. Wawelno 1621, pag. 217. Sig. 15. Z.
203. Iacobi Sobieski, principis, regis Poloniae Diarium
obsidionis Viennae 1683, cui cum Patre suo, rege Iohanne,
adfuit. -— Beginnt: Ingruente turbida Omnibus Germaniae po-
pulis, maximeque capitali eius, urbi Viennae, tempestate, eadem-
que nobis magnam minante perniciem etc. Schluss 15. (Octobris)
mane D. P. Voliniae mortuus. Sr. rex ad Staiy Sanec ad Sr.
reginam venit. Werth, eopirtzu werden. Cod. Fol. 25. Sig. 33. Z.
204. Flosculi omnium fere materiarum ex libris historia-
rum collecti. Opera Fr. Antonii Lepai-ski Ord. Praed. Varsa-
viae an. D. 1705. Sig. 40.
205. Duces et reges Bohemiae. Eine jesuitische Arbeit
ohne Werth unter Karl VI. Ms. pag. 64. Sig. 89.
Historische Forschungen in der Bibliothek zu St. Petersburg.
375
Die Abtheilung IV. Historia, ist unter den Zaluskiana
die Werthvollste, sie enthält in Fol. 4 Mss. in memb. und 178
in Charta, in 4° 6 in memb. und 221 in Charta, und in 8°
5 memb. und 90 in Charta.
V. Abtheilung'. Historia uaturalis. VI. Medicina, VII. Phy-
sica. VIII. Chymia. IX. Mathesis. X. Artes mechanicae. XI.
Artes liberales. XII. Musica. XIII. Ars delineandi. XIV. Poesis.
XV. Linguistica. XVI. Eloquentia. XVII. Polygraphia und
XVIII. Historia literaria. Daraus wurden angemerkt:
XIV. Abtheilung. Poesis.
206. Liber comoediarum et actionum, quae sunt habitae
Monachii ab anno D. 1595 usque ad finem anni 1661. De-
scriptae ab Agricola Soc. Iesu. Cod. chart. Folia 434. Sig. 1. Z.
207. Cod. memb. 8°. Sec. XIV. Folia 42. Sig. Cod. lat.
memb. XIV. 8. Nr. 6. Dubr.
Titel: Historia, sive Chronica imperatorum Romano-Ger-
manicorum. Beginnt: Die erste Zeile unleserlich etwa: Sit hic
über . . Chronica nuntiata | In qua materia diversa sit asso-
ciata | Clarius ut varios valeas agnoscere libros | Cronica sub-
scriptus über est idcirco vocatus | Tempora Francorum quia
describit tune regum | Qualiter imperium rome sit eis socia-
tum etc. Erster rother Absatz: De j'egno Romanorum quoad
reges, consules, imperatores. Zweiter Absatz: De regno Fi'an-
corum. Weiter: De diversis nominibus huius .terre. — Fol. 10'
über Karls des Grossen Begräbniss in Achen : Nam fit aquis-
grani positus cum sede sepulcri | Sedes ex auro fuit hec sibi
faetaque claro | Hinc ewangelium datur ex auro sibi scrip
tum | Sed manni dextre, sceptrum regale sinistre | Aurea elara
bona capiti datur inde corona | Ex auro puro seuto sibi eon-
sociata | Olim romani sibi quod dederant veterani. | Taliter ad
tumulum positus fuit hic preeiosum etc. — Fol. 23 rothe Auf
schrift : De Karolo rege hoc nomine quarto. ,Rursum materiam
regum tractabo relictam | Annos ante duos Ludovicus quum
moriatur | Clemens papa petit rex alter quod statuatur | Scri-
bens principibus, quod ad hoc sit quisque paratus | Tune Tre-
376
Dndlk.
verensis Coloniensis Rexque bohemus | Et dux Saxonie senior,
qui tune fuerit ille | Et Maguntinus presul quidam iuvenilis |
Nam banno deditus presul fuit ipse senilis | Constituunt Caro-
lum subito pro rege bohemum |‘ etc. Fol. 28 beginnt die Ge
schichte der Flagellanten : ,Ista procul dubio noscas, que tune
tibi scribo | Multa flagellando se plebs terras peragrabat J Ver-
beribus diris que se dire cruciabat | Cum diris nodis quos
adiunxere flagellis | Nam triplum nodum carpebat quodque
liagellum | Est cruce signatus, quisquis fuit hiis sociatus | Nam
vult scriptura nato de virgine pura | Quod cruce signatus dig-
nus fiat quoque gratus | Suntque cruces bine mantellis associate |
Pilleus atque cruces debebat carpere binas | Est frater quivis
indutus vestibus istis | Extra, sed vestes fert infra non cruce
tactas | Pilleus induitur quum cibus hiis adbibetur | Cumque
flagellatur quis, pilleus associatur | Vt semper tenuis assit crux
atque flagellum j etc. etc. — Fol. 29. ,Nocte semel, bis quaque
die se verbere diro | Torquebant populis cernentibus ordine
miro | Ymnos cantabant, per circuitum meabant | In formam-
que crucis prosternere seque parabant | Et senis vicibus hec
quaque die faeiebant | Usque pater noster dico quisquis perfi-
ciebat | Post hec surgebant, ymnos iterumque canebant | Se
tedendo nimis pifius ut fecere flagellis | (In margine) Cum pe-
dibus nudis incedebant tectis pudibundis. Pannus ad umbelicum
sociatus erat quia a talo | Sursum sunt membra preter caput
omnia nuda | Nocte semel quivis torquebat seque flagellis | Us
que pater noster septem dixit properanterb Und so wird der
Ritus und die Lebensweise der Flagellanten weiter umständ
lich von Fol. 28—30' beschrieben. — Fol. 30. ,Nulliusque do-
mum quisquam tenebat adire | Sin prius hospes eum faceret
sua tecta subire | Emere ut vellet sibi quod prodesse putaret |
Quod si non fieret, in campis tune remaneret | Inque viis sta-
bant hoc donec quisque vocabat | Escas ut caperent, vel secum
nocte manerent. | Unum vel binos semper tenuere Magistros j
Ad quorum visum complent sua singula facta [ Portant vexilla,
crucibus sociantur et illa | Incedunt bini, pueri quasi sint
uterini | Ymnos et tales cantant ut quique seculares j: Quum
flagellari cupiuntque locis sociari | Cum sunt intrantes, cam-
pane sunt resonantes | Ipsos ut turbe cernent in qualibet urbe |,
Ipsorum dira cernerent quecunq.ue vulnera mira[ ‘ etc. etc. —
Historische Forschungen in der Bibliothek zn St. Petersburg.
377
Fol. 30'—36', also fünf und ein halbes Blatt, enthalten die Lieder
der Flagellanten in deutscher Sprache, und zwar mit Neumen
und mit Noten auf vier Linien.
Fol. 30' roth. Quum intrabant aliqua loca cantabant can-
tica subscripta: ,Nu ist ein betfai-t, so here Crist rait selber
gen ierusalem, Er fürt an crutz an siner hant. Nu helf uns der
hailant. — Nu ist div betfart so gut, hilf uns herre durch din
hailigs blüt, daz du an dem crucz vergossen hast, vnd uns
von dem töd erlöset hast etc., im Ganzen fünf Strophen. —
Fol. 31. Alia cantio (roth). Maria müter rainü mait, erbarm
dich über die cristenhait, Erbarm dich über dinü kint, div noch
in disem ellind sint. | Maria müter gnade vol, Du kanst vnd
machst uns ghelfen wol, verlih uns aim gnedigen dot etc. —
Fol. 32. Maria vnser frowe Kyrieleyson, Was in gütlicher
schowe aleluja, globen sis du maria | Züz ir wart ain engel
gsant kyrieleyson | d’ waz Gabriel genant. Alleluja u. s. w.
Das ganze Leben Mariens wird so abwechselnd mit Kyrieleyson
und Alleluja durchgegangen. Schluss Fol. 34': Der diz gdiht
löblich singet, Kyrieleyson j Grossen Ion es im bringet. Alle
luja | Maria wil sin pflegen Kyrieleyson | Vnd ir kind friide
geben Alleluja. Darunter roth: Anno Domini M° CCC. XL IX“.
(1349) in augusto scripta est hec cantio. — Dum flagellatores
volebant se flagellare, ut erant exuti usque ad camisias, ab
umbelico deorsum pendentes, incipiebant eantare predictos rit-
mos sub melodia prefata, et duo precentores semper cantabant
dimidium ritrnum, quem tune ceteri omnes repetebant. Die
Ritmen lauten: ,Nu tret her zu der bösen welle, fliehen wir
die haissun helle. Lucifer ist bös geselle etc. — Sub priori
melodia cantantur ritmi sequentes: ,Der unsere büzze welle
pflegen, der sol gelten vnd wider geben | Er biht und lass die
sünde uarn, so wil sich got vbr in erbarn etc. Mit Neumen.
Schluss: ,Da vorhehöt uns herre got, dez bit wir durch dinen
tod‘. — Ein weiteres Lied Fol. 35 mit Noten auf vier Linien
beginnt: ,Jesus wart gelabt mit gallen. Des suln wir an ain
crucze uallen | Nu hebent uf die hend, da got daz grozze
sterben wend | Nu reggen vf die vrown arm, um daz sich got
vber uns erbarm. — Ad secundam genuflectionem: ,Maria stund
in grossen nötten, Do si ir liebes kint sach tötten. An Swert
ir durch die seile snäit [ Sünder daz las dir wesen lait etc. —
378
D u d \ k.
Fol. 36'. Postea non flagelabunt se ulterius sed cantant can-
cionem: ,Nu ist die betfart so her et cetera, ut sunt in sexto
folio et circumeunt ut prius (Dort [in folio sexto] steht das Lied :
Jesus ward gelabt etc.). Deinde vadunt ad crucem, et flexis
genuis contant illam cantilenam, que ibidem requitur: Maria
müter raine mäit etc. usque ad finem. Postea flectunt iterum
genua et magister eorum dicit: Ave Maria. Jesu müter Maria
erbarme dich über di armen eilinder cristenhait. Et ipsi dicunt
hoc idem. Iterum dicitur Ave Maria, et tune omnes cadunt
in formam crucis, et magister eorum adhortatur eos ad pas-
sionem Christi recolendam, et incipit Ave Maria, ipsi etiam
erigunt se, et dicunt cum eo: Trösterin aller Sünder, erbarme
dich über alle Todsünder und über alle Todsünderin. Iterum
incipit Ave Maria et ipsi cadunt in 'formam crucis. Tertio
dicitur: Ave Maria, Rose im Himmelreich, erbarme dich über
uns vnd über alle globig sela, vnd über alles daz wandelbar
ist in der haligen cristenhait amen. Als gleichzeitige Anmer
kung ist nach dem Texte Fol. 36' in margine die Note: Ul
timo Magister subiunxit: Lieben kinder bietet got, daz wir
unser liden vnd unsere wallefart also gelaisten, daz uns got
vor dem ewigen ualle behüte, unt daz die armen glöbigen sela
gelöst werden von ir arbaiten, vnd daz wir vnd alle sünder
gottes huld erwerben, vnd daz alle guten Leuten in gnaden
Sterken welle. Amen. — Fol. 37 ist die Fortsetzung der Reim
chronik, aber schon aus der biblischen Geschichte mit späteren
Anmerkungen. Neuerer Einband in rother Leinwand. Wacker
nagels deutsches Kirchenlied kennt die hier citirten Lieder,
doch mit vielen Abweichungen.
208. Poema de contemptu mundi: ,Penitens cito, pecca-
tor, cum sit miserator Index, et sint hec quinque tenenda
tibi etc. de anno 1344. Sig. 4 (D. 46) 8°.
209. Miseria clericorum. 2. Documenta philosophorum in
metro. 3. historia Romanensis prosaica. In Bohemia scripta
sunt haec XV. Sec. — Fol. 19k Panno mild Maria, bud milo-
stivä, a qvodam Romanae curiae inimico. — Fol. 14 b . Curia
Romana non querit ovem sine lana. Sig. 11. D. 8°,
Historisclio Forschungen in der Bibliothek zu St. Petersburg.
379
XV. Abtheilung. Linguistica.
210. Caroli Aloisii Ramsay Tacheografia seu ars breviter
et compendiose scribendi etc. Frankf. et Lipsiae apud Iohannem
Bielkium bibl. a. 1684. Ms. Folia 11. Sig. 29 in 8°.
XVI. Abtheilung. Eloquentia.
211. Chrzastowski, de stemmatibus familiarum nobilium
Poloniae. Folia 319. Sig. 4°. 23. Z.
212. Christinae, reginae Sueciae, Epistolae ad Georgium
electorem Saxoniae et huius ad eandem tres. Folia 14. Sig.
4°. 74. Z.
213. Ioliann Amos Comenius. Panegyricus Carolo Gustavo,
magno Suecorum, Gothorum Vandalorumque regi, incruento
Sarmaciae victori et quaque venit, liberatori pio, felici, augusto
heroi, afflictis in solatia, regibus in exemplum dato 1655.
Folia 12. Sig. 4°. 77. Z. Eine überschwengliche Lobrede des
armen, damals sehr gehetzten Exulanten.
XVII. Abtheilung. Polygrafia.
214. loh. Amonis Comenii, Ars didactica etc. Sig. Fol. 54. Z.
215. Emerici Ilungari, monachi Ord. S. Pauli eremitae,
Chronicorum sui temporis fragmentum ab anno 1506 usque ad
annum 1530. Sig. Fol. 55. Z.
XVIII. Abtheilung. Historia literaria.
216. Index manuscriptorum incliti monasterii Coprivniensis
S. Ord. Cisterc. variis disquisitionibus et historicis notis illu-
stratus, opera et studio D. Gerardi Lefebure 0. S. B. 1802.
Folia 325. Sig. Fol. 2.
217. Catalogus librorum ex Bibliotheca R. Praelati Cano-
nicorum Regul. Later. Casimiriae ad Cracoviam. Renovatus
1711. Sig. Fol. 10.
380 Dudik.
218. Index archivii Universitatis Cracoviensis in Collegio
Maicke ad S. Annam. Sig. Fol. 14.
219. Catalogus librorum Bibliotliecae Domini Petri Du-
browsky. Folia 15. Sig. Fol. 48.
Classici latini in membr.
220. Ioseli Iudaei liistorici antiquitatum ludaicarum libri
XX. memb. Sec. XV. Sig. Fol. 6. W.
221. Iosefi Flavii historiographi Antiquitatum libri XIX.
Fol. 253. Sec. XV. Sig. Fol. 14. D. memb. et Sig. Fol. 13. Z.
in charta.
222. Eutropius. memb. in 4°. Sec. VIII. Sig. 9. D. Fol. 22.
223. Sallustius, Bellum Catilinarium. Cod. chart. Fol. 46.
Sec. XIV. Fol. Sig. 16. Z.
Auch Boetius, Solinus, Martianus, selbst Cicero ad Heren-
nium sind hier aus dem 8. und 9. Jahrhunderte vertreten
Sig. 7, 8, 9 und 10.
Historische Forschungen in der Bibliothek zu St. Petersburg.
381
Auszüge aus dem Cataloge der polnisch geschrie
benen Handschriften.
Theologia:
224. Obiewienia Swietey Brigitty (Revelationes) niegdy
od Cardinala Turrecremati przeyrzane y od consulusa Duranta
a S. Angelo notami albo znakami ozdobione. Cod. Fol. 161
literis initialibus et rubricis minio scriptis. Sig. 13. Z.
225. Jozafata (Ziwot S.) Kuncewicza, archiepiscopa niekdy
Polockiego etc. Beatificationsprocess. Cod. Fol. 146. Sig. 15. Z.
Iurisprudentia:
226. Artikuly präva Magdeburskeho de anno 1500. Cod.
Fol. 40. Sig. Fol. 35. Z.
227. Statut Wolynski i wielkego Xestwa Litevskego.
Cod. Folia 168 cum picturis et rubricis initialibus minio scriptis.
Fol. 36. Z.
228. Inventarz ksiag ctc. i. e. Synopsis, sive connotatio
variorum librorum, vulgo Metrica regni dictorum, decreta, in-
scriptiones, privilegia, legationes, lustrationes in se continen-
tium auctore Hankievioz. Von den Schweden weggeführt, kam
dieser Codex durch den Frieden von Oliva wieder nach Polen
zurück. Fol. 48. Sig. Fol. 61. Z. Auch 76. Z.
229. Papiery tyczace sie Reformy zydow. Ein ganz gutes
Material zur Geschichte der polnischen Juden. Sig. Fol. 70.
(Czartorisky’s Bibi.).
230. Compendium sadow krola J. M. pravem koronnem
na dwie czesci rozdielone. Rekopis ofiarowany krölovi pol-
skiemu Zigmuntovi. Sig. Fol. 84.
231. Regula sv. Benedicta in 4". Sig. 4. 5. 6. Z.
232. Zakony Sioström reguly s. Augustyna na kazimierzu
przy Krakowie kosciola S. Katerzyny. Przez Xedza Symona,
doktora pisma w Krakowie. 1600. Sig. 23. Z.
382 Dudik. Historische Forschungen in der Bibliothek zu St Petersburg
Historia:
233. Golebiowski, Panowanie Wladyslawa Jagielly przez
Lukasza Golebiowskego. pagin. 276. Sig. 6. Fol. V.
234. Czeikowski, Badanie historiczna o Skitöw etc. Fol. 60.
Sig. 8. Fol. V.
235. Sobieski (Jakub), Dyaryusz Campagniey (1686),
pisany wlasna reka Sobieskego. Mss. Folia 26. Sig. Fol. 13. Z.
236. Zycia Sapiehöw mit Correspondenzen etc. pag. 180.
Sig. Fol. 16. V.
237. Paprocki, herby ryterstwa polskego. Abgeschrieben
vom gedruckten Exemplar. Krakau 1584, und mit neuen
Wappen 1635 vermehrt durch Stanisl. Baranowski, pag. 888.
Sig. Fol. 20. Z.
238. Herbarz litewski przez Kojatowicza. Sig. 28. Fol. Z.
239. Anecdota, czyli inedita Naruszewieza, drei starke
Fascikel. Sig. 243. Z. Bibliotheky Sierakowskiego. Auch
Sig. 246.
I. 0. G. D.
Fellner. Attische Finanzverwaltung im fünften und vierten Jahrhunderte. 383
Zur Geschichte der attischen Finanzverwaltung
im fünften und vierten Jahrhunderte.
Von
Dr. Thomas Fellner.
Uie Untersuchungen von Müller-Strübing haben Veran
lassung gegeben, dass streitige Punkte auf dem Gebiete der
attischen Staatsverwaltung einer erneuerten und eingehenderen
Besprechung unterzogen -worden sind. Besonders lebhaft wurden
die Fragen in Betreff des attischen Staatsschatzmeisters — vajxtac
y.oivrjc zocjsssj — erörtert. Bekanntlich geht die Meinung von
vielen Gelehrten dahin, Aristides sei der erste Staatsschatzmeister
gewesen. Andere, und ich kann wohl sagen eine grössere Zahl,
halten die Ansicht U. Köhlers für die richtige, welcher das
Schatzmeisteramt für nacheuklidisch erklärt. 1 Meiner Meinung
nach haben die jüngst erschienenen Abhandlungen in ent
scheidender Weise die Unmöglichkeit der Existenz eines Vor
standes der Verwaltung vor Euklid dargethan. Wir finden
nirgends Anhaltspunkte, welche erlaubten, sichere Schlüsse in
dieser Richtung zu ziehen. Man sollte also den ganzen Gegen
stand einfach bei Seite legen.
Von Interesse dürfte es aber doch sein nachzuspüren,
durch welche Umstände man sich bestimmen Hess, einem ein
zigen Mann in einer überaus entwickelten Republik, wie es
die athenische war, eine so bedeutende Gewalt zuzuschreiben.
Den Anfang hierin hat Böckh 2 gemacht, welcher auf Grund
der Nachrichten, die wir über den Eteobutaden Lykurg haben,
1 Köhler: Urk. u. Untersuch, z. Gesell, d. attisch-delischeu Bundes p. 151
(Abhandl. der Berl. Akad. 1869).
2 Vgl. dazu Böckh: Staatshaush. d. Ath. I, 222 ff. u. 569 ff. d. 2. Ausg.
384
F e 11 n o r.
richtig- erkannte, dass damals ein Amt bestand, dessen Träger
den Tilel: o vx\iJ.ocq xvj? v.ovrrfc ixpocoSoo führte, die übrige reforma-
torische Thätigkeit Lykurgs aber auf den verschiedensten Ge
bieten davon nicht genau unterschied und denselben zu einem
gewaltigen Finanzminister machte. Zu verwundern ist es daher
nicht, dass man, nachdem einmal Lykurg als solcher Finanz
minister erkannt war, auch nach anderen in früheren Perioden
suchte. Es war nicht schwer, Personen ausfindig zu machen,
welche dieses Amt etwa hätten bekleidet haben können.
Wer erinnert aus früherer Zeit mehr an Lykurg als
gerade Perikies? Auch dieser war in den verschiedensten
Richtungen thätig. Er führte als Feldherr grosse Kriege, baute
den Parthenon, die Propyläen, das Odeon, führte die Feier von
Musikspielen am Feste der Panathenäen ein — und wurde
gerade so wie Lykurg von seinen Feinden zu Rechnungsab
lagen gezwungen. Wenn wir im zweiten Buche des Thukydides
(2, 13) lesen, wie genau Perikies den Stand des Baarvermögens
auf der Burg und den Vorrath an ungemünztem Gold und
Silber, den Werth der Weihgeschenke und der heiligen Geräth-
schaften anzugeben weiss und die Worte bei Diodor (XII, 38):
(’AOvjvaioi) [Aexqve-pww ei? xa5 ’AOijva? y,ai TxapeSür/.av ^uXdxxe'.v lUpt/Xet.
■— den Schatz von Delos — p.exct oe xivas -/pivov avrfAw/.ox; äse’
odixöv so!a ixXrjGo? ly.avbv ypYjp.oextdv, -/.al Xoyov äsraiTou|j.£VOC, et5 äppwaxiav
eveicecev ososeep lUpaXife e£i)xei 01’ oü xposxo'j xo'05 ’AGy)-
vaiou? Suvaix’ av ep.ßaXeTv elq [i.iya'i sxoXep.ov in Erwägung ziehen und
dann noch beachten, in welch einer gewaltigen Stellung dieser
Staatsmann von den alten Schriftstellern überhaupt geschildert wird,
so müssen wir es geradezu sehr erklärlich finden, wenn man Irr-
thümer in der Auffassung seiner Stellung beging und ihn zu einem
attischen Staatsschatzmeister machte. Denn wenn man einmal zu
gab, dass Perikies dieses Amt inne gehabt hatte, so lag es nahe,
äuch noch andere Männer mit dieser Machtfülle auszustatten.
Böckh (a. a. 0. 1. 222) hatte schon geltend gemacht,
dass Aristides xa\jh.c x-fj? y.oiv-?j5 xpooooou war, andere suchten
dasselbe von Kleon zu erweisen. Da man directe Anhaltspunkte
nicht hatte, so mussten selbst Stellen aus der Komödie, welche
sehr allgemeine Deutungen zulassen, wie:
y.od vuv äxoSoq x'cv Say.xüX'.cv, üc oüy. exi
ep.oi xai-ueüoeic. — Befehl des Demos —,
Attische PinanzverwaltuDg im fünften und vierten Jahrhunderte.
385
worauf Kleon erwidert:
iye. tououtov 8’ I'ctO’ OTl
ei p.v; p.’ eoLaiQ sOTipoTtsieiv, svEpoc aü
sp.ou Tcavoupyötepoc tu; avapavvj erstatt.
(Aristoph. Ritter 947 ff.) —
als Notlibehelf dienen. Ohne den Worten Gewalt anthun zu
wollen, scheinen sie nur zu besagen: Verstoss mich nicht,
lieber Herr Demos; wenn ich mein Ansehen einbüsse — als
leitender Demagog, itpoutart]? tou Sijpou — so tritt dann ein
anderer vielleicht noch viel verschmitzterer an meine Stelle. 1
Unberücksichtigt hatte man bei all diesen Folgerungen den
attischen Verwaltungsapparat dieser Zeit gelassen. Die Schrift
vom Staate der Athener liefert ein klares Bild von zpomc, der
athenischen toXiteG. Es geht daraus deutlich hervor, dass in
Athen zu jener Zeit die reinste Volksherrschaft bestand. Ueberall
werden die schlechten, armen und zum Demos gehörigen Leute
vor den guten begünstigt. Der Demos will eben frei sein und
das Regiment führen. Alle ohne Unterschied reden daher in
den politischen Versammlungen, nicht allein die tüchtigsten und
besten Männer. 2 In diesem Sinne den Charakter der mlneia
aufgefasst, lernen wir bald begreifen, warum in Athen damals
kein gesetzlich fixirtes Amt bestehen konnte, welches eine
solche Summe von Gewalten in die Hände eines Einzelnen legte.
Wir finden collegialische Aemter mit beschränkten Wirkungs
kreisen. Auch Perikies vollbrachte seine grossartigen Leistungen
nicht als Beamter des athenischen Staates, sondern durch einen
nicht näher zu definirenden Einfluss, den er auf alle Schichten
der Bevölkerung durch die Kraft seiner Rede ausübte. Sicherlich
würde Thukydides bei Schilderung der Macht des Perikies
nicht übersehen haben, uns darauf aufmerksam zu machen, dass
derselbe im Wesentlichen alles vermöge einer umfassenden amt-
’ Vgl. darüber Keck: Quaestiones Aristophaneae historicae p. 25 ff., und
Gilbert: Beiträge zur innern Gesell. Athens im Zeitalter des Pelop. Krieges
p. 91, welche auch die ganze Literatur bringen.
2 EjtstTa 8s o EVtot Oau|j.cttou(Tiv oti rtavrayou rsXsXv v^uoutjt ”075 jEovrjpois zeit TC^vrjat
zat oi)p.OTizot; 3) TOiq ypr^TOÜc, sv autoi Toitto epavouvtat Tr)v or)(J.ozpaTt'av oiaacb-
’Co'mq I 4; und s’tjcot 8’ av rtc, cö; l^prjv aurob; p.7) sav Myetv jtävra? iüjjc
P)8s ßouXsüsiv, aXXa tou; 8s?tcoTOT0us zat äv8pa; iplatou; • di 8s zat sv toürtn
aptara ßouXeüovrat, süWte? zat tob; jcovrjpob; Xsystv. I 6.
Sitzungsber. d. pbil.-hist. Ci. XCV. Bd. I. Hft.
25
Fel ln er.
3S6
liehen Stellung •— als Tapdac rr;c xoivijs ^posoSou — vollbrachte,
wenn er eine solche wirklich besessen hätte. Wozu wäre es
dann sonst nöthig gewesen zu erklären, dass Perikies an An
sehen und Einsicht hervorragend, wie kein anderer, die Menge
durch den Einfluss lenkte, den er in der Volksversammlung aus
übte, so dass es zwar dem Namen nach eine Volksherrschaft
gab, in der That aber die Herrschaft von dem ersten Manne
ausging (Tlmk. 2, 65). Wenn wir die Abschnitte, welche bei
Thukydides über Perikies handeln und die Biographie, welche
Plutarch ausgearbeitet hat, durchlesen, so bekommen wir überall
den Eindruck, dass Perikies seiner ausserordentlichen persön
lichen Stellung die grossen Erfolge verdankte.
Auch die speciellen Stellen, welche noch angeführt werden
könnten, um unsere Ansicht über das Schatzmeisteramt im
fünften Jahrhundert zu erschüttern, zeigen, auf ihr richtiges
Maass zurückgeführt, wie wenig haltbar diese vielfach be
stechende Hypothese ist. Wenn das 13. Capitel des zweiten
Buches von Thukydides deswegen angezogeu wird, weil dort
von Perikles die laufenden Einnahmen — ia TcpcsJovra — und
die Reservefonds im Grossen und Ganzen angegeben werden, 1
so ist darin kein Beweis für einen alles controlirenden und über
sehenden Finanzbeamten enthalten, wenn wir berücksichtigen,
dass die Schatzmeister der Atliena und der andern Götter in
jedem Jahre Rechnung legen mussten von den vorhandenen,
den hinzugekommenen und verausgabten Werthgegenständen
und diese Rechnungen noch dazu in Steinurkunden auf der
Burg aufgestellt wurden. Weiter ist bekannt, dass die Helleno-
tamien die Tribute der Bundesgenossen alljährlich bei den
Schatzmeistern der Athena deponirten 2 und über die Ver
gütung, welche der Staat dafür an die Göttin zahlte, in Ge
meinschaft mit den Logisten öffentlich Urkunden aufstellten
(Tributlisten). Jeder Athener war dadurch in die Möglichkeit
gesetzt, genau die eingegangenen Tributsummen zu bestimmen.
Da bei Thukydides keine anderen Summen als die jährlichen
Tributgelder und die Reservefonds auf der Burg namhaft
1 Baehr und Stark in ihrer Ausgabe von C. F. Hermann’s Staais-Altertkümern
folgern so 159, 8.
[ix ö's -wv ^opcojv xaraiiösvai x[aia xo]v iviauiov xa Exa[aroTE yEvojAEva r.xpx
to]Tc Tatiiacri itov [tt)c ’AöjTjvaia; touc 'EXXijvo [Tap.ia;]. C. 1. A. I. 32 B. 19—20.
2
Attische Finanzvenvaltung im fünften nnd vierten Jahrhunderte.
387
gemacht sind, so dürfte es dem Perikies nicht schwerer ge
fallen sein, als anderen, die betreffenden Posten von den
öffentlichen Urkunden abzulesen. 1 Dass Perikies Gelder zu
verrechnen hatte, wird gewiss Jedermann gerne zugeben, nur
darf nicht übersehen werden, dass er dadurch nicht einem
speciellen Finanzamte Vorstand, sondern dass dies in verschie
denen Stellungen geschah. Wenn Plutarch §. 23 erzählt, dass
derselbe sv tu ~r t z cTpamjYia? obroXoY!t7[/.ü zehn Talente unter dem
Titel: Nothwendige Ausgabe ansetzte, so legte er diese Rechnung
bei der Rechenschaftsablage über die ihm vermöge seines Feld
herrnamtes anvertrauten Gelder. Anders ist der Volksbeschluss
des Drakontides zu fassen, dass Perikies die Rechnung der
Staatsausgaben bei den Prytanen einzureichen habe. 2 Man hat
im Auge zu behalten, unter welchen Umständen dies vor sich
ging. Es war die Zeit, in welcher die Anklagen gegen Phidias,
Anaxagoras und Aspasia geschleudert wurden. Perikies’ Stellung
war damals eine erschütterte zu nennen. Die Bauten auf der
Burg hatten sehr grosse Summen gekostet. Das Verhältniss, in
welchem der leitende Staatsmann zu Anaxagoras und Aspasia
stand, hatte Missfallen erweckt. Das Volk war mit ihm un
zufrieden. Alle möglichen Hebel wurden in Bewegung gesetzt,
um den so hoch gestiegenen Mann die Macht des Demos
einmal recht fühlen zu lassen. Was war natürlicher, als dass
man seine Freunde angriff und auch ihn dazu zwang, noch
einmal ausnahmsweise, wie aus der besonders feierlichen Form
der Abstimmung geschlossen werden kann, eine vollständige
1 Vgl. zu den obigen Bemerkungen: Th. 2, 13. OapffEW o'= exe'Xeve “poatoVrcov
uev Icaxoatiüv xaXavxtov a>; ha t'o tzoVj cpdpou xax’ sviauxov sbco xa>v £upi[xaycov
Trj ttoXei oveu Tt)q Tzpotjodou, usapyovxtov d' iv xij ay.por.6ku ext xoxs
apyupfou ijtiorJjiou f£azt:;yiXiojv xaXavxcnv ycoptg de ypualov
aa7]uou xat apyoplou ev xe avaG^j-aaiv totot; xat d^aooiot; xat ooa Ispa gxeu73
TiEpl xe zag r:ou.7:äc xat xoug aytovac xat axuXa Mrjdtxa xat ei xt xotouxdxpo~ov,
oux iXaooovoc ^ 7tsvxazootcov xaXavxtov. rrt d's xat xa ix xwv aXXtuv Ispojv 7:poa-
sxtösi y prj|Aaxa oux oXtya, 01; ypr] ge txöat auxou;, xat 3Jv rtavu E^Etpytuvxat Ttavxwv,
xat auxijs xijc Öeou xoT; zspixEipivoi; ypustot; • db^atvE o’sy ov xd ayaXjxa XEGGa-
paxovxa xaXavxa GxaÖudv ypuafou abzitpQou xat TisptatpExdv stvat xr.av. WP *-
[iEvou; te h.\ ownjpla Spj] yprjva’. yt, D.xtjow ivTixa-aaTrJoat siXtv. —
2 Ssyopivou oe tou S^pou — Antrag des Diopeithes, — xat jtpoatEpivou tic
oiaßoXa;, oütcos r;3i]" tlr/piauct /.upourcu, Apsotovrtoou ypi'tavio;, ojewj ot Äo'yot
t<5v XPlinfrü)» -jot DspuiXsou; Eis tou; npu-avEt; ccjeoteöeiev, ot 0$ Sixatjiat tt,v
t^jj^ov ajre tou ßiupoü tpepovis; ev Tij t:6Xet xpivoiEv — Plut. vitt. 32.
25*
F olln er.
388
Abrechnung, hauptsächlich über die Gebäude auf der Burg,
vorzulegen, die ja vorzüglich unter seiner Leitung entstanden
zu sein scheinen, da er gewöhnlich Obmann und entscheidender
Stimmführer der Baucommission gewesen ist. 1 Was endlich
von der Angabe des Diodor zu halten ist, dass die Athener
den von Delos in ihre Stadt gebrachten Schatz dem Perikies
zur Bewachung übergaben und dass dieser dann den grossen
Krieg heraufbeschwor, weil er eine Rechnungsablage über
den auf eigene Faust gebrauchten Staatsschatz vermeiden
wollte, ergibt sich nach dem Gesagten von selbst. Die so
allgemein und unbestimmt gehaltenen Worte des oft unklaren
Schriftstellers lassen keine genaue Auslegung zu.
Mehr Schwierigkeiten machte denen, welche von einem
xapiac 1% y.oivvjc Txpoccoou vor Euklid nichts wissen wollen,
die richtige Deutung der plutarchischen Stelle über Aristides:
xwv Svjp.ocdwv (Böckh y.oivwv) kpocoSwv atpsOs'ti; £irip,eXY)xv5; . . (Arist. c. 4).
Manche meinen, dass die anekdotenhafte Form der Angabe des
Idomeneus bei Plutarch schliessen lasse, dass das Ganze eine
Erfindung aus späterer Zeit sei (Gilbert a. a. O. p. 90), wieder
andere wollen die Worte damit erklären, dass Aristides unter
den ersten Hellcnotamien gewesen sei (Keck a. a. 0. p. 30).
Sehr viel Wahrscheinlichkeit gestehe ich besonders dem letzten
Erklärungsversuche nicht zu. Aber auch die Angabe des Ido
meneus für eine leere Erfindung zu halten, scheint mir nicht
räthlich zu sein. Ich möchte betonen, dass unter Aristides
der neue Seebund ins Leben trat, und dass er es war,
welcher die finanziellen Angelegenheiten des Rundes ordnete.
Es lässt sich annehmen, dass, da dieses Ereigniss ein ausser-
gewöhnliches war, auch der Mann, welcher das Ganze schlichtete,
mit einer ausserordentlichen aber vorübergehenden Gewalt —
sixipiXsia — ausgestattet wurde. Der Titel dafür war emp.sXY)XY]<;
xwv Sr^wctuv (?) wpocoäuv. Die Worte des Idomeneus xwv — TrpoccoMV
aipeOeit; £7ttp,sXyjXY]<; können somit als glaubwürdig angesehen
werden. Der Zusammenhang aber, in welchem sie stehen,
dürfte auf einer unrichtigen Auffassung des Schriftstellers be
ruhen, der hier gerade auf die Ehrlichkeit des Aristides eine
1 Michaelis: Parthenon p. 11 und C. Waehsmuth: Die Stadt Athen im Alter
thum p. 524.
Attische Finanzverwaltung im fünften und vierten Jahrhunderte.
389
Lobrede hält und die verschiedenen Aemter, welche dieser
bekleidete, vermengt, wie daraus zu ersehen ist, dass smp.sAYjTfjC
twv 8y](i,ocn'wv tipocoowv mit äp^wv im v'r t 'i «utyjv Stobtvjaiv und einfach
mit ap/tov wechselt. 1
Wie also auch aus diesen Erörterungen hervorgeht, hat man
mit Recht die von Müller-Strübing wieder aufgenommene Hypo
these über einen voreuklidischen Staatsschatzmeister zurück
gewiesen; aber gerade in Folge dieser Zurückweisung drohen
andere irrige Auffassungen in die attische Geschichte des fünften
Jahrhunderts sich einzuschleichen. Man neigt jetzt sehr dahin,
die Feldherrngewalt, besonders wie Perikies sie gehabt hat,
häufig mit ausserordentlichen Machtbefugnissen sich ausgestattet
zu denken. Was die Stellung der Strategen anbelangt, so wird
jeder gern zugeben, dass sie das angesehenste Amt in Athen
versahen. Man ist aber nicht zu dem Schlüsse berechtigt, der
auch gezogen wurde: summa denique totius reipublicae potestas
ante Euclidis annum penes praetorum consilium fuisse videtur. 2
Wir haben ja Beamte vor uns, die sich in den Rahmen der
athenischen Verfassung fügen mussten, in welchem Bule und
Ekklesia die beiden treibenden Factoren bildeten. Dem steht
nicht entgegen, dass Feldherren in gewissen Fällen mit einer
ausserordentlichen Gewalt in militärischer und finanzieller
Hinsicht ausgestattet wurden. Nicht mit Unrecht werden wir
uns den Kimon auf seinen verschiedenen Expeditionen an der
hellespontischen, thrakisclmn, jonischen, karischen und pam-
phylischen Küste in einer so bevorzugten Stellung denken.
Ueber eine ähnliche Macht dürfte Perikies in dem so kritischen
Zeitpunkte verfügt haben, als Euböa und Megara abfielen und
die Peloponnesier in Attika einbrachen. Thukydides spricht da
immer nur von dem einen Feldherrn Perikies. 3 Derselbe setzt
nach Euböa über, geht auf die Kunde vom Abfall Megaras und dem
bevorstehenden Einbi’uch der Peloponnesier nach Attika zurück
' Es mag gleich hier erwähnt werden, dass es nicht mehr angehen dürfte:
£"'.u.:),7jTrjC töv [xotvöSv] xooaoSuv mit den Titulaturen: 6 im ~fj Sioixrjffei
und Taptag xoiv% xpoadoou zu identificiren.
2 Arnold. De .... praetoribus. Leipzig. Diss. 1873.
3 Dass Perikies damals über eine bedeutende Casse verfügt habe, geht
aus der Verwendung der ,10 Talente 1 hervor.
390
Fellner.
und wendet sich gegen den heranziehenden König Pleistoanax.
Nachdem es ihm gelungen ist, die Spartaner zum Rückzug zu
bewegen, betreibt er neuerdings die Unterjochung Euböas
(1. 114).
Man darf aber in der Annahme von solch’ ausserordentlichen
Gewalten nicht zu weit gehen. Ob z. B. die Worte bei Thuky-
dides: ILp’.zXec'jc Bczaxou aüxoü cxpaxr ( yoCivToc £vajp.ay^t;av :xpbc Tpa-pa
xvj vrj<7(j) (samischer Krieg, 1. 116.) und rkpr/.Av;: o SavGiraxou xxponrflbp
wv ’Aönjvaftov Sszaxoi; autoc (Ausbruch des pel. Krieges, 2. 13) so
zu deuten seien, dass Perikies damals eine autokratore Stellung
hatte, ähnlich wie die nach Sicilien abgehenden Feldherren,
Alkibiades, Nikias und Lamachos, von welchen es Thukydides
ausdrücklich besagt (6. 8), dürfte bezweifelt werden können.
Es wäre sonderbar, warum der Schriftsteller gerade diesen
Ausdruck von den drei Feldherren, welche nach Sicilien ge
schickt wurden, gebrauchte und nicht von Perikies, wenn er
damals Giparqybs auxozpaxwp gewesen wäre. Der Ausdruck
auxczpdxwp hat, wenn wir uns die Worte bei Thukydides ver
gegenwärtigen, den Sinn, dass die betreffenden Feldherren eine
absonderliche, eine Ausnahmsstellung bekamen, wohl in Rück
sicht darauf, dass sie mit einer so grossen Macht auf ganz
ungewisse Zeit in entfernte Gegenden geschickt wurden.
Die andere Ausdrucksweise und die Fassung, in der sie
gebraucht wird, lässt auf eine autokratore Stellung in diesem
Sinne nicht schliessen. Wenn Gilbert (a. a. 0. p. 43.) be
hauptet, dass die Worte: kmpaxippv. Sk Ntxla? o Nr/.vjpdxc’j xptxo? abtbc,
(Thuk. 4, 42) zu erklären sind: ,Nikias nahm unter den drei
die Expedition gegen das korinthische Gebiet commandirenden
Strategen die Stelle des Oberbefehlshabers ein', so werden wir
ihm für die gewiss richtige Erklärung dieser Worte sehr dankbar
sein, wenn er aber dann weiter geht und bemerkt, dass Perikies
als srpompfbs osza-rop auxcc der oberste unter den zehn Feldherren
und daher Gtpx-.rpfoc auxozpaxwp war, so wird das nicht zugestanden
werden können. Der Schriftsteller will damit nur ausdrücken,
dass in diesem Feldzug alle zehn Strategen verwendet wurden
und Perikies derjenige war, welcher das Obercommando führte.
Es ist ja auch sehr natürlich, dass, als nach Auflösung
des diplomatischen Verkehrs zwischen Athen und Sparta die
athenische Land- und Seemacht auf den Kriegsfuss gesetzt
Attische Fiiianzverwultung im fünften und vierten Jahrhundert.
391
wurde, alle zehn Strategen unter der Oberleitung des Perikies
in Thätigkeit kamen. Das Gleiche gilt, wenn erzählt wird,
dass Perikies die Athener in der Seeschlacht hei der Insel
Tragia als bi-M-oq sxpaxrffoc führte. Es wird damit ausgedrückt,
dass die Athener, als der Aufstand in Samos eine gefähr
liche Gestalt angenommen hatte, sich genöthigt sahen, ihre
gesammte Flotte zu mobilisiren und dem Perikies darüber
den Oberbefehl zu ertheilen. Alle zehn Feldherren waren da
durch in Thätigkeit gebracht. Ein Theil von ihnen ging gleich
mit einer starken Flottenabtheilung ab und kämpfte unter
Perikies’ Führung bei Tragia, andere führten dann die Ver
stärkungen nach: ,’Ä0Y]vcdoi 81 ... . xcXeiaavxes vauaiv slj^zovxa siel
Sotjzou xaiic p.sv szzaiosza xwv vswv ouz kyjpiflmxo (Stu^ov yäp cd [J.sv Ixl
Kapiaq kq itpoczoxvjV xöiv Tstviacwv vsßv o'>/6p.svoü. a: 8’ eiet Xtou
zat Astjßou itepiaYYsXXouaa: ßor,0eiv), xsaaapazovxa ce vauac zat xeGaapxt
llsptzXsouc oezaxou abxoü cxpaxY)Youvxo<; svaup.a/^cav irpbc Tpafta
T/j vfjdo) oaxepov 5s abxoXq sßo'ijÖr ( aav sz xwv ’AOyjvöv vtjsc
xsocapazovxa zat Xiwv zal Asaßüov irsvrs zat etzoat
IJ sp tzXvjc os Xaßwv s^vjzovTa vau? . . . w/sxo zaxa xa/oc siel Kaovou
zat Kaptac 1 — es war nämlich eine phönizische Flotte signalisirt
worden. — Von dort kehrte Perikies wieder nach Samos zurück
und bekam neue Verstärkungen, da während seiner Abwesen
heit die aufständischen Sander gewaltige Vortheile errungen
hatten: ,zai sz xwv’AOyjvöv üxxspov TipocsßovjOYjcav xscoapäzovxa ;j.sv at
p.sxä 0ouzu5!3o'J zat 'Äyvoi'ioq zat Topp/tovs? vrjs?, stzocri 3s at p.sxa TXyjto-
Xdp.su zat ÄvxizXsouc, sz oeXtou zat Adaßou xptazovxa' (Thuk. 1.116 und
117). Ueberall tritt somit derselbe als Oberadmiral auf. Damit
war aber keine extraordinäre Gewalt verbunden. Wir müssen
eben strenge scheiden zwischen expazrrf'oq auxozpaxwp und axpea-^bq
oszaxoc oder xptxoc.
Nach den gepflogenen Erörterungen könnte es schon als
ausgemachte Thatsache gelten, dass im fünften Jahrhundert
in Athen kein Beamter fungirte, welcher die Stelle eines
Oberaufsehers über das ganze Finanzwesen einnahm. Ich
habe mich bisher den Betrachtungen angeschlossen, welche
von den Gelehrten, die sich mit diesem Gegenstände beschäf
tigten, gemacht worden sind, und dieselben entweder einfach
angeführt oder mit kleinen Veränderungen in meine Darstellung
des Sachverhaltes verarbeitet. Obwohl ich mich im Folgenden
392
Fellner.
mit verschiedenen Finanzämtern, wie sie vor Euklid bestanden,
beschäftigen werde, so bietet doch gerade die Inschrift (C. I.
A. I. 32), welche ich diesen Auseinandersetzungen zu Grunde lege,
auch die Hauptbeweisstelle dafür, was in den vielen Abhand
lungen über diesen Gegenstand nicht geltend gemacht worden
ist, dass von einem xapiiag rij; v.o’.rr l q xpoaoSou vor Euklid nicht
die Rede sein kann. Hätte ein Staatsschatzmeister zu jener
Zeit amtirt, so hätte er in dieser Urkunde erwähnt werden
müssen. Dieselbe gibt über die finanzielle Gebahrung, wie sie
damals in Athen herrschend war, den entscheidendsten und
sichersten Aufschluss. Wir lernen aus ihr, dieser Satz kann
nie genug betont werden, dass die Gesammtheit des Rathes
im Verein mit den Prytanen die oberste Finanzbehörde
im athenischen Gemeinwesen vorstellt. Die Bule ist es, welche
während ihres Amtsjahres über alle athenischen Schatzbeamten
Controle übt. Derselben Bule werden Vollmachten ertheilt,
Finanzbeamte in ausserordentlicher Weise zu versammeln, um
mit ihnen nothwendige Berechnungen anzustellen. Die Prytanen,
der im Amt befindliche Ausschuss, der Bule bekommen im
Verein mit dem ganzen Rathe den Auftrag die Summen,
die der Staat den andern Göttern schuldete, zurückzuerstatten.
In Gegenwart des gesammten Rathes werden den neu ein
gesetzten Schatzmeistern der andern Götter die Gelder dieser
Götter von den Schatzmeistern, Vorstehern und Opferherren
der einzelnen Tempel, welche sie bisher gesondert verwaltet
hatten, zugewogen und- zugezählt. Im griechischen Texte lauten
diese entscheidenden Stellen: XoyisgtoÖmv Se [o: AjoyiuTa! oi xptsacvxa
oixsp vuv xa c<psiXop.sva xsl? Osou cap[tßö]?. owxyuyrfi cs
vj ßooXf] auxoy.paxwp 1 ecxü). aitoScvxüiv [5s x]a /p^p-axa ol xpuxdvs’? p.sxa
-rijc ßouX-^ y.at scaXeipovxwv .... und weiter unten xapa os xwv
vuv xap.iwv y.ai xwv sxroxaxwv y.ai xwv tspoxoiöv xwv sv xoÜ? ispoT?, oi vuv
S’.aysip'Zoufotjv, äxapt0p,Y)!;da0(i)v y.at dxooxr ( ada0wv xd /p'^p.axa svavxtov
xv;? ßouXpj]? s p.x 6 X s t. (C. I. A. I 32 A. 8—10 und 18-21). 2
1 In den Supplem. zum C. I. A. I findet sich in nr. 22 a auch die Formel
in ähnlicher Fassung. Frg. d e vs. 17 [']t) ßou[Xr| xif; p]'jXar.ij; • xwv 8k
lu)S)[iop.dTtov] vel <|uj9[i<j0evTcov].
vs. 18 — — av atlx[dxTr)]xai, q ßouXyj «Oxoy.j50tx[(op — —
2 Diese Inschrift besprechen besonders Böcidi im Staatsh. 2. öü ff., und
Kirchhoff: Bemerk, zu den Urk. der Schatzmeister, der anderen Götter
Attische Finanz Verwaltung im füut'teu und vierten Jahrhunderte.
393
Auch in anderer Hinsicht ist diese Inschrift noch von grossem
Interesse.
Wir erfahren liier, dass von nun an für die Ver
waltung der Tempelschätze, welche in der Nachzelle des
Parthenon aufzubewahren sind, zwei Schatzmeistercollegien
bestehen sollen, das eine ist das schon seit Alters wirkende,
der Schatzmeister der Athena, das andere ist das der anderen
Götter, welches jetzt durch diesen Volksbeschluss ins Leben
tritt. Weiter wird dann in einem zweiten Theile der Inschrift
(Rückseite) angeordnet, oder nach Kirchhoff besser ausgedrückt:
eingeschärft, dass die Hellenotamien die bei ihnen jährlich
einlaufenden Gelder bei den Schatzmeistern der Athena de-
poniren sollen. 1 Daraus geht deutlich hervor, dass in der Nach
zelle des Parthenon dreierlei Schätze aufbewahrt werden. Auf
der linken Seite befinden sich, wie die Inschrift zeigt, die
Werthgegenstände der anderen Götter, rechts die Gelder der
Athena und mithin auch die Staatseinkünfte. Festzuhalten ist
aber dabei, dass man streng unterscheiden muss zwischen den
Schätzen der Tempel, welche Eigenthum derselben und in Ver
waltung der Schatzmeister der Athena und der anderen Götter
sind, und dem Staatsschätze von Athen, welcher Eigenthum des
Staates ist und von den zehn Hellenotamien verwaltet wird. 2
Ueber letzteren konnte der Demos unbeschränkt disponiren.
Die Tempelgelder durften aber zum Schutze des Staates nur
in ,der allerdings wesentlich fictiven Form von verzinslichen
und zurückzahlbaren Anleihen verwendet werden' (vgl. Abhandl.
p. 9 ff. Abhandl. der Berl. Akad. 1864, und derselbe: zur Geschichte des
athenischen Staatsschatzes im fünften Jahrhundert p. 33 und 44 ff.
Abhandl. der Berl. Akad. 1876.
1 Kirchhoff, Abhandl. a. a. O. Köhler (Abhandl. d. Berl. Akad. 1869,
p. 104) hält mit Unrecht dafür, dass nur die verbleibenden Ueberschüsse
deponirt wurden. Vgl. Löschke, Bonner Dissert. 1876 p. 5.
2 Vgl. Abhandl. d. Berl. Aka'd. 1876, 32 ff. Es wird hier mit Grund Staats
schatz und nicht Tributgelder gesagt, weil überhaupt auf der Burg die
Ueberschüsse der Einnahmen, welche wohl vorzüglich aus den Tribut
geldern bestanden, aufbewahrt wurden. Schon die Alten hatten die gleiche
Meinung. Die Lexikographen sprechen von Upa zat Sqfirfaia ypijp.aia auf
der Burg, vgl. den Artikel Tapdon bei Harpokration, Photios und Suidas
und die Worte des Hesychios: oj to 07]p.o<7'.ov apyuptov a~s/.si“o f^po; tu»
07wiaÖood{j.o>] y.ai o 'popog.
394
Fellner.
d. Berl. Akad. 1876, p. 58). Die Competenz der beiden Schatz
behörden, welche die Tempelgelder verwalteten, ist mit Leich
tigkeit aus den angezogenen Steinurkunden und den gleichfalls
im C. I. A. I. gebrachten Uebergabsurkunden und Jahres
rechnungen dieser Schatzmeister festzustellen. Schwieriger ist
es zu einem richtigen Verständnisse der Befugnisse der Helleno-
tamien zu gelangen. Thukydides sagt von ihnen: va\ sDojvo-tapdai
tcts xpökav ’AQrjvaio'.? y.'j.-irr.r l Ip/A, o'i soe/ovto tov föpov 1. 96, ,und
das (als Thukydides dies schrieb, noch bestehende) Helleno-
tamien genannte Amt wird damals zuerst (allgemein, in jener
früheren Zeit) bei den Athenern eingerichtet, welche den Tribut
zu vereinnehmen hatten*. 1 Die Hellenotamien erscheinen wohl
schon hier als eine Behörde, welche mit dem Einnehmen der
Tribute zu thun hatte. Dasselbe bezeugen die oben besprochenen
Worte der Steininschrift, aus denen auch hervorgeht, dass die
Hellenotamien die bei ihnen einlaufenden Tribute im Tempel
der Göttin auf der Burg niederlegten. Von weiterem Belang
ist, dass aus derselben Urkunde zu folgern ist, dass der ge
summte jährlich eingehende Tribut deponirt wird. Wir sehen
somit, der athenische Staat deckte seine laufenden Ausgaben,
über deren Höhe wohl zu Anfang des Jahres ein Ueberschlag
gemacht worden sein dürfte, nicht aus den Tributgeldern,
sondern, wie vor der Ueberftihrung des Bundesvermögens, aus
seinen eigenen Einnahmequellen. In Bezug auf die amtliche
Stellung der Hellenotamien ergibt sich ferner als Frage von
grosser Wichtigkeit: in welchem Verhältnisse standen dann
eigentlich diese Beamten zu dem Staatsschätze? Deponirten sie
bloss die eingelaufenen Summen oder waren sie auch die Ver
wahrer und Verwalter des Staatsschatzes. Dass sie nicht lediglich
als Deponenten, sondern als Verwalter anzusehen sind, hat
Kirchhoff überzeugend dargethan (vgl. Abhandl. d. Berl. Akad.
1'876, p. 33 ff.). Ob sie auch an der Verwahrung des Schatzes
Antheil hatten, scheut sich wohl derselbe Gelehrte bestimmt aus
zusprechen, wenn er sagt: ,Ob sie (die Hellenotamien) im Besitze
eines besonderen Schlüssels zu dem gemeinschaftlichen Cassen-
local, dem Opisthodom, des Parthenon waren und, wie die
1 Kirchhoff: Der delische ßnnd im ersten Decenniuin seines Bestehens.
Hermes XI, p. 33.
Attische Finanzverwaltung im fünften und vierten Jahrhunderte.
395
Schatzmeister der Athena und der anderen Götter, bei der
gemeinschaftlichen Oeffnung, Schliessung und Versieglung des
Locales sich betheiligten, ist nicht überliefert; jedenfalls ver
fügte der Rath der Fünfhundert über einen Schlüssel, der sich
in der Verwahrung des jedesmaligen Epistaten der Prytanen
befand und von diesem im Falle des Bedarfes entnommen
werden konnte, und die Zahlungen aus dem Depositum er
folgten durch die Hellenotamien und nicht die Schatzbehörde
des Tempels, die sie diesen nur auszufolgen hatten (a. a. 0.)'.
Als Belegstellen werden angeführt: Eusthatios zur Odyssee,
p. 1827. ytvexat yap, crjctv (Telephos von Pergamos), extbräxr,;
’AÖ-jvrjoiv ly. xöv zpuxävewv eie, oc ezicxotxst vtaxa y.at vjp.epav pttav,
y.at zXet'w ypövov oir/. s|eoxtv ouBe otc xbv abxbv yeviaOai, xäc xe y.'Acü.
sv otc xä ypi'p.axä stat, ipuXäxxet y.at xä ypäpp-axa xvjc zoXeto; y.at
xrjv 3tjp.oatav aopaytBa. Suidas 1, 458. xöv zpoxävewv etc 5 Xayöv e~t-
trxdtxY]; eXeyexc. Sie Be xbv atixbv eitKrraxrjOat ob* eEvjv. «puXätjoet Be xoü
tepoü xäc y.Xetc, ev ö xä orjjjtöota ypyjp.axa. ex; ptvjv y.at xv;v otQp.ootav
ospayTca. Etymolog. M. p. 364. eictoxäxat Bio ^crav Aihpyjatv, öv o
piv ev. zp'jxävswv ey.Xrjpoüxo — (puXdooet Be xoü tepou xäc y.Xetc,
ev (T) xä Bvjpöota y p p. a x a. ext päjv y.at xrjv OYjpo<7<ppa-pBa. Pollux 8, 96.
eztoxäxr;; 3’ ioxtv etc xöv zpuxävewv, c y.Xyjpw Xayöv. otc o’ ob-/. e'Eeoxt
yevecÖat xbv abxov eztcxäxYjv. eyet oe oixoc xöv tepöv xä? y.Xetc,
ev otc xä ypi^paxa y.at xä -fpäppaxa. Ueberzeugend glaube ich
können die obigen Auseinandersetzungen Kirchhoffs sammt
den Belegstellen nicht wirken, derselbe scheint überhaupt das
Richtige nicht getroffen zu haben. Vor allem muss doch die
Inschrift Nr. 32 selbst in Betrachtung gezogen werden. In
dieser steht nun ausdrücklich : y.at truvavotYÖvxwv y.at cuy/.Xvjov-
xwv — xap.ta; xöv äXXtov 0eöv — xä; 6ipac xoü oztoOoBop.oo y.at euoev;-
p.atvocOwv xotc xöv xr,c ’AÖVjvata; xap.tatc (Z. 16—18). Diese Worte
sagen, dass die Schatzmeister der Göttin früher allein die
Thüren der Nachzelle öffneten, verschlossen und versiegelten,
und dass nach Errichtung der neuen Schatzbehörde die Schatz
meister der andern Götter dieses Geschäft im Verein mit
den Schatzmeistern der Athena zu verrichten hatten. Es ist
dies ein Reglement für die Oeffnung und Schliessung des
Schatzhauses. Von den Hellenotamien und dem Epistates der
Prytanen ist dabei mit keinem Worte die Rede. Weder dieser
noch jene können daher nach dem feststehenden Wortlaute
396
Fellner.
der Urkunde betheiligt gewesen sein. Gewiss hätte letzterer
Umstand in einem Volksbeschluss, der die Competenz einer
neuen Behörde festsetzte und der überhaupt das Cassenwesen
auf der Burg regelte und ordnete, besonders erwähnt werden
müssen. Dass also die Ilellenotamien einen Schlüssel zum
Opisthodom nicht besassen, ist mithin zu folgern. Es war
auch nicht notwendig. Dieselben hinterlegten ja bei den
Schatzmeistern der Athena die eingelaufenen Summen. Diese
nahmen sie in Gewahrsam und händigten sie den Helleno-
tamien, welche allein die Verwaltung und Verrechnung darüber
zu führen hatten, im Bedarfsfälle wieder aus. Deshalb zahlte
der Staat dafür die ontap/-/,. Die Staatsgelder waren dadurch
in den Schutz der Göttin übergegangen und wurden von den
der Göttin und den Göttern gestellten Schatzbeamten unter
Schloss und Riegel gehalten. Auch der Epistat der Prytanen
kann somit bei der Oeffnung, Schliessung und Versiegelung
nicht zugegen gewesen sein. Was sollen aber die Worte:
(iwiorotTYjs) «puXdfftjS'. ok "oü tspoü tcc za Etc, sv w Zry.iz'.y. ypvjp-a t«,
welche wir bei den Lexikographen in grösseren oder geringeren
Variationen lesen, besagen? Streng genommen ist in ihnen
nur enthalten, dass der jeweilige Vorstand der Prytanen, der
Epistat, die Schlüssel der Nachzelle in Aufbewahrung hatte.
Und so haben wir wohl die Worte zu fassen. Der Möglichkeit
dieser Erklärung steht nicht nur nichts im Wege, es stimmen
vielmehr andere Beobachtungen, die wir gemacht haben, voll
kommen damit überein. Es ist bereits darauf hingewiesen
worden, dass der Rath mit den Prytanen über den heiligen und
profanen Schatz auf der Burg die oberste Controle übte. Anderer
seits wissen wir, dass es unter den Bearatenkategorien in Athen
nur eine gab, welche beständig einen Ausschuss in Amtsthätig-
keit hatte. Es ist dies wieder die Bule, von der abwechselnd
fünfzig Mitglieder (Prytanen) in einem eigenen Amtslocale,
der Tholos, sich aufhielten. Was ist natürlicher, als dass der
Epistat derselben die Schlüssel zum Opisthodom, wenn sie von
den Schatzmeistern nicht gebraucht wurden, in seinem Bureau der
grösseren Sicherheit wegen Tag und Nacht in Verwahrung hatte.
Wenden wir uns nach dieser kurzen Digression, die aber
doch zur Sache gehört, wieder zu den Ilellenotamien zurück.
Es wäre nämlich noch zu bemerken, dass wir aus Inschriften
Attische Finanzverwaltunfr im fünften und vierten Jahrhunderte.
397
einigen Einblick in das Verhältniss bekommen, in welchem
die Verwalter des Staatsschatzes zu den Schatzmeistern der
Athena und der anderen Götter standen. Bekanntlich zog es das
athenische Volk vor, auch wenn es über sehr bedeutende eigene
Gelder zu verfügen hatte, Ausgaben, welche aus den laufenden
Einnahmen nicht bestritten werden konnten, durch Anleihen,
welche bei den Tempelschätzen gemacht wurden, zu decken
(a. a. 0. p. 46). Noch mehr wurden letztere in Mitleidenschaft
gezogen, wenn der Staatsschatz erschöpft war. Abgesehen von
anderen Modalitäten, welche beobachtet werden mussten, wenn
Gelder oder Werthgegenstände, die den Göttern gehörten, zu
Staatszwecken verwendet wurden, wollen wir liier blos darauf
Rücksicht nehmen, in welcher Art und Weise die Uebergabe
dieser Gelder oder Werthgegenstände an den Staat erfolgte.
Zahlreiche Inschriften gewähren darüber Auskunft. Unter
den vielen wähle ich folgende aus: [AGvjvatot avv^Xwaav ew ’Avxt-
(pomo? ap-/cvxoc y.at sxt tvjc; ßouAxjt;, fj Trpwxot; iypapp.d-
tsus . x]a[|j.](at | [tsßbiv xv;c ’AGvjvai’ac, HuGoSwpoc 'AXatsup
xal cuvapyovx£c, otc Ooppttiov ’Aptaxtwvoc Ku]8a0£vat£| [ui; £Ypap.p.äx£U£,
xapsSoaav 'EXX^votapdac?, ’EpYoy.Xet ’Aptoxkoou Bratet y.at ^ojvdpxouai,
y.at Ttapsäpoic, | ['lepoy.Xsl ’Apxsaxpccxou ’AÖp.ovs: y.at auvap/ouat, iid x%
- - ISo; - - 5 xxpuxa]v£uo6cy); y.a! vjp.epa osut j [dpa y.at ety.ocrcv] xvjc
xpuxavEia? . . . ooxot 81 ISoaav xctc kt xac 6xxXtxaYMY]ouc xotc jxexa
Ac[j.sc70Ivou?. E [- - - - - «irooo'jva]t xouc 'EXXrjvoxapiac y.at [t j ob'
xxapdSpouc xotc xap.tatc xyjc] 0£oü IIu0[o8(>)pw 'AXatsT y.at cjuvap/ouctv,
y.at xouc xap.jiac x^q 0£ou xocXtv xtapa3ou[v j at xo Tc ‘EXX^voxap.tatc y.Jat
xotc ixapdSfpotc. ouxot 81 looaav oxpaxiJYot§ eiri 0]paxv)c, E’uOuSvjtwp
’Eucvjp.ou. | (Z. 1—9. nr. 180—183. ‘ C. I. A. I.)
Der Sinn dieser Urkunde nach Kirchhoffs eigenen Worten
ist: Demosthenes quominus statim proficisceretur quum mora
esset objecta, jussisse populum pecuniam Hellenotamiis nume-
ratam, ut traderetur Demostheni, reddi Deäe quaestoribus;
mox his esse imperatuiii, ut eandem pecuniam rursus tra-
derent Hellenotamiis, qui dandam curarent Euthydemo eiusque
collegiis (a. a. 0.). Wir haben uns also den Vorgang so vor
zustellen, dass die Schatzmeister die vom Volke ausgeliehenen
Summen den Hellenotamien übergaben. Letztere übermittelten
dieselben den bestimmten Cassen oder Personen. Die Formel
dafür ist, wie die gleich im corpus folgenden Inschriften
398
Fellner.
zeigen: xapiai xap.fSocav 'EXXrjvoxaufat; oder 'EXXy]voxap.iai(;
zapeSoÖi).
Man findet aber auch, dass in diesen Rechnungsablagen
der Schatzmeister die Formeln Vorkommen: GxpaxYJYoT? “jcocpeSoOvj,
äOXcOsxatc zapsSoOvj, ispozofoi? zapeäößnj, xpnrjpayw .... zapsScOr;
(C. I. A. I. 188, 189.) Es fragt sich, wie wir diese Aus
drücke deuten sollen. Man könnte meinen, dass sie dasselbe,
wie die früher in ihrem vollen Wortlaute erwähnten besagen.
Es Hesse sich annehmen, dass die Worte zapa xaiv ‘EXX^voxapUdv
zu substituiren seien. Dem widerspricht aber die ganze Fassung
dieser Steinurkunden, wie unter andern! zeigt: eicl xrjs ’Aviioyßo;
ofSöv]? zpuxavsuoöuv)!; Seuxe[pa ijp.ipa x‘7jc zpuxa]vefa[c] 'EXX^voxapda zal
zccpeSpw, <l>!Xop.^[X(i) M] apaOwvuo, y.al cxpar/JYÜ sv xio 0epp.aiw y.eXzlw
(C. I. A. I. 182, 183. d. Z. 17—19! p. 82).
Man muss gerade auf Grund dieser letzteren Worte
schliessen, dass die Tempelschätze in doppelter Weise von den
Schatzmeistern der Göttin verausgabt wurden, erstens durch
die Vermittlung der Hellenotamien, dann direct an bestimmte
Personen und Behörden selbst. Ersterer Fall war der regel
mässige und gewöhnliche. Letzterer dürfte nur auf specielle
Anordnung der Volksversammlung, in welcher die Anleihe be
schlossen wurde, eingetreten sein.
Obwohl bisher nur die Rede war von Anleihen, welche
bei dem Schatze der Athena gemacht wurden, so ist doch eben
so festzuhaltcn, dass auch bei den Schatzmeistern der anderen
Götter geborgt wurde, wie aus nr. 273 p. 148 hervorgeht.
Die Gelder, von denen wir gesprochen haben, sind solche,
welche das Volk bei den Schatzmeistern der Göttin oder der
anderen Götter auslieh. Es wurde aber auch, wie aus Thuky-
dides deutlich genug hervorgeht, der grosse Staatsschatz,
welchen die Hellenotamien zu verwalten hatten, während des
peloponnesischen Krieges vollständig aufgebraucht. Da derselbe
mit den Schätzen der Athena verwahrt wurde, so mussten
die Schatzmeister dieser Göttin bei der Auslieferung von Staats
geldern betheiligt gewesen sein, wohl nur in der Art und
Weise, dass sie die Nachzelle des Parthenon öffneten und die
Summen den Hellenotamien ausfolgten, welche deren Ver
rechnung allein zu besorgen hatten. Leider sind von Seite der
Hellenotamien keine Rechnungsablagen vorhanden. Ich bin
Attische Finanzverwaltung im fünften und vierten Jahrhunderte.
399
aber überzeugt, dass in denselben nicht gestanden haben kann,
dass die Schatzmeister der Göttin den Hellenotamien Gelder
überliefert haben, weil ja sonst leicht eine Verwechslung mit den
Kechnungsablagen dieser Schatzmeister selbst möglich gewesen
wäre. Tajn'at xijc ’A0n)vat'ac dürften hier gar nicht erwähnt worden
sein, sondern es wird geheissen haben: die Hellenotamien
übergaben diesen oder jenen Behörden folgende Gelder.
Es sind überhaupt gar wenig Inschriften vorhanden, in
welchen die Hellenotamien als selbständige Behörde genannt
werden. Dazu gehören die Baurechnungen, aus denen mit Evidenz
geschlossen werden kann, dass die beiden Behörden der xapdat
und der sXXrjvoxapiai streng zu scheiden sind. Wir lesen in ein
und derselben Inschrift, dass Gelder zu einem Bau gegeben
wurden von den Schatzmeistern und von den Hellenotamien —
Xfjggaxx -apä xa|j.twv und A^jxp.aro ttapä sXXv)voxap.iwy — (C. I. A. I.
304, 309, 310, 312, 315, 316). Ferner ist überliefert, dass die
Hellenotamien zuweilen durchVolksbeschluss angewiesen wurden,
Gelder zur Errichtung von Inschriften oder für Kränze herzu
geben, wie die Worte darthun: [xf,v cs c]vr ( Xy)v a-op.tcOucdvxoifv o\
“ofAvjxai sv xyj ßou]'A-?j • xouc cs 'EXXr ( voxap,[tac Soüvat xc apyuptov.]
(C. I. A. I. 59, Z. 34—36.) 1 Die Kolakreten, welche den dafür
bestimmten Fond in Verwaltung gehabt zu haben scheinen,
werden damals nicht in der Lage gewesen sein, die nöthigen
Summen auszuzahlen. In Folge dessen wurde durch Volks
beschluss das Geld direct aus dem Staatsschatz genommen
und die Hellenotamien als die Verwalter desselben angewiesen
es auszufolgen.
Um die Frage über die Competenz der Hellenotamien als
erledigt betrachten zu können, muss noch eine Stelle aus der In
schrift nr. 32 angeführt werden, in welcher angegeben wird, in
welcher Weise Gelder, die der Staat bei den Tempeln der Götter
schuldete, zurückgezahlt werden sollen. Der Text lautet: dito-
St[o]cvai 8s dxfc xmv •/pr / [J.xxmv, £ ec öxcccciv scx'.v xct; Ösoi? s4v;ftsp.[£]va,
xd xe ixapä xotq 'EXX-qvoxap.iatc cvxa vuv y.ai xaXXa, ä seit xcuxuv
[x<5v] yp^|j.dxuv, y.ai xa ey. xvjc oey.xxr,;, ewtSäv TxpaGrj. Z. 4—7. Was
soll man nach unsern Ausführungen zur Erklärung dieser Worte
1 Vgl. noch C. I. A. I. 61 und vielleicht Supplement, dazu nr. 71, p. 20. Hier
mag ferner noch die Inschrift a. a. O. 116 e, p. 24, genannt sein, in welcher
die Hellenotamien als selbständig auszalileude Behörde aufzutreten scheinen.
400
Fellner.
sagen? Mit diesem Geldposten kann doch unmöglich der Staats
schatz gemeint sein, welchen die Hellenotamien verwalteten. Es
sind, wie es scheint, Gelder darunter zu verstehen, welche wirklich
noch in den Händen der Hellenotamien und noch nicht in das
Depositum auf der Burg übergegangen waren. Wir wissen, dass
es öfter vorkam, dass Bundesgenossen den Zahlungstermin an
den grossen Dionysien nicht einhielten. 1 Solche gerade bei den
Hellenotamien nachgezahlte Gelder kann der Volksbeschluss im
Auge haben. Andererseits ist es möglich, dass ein Theil des
Phoros, welcher an den Dionysien einlief, sogleich zur Zahlung
der Schulden an die Götter verwendet wurde. Diese Summen
hatten auch momentan die Hellenotamien bei sich.
Endlich wären noch zwei Finanzämter, die der Apodekten
und Kolakreten, zu besprechen, über welche auch die Inschriften
aufschlussreich sind. Was die Apodekten anbelangt, so hätte
ich nur ganz Weniges zu Böckhs Auseinandersetzungen hinzu
zufügen. Daran muss festgehalten werden, dass sie die General
einnehmer aller Staatsgelder waren; sie hatten keine eigene
Cassa, sondern führten die eingegangenen Summen an die vom
Volke bestimmten Cassen ab. All diese Gelder können sie nur
im Buleuterion in Empfang genommen haben, wie schon Böckh
(Staatsh. 1, p. 245) bemerkt hat und wie indirect aus den Ur
kunden über das attische Seewesen hervorgeht. Man vergleiche:
’Axvjp.iov fhXucbc F, veiopudv exip,e7.Y)T[Y]c] ixi Ka/.Xip)Sou? «pyo'vToc, v.cc.
sTEpov, 5 d.q ßooXeuvrjpiov y.ateßaXsv, 8 fooXev sy. vt)c, StaSr/.aciai;, ijv
S'.soty.dcOTo xpo? 0scq>dvY]v ... (X d 95 ff., p. 384). Da die meisten
dieser Inschriften besagen, dass die Aufseher der Werfte den
Apodekten das eingegangene Geld übergaben und man hier
von einer Ablieferung in das Buleuterion liest, so kann bereits
daraus der Schluss gezogen werden, dass die Apodekten im
Buleuterion die Gelder eingehändigt bekamen. Ueber diese
Beamten haben wir vor Euklid keine urkundlichen Belege
erhalten. Sehr häufig aber werden dieselben in den nach
euklidischen Inschriften, besonders in den Seeurkunden, er
wähnt (vgl. a. a. 0. p. 57). Da ihre Thätigkeit vor und nach
01. 94, 2 im Wesentlichen dieselbe geblieben ist, so werden wir
gleich das aus späteren Inschriften Bemerkenswerthe in den
' Vgl. C. I. A. I 38 und 40.
Attische Finanz Verwaltung im fünften nnd vierten Jahrhunderte.
401
Kreis unserer Betrachtung- ziehen. Eines der meist besprochenen
Denkmäler in dieser Hinsicht ist die jetzt ira C. I. A. II.
nr. 38 verzeichnete Inschrift, welche schon Böckh verwerthet
hat (Staatsli. 1, p. 215). Von Wichtigkeit sind die Zeilen:
pEpc'aat os to äpf-uptcv xo £?p7)p.£vcv xou; aTOOEy.xa; ey. xöv y.axaßaXXo-
pevcov /pYjpaxuv, siistoav xä sy. xöv vopcov pspfawatv Z. 18 ff. Die
selben im Sinne Böckhs aufgefasst, sind zu deuten, ,dass die
Apodekten zu bestimmter Zeit aus den eingezahlten Geldern die
Austheilung der gesetzlich zu bestimmten Zwecken angewiesenen
Summen machen'. In jüngster Zeit wurde von W. Hartei 1
folgende Erklärung vorgeschlagen: ,Vielmehr werden hier die
Apodekten angewiesen, die Zahlung, nachdem oder für den
Fall, dass sie die gesetzlich bewilligten Summen aufgebracht
haben, ey. xöv xaxaßaXXopsvwv ypyipdxwv zu leisten. Das waren
aber jene Geldei-, zu welchen man, wie wir aus Demosthenes,
Rede gegen Timokrates 96. S. 730, 23 wissen, im Falle der Noth
seine Zuflucht nahm: sgxcv öptv y.upco; vopo;, heisst es dort, xou;
syovxa; xa G’ cspd y.ac xi öaca -/pppaxa zaxaßaXXEcv ei? xo
ßouXsGxrjptov. ocd xot'vuv xou vopou xoöxou Stoiy.eixoa xa y.ocvä • xa yap eie
xd; iy.y.Xvjexa; y.at xa; Gucc'a; y.at xrjv ßouXr,v y.al xou; bxrrea; y.ai xSXXa
Zp^jj.ax’ avaXcay.6p.ev’ oüxo; eaG’ 6 vöp,o; ö ixotöv TxpoaeuxxopeiaGat. ou -pap
ovxcov '.y.avöv xöv ey. xöv xeXöv -/ppp.äxtvv xp Sconojasc, xa xpoay.axaßX^p.ax’
ovopa£6psva otd xov xou vopou xoixou (yoßov y.axaßocXXexat.‘
Zum letzteren Punkte der Erklärung Harteis möchte ich im
Vorhinein bemerken, dass es nicht nothwendig ist, unter den ey.
xöv y.axaßaXXopevwv ypYjpdxuv der Inschrift unbedingt Gelder zu ver
stehen, welche im Falle der Noth aufgebracht wurden. Aus
inschriftlichen Zeugnissen erhellt, dass der Ausdruck yp-^paxa y.axa-
ßaXXecv die gewöhnliche Formel für das Abliefern der Gelder ist,
wie die Worte xouxo y.axsßocXop,£v axxooey.xai; oder xouxo y.axeßXvjGy)
äxroäey.xai; beweisen (vgl. u. a. Seeurkd. XI b, 15 ff., p. 402 und
XIII d, 170 ff., p. 450). Ferner ist zu berücksichtigen, dass die
Apodekten nicht allein zu Anfang des Jahres Gelder in Empfang
nahmen, sondern dass dies, da die Einkünfte des attischen
Staates so verschiedenartig waren, auch während des Jahres
geschah. Man lese z. B. die Urkunde XIV c, 110 ff., p. 485:
1 Studien über attisches Staatsreeht, und Urkundenwesen von W. Hartei,
1878, p. 134, oder Sitzungsberichte der Wiener Akad. d. W., XCI. Bd.
Sitzungsber. d. phil.-hist. CI. XCV. Bd. I. Hft. 26
402
Fellner.
zapi Awz'tou dipsappiou 1% Tpi^pouq, r;g zoavrjv azoomas'.v,
f) ovopa AcX®!?, ’Et«y£vou? spfov. ouf-co]? y.orrsßaXsv kl Trj? SsuTspa?
xporaveiai; zpo? azoobaai; tou? ex’ ’AvTixXeooi; X|h nat izepac, I[zi]
tvjc xdfjwTOj? zpuTavsta?. Ebenso scheinen die Aufseher der Werfte,
da sie keine eigene Casse hatten und doch zu verschiedenen
Zeiten Gelder eingezahlt erhielten, dieselben unmittelbar den
Generaleinnehmern übergeben zu haben (a. a. O. p. 57 und
p. 484 und 485).
Auf alle Fälle ist damit vollkommen sicher gestellt, dass
die in Inschrift nr. 38 genannten xaTaßaXXsgsva -/p-fp.a-a nicht
gerade solche gewesen sein müssen, zu denen der Staat im
Falle der Noth seine Zuflucht nahm, sondern es können auch
andere Gelder darunter gedacht werden, die im Laufe des
Jahres eingegangen sind. Und ich glaube, dass wir das wirklich
hier nach dem Inhalt der Inschrift anzunehmen haben. Dem
Phanokritos aus Parion am Hellespont wird eine bereits von den
Feldherren ausgesetzte Belohnung an Geld auch von der Volks
versammlung zugesprochen, weil, wenn man dessen Aussagen
befolgt hätte, 1 ein feindliches Geschwader abgefangen worden
wäre. Mit der Auszahlung dieser Summe wird man in Athen
sich nicht beeilt haben. Phanokritos konnte warten, bis wieder
Gelder eingingen, auch wenn dies erst zu Anfang des Jahres
geschehen wäre. So viel über den zweiten Punkt der Erörterungen
von W. Hartei.
In Betreff der Auffassung des citirten Textes scheint
mir die Deutung des letzteren Gelehrten im Ganzen der von
Böckh vorzuziehen zu sein. Der Aorist p.spicuciv ist gewiss
mit dem Perfect zu geben. Nur halte ich dafür, dass der Satz
szsioav Ta sv. vtöv vöp.wv gepiawciv in das Deutsche zu übertragen
wäre: sobald sie die gesetzlich bewilligten Summen
aufgebracht haben, wenn man die von mir gebrachte Er
klärung der Inschrift acceptirt.
In neuester Zeit ist noch eine weitere Inschrift gefunden
worden, welche in die Competenz der Apodekten einen lehr
reichen Einblick gewährt. Es ist dies das Ehrendecret
der Söhne des bosporanischen Fürsten Leukon, enthalten im
1 Vgl. Kirchhoff, Abhandl. d. Bert. Akad. 1861, p. 601 ff. und Schäfer im
Philologus XVII. 1860. S. 160.
Attische Finanzvenvaltnng im fünften und vierten Jahrhunderte.
403
’AOvjvoctov VI. 152. 1 Hinsichtlich der Geldbeschaffung der da
selbst decretirten Kränze wird verfugt, Z. 39: xo ob apyuptov Siocvat
toi? aO/.oOsxcup Eip xoup oxEoavoup xov toü o/|j.ou xap.iav ex. xöW E:p xct y.axä
ijrtj®ifojxax« xw S/p,w p.Eptl'op.svwv • xö oe vuv eivat xapaSouvai xoup axoSey.xap
xb sip xoup oxsoävoup ex xwv xxpaxtwxtv.wv y_pY]jj.axwv. Mit Recht hat
Hartei (a. a. O. p. 134) darauf aufmerksam gemacht, dass wir
es mit einem Borggeschäft zu thun haben. In der Regel
mochte das Geld für solche Kränze der xap-tap toü S/p.ou aus
dem ihm vom Volke im Anfang des Jahres zugewiesenen Geldern
zahlen. Dafür scheint der Infinitiv des Präsens otoovai zu sprechen,
der Wiederholungen dieses Vorganges bezeugt. Jetzt war aber
die betreffende Casse vollständig erschöpft, es wurde daher den
Apodekten der Auftrag gegeben für den Augenblick die Summe
vorzustrecken — irapaSoüvai einmaliger Act — aus den Gxpaxwxixa
•/pf,p.axa. Das stimmt mit anderen Ueberlieferungen. Diese cxpa-
xiwxixa ypr ( p.axa wurden aus dem Ueberschuss der Verwaltungs
gelder gebildet. Diese Ueberschüsse wurden aber, wie wir aus
der Zeit von Eubulos’ Finanzverwaltung wissen, sehr gern zu
andern Zwecken verwendet. Nur erscheint es merkwürdig, dass
nicht der xapiap xwv oxpaxiwxiy.wv, der doch die Kriegsgelder über
sich hat, diese Gelder vorstreckt.
Darüber nun werden wir später eine Aufklärung erhalten.
Das Eine können wir aber doch hier schon festsetzen, dass die
Apodekten erst kurze Zeit früher diese Gelder übernommen
haben werden. Ein ganz ähnlicher Vorgang liegt einer Urkunde
zu Grunde, welche Böckh im dritten Bande der Staatshaushaltung
der Athener erläutert hat. Man hatte in Athen Ol. 113,4 = 325/24
den Beschluss gefasst, die Gründung einer Colonie nahe dem
Ausgang des adriatischen Meeres zu unternehmen. Die Aus
rüstung der Schiffe wurde sehr beschleunigt. Den Trierarchen,
welche ihre Schiffe zuerst segelfertig gemacht haben, werden
werthvolle Kränze als Belohnung ausgesetzt. Man liest dann: xod
äva-j-opeucd[xw b y.9;]puäp xvjp ßoukvjp [0]ap["f»)Wwv] xw aywvt xoup oxe[p>avoup]'
xoup ol axoSexxap [bouvajc xb apyuptov xb [s!p xcujp oxsoavoup. 2 Also
auch hier wurde die Casse des xap.tap xou o/p.ou, vielleicht bloss
um sie zu schonen, nicht in Anspruch genommen. Die Apo-
1 Vgl. Schäfer, Eh. M. f. Ph. N. F. XXXIII, p. 416 ff.
2 Seeurkd. XIVa. 200ff. p. 464, und Schäfer: Demosth. 3a. p. 272.
26*
404
Fellner.
dekten, bei denen Geld eingegangen war, mussten zahlen. Aus
den angeführten Belegen kann weiter gefolgert werden, dass es
nicht thunlich ist, die Stellung der Generaleinnehmer so aufzu
fassen, als ob dieselben niemals Staatsgelder, selbst nicht einige
Tage in Verwahrung gehabt hätten. Regel war wohl, dass sie die
Gelder sogleich in Empfang nahmen und nur den einzelnen Cassen
überschrieben. Dabei ist aber anzunehmen, dass bei den Apo-
dekten, oder besser gesagt im Buleuterion Gelder liegen geblieben
sein müssen, für welche im Augenblick noch keine Verwendung
bestimmt war, wie die während des Jahres eingegangenen
Summen. 1 Schliesslich hätte ich noch eine Inschrift (C. I. A.
II. 115 b), zu nennen, welche eine nicht zu unterschätzende
Aufhellung über die Stellung der Apodekten gibt. Dem Delier
Peisitheides wird eine Unterstützung gewährt. Das Volk be-
schliesst in Bezug auf die Auszahlung Z. 36 ff.: t'ov xapfav toü
[t'ov ae'i T]ap.['JsuovTa SiSovai Ikit;[t0s(SY]] SpajypJjV Tr); vj|j.spa<; ez
Tu>[v zara 4r)o!]<jp.xra avaXiozcjjivwv [t2> ovjpuo] ■ sv 3s toHo vcp.08eTaif:]
"[oui; 7rpos8p]o'Jc 0! av xpoeSpeiSwägiy [zat t'ov s]-[co]TaTr;v 7ipoavop.o0ST?;[oai
t£> apfjöpiov t[o]üto p.eptl'.etv t[o : j; airoojey.tcd; tu TapJa tou
3^p.[ou zaxa to]v eviauv'ov izaoxev, o 3e T[apiac dxJoSÖTW IlsifcijösiSs!
zata [ty;v -puT]a[ve]tav ztA. Wir sehen daraus, dass die Apodekten,
den einzelnen Behörden, welche Cassen haben, hier dem Tapfac
to3 Si5[aou, die vom Volke votirten Gelder zu theilen, und weiter,
dass dieses mit Beginn des Jahres geschieht. Dann liefert
diese Inschrift noch einen schönen Beleg dafür, was wohl
schon längst erkannt wurde, dass die Apodekten keine Cassa
zu verwalten hatten.
U'eber das zweite Amt, welches noch zu erörtern ist,
habe ich nur Geringfügiges zu sagen. Abgesehen davon, dass
die Kolakreten den Richtersold auszahlten, erfahren wir aus
den Inschriften, dass sie das Geld für die Aufstellung der
Steinurkunden, welche von Staatswegen erfolgte, herzugeben
hatten: avaypä4at 3s x'o i|flftptap.oe töce zat t'ov opzcv iv orrjkrj XtÖtvp zai
ep-oXsi t'ov Ypap.p.aTsa ty)<; ßo’JA^c • ol 3s TrtoAvjTai diropÄsfeaavTMV •
ot 3s ztoXazpsxat covtojv t'o dp-füptov. 2 Dann wäre die Inschrift
1 Böckh: Staatsh. 1, p. 215. Vgl. dazu C. I. A. II. 181. Frg\ b, Z. 6 ff.
2 Vgl. C. I. A. I. nr. 20 und Index dazu, ferner Supplem. nr. 27. p. 9,
vielleicht nr. 71 p. 20, 116 b p. 23 und 116 e p. 24.
Attische Finanzverwaltung im fünften und vierten Jahrhunderte.
405
nr. 285 zu nennen, in welcher von einem opus publicum, un
bekannt welchem, die Rede ist. Sicher kann ergänzt werden:
inm&zai . . . ~apa y.wXazpETÜv. Die Casse der Kolakreten wurde
somit vor Euklid in dreifacher Weise gebraucht. Erstens
wurde aus ihr der Sold für die Richter bezahlt. Das war die
grösste Auslage. In zweiter Linie hatten diese Beamten das
Geld für die Aufstellung von gewissen Stein in Schriften her
zugeben. Dadurch dürfte die Cassa nicht stark in Mitleiden
schaft gezogen worden sein, da nur wenige Urkunden in Stein
aufgestellt wurden, während die Mehrzahl der Volksbeschlüsse
im Metroon, welches als Staatsarchiv diente, aufbewahrt wurde.
Zudem waren auch die Preise, die man den Steinmetzen zahlte,
gering (Hartei a. a. 0. p. 141). In welcher Höhe die Gelder,
welche die Kolakreten zu verausgaben hatten, für die Er
richtung von öffentlichen Bauten verwendet wurden,
kann gar nicht festgestellt werden.
Um nicht das Wenige, was wir von ihnen aus den Zeiten
nach Euklid wissen, später nicht ganz ohne Zusammenhang an
führen zu müssen, sei hier kurz bemerkt, dass wir keine Nach
richten darüber haben, ob aus ihrer Casse weiter der Richtersold
gezahlt wurde und Gelder zu Bauzwecken ausgefolgt wurden.
Nur auf zwei nacheuklidischen Inschriften findet sich die
Formel erhalten: ot Se ™Av)Tai oraop.isGwcavTwv • oi Be •/.wXcapew.
Bövtwv to äpvüptov. Später besorgt dies der TOijj.ia; xou o^p.ou. Der
Kolakreten wird mit keiner Silbe mehr gedacht. Es ist sehr
wahrscheinlich, dass das Amt abgeschafft wurde und dessen
Geschäfte von anderen Behörden besoi'gt wurden.
406
Fellner.
Die vor dem peloponnesischen Kriege sehr günstige finan
zielle Lage des athenischen Gemeinwesens verschlechterte sich
während des Krieges sehr. Bald war der ganze Baarvorrath,
der auf der Burg niedergelegt war, aufgebraucht. Schon in den
ersten Jahren des Krieges musste den Bürgern eine sienyopa auf
erlegt werden. Ja man sah sich genöthigt die Tribute der Bundes
genossen zu verdoppeln. Wohl trat nach dem Frieden des
Kikias eine Wendung zum Besseren ein. Der sicilische Krieg
verschlang aber die frisch gesammelten Schätze neuerdings.
Eine solche Geldklemme entstand, dass man sich beim Aus
bruch des Krieges in Ionien veranlasst fand, den Reservefond
von tausend Talenten, der nur im äussersten Nothfalle ange
griffen werden sollte, herzunehmen. Jetzt ging es rasch tlialab
mit dem attischen Gemeinwesen. In der Stadt selbst fand
eine Verfassungsumwälzung statt, welche zu allem Unglück noch
die oligarchische Partei ans Ruder brachte. Obwohl dieselbe
nur kurze Zeit herrschte, richtete sie viel Unheil an. Die
inneren Wirren der Plauptstadt übten natürlich einen nach
theiligen Einfluss auf die Flottenmannschaften aus. Der Krieg
der sich sehr in die Länge zog, wurde in leichtsinniger Weise
geführt, bis endlich die Katastrophe über Athen hereinbrach.
Ungeheure Summen kostete die Erhaltung einer so be
deutenden Kriegsflotte durch so viele Jahre hindurch. Die Pelo-
ponnesier konnten das leicht ertragen, da ihre Flottensoldaten
mit persischem Gold ausgezahlt wurden. In Athen wurde aber
besonders der Krieg zur See der finanzielle Ruin des Staates.
Es half nichts, als man auf kurze Zeit anstatt der von den
Bundesgenossen bezahlten Tribute den Zwanzigstel (eizoirri)) von
der Ausfuhr und Einfuhr zur See in den unterwürfigen Staaten
erhob. Man musste doch schliesslich zu den Maassregeln greifen,
welche schon Perikies als möglich besprochen hatte. Die Aus
rüstung der Flotte, welche in der Schlacht bei den Arginusen
(01. 93. 3 = 406/5 a. Ch.) kämpfte, erforderte solche Summen,
Attische Finanzverwaltung im fünften und vierten Jahrhunderte.
407
dass man die Werthgegenstände des Pronaos und wahrschein
lich des Hekatompedon und des Parthenon in die Münze
schicken musste (C. I. A. I. 140). 1
Athen war zu Ende des Krieges in jeglicher Beziehung
zu Grunde gerichtet. Politisch wurde es von Sparta abhängig,
in Bezug auf die Finanzen lag es ohnehin schon vollkommen
brach. Wie elend es um die Athener damals stehen musste,
geht daraus hervor, dass ihnen die Lacedämonier, wegen rück
ständiger 100 Talente, mit Gewalt drohten; ja es war so weit
gekommen, dass sie nicht einmal zwei Talente, welche ihnen
die Böoter geliehen, zurückerstatten konnten. Sehr richtig ist das
Wort des Lysias, dass die Athener damals von dem kleinsten Staate
sich nicht unterschieden (pro Agor. §. 47. wcts [j.vjosv Siayepeiv
tyj; eXa^iarriq TtoXeu? ty;v 7i67.iv). Unter solchen Verhältnissen wurde
die alte Verfassung wieder ins Leben gerufen. Leider haben
wir über die so merkwürdigen Vorgänge, welche damit ver
bunden waren, nur unvollständige Nachrichten. Xenophon,
welcher diese Dinge beschrieben, unterlässt es uns darüber
aufzuklären. Er sagt nur am Schlüsse des zweiten Buches:
,sie wählten nun die Behörden und Hessen die alte Verfassung
wieder in Kraft treten'. 2 Die Redner, welche in dieser Zeit
lebten, wie Andokides und Lysias, geben bloss über gewisse
Veränderungen Auskunft, wie über Gesetzesrevisionen, welche
beantragt wurden. Dass nicht die alte Verfassung in ihrer
Totalität, wie sie war, mit ihrem Beamtenstatus einfach wieder
hergestellt werden konnte, liegt auf der Hand. Besonders in
Bezug auf die Finanzverfassung müssen jedenfalls Aenderungen
vorgekommen sein. Böckh hat mit Recht betont: ,Die Finanz
verfassung ist unter Euklid, als die Umstände sich gänzlich
verändert hatten, ganz anders eingerichtet worden'. 3 Da keine
directe Nachrichten darüber vorliegen, so wollen wir wenigstens
versuchen, durch Combination, wenn möglich, diese Verände
rungen festzustellen. Vorerst haben wir im Auge zu behalten,
dass der Staatsschatz vollkommen leer und dass der Parthenon
seiner Werthgegenstände beraubt war, ja dass der Staat sogar
1 Abhandl. der Bert. Akad. 1864, p. 54, und 1876, p. 38.
2 y.oCi tote p'ev äp/a? -/.aTaaT7)<jajTEvoi seoXiteuovto, II. 4. 43.
3 Böckk, Abhandl. d. Berl. Akad. 1846, p. 366, und Droysen im Hermes IX, 11.
408
Fellner.
Schulden hatte. Weiter haben wir uns zu vergegenwärtigen, dass
die attische Sy mm ach ie aufgehört hat, dass Athen selbst eine Stadt
geworden war, welche unter der Botmässigkeit Spartas stand.
Tribute wurden nicht mehr eingezahlt. Es war mithin keine Be
hörde mehr nothwendig, welche dieselben und den Staatsschatz zu
verwalten hatte. Die Hellenotamien verschwinden. Sehr wahr
scheinlich ist es dann, dass im Jahre des Euklid eine Ver
änderung der Schatzbehörden eingetreten ist, welche die Tempel
schätze zu verwahren hatten. War doch das Amt der Schatzmeister
der anderen Götter zu einer Zeit geschaffen worden, als Athen
in finanzieller Hinsicht auf dem Gipfelpunkt seiner Entwicklung
stand. Wozu sollte man jetzt zwei Schatzbehörden im Amte
haben, da die Einkünfte der Götter aufgebraucht waren und
man nur im Pronaos einen Kranz liegen hatte.
Ebenso sonderbar wäre es anzunehmen, dass etwa unter
dem Archontat des Euklides der Vorsteher des Staatsschatzes
— xa\jJ.ac -rijs v.ovif^ trpouoSou — eingesetzt wurde. Dessen
Wirksamkeit wäre jetzt einfach illusorisch gewesen. Nicht
minder unhaltbar dürfte die Ansicht sein, dass in demselben
Jahre zwei neue Behörden, nämlich die Theorikenvorsteher
und der Kriegszahlmeister creirt wurden. 1 Ich kann mir
nicht vorstellen, dass unter solchen Verhältnissen gleich eine
Cassa für Volksvergnügungen gebildet wurde, oder dass man
schon Ueberschüsse der Verwaltung hatte, um eine Kriegs-
cassa zu errichten. Es ist vielmehr festzuhalten, dass die Athener
unter Euklid diejenigen Stellen abschafften, welche überflüssig
geworden waren und jetzt, wo sie auf ihre Einkünfte allein
angewiesen waren, ernstlich sich bestrebten, den Staatshaushalt
ins Gleichgewicht zu bringen. Man wird daher neue Aemter
erst dann errichtet haben, als der Staat zu prosperiren anfing
und das Volksbewusstsein wieder mächtig wurde.
Zum Lobe des Volkes muss gesagt werden, dass die ge
drückte Stimmung bald überwunden wurde und dass in kurzer
Zeit ein staunenswerther Aufschwung eintrat. Gross waren eben,
wenn sie weise ausgenützt wurden, die Hilfsquellen in diesem
1 ,Wir sind berechtigt anzunehmen, dass durch die euklidische Verfassung
an die Stelle der Hellenotamien zwei neue Stellen, das Kriegszahlmeister
amt und die Theorikenbehörde, gesetzt wurden“. Böckh Staatsh. 1, p. 246.
Attische Fiuanzverwaltung im fünften und vierten Jahrhunderte.
409
kleinen Winkel griechischer Erde. Ein schönes Zeugniss
für den wieder erwachenden Sinn der Athener liefert der
Umstand, dass man kaum von dem drückenden Elend befreit,
den Glanz der Feste zu heben beschloss. Es wurde bestimmt,
dass denen, die sich dabei persönlich verdient machten, ehrende
Inschriften gesetzt werden sollten (C. I. G. I. nr. 213). Ein
Beweis für den beginnenden Wohlstand ist, dass bereits 01. 96, 2
unter dem Archon Diophantos die Restauration des Erechtheion,
welches durch Brand Schaden gelitten, beschlossen und aus
geführt wurde. 1 Nicht minder spricht dafür, dass man rasch
daran ging, werthvolle Weihgeschenke als Ersatz für die ein
geschmolzenen im Parthenon aufzustellen.
Sichere Belege darüber liefern die Inschriften. Ich führe
die Präscripte einer solchen mit den Ergänzungen Böckhs an:
-aB£ oi Tajju[a]i iüv Isptbv yp[y)|j,aawv ~fjc A9i]Va]|{ac -/.ai twv aXXiov Öewv
0! [Aä/Y)TO? ip/OVt] | cc Mstowv E'J(0';up.£Ü; 8. Z. O'.C
OöphXol ’/oc, O'vahc £Ypa;jp.5c[T£U£, -apaostjäp.svoi 7:a]|pä xwp. -psTEpuv
Tagf’uv xuv Im Zevocvstou apjj/cvtoc . . (Staatsh. d. Ath. 2 b,
XIV. 11). Wenn zwar auf den ersten Anschein hin der Haupt
sache nach nur Ergänzungen Vorkommen, so wird Jedermann,
der sich die von Böckli im Vorhergehenden näher besprochenen
Inschriften besieht, gern zugeben, dass diese Ergänzungen
sachlich richtig sind. Der Archon Laches ist durch eine frühere
Urkunde bezeugt: [roxpaBdjstjASVoi crzpi twv zpoiEpwjv xanttöv xwv
Im Aä[yJvj*o? (a. a. 0. XIV, 7). Wir können somit schliessen,
dass 01. 95. 1 oder 01. 94. 4 werthvolle Weihgeschenke im
Tempel der Göttin auf der Burg sich befanden.
Unter denselben figuriren in der That 01. 95. 1 = 400/399
in dem Theile des Tempels, welcher Parthenon genannt wurde,
Halsbänder, Kränze, Ohrgehänge, ölzweigähnliche goldene Blätter,
Siegel, Trinkgefässe und Ketten. Merkwürdig ist, dass derPronaos
nicht mehr als Aufbewahrungsort genannt wird. Hingegen barg
der Hekatompedos bald viel mehr und viel werthvollere Gegen
stände, als selbst der Parthenon. Schon 01. 95. 3 befand sich
dort eine goldene Nike, welche ein Gewicht von beinahe zwei
Talenten hatte. Weihgeschenke, von Athenern und Fremden
gespendet, werden schon in der ersten Zeit nach dem pelo-
1 C. Wachsmuth: Gesch. d. St. Athen p. 578, und Köhler, Hermes II, p. 21.
410
Fellner.
ponnesischen Kriege aufgezählt. Nicht ungesagt mag bleiben,
dass auch der bekannte spartanische Feldherr Lysander der
Göttin einen Kranz spendete. 1 Beachtenswerthe Aufschlüsse gibt
eine von Kirchhoff (Abhandl. d. Berl. Akad. 1867) edirte Ueber-
gabsurkunde der Schatzmeister der Athena vom Jahre 01. 109.
1 = 344/3: Volk und Rath werden mit Kränzen von Auswärts
beehrt, welche sie im Parthenon niederlegen. Aus Samos, aus
dem Chersones, Samothrake . . . werden von befreundeten oder
kleruchischen Gemeinden oder von attischen Soldtruppen Kränze
geschickt. Diese verschiedenen Belege zeigen deutlich, dass
man in Athen, kaum dass der unglückliche Krieg vorüber
war, eifrigst Werthgegenstände für die Götter zu sammeln
begann, die bald zu einer ansehnlichen Höhe anwuchsen.
Man wird nicht fehlgehen, wenn man aus den Inschriften
schliesst, dass sehr viele von diesen Gegenständen von reichen
Privaten und von auswärtigen Freunden gespendet wurden; viele
wurden ausserdem aus dem eingezogenen Vermögen der Dreissig
hergestellt, wie Philochoros bei Harpokration unter zoiAzeia be
richtet: zogTOtot? os zpörspov s-/pöwo ct ’AOtjvccioi toi? sy. Trfi ovoiaq töv
Tptay.ovta zawazeuaaGdciv. Das Wenigste scheint der Staat zur Aus
schmückung der Heiligthümer beigetragen zu haben. In den ersten
Jahren nach Euklid stellte er, wie die Ueberlieferung lehrt, nur
einmal ein Weihgeschenk auf und auch das unter eigentümlichen
Umständen: aretpdvo? GoAXoü ^pucrou?, Sv fj zoXi? ävsGrjy.e, ta v'.y.Yji'/pia
toö ziGapwäou. 2 Wie dem auch sei, die Thatsache ist vorhanden,
dass sich ziemlich rasch in den heiligen Gelassen des Tempels
der jungfräulichen Göttin Schätze ansammelten.
Diejenigen Weihgegenstände nun, welche im Pronaos,
Hekatompedos und Parthenon waren, und den Metallschatz
der Athena imOpisthodom verwalteten vor Euklid die Schatz
meister der Göttin; die Schatzmeister der anderen
Götter hatten gleichfalls einen Theil der Nachzelle zu ihrer Ver
fügung, wo sie die Gelder dieser Götter und gewisse Werth
gegenstände, wie (fidlca und ap.^op^i; aufbewahrten. 3 Es entsteht
1 Vgl. über das Gesagte: Michaelis: Parthenon p. 291, 296 ff. und Böckh
a. a. O. bes. XIIa, (C. I. Gr. nr. 150). Z. 15 ff. und Z. 30—32.
2 Böckh a. a. O. XII a, Z. 35, 36.
2 C. 1. A. 1. Frg. c, 196, 197. Frg. h, 206, 207. Frg. i, 208, 209.
Attische Finanzverwaltung im fünften und vierten Jahrhunderte.
411
jetzt die Frage, ob die Verwaltung dieser Schätze nach Euklid
in derselben Weise fortgeführt wurde. In erster Linie ist
auffällig, dass nach Euklid keine Spur mehr von vierjährigen
Cyklen (a't xexmpec, apycd) vorkommt, und dass die beiden
Schatzmeisterbehörden vereinigt, wenigstens 01. 94. 4—95. 4
— 401—396 als xaplas tiov tepwv ypr^jAxijn rijq ’AO^vodag xal xaW
aXXiov Oewv auftreten. 1 Daraus kann füglich mit einiger Sicherheit
geschlossen werden, dass unter Euklid diese Veränderungen
getroffen wurden. Wie die Hellonotamien aufhörten, weil sie
überflüssig geworden waren, so wurden auch die Schatzeollegien
verringert. Man konnte annehmen, dass eines allein die Ver
waltung zu versehen im Stande wäre, da zwei Collegien, wie
oben angedeutet, der Staat erst benöthigt hatte, als er auf einer
hohen Stufe von Wohlstand sich befand, und da ferner im
Momente die Anzahl der Weihgegenstände im Parthenon sehr
gering gewesen sein wird.
Diese und ähnliche Umstände dürften entscheidend dafür
gewesen sein, dass man an die Stelle von zwei Schatzbehörden,
eine setzte, welche sowohl die Gelder und Werthgegenstände
der Göttin wie die der anderen Götter in Hinkunft zu verwalten
hatte. Wenn dann später der volle Titel nicht mehr vor
kommt, sondern die Schatzmeister nur xap-tat vfjc Osoü oder xap.tat
xwv trjg Gsou, selbst auf Rechnungsablagen genannt werden, so
können wir daraus nicht sehliessen, wie es von Michaelis
(a. a. O.) geschieht, dass die vereinigte Behörde nur eine kurze
Zeit bestanden habe und vielleicht schon seit 01. 98. 4 = 385/4
wieder die zwei Collegien nebeneinander existirt haben, sondern
cs geht daraus hervor, dass man der Bequemlichkeit wegen
zur einfacheren Titulatur zurückkehrte, zumal da die Verwal
tung der Schätze der Athena die Hauptsache war. Umgekehrt
darf man aus den Beschlüssen, welche zu Gunsten der von
Lysandcr vertriebenen samisclien Volkspartei nach Köhler
01. 94. 2 — 403/2 gefasst wurden — und in denen es heisst:
ol 3s mpiai oovxwv to äpyupiov oder ol os tapia.'. Tuapao/ov-tov (C. I.
A. II. 1 b. Z. 24 und Z. 31) — nicht folgern, dass damals die
vereinigte Behörde noch nicht eingeführt war, sondern wir
1 Vgi. Böckli: Staatsh. 2. b. XII, XIV, und Michaelis a. a. O. p. 291, der
auch andere inschriftliche Belege bringt.
412
Fellner.
haben vielmehr unter den erwähnten Schatzmeistern die xapuai
xwv tepwv ypr] p.dxiiiv xrjp ’AÖvjvai’a? y.ai xwv aXXwv Oewv zu verstehen,
die, da hier keine ofücielle Rechnungsablage vorliegt und ein
Missverständnis unmöglich war, einfach xaptai genannt werden.
Der Gründe, welche dazu drängen, auch für später an einem
Colleg festzuhalten, sind mehrere. Es werden die verschie
densten Werthgegenstände selbst aus späteren Jahren erwähnt, 1
welche der Artemis von Brauron gehören und vorzüglich im
Hekatompedos niedergelegt waren. Noch Ol. 106. 4 = 353/2
kommt zu den Schätzen der Artemis im Tempel der Athena
neuerdings ein Zuwachs, -io’ ey. xoü äpyaiou vsw Tiaps8[w]y,sv -q
lepei[a] xoi[?| Ixioxaxafti;] xo|y; s]tc1 0o[u8]Y)[p.]oo apyovxo? [etc] xov
Ila[p0svw]va . . . . 2 Wenn dann goldene Schalen der anderen
Götter in der Uebergabsurkunde des Parthenon von Ol. 109. 1
genannt werden: n) Z. 58 — 60. [tciccXa! . . .]: y[p]üaat xwv ä'XXwv
Oewv, | [a'Youaoa axaOp.ov, 5 i^iyiyjponixoii exi xai? <pt[ä]Xaii; | [. . .] und
o) Z. 60—61. JytäXvj ypujafj xwv aXXwv Oswv (Kirchhoff a. a. 0.),
und Inschriften von Weihgegenständen der Demeter und
Aphrodite auf der Burg reden, 3 so geht aus all dem zur
Genüge hervor, dass nicht allein in den ersten Jahren
nach Euklid, sondern viel später die Schätze der verschiedenen
anderen Götter nicht von einem eigenen Colleg verwaltet
wurden, sondern vielmehr von den Schatzmeistern der Athena,
weil diese Werthgegenstände sonst nicht im Hekatompedos
oder Parthenon sich hätten befinden können.
Wir haben ausserdem aus der lykurgischen Zeit eine
Urkunde erhalten, in welcher die xapu'at xwv aXXwv Oewv sicher
genannt worden sein müssten, wenn sie in der damaligen
Zeit vorhanden gewesen wären. Es ist die Inschrift C. I. A. II.
nr. 163, in welcher Bestimmungen über die feierlichen Ab
haltungen der jährlichen Panathenäen getroffen werden. Man
liest Z. 7 ff.: ejtpvjqjicöai xw o'/p.w, xa jxsv aXXa xaOa j [xep xvj ßouXjj,
6]6eiv oe xou? iepoxoiou? zdq p.ev 060 | [Oosta? x/v xe xrj] ’A0v)Vfit xjj
‘Yyteia y.al xvjv ev xw ap [ jxsvyjv y.aOdxep xpoxepov
zai vsip.avx | [a? xoi? xpoxdvjeuiv xevxe p.epi'oaq y.at xoü; evvea ap |-
1 Vgl. Michaelis a. a. O. p. 307 ff.
2 Ich gebe den Text nach Michaelis a. a. O. p, 309, der die Sammelwerke
anführt.
3 Vgl. Michaelis a. a. O. p. 369 und Ephem. 4040.
Attische Finanzverwaltung im fünften und vierten Jahrhunderte.
413
[yfouaiv ] y.xi xapuatc 0eou pfav m\ io\q lep | [oxoiöi«; p.i'av]
■/.c/\ xoi; axfpaxjrpfoik y.a: xoi? xa^tap^) [oi? xai xjoT? 7xop.7;[£Üa] tv
xoTc ’A0Y]vatoi<; y.ai xa;[u; y.avv]p6po'.]c y.axa (xa) £tw[06xa|, xä 3s äXXa
y.psa ’AÖvjvaio | [i? p,ep(tTeiv Bei der Aufzählung' der Würdenträger,
welche Theile vom Opferfleisch bekommen, konnten unmöglich
die Schatzmeister der anderen Götter, welche an Rang den
Schatzmeistern der Göttin gleich waren, ungenannt bleiben.
Es ist diese Inschrift mithin als ein Beweis anzusehen, dass
es xx!j.G.'. xöv aKkwv 0£oiv nach Euklid nicht gab. Zuletzt haben
wir noch die Inschrift C. I. A. II. nr. 162 zu besprechen,
welche, wie sie ergänzt worden ist, gegen die obige Auffassung
zeugen könnte. Die 23. Zeile derselben (Frg. c) ist überliefert:
I C. 2TQN0EQNTO APTTPION 1
Köhler liest:
xob? xapiac x]o[b]c xo>v 0süv? xc otp^bp'-ov.
Zu beachten ist, dass dem bedeutenden Epigraphiker seine
Ergänzung selbst nicht recht zuverlässig erscheint. Ferner
muss bemerkt werden, dass der Sinn des Fragmentes, von
welchem man nur im Allgemeinen annehmen kann, dass es
über die Regelung der Feste und Opfer handelt, nicht noth-
wendig auf die Ergänzung — xaplai xij? Osoj — hinführt. Wir
müssen uns bescheiden, diese Worte der sehr corrupten In
schrift nicht einmal annähernd klar stellen zu können. Die
selben werden daher nicht unter den Beweisen fungiren können,
dass zu Lykurgs Zeit xapfai xwv Oeöv bestanden haben.
In Betreff der Competenz der Schatzmeister nach Euklid
bleibt schliesslich noch Einiges zu erörtern. Dass sie eben
falls, wie die voreuklidischen Beamten, die heiligen Schätze
zu verwalten und darüber Rechenschaft abzulegen gehabt, geht
aus den Uebergabsurkunden, welche überliefert sind, hervor. Nur
das bleibt auffällig, dass in allen diesen Inschriften lediglich
von der Uebergabe von Werthgegenständen der Athena oder der
anderen Götter die Rede ist und sich keine Rechnungsablagen
vorfinden über Summen, welche dem Demos von Seite der
Schatzmeister geliehen wurden. Denn wenn auch das Tempel
vermögen im peloponnesischen Kriege vollkommen zu Grunde
1 Leider war es nicht möglich die Buchstaben in der Form wiederzugeben,
wie sie im corpus I. A. stehen.
414
Fellner.
gegangen war, so steht doch fest, dass sich wieder ein neues
ansammelte, denn nach wie vor fielen dem Herkommen gemäss
gewisse Bussgelder den Göttern anheim. So bekam der Schatz
der Polias ein Zehntel der confiscirten Güter, an ihn oder an den
der Nike kam der Zehnte der Kriegsbeute und in den Schatz
der Artemis Agrotera floss die os.v.dvr} ävcpaTcöcwv. Dann hatten die
Tempel Ländereien, welche verpachtet waren. Die Pachtgelder
wurden in die betreffenden Tempelcassen abgeliefert. Daraus
ergibt sich, dass sich allmälig im vierten Jahrhundert wieder ein
Tempelschatz gebildet haben dürfte. Stark kann derselbe zwar
nicht angewachsen sein. Der Zehnte der Kriegsbeute und die
Sr/.ccTYj dvopcnciotov werden keine erheblichen Summen abgeworfen
haben, ebenso können wir annehmen, dass gar keine oder wenig
Gelder aus den Pachterträgnissen der auswärtigen Besitzungen
ein gingen. 1 Ausserdem werden die Götterfeste, deren frühere
Pracht hergestellt wurde, sicherlich einen grossen Theil der
Tempeleinnahmen verschlungen haben. Es Hesse sich mithin
gerade verständlich machen, warum wir nicht zahlreiche Ur
kunden aus dieser Zeit haben können, in welchen die von den
Göttern dem Staate geliehenen Gelder verzeichnet sind. Ein
Erklärungsgrund für das einstweilige gänzliche Fehlen der
selben kann aber doch nur darin liegen, dass noch nicht alle
inschriftlichen Denkmäler aufgefunden sind.
Wenn auch derlei Inschriften nicht vorhanden sind, so
können wir doch andere anführen, die über die singulären Leih
geschäfte, welche zwischen dem Staate und den Schatzmeistern
der Göttin abgeschlossen wurden, Aufschluss geben. Gleich aus
dem oben angeführten Decret zu Gunsten der von Lysander
vertriebenen Samier erfahren wir, dass die vereinigte Schatz
behörde der Göttin und der Götter eine Ehrengabe von
500 Drachmen auszahlt und das Geld für die Anschaffung
eines Kranzes und die Aufstellung der Beschlüsse hergibt.
Leicht zu begreifen ist, dass damals der Staat nicht in der
Lage war, das Geld aus seinem eigenen Säckel zu geben.
Deshalb können in dieser Inschrift nicht die Kolakreten als
zahlende Behörde genannt sein. Die Schatzmeister werden
schon wieder einiges Geld gehabt haben und streckten nun
1 Kirchhoff, Abhandl. <1. Berl. Akad. 1876 p. 28 und 52.
Attische Finanzverwaltung im fünften und vierten Jahrhunderte.
415
dasselbe dem Staate vor. Wir haben also hier entschieden an
ein Leihgeschäft zu denken. 1 Immerhin bleibt es merkwürdig,
dass in dieser unglückseligen Zeit vom Volke aus Liberalität
so bedeutende Summen gespendet wurden, die mit dem sonstigen
Elend gar seltsam contrastiren. Eine zweite Inschrift, nr. 37,
welche bereits nach dem Jahre 378 fällt und die nach Köhlers
sicherer Ergänzung die Worte bringt: xb 3s apföpiov Sovxwv oi
xapiat xüv xvj? ösoü elkocn opayyAq möchte ich ähnlich auffassen. 2
Dann haben wir noch weitere Inschriften (nr. 17, 44, 84, 86),
in welchen auch gesagt wird, dass die Schatzmeister der Göttin
Geld hergeben, aber mit dem Zusatze: I» xöv oiv.a xaActvxcov. Die
bekannteste darunter ist die Bundesurkunde aus dem Archontat
des Nausinikos.
Die einschlägige Stelle lautet (nr. 17, Z. 66fF.): xö oe äp[-,'6jptov
oouvcc ei? xv)V dva^pap-^v x^c Gx[vjXv)](; s^y.ovxa opa:/\).aq ly. xöv oly.a
xaA[äv]xwv xouc xap.t'ap vr t c (kou. Die anderen drei Inschriften ent
halten Proxeniedecrete mit derselben Formel. Es drängt sich
zuerst die Frage auf, ob die betreffenden Worte den Sinn
haben, dass aus dem Schatze der Göttin geborgt wurde, wie
wir es bei Besprechung der früheren Decrete angenommen
haben. Der Ausdruck ly. xcov oiv.a. xaXotvxwv scheint mir dagegen
zu sprechen. Von demselben ist anzunehmen, dass er auf einen
bestimmten Budgettitel hinweist. Eine schöne Vermuthung
Harteis (a. a. 0.), der ich vollkommen beistimme, ist, dass
die zehn Talente einen durch die skraopat der Metöken Jahr für
Jahr zusammengebrachten Einnahmeposten bildeten.
Wenn derselbe Gelehrte aber dann ausführt, dass die
xapiai xtov vtjc, OsoO hier nicht sowohl zu zahlen, als zu borgen
hatten, weil die dem xap.ia<; xou S^p.ou ausgeworfenen Gelder —
dieser bestritt sonst die in diesen Inschriften angegebenen Aus
lagen — aufgebraucht waren, und dass .wir es also mit Anlehen
im Kleinen nach dem Muster jener grossen Anlehen des fünften
Jahrhunderts zu thun haben, so kann ich nicht vollkommen bei
stimmen. Eine Stelle, welche von Haftel mit Recht angeführt
wird, um den Beweis zu verstärken, dass wir unter den ,oly.a
xoiXavxa' eine sicoopä der Metöken zu verstehen haben, scheint
1 Vgl. Hartei a. a. O. p. 131 fF.
2 Ebenso C. 1. A. II. nr. 43 und nr. 114 B. Z. 7—9.
416
Fellner.
gegen obbesagte Auffassung zu sprechen: pivotxoc cs Ig-iv, cxätccv
tic axb ^svyjs Iaöwv Ivotxfl xoAEt, ■ci'koq tsaöv etc axo-STafjAEvac
Ttvac xpstac *^c xöAswc (Aristoph. Byz. bei Boissonade Hero-
dian. Epimer. S. 287). Aus derselben ergibt sich, dass die
Gelder, welche die Metöken zahlten, für die Bedürfnisse des
Staates dienten, also Staatsgelder waren. Dieselben brauchte der
Staat von den Schatzmeistern der Göttin nicht auszuleihen,
da sie sein Eigenthum waren. Das zeigt uns, dass unter der
Obhut dieser Schatzmeister sich wie früher sowohl der Schatz
der Götter als etwaige Staatsgelder befanden. Summen aus
dem ersteren konnten dieselben nur ausleihen, die Staatsgelder
aber, da sie bei ihnen bloss deponirt waren, durften sie nur auf
Volksbeschluss ausfolgen. Für unsere Betrachtung gewinnen
wir als Resultat, dass in den Inschriften, in welchen die Schatz
meister Iz. tüW Sly.a "aXdvTwv Geld hergeben, sie dies in der
Eigenschaft als Verwahrer von Staatsgeldern thun. Von einem
jAnleheir dürfen wir wohl absehen.
Ausser den Urkunden, welche Köhler in der attischen In
schriftensammlung edirt hat, haben wir durch Böckh in den See
urkunden eine Inschrift erläutert, in der -ag.iat vßv ösoü Vor
kommen. Es ist dies die bereits angeführte Urkunde nr. XIV a,
p. 464, welche aus Ol. 113. 4 stammt und über die Gründung
einer Colonie am adriatischen Meere handelt. Man liest Z. 220ff.:
v'ov [Sjl ij/.cÖbv SiSovai -oi? Sixacrnjpiotc touc Tagljajc twv r?jc Osoj
xara v'ov [vsjp.ov. Zur Aufklärung möge dienen, dass nach dem
selben Psephisma für den Fall, als Trierachen eine Entschuldi
gung wegen der zu leistenden Trierachie einlegen wollen, ein
Gerichtshof eingesetzt wird, welcher darüber die Entscheidung
zu fallen hat. Den Vorsitz führt der für die Symmorien ge
wählte Strateg. Gericht selbst soll den 2. und 5. Munychion
gehalten werden. Am 10. Munychion müssen die Trierachen die
Schiffe fertig gemacht haben. Die Richter erhalten ihren Sold von
den Schatzmeistern der Göttin v.ona t'ov vöp.cv ausbezahlt. Es ist
das, wie Böckh erkannt hat, das Gesetz des Diphilos (sic fSkay.rp
/mcxc). Ich führe zum Verständnisse des Vorgangs dessen
eigene Worte an: ,Für die dahin gehörigen Fälle waren aber
besondere Bestimmungen gemacht, welche sich namentlich auf
Geldbezahlung bezogen, und zwar nicht durch Volksbeschluss,
sondern durch ein Gesetz; wahrscheinlich enthielt dieses Gesetz
Attische Finanzverwaltung im fünften und vierten Jahrhunderte.
417
die Bestimmung, dass für die auf diese Fälle bezüglichen
Gerichte der Richtersold von den Schatzmeistern der Göttin
bezahlt werden soll' (a. a. 0. p. 210). Daraus scheint nicht
mit Bestimmtheit entnommen werden zu können, ob die Schatz
meister hier mit Geldern der Göttin oder mit Staatsgeldern
zahlen. Ich halte dafür, dass wir an den ersten Fall zu denken
haben, deswegen weil der Budgettitel nicht angegeben ist. Es ist
nicht einmal nötliig anzunehmen, dass die Staatscassa damals leer
war. In Athen liebte man es heilige Gelder zu verwenden, auch
wenn der Staat nicht in Noth war. 1 Endlich gehört hieher noch
ein Decret der i-r.v.z aus dem Jahre 300 (01. 120. 1), in welchem
den Schatzfneistern Kränze zuerkannt werden: Itceiot; oi tap.[£a:
tm]v -q- 6so5 oi Ikt ’Hjs.y.ätyou apyjovto? fce[j.eAE0Y;cav [psta vjtöv
Gsapywv cirwc &'/ oi [kwlep]? tov ts oltov xopdoiovfyat 'Tijapa toü Si)p.ou
fov §<ps!).[6|A£vov] auxotjs] (C. I. A. II, nr. 612). In dieser bedrängten
Zeit konnten höchst wahrscheinlich nur Gelder, w 7 elche bei
den Tempeln eingingen, zur Verwendung kommen. Man
hat daher an eine Anleihe zu denken.
Zur Auffassung der Stellung der Schatzmeister könnten
noch Inschriften dienen, die zum Theile erst kürzlich gefunden,
von Köhler in den Mittheilungen des deutschen archäologischen
Instituts in Athen eingehend behandelt werden (3. Jahrgang).
Auf Seite 173 sind folgende Worte einer bisher unedirten Ueber-
gabsurkunde der Schatzmeister der Athene beachtenswert!): [- -
üBptm äpjYupat xpetc, ac gnonfämo ia]p.i'ai ot £wl ’A[pyiWoudp/ovroc]
ex. twv otakwv ~öv e|eXsu0£p]txwv, äc Aiopis
Htof[r,]sev. Es sind das silberne Hydrien, welche die Schatz
meister aus dem Material silberner Schalen hatten anfertigen
lassen. Ob dieselben eigenmächtig solche Umschmelzungen
vornehmen konnten oder ob dazu ein Volksbeschluss noth-
wendig war, ist nicht gesagt. Da diese Inschrift der nach-
lykurgischen Zeit angehört, so kann man vielleicht annehmen,
dass bei Gelegenheit der Reorganisirung des heiligen Sehatz-
wesens durch Lykurg, auch über diesen Punkt Bestimmungen
für die Zukunft getroffen wurden.
1 Aus dieser Urkunde darf man aber nicht schliessen, dass die
Schatzmeister der Göttin nach Euklid überhaupt den Richtersold ans
zahlten.
Sitzungsber. d. phil.-hist. CI. XCY. Bd. I. Hft. 27
418
Fellner.
Von sonstigen Inschriften, in denen der rap-tat xvjc ösoü ge
dacht wird, hätte ich vornehmlich die oft erörterte Urkunde
betreffs der Inventarisirung der Chalkothek zu nennen, in welcher
verordnet wird, dass dabei ausser den Militärbehörden, die Schatz
meister der Göttin zugegen sein müssen (C. I. A. II, 61). Warum
letzteres der Fall war, wird schon von Kirchhoff 1 dargethan.
Zur weiteren Aufklärung des Sachverhaltes dürften die neu
gefundenen Bruchstücke zur Inschrift nr. G4 des II. Bandes
der attischen Urkunden dienen. Diese Fragmente wurden von
Köhler 2 in ausführlicher Weise im Zusammenhang mit dem
früher aufgefundenen Theil der Inschrift erläutert. Von Be
lang sind die Zeilen 39, 40: [rljv 8s ct[^|X|y]v vyj]v icpb’[s ’Ä]X[s^a]v-
S[p]ov [xa]0[e]X[ii]iv [v]ob<; [vasj.totjc 6soü t[yjv —]ep[l x9j]<; [V|:j|j.t;.ayja[;].
Es wird angeordnet, dass die Stele mit dem mit Alexander
von Pherä abgeschlossenen Vertrag vernichtet werden soll.
Folgende erklärende Worte werden von dem Editor hinzu
gefügt: ,Die Säule stand auf der Burg, daher werden die
Schatzmeister der Athene mit der Ausführung des Beschlusses
beauftragt*. Es scheint somit alles, was auf der Burg war, unter
der Obhut der Schatzmeister der Göttin gestanden zu haben.
Deshalb mussten sie bei der Inventarisirung der Chalkothek
zugegen sein, deshalb konnten auch sie nur eine Stele, welche
auf dem der jungfräulichen Göttin heiligen Raume stand, ver
nichten lassen.
Von den Schatzmeistern hinweg wenden wir uns zu einer
neuen Behörde, die in Folge der Verfassungsumänderungen
unter dem Archon Euklides ins Leben getreten sein soll. Es
ist dies die Theorikenbehörde. Die Benennung derselben ist
schwankend, wie ein Blick in Böekhs Staatshaushaltung (1. 250)
zeigt. Am häufigsten kommt der Name: ot Im t'g Gewpowv vjpvj-
piivoi vor. Dass wir davon abzugehen haben, dass diese Be-
amtung unter Euklid geschaffen wurde, ist oben schon aus
geführt worden. Vielleicht gelingt es aber doch, den Zeitpunkt
wahrscheinlich machen zu können, wann die Creirung dieser
Behörde vor sich ging. Zu dem Zweck wird es nothwendig
sein, vorerst das Wesen des Amtes zu erwägen.
1 Pliilologus XV. [i. 405.
2 Mittheil, des archäolog. Instituts in Athen II, p. 291.
Attische Finanzvervraltung im fünften und vierten Jahrhunderte.
419
In Perikies Zeit zeigt sich das lebhafte Bestreben, es
dahin zu bringen, dass alle Athener an den Leiden und
Freuden des Staates innigen Antheil nehmen. Gross und
gewaltig stand damals die athenische Bürgerschaft da. Ihre
Führer waren bestrebt, diese Macht des Staates zur An
schauung zu bringen. Daher führten sie die mächtigen, von
ganz Griechenland angestaunten Bauten auf, daher auch be
gingen sie die Götterfeste — da immer viele Fremde in Athen
weilten — mit einer früher nie gesehenen Pracht. Den ärmeren
Bürgern wäre es bei der Menge der Feste schwer gefallen an
allen Vergnügungen, die der Staat damit verband, theilnehmen
zu können, wie z. B. an den Schauspielen, für die ein Eintritts
geld gezahlt werden musste. Von Staatswegen wurden daher den
ärmeren Leuten Festgelder ausgezahlt, damit dieselben sich
mit den Reichen zugleich freuen konnten. Dieser Vorgang ist
vor Euklid unter dem Namen der Diobelie überliefert (sic xy;v
SiwßsXi'av s3cor ( ). 1 Nach dem peloponnesischen Kriege konnte
bei der schlechten finanziellen Lage des Staates von einer
Diobelie nicht die Rede sein. Nachdem sich aber der Staat
wieder etwas erholt hatte, drängten die leichtlebigen Athener
so lange, bis endlich die Festgelder wieder eingeführt wurden,
Demagogen gab es genug, welche das Volk dadurch
für sich zu gewinnen suchten. Der Zeitpunkt, wann dieses
geschah, lässt sich ziemlich annähernd bestimmen. Harpokration
sagt unter Öswpr/.ä: Gsürptza r ( v xiva sv y.oivw yp^p.aTa axb xöv xijc
xcAswp xpoaoSwv auvayogeva - xa-jxa os xpixspov p.sv dq zaq xoü xoAsp.o'J
y.pdaq säpuXäxxsTO y.at ezaAeixo Gxpaxiümxd, ocxspiv 3s y.axsxiGsxo dq
Ts xac 3-pp.oc;ic<c y-axaraeuä? y.a! otavop.ac, tov xp£5xoi; ripqcno Ayißp'.oc.
Von einem Manne, der diesen Namen führt, wissen wir aber,
dass er einer der bedeutendsten und angesehensten Volksmänner
nach dem peloponnesischen Kriege war, dass er möglicher
weise den Ekklesiastensold eingeführt und wenn schon das
nicht, so sicherlich auf drei Obolen gebracht hat. Böckh hat
sich mit Recht dafür entschieden, dass auch bei Harpokration
im Artikel Theorika derselbe Argyrrhios gemeint sei (a. a. 0.
p. 315). Wenn weiter Zenobius berichtet, III, 27: ipa/y.'q ypz/.a-
uüca — exl Aioffiävxoo xo Gsürpyjxiy.bv (1. Gswpabv) sysvsxs opx/p.r^ sxsiSv;
1 C. I. A. I, 188, 189.
27*
420
Fellner.
I
äs sxecs yaXai'a xöxs axo xoü äspoc, /aXa£<5t:av auxfjv exfjy.wxxov so
geht daraus hervor, dass unter dem Archon Diophantos (Ol. 96.
2 = 395) die Volksspenden schon wieder eingeführt waren. Wir
werden wohl nicht fehl gehen, wenn wir aus derselben Stelle
folgern, dass die Auszahlung der Belustigungsgelder zu Anfang
von Ol. 96.2 oder zu Ende des vorhergehenden Jahres beschlossen
wurde. Damals kam auch officiell der Name Oswpr/.a für Dio-
belie auf.
Gleichfalls wäre darauf hinzuweisen, dass es früher nicht
eine eigene Casse gab, aus der die Belustigungsgelder gezahlt
wurden, sondern dass sie aus dem Staatsschatz entnommen
wurden und von den Hellenotamien zur Vertheilung kamen. Nur
im Falle der Noth wurden sie aus dem Schatze der Athena ent
lehnt. Aber auch da geht die Vertheilung durch die Helleno
tamien vor sich. 2 Später um Ol. 96. 2 konnte natürlich von
Ueberschüssen der Verwaltung, welche für die 0swpr/.a verwendet
wurden, nicht gesprochen werden, sondern dieselben mussten aus
den laufenden Staatseinnahmen genommen werden. Dann als
die finanziellen Verhältnisse sich zeitweise wieder besserten und
unter Eubulos Athen zu einer scheinbaren Nachbliithe kam, da
wurden in grösserem Massstabe öswptza an das Volk ausgezahlt,
ja sogar in so übertriebenerWeise, dass dadurch das Staatswesen
sichtlich Schaden litt. 3 Die Vertheilung dieser Gelder und die
Verwaltung der neu errichteten Theorikencasse konnten selbst
verständlich nach Euklid die Hellenotamien nicht mehr besorgen,
es musste dafür ein neues Amt gegründet werden. Das sind
eben die o\ Ixl xb ösmpixov •/.E'/sipoxorrjp.svo 1 .. Sie scheinen zehn
an der Zahl gewesen zu sein. Dass nun dieses Amt erst noth-
wendig ward, als unter dem Archon Diophantos oder im Jahre
früher Agyrrhios die Wiederaufnahme der Auszahlung von
Volksspenden beantragte und durchsetzte, scheint mir sicher
zu stehen. Die Errichtung dieser Behörde wird nicht früher
geschehen sein, bevor nicht Festgelder zur Austheilung kamen.
Die Einführung der Theorika und die Einsetzung einer Behörde,
welche sie zu verwalten und zu vertheilen hatte, dürfte sogar in
1 Würz (1878): De ecelesiastica raercede p. 21, 31.
2 Kirchhoff (Abhdlg. der Berl. Akad. 1876) p. 40.
3 A. Schäfer: Demosthenes und seine Zeit. 1. 181.
Attische Finanzverwaltung im fünften und vierten Jahrhunderte.
421
ein und derselben Volksversammlung beschlossen worden sein,
gerade so wie einst in einer Volksversammlung die Benützung
des Opistliodom als Schatz local für alle Göttersehätze und die
Aufstellung von ~x\j,ica xwv dXXwv Gswv festgesetzt wurde.
Gleichzeitig mit den Theorikenvorstehern soll in der
euklidischen Verfassung dem xap.iac xwv xxpaxiwx'.y.wv ein Platz
eingeräumt worden sein. Der Kriegsschatz wurde gebildet aus
den Tributen, dem Ueberschuss der Verwaltung (xä -spiovxx
vqq o'.oncfjijsüx; eivoa xxpaxiwxrex Rede gegen Ncära, s. 1346, 4)
und der Vermögenssteuer (sicpcpa). 1 Tribute fallen nach Euklid
überhaupt weg, auch von Ueberschussgeldern der Verwaltung
und einer dcyopct konnte damals nicht die Rede sein. Es klingt
unwahrscheinlich, dass man in jener Zeit, wo der Staat so sehr
des Friedens bedürftig war und wo gar keine Nothwendiglceit.
dazu vorlag, die Kriegszahlmeisterstelle errichtet habe. An
fänglich hielt ich es für wahrscheinlich, dass dieselbe im Jahre
des Nausinikos ins Leben trat, in einer Zeit, wo der Staat wieder
neu aufzublühen begann. Das lassen aber die bereits genannten
Worte der Inschrift (Athenaeon VI. 152) nicht zu: xo os vuv sivai
•xapaco'jvxi xoup x'xoo£'/.txc t'o dq to'jc <7ze.<ptx'/ouq sy. tüv axpaxuoxiy.(öv "/pr r
|j.ä-(dv, aus welchen Arnold Schäfer 2 mit gutem Grunde schliesst,
dass in dem Jahre der Ausstellung dieser Urkunde (01. 108. 2
= 347) das Amt eines xxp.'.ac xwv jxpaxiwxiy.wv noch nicht be
standen habe. Demosthenes’ Reden scheinen damit übereinzu
stimmen, in welchen oft genug Gelder genannt werden, die man
zu xxpax’toxiy.x ypvfy.axa verwenden soll. 3 Nie aber findet man nur
eine leise Bezugnahme auf den Beamten, welcher der Kriegs-
casse Vorstand. Bei Erklärung derselben Inschrift gibt Schäfer
an, dass Georg Löschke der Erste war, welcher Böckhs Ansicht
über das Einsetzungsjahr des Kriegszahlmeisters als irrig er
kannt und wahrgenommen hat, dass das Amt erst 01. 110. 3
= 338 mit Beginn von Lykurgs Finanzverwaltung geschaffen
und seitdem beständig beibehalten wurde. Ich muss gestehen,
dass diese Anschauung Löschke’s sehr viel für sich hat. Ist
ja doch der früheste inschriftliche Beleg über die Thätigkeit
1 Vgl. Böckh a. a. 0. 1. 246.
2 Rh. M. XXXIII, p. 431.
3 Z. B. olynth. Reden 1. 19 und 3. 10.
422
Fellner.
eines Kriegszahlmeisters aus der Zeit Lykurgs erhalten. Damals
wurde, wie ich unten weiter ausführen werde, eine commissa
rische Behörde eingesetzt, welcher die Ordnung der heiligen
Schätze oblag. Diese bezieht (Ol. 111, 3 = 334) aus den
vom raptla; tj-paxtw'uxwv verwalteten Staatsüberschüssen Gelder
für Niken und Festgeräthsehaften (et; tä; vi[-/.oc] x.a! Ta tc[op.]T:cta). 1
Ausserdem weiss man, dass Kallias, Sohn des Habron, ein
Schwager Lykurgs Ol. 110.3 = 338 Kriegszahlmeister war. 2 In
späterer Zeit, nach dem Jahre 300, als gewichtige Veränderungen
in der athenischen Staatsverfassung stattfanden, wird der Tap.txc
orpaTtwv.xwv weit häufiger genannt. Das Amt hatte damals an An
sehen unstreitig sehr zugenommen und auch Veränderungen in
seiner Competenz erfahren. Wie Harte! sehr wahr betont, ist der
Kriegszahlmeister jetzt eine obersteVerwalttingsbehörde geworden.
Das geht in erster Linie aus der Inschrift nr. 327 (C. I. A. II)
hervor: et; os -rijv ävxYpaoYjv [y.a! tyjv dvaöejmv ty); irrfp.Y;; p.sp!cjxt
tov Tspiav [töv jTpaTtcojTiy.öW y.a! tov; Iit! ist Btotx.Y]aei to Yc[vöp,evov
ävaAw];j.a. 3 Aus den Inschriften, welche im Corpus vorhergehen,
ersieht man, dass die oberste Verwaltungsbehörde, welche zu
jener Zeit bestand, o! etc! ty; Stoty.ijCct genannt wurde und die
Kosten für derlei Auslagen bestritt. In unserer Urkunde aber
wird 6 Tapia; tmv aTpaiuoTixwv vor oi sic! ty; o\o'.v:rpv. namhaft-
gemacht und zwar in einer Fassung, welche den Schluss er
laubt, dass damals an der Spitze der Verwaltung eine combinirte
Behörde stand. Auch kurze Zeit später, als das Amt der
sFt ty; oisiy.Y;!7£i wieder in der Hand eines einzigen Beamten
vereinigt war, der den Titel o e~! ty; Stoty.ijoet führte, finden wir
sehr häufig den Kriegszahlmeister genannt und mit denselben
Functionen wie den obersten Verwaltungsbeamten betraut.
Daraus folgt, dass diese beiden Beamten als oberste Behörde
neben einander bestanden. Um ihre gleiche Wirksamkeit zu
erkennen, führe ich aus vielen Inschriften nr. 393 und 396 an:
Et; OE [tyjv ävavpasY;v y.a! ty;v ävxOsotv ty;;] cmjXYj; p.£p{oat tov e~! te:
[oioixYjost to ^evojaevov ava/.wjxa] (393) und Et; 8e [ty;v avaYpa$Y) v v-a'■
ty;v ävaösotv tt,]; gtvjXt;; [pieptaai tov Tapttav twv OTpaTtWTiy.Jmv to ysjvo-
1 Köhler: Hermes 224 ff. und Michaelis a. a. 0. 292.
2 Böckh a. a. 0. 1. 246.
3 Oie Inschrift ist kurze Zeit vor dem chremonideischen Krieg; zu setzen.
Attische Finanzverwaltung im fünften und vierten Jahrhunderte.
423
jxevov ävozwp.a] (369). Weiterhin ist aber auch bezeugt, dass
der Kriegszahlmeister seinen früheren Obliegenheiten in gleicher
Weise naehzukommen hatte. Einen schönen Beleg dafür liefert
eine Urkunde, welche in die Zeit des chremonideischen Krieges
gehört, nr. 334:
Ta[j.iaq ffTparuo)[Tttu3vj
EüpuxXe!or;c M'äiwvoc [K^pto-tsuc]
folgen die Präscripte und dann:
eBotev TW 3f ( ;/.(;)
[0sjcipt}|i,o<; T'.[;.o'/./4o'jc MapaQwvioc swrsjv • 3twc äv -/prjpjtTwv Trjopt—
oöevtwv l/v. 5 ~a[j.iy.c |i.spi'£stv Ta [cscp.sva, :va y.xzx tsv y.jaraXotzcv
•/povov toj. evtaoTou äuvy.[op.:c6wcrtv ci iv. 'fic ?] [xJapKot |xsv’ äaip aAsiac. 1
Unter 5 Tapda; kann nur, wie zudem aus der Ueberschrift,
aus dem darauf folgenden Text und vornehmlich aus den
Worten: to 8s 4f,[(p:cjp.a töBs, stts'ct;j zspi oripoo /p'^p.aTwv sartv orpa-
t:wt[-/.w[v, sivai xtrav sie ijojXay.Yjv rr,z yoipa; klar wird, der Kriegs
zahlmeister gemeint sein, welcher Zahlung leistet.
Endlich wäre noch auf einige Ephebendecrete zu verweisen,
welche dem Ende des zweiten und Anfang des ersten Jahrhunderts
angehören, in denen ebenfalls der Tap.iac arpajtwTiy.wv genannt
ist. Wir lernen daraus, dass die Strategen und der Kriegs
zahlmeister dafür zu sorgen haben, dass an den bestimmten
Festen die Verkündigung der Auszeichnung geschieht, welche
das Volk den Epheben zuerkannt hatte: 3s ävafopsucsw? toO
orsoavou s^t(i.skr,0f ( vat to : jc orpaTYppob.; za: tov oapzav twv OTpaTiWTrxwv
(z. B. 467 Z. 50 ff.). ■ Das Geld für die Aufstellung der Ur
kunde in Stein gibt der -itx\j.ixz her: to Bs ysvop.svov s:; owTYjv
ävocXwp,a p-spioa: tov :ap.:av twv crrpaTtWT:y.wv (a. a. 0.). Bis tief in
das erste Jahrhundert scheint der Kriegszahlmeister jenen an
gesehenen Verwaltungsposten bekleidet zu haben.
Wie überall, so waren in Athen die verschiedenen Aemter
dem Wechsel der Zeit ausgesetzt. Denn wie die Macht und wie
die Anschauungen des Volkes sich änderten, in gleicher Weise
waren die Beamtengewalten mit den Wandlungen des Volkes
Vgl. Hartei a. a. O. 9 u. 77 ff.
424
Fellner.
Veränderungen unterworfen. Schon früher aber habe ich geltend
gemacht, dass die Auffassung nicht nothwendig sei, dass unmittel
bar im Gefolge einer Katastrophe all die Umgestaltungen, wie wir
sie später vorfinden, vor sich gehen. Wahr ist, dass viele Um
änderungen gleich damit eintreten, manche davon aber kommen
oft erst geraume Zeit später zum Vorschein. So haben wir
gesehen, dass in der athenischen Finanzverwaltung nach dem
peloponnesischen Krieg Veränderungen statthaben mussten.
Die nothwendigsten wurden gleich ins Werk gesetzt, andere
finden, wie es in der Natur der Sache lag, später Eingang. Es
dauerte eine Weile, bis der attische Finanzapparat wieder
vollständig in Ordnung gebracht war. Unter den Aemtern,
welche einige Zeit nach Euklid eingeführt wurden, ist auch
das des Volkszahlmeisters (xapi«? toü zu nennen. Wann
das Amt errichtet wurde, lässt sich schwer sagen. Sicher ist,
dass es unter Euklid selbst nicht geschah, weil damals noch
behufs Herstellung von Inschriften die Poleten die Steinarbeiten
verdingten und die Kolakreten die Zahlung leisteten. Auch
das scheint nicht vollkommen fest gestellt werden zu können,
dass es vor dem Archontat des Nausinikos schon einen trapla?
toü Sr,p.ou gab. Köhler ergänzt zwar Z. 4—6 der Inschrift nr. 12:
t'o [8]s [apv’jp'.ov de xrjv axiqXrjv Soüvat xb]v taptav [x]oü [S-qpou jy. xüv d~
<Jdi<pi'ap.axa ävaAta]y.op.£v[(i)v und bemerkt zur Texterklärung: ,foedus
cum Seutha Maesadae filio Odrysarum rege Thrasybulo auetore
Ol. 97. 2/3 (390 a. Ch.) primum ictum esse, narrat Xenophon
Hell. IV, 8, 26. Sed Chabriam tum temporis in Thracia
versatum fuisse vix credi potest, et insunt etiam in ipso titulo
quae probare videntur eum paullo recentiorem esseh Ob dieser
Titel nicht unter Ol. 100. 3 herabgerückt werden könnte, wage
ich zwar nicht zu entscheiden; Ergänzungen wie Z. 3 p.evot xöfv]
a[up.p,öX(i)v ?] und Z. 22 [oup.p,]d/[(ov] scheinen beinahe dafür zu
sprechen. Mit meiner Auffassung der Dinge würde es eher zu
sammenstimmen, wenn das Amt eines xapia? toü -Siqp.ou unter dem
Archon Nausinikos oder etwas später erst nachweisbar wäre.
Worin der Schwerpunkt des Amtes lag, geht aus dem her
vor, dass der xapia? angewiesen wird, bestimmte Summen
für die Herstellung von Inschriften zu geben: ex. xöv st? xa
v.y-'x avaXtoxop-sviov tm brjp.fp oder abgekürzt sx, xtSv
y.axa tyr,oiG[j.oac/. äva/.toy.opevwv xto Svjp.(p (vgl. Hartei a. a. 0. s. 130).
Attische Finanzverwaltung im fünften und vierten Jahrhunderte.
425
Der Sinn davon ist, dass alljährlich bei Feststellung des Budgets
eine bestimmte Summe vom Volke für die Aufstellung wich
tiger Volksbeschlüsse dem Voikszahlmeister überwiesen wurde,
analog wie es bei den Kolakreten der Fall war. Es konnte
nun Vorkommen, dass in einem Jahr mehr Inschriften, in einem
andern weniger zur öffentlichen Aufstellung kamen. Dann
war die Möglichkeit vorhanden, die Casse des rajxta? ander
weitig in Anspruch zu nehmen. Ferner lässt sich der Fall
denken, dass das Volk, wenn es gerade keine Gelder zur
Disposition hatte, über die Casse des Zahlmeisters nach seinem
Belieben verfügte. Wir finden daher, dass derselbe manchmal
andere Auslagen, wie für Opfer, Kränze und Diäten zu zahlen
hatte (a. a. 0.). Alles dieses aber wurde aus demselben Budget
titel bestritten und unter demselben verrechnet, wie schon
die früher besprochene Inschi-ift nr. 115 b lehrt, wo gesagt
wird: xov Taplav too Sfjp.ou xbv äet xapusuovta Stoovac neicriöstSvj opa/p.r,v
t% rjp.spac sy. "(Sv y.axä <pY]<ptap.aTa avaAtazop.sv(ov tm orjp.(;). Ferner
lassen die Worte: xbv xaplav tou tgv aei Tap-ieoovia wie tyjv ßso-
Xtjv ty)v äs: ßouXcuouuav erkennen, dass das Amt ein jähriges ist.
Aus derselben Urkunde kann gefolgert werden, dass der zap,:a;
eine Casse zu verwalten hatte, da wir lesen, dass ihm die Apo-
dekten das Geld zata tov svtauibv ey.a<rcsv geben. Wie lange dieses
Amt in Athen bestand, lässt sich ebenso wenig angeben, wie
dessen Errichtungszeitpunkt. Das älteste datirte Decret, in
welchem es vorkommt, stammt aus 01.103 l. = 368/7, das jüngste
aus 01. 114, 3 = 322 (a. a. O.). Dadurch ist aber nicht
ausgeschlossen, dass der Volkszahlmeister vorher und eine Zeit
nachher fungirte. Mit Sicherheit kann angenommen werden, dass
er mit Beginn des dritten Jahrhunderts vom öffentlichen Schau
platz verschwindet. In welchem Verhältnisse er zu dem swi rj Stot-
y.ifcs: stand, werden wir kennen lernen, wenn wir von letzterem
Amt handeln. Hier aber möchte ich schon darauf hindeuten,
dass bald nach dem Sturze des Demetrios aus Phaleron grosse
Veränderungen im athenischen Gemeinwesen erfolgt zu sein
scheinen. Die Aemter eines Toqdac ~.f r c v.y.rrfi xpocioou, -zaylaq toü lr r
p.ou und vielleicht schon des Kriegszahlmeisters dürften davon
betroffen worden sein. Die Inschrift nr. 243, welche jedenfalls
vor 301, vielleicht sogar einige Jahre früher zu setzen ist,
scheint dem Uebergangsstadium angehört zu haben, wie die
426
Felluer.
Worte andeuten: e;? 3s XYjV avay,paqffjv xvjc cx/Xr ( c ooüvat xov xaplav
xoü S/poy AAA opayp.äc sy. xwv xo'vöv ypv)p.axwv; weder vorher
noch nachher finden wir diese Formel gebraucht. Der xapta?
xoü ävjp.ou stand auf kurze Zeit in einem nicht mehr näher auf
zuklärenden Verhältnisse zu den y.oiva zpyjpaxa (vg’l. a. a. 0. p. 135).
Bevor wir den Kreis unserer Erwägungen mit der Be
trachtung des wichtigsten Finanzamtes in Athen, mit dem xapuaq
vqq y.otv% ::poc;öoo'j abschliessen, erübrigt noch, die Stellung der
xaplat xijc ßouXij? näher ins Auge zu fassen, über die wir aus
den hinterlassenen Urkunden nur spärliche Notizen sammeln
können. Die Lexikographen lassen uns hier im Stich. Ob schon
vor Euklid xaptai ßouXrj? existirt haben, darüber können nur
Vermuthungen angestellt werden. Nach ihrer Competenz, die wir
bald kennen lernen werden, zu sehliessen, Hesse sich die Frage
unter gewissen Einschränkungen bejahen. Urkundlich bezeugt ist
dieses Amt in der nacheuklidischen Zeit. Die erste Erwähnung
dieser Schatzmeister finden wir in der Inschrift, welche über
die Inventarisirung der in der Chalkothek aufbewahrten Gegen
stände handelt (nr. 61). Es heisst in diesem Rathspsephisma,
welches in die Jahre 01. 105. 3/4 oder 01. 106. 3/4 nach
anderen 01. 107. 4 = 349 zu setzen ist Z. 17 ff.: £-e:oav 3e
iijsxacÖYj mmx x[ai] xvaypaoyj, xbv ypxp.jj.axsa x-/? ßouXvj? avaypaAavxa
[sv] <txy)Xy) XlOivv) cxY)!ja: ep/xpoaOsv xr;? yaXy.o8fjy.[v;c] • [sc] cs xf,v äva-
ypas>Y) v xi)? cx/X-rjc äouva: xouc xapta? [xij?] ßouX^g: A A A: [opjaypac
ey. xöyy.axa A'/j^lcjj.axa avaX[t3x.o]pivwv xj) ßouXij. Weiter ist noch
von Belang, die den Erklärern so viele Schwierigkeiten bietende
Inschrift nr. 114, welche in das Jahr 01. 109. 2 = 343/2
fällt. Es ist in derselben ein Volksdecret enthalten, in welchem
der Bule ein goldener Kranz zuerkannt wird, weil sich die
selbe um die Abhaltung der ludi scenici an den grossen Diony-
sien bestens verdient gemacht hatte, daran sehliessen sich
Rathsdecrete, welche von der Bule aus Anlass dieses Ereignisses
zu Gunsten von Rathsmitgliedern oder Beamten des Rathes
erlassen waren. Zu Anfang des Inschriftentheiles C, welchen
Köhler mit dem Volksbeschluss bei B unter folgenden Worten
in Verbindung bringt: In quibus si recte explevinms vs. 4—5
(xou? ßouXsuxa? ot . . . soocrav) intellegendi esse videntur magistratus
vel ministri quorum nomina exarata sunt in parte, lesen wir
vs. 1—9:
Attische Finanzverwaltung im fünften und vierten Jahrhunderte.
427
[YpajjLjMexjsJu]? v.'jr.'J. 7t[puTa]vetav •
KXeiorpaToc
ist "ä 4'r]®(cp.a'ua •
Ay]p,ö<ptXo?
ist to Ostopty.öv •
K^otoocxÖv '
ßo-jÄ^c %<x[i.ica ■
’AvtmXy]? ’ApitrcospäTOuc Kuoa0r;vaicij?
Apop,oxXei8Y]? Gpacup^Souc Af/cooio?.
Weiter ist beachtenswerth im Abschnitte A vs. 4—16 Asivc-
orpaTO? AeiviaSou AypuXyjOsv sfeev • isetSv; r t ßouXr, ,
oeoo/6ai vj\ ßouXyj, ayaQfl tü/yj toü S^pou toü AÖYjvaiwv y.a't ty)? ßouXvj?,
Ixaivecai <bav6SY)p.ov AtuXXou 0up,aiToiS7]v y.at oTeoavwaas at)Tov
ypucrw orstpavw to Se apyuptov stvai to £t? tov oreoavov iy.
twv et? Ttt y.aTa 4r ( ^top.aTa dvaXtosofAevtov tsI ßouXst und B
Z. 14—15 tou? oe Tapdja? Soüvac t]o apfipiov iy. tüv y.aTa 4r ( oto-
paTa dva [Xicr/.o] p.sv wv ty) ßouXY).
Ferner steht im AOijVatov VI, 270 (4. Jahrhundert a. Chr.)
in einem Rathspsephisma: to 8s s? avaYpacfYjV tvj? oty)Xy)? ävdXwjjia
Soüvat tov TajJtiav tyj? ßouXvj? sty.ofot opayjad?]. Ebenso ist C. I. A. II.
nr. 375: p-spiaai tov Tapiav to Yevop.svov avxXtop.a an den Tap.t'a? vqc
ßouXij? zu denken (Hartei a. a. 0. p. 136), da wir einen Raths
beschluss vor uns haben. Aus den angezogenen Inschriften
wird mit Sicherheit hervorgehoben werden können, dass gerade
so, wie bald nach Euklid ein Budgettitel für die Aufstellung
von Inschriften von Seite des Demos bewilligt wurde,
ebenso von der Volksversammlung um dieselbe Zeit ein eigener
Budgettitel für die Bedürfnisse der Bule eingeführt wurde.
Aus demselben sind die Aufstellungen von Inschriften, welche
der Rath besorgen liess und andere Arten von Ehrenbezeugungen,
welche derselbe beschloss, gezahlt worden. Vermuthlich werden
die Einnahmen, welche der Rath hatte, z. B. Bussen für kleine
Vergehen, in diese Casse geflossen sein. Aus derselben sind
dann auch die Speisungen der' Prytanen und der Sold der
Rathsherren bezahlt worden. Letzterer Umstand scheint dafür
zu sprechen, dass bereits vor Euklid Tapiat ty;? ßooXv;? bestanden,
welche die Verwaltung der Rathscasse zu besorgen hatten. Dass
es mehrere Tap-tat gab, bekräftigen die angeführten Inschriften.
Wenn Köhler auf Grund von nr. 114 schliesst, dass um die Mitte
428
Fellnö r.
des vierten Jahrhunderts zwei Schatzmeister des Rathes waren,
so scheint er sich doch zu irren (Hermes V, 13). Erstlich ist
zu bedenken, dass die Zweizahl im attischen Beamtenstand
sonst keine Rolle spielt und zweitens, dass in den Formeln,
welche hinterlassen sind, dann überall der Dual gebraucht
worden wäre. Wie bei den meisten athenischen Finanz
behörden, so scheint hier die Zehnzahl berücksichtigt worden
zu sein. Ich halte es für wahrscheinlich, dass die Schatzmeister
der Bule aus den Buleuten genommen worden sind und dass
analog den 10 Phylen und den 10 Prytanien auch 10
bestanden.
Ausser den früher besprochenen Inschriften sind uns noch
eine grosse Anzahl von Urkunden erhalten, in welchen gleichfalls
Schatzmeister angeführt werden, die mit dem Rathe in Beziehung
stehen. Die Documente stammen aus der Zeit, in welcher es Mode
geworden war, die Einzelnen, sowie die Körperschaften, auch
wenn dieselben nichts Besonderes geleistet, sondern nur ganz
einfach ihre Pflicht und Schuldigkeit im Dienste des Staates
gethan hatten, mit Ehren und Kränzen zu überschütten. So
sehen wir denn, dass es beiläufig um die Mitte des dritten
Jahrhunderts zur Regel wurde, die abtretenden Prytanen
zu beloben und mit einem goldenen Kranze zu beehren,
,weil sie die vorgeschriebenen Opfer dargebracht, Rath und
Volk versammelt und die Bilder des Volkes aufgestellt haben'
(a. a. 0. p. 331 ff.). Ebenso machten die scheidenden Pry
tanen einen Bericht in Betreff ihres Cassierers und Schrei
bers, und letztere wurden dann vom Rathe gelobt und durch
einen Kranz aus Zweigen geehrt. Zahlreiche Inschriften aus
den letzten Jahrhunderten vor Christ, sind darüber über
liefert: 329, 390, 391, 393, 408, 417, 425, 426, 431, 432, 440,
441, 454, 459 und 487. Unseren Zwecken entsprechend wollen
wir einige Stellen aus denselben genauer erörtern. In der Inschrift
nr. 329, welche in die erste Hälfte des dritten Jahrhunderts
gesetzt wird, 1 sind folgende Zeilen von besonderer Wichtigkeit:
Tjj ßtj'j/vSt siratvEsai "o v vajjt’av M t•/.o•/.p ävvj v Attovo?
1 Es wird wohl in derselben Eubulon als Archon genannt. Das Jahr lässt
sich aber nicht genau bestimmen. Dittenberger setzt die Urkunde zwischen
01. 126. 1 und 128. 1. Hermes II, 387, vgl. dazu C. I. A. II. p. 156.
Attische Finanzverwaltung im fünften und vierten Jahrhunderte.
429
’Avy.jXijOsv eiraeßsi'a; svexa t~r t c r.pbc toI/c Osoi/c y.at
ftXoxqua; tr,c stc col/c ouXstäc ■ und aus dem zweiten Decret:
sw: r?jC scjosy.occYjc wpoTOVsta; • Zi'jioi; (?).... etwsv • swstSr, N r/.o-
y.piTYjc ßouXsüsiv Aayiav tov svtauTOV tov sw’ EußoöXou ip/vr.o-
otaTSTsXsy.sv Xsyiov y.a: wpxTT«v ayaöcv , y.at t a p: 2 c
atpsöscc üwc t9;c ßouXvjC de ts -ac 0uotac pspspty.sv toi;
Ispowoiot;. Die am Schlüsse der Urkunde beigefügten Summarien
lauten:
05 suXsTat '0 or;ij.es 05 Hanoi
tov Tapixv tobe itpuTavst; tov Typ.txv
NtxoxpdTYjv Nty.oy.pdr/jv.
Dazu bemerkt Köhler: illud dubitari potest, num Nico
crates, qui in altero decreto diserte quaestor senatus fuisse
dicitur, etiam quaestor prytanum Aegeidis tribus fuerit . . . .
Man könnte also hier einen Schatzmeister der Prytanen und
einen Taplxc r/jc ßouXvjc unterscheiden. Das ist sicher, dass der
Nikokrates im ersten Decret mit dem Nikokrates im zweiten
identisch ist, da in beiden Beschlüssen Vatername und Gau
name 1 übereinstimmen. Der Schatzmeister der Prytanen und
der des Rathes würden also hier ein und dieselbe Person sein.
Aus dem zweiten Decret ergibt sich ausserdem, dass der Tapiac
r/jc ßc-jXvjc Nikokrates Buleut war und dass die Schatzmeister
würde nicht durch das Loos sondern durch Wahl besetzt wurde.
Mit diesen Ergebnissen dürfen wir uns aber noch nicht zu
frieden stellen.
Zu einem Ziele, glaube ich, wird die Untersuchung erst
dann geführt, wenn wir noch die Inschrift nr. 431 in den Kreis
unserer Erwägungen ziehen. Es heisst da Z. 33 ff.:
[so]o;s[v ts: ß]ouXst ■
Ey.cy.vToc [EJü[ . . . . o]u [stwsv] ■ sw[st§]r ( ot wporetvetc r/j; Astov-
“tocc swaevsjoovTse] y.x[t orjsoavwGavTs; Gcxoeatvouct ts: ßouXet t[öv
T]ap,{[av] ov stXovTo sc [sa'jTüjv HaTpo/.Xvjv Zouvisfa] xat cb[v
Y]pa[jxp,a]Tea ’Ac:oXXosa[v/jv R-/jTT:o]v tac Öuota; Ts0u[z]svat wä|oa; cac
y.]a6ijxoüoac sv t[eI oipu]Totvs5a vuip ts t?,c ßouX^c y.aft] c[ou 3r,p.]ou, |sw:p.s-
|J.s]X^[cÖat os y.jyt twv a/.Xwv y-yvTojv y.aXüfc y.at oiXoTtpuc • a‘fa]&jj
1 Auch am Schlüsse des zweiten Decretes liest man: jVtzoxpiXTrjV Aitovo;
’AyxuX^flsv.
430
Fellner.
t[6-/c'- SsBöyjOoü xsf ßouXei, STOtive[<x]at xov xajpfjocv Il[axpoy.Xi;v ....
Sojuviea y.a\ xov ypap.pjccxjso: ’Atco?Ao©gcv[y]v ’AteX]Xof[aivöus Kvjxxijov
•am xov x[apiav x]% ßouXvjs "Ey.fflavxov 0ptd[a]tov am
Hier ist nun deutlich genug ausgedrückt, dass die Prytanen
für sich einen Schatzmeister für die Dauer der Prytanie aus
ihrer Mitte wählen. — Die Ergänzung ov siXovxo ei; eauxwv ist
durch die Inschrift nr. 454 vollkommen gesichert. — Derselbe
ist mithin Prytane und hat dafür zu sorgen, dass die Opfer,
welche die Prytanen während ihrer Amtsdauer zum Wohle
des Rathes und des Volkes darzubringen haben, in gehöriger
Weise vor sich gehen. Weiter lesen wir, dass der xapaa; x5j;
ßouXvjc, Ekphantos, mit dem Schatzmeister der Prytanen Patrokles
gelobt wird. Klar ist jetzt, dass man strenge den xapJa; der Pry
tanen und den Schatzmeister des Rathes zu sondern hat. Beide
sind zwar Buleuten. Der erstere Schatzmeister ist aber nur für
die Dauer der Prytanie und speciell auch für die Prytanie allein
in Wirksamkeit und daher aus der Mitte der Prytanen genommen.
Der xapia; x-?j; ßouXrji; ist hingegen mit umfassenderer Competenz
von der gesammten Bule zu Anfang des Jahres — uto xr)?
ßouXvj«; atpsOet; — als ihr Schatzmeister gewählt.
Nachdem wir den Thatbestand zur Kenntniss genommen,
ergibt sich das Resultat, dass nach Euklid lange Zeit hindurch
xapiat xvj; ßouAvj; gewählt wurden, welche wahrscheinlich zehn an
der Zahl waren. Ende des vierten Jahrhunderts wird es dann
gewesen sein, dass dieses collegialische Amt einer Person
übertragen wurde; sonst wäre es nicht erklärlich, warum mit
einer solchen Bestimmtheit nur mehr ein xap-ta; xvj; ßouXij;
genannt wird. Besonders auffällig würde es sein, dass, wenn
mehrere gewesen wären, unter den Aisiten nur einer angeführt
würde. Es können auch nur so die Inschriften (’AO-jvatov VI, 270
und C. I. A. II. 375) ihre Erklärung linden, in denen der
Schatzmeister des Rathes eine Zahlung zu machen hat.
Die Inschrift nr. 329 wird damit befriedigend erklärt, wenn wir
annehmen, dass Nikokrates, welcher bereits zum xapia; vr\c, ßouX^;
gewählt war, von den Prytanen seiner Phyle zu ihrem speciellen
Schatzmeister genommen wurde, als die Prytanie zu amtiren
anfing. So bekleidete derselbe zwei Schatzmeisterstellen, die
der Bule und die der Prytanie der Aigeis. Im ersten Decret
wird er gelobt als Schatzmeister der Prytanen seiner Phyle,
Attische Finanzverwaltung im fünften nnd vierten Jahrhunderte.
431
im zweiten Decret, welches am Ende des Jahres abgefasst
wurde (sjti tt)c owoey.ar^c irpuTavei'a;) wird er als Rathsmann
und Ta;j.iac ~r t : ßo'j/.v“; geehrt. In welchem Verhältnisse der
jeweilige Schatzmeister des Rathes zu dem der Prytanen stand,
ist zwar nicht überliefert, es lässt sich aber doch vermuthen,
dass die vom Volke für den Rath bewilligten Gelder sonder
Zweifel der tapJa; ~r t c ßouXij<; in Empfang genommen und dem
jeweiligen Schatzmeister der Prytanen das Nothwendige über
mittelt hat.
Nach der Besprechung der verschiedenen Finanzämter
erübrigt noch, um den Kreis unserer Betrachtungen abzu-
schliessen, das Amt zu behandeln, welchem von den verschie
densten Forschern eine so hohe Bedeutung zugeschrieben
wird, nämlich das eines xap,{a<; üjq y.otvfjq liposöoou, oder wie es
genannt wird: 'o siel xjj oiotxyjcsi. Schon im Anfänge meiner Ab
handlung habe ich darauf hingewiesen, dass diejenigen, welche
das Amt ein nacheuklidisches nennen, jedenfalls der Hauptsache
nach das Entscheidende geltend gemacht haben. Wie schon
früher aber wiederholt betont worden ist, dürfen wir unter der
Bezeichnung nacheuklidisch nicht gerade verstehen, dass ein
Amt bereits unter Euklid geschaffen wurde und unmittelbar
nachher ins Leben trat. Auch hier werden wir diese Worte
nicht so gebrauchen können. Denn erst als Eubulos und seine
Partei die Geschicke Athens leiteten, finden wir eine Er
wähnung von einem Tccpiac t?j? y.oivvjc nporöoou. Es fragt sich,
in welchem Jahre etwa dieses Amt in Athen errichtet worden
ist, oder mit anderen Worten, wann die Nothwendigkeit an
das athenische Volk herantrat, eine Behörde zu gründen,
welche die Verwaltung der gesammten Staatseinkünfte oder
des athenischen Staatsvermögens in die Hand nahm. Wir
werden nicht fehl gehen, wenn wir an das Jahr des Nausinikos,
das ist, an die Errichtung des neuen Seebundes denken. 1 Der
Staat hatte sich eben damals zu erholen angefangen, sein An
sehen nach Aussen hatte sich verstärkt. Er konnte es wagen,
einen neuen Bund in Anregung zu bringen, der offen als seine
1 Die Arbeit war schon vollendet, als ich die von Wilamowitz (Hermes XIV,
p. 150) nebenbei gemachte Bemerkung las, dass das oberste Finanzamt
frühestens 354 geschaffen wurde.
432
Fellner.
Tendenz, die Sicherung der Freiheit und Selbständigkeit der
Hellenen gegen die Lakedämonier aussprach craoc av Aa[y.e]-
Sfaifj-iJv'ot eÜ!tou; "EDorpac eXeuösfpjou; [xal] abrovojjwuc vjaijyjav
aystv (C. I. A. II. 17 A Z. 9—11). Athen hatte sich
endlich aufgerafft, kühn erhob es sein Haupt und versuchte
wenigstens einen Theil seiner alten Machtstellung zurückzu
gewinnen. Ob ihm dieses auf die Dauer gelang, ist für unsere
Betrachtung nicht von Belang. Aber das ist wichtig, dass
wenigstens, als Nausinikos Archon war, jeder Athener stolz
auf die Errungenschaften seines Staates sein konnte. Es war
wieder Wahrheit geworden, dass Athen als Haupt einer ansehn
lichen Symmachie dastand. Beiträge, welche zur Unterhaltung der
Kriegsmacht des Bundes dienten, wurden eingezahlt. Wenn man
ihnen auch einen anderen Namen: jcrjv-icjsic 1 gegeben hatte, so
kamen sie doch im Wesen dem Phoros gleich. Da sie nach Athen
eingezahlt wurden, so trat die Nothwendiglceit heran, eine Behörde
einzusetzen, welche sich, wie früher die Hellenotamien, mit der
Verwaltung der in Athen einlaufenden Gelder der Bundes
genossen zu befassen hatte. Wenn Schäfer (a. a. 0. 1, 28/29)
meint, dass keine neue Behörde zu dem Zwecke gegründet
wurde, sondern dass die Strategen die Bundesgelder zu ver
walten hatten, so scheint mir das noch nicht ganz sicher zu
sein. Die Belegstellen, welche derselbe anführt, zeigen alle
nur, dass die Feldherren zu ihren Operationen Gelder an
gewiesen bekamen, welche sie selbst von den Bundesgenossen
einzucassieren hatten. Von einer Empfangnahme und einer
Verwaltung derselben durch die Feldherren in Athen selbst wird
nichts gesagt. Dafür musste aber eine Behörde bestehen, da
ja, wie Schäfer zugibt, eine Bundescassa bestand. Ich bin über
zeugt, dass man damals in der Hoffnung, ein mächtiger Bundes
schatz werde sich, wie ehemals wieder ansammeln, kaum unter
lassen haben wird, eine Behörde zu gründen, welche den zu
erwartenden Schatz verwalten sollte. 1
Wer diese Verwaltung bekommen hat, kann nach den
obigen Andeutungen von meinem Standpunkte aus nicht schwer
beantwortet werden. Es ist der xapiaa-'ir;!; xotvij; ■ÄpocoSou, dessen
1 Vgl. Georg Busolt: Der zweite athenische Bund. 7. Supplementband der
Jahrb. für. cl. Phil., p. 716 und 717.
Attische Fiuanzverwaltung im fünften und vierten Jahrhunderte.
433
Amtstätigkeit von jener Zeit ab zu datiren ist. Wenn mit
dieser neuen Beamtung die Verrechnung aller Einnahmen
und Ausgaben des Staates in Verbindung gebracht, und in
Erinnerung an die vierjährige Verwaltungsperiode von grossen
Panathenäen zu grossen Panathenäen, die Wirksamkeit des Amtes
auf vier Jahre normirt wurde, so lassen sich dafür gewiss manche
Erklärungsversuche finden. Was den Namen dieses Beamten an
belangt, so erscheint es als gesichert, dass er die Titulatur o TapJac
rqz y.o'.v9j? xpotJoSou und 6 exi ff, Stoix^cci führen konnte, deren iden
tische Bedeutung Böckh (a. a. 0. 1, p. 227) nachgewiesen hat.
Fraglich ist aber, ob beide Titulaturen nebeneinander oder ob
nicht vielleicht jede nur für eine bestimmte Zeit im Gebrauch war.
Der Titel b ~'j.\iJ.ac vqc xotvifc xrpotriSou findet sich bei Pseudoplutarch
in dem Decrete des Stratokies (vitt. x orr. p. 852). Durch
die Untersuchungen von C. Curtius (Philolog. 24 p. 86 ff.),
welchen Köhler bei Herstellung des Textes der Urkunde
nr. 240 gefolgt ist, ist festgestellt, dass die Echtheit des
Decretes, welches hinter dem Leben der zehn Redner steht,
in der That nicht angefochten werden darf, da es mit den
Resten einer Steinurkunde oft wörtlich übereinstimmt. Als
Resultat der Vergleichung beider Texte ergibt sich nach
Curtius (a. a. 0. p. 111), ,dass das Decret bei Pseudoplutarch
in einer abgekürzten Form überliefert ist, dass hier einige
Abschnitte und besonders solche, die sachliche Nachrichten
enthalten, dem Wortlaut des Originals entsprechen, andere
dagegen, in denen Lobeserhebungen allgemeinerer Art über
das Verhalten des Lykurg standen, entweder ganz ausgelassen
oder bedeutend zusammengezogen sind und dadurch an Ge
nauigkeit und Correctheit des Ausdruckes eingebüsst haben 4 .
Wenn nun in dem Decret, welches zu Ehren des Lykurg
bei Plutarch steht, von ihm gesagt ist: y.ai y=v6[x,svo? v,r\c y.otVTj;
cpociSqu xcf.itJ.aq vq -Kokti kie -pAc icevranr/cspßa?, ! so werden wir
mit ziemlicher Sicherheit, wenn auch in der Steinurkunde hier
eine Lücke ist, annehmen können, dass der officielle Titel
für den obersten Finanzbeamten damals in Athen, als das Pse-
phisma abgefasst wurde (01. 118. 2 = 307/6) und zur Zeit als
Lykurg lebte, ~z\v.y.c rqc y.ocv?je -pozbdou war. Wie steht es
1 Ich benütze die Ausgabe von A. Westermann.
Sitzungsber. d. phil.-hist. CI. XCV. Bd. 1. Hft. 28
434
Fellner.
nun mit dem Titel b i~\ x9j cto ixtest? Wann gelangte dieser im
officiellen Stil zur Geltung'? Dass beide Titel nebeneinander
in Urkunden gebraucht worden sein sollen, erscheint mir
zweifelhaft, trotzdem dies sehr bedeutende Gelehrte anzu
nehmen scheinen, wenn sie die Inschrift über den Mauernbau,
in welcher Habron, Lykurgs Sohn, als Schatzmeister vorkommt:
nr. 167. Z. 36 oi i«i>XY)xat y.ai 6 eitl xei Siow^asi "Aßpw[v Auy.joüpvou
Boux[d]8yji; in Lykurgs Zeit (etwa zwischen Ol. 111. 3 und 133. 3)
setzen. Man stützt sich dabei auf die bekannten Worte im
Leben unseres Staatsmannes (a. a. O. p. 841 c): xb jj.sv icpöxov aips-
Osiq auto;, sitstxa xwv tpO.uiv ETciypatIdp.evöc xiva auxb? sTCtetxo xy)V Stowqatv
Sta xb ^Goicat vop.ov eiffeve-pcsw, p.rj tcXsuo ravxs sxwv StExelv x'ov j^etpoxovY)-
Gevxa sitt xd Svj(j.6ata '/p'([J.axa — und ferner darauf, dass die Repara
tur der Mauern am besten ad aetatein Alexandri Magni verlegt
werden könne. 1 Der Sohn des Lykurg, hielt man dafür,
konnte dabei als Stellvertreter des Vaters fungiren und am
ehesten im Geiste desselben wirken. Unberücksichtigt dürften
aber die inschriftlich überlieferten Worte mit Köhlers Er
klärungen und Ergänzungen geblieben sein: ,nr. 240 Frg. b
Z. 2 ff. dor/.v . . Z. 3 . . t y.[sy.c]c7[j/r]!J.£V7;v (?) xvjv, Z. 4 — xyjc uixap-
■/oixj-fiz auxs . . , Z. 5 [s]i;tpxo§öp.Y)ff£v. De navalium (vswooty.tov)
aedificatione in his sermonem fuisse Curtius probabiliter suspi-
catur. Idem praeeunte ex parte Kumanade reliqua sic resti-
tuenda esse coniecit xrjv os s j [y.suoGvfyrjv y.ai xb Gsaxpov xb] Atovu-
criay.bv sq-r^daa [xo x6 xs äxaSiov xb IlavaG^vjai'y.bv y.ai xb yup-vaatov x|[b
•/.axa xb Auy.stov •/.axecy.süjao'ev y.ai aXXai; os 7ioXXaIj[? y.axaay.suau; «wer-
p.Tjcrsv] oXr ( v xyjv toXiv‘ und das Decret bei Plutarch a. a. 0. 852 c:
Ttpos os xouxoi? vj[j,i=.pY« raapaXaßwv xoux xs vsoicoi/.ouc y.ai xrjv Gy.suoOvy/.r,v,
•/.ai xb Gsaxpov xb Aiovuaiay.bv e^eipyactaxo y.ai dirsxsXscsv xo xs axäSiov xb
•xavaG^vaiV.bv y.ai xb yup.vdciov y.axa Auy.eiov y.axsoy.siacev y.ai aXXai;
zoXXah; y.axacry.soaT; sy.oo'ir^os xvjv xoXiv. In beiden Uebeilieferungen
des Volksbeschlusses zu Ehren Lykurgs sind fast überein
stimmend die Bauten angeführt, welche unter dessen Auspicien
1 O. Müller: De munim. Ath. p. 33 ft'., C. Curtius im Philolog 24, 279, und
Köhler im C. I. A. 11. nr. 167, huldigen dieser Ansicht. Böckh spricht
sich nicht bestimmt aus, a. a. 0. 1. 570. Schäfer (Philologus 9. 165 und
Demosth. III, 1, 573, Anmerkung ö) und C. Wachsmuth a. ä. O. p. 616
sprechen sieh dagegen aus und setzen die Inschrift nach 01. 118. 2 = 307.
Attische Finanzvenvaltuug im fünften und vierten Jahrhunderte.
435
zur Vollendung gebracht wurden: die Schiffshäuser, das ge
waltige Zeughaus, das Dionysostheater, das panathenäische
Stadion, das Gymnasium im Lykeion und andere Anlagen. 1
Wären bei einer so genauen Aufzählung die umfassenden Ver
besserungen, welche Habron als Vorsteher der Finanzen aber
unter der Leitung seines Vaters an den Befestigungswerken
vornehmen liess, unberücksichtigt geblieben? Ebenso wie die
anderen wichtigen Bauten — welche alle wahrscheinlich zwischen
Ol. 111. 3 und 113. 3 also nicht mehr in die Zeit fallen, als Ly
kurg selbst TO|j.(ac vr,c v.owrfc ^poiooou war — ihm zugeschrieben
wurden, ebenso wäre im Decrete des Stratokies der Mauerbau
erwähnt worden, wenn er zu Lykurgs Zeit vor sich gegangen
wäre. Wir werden daher nicht fehl gehen, wenn wir mit Schäfer
annehmen, dass die Ausbesserung der Mauern in die Zeit des
vierjährigen Krieges um 302 zu setzen ist, als von Antigonos’
Sohn Demotrios die alten Formen der Verfassung wieder her-
gestellt. und Männer wie Demochares, ein Neffe des Demosthenes,
thätig waren, 2 zumal noch dazu kommt, dass gerade damals
in Inschriften der Titel o siel ip Siooojaei zuerst aufzutreten pflegt
(vgl. C. I. A. II. 251).
Es scheint somit, dass ursprünglich die Titulatur der
obersten Finanzbehörde o.iopia? ty)? v.ov/rjc izpomSou war, dass
aber dann in Inschriften kurze Zeit vor 01. 120. 1 = 300
der Titel o im vp oioix-vjcci sich Eingang verschaffte. Dass das
Amt vierjährige Dauer hatte, ist hinlänglich bezeugt und kann
vielleicht jetzt inschriftlich belegt werden (vgl. nr. 162, frg. c,
Z. 17, [. . o]u sv.amoü Iv ty) TSTpasTi'a iv. . . und Hermes I, 315).
In welcher Ordnung die neue Behörde rangirte, lässt sich
schwer sagen. Aus der bereits genannten Inschrift, nr. 163,
weiss man, dass sie nicht in gleichem Ansehen stand, wie die
der Archonten, der Schatzmeister der Göttin, der Opfervor
steher, der Strategen und Taxiarchen. Weiter bestätigt das eine
Stelle bei Plutarch, wo es dem so einflussreichen und ange
sehenen Eubulos als grosse Bescheidenheit ausgelegt wird,
dass er sich nur dem Staatshaushalte widmete: sroxivoüci 3e y.ou
tov ’AvaD.ÜGTiov EußouAov, Sri ra'auv e/wv ev volc pA'kiaia. y.al 3uvap.iv
1 Vgl. u. a. Curtius a. a. O. 24, p. 261 ff., und C. Wachsmuth a. a. O. 598.
2 Vgl. Schäfer a. a. 0.
28*
436
Fellner.
oüBev tmv 'EXXv)Vty.5jv sxpo^sv oüo’ exi crrpaTYpptav rjXOev, aXX’ eirl Ta
■/ßr^i.'jr.c/. ~Azx:_ sauTov Y]üi;Y)ae Ta? y.otva? xpocöoou? y.at p.eyaXa tyjv xoXtv
otto toutwv ua)sX-r)cr£v (Plut. Reg. f. d. Staatsm. 15, S. 812 f.). Wir
werden daher nicht fehl gehen zu schliessen, dass das Amt in
den Händen eines geistig untergeordneten Mannes nicht die
Bedeutung hatte, welche man ihm überhaupt nach den Berichten
mancher Schriftsteller zuweisen möchte, sondern dass es erst, be
kleidet von hervorragenden Männern, jenen Alles beherrschenden
Einfluss erlangte. Es scheint mir auch wenig wahrscheinlich
zu sein, dass nur Männer der ersten Vermögensclasse die Stelle
inne haben konnten. Zwar ist es von Lykurg anzunehmen,
dass er aus einem alten hervorragenden Geschlechte stammend
unter die Pentakosioimedimnen gehörte, da sein Grossvater
Hellenotamias war (Schäfer a. a. O., 2. 298). Anders steht
es mit dem Bruder des Aeschines Aphobetos, der auch Tap.tac
ty;? y.otvvj? xpoaoBou war, aber nicht in die erste Vermögens-
classe gehört haben kann; denn es ist bekannt, dass er von
Eltern stammte, welche sich in sehr ärmlichen Vermögens
verhältnissen befanden und herangewachsen, als Schreiber allen
möglichen Beamten um Geld diente (Schäfer a. a. 0. 1. 191 ff.).
Nach Endigung dieser Fragen wenden wir uns zur Fest
stellung der Competenz, welche dem xapia? ty;? y.oivvj? xpoasSou kraft
seines Amtes zustand. Abgesehen von einer Stelle bei Aeschines
über Aphobetos, 1 geben vorzüglich einige Nachrichten Aus
kunft, die über Lykurgs Wirksamkeit erhalten sind. Die Haupt
stelle findet sich bei Pseudoplutareh, wo eigentlich die Summe
der finanziellen Thätigkeit Lykurgs in den Worten gezogen ist:
y.at yevojjisvo? ty;? -/.oivy]? xpoaöBou xap.ta? ty) xoXet Ixt xpet? xevxa-
sxY;ptoa? y.at Btavstp.a? iz. ty;? y.otvvj? xpoaöoou p/iipta zat ov.vxv.it/iKioi
y.at evay.icta taXavxa, xoXXa os twv iSkötüv ota xtuTStü? Xaßwv y.a!
xpooavstaa? y.at st? xob? ty;? xoXsco? y.aipob? y.at xoü o^p.o'j Ta xävxa si;a-
v.It.v. y.a: xsvTYy/.ovxa xäXavxa, os^a? oe axavxa xatjxa or/.atw? St(p'4Y)X£vat...
p. 852 b. Wir haben damit überhaupt den Wirkungskreis des
obersten Finanzbeamten in übersichtlicher und bestimmt fixirter
1 R. v. d. Ges. §. 149. ’Atpo'ßrjxos o 1 outoat 6 vstuTato; aSsXo'o? r;[J-tnv,
x. aAojc oe y.at oty.atto? xöiv OjjtETE'pwv jipooo'ocov S7ti[JieAr]0Ei{, ots auxov sxi xrjv
y. ocvijv Sto(xr)0iv siXeoOe.
Attische Finanzverw alt ring im fünften und vierten Jahrhunderte.
437
Weise zusammengestellt. Von Lykurg wurden als t«|xiac T/jc
y.ovrqz xpocioou 18.900 Talente verrechnet (Böckh a. a. O. 1,
p. 571 und 227). Wahrscheinlich erscheint es, dass derselbe
auch im Anfang seiner Finanzverwaltung Anleihen bei Pri
vaten gemacht habe, ohne ein Unterpfand zu geben oder
Zinsen zu zahlen, um nur dem Staate wieder aufzuhelfen
(Hermes I, 341). Wenn es dann noch bei Pollux VIII, 113
von der höchsten Finanzstelle heisst: o ok siu -r,z Sicoujsso)?
aipe-fo; em töv Ttpoaiöviiüv y.ai äva).iaxop.evwv, so geht daraus
gleichfalls hervor, dass wir es lediglich mit einem Finanzbeamten
zu thun haben, welcher über die gesammten Einnahmen und
Ausgaben des Staates Buch zu führen hatte, und ich glaube,
dass es Unrecht ist, aus diesen Stellen Schlüsse zu ziehen, als
ob dieser Beamte die ganze Verwaltung in Händen gehabt,
als ob er, so zu sagen, die gesammte Staatsmasehine dirigirt
hätte, eine Vorstellung, welche wir bekommen müssen, wenn
wir Böckhs und Schümanns Darstellung aufmerksam lesen.
Dass der Oberbeamte des VerreclmungsWesens eine Cassa
zu verwalten hatte, bezeugen schon die gerade gebrauchten
Worte (zai äiavstpac . . .). Es ist die Cassa gewesen, in welche
die Tribute der Bundesgenossen und die gerade nicht ge
brauchten Staatseinnahmen flössen. Einnehmer der Gelder
blieben immer noch die Apodekten. Der Tap.ücg xij<; y.civija ~po-
56600 und sein Gegensehreiber werden aber auch anwesend ge
wesen sein, wenn bei der Bule die Gelder abgeliefert wurden und
an die verschiedenen Gassen zur Vertheilung kamen. Am Ende
des Jahres dürften beim Schatzmeister die verschiedenen Behörden
ihre Abrechnung eingebracht haben, so dass derselbe dann im
Stande war, am Ende einer Finanzperiode über die einge
gangenen und verausgabten Gelder Rechnung zu legen. Damit
will aber nicht gesagt sein, dass das Amt des tapia; von Männern
verwaltet, welche eine Begabung für finanzielle Dinge hatten,
nicht zu einer Bedeutung gelangen konnte, welche streng
genommen mit dem Wesen des Amtes nicht verbunden war.
Der jeweilige vapia? hatte nämlich den genauesten Einblick in
den Stand der Finanzen, ferner standen ihm Mittel und Wege
zu Gebote, die Hilfsquellen des Staates zu studiren, er konnte
daher am leichtesten zur Hebung und Besserung der Finanzen
438
Fellner.
durch geeignete Vorschläge wirken. Diese Bedeutung liegt
aber nicht nothwendig im Amte, sondern erst durch befähigte
Männer erlangt dasselbe diese Wichtigkeit. Von diesem Stand
punkte aus sind die Worte des Hypereides in den Rhett. IX,
p. 545 ed. Walz ~cc/ßs\q Be erci tp otor/.^cet xwv /pvjp.axwv sOps zopoui;
zu fassen. Der gleiche Sinn liegt in den bereits citirten
plutarchischen Worten über die Finanzverwaltung des Eubulos.
Auch die Anleihen, welche Lykurg bei Privaten machte, weisen
auf einen Finanzkünstler.
Früher wurde schon bemerkt, dass das Schatzmeisteramt
eine vierjährige Dauer hat. Es ist nun auffällig, dass gerade im
Decret des Stratokies überliefert ist, Lykurg habe als xap,ia?
M'.'tfjz TtpoijoBou durch drei Penteteriden gewirkt. Wir sollten somit
aus diesem Decret, das doch inschriftlichen Werth hat, schliessen,
dass derselbe durch drei Perioden das Amt eines obersten Finanz
beamten versehen habe. Andererseits lässt dies die anderweitige
Ueberlieferung nicht zu (vgl. Böckh a. a. 0. 1, 569 und Schäfer
1, 176). Es bleibt somit nichts übrig als anzunehmen, dass wir es
im Volksbeschlusse des Stratokies mit der thatsächlichen Auf
fassung der Stellung Lykurgs zu thun haben, dass also ein urkund
liches Schriftstück, welches erst kurze Zeit nach dem Tode dieses
Mannes entstanden ist, eine Anschauung theilt, welche schon früh
allgemein geworden ist, wie die Worte: owosz.« ivq xä? TxpocäBou;
"rij? TccAstoc oiciv.-qco’.c, XVI, 88. bei Diodor beweisen, welcher doch
aus gleichzeitigen Quellen schöpfte. Das Decret bei Pseudo-
plutarch ist aber ausserdem noch von sehr grossem Werthe,
weil es nicht allein genau lehrt, welche Gewalt der xapia? vr t q
y.oirqc, TrpoaoBo’j gehabt hat, sondern weil es die besonderen
Competenzen nennt, durch welche Lykurg seine vielen Pläne
ausgeführt hat. Böckh hat bereits auf die vielseitige Thätigkeit
desselben aufmerksam gemacht, hat es aber unterlassen die ver
schiedenen Gewalten genau zu prüfen und zu sondern (a. a. 0.571),
so dass es den Anschein haben konnte, als ob all diese mit dem
Amt eines xapza? in naher Verbindung stünden. Gern werden
wir zugeben, dass die grossartigen Bauten und anderweitigen
Unternehmungen Lykurgs als ein Ausfluss des finanziellen Wohl
standes anzusehen sind, welcher damals in Athen herrschte. Des
wegen sind sie aber nicht mit der Competenz des ersten Finanz-
Attische Finanzverwaltung ira fünften und vierten Jahrhunderte.
439
beamten in Verbindung zu bringen. Mit Recht haben daher Curtius
(a. a. 0. 282) und noch stärker Köhler (a. a. 0. 321) die
commissarischen Aemter betont, welche Lykurg im athenischen
Gemeinwesen inne hatte. Aus dem Decrete des Stratokies geht
deutlich hervor, dass diese vollständig getrennt von einander
zu halten sind. Zuerst handelt dasselbe vom Schatzmeisteramte,
dann geht es darauf über, die einzelnen Verdienste unseres Staats
mannes zu würdigen. Es berichtet, dass Lykurg in specieller
Mission den heiligen Schatz auf der Burg einer vollständigen
Reorganisation unterzog: in oh alpeOel? uto tou ä-jgou XP'h\ mm
m'hka •otvv)y«y=v £t? ttjv äzpoiioXiv za! xapaozeuaoa? Tvj 6sm zeogov,
vtzac ts öXoxpüaou? %o\).%€id ts ypooä za! apyupa zai zoagov xP utJ °3v
szaTbv zavy^öpouc. Gleichfalls wurde er besonders damit beauftragt,
für die Anschaffung von Waffen und Geschossen zu sorgen und
die Kriegsmarine in gehörigen Stand zu setzen (/eipoTOVYjÖei?
äs sti ty)? tou 7:oas|j.ou rcapao-zeorji;). Vollkommen selbstständig wird
dann die Bauthätigkeit mit den Worten angeführt (r.p'oc oh
toutoe? splspY« Ttap.aAaßwv touc ts vewaoizou? za! trjv ozsuoOfp/.vjv . . . .)
Dies nach der Darstellung Köhlers. So sehr ich dessen
Verdienste betreffs Aufhellung der ,lykurgischen Verwaltung'
anerkenne, so kann ich ihm doch nicht beistimmen, wenn er
annimmt, dass Lykurg, nachdem er von 01. 110. 3—111. 3
als Tap.ta? ty;? zoivrj? irpooäoou an der Spitze der Verwaltung
gestanden, dieselbe auch in den beiden folgenden Penteteriden
leitete, in der ersten als Obmann jener zur Regulirung der
Staatsfeste und heiligen Schätze eingesetzten Behörde, in der
zweiten als yß<.po~ovrfielq siri tr ( ? tou itoXegou T.apaov.s.offi (a. a. 0. 321).
Gern gestehe ich zu, dass Lykurg diese commissarischen Aemter
gehabt hat, dass er aber durch dieselben die ,Leitung der Ver
waltung' in den Händen hatte, ist mir zweifelhaft. Zunächst
finden wir bei den Alten nicht die leiseste Spur einer solchen
Auffassung, dann aber weiss inan, dass Lykurg auf die finan
zielle Leitung des Staates dadurch Einfluss nahm, dass es ihm
gelang, Personen, die von ihm abhängig waren, während der
zwei genannten Penteteriden die Würde eines rapia? Trj; zoivrj?
Tipoocoou zu verschaffen. Die beiden erwähnten commissarischen
Aemter haben damit nichts zu thun. Von ihnen können wir
nicht sagen, wie lange sie dauerten. Sie waren an keine
440
Fellner.
bestimmte Zeit gebunden, sondern hörten, da sie eben ausser-
gewöhnlicher Natur waren, auf, als die durch Volksbeschluss
angeordneten Veränderungen ausgeführt waren. Es ist ja
richtig, dass die Rechnungsablage der Commission, welche
die heiligen Schätze zu ordnen hatte und zu der sicherlich
Lykurg gehörte, mit dem Archontat des Ktesikles (01. 111. 3
— 334/3) beginnt (Hermes 2, 25). Wie lange aber die Com
mission im Amt war, lässt sich nicht feststellen. Sie kann
ebenso gut vor wie nach 01. 112. 3 eingegangen sein. Man
kann also nicht daran denken, in diesen selbst zeitlich unbe
grenzten commissarischen Aemtern einen vollständigen Ersatz
für die niedergelegte Schatzmeisterwürde zu scheu. Sehr zu
treffend ist aber die weitere Ansicht Köhlers, dass die Rede Ly
kurgs irep! Stomjcsöjl, in welcher das vielgedeutete Fragment ez xwv
iepwv uv vipeR lirExpoiteö<xap.ev (Lykurg und die Commission) vor
kommt, 1 nicht unmittelbar nach der Finanzverwaltung Lykurgs
01. 110. 3—111. 3 gesetzt werden könne, da sie nicht eine
Rechnungsablage über die Amtsführung desselben, als xapdaq vqc
v.oirqq Tcpoccocj, sondern vielmehr einen Rechenschaftsbericht über
die zu Ende gebrachte Neugestaltung des heiligen Schatzes enthalte.
Was endlich die im Psephisma des Stratokies angeführten
Bauten betrifft, so geht schon aus der -Fassung des Decretes
hervor, dass sie mit den commissarischen Aemtern und mit dem
Schatzmeisteramt nichts zu thun haben, sondern vollkommen
unabhängig davon ausgeführt wurden. Lykurg war es, welcher
den Bau in der Volksversammlung beantragte. Baucommissionen
wurden dann aufgestellt, in denen er in hervorragender Weise
thätig war, wie die Worte in seiner Lebensbeschreibung: xc
ev Aiovöcou Osaxpov sziGxaxmv sraxskeaev zeigen. 2
Lykurgs Wirksamkeit war gewiss eine ausserordentlich
umfassende zu nennen, besonders wenn wir bedenken, dass er
auch als Staatsmann auf dem politischen Gebiete Einiges leistete.
Deshalb sagt der schon so oft genannte Volksbeschluss za! 5]ou;
cüO(j'iaq TiCiXkdy.iq [xmv «STtoXixeijpivwv xs za! xwv] 8iwz7)[Jt.ev[<i)v sv skeuöspa
1 Bekker Anecd. p. 145, 33. In der Fragmentsammlung von Kiessling S. 86
und Müller (Didot’sche Ausgabe) oratt. att. II. frg. 30.
2 C. Wachsmuth a. a. O. p. 601 und Curtius a. a. O. p. 282.
Attische Finanzverwaltung im fünften und vierten Jahrhunderte.
441
y.ai 3v)p.oy.paxoup.svv] vr\\. toXsi (C. I. A. II. nr. 240). Man hat
also eigentlich den Verwaltungsmann vom Staatsmanne zu
trennen. Wie wir aber bei anderen bedeutenden Männern
Athens, wenn wir ihre Wirksamkeit im Staate im Auge haben,
von vcoXixsia reden, so können wir auch die gesammte öffent
liche Thätigkeit Lykurgs mit diesem Namen bezeichnen. Pau-
sanias ist daher nicht zu tadeln, wenn er schreibt: y.axEC'/.süaäe
3e ’izoy.KV.ct. •zfi 0s<7>, I? äs x6Xep.ov otz'/m y.at ßeXv] y.ai xexpaxoct'ac
vaupa/ouxtv slvat xpr^pet? • oizs3op.vjp.axa 3s svrsxsAscrs p.sv xo Osaxpov
sxsptov ÜTOtpljapsvwv, xä 3s stt: xvjc aüxoü TroXtxsia? Sc ü>y.o3cp.r ( <jsv,
sv riscpatsl vsw? siotv oty.ot y.at xo —- yup.vacrcov (I, 29, 16). Darnach
muss die Rede Lykurgs azoXoYtop.oi; wv vtsitoXixeuxat beurtheilt
werden. Derselbe vertheidigt hier seine ganze öffentliche Thätig
keit in umfassender Weise, er wird da nicht allein von der Ver
waltung der Staatsfinanzen, sondern auch von den commissari
schen Aemtern, den Bauten und seiner politischen Thätigkeit
gesprochen haben, wie schon die wenigen Fragmente zeigen
können, welche erhalten sind. Im Lexikon des Harpokration
werden folgende, aus dieser Rede des Lykurgs entnommene
Wörter angeführt: 3spp.axty.6v, säwXcdoat (at sv xatc vauxi y.aOsSpat)
sy.ax6p.-s 3 ov, vewpta y.at vswcor/.ot.
Es sind noch einige Inschriften zu nennen, welche über
Lykurgs Stellung Aufklärung geben könnten. Vor allem ist
die von Köhler nr. 164 angeführte Inschrift wichtig, welche
in das letzte Jahr und in den letzten Monat von dessen
Finanzverwaltung (01.111. 2/3) gehört. Es wurde vom Volke
eine umfassende Revision der heiligen Schätze und eine Organi
sation des gesammten Cultwesens beschlossen. Eine eigene
Behörde wurde eingesetzt, welche den von Lykurg angeregten
Volkswillen zur Ausführung bringen sollte. Anfangs 01. 111.3
beginnt diese ihr Amt zu versehen. Leider sind nur Bruch
stücke der inschriftlich niedergelegten Rechnungsablage dieser
Behörde erhalten. 1 Von Wichtigkeit ist, dass daraus hervor
geht, dass der Rechenschaftsbericht über die Einnahmen, welche
aus den verkauften Häuten der Opferthiere erzielt wurden,
1 Böckh a. a. O. II, p. 111—142, Rang 841 u. 842. Epli. arch. 3200 und 3452,
Hermes I, p. 317--318 und II. 24 ff.
442
Fellner.
nicht wie Böckh meint (a. a. 0), vom ist;.Mac vfjc 'Aoivijg xpotjoBou
herrührt, sondern von obiger Behörde gemacht wurde.
Die gepflogene Untersuchung hat gezeigt, dass die ver
schiedenen Aemter, welche Lykurg bekleidete, durchaus nicht
mit einander zu vermengen sind. Für die Feststellung der
Competenz des lapistc zfjc -/.ctvrjc rcpoaoSou wurde als bestimmtes
Resultat erzielt, dass dafür nur die Stellen im Decrete des
Stratokies und die kurze Notiz bei Pollux massgebend sind.
Kurz wäre noch Einiges über die Bedeutung zu sagen,
welche das Amt des Schatzmeisters im damaligen athenischen
Parteigetriebe hatte. Wir könnten es fast ein Parteiamt im
strengsten Sinne des Wortes nennen. Der Finanzvorsteher ist
immer ein Mitglied der die Wahl beherrschenden politischen
Fraction. Verliert dieselbe ihren Einfluss, so dürfen wir
sicher sein, dass in der nächsten Finanzperiode keines ihrer
Mitglieder die Stelle des lagta? -rijc y.otvvj? srposooou einnimmt. Als
Eubulos und seine Anhänger das Uebergewicht hatten, waren
Männer dieser Partei Schatzmeister, wie Eubulos selbst und
Aphobetos, der Bruder des Aeschines. Nach dem Sturze
des Eubulos, sehen wir 01. 110. 3 einen Finanzvorsteher im
Amt, welcher aus den Gegnern genommen ist. Es ist das
der Eteobutade Lykurg, der Parteigenosse des Hypereides und
des Demosthenes. Durch drei Finanzperioden hindurch hatten
diese Männer einen starken Einfluss bei der Bürgerschaft. Den
Niedergang ihrer Partei bezeichnet das Jahr 01. 113. 3, in
welchem Menesaechmos, ein Mann der Gegenpartei und ein
persönlicher Feind Lykurgs mit der Leitung des obersten
Finanzamtes betraut wurde. Welcher Werth diesem Amte von
Parteiführern beigelegt wurde, geht ferner noch aus dem
Umstand hervor, dass Eubulos, als er dasselbe nicht mehr
verwalten konnte, es dadurch unschädlich zu machen suchte,
dass er eine andere Behörde, wo Wiederwahl möglich war,
mit einer Gewalt auszustatten wusste, durch welche alle anderen
Aemter im Staate in Schatten gestellt wurden.
Den Schlussstein der Erwägungen sollen einige Bemer
kungen über die Umgestaltung bilden, welche das oberste
Finanzamt zu Ende des vierten Jahrhunderts traf. Nebenbei
Attische Finanzverwaltung im fünften und vierten Jahrhunderte.
443
wurde schon ausgesprochen, dass nach dem Sturze des Deme-
trios aus Phaleron, in Athen die Demokratie wieder auflebte
und Veränderungen im attischen Staatswesen eintraten, von
welchen das Amt des ■zm.vj.c zr t c v.zvif,: xpoooäou ebenfalls berührt
wurde. Wahrscheinlich dürfte damals der Titel 6 1x1 ty) oior/./oet
zur Geltung gekommen sein. Dann wurde aus dem Amt eine
förmliche Verwaltungsbehörde gemacht. Der Beamte 6 ä&. ty)
Bioix^gei musste dafür sorgen, 1 dass die Kränze und die Stand
bilder, welche das Volk Einzelnen oder Gemeinden zuerkannte,
angefertigt wurden und dass diese Ehrenbezeugungen zur Ver
kündigung gelangten: -vjc Bs xo'.y)osük toö oTsiyavcu y.al ty)? sizivoq
t'ov Im teT Ssor/o/osi (nr. 251) oder ty)? os xorfaswc toö cts-
oavoj y.al ~7,c sty.ovoc (?) y.al ty)c dvafopsiasü)? lx'.[j.£AY)07)vai t'ov 1x1 tei
oioiy.v^cEi (nr. 275). Kurze Zeit blieb neben dieser umgestalteten
Behörde der zcqiJ.aq toö 3f ( p.ou in seiner vollen Amtsgewalt
bestehen. Bald aber erlosch dieses Amt und der o Ix 1 ty) Stot—
v.Tßv. verrichtete die Functionen desselben, wie z. B. die In
schrift nr. 300 zeigt, welche dem Jahre Ol. 121. 2 = 295/4
angehört: sie Bl tt ( v dvaYpaedjv ty;o tt/X^c ooöva: t'ov 1x1 teT oioty./osi
t'o dväXiop.a. Gleich hier sei noch angefügt, dass man sich nicht
etwa durch die Inschrift nr. 254, Z. 18 ff.: [ty)c ge xc/osmc to]ö gte-
odvou y.ai | [tyjc dvorfopEuosü); lxip.EXr / 6r / v]ai t'ov Tap.t[a]v to|[5 o/jj.oo];
täuschen lasse und glaube, der za\x(y.: toö o/uo-j habe vor Auf
hebung des Amtes dieselbe Gewalt gehabt, wie der c 1x1 ty)
B’.o'.y./os'.. Die Urkunde scheint nicht richtig ergänzt zu sein.
Ich bin der Meinung, dass wir nur an den Tav.la; tuv oTpaTtw-
T'.y.öv denken können, der bekanntlich sich damals mit dem 6 1x1 ty)
.Sioty.vfcEt in die oberste Verwaltung theilte. Der vorgeschlagenen
Aenderung steht nichts im Wege, soweit wir aus den gering
fügigen Ueberresten der Inschrift schliessen können. 2 Wenn
wir weiter die neugeschaffene Competenz des o 1x1 vr, otoiy.i)o£i
verfolgen, so lässt sich nur sagen, dass sie nicht lange un
verändert blieb. Schon im Jahre Ol. 123. 3 = 286/5 finden
wir mehrere Vorsteher der Verwaltung, welche ot 1x1 ty) lioiy./osi
genannt werden (nr. 311). Aber auch dieser Zustand dauerte
1 Vgl. u. a. C. I. A. II. 251 und 275, und Hartei a. a. O. p. 130.
2 Ebenso ist Inschrift 310 au den Tstpua; tcöv orpo:tu>tiy.wv zu denken.
444 Fellner. Attische Finanzvenvaltung im fünften und vierten Jahrhunderte.
kurze Zeit. Zur Zeit des chremonideischen Krieges stand
wieder ein o stt: vfi Sioiwrjaei an der Spitze der Verwaltung. Im
zweiten Jahrhundert verschwindet das Amt gänzlich vom poli
tischen Schauplatz (nr. 451). Der Kriegszahlmeister und die
Strategen theilen sich, wie die Ephebeninschriften darthun, in
seine Befugnisse.
Knöll. Das Handscliriftenverhältniss der Vita S. Severini des Eugippius.
445
Das Handscliriftenverhältniss der Vita S. Severini
des Eugippius.
Von
P. Knöll.
u ie in sachlicher wie in sprachlicher Hinsicht äusserst
wichtige und interessante Biographie des heiligen Severinus
von seinem Schüler Eugippius hat in neuerer Zeit so sehr die
Aufmerksamkeit nicht nur der Historiker, sondern auch der
Philologen und Theologen auf sich gewendet, dass es beinahe
gewagt scheint, nach den Ausgaben, 1 Abhandlungen 2 und Ueber-
setzungen, 3 die das Schriftehen in den letzten Jahren veran
lasst, nochmals auf dasselbe zurückzukommen. Auch würde
ich es gewiss unterlassen haben, dies zu thun, wenn ich nicht
1 Von neueren Ausgaben sind zu erwähnen: a) Vita S. Severini auctore
Eugippio; critice edidit Antonias Kerschbaumer. Scaphusiae 1862. Sie ist
ein genauer Abdruck einer nachlässig angefertigten Collation des Codex
Lateranensis, von der jedenfalls nicht gilt, was der Herausgeber auf dem
Titelblatt von ihr behauptet, dass Sie eine kritische Ausgabe sei. b) Die
erste kritische Ausgabe, veranstaltet von H. Sauppe für den I. Band
der Monumenta Germaniae: Eagippii Vita S. Severini recensuit et ad-
notauit Hermannus Sauppe. Berol. 1877.
2 Abgesehen von einigen italienischen Abhandlungen, die tlieils Bekanntes
theils Unrichtiges wieder behandeln, ist hier die verdienstvolle Abhand
lung von Professor M. Büdinger: Eugipius, eine Untersuchung (Sitzber.
d. k. Akademie d. W. XCI. Bd. S. 793 ff.) zu erwähnen.
3 Nach Carl Ritter’s Uebersetzung sind noch folgende erschienen: a) Leben
des heiligen Severin von Eugippius. Uebersetzt von Dr. Carl Roden
berg. Leipzig 1878. (Geschichtschreiber der deutschen Vorzeit; Liefe
rung 55); sie legt den Sauppe’schen Text zu Grunde, h) Das Leben
des Noriker-Apostels St. Severin von seinem Schüler Eugippius von
Sebastian Brunner. Wien 1879. Das Bezeichnendste für diese Uebersetzung
ist, dass sie auf Grund des schlechten Textes der Bollandistenausgabe
gemacht ist, obwohl der Verfasser die Sauppe’sche Ausgabe kennt.
446
Knüll.
die Ueberzeugung gewonnen hätte, dass namentlich für den
Text und die Textgeschichte der Vita auch nach der neuesten,
sehr verdienstlichen Ausgabe von H. Sauppe noch manches zu
thun übrig bleibe, anderes vielleicht anders gethan werden
müsse. Denn Sauppe benützte für die Herausgabe eine ver-
hältnissmässig geringe Anzahl von Handschriften, blos drei,
den Lateranensis (L), Vaticanus (V) und Ambrosianus (M), und
wenn wir bedenken, dass in zweien derselben, dem Vaticanus und
Ambrosianus, einzelne Theile der Vita (Capitulation und Epistola
Pascliasii) fehlen, beide aber bedeutend jünger sind als La
teranensis, so ist es erklärlich, dass Sauppe seiner Textes-
recension diesen Codex zu Grunde legte. Da mir nun ein
grösserer handschriftlicher Apparat vorliegt, den ich auf einer
Reise in Italien gesammelt habe, darunter Handschriften, die
mehr Klarheit in die Frage über die Textgeschichte der Vita
zu bringen vermögen, so schien es mir am Platze, zu unter
suchen, ob denn der Text nicht nach einem anderen Codex
als dem zugestandenermassen sehr fehlerhaften Lateranensis zu
gestalten sei. Zugleich soll diese Untersuchung über die Hand
schriften der Vita der Vorläufer und die Rechtfertigung meiner
im Aufträge der k. Akademie der Wissenschaften für die
Sammlung der Kirchenschriftsteller zu veranstaltenden Aus
gabe sein.
Die handschriftliche Ueberlieferung dieser Schrift stützt
sich keineswegs, wie bei vielen - Werken aus dem Alter
thum, auf eine geringe Zahl von Codices; vielmehr ist die
Vita durch eine sehr beträchtliche Anzahl von Handschriften
vom 9. bis ins 15. Jahrhundert hinein überliefert, und zwar
sind es ausnahmslos Codices der sogenannten Vitae Sanctorum,
in welchen sie sich findet; niemals ist sie mit dem andern
grösseren Werke desselben Autors, den Excerpta ex operibus
S. Augustini, in einem Codex vereint. Von solchen Hand
schriften hatte A. Bethmann, wie Sauppe p. IX seiner Aus
gabe anmerkt, dreissig theils selbst verglichen, theils von
Anderen vergleichen lassen. Hauptsächlich sind es die Biblio
theken Italiens und in Deutschland die Klosterbibliotheken der
Donauprovinzen, in denen zahlreiche Handschriften der Vita
Das Handschriftenverhältuiss der Vita S. Severini des Eugippius.
447
aufbewahrt sind; aus den letzteren gingen einige in die Biblio
theken Wiens und Münchens über. Diese grosse Masse von
Handschriften lässt sich im Allgemeinen in zwei Classen theilen,
deren ersterer die guten Handschriften angehören, die sich,
so weit unser Wissen bis jetzt reicht, ausnahmslos in den Biblio
theken Italiens finden; die zweite, die Classe der schlechten
Handschriften, ist die weitaus zahlreichere und umfasst bei
nahe alle Handschriften des 12., 13., 14., 15. Jahrhunderts;
diese letzteren, zu denen alle in deutschen Bibliotheken befind
lichen Handschriften der Vita zu rechnen sind, bieten für die
Textesrecension in keiner Beziehung irgend etwas Berück-
sichtigenswerthes. Ohne den geringsten Nachtheil für den Text
können alle insgesammt unberücksichtigt bleiben. Höchstens
so viel kann man aus ihnen lernen, dass kein Grad der Will
kür, Nachlässigkeit und der anderen Untugenden eines Ab
schreibers zu hoch ist, den nicht einer oder der andere von
ihnen erreicht hätte. Dass diese Classe sich nicht blos auf
jüngere Handschriften beschränkt, zeigt uns der dem 9. Jahr
hundert ungehörige Münchener Decurtatus (I) bei Sauppe), der
in Bezug auf das Älter sogar alle Handschriften der guten
Classe übertrifft, aber seiner Fehlerhaftigkeit nach unbedingt
dieser Classe beizuzählen ist; da diese allgemein eingestanden,
und die Handschrift selbst für den Text werthlos ist, so ist
sie von mir in der folgenden Untersuchung ebensowenig wie
irgend ein Codex der schlechten Classe berücksichtigt worden.
Von Handschriften dieser letzteren Classe habe ich folgende
theils ganz, theils bruchstückweise verglichen: einen Venediger
Marcianus; vier Handschriften der Bibliotheca Vallicellana in
Rom; einen äusserst fehlerhaften Codex Barberinianus zu Rom;
vier Handschriften der k. Hofbibliothek in Wien.
Sehr häufig findet sich die Vita in den Handschriften
dieser Classe noch überdies abgekürzt und zwar nicht in
einer und derselben Weise, sondern bald ist dieser, bald jener
Theil, oft sogar der grösste Theil des Textes weggelassen;
dieses ist unter den oben genannten Codices beispielsweise
in dem Münchener, dem Marcianus, einem Vallicellanus, zwei
Vindobonenses der Fall. Der Grund für die Kürzung der
selben ist wohl zunächst in dem Mangel an Raum, an dem ja
besonders die Handschriften der Vitae Sanctomm leiden, zu
448
Knüll.
suchen. Nachdem der Schreiber aus der Vita Hinreichendes,
wie ihm schien, über den Heiligen mitgetheilt, — denn um
das Historische in derselben, dessenthalben wir sie schätzen,
war es ihm wohl nicht zu thun — brach er wohl ab mit der
Schlussformel: iUs xps dns nr cui e honor et gla p infinita seid
sciorum. amen, wie dies im Marcianus der Fall ist.
Von Handschriften der guten Classe habe ich in ver
schiedenen Bibliotheken Italiens folgende gesammelt und zum
grössten Theile selbst verglichen:
1. Codex Lateranensis LXXIX (L), angehörig dem Archiv
der Archibasilica des Lateran; Grösse: 0 - 51 M. lang, 037 M.
breit. Diese Handschrift, die in vier Theilen durchwegs Lebens
beschreibungen von Heiligen enthält, stammt wahrscheinlich
aus der zweiten Hälfte des 10. Jahrhunderts; der Text ist in
Doppelcolumnen geschrieben. Auf dem ersten unbeschriebenen
Blatte der Handschrift steht von bedeutend späterer Hand die
Nachricht über den angeblichen Zusammensteller der Sammlung:
Est compositum a Secundino epo tauromenitano tempore S. Gregorii
pape; darunter schrieb eine diesem oder dem vorigen Jahr
hunderte angehörige Hand die wohl richtige Bemerkung erronea
inscriptio. In dem ersten Bande nun von Fol. 29 va bis 40 rb
steht die Vita Severini; 1 und zwar enthält die Handschrift
sowohl die beiden Briefe des Eugippius und Paschasius als
die Capitulation und die eigentliche Biographie des Heiligen
in folgender Reihenfolge: 1. den Brief des Eugippius 2 an
Paschasius unter dem Titel plogus de uita uel obitu sei
seuerini; 2. den Antwortsbrief des Paschasius an Eugippius;
3. die Vita selbst. Die Anfangsbuchstaben einzelner Capitel
sind wie im Cod. Ambrosianus am Rande wiederholt. Die
1 Diese Handschrift wurde von mir nach dem Migne’schen Abdruck der
Bollandistenausgabe verglichen, nachdem mir durch Vermittlung der
k. k. Botschaft und die zuvorkommende Giite des Monsignore Ettore
Valeri die Benützung derselben ermöglicht worden war. Stellen, an denen
meine Collation von der sehr sorgfältigen Hinck’selien der Sauppe’schen
Ausgabe abwich, wurden von mir nochmals einer genauen Prü
fung unterzogen; namentlich trachtete ich genau zu ver
zeichnen, an welchen Stellen Rasuren bemerkbar seien,
und was von erster oder zweiter Hand herrühre.
2 Die Handschrift hat überall die Form eugepius.
Das Tlandschriftenverhriltnifis der Vita S. Severini des Eugippius.
449
Capitulation ist gleichsam als Titelüberschrift und Inhaltsangabe
den zugehörigen Capiteln vorangesetzt: eine Anordnung, die
sich in keinem der anderen Codices findet und auch dem Arche
typus des Lateranensis fremd war; sie ist vielmehr, wie so
vieles andere in dieser Handschrift, auf Rechnung des Schreibers
der Handschrift zu setzen. Dass die Anordnung der einzelnen
Theile, aus denen die Vita besteht, in der Vorlage des L eine
andere war, als sie jetzt in L ist, wird aus folgendem ersicht
lich. Den Brief des Eugippius an Paschasius schliesst der
Schreiber mit folgenden Worten: Explicit plogus. Incipiunt
capitula. Doch folgt blos ein Theil der Inhaltsangabe des
ersten Capitels; hierauf aber wird abgebrochen und es folgt
der Antwortsbrief des Paschasius und die Capitelüberschriften
sind vor die entsprechenden Capitel der Vita gesetzt. Nur
einmal (Cap. XI) vergass der Schreiber die Capitelüberschrift
beizusetzen; die zweite Hand, die überhaupt in der Hand-
schi’ift sehr viel herumradirt und corrigirt hat, setzte sie
mit schwarzer Tinte an den Rand, so dass sie später beim
Einbinden der Handschrift zum Theil weggeschnitten wurde.
Die Inhaltsangaben zu Cap. II und III finden sich doppelt
in der Handschrift; denn die zweite Pland wiederholte sie am
Rande. Uebrigens scheinen auch die von erster Hand her
rührenden Inhaltsangaben erst, nachdem der Text der Hand
schrift bereits vollständig niedergeschrieben war, mit rother
Tinte in den hiefür freigelassenen Raum eingesetzt zu sein;
denn der offen gelassene Raum erwies sich oft als zu klein.
Nach dem eben Gesagten war also die Anordnung der ein
zelnen Theile der Vita in der Vorlage des L folgende: 1. Der
Brief des ^ugippius; 2. die Capitulation; 3. der Brief des
Paschasius; 4. die Vita selbst. Doch ist es sehr wahrscheinlich
und lässt sich aus der Anordnung der anderen Handschriften
namentlich des dem L sehr nahe stehenden Vaticanus 1197
schliessen, dass der Brief des Paschasius auch in der Vorlage
des L die letzte Stelle einnahm; der Schreiber des L bemerkte
denselben erst, als er die Capitulation zu schreiben begonnen,
und brach ab, um das Antwortschreiben des Paschasius un
mittelbar auf den Brief des Eugippius folgen zu lassen. So
unbedeutend und unwesentlich nun dies scheint, so ist es doch
auch ein Beweis für die Willkürlichkeit des Schreibers des L.
Sitzungsber. cl. phil.-hist. CI. XCV. Bd. I. Hft. 29
450
Knoll.
2. Codex Tanrinensis (T), der k. Universitätsbibliothek in
Turin angehörig, führt daselbst die Signatur F. IV, 25. Diese
Handschrift 1 in 4°, die Seite gleichfalls zu zwei Columnen,
gehört wohl noch dem Ende des 10. Jahrhunderts an ; Reiffer
scheid setzt sie übereinstimmend in das 10. bis 11. Jahrhundert.
Dieser Codex, wohl im Kloster Bobbio geschrieben, war ehe
mals Eigenthum dieses Klosters, wie eine viel spätere Hand
am oberen Rande des ersten wie des zweiten Blattes bemerkt:
Liier scti (sic!) |/4$j columbani de hohio: und auf Fol. 4 T wird
nochmals von derselben Hand in Erinnerung gebracht, dass
die Handschrift Eigenthum des Klosters Bobbio sei: liic liier
est monachorum congregationis sete iustine de abßuätia ordls scti
benedicti residentm in moii sei columbani de bobio. 6 cupr st
noiö 17. Der Codex enthält alle Theile der Vita von Fol. 1”
bis Fol. 24 va und zwar in folgender Reihenfolge: 1. den Brief
des Eugippius 2 an Paschasius, ohne Titelüberschrift; 2. die
Capitulation; voran gehen folgende in Majuskeln theils mit
rother, theils mit schwarzer Tinte geschriebene Worte: Incipiunt
capitula de bis quae in comemoratorio continentur id est quib;
uite uel gestorum sei seuerini panduntur indicia; zum Schluss
der Capitulation ebenfalls in Majuskeln: expliciunt capitula
incipit uita sei seuerini abbatis, welche Worte eine spätere Hand
wiederholt hat; 3. das Commemoratorium; dies schliesst mit
folgenden, gleichfalls in Majuskeln geschriebenen Worten : habes
egregi xpi (nicht xpe, wie bei Reifferscheid p. 138) minister
commemoratimn (sic.!) de quo opus eßteias tuo magisterio fructuo-
sum explicat commemoratorium in quo sei seuerini uitae con
tinentur indicia incipit rescriptum saneti pascasii diacom. Es
folgt nun 4. der Brief des Paschasius. Auf die Vita S. Se-
verini folgen dann Lebensbeschreibungen anderer Heiligen, die
unter dem Collectivtitel Paradisus zusammengefasst sind. Der
Schreiber dieser Handschrift verfuhr im Allgemeinen bei seiner
1 Dieselbe wurde bisher noch niemals fiir die Herausgabe der Vita benützt;
Reifferscheid erwähnt sie Bihliotheca pat.riim lafinorum italica II. Bd.p. 137f.;
ich verglich sie im October 1877; eine Nachvergleichung einzelner zweifel
hafter Stellen besorgte mit gewohnter Liebenswürdigkeit Prof. Cav.
G. Müller in Turin.
2 Der Codex hat zweimal (Fol. l rn 23 rV ) die Form eugepius; einmal (24 Ta )
eugipiü.
Das Handscliriftenverhältniss der Vita S. Severini des Eugippius.
451
Abschrift sehr sorgsam; daher finden sich in derselben selten
Rasuren und Correcturen; Verbesserungen von zweiter Hand
sind an einigen Stellen nachweisbar; doch betreffen sie meist
Nebensächlichkeiten, wie Assimilation von Consonanten u. ä.,
so dass z. B., wenn die erste Hand ammonere geschrieben
hatte, die zweite das erste m durch einen Punkt tilgte und
darüber ein d setzte. Gewaltsame Umgestaltungen des Textes
und grössere Correcturen hat sie nicht gewagt. Trotz dieser
augenscheinlichen Sorgfalt des Schreibers ist die Handschrift
jedoch nicht ganz fehlerfrei.
3. Codex Vaticanus 5772 (V x ). Eine Handschrift in Folio,
wohl aus der ersten Hälfte des 11. Jahrhunderts, mit zwei
Columnen Text auf jeder Seite. Auch diese Handschrift war,
bevor sie der vaticanischen Bibliothek einverleibt wurde, Eigen-
thum des Klosters Bobbio, wo sie, wie später nachgewiesen
werden soll, auch geschrieben wurde. Dass sie dem Kloster
Bobbio gehörte, zeigt die TJeberschrift am oberen Rande des
ersten Blattes: Liber sei \i23\ columbani de bobio. Von Fol. 29 rl>
bis 41 Tb enthält der Codex 1. den Brief des Eugippius 1 an
Paschasius; 2. das Commemoratorium; die Capitulation und
das Antwortschreiben des Paschasius fehlen. Der Brief des
Eugippius führt die Ueberschrift: Ineipit uita beati seuerini;
doch rührt seuerini erst von zweiter Hand und steht mit
schwarzer Tinte auf einer Rasur; darüber schrieb dieselbe
Hand mit kleineren Buchstaben als Titel für den Brief: plogus
in uita. Die Anfangsbuchstaben der Capitel fehlen sehr häufig;
offenbar sollten sie später in den für sie freigelassenen Raum
mit rother Tinte eingesetzt werden. Ueber das Verhältniss dieser
Handschrift zum Taurinensis wird später gehandelt werden.
4. Codex Vaticanus 1197 (V,). Eine Handschrift mit
Lebensbeschreibungen von Heiligen von grösstem Format, mit
zwei Spalten Text auf jeder Seite. 2 Die Vita S. Severini füllt
1 An der einen Stelle, wo dieser Name vorkommt (zn Beginn des Briefes),
lautet er eugipius.
2 Diese Handschrift scheint bisher noch nicht vollständig benützt worden
zu sein: Sauppe erwähnt sie ein einziges Mal zur Emendation einer
Stelle der Capitulation, die im Laterauensis corrupt ist (p. 6). Der Codex
wurde bis Cap. VIII von mir, der übrige Th eil von Hrn. G. Kieseritzky
verglichen.
29*
452
Kno 11.
in derselben den Raum von Fol. 189 rb bis 205 rb aus; sie ent
hält sowohl die beiden Briefe als die Capitulation und das
Commemoratorium in folgender Reihenfolge: 1. Epistola Eugippii 1
ad Paschasium bis Fol. 190 rb ; 2. die Capitulation bis Fol. 191 ra ;
3. die Vita Severini bis Fol. 204 vb ; 4. die Epistola Paschasii
bis Fol. 205 rb . Die Handschrift stammt nach einer gütigen
Mittheilung des Herrn Dr. G. Loewe aus dem 11. bis 12. Jahr
hundert und ist in langobardischen Charakteren auf Monte
Cassino oder von einem Monte Cassinenser Mönche geschrieben
worden. 2 Die Schrift der ersten Hand ist im Allgemeinen
correct; verhältnissmässig selten kommen Rasuren und Ver
besserungen, von einer zweiten Hand herrührend, vor.
5. Codex Vallicellanus Tom. XII., H28 M. lang, OHG M.
breit, aus dem 11. bis 12. Jahrhundert; angehörig der
Bibliothek des Oratorianerklosters der Cliiesa nuova zu Rom.
Er enthält von Fol. 74 v bis 108 v die beiden Briefe, die
Capitulation und die Vita; und zwar folgen die einzelnen
Theile in derselben Reihenfolge auf einander wie im Tnu-
rinensis, also: 1. der Brief des Eugippius; 3 2. die Capitulation;
3. das Commemoratorium; 4. der Brief des Paschasius. Sogar
die Subscriptionen der einzelnen Theile sind fast wörtlich mit
1 Die Form des Namens lautet überall eugepius.
2 Auf Monte Cassino befinden sich nach Angabe des Catalogs noch vier
Handschriften der Vita, alle aus dem 11. Jahrhundert: die Codices 139,
144, 14ö, 146, von denen der letzte ein Cocl. decurlatus ist, in dem der
grösste Theil des Textes fehlt; 144 enthält blos die Epistola Eugippii,
die Capitulation und von der Vita nur das 1. Cap.; im Cap. 2 bricht
die Handschrift nach den Worten monitis uiri dei sanctis operibus ab, da
eine Anzahl Blätter aus der Handschrift herausgerissen ist. Vollständig
sind also blos 139 und 145; doch fehlt in 139 die Capitulation. Mangel
an Zeit machte mir es unmöglich, diese Handschriften während meines
Aufenthaltes in Italien zu vergleichen. Doch scheinen sie ganz derselben
Classe anzugehören wie Vat. 11.97; sicher nachzuweisen ist dies für
Cod. 144; denn aus der Capitulation wird klar, dass derselbe in C. XLV
drei Krankenheilnngen und C. XLI die Namensform Ferderuchus hatte;
dass Cod. 139 und 145 zu derselben Classe gehören, wird durch die Weg
lassung von merito vor iienerabili zu Beginn der Epistola Eugippii wahr
scheinlich; die Classe T V Val!. A haben alle merito.
3 Die Form des Namens lautet wie im T meist eugepius; nur am Schlüsse
der Epistola Paschasii steht wie im T eugipiü.
Das Haudschriftenverhältuiss der Vita S. Severini des Eugippius.
453
denen im Taurinensis übereinstimmend. Auf die Vita Severini
folgen in dieser Handschrift wie im T Heiligengeschichten
unter dem Titel Paradisus: Incipiunt cap libri qui appellatur
paradisus. In der Handschrift, die von erster Hand sehr nach
lässig' und fehlerhaft geschrieben ist, hat eine neue Hand An
merkungen und Lesarten aus anderen schlechten Handschriften
oder Ausgaben über die Zeilen oder an den Rand beigesetzt.
6. Codex Ambrosianus J. 61. inf. (A, bei Sauppe M);
eine Handschrift in 4° aus dem 12. Jahrhundert; im Cataloge
der Bibliothek ist sie dem 10. Jahrhunderte zugewiesen; doch
ist dies nicht wohl möglich, da sie bereits die Apices auf n
hat. Er enthält die Epistola Eugippii 1 und das Commemora-
torium von Fol. 45 r bis 60 v ; vorher geht wie im Cod. Valli-
cellanus die Vita beati hylarionis (sic!). Der Schreiber der
Handschrift verfuhr sehr nachlässig, was aus den zahlreichen
Lücken und falschen, willkürlichen Lesarten der Handschrift
zu ersehen ist; überdies zeigt dieselbe noch die nicht viel
spätere Hand eines Correctors. Eine noch spätere, vielleicht
dem 16. Jahrhundert angehörige Hand fügte am Rande der
Handschrift den Inhalt betreffende Anmerkungen, 2 einige Eigen
namen, 3 die Nummern der Gapitel und deren Anfangsbuchstaben
je nach Massgabe des Raumes hinzu, die später beim Ein
binden der Handschrift zum Theile weggeschnitten wurden.
Wie Sauppe richtig bemerkt, zerfallen die älteren, guten
Handschriften der Vita im Allgemeinen in zwei Classen; in
eine, deren Hauptvertreter vermöge seines Alters der Latera-
nensis ist, und in eine andere, der Vat. 5772 und Ambrosianus
beigezählt werden; von den von mir überdies benützten Hand
schriften gehört Vat. 1197 (und wohl alle Cassinenser) der ersten,
Taurinensis und Vallicellanus der zweiten Classe an. Obwohl
wir nicht wissen, wo der älteste Codex der ersten Classe, der
Lat., geschrieben ist, so könnten wir doch, da die Monte
Cassinenser Handschriften, wie oben angedeutet wurde, alle
1 Die in der Handschrift übliche Namensform ist eugepius.
2 So z. B. zu §. 10 der Ep. Eug. auf Fol. 46 r : Scs seuerin’ ex loqla patuit
fidsse latin’; u. a.
3 Zu §. 8 der Ep. Eug. die Namen Primenius, Orestes patricius; den Bei
fall des Lesers soll wohl das §. 9 beigeschriebene pulchre ausdrücken.
454
K n ö 11.
dieser Classe 1 angehören, die Hauptvertreter der anderen Classe
dagegen im Kloster Bobbio geschrieben sind, jene die Monte
Cassinenser oder unteritalienische, diese die Bobbienser oder
oberitalienische Redaction der Vita nennen. Ich beginne zunächst
mit der Untersuchung der Handschriften der zweiten Classe.
Von dieser Familie benützte Sauppe für seine Ausgabe
zwei Handschriften, den Vat. 5772 und den Codex Ambrosianus,
den er mit M bezeichnet; von diesen ist F t der ältere und
weitaus wichtigere, während A von Sauppe im Allgemeinen
als das gekennzeichnet wurde, was er in Wahrheit ist, als
eine willkürlich hergestellte, durch Correcturen und zahlreiche
Lücken entstellte Abschrift eines uns unbekannten Codex
dieser Classe (p. XII); über ihn soll weiter unten eingehender
gehandelt werden.
Die Wichtigkeit des Vat. 5772 einzugestehen ist Sauppe
selbst gezwungen p. XIII sq.: ea praestantia (codicis Lateranensis)
non tanta est, ut lüs duobus codicibus (Vat. et Ambr.) super-
sedere possimus. Dies ist nicht zu verwundern; denn bei einer
Ausgabe des Textes der Vita nach dem sehr fehlerhaften L
waren Vat. und Ambros, unentbehrlich und eine grosse Anzahl
von Lesarten, die in dem L sinnlos sind, mussten aus dem
Lj aufgenommen werden.
Allein V v ist keineswegs der beste Vertreter der Hand
schriften dieser Classe, die überhaupt noch existiren; es lässt
sich vielmehr mit ziemlicher Sicherheit der Nachweis führen,
dass er aus einer anderen Handschrift entstanden ist, die wir
noch besitzen, die aber Sauppe allerdings nicht gekannt zu
haben scheint, nämlich aus dem Taurinensis. Dies geht aus
folgendem hervor:
1) V t setzt nirgends einen vollständigeren Text voraus,
als der Taurinensis gibt; wenn F, irgendwo mehr bietet, so
rührt dies von fehlerhaftem Abschreiben, meist von Dittographien,
her. So Ep. Eug. §. 6 steht perjectione in F, zweimal; Vit.
XXXV, 1 ist sibi nach praestari wiederholt. Auffälliger ist
die Einschiebung von reliquerat nach semiuiuus (XXXIII, 2).-
1 Derselben Classe gehörte offenbar auch der Codex an, den der Autor,
der die Gesta episcoporum Neapotitanomm zusammenstellte, benützte;
vgl. Moumnenta Germ. Scriptt. rer. langob. p. 408 f.
Das Handschriftenverhältniss der Vita S. Severini des Eugippius.
455
2) Stimmt er in Eigentümlichkeiten der Schreibung und
in Fehlern vollständig mit T überein; ja die Abhängigkeit von
dem Taurinensis geht sogar soweit, dass er beinahe regelmässig
da, wo T Initialen im Texte hat, sie gleichfalls setzt.
a) Von Eigenthümliehkeiten der Schreibung der Wörter
scheinen mir folgende der Erwähnung werth: Ep. Eug. §. 2
haben beide silenti, welche Zusammenziehung sonst in der Vita
nicht nachzuweisen ist; die anderen haben silentii, mit Aus
nahme des Vallic. und Ambros. Ep. Eug. §. 10 nurici statt
norici; Vit. I, 5 disperatis; ibid. opidaneis; IV, 3 incolomes;
ebenso XXXIII, 2; VII, 2 ist in T das zweite s von uilistimis
ausradirt; mit einem s hat es auch V 1 . VIII, 2 hat T ministlrii;
das e nach t ist wegradirt; daher schrieb auch V l miuistrii
nicht ministri, wie Sauppe in der Varians scriptura anmerkt.
IX, 4 (und XIX, 5) prouintiam T V l - X, 2 coeperant statt
ceperant; XI, 1 vionitionibus statt munitionibus ■ XI, 3 comunem
mit einem m; XVII, 1 poene statt paene; XX, 1 puplicis;
XXII, 1 biothro; doch haben beide XXXVI, 1 boith.ro; XXVIII, 4
immodum assimilirt statt in modum; XXXII, 2 adolatione; XL,
2 heisst die Königin in beiden Handschriften gisa, obwohl
in c. VJII beide Handschriften übereinstimmend die richtige
Namensform giso haben. XLII, 3 nonita statt monita ; XLIII, 1
agebat statt aiebat; XLIII, 5 Scimus statt Simns; XLIV, 4
teudericum, die übrigen theodericum; XLVI, 2 lucallano (lucalano
auch A); ibid. per manu sei statt per manus sei u. a. m.
Aus einigen dieser Stellen, namentlich aus VII, 2 und
VIII, 2 geht hervor, dass V v aus dem bereits corrigirten Codex
Taurinensis hervorgegangen ist; da nun aber beide Hand
schriften der Zeit nach nicht weit auseinander fallen, so dürften
die Correcturen im T vielleicht vom Schreiber desselben selbst
herrühren oder wenigstens nicht viel jünger sein; die Züge
der Schrift sprechen nicht gegen diese Annahme.
b) Auch grössere Fehler und Corruptelen, die der Text
des T zeigt, finden wir in V t ohne Veränderung wieder; so
Ep. Eug. §. 3 pro guo fiuis statt quo profluis; ebenso c. XIX, 4
pro re qua statt re pro qua; 1 Ep. Eug. 9 senior, wo das durch
Eine Corruptel, die in älteren Handschriften nicht ohne Beispiel ist; so
hat der Yindobonensis des Livius XLI, 1, 6, ganz mit unserem Falle
45G
Knöll.
V 2 überlieferte serio die ursprüngliche Lesart gibt. Vit. X, 1
quidavi statt quadarrr, XII, 6 hatte ursprünglich T po.ssese; der
Corrector jedoch radirte die Silbe se von posse weg und setzte
ein t in die Rasur; und so schreibt denn auch V l p' se =
post se. XIV, 1 haben beide Handschriften languentes, wo der
Sinn languentis verlangt, welches die anderen Handschriften
haben. XV, 2 fuisse statt fuisset. Der Querstrich (statt m)
über Vocalen ist in Z'iu folgenden drei Fällen vergessen worden:
XVII, 4 nonnullam — copia; XXVIII, 2 turba numerumque;
XXIX, 4 aia assimilirt an qua; und eben dieselben Fehler
hat auch I t in seinen Text aufgenommen. XLIV, 7 hat T
eundem iter und ebenso auch Ij. 1 Durch Abschweifung der
Augen scheinen in T XII, 5 atque contemptor und XXXI, 1 ex
quibus unum erat fabianis ausgefallen zu sein; sie fehlen daher
auch im Ij.
Einzelne der angeführten Fälle sind so überzeugend, dass
es kaum einem Zweifel unterliegen kann, dass V l aus T her
vorgegangen ist. Dies wird noch wahrscheinlicher durch die
Thatsache, dass beide Handschriften, wie bereits oben bemerkt
wurde, dem Kloster des heiligen Columban von Bobbio ange
hörten. Der Umstand, dass Ij in dem Verzeichnisse der Hand
schriften der Klosterbibliothek eine frühere Nu mm er führte,
kann nicht dagegen sprechen, wenn man bedenkt, dass diese
in arabischen Ziffern geschriebenen Nummern erst einer wohl
in der Neuzeit vorgenommenen Neuordnung der Bibliothek ihren
Ursprung danken. Ebenso wenig kann gegen diese Annahme
beweisen, dass in Ij die Epistola Paschasii und die Capitel-
überschriften ausgelassen sind, obwohl sie T hat; das Weg-
übereinstimmend Catmeluspro regulo erat, was Madvig in regulus praeeral
bessert; vgl. Emendationes Liv. 2 p. 602.
1 Doch braucht dies nicht unbedingt als Fehler angesehen zu werden;
denn dass Neutra oft als Masculina gebraucht werden, davon existiren
in Inschriften und Handschriften späterer Zeit zahlreiche Beispiele. Der
Grammatiker des 4. Jahrhunderts n. Chr., Fortunatiauus, bemerkt sogar
(Rhett, lat. min. p. 123, 9 ed. Halm), dass zu seiner Zeit die meisten
Neutra sich in Maseuliua verwandelten: Romani neutra multa masculino
genere potius enuntiant ut Jiunc tlieatrum, hunc prodigium 1 ; vgl. Paucker
de latin. scriptt. hist. Aug. p. 64 sqq. Büeheler, Grundr. d. lat. Decli-
nation, herg. von Windekilde, 2. Aufl. p. 8 u. 10. Vgl. überdies Victor Vit.
III, 27 (ed. Halm) talem . . . responsum dedit.
Das Handschriftenverliältniöis der Vita S. Severini des Eugippius.
457
lassen dieser Theile hatte wohl hauptsächlich darin seinen Grund,
weil dem Abschreiber diese Theile nebensächlich und nicht
unbedingt zur Vita gehörig erschienen; überdies mochte auch
Raummangel, der ja, wie bereits oben bemerkt wurde, nament
lich in den jüngeren Handschriften die Kürzung der Vita
nothwendig machte, die Weglassung dieser beiden Theile in
F, veranlasst haben. Wenn überdies V l und T in den Ueber-
schriften und Schlussbemerkungen der einzelnen Theile der
Vita (Epist. Eug. und Vita) nicht übereinstimmen, so erklärt
sich dies leicht daraus, dass der Schreiber des F 1; da er
einzelne Theile ausliess, die Bemerkungen in T nicht brauchen
konnte. Daraus, dass eine Abschrift aus T ist, erklärt sich
auch, dass der Text des F, weitere Corruptelen zeigt, die dem
T fremd sind. So hat V t folgende Lücken: Vit. V, 2 lässt er die
Worte sollicitus quae nobis est aus, die T hat. XIV, 2 fehlt
inuenire; XXV, 1 diebus und graue. XXXIII, 2 setzte der
Schreiber statt des ungewöhnlicheren sospitate das gewöhnlichere
sanitate in den Text, schrieb jedoch sospitate darüber; denn
beide rühren von derselben Hand her.
Von Verderbnissen des Textes, die der Unaufmerksamkeit
des sonst ziemlich sorgfältigen Schreibers leicht widerfahren
konnten, zähle ich folgende auf: Ep. Eug. 2 timore statt m§rore;
Ep. Eug. 9 cui' = cuius, nicht sui, wie Sauppe anmerkt, statt
ciuis, eine Verwechselung, die in den Handschriften nicht selten
ist; so hat z. B. L XLVI, 3 cuius statt ciuis. III, 1 reliosis
statt religiosis; IH, 2 releuatione statt reuelatione; IV, 2 prae-
cepit statt praecipit; IV, 3 a statt ad] IV, 4 ds statt dö; IV, 5
illü statt illud] IV, 10 torpescitur statt torpescit] IV, 12 mino
statt miro] VI, 5 xpiani statt xpi] VIII, 2 romanis statt romanos]
X, 2 cella statt cellula] XI, 2 psuasi statt persuasit] XII, 5
segete statt segetem; XVI, 2 milites statt miles] XVI, 3 pietas
statt pietatis] XIX, 1 ad statt a; XIX, 3 famulu statt famulo]
XIX, 4 diacon = diaconus statt diaconuvi] XXII, 5 off endo
statt offenso dö] XXIII, 1 sei statt scissimus; ibid. quä statt
quem] XXV, 3 carnis statt cordis] XXVII, 1 latos statt latuit
und andere kleinere Abweichungen häufiger.
Diese Abweichungen sind jedoch, wie jeder einsieht, von
so geringer Bedeutung, dass sie nichts gegen die obige Be
hauptung, F, sei aus T entstanden, beweisen; vielmehr machen
458
Knüll.
es einzelne der Stellen, in denen F t und T üBSreinstimmen,
die Identität des Ortes der Entstehung beider Handschriften,
ferner die geringe Altersdifferenz der beiden ganz wahrschein
lich, dass ihre Verwandtschaft nicht erst durch ein Mittelglied
vermittelt, sondern dass V l directe Abschrift aus T ist. Dadurch
aber verliert auch F, die Geltung einer Handschrift
von selbständigem Werthe für die Herstellung des
Textes und verdient daher in dieser Beziehung keine
weitere Beachtung; wo er von T abweicht, ist diese Ver
schiedenheit der Unachtsamkeit des Schreibers zuzuschreiben.
Als Vertreter dieser Classe hat daher, da Vallic. und Ambros.
jüngeren Ursprungs sind, T zu gelten.
Von diesen jüngeren Handschriften selbst gehört Valli-
cellanus ganz offenbar derselben Classe an, wie T und V { ;
dies zeigen die Zusätze in dem Briefe des Eugippius §. 7
und zu Beginn (I, 1) der Vita, sowie das Fehlen der beiden
durch den Leichnam des Heiligen bewirkten Krankenheilungen
zum Schlüsse derselben (XLVI, 4. 5). Dass Vall. jedoch nicht
aus Fj geflossen sein kann, zeigt erstens der Umstand, dass die
Capitulation und der Brief des Paschasius, die bekanntlich
in V l fehlen, im Vall. vorhanden sind; zweitens, dass an den
oben citirten Stellen, an denen kj Lücken zeigt, Vall. diese
nicht kennt, sondern den vollständigen Text gibt. Es bleibt
daher nur noch eine zwiefache Möglichkeit, entweder dass Vall.
aus T entstanden ist, oder dass er auf einen andern, jetzt unbe
kannten, vielleicht verlorenen Codex derselben Classe zurück
geht. Für erstere Annahme liesse sich folgendes anführen:
1) Folgen die einzelnen Theile der Vita in beiden Hand
schriften ganz in derselben Reihenfolge auf einander, so dass
die erste Stelle der Brief des Eugippius einnimmt, hierauf die
Capitulation, auf diese die Vita folgt und die Epistola Paschasii
die ganze Reihe abschliesst. Ja sogar die Ueberschriften und
Schlussbemerkungen der einzelnen Theile sind in beiden Hand
schriften fast wörtlich übereinstimmend, wie sie sich in keiner
andern Handschrift wiederfinden. Am Schlüsse der Epistola
Eugippii heisst es in beiden ganz gleichlautend: Incipiunt capitula
de his quae in commemoratorio continentur id est quibus uitae
(om. Voll.) uel gestorum so, seuerini panduntur capitula. Zum
Schlüsse der Capitulation: Expliciant capitula incipit uita sei
Das Handßchriftenverhältuiss der Vita S. Severini des Eugippius.
459
seuerini abbatis. Am Schlüsse der Vita: Hobes egregi xpi minister
commemoratorium de quo opus efficias tuo magisterio fructuosum;
diesem fügt T noch folgende Worte an, die im Voll, fehlen:
explicat commemoratorium in quo sei seuerini uitae continentur
indicia. Dann haben beide gemeinschaftlich: Incipit rescriptum
(rescripta Voll.) scincti pascasii (paschasii Voll.) diaconi.
2) Lässt sich für obige Behauptung eine ziemlich grosse
Zahl übereinstimmender Lesarten aus beiden Handschriften Vor
bringen ; da eine vollständige Aufzählung derselben zwecklos
wäre, so beschränke ich mich, einige auffallende Fälle der Ueber-
einstimmung beider anzuführen. So hat Voll, übereinstimmend
mit T und V l VI, 1 die Form ossuum gegen ossium der übrigen
Handschriften; ebenso XXVI, 2 mensuum statt mensium, wie
L V> A haben. XLIV, 7 hat Voll, eumt iter, also überein
stimmend mit T F, ; ibid. felethem mulsemensis regionis mit
T F, gegen montem feletem multis emensis regionibus; XLV, 2
et orasset mit T V, statt et orasse et; überdies übereinstimmend
mit T zweimal die Form eugepius, einmal eugipiü u. a. m.
Allein so auffällig auch die Uebereinstimmung der beiden
Handschriften in gewisser Hinsicht sein mag, und so sehr man
geneigt wäre aus diesen Gründen auf Abhängigkeit des Voll.
von T zu schliessen, so lassen sich doch gegen diese Annahme
ziemlich schwer wiegende Gründe geltend machen; diese sind
folgende:
1) zeigt Voll, einen Zusatz von mehreren Worten, der
sich in T (V y A) nicht findet, während hierin Voll, sogar mit
L V 2 übereinstimmt; er hat nämlich übereinstimmend mit
L F 2 XXXI, 1 die Worte: ex quibus unurn erat fabianis, welche
in T Fj A fehlen. Nun könnte man wohl versucht sein, die
selben für ein Glossem zu halten und dadurch ihr Fehlen in T
zu erklären; doch spricht gegen eine solche Annahme, dass
in dem unmittelbar vorhergehenden Theile von der Stadt
Fabianis nicht die Bede war, man also auch nicht einsieht,
wie der Interpolator auf den Namen kam; überdies lässt sich
die Möglichkeit eines Ausfalls dieser Worte in T sehr leicht
erklären; denn diesen Worten vorher geht uicinis und es ist
sehr wahrscheinlich, dass dieselben wegen der Gleichheit der
Endung von uicinis und fabianis in T wegfielen.
460
Kuöll.
8) Weicht auch der Text des Vall. von T an mehreren
Stellen ab und stimmt mit der anderen Classe überein; so
XII, 2 fletu mit L V 2 A statt in fletu T F,; XV, 2 fuisset mit
L V, A gegen das fehlerhafte fuisse T V l ; XIX, 5 hat Vall.
mit L V 2 repertus statt reperturus T V l ; doch beruht repertus in
Vall. sicher auf Verschreibung, da er trotzdem übereinstimmend
mit T Fj quantos numeros hat. XXI, 8 lässt er mit L non vor
sine aus; ebenso fehlen XXIV, 3 die Wörter Sed presbytero,
wie in L F 2 ; XXVII, 2 hat er mit L V 2 omnes, das in den
anderen Handschriften fehlt; XXVIII, 4 stupore mit L V 2 gegen
timore T F,; XXIX, 2 ebdomadä gegen ebdomadem T V t ; XL,
1. 2 giso mit L F 2 ; gisa die anderen. XLIII, 6 affatu gegen
affectu T F,; XLIII, 9 praeterire mit L V 2 statt praeteriri T F,;
XLV, 2 conme.ue.rat mit L V 2 A gegen consuerat T F, u. a.
Diese letzterwähnten Fälle sind jedoch kaum von Bedeu
tung; bei einigen derselben, namentlich bei XIX, 5, beruht
die Uebereinstimmung mit L offenbar auf einem Irrthum des
Schreibers des Vall. Allein das Gewicht der Stelle XXXI, 1,
wo in T wahrscheinlich eine Lücke ist, die Vall. nicht hat,
ist nicht zu verkennen und verbietet uns eine directe oder
indirecte Abstammung des Vall. aus T anzunehmen. Dagegen
machen es die oben p. 458 angeführten Uebereinstimmungen
beider Handschriften in den Subscriptionen und der Namens
form eugepius und eugipiü sehr wahrscheinlich’, dass Vall.
mittelbar auf denselben Codex zurückgehe, aus dem T abge
schrieben ist.
Doch ist der Werth des Vall. in Bezug auf die Recon-
struirung des Textes, abgesehen vielleicht von der eben er
wähnten Stelle XXXI, 1, fast gar keiner; denn der Schreiber
desselben verfuhr bei der Abschrift sehr nachlässig und un
achtsam. Dies beweist eine gx-osse Anzahl von Lücken, die
Vall. allein hat und die sich nicht einmal durch Homoeoteleuta
und andere Ursachen entschixldigen lassen; so fehlt VIII, 4 tuo;
VIII, 5 egit-, XV, 3 ad; XVI, 6 est- XX, 2 .sk«; XXI, 1 f.uam;
XXVI, 2 wt; XXVII, 1 tarn; XXVIII, 5 die Worte quod cum
fecisset et adliuc a filiis uasa deposceret; XXXI, 5 anhu; XXXV, 2
uidendi] XXXVI, 2 sit‘ XLIII, 5 viemores; XLVI, 2 in u. a.
Dies zeigt ferner die Willkür, mit der er im Ausgang der Wörter
den Querstrich (= m) entweder weglässt oder überflüssiger
Das HaudschriftenverliältnisB der Vita S. Severini des Eugippius.
4G1
Weise hinzufügt; ersteres ist z. B. der Fall XVI, 1 nocte;
XXIII, 2 basilica; XXVI, 1 implorante; XXVII, 3 conimonente;
letzteres XXI, 2 remeante; XXXIII, 2 oratione; XL, 2 prostratü ;
statt jo?’o statu und so öfter; ganz abgesehen von anderen Zeichen
der Flüchtigkeit und Nachlässigkeit.
Der Codex Ambrosianus (A, bei Sauppe M) gehört der
selben Classe wie die beiden Bobbienser Handschriften und
der Vallicellanus an; denn er hat, wie diese, die bekannten
Zusätze in dem Briefe des Eugippius (§. 7) und zu Beginn
der Vita (I, 1), und am Schlüsse der Vita fehlen in demselben
die beiden Krankenheilungen von Tune et Laudicius bis mira-
cnla (XLVI, 4. 5). Ferner stimmt er mit T V t an den meisten
Stellen gegen Cod. L überein; so z. B. XIII, 1 alterutra hac
petrae A, wo T V t alterutra ac petrae haben, während L
vor ac noch fern einschiebt; ebenso an sehr vielen anderen
Stellen, die hier nicht angeführt zu werden brauchen, da sie
aus der sehr sorgfältigen Collation B. Niese’s bei Sauppe zu
ersehen sind. Trotzdem hält es schwer, sein Verhältniss zu
T V { und Vall. genau zu bestimmen. Dies kommt daher, weil
der Schreiber desselben oder vielleicht auch der Schreiber seiner
Vorlage beim Abschreiben mit einer fast beispiellosen Willkür
verfuhr, indem er 1) an zahlreichen Stellen theils einzelne
Wörter, theils ganze Sätze oder Satztheile wegliess; so fehlt
Ep. Eug. §. 6 uirtutum; ibid. §. 8 italiae; ibid. denn; ibid. 9
cognoscis quid te necesse est terrenam; 1 Vita IV, 5 de cuius et
miseratione promittit; VIII, 2 serue dei; IX, 2 a tali ministerio
tandem; ebenso X, 1; XII, 3; XII, 6; besonders XLIV, 7 und
XLVI, 3; desgleichen an vielen anderen Stellen, die aus der ge
nauen Collation der Handschrift bei Sauppe leicht zu ersehen sind.
2) Nahm der Abschreiber Umstellungen von Wörtern vor,
die sich in keiner der älteren Handschriften finden; so z. B.
XIV, 2 inuenire pro meis; XV, 1 eiusdem loci; XV, 2 fluuium
ammodo statt amodo fluuium; XVI, 1 ex more duxissent statt
duxissent ex more] XVI, 5 prae g audio tacere statt tacere prae
gaudio] XIX, 2 regem constancia allocutus est statt Constantia
regem est allocutus u. a.
1 Bios auf Versehen beruht es, wenn Sauppe angibt, dass diese Worte
aucli V l weglasse.
462
Knöl 1.
3) Verwandelte er eigenmächtig Wörter und Wortformen
in andere ähnliche: IX, 4 tribula.tionu statt tribulantium; XII, 3
exhibebat statt exigebat; XII, 4 quantum statt quanti; XIII, 1
dicturi statt reddituri; XIV, 1 firneratas statt funereas; XIV, 2
agnosdte statt agnosco; XV, 2 illuuione 1 statt alluuione; XV, 3
p'shec facta statt postes facta; XVII, 1 saluari statt saturari;
XVII, 4 cum hostib; statt obsidentibus gothis u. a.
4) Fügt er Wörter hinzu, die in allen anderen Hand
schriften fehlen: XII, 2 dicens nach proplietani; XVII, 2 inopias
nach famis; XX, 1 sinntl und wno; XXIV, 1 eo vor amplius u. a.
Aus diesem allen geht hervor, dass der Schreiber des A
oder seiner Vorlage kein sorgfältiger Abschreiber war, sondern
dass er vielmehr bei der Abschrift viel zu viel seine eigenen
Erfindungen statt des in der Vorlage Gelesenen in den Text
einsetzte. 2 Bei diesem Zustande der Handschrift aber lässt
sich kaum entscheiden, ob die Zusätze an den Stellen, wo die
anderen Handschriften insgesammt Lücken aufweisen, vom
Schreiber auf eigene Faust gemacht worden sind, oder ob er
sie seiner Vorlage verdankte. Dies ist der Fall IX, 3, wo in
sämmtliclien Handschriften beider Classen nach praesentauit
offenbar mehrere Worte ausgefallen sind; diese Lücke füllt A
dem Sinne vollständig entsprechend durch die Worte reliquiasq:
scorum ab eo suscipiens uiro di detulit; entnahm sie der Schreiber
seiner Vorlage, so ist es unmöglich, dass A auf die beiden
Bobbienser Handschriften zurückgeht. Dann ist es aber auch
sehr unwahrscheinlich, dass A auf den Codex, aus dem L und
T gemeinschaftlich hervorgegangen sind, zurückgehe; 3 denn,
wäre dies der Fall, so müsste sich doch noch in einer der
beiden Handschriftenclassen dieser Zusatz erhalten haben; die
Uebereinstimmung zweier so abweichender Handschriften wie
T und L zwingt uns vielmehr zu der Annahme, dass diese
Lücke bereits im Archetypus beider Classen bestanden haben
müsse und es ist dann anzunehmen, dass er auf einen anderen
Codex als den gemeinsamen Archetypus beider Classen zurück-
1 Bei Sauppe nicht angemerkt.
2 Richtig charakteriairt ihn Sauppe, wenn er sagt: de senlentia saepe magis
quam de uerbis sollicitus rem leuius egit quam V codicis scriptor (p. XII).
3 Dies nimmt Sauppe an p. XV.
Das Handscliriftenvevliiiltniss der Vita S. Severini des Eugippius.
463
gehe, in dem einzelne Corruptelen, die sämmtliche übrigen
Handschriften zeigen, noch nicht existirten; eine ähnliche
Corruptel zeigen alle Handschriften XLV, 2 interrogantis, wo
A allein das richtige interrogatus erhalten hat. Eine feste An
sicht über die Abstammung dieser Handschrift auszusprecheu,
ist bei einer so entstellten und willkürlich hergestellten Hand
schrift wie A schwer; ich begnüge mich, auf die Schwierig
keiten, diese Abstammung festzustellen, aufmerksam gemacht
zu haben. Doch müssen wir auch zugehen, dass die Art der
Abstammung dieser Handschrift von uns wegen des Mangels
der vermittelnden Glieder nicht genauer angegeben werden
kann, so kann darüber kein Zweifel sein, dass dieselbe zur
Classe der Bobbienser Handschriften gehört, der sie auch Sauppe
richtig zugewiesen hat.
Als Grundlage für die erste kritische Ausgabe wurde
bekanntlich von H. Sauppe der Codex Lateranensis benützt, auf
den zuerst A. Bethmann aufmerksam gemacht hatte. Doch ist
der Herausgeber gezwungen einzugestehen, dass derselbe an
vielen Steilen auffallende Verderbnisse zeigt (p. XIII sq.); er
nimmt an diesen Stellen seine Zuflucht zu den Lesarten des
F, seltener zu denen des A, also zu den Lesarten der von
L abweichenden Handschriftenclasse. Diese zählt Sauppe selbst
p. XIV f. auf; dieser Zahl von Lesarten, die im L einge-
standenermassen schlechter sind, während V t und A das Richtige
erhalten haben, Hesse sich, wie aus dem folgenden klar werden
wird, eine nicht minder grosse Anzahl anderer anfügen, wo
gleichfalls F, das einzige Richtige überliefert, während die
Lesart des L sich kaum vertheidigen lässt; überdies eine be
deutende Zahl anderer, bei denen man schwankt, welche der
anderen vorzuziehen ist.
Was aber vor allem Verdacht gegen die Werthschätzung
des L wachrufen muss, das sind die zahlreichen Rasuren und
Correcturen, die sich in demselben finden und mit denen
sowohl die Hand des Schreibers als auch eine zweite, der Zeit
nach nicht viel spätere Hand eines Correctors den Text der
Handschrift verunstalteten, indem sie theils offenbare Fehler
der Vorlage besserten, theils aber auch eigene Conjecturen an
KnölL
4M
die Stelle des wegradirten Richtigen in den Text einsetzten.
Nun Lat zwar fast jede Handschrift Correcturen anfzuweisen,
doeL der Umfang, den dieselben in L angenommen Laben, ist
ein so grosser, die Thätigkeit des Correctors schneidet oft so
tief in den Text ein, dass dieses Verfahren bei jedem, der die
Handschrift selbst gesehen hat, nothwendig Verdacht gegen die
Vorzüglichkeit derselben wachrufen muss. Da ich nun auf die
jenigen Stellen, au denen die zweite Hand nachweislich durch
ihre Correcturen deu Text der Handschrift gewaltsam umge
staltete, noch weiter unten zurückkommen muss, so möge es
hier genügen nur einige derselben beispielsweise anznfiihren;
dass dabei oft die zweite Hand das Richtige statt des von
erster Haud herrührenden Falschen in den Text setzte, ist für
die Beurtheilung des Zustandes der Handschrift nicht von Be
lang. In der Inhaltsangabe zu c. VII schrieb die erste Hand
.pnuntiat, die zweite fügte mit schwarzer Tinte über t das
Häkchen ’ = m hinzu; daselbst schrieb die m> regnafuros,
die zweite besserte es in regnaturus; IX, 1 schrieb die erste
Hand transuadere, die zweite verwandelte e durch einen darüber
gezogenen Strich in a: genau so geschrieben ist XV, 2 tabulata,
wo e gleichfalls von ersterHand herrührt, wie Sauppe richtig
bemerkt. Wenn a von erster Hand und e von zweiter herrühren
würde, wie Sauppe anmerkt, dann müsste nach der Schreib
weise der Handschrift cp- in derselben stehen. 1 XIII, 2 memoratos
m 1 , memoratis in 2 . XV, 4 hatte die erste Hand die Worte quod
impresserat fiomo di prorsus excederet weggelassen; die zweite
fügte sie eine Zeile tiefer bei. Ebenso stehen in der Ueber-
sehrift zu e. XVI die Worte positü celebratis nocte uigiliis mox
ad tioce uo — auf einer Rasur, in der also wohl ursprünglich
etwas anderes geschrieben war. XXI. 1 hatte die erste Hand
das richtige dies, die zweite radirte s aus und setzte b: über
die Zeile (= diebm). XXIV, 3 mmtiis inmutt ins m-. XXV, 1
aliquit m 1 , aliquot m 2 . XXIX, 1 steht fecimus auf einer
Rasur und rührt von zweiter Hand. XLIII, 2 steht fi von
1 Aii unserer Stelle ist nicht transvadere mit der ersten Hand des L,
sondern Iranswadtire mit der zweiten und allen übrigen Handschriften zu
schreiben. Ganz gleich gebraucht dieses Verbum Victor Vitensis hist,
pers. Vand. I, 1 (ed. Halm): fransitadam facili tramUu per angftstim
maris. Vgl. Roenseh Itala und Vnlg. *>. Aufl. p. -02.
Das Handschriftenverhälfcniss der Yifca 8. Severini des Kugippius.
465
infimi auf einer Rasur, in der vielleiclit ursprünglich das richtige
infirmi stand. Die Aufzählung anderer Fälle wäre überflüssig
und gehört unter die Varia scriptura; ich breche daher ab mit
der Bemerkung, dass die hier angeführten Fälle sich mit
leichter Mühe vermehren liessen.
Es kommt jedoch noch ein Umstand hinzu, der uns die
richtige Werthschätzung des L wesentlich erleichtert; es ist
nämlich L nicht der einzige Vertreter seiner Handschriften-
classe, wie bisher angenommen wurde, sondern wir haben noch
einen anderen Repräsentanten derselben Familie, der, wenn
gleich jünger als Codex L und selbst nicht fehlerlos, doch bei
dem Zustande des L in hohem Grade Beachtung verdient.
Diese Handschrift ist der auf Monte Cassino geschriebene
Codex Vaticanus 1197 (V 2 ). Dass beide Handschriften denselben
Archetypus voraussetzen, lässt sich durch Folgendes, wie ich
glaube, zur Evidenz beweisen; beide Handschriften haben:
1) Lücken gemeinschaftlich, die sich in keiner der übrigen
älteren Handschriften finden. In der Ep. Eug. §. 7 lassen beide
licet und die Worte tarnen quid hinc ab ineunte aetate cogno-
uerim non tacebo aus. Ebenso fehlen in beiden Handschriften
zu Beginn der Vita (I, 1) die Worte ac primum inter filios eins
de obtinendo regno magna sunt exorta certamina, qui morbo do-
minationis inflati materiam sui sceleris aestimarunt patris interitum;
dieselben finden sich in allen übrigen Handschriften der anderen
Classe; desgleichen fehlen XXIV, 3 in L und V 2 die beiden
Wörter Sed presbytero, die allerdings auch der jüngere Valli-
ceäamts auslässt. Ueberdies lassen beide gemeinschaftlich noch
an folgenden Stellen einzelne Wörter aus, die die anderen
Handschriften haben: IV, 7 abditarn nach soliludineni; VIII, 3
meo nach domino; ibid. uitae nach sperrt: XXI, 1 latius nach
eins: XXIX, 2 qaendam nach soporem; XXXIV, 1 se nach
rogans; XXXV, 2 o vor fili; XXXVI, 3 üla nach omnia;
XXXVIH, 1 ttir nach item; XLIII, 7 amen; et fehlt an folgen
den Stellen, wo die Handschriften der anderen Classe die Con-
junetion haben: XHI, 2 nach sicut; XXH, 1 vor nitro: XXX. 3
nach positus.
2) Beide Handschriften haben dieselben Zusätze im Texte,
die in sämmtlichen anderen Codices der andern Classe fehlen:
so vor allem den grossen Zusatz zum Schlüsse der Vita von
Sitnmgsber. d. pbil.-hist. GL ICY. Bd. I. Hft. 30
466
Kn öl 1.
den beiden Krankenbeilungen, die durch den Leichnam des
Heiligen bei seiner Ueberführung nach Neapel bewirkt wurden,
XLVI, 4 tune et Laudicius bis XLVI, 6 miracula. Ferner
unterscheiden sich L und V 2 durch einen vollständigeren Text
noch an folgenden Stellen von den übrigen Handschriften: X, 1
haben beide uir di; XII, 5 atque contemptor. Einzelne Wörter
an folgenden Stellen: Ep. Eng. 9 potius; ibid. 10 prim-,
IV, 3 et; IV, 4 uero nach ceteros; 1 IV, 10 semper; V, 3 latro-
cinantium barbarorum statt latronum, wie alle übrigen Hand
schriften haben; XIII, 1 ferri; XIV, 2 inquit; XXVII, 2 spe-,
XXVIII, 5 xps nach iesus; ibid. uasorum; XXXI, 3 tuus nach
pater; XXXII, 1 si qua statt quae, wie die andern haben;
XXXII, 2 inter nach integer; XLIT, 2 nos; XLIV, 7 montem;
XLVI, 6 uiri. An allen diesen Stellen stimmen L und V 2 gegen
die anderen vier von mir verglichenen Handschriften überein;
nur an zwei Stellen geht noch Voll., wie bereits oben be
merkt wurde, mit ihnen, nämlich XXVII, 2, wo omnes auch
Voll, hat; und XXXI, 1, wo die Worte ex quibus unum erat
fabianis. in T E, A fehlen; vgl. p. 459.
3) Stimmen L und V 2 in einer grossen Anzahl von Les
arten gegenüber der anderen Classe überein; zur anschaulichen
Vergleichung setze ich der Kürze halber einige aus Anfang,
Mitte und Schluss nebst den entsprechenden der Vertreter der
andern Classe hierher und verweise die übrigen unter den Strich.
T V l A
prompto remandauit.
efßcere rogaretur.
Cum multi igitw.
inclinati,
mm (= misericordia).
crediderant.
inueniunt.
negaret.
dum
reuocabat.
1 Au dieser Stelle ist bei Sauppe in der Adnotatio critica wohl aus Ver
sehen ueben V der Buchstabe M weggefalleu; deim uero fehlt gleichfalls
im Ambrosianus.
L V 2
Ep. Eug. 2 promptiore mandauit
rogaretur efficere
Nam cum multi
■inquinati
>7
Vita
n
7
I, 2
III, 2 misericorditer
„ 3 credebant
IV, 4 inuenerunt
n 1
V, 3
VIII, 1
denegaret
cum
retrahebat
Das HandschriftenverMltnißs der Vita S. Severiiii des liugippius.
4<>7
Vita
L V 2
VIII, 6 promittens
IX, 4 respiciendo
X, 1 imminenti periculo non
carebis
XI, 5 liquabat
XII, 6 sibi spes
XIV, 3 percepta
XVI, 3 credidevis potuisse
XIX, 5 quantus repertus nu-
merus
XX, 2 iubet
XXIV, 2 praesagio
„ 3 uastantes
XXVI, 2 praecepit. . . permanere
XXVIII, 2 pretiosum
XXX, 5
XXXI, 4
„ 6
XXXII, 2
XXXV, 1
» 2
XL, 5
t
XLII, 1
XLIII, 9
XLIV, 7
isset
seruitio L; das Rich
tige seruitium hat V 2
roma soll prouinciam L
romani soll pro-
uincia V 2
integritatem
imbßcillitate plurimum
praegrauatus mede-
lam
uidere
uos ego indignus et in-
fimus
ferderuchus
nobis
multis emensis regio-
nibus
T V L A
promittentes.
aspiciendo.
ab imminenti periculo
non cauebis.
liquauit.
spes sibi.
recepta.
credideras posse.
quantos reperturus nu-
meros. 1
iubens.
nuntio T V, nuncio A
uexantes.
praecepit, ut — per-
manerent.
pretiosius T V„ pre-
ciosius A
esset
seruitutem; om. A
romanis (■— os A)
ad suas prouincias.
integri (interim A)
imbecillitatem plurimam
patiebatur medelam-
que.
uidendi.
ego indignus et infimus
uos T V L
fredericus.
nostris.
mulsemensis i’egionis. 2
1 Voll, hat, wie oben bemerkt wurde, zwar quantos numeros, aber mit L V 2
repertus.
2 L und V 2 stimmen überdies noch in folgenden Lesarten gegen die Les
arten der anderen Handschriften, die icb hier der Kürze halber nicht
30*
468
K u ö 11.
Die angeführten Stellen beweisen zur Genüge, dass L und
F 2 aus einem und demselben Archetypus geflossen sind, der
sich von dem der andern Classe an vielen Stellen wesentlich
unterschied.
Doch ist andererseits mit Sicherheit nachzuweisen, dass
F 2 nicht aus L entstanden ist; hiedurch aber erhält F 2 eine
selbständige Geltung und ist zur Beurtheilung des Zustandes des
Archetypus von L F 2 unentbehrlich. Dass F, nicht auf L zurück
gehen kann, muss aus folgenden Gründen angenommen werden:
anführe, überein: Ep. Eug. 1 merito ansgelassen; ibid. tiias-, Ep. Eug. 2
silentii; ibid. disertiludme; ibid. 3 nequaquavi; ibid. 4 componat; ibid. 6
euehitur; ibid. 9 euitare\ Vita I, 1 uictnia; I, 2 quadam; ibid. ac ieiunih
et L F 2 , et ieiuniis ac T F, 4; III, 1 fobianis; III, 2 diu, welches auch
A hat; ibid. seruare; IV, 1 surreptione-, IV, 4 adduxere; ibid. denuntiate;
IV, 7 burgtim; V, 1 inferiore; VIII, 1 fe.ua; ibid. coniunx; ibid. quosdam;
VTII, 4 petitura L F 2 , poscem T Fj A; IX, 1 habitus; X, 2 scameras L F 2 ,
seamaras T F„ scamaras ü; XII, 3 quae; ibid. uoce L F 2 A, uoce T F,,
von Sauppe übergangen. XU, 4 inuisendi L F 2 A; ibid. ea; XIU, 1
ap(p)eüabatur; ibid. concussis■ XIV, 1 diutnrno, doch steht das Wort in
L auf einer Kasur. XV, 1 plano L F 2 , planu T Fj A; XV, 3 naui;
XVI, 6 subdiaconi und materni; XVII, 2 angnsliam; angustias hat auch
Fj; XVII, 3 permaneret; XVII, 4 mulio; XIX, 1 renum L, rhenum F 2 ,
henum cet.; XIX, 4 diaconem L F 2 , diaconum T V t A, bei Sauppe nicht
angegeben; XIX, 5 spopondit se; ibid. a L F 2 , T F, -4.; ibid.
modum scs luciUus pbti'; XX, 1 idem] XX, 2 ics leger ei seuerinus L F 2 ,
welche Lesart Sauppe nicht anführt; er setzt die Lesart scs seuerinus
legeret T Fj A in den Text. XXI, 2 eum; XXII, 1 praeferebat] XXII, 2
febanum L m- F 2 ; ibid. destituto; XXIV, 2 dilalione L, dilacione F 2 ; ibid.
maximianum; ibid. admoneri L m 2 F 2 ; XXV, 2 praestructus; XXVII, 1
praesentes] XXVII, 2 instraxerunt; XXVII, 3 discedamus L F 2 -4, descen-
damus T F } ; XXVIII, 1 pstruebat = perstruebat L F 2 ; diese Lesart ist bei
Sauppe nicht angegeben, sondern er folgt stillschweigend der der andern
Classe praestruebal; XXVIII, 3 signoque; ibid. dcxlrae: ibid. 7niipstrantium
L F 2 (A)\ XXIX, 1 includeret; XXIX, 3 quantumque; XXX, 1 item] ibid.
poterant /tumana solliciludine; ibid. perstruxit; XXX, 4 inueniunt L F 2 , in-
uenerunt T V Y -4; XXX, 5 agtwuerunt; XXXI, 3 se frequenter; XXXI, 4
debeanl; XXXII, 2 quodam; XXXIII, 1 exequms; XXXVI, 3 diaboli
L F 2 -4; XXXIX, 1 spiritualis; XLII, 3 momenta L F 2> monita T A;
XLIII, 2 singulos singulorum T V 1 A: ibid. infimi; XLIII, 4 examhia-
tione L, doch rührt ion von zweiter Hand; examinacione F 2 , examine
T Fj A; ibid. uidcl homo; XLIII, 9 praeterire; XLIV, 2 mancipatus
L F 2 -4, mancipatum T Fj; XLIV, 4 aique ad; XLIV, 6 permansisset;
XLV, 1 multis; ibid. resoluia; XLV, 2 orasse eU
Das Handschriftenverhältniss der Vita S. Severini des Eugippius.
469
1) L zeigt Lücken, die V 2 nicht kennt, an folgenden
Stellen: IV, 3 fielen nach per ge uelociter in L die Worte per ge
fidenter aus; die beiden Wörter sind an unserer Stelle durch
aus passend sowohl wegen der Eindringlichkeit des Auftrages,
als auch, weil sich nur an perge fidenter der darauf folgende
Satz begründend anschliesst; allerdings verwandelte auch der
Schreiber des L das nam in iam. 1 IV, 6 fehlen in L die beiden
Wörter animas auditorum, oder wie nach V 2 zu schliessen der
Archetypus von L und F 2 hatte, animos auditorum. VI, 2 liess
der Schreiber des L die Worte tamquam misericordiam con-
secutus a dö, die V 2 und alle Codices der andern Classe haben,
durch Abschweifung der Augen von consilium tarnen do aus;
der Grund, den Sauppe gegen die Zugehörigkeit dieser Worte
anführt, 2 scheint mir nicht stichhältig. XVII, 4 fehlen in L
die Worte uario cum obsidentibus gotlns certamine; dieselben
sind durchaus noth wendig, wie Sauppe nach weist (p. XIV);
dass sie im Archetypus nicht fehlten, zeigt F 2 . Die Lücke
in L entstand offenbar durch die Aehnlichkeit des Ausgangs
der Wörter tiburtinie und certamine. Der gleichen Ursache
wie die beiden eben erwähnten verdankt auch die Lücke
XXXI, 1 ihre Entstehung; denn die Wörter euaserant gladios
lauriaco fielen aus durch Abschweifung der Augen des Schreibers
von barbarico auf lauriaco, welches letztere Sauppe in Lau-
riacum verwandelte. Da sich aber die Entstehung der Lücke
in L blos dann erklären lässt, wenn die Form lauriaco in der
Vorlage des L stand, da ferner diese Form sowohl F 2 als T F t
überliefert haben, so müssen wir annehmen, dass von diesem
Stadtnamen neben der Form Lauriacum auch noch die Ablativ
form Lauriaco nach Analogie der übrigen Städtenamen ge
bräuchlich war. 3 XXXV, 2 fehlen in L die Worte non tibi,
1 Aehnliehe Wiederholungen, durch gleiche Ursachen veranlasst, finden
sich in der Vita ziemlich häufig; VII, 2 uade ad Ilaliam, uade; VIII, 4
sic, sic a deo tuo iXlatae uindicantur iniuriae (wo allerdings L sicut, V,
blos sic hat); und an einer mit unserer ganz ähnlichen Stelle XXII, 3
perge, quaeso, sancte, perge uelociter; XLIII, 3 imilamini fidem, imitamini
sanctitatem.
- p. XIV: cum consiliauti purum necessaria esse misericordiae diuinae comme-
moratio uideatur.
3 Doch vergleiche man, was Sauppe p. XVI darüber sagt.
470
K n ö 11.
die Sauppe ohne Grund in Quid verändert; dass non tibi im
Archetypus stand, zeigt die Ueberlieferung des F 2 , die auch
mit T F, A übereinstimmt. In der Ep. Pasch. §. 4 fielen in
L die Worte quantum feruoris attribuant offenbar wegen der
Aehnlichkeit des Ausganges von attribuant und impertiant aus;
in V 2 sowie in T Voll, finden sich dieselben und Sauppe hat
sie mit Recht aus den jüngeren Handschriften in den Text
aufgenommen.
Einzelne Wörter sind in L an folgenden Stellen ausge
fallen : Ep. Eug. 2 praefatae nach epistolae; 1 ibid. 7 fehlt in
L qua nach de; denn qua hatte nach der Ueberlieferung des
F 2 der Archetypus von L und F 2 ; Sauppe füllte die Lücke
dem Sinne entsprechend durch ea aus. Vita I, 4 fehlt omnium
nach opinionem, welches F 2 hat und das für den Sinn passend
scheint. IV, 6 ut nach ita; VIII, 3 pro vor fabricandis; 2
X, 2 in vor cellula; XVI, 2 sibi nach domirio; XVIII, 2 haec
vor promissio; XIX, 3 id vor opus; XXII, 3 non vor sine;
XXVIII, 2 Indus vor liquoris-, XXVIII, 5 hatte die erste Hand
die beiden Wörter et oleum weggelassen; statt deren fügte der
Corrector blos oleü am Rande bei, das Sauppe aufnahm; dass
et oleum im Archetypus stand, zeigt F 2 . XXX, 2 fehlt per
vor exploratores-, Sauppe lässt es aus und ist gezwungen Uli in
Ulis zu verwandeln; XXXI, 2 in vor uicesimo; XXXII, 2 in-
quit vor integer; XL, 3 uos vor uideritis; XLIII, 2 et vor pro-
pheticae; XLVI, 1 liess der Schreiber religiosa aus und schrieb
durch eine eigentümliche Verbindung des Ausgangs des ersten
mit dem Anlaut des folgenden Wortes die Unform deuotiosa;
F 2 hat mit T V l religiosa deuotione; doch steht religiosa in F 2
auf einer Rasur; eine Umstellung der beiden Wörter mit Sauppe
ist überflüssig. XLVI, 3 fehlt in vor itinere.
Dass die grösseren Lücken in L ihre Ursachen in der
Unachtsamkeit des Schreibers haben, ist, wie ich glaube, oben
1 prefate hat auch V 2 T F, ; es fehlt in A und L\ bei Sauppe fiel offenbar
aus Versehen in der Adnot. critica V neben D aus.
2 Die Präposition pro hat hier nichts auffälliges; dieselbe wird bekanntlich
in der späteren Latinität sehr häufig, um den Zweck auszudrücken (= ad],
gebraucht; hiefür lassen sich aus der Vita folgende Beispiele anführen:
XI, 1 pro suis munitionihus-, XVII, 4 pro decimis dandis; XX, 1 pro
custodia limilis alehanlur; vgl. Halm, Index zu Victor Vitensis s. v. p. 88.
Das Handscliriffcenverliältniss der Vita S. Severini des Eugippius.
471
wahrscheinlich gemacht worden; ebenso erhellt die Fehler
haftigkeit desselben an Stellen, wo je ein Wort ausgefallen ist,
aus Ep. Eug. 7; Vita IV, 6; X, 2; XXII, 3; XXVIII, 5;
XXX, 2; XXXI, 2; XXXII, 2; XLVI, 1; XLVI, 3; an allen
diesen Stellen muss Sauppe, obwohl er den L seiner Textes-
recension zu Grunde legt, entweder zur Lesart der andern
Classe greifen, oder sich mit Correcturen aushelfen, die, wie
F 2 zeigt, der an diesen Stellen vollständig mit den guten Ver
tretern der andern Classe übereinstimmt, dem Archetypus
beider fremd waren. Dass auch an den übrigen erwähnten
Stellen die übereinstimmenden Lesarten des F 2 und der anderen
Classe entweder den Vorzug verdienen oder zum mindesten
einen gleich guten Sinn geben wie die entsprechenden des L,
zeigt eine unbefangene Vergleichung beider. Wir sind also
wohl gezwungen anzunehmen, dass diese angeführten Lücken
sich im Archetypus von L und V 2 nicht fanden, sondern ihren
Ursprung der Unachtsamkeit und Leichtfertigkeit des Schreibers
des L verdanken.
2) L hat von erster und zweiter Hand herrührende Inter
polationen, die dem V 2 fremd sind. Hiebei sei bemerkt, dass
die Correcturen in L jedenfalls noch vor der Entstehung des
F 2 entstanden sind, wie auch Sauppe p. IX richtig bemerkt:
manus haud multo recentior. Meist geben sie sich als ungeschickte
Erfindungen auf den ersten Blick zu erkennen. Im Beginn
der Vita fügte die erste Hand I, 1 In vor tempore bei; dass
dasselbe vollständig überflüssig ist, zeigt die ganz gleiche Stelle
Ep. Eug. 8 tempore quo patricius Orestes inique peremptus est.
IX, 1 schob dieselbe vor industria das sinnlose ex ein und ver
wandelte stndiosus in studiosius. IX, 4 ist r (== et) von zweiter
Hand vor pompae beigegeben. XII, 5 von erster Hand suh
vor pevnicie, welches sonst keine Handschrift kennt und für
die Stelle ganz gut zu entbehren ist. XIV, 2 ist die Inter
polation mit ziemlicher Sicherheit nachzuweisen; von erster
Hand scheint quodsi im Texte gestanden zu haben, was auch
F 2 hat; dies nun radirte der Corrector aus und, da er in die
mm entstandene Lücke noch pro ea einsetzen wollte, war er ge-
nöthigt qd (sic!) und pro compendiarisch zu schreiben: gdsipen;
pro ea, obwold offenbare Interpolation der zweiten Hand, nahm
Sauppe in den Text. XV, 1 zeigt das sinnlose Verfahren dieses
472
Kuöll.
Correctors deutlich: vor fecundarum municipiü wird von ihm
noch locus — wohl als Erklärung für municipium — über die
Zeile gesetzt. Einschiebsel ähnlicher Art, die von dem Corrector
herrühren, sind noch: IV, 8 ga vor celestis und IV, 11 q vor
eligimur, beide über der Zeile. XVI, 5 wird von erster Hand
ut vor rogemus beigegeben, das nach uis vollständig überflüssig
ist. XVIII, 2 scheint die nach decimas unnöthig, wie Sauppe
selbst im Index (s. u. coüocatio uerborum p. 33) anmerkt; dass
es im Archetypus nicht war, zeigt V 2 . XL, 6 fügte die erste
Hand et bei und verwandelte toUite in tolletis. XLVI, 6 fügte der
Schreiber in vor eodem loco hinzu, das vollständig überflüssig
ist. In der Ep. Pasch. §. 4 setzte der Schreiber des L et hinzu,
das sowohl im V 2 als in T Vall. fehlt, und zwar mit Recht, da
das Particip incipiens olfenbar dem Partie, contexens unterge
ordnet ist. Am Schlüsse der Ep. Pasch, fügt der Schreiber des
L noch folgende Schlussformel an: Misericordia dei nostri sancti-
tatern uestram semper tueatur incolumem; dieselbe fehlt in V 2 und
T Vall. und scheint ein Zusatz des Schreibers des L zu sein.
3) Hierzu kommt eine grosse Anzahl von Lesarten, in
denen L von V 2 abweicht, während letzterer in den meisten
Fällen mit den guten Vertretern der andern Ilandschriftenclasse
übereinstimmt. Auch hier lassen sich die Willkürlichkeiten
und Interpolationen im Texte des L an den meisten Stellen
überzeugend nachweisen; an anderen verdient die Lesart des
V 2 , der meist mit T F, übereinstimmt, vor der des L den Vor
zug, was an vielen Stellen auch Sauppe zugibt.
a) Schreibfehler und Correcturen in L.
Ich hebe zuerst die Lesarten heraus, in denen sich durch
vorhandene Rasuren nachweisen lässt, dass ursprünglich in L
etwas anderes stand, das dann entweder die erste oder die
zweite Hand —- denn eine sichere Entscheidung zwischen beiden
ist zuweilen nicht leicht — besserte. Ep. Eug. 8 hat L ex-
citauerint; wie dieser Fehler entstand, wird durch V 2 klar;
der Archetypus hatte offenbar esitauerint, das in V 2 steht; der
Schreiber, dem die Schreibung des Wortes auffällig war, corri-
girte es falsch in exxitauerint. 1 — Ep. Eug. 9 hat L qua; doch
1 Ich füge diese Stelle hier ein, obwohl sie eigentlich in diese Kategorie
nicht gehört, weil die Entstehung des Fehlers durch V 2 klar wird. Doch
Das Handschriftenverhältniss der Vita S. Severini des Eugippius.
473
ist über a noch der Querstrich trotz der Rasur deutlich sichtbar;
es stand also ursprünglich quä = quam in L, das V 2 und die
Vertreter der anderen Classe haben. Die Rasur wurde durch
die Veränderung des ursprünglichen desiderare, wie alle Codices
haben, in designare nothwendig. Die Lesart des L gibt jedoch
auch keinen passenden Sinn; auch Rodenberg, der doch die
Ausgabe Sauppe's seiner Uebersetzung zu Grunde legte, über
setzt nach der Ueberlieferung der andern Classe. — Ep. Eug. 10
hat L quicqua; doch steht c auf einer Rasur und rührt von
zweiter Hand; es ist also wahrscheinlich, dass L ursprünglich
das richtige quisquä hatte, das auch V 2 und die übrigen haben.
— I, 3 hat L cito; doch rührt o von zweiter Hand her und
steht auf einer Rasur, in der noch i nach t deutlich sichtbar
ist; es ist also ziemlich sicher, dass die erste Hand citias
schrieb, das auch V 2 und die übrigen Handschriften haben. —
I, 4 steht in L facile] doch stammt das e von der Hand des
Correctors und steht auf einer Rasur, in der man i noch deut
lich unterscheidet; die erste Hand hatte also wohl facilis ge
schrieben; denn für facilius, das nach Hinck’s Vermuthung in
der Lücke gestanden hat, schien mir der Raum der Rasur zu
eng; facilis hat auch V 2 und die andere Classe. Ist aber
dargethan, dass facilis wahrscheinlich die ursprüngliche Les
art des L und seines Archetypus war, dann muss natürlich
nullaque in dem Vorangehenden fallen und die Lesart des V 2
und der anderen Classe nullique in den Text aufgenommen
werden. — IV, 8 setzte der Schreiber der Handschrift wohl
aus Versehen statt gre gra in den Text; der Corrector fügte
daher noch ga vor celestis über der Zeile bei. — XII, 7 befindet
sich nach sui eine Rasur von dem Raume eines Buchstabens;
es ist daher wohl anzunehmen, dass ursprünglich in L suis ge
schrieben war, was auch die anderen Handschriften haben. —
XV, 1 schrieb die erste Hand das sinnlose fecundarum statt
secundarum, und die zweite Hand setzte noch das Häkchen
unter das e. — XIX, 2 hatte L von erster Hand adtentu; die
zweite radirte d aus und setzte in den freien Raum t ein:
halte ich haesitarent mit T V, für die allein passende Lesart, weil das
Imperf. an unserer Stelle sinngemässer ist, und weil ja das andere Verbum
(auderet) gleichfalls im Imperf. steht.
474
Knö 11.
attentu, während die richtige Lesart aduentu war; adtentu be
ruht offenbar auf einem Lesefehler des Schreibers des L. —
XX, 2 hat L qa = quia ; doch rührt der Querstrich in q und
a von zweiter Hand; letzteres steht überdies auf einer Rasur,
in der recht gut von erster Hand que gestanden haben kann,
das ja auch die übrigen Handschriften haben. — Ebendaselbst
hat L humanö — cruore; ü und e rühren von zweiter Hand
und e steht auf einer Rasur; ursprünglich war also richtig der
Ablativ geschrieben, der erst nach der Veränderung von que
in qa durch den Corrector in den Accusativ verwandelt wurde.
— XXII, 4 hatte auch L ursprünglich wie alle übrigen Hand
schriften mit Ausnahme des A hunumundus nicht humimundus,
wie Sauppe bemerkt; der Corrector radirte den zweiten Schenkel
des u aus und schrieb über den Übrigbleibeuden ersten i (sic!)
ein über die Zeile hinausragendes J; es ist also hunumundus
als die ursprüngliche Lesart aller besseren Handschriften in
den Text zu setzen. — XXIV, 2 ist in L allerdings jetzt
et lacrimans zu lesen, wie auch Sauppe herausgab; doch ist
vor l eine Rasur von zwei Buchstaben noch deutlich sichtbar,
in der also wohl il gestanden haben mag; übereinstimmend
damit hat V 2 illacrimans, die übrigen Handschriften inlacrimans.
— XXV, 1 heisst es nach der Ueberlieferung des L: acceptis
litteris ad sem Paulinum episcopum ordinatis; ordinatis ist
offenbar corrupt; denn es heisst meines Wissens niemals
epistolam ordinäre ad aliquem. Dieses Verbum kommt in der
Vita überhaupt nur in folgenden Bedeutungen vor: 1) er
nennen: episcopum ordinäre (IV, 2); 2) in der Bedeutung ver
fügen, anordnen: VIII, 2 liceat nobis de seruis nostris
ordinäre, quod uolumus. Einen Brief richten, senden an
jemanden heisst immer epistolam mittere, destinare, dirigere,
ad aliquem. Dies Bedenken gegen ordinäre wird auch durch
die Handschrift bestätigt; in derselben stehen nämlich die
beiden Wörter episcopum ordinatis über der Zeile, die an dieser
Stelle eine Rasur zeigt, und sie rühren, wie ich mir ausdrück
lich angemerkt habe, von zweiter Hand her, was bei Sauppe
nicht angemerkt ist. Ohne Zweifel verdankt also ordinatis dem
vorausgehenden episcopum seine Entstehung und ist durch eine
eigenthümliche Idiosynerasie des Correctors des L in den Text
gekommen, aus dem es zu entfernen und dafür die Lesart des
Das Handsoliriffceiiverliältiiiss der Vita S. Severini des Eugippius.
475
V 2 und der anderen destinatis einzusetzen ist. — XXVIII, 2
ist die Corruptel klar nachzuweisen; L hat daselbst elementum;
doch stehen die Buchstaben eie auf einer Rasur und rühren
von zweiter Hand, was bei Sauppe allerdings nicht angegeben
ist; es ist also sehr wahrscheinlich, dass ursprünglich alimentum
geschrieben war, wie auch V 2 und die Handschriften der andern
Classe lesen. — XXIX, 2 fehlt, wie schon oben bemerkt wurde,
sowohl in L wie in V 2 quendam, das vermuthlich also schon
im Archetypus beider wegen der Aehnlichkeit des Ausgangs
mit soporem ausfiel; es blieb also nur noch das sinnlose, fehler
hafte in effigie statt in effigie stehen, und so überliefert auch
F 2 diese Stelle. Im L jedoch macht sich auch hier die inter-
polirende Thätigkeit des Schreibers (oder Correctors) geltend;
er radirte nämlich, da ihm die Stelle in dieser Fassung keinen
Sinn gab, in vor effigie aus (denn vor effigie ist, wie ich mir
ausdrücklich anmerkte, eine Rasur von zwei Buchstaben, was
Sauppe nicht erwähnt) und liess nur effigie = effigiem im Text.
Da also in im V 2 noch vorhanden, im L ausradirt worden ist,
so kann die Stelle ursprünglich nicht so gelautet haben, wie
sie im L durch den Corrector hergestellt worden ist, sondern
es ist vielmehr mit der andern Classe zu schreiben quendam
in effigie uiri dei. — Noch deutlicher nachweisbar ist die Emen-
dationsthätigkeit des Correctors XXX, 2, wo die erste Hand
das richtige cauentes schrieb, das auch V 2 und die anderen
Handschriften haben; die zweite Hand nun, nicht die erste,
wie Sauppe anmerkt, tilgte durch Punkte über und unter der
Linie die Buchstaben n und s, so dass cauete entstand, welches
Sauppe in den Text aufnahm. — Ebendaselbst ist in L igno-
rabant zu lesen; doch rührt dieses Wort nicht ganz von erster
Hand, wie Sauppe bemerkt; ignotra stammt vielmehr erst von
der Hand des Correctors und nach o befindet sich ein leerer
Raum für einen Buchstaben; Sauppe vermuthet, dass nicht
affirmabant, sondern irgend ein anderes Wort ursprünglich in
der Lücke stand; mir ist es dagegen sehr wahrscheinlich, dass
die erste Hand affirmabant schrieb, wofür der freie Raum voll
ständig ausreicht; auch V 2 hat dieses. — XXXI, 2 hat L
rnaturi&us; nach i ist freier Raum für einen Buchstaben und
n (nur dieses) stammt von zweiter Hand; ursprünglich stand
also sicherlich matutinus in der Handschrift, das dem Corrector
476
Knö II.
wohl unklar war, weshalb er es in maturius änderte; bei dieser
Gelegenheit sei noch bemerkt, dass dieselbe Lesart ausser V 2
und T auch hat, nicht mututinis, wie Sauppe anmerkt; doch
ist niatutinus so geschrieben, dass der zweite Schaft des u mit
s vereinigt ist, eine Abkürzung, die ja in den Handschriften
ziemlich häufig ist; als Beispiel dafür führe ich aus demselben
V 1 aceruus (XXX, 3) an. — XXXI, 6 hat L molestis; doch ist
vor l eine Rasur bemerkbar; die erste Hand hatte also wohl
viodestis geschrieben, das auch V 2 und die Handschriften der
andern Classe haben; am Rande bemerkte die zweite Hand: at
destis (= alias viodestis). —• XXXVI, 2 steht postmodü von zweiter
Hand auf einer Rasur, in der höchst wahrscheinlich von erster
Hand in posteru geschrieben war, wofür das Spatium genau aus
reicht; in posterum hat auch V 2 und die anderen Handschriften;
Sauppe nahm jedoch postmodum in den Text. -—■ XXXVI, 3
lesen wir in L paucaidüq- doch rühren die Buchstaben aide von
zweiter Hand und stehen in einer Rasur, in der also wohl aita
gestanden haben mag, wie V 2 und die übrigen Handschriften
haben. — Ebendaselbst hatte die erste Hand das unverständliche
tempus geschrieben; die zweite besserte es in temtus; das richtige
tentus hat V 2 und die Handschriften der anderen Classe. —
XXXVI, 4 hat L von erster Hand impertit, und dies scheint,
da V 2 dieselbe Lesart hat, im Archetypus beider gestanden zu
haben; erst die zweite Hand fügte, was Sauppe nicht anmerkt,
über it noch ein i über der Zeile bei. — XL, 2 steht in L
porrecta; doch rührt nur tu von erster Hand; porrec schrieb
erst die zweite Hand auf einer Rasur, in der also wohl proten
gestanden haben mag, das den Raum genau ausfüllt; auch V 2
und die übrigen haben protenta. — XLII, 2 hatte die erste
Hand deceat; die zweite besserte es in doceat; jenes ist die
richtige Lesai’t. — Ebenso hatte auch XLIII, 7 die erste Hand
das Richtige geschrieben: dicentis; der Corrector radirte tis
aus und fügte s über n hinzu: dicen s S. — XLIV, 2 schrieb
die erste Hand in L tremore und dieses ist auch die Lesart
des V 2 und der übrigen Handschriften; der Corrector tilgte
jedoch r$ durch Punkte und schrieb darüber u — tnmore.
b) Hat nun in den erwähnten Fällen zumeist die zweite
Hand die richtige Lesart der ersten getilgt und ihre eigenen
Erfindungen eingesetzt; so fügt sich diesen eine grosse Zahl
Das Handscliriffcenverhültniss der Vita S. Severini des Eugippius.
477
anderer Lesarten an, wo das Falsche offenbar vom Schreiber
selbst herrührt; an allen den nun zu erwähnenden Stellen
weicht V 2 von L ab und hat unstreitig die Lesart des Arche
typus besser gewahrt als L- ich bemerke nur noch, dass an
allen Stellen Sauppe die Ueberlieferung des L aufgibt und zu
den Lesarten des F t und A zu greifen gezwungen ist, von denen
jener zumeist mit V 2 übereinstimmt.
L F 9
Ep. Eug. 9
„ 11
Vita
n
»
»
seuennus
desistat
rupensis
prodiens
inierunt
exemplü
sei
III, 1 famis
IV, 10 medio
„ „ conteptus
11 in me
1 delegatum
2 turbaris
I, 1
„ 3
„ 4
II, 1
V,
seno 1
desistas
ripensis
prodens
inierant
exempla
sanctis
fernes
media
contentus
ivimo
denegatum
turbaberis 2
>1 1!
VI, 5
VII, 1
„ 2
desiderata prosperitate desiderata prosperitate
desperata
deuenerunt 3
scito
VIII, 2 precessisset 1
4
5
sient
miro patitur
„ 6 monstrans
IX, 5 memorabatur
X, 2 properantes
XI, 1 adueniret
desperato
deuerterunt
cito
prqcepisset,
sic 6
minora petitur
monstrat
memorabat
properanter
eueniret
1 Die Handschriften der anderen Classe haben das fehlerhafte senior.
2 So auch T V, Vall.; nur A hat offenbar irrthümlich turberis, das Sauppe
aufnimmt.
3 Dies hat sich durch ein Druckversehen bei Sauppe in den Index p. 33
(s. u. colloeatio uerborum) eingeschlichen.
4 Sauppe bemerkt aus Versehen, precessisset sei die Lesart des V.
5 Sic sic haben T V, A Vall.
478
Vita
77
77
37
n
77
37
37
77
77
77
77
37
37
)>
37
77
37
37
77
77
77
37
77
77
37
Kn 511.
XII, 4
77 ^
XVI, 2
„ 3
XVII, 4
XIX, 3
77 4
XX, 1
XXII, 1
77 3
XXVI, 1
77 37
XXVIII, 2
37 37
XXIX, 3
XXX, 2
XXXII, 2
XXXIII, 2
XXXV, 1
XXXVI, 2
XL, 2
XLIV, 4
XLVI, 1
,7 2
» n
L
eccta
manne
dixerant
istius
collata 1
absoluerent
mirantib;
quide
Video
ut
gram
effugaret
difficülima
idem
quanto
commonentes
humane,
probaturus
migrante
Bonus
auctoritate
sibi cum
antequä
in italia
neapolitane
reuertentibus
V 2
ecclesiam
mane
dixerat
istic
collatam
absolueret
mirantis
quidam
et ideo
et
gra
effugevet
difßcillimam
ibidem
quanta
commanentes
humana
probaturos
mirante
Bonosus
auctorem 2
cum sibi
ante quem
in italiam
neapolitano
reuerentibus 3
1 Von Sauppe übergangen.
2 T Vi haben auclore.
3 Ebenso auch T V 1 Vall.; A hat reuerendis; Sauppe schreibt nach V reue
rentibus. An einer andern Stelle (VIII, 5) dagegen verändert er die Les
art der besten Handschriften und des L reuerentissivms nach einigen
jungem Handschriften in reuerendiasimus; mit Unrecht, wie ich glaube;
denn einige Participia praesentis, namentlich amans und reuerens, werden
zumal im Superlativ und bei Anreden in passivem Sinne gebraucht; man
vgl. hierüber H. Usener, zur Geschichte des lat. Participiums, Fleckeis.
Jahrbb. 1878 p. 56 f. C. v. Paucker, Spicilegium addendorum lex. lat.
Mit. 1875, von dessen Beispielen ich einige hiehersetze: Fronto ep. ad
Marc. Caes. I, 6 amice desidevanlissime. II, 5. V, 40. Capitol. Albin. 7, 3
fratri amantiaamo et deaiderantiaaimo. Amm. Marc. XV, 8, 12. Mar.
1
Das Handschriftenverhältniss (1er Yita S. Severini des Eugippius.
479
L V 2
Vita XLVI, 3 cuius neapolitane ciuis neapolitana-
„ „ „ itinere in itinere
An allen diesen Stellen ist, wie schon erwähnt, Sauppe
gezwungen, die Ueberlieferung des L fallen zu lassen und der
der andern Classe zu folgen, was er in der Einleitung zu
gesteht (p. XIV sq.). Es erhellt hieraus, dass L ein nicht
blos von zweiter Hand willkürlich corrigirter und intex-polirter
Codex ist, sondern dass er auch schon durch den Schreiber
vielfach entstellt worden ist. Hierdurch werden jedoch auch
die Stellen verdächtig, an denen V 2 mit der andern Classe über-
einstimmt, während L allein differirt.
. Vi
scriberet
vequiris
pietate et castitate
ut — insidias inhibe-
rent
incredulitati
tertio
auctoque
affore
commonetur
beatissimus
qua — soluta
continuata
tyguncia
preceperat
secedens
Mercat. Subnot. 4, 4 qua nihil honestius inter reuerentissimas matronas
inuenias. Cassiod. Var. VII, 24 reuerentissimum te omnihus facis. ps. 107.
init. Id. facund. def. V, 2 reuerenlissimi episcopi dixerunt; eine Zusammen
stellung derselben bei Neue Lat. Formenl. II, 193.
1 Auch A bat fort.
2 So setzt L zuweilen den Positiv von Adjectiveu, wo die anderen Hand
schriften den Superlativ haben: XXIII, 1 m I K, acissimus TA V rj ;
XLI, 1 beatus L A beatissimus T F, F 2 .
3 Dürfte wobl verschrieben sein statt tigunlia; T V t Voll, haben ticuntia;
A licuncia.
Ep. Eug.
" n
Vita
2
9
I, 1
,, 2
II, 1
L
ederet
queris
castitate et pietate
ut ppter — insidias
inhererent
incredulitatis
„ „ tertia
„ 2 Actoque
III, 1 fore'
ammonevetur (sic!)
beatus 2
que — solute
continua (auch A)
IV, 4 tigantia 3
„ „ pdixerat
n
2
3
6 recedens
480
L
Vita IV, 7 propitio
„ „ 10 penitus nullo
„ V, 1 infestos
„ VI, 2 ueste qua
„ VIII, 4 uindicabuntur
„ XI, 3 claritate
„ XII, 5 abrasum
„ XV, 2 tabulatis
„ XVIII, 1 improuisa
„ XIX, 2 semet
tremore fuisse
lacrimqri
deberi — deferetur
excidium
computetis
ebdomada 3
narrare
ut
3 dö
5 inuenimur
6 in terra
unanimiter
r> »
XX, 2
XXII, 1
XXV, 1
XXVII, 2
j) ^
XXXVIII, 2
XL, 2
XLIII,
XLIV,
propius 1
mdlo penitus
infensos
uestem quam
uindicantur
alacritate
abrosum
super tabulata
improuise
senec
fuisse tremore 2
lacrimare
debere -
exicium
imputetis
ebdomade
narrasse 4
quo
dnb
inueniamur
in terram 6
humaniter
deferretur
n »
„ XLV, 2 signoue signoque
„ XLVI, 1 hohore multo labore 6
Doch auch in vielen dieser eben erwähnten Fälle ver
dient die mit den Hauptvertretern der andern Classe überein
stimmende Ueberlieferung des V 2 vor der des L den Vorzug,
wie eine unbefangene Prüfung derselben zeigt; an anderen
Stellen ist die Entscheidung zwischen den beiden Handschriften
eine schwierigere. Es sei mir gestattet, auf einige der er
wähnten Abweichungen einzugehen und sie mit einander zu
vergleichen.
1 So auch A; propitius TV l .
2 So haben auch T F, A Vall.; V M bei Sauppe ausgefallen.
3 So auch A.
4 Bei Sauppe ist neben V noch M hinzuzufiigen.
5 So auch A.
6 Cum multo labore T F, Vall. A.
Das HandschriftenverhältnisB der Vita S. fleverini des Eugippius.
481
Die Stelle VIII, 4 lautet nach der IJeberlieferung des L
folgendermassen: Sicnt a deo tuo illate nindicabuntur iniurie.
Abgesehen von dem fehlerhaften Sicnt, welches Sauppe richtig
in sic verwandelt hat, — denn nach der Ueberlieferung des V-,
war Sic die Lesart des Archetypus beider Handschriften —
fällt vor allem das Futurum uindicabuntur auf, dem ich einen
für unsere Stelle passenden Sinn nicht zu entnehmen vermag; 1
denn das Aergste, was der Königin Giso widerfahren konnte,
ist ihr ja bereits widerfahren : ihr Söhnlein ist in der Gewalt
der barbarischen Goldarbeiter, die es jeden Augenblick tödten
können; und in den unmittelbar darauf folgenden Worten
heisst es: fatebatur se pro scelere confemptus . . . . plagae prae-
sentis ultione percelli; diese Stelle zeigt, dass das Fraesens
uindicantur, das V-, und die andere Classe hat, die einzig
richtige Lesart ist. Das Futurum aber so erklären zu wollen,
dass die Tödtung des Sohnes nur eine aus der Zahl der gött
lichen Strafen sei, die der Königin drohen, der andere derartige
nachfolgen sollen, wäre gesucht und überdies unpassend für
unsere Stelle; dieselbe bat also wohl zu lauten: Sic, sic a
deo tuo illatae uindicantur iniuriae; ganz passend ist in dem
Munde der aufgeregten Königin die Wiederholung des Sic, das
wohl aus Versehen in der andern Classe nur einmal geschrieben
wurde; vgl. p. 469.
XI, 3 verdient alacritate vor claritate offenbar den Vor
zug; denn aus claritate, das ,Klarheit', ,Helle', ,hellen Glanz',
kaum ,Reinheit', ,Unbeflecktheit' bedeuten kann, lässt sich
weder in Verbindung mit hortatus est noch mit deprecari ein an
unserer Stelle passender Sinn gewinnen. Claritas selbst kommt
in der Vita noch IV, 12 (tanta dinini muneris claritate fulgebat)
und XIII, 2 (claritas tarnen tant.ae uirtut.is occultari non potuit)
vor, jedes Mal in der Bedeutung ,Klarheit', ,heller Glanz', nie
mals in der letzteren. Dagegen gibt die Lesart alacritate in der
Bedeutung ,freudiger Eifer', ,Inbrunst', in der ja sowohl alacritas
wie alacer vorkommt, den für unsere Stelle passenden Gedanken
1 Auch Rodenberg, der in seiner Uebersetzung sonst der Sauppe’schen
Recension des Textes genau folgt, ist gezwungen an unserer Stelle das
Präsens wiederzugeben: ,so werden von deinem Gotte Beleidigungen
bestraft*.
Sitzungsher. d. pliil,-hiet. CI. XCY. Lid. I. Hft. 31
482
Knö 11.
,Severin ermahnte die Priester nnd Diaconen, mit ihm in der
ganzen Inbrunst des Herzens zu Gott zu flehen'.
XXII, 1: Severin weist die Priester, die sich anbieten,
für die Basilica in Boiotro Reliquien zu holen, mit den Worten
ab, dass die Gegend ohnehin bald vor den Einfällen der Bar
baren werde geräumt werden müssen; und zu ihnen gewendet
fährt er in indirecter Rede -—■ nach der Ueberlieferung des L —
folgendermassen fort: et ideo (Cod. Video) pro reliquiis sanctorum
nullutn laborem deberi suscipere, quia ultro eis sancti Johannis
benedictio deferetur. In diesen Worten ist deberi offenbar ver
derbt; Sauppe besserte, indem er deberi in debetis änderte.
Allein diese Aenderung ist zu gewaltsam; dann missfällt in
der so hergestellten directen Rede eis, wofür wir uobis oder
nobis erwarten; überdies scheint mir das Verfallen aus der
directen in die indirecte Rede ganz passend und ursprünglich.
Aber zu einer Aenderung ist gar kein Grund vorhanden, wenn
wir die Ueberlieferung des F, und der andern Classe fest-
halten. In T — und im Wesentlichen gleich auch in F 2 — lautet
die Stelle: et ideo pro reliqüiis sanctorum nulluni laborem debere
suscipere, quia et ultro eis sancti iohannis benedictio deferretur.
In dem ersten Theile könnte eos ergänzt werden, das nach
ideo leicht ausfallen konnte; allein selbst diese Einschiebung
ist unnöthig, da es sich ja aus dem Zusammenhänge von selbst
ergibt. In dem Nebensatze aber ist an deferretur nichts zu
ändern; das Imperf. Conj. ist nämlich Stellvertreter des fehlen
den Futur. Conj., wofür sich in der Vita noch folgende Beispiele
finden: VIII, 3 dicentes, quod, .... paruulum regium primitus
transßgentes semetipsos postea trucidarent; direct: nosmetipsos
trucidabimus. XI, 1 credmtes, quod nihil eis eueniret aduersi;
direct: nihil aduersi nobis eueniet. XVI, 3 cogitaui. mecum, quod
Seruus Christi . . . praesentem mortuum suscitaret; direct:
suscitabit. XXVII, 1 credentes, quod duorum populos oppidorum
. . . praedarentur; direct: praedabimur. In directer Rede müsste
allerdings das Futurum Ind. stehen: z. B. XXXI, 5; diese
aber an unserer Stelle mit Sauppe herzustellen, ist über
flüssig.
XLIV, 6 heisst es nach der Ueberlieferung von L\ Deinde
unanimiter aestimantes ossa funeris inueniri disiuncta cet. Ganz
unpassend scheint mir unanimiter; denn ob die Anwesenden
Das Handscliriftenverliältniss der Vita S. Severini des Engippius.
483
einmüthig erwarteten, die Gebeine des Heiligen zerstreut zu
finden oder ob Meinungsverschiedenheit unter ihnen darüber
herrschte, darauf kommt es offenbar nicht an. Vollständig passend
ist dagegen die Lesart des F 2 und der anderen Handschriften
humaniter: man erwartete die Gebeine des Heiligen, die bereits
das sechste Jahr in der Erde lagen, wie die des ersten besten
Menschen zerstreut zu finden.
XLVI, 1 heisst es nach L, der Leichnam Severins sei
multo honore nach Italien überführt worden. Abgesehen davon,
dass von Ehrenbezeigungen auf dem Wege nach Felethe in
der Vita nichts zu finden ist, — und es ist wohl anzunehmen,
dass der genaue Biograph, der sonst nichts Erwähnenswerthes
übergeht, solche Ehrenbezeigungen, deren Augenzeuge er doch
war, nicht verschwiegen hätte — Ehrenbezeigungen von Seite
der Ueberführenden aber selbstverständlich waren: so ist doch
der Widerspruch mit dem Folgenden auffallend genug; denn
trotz dieser angeblichen Ehren hatte doch der Leichnam
nirgends eine Ruhestätte gefunden (usque ad Mud tempus terrae
nullatenus traditum). Offenbar stand im Archetypus des L und
F 2 das, was F 2 erhalten hat, multo labore, womit auch die
andere Classe übereinstimmt, die ganz passend cum hinzufügt:
,unter vieler Mühe war der Leichnam von der Donau nach
Felethe in Italien gebracht worden-'.
Ich unterlasse es, auf andere Stellen, an denen die Ueber-
lieferung des F 2 und der anderen Classe zum mindesten gleich
passend wie die des L ist, hier näher einzugehen. Von F 2
aber anzunehmen, dass er ein aus beiden Classen entstandener
Mischcodex sei, ist wohl dadurch ausgeschlossen, dass er sonst
an Stellen, wo T und die andere Classe einen vollständigeren
Text haben (z. B. im Briefe des Eugippius und zu Beginn der
Vita), diesen aufgenommen hätte.
Das im Vorhergehenden eingehend Dargelegte will ich
nun noch einmal kurz wiederholen und den daraus sich er
gebenden Schluss ziehen: da an Stellen, wo L und F 2 von
einander abweichen, die Lesart des L entweder nach
weislich erst durch den Corrector entstanden ist,
oder schon vom Schreiber selbst her rühr ende, dem
Sinne nicht entsprechende Conjecturen aufweist; da
ferner an diesen Stellen die Lesart des F 2 nicht nur
31*
484
Knöll.
zumeist den besseren Sinn gibt, sondern noch durch
die Vertreter der anderen Classe gesichert erscheint:
so ergibt sich der, wie ich glaube, zwingende Schluss,
dass L ein sowohl von erster wie von zweiter Hand
vielfach entstellter Codex sei, der keineswegs als
gute Abschrift seines Archetypus gelten kann; dass
vielmehr F 2 , obwohl bedeutend jünger als L und keines
wegs fehlerlos, den Text des gemeinsamen Arche
typus getreuer gewahrt habe als L. Für dieses Arche-
typon aber ergibt sich ferner aus dem Angeführten,
dass dasselbe der Classe der Bobbienser Handschriften
bedeutend näher stand, als man nach dem Texte des
L bisher schliessen konnte. Verhält sich aber dieses alles
so, dann muss natürlich L aufhören die Grundlage für die
Recension des Textes der Vita zu bilden. 1
Da wir jedoch aus L und V.,. den Repräsentanten der
einen Handschrifteneiasse, die von T und der anderen Classe
in vielen wesentlichen Punkten abweicht, den gemeinsamen
Archetypus beider mit ziemlicher Sicherheit erschliessen können,
so lässt sich wohl mit Recht die Frage aufwerfen, ob nicht
diesem aus den beiden Handschriften zu erschliessenden Arche
typus, oder mit anderen Worten Lund V 2 zusammen der Vorzug
vor der anderen Classe, deren bester Repräsentant T ist, ge
bühre. Allein abgesehen von der offenbaren Schwierigkeit, die
ein derartiger Versuch hat, scheint mir auch aus einzelnen
wichtigeren übereinstimmenden Stellen der beiden Handschriften
mit ziemlicher Sicherheit hervorzugehen, dass eine ähnliche,
wenngleich nicht so weit gehende Interpolation, wie wir sie
im L finden, auch für den Archetypus von L und V-, sich
nachweisen lässt, während T an einzelnen Stellen einen zwar
corrupten, aber doch nicht durch Interpolationen entstellten
Text überliefert hat.
Um diese Frage zu entscheiden, müssen natürlich vor
allem jene hundert und etwa dreissig Stellen in Betracht ge-
1 Aus dem Vorhergehenden ergibt sich, dass das Urtheil Sauppe’s über den
Zustand des L ein viel zu mildes ist: haec menda omnia ita comparata
esse apparet, ut inscitiae et errori oculorum tribuenda sint, non uoluntati
librarii (p. XV).
Das HandBchriftenverhältniss der Vita S. Severini deß Engippiuß.
485
zogen werden, die oben p. 466 ff. aufgezählt wurden, an denen
L und V- 2 gegenüber T und der andern Classe übereinstimmen.
Viele von diesen sind von der Art, dass sich kaum ohne
subjective Voreingenommenheit der Nachweis führen lassen
dürfte, die Lesart der einen Classe verdiene vor der der andern
den Vorzug; diese Stellen müssen also von vornherein von
der Untersuchung ausgeschlossen bleiben. Von den anderen,
hier in Betracht zu ziehenden Stellen ist vorerst eine verhält-
nissmässig geringe Zahl von Lesarten zu erwähnen, an denen
die Ueberlieferung des T die einzig richtige ist, so dass Sauppe
selbst gezwungen ist, den Lesarten des mit T übereinstimmen
den Vy den Vorzug vor der des L (V 2 ) zu geben. So nimmt
er mit Recht XIV, 3 die Ueberlieferung des T Vy recepia statt
der des L V 2 percepta in den Text. Ebenso schreibt er XVI, 3
mit T Vy credidercis statt credideris nach L V 2 ; XX, 1 id mit
T Vy A statt idem nach L V 2 ; XX, 2 scs seuerinus legeret mit
T Vy A statt sei legeret seuerinus, wie L V 2 haben; diese Ab
weichung des L von V, ist allerdings von Sauppe nicht ange
führt. Ebendaselbst iubens mit T Vy A statt iubet nach L V 2 .
XXII, 1 proferebat mit T Vy A statt prcieferebat L V 2 ; XXII, 2
febanem mit T V, A statt febanum, wie L von zweiter Hand
und V 2 hat. Ebendaselbst destituta mit T Vy A statt destituto
L V 2 . XXIV, 3 zeigt L V 2 eine Lücke, die Sauppe mit Recht
nach der Ueberlieferung der anderen Classe durch die Wärter
sed presbytero ausfüllt. XXVIII, 1 ist das von Sauppe in den
Text gesetzte praestruebat die Lesart von T Vy; die von Sauppe
nicht angeführte Ueberlieferung von L (V 2 ) ist pstruebat — per-
struebat. Ebenso schreibt er mit T Vy XXX, 1 praestruxit
statt pstruxit, wie L V 2 überliefern. In der XXXVI, 3 einge
flochtenen Stelle aus dem zweiten Dialog des Sulpicius Severus
stimmt T V { mit dem ältesten Codex dieses Schriftstellers, dem
aus dem 7. Jahrhundert stammenden Veronensis überein; die
Lesart des L und V 2 dagegen mit den jüngeren Handschriften
dieses Schriftstellers; Sauppe folgt auch hier mit Recht der
Ueberlieferung von kj, indem er diabolo statt diaboli und omnia
illu quae statt omnia quae in den Text aufnimmt. XLIII, 2
schreibt er mit V L infirmi statt infimi nach der Ueberliefe
rung von L (V>); ebenso XLV, 1 nmlti mit Vy statt multis
nach L (V^).
486
Knöll.
Doch die meisten der angeführten Stellen sind von nicht
gar grosser Bedeutung; viele derselben zeigen eben Verderb
nisse, wie sie in Handschriften dieser Zeit sehr gewöhnlich sind.
Wichtiger ist höchstens die Lücke XXIV, 8 in L F 2 , sowie
die beiden Stellen, an denen T F t mit der Ueberlieferung des
besten Codex des Sulpicius Severus übereinstimmen. Doch
selbst diese sind zur Entscheidung unserer Frage von wenig
Belang. Stellen, auf die es hier ankommt, sind vor allem die
jenigen, wo der Text der einen Classe mehr bietet, als in der
andern überliefert ist, und Stellen, an denen grössere Corruptelen
bereits in dem Stammcodex beider Classen Vorgelegen haben
müssen, die dann der Abschreiber der einen unrichtig corrigirt
hat. Zu den ersteren gehört der bekannte Zusatz in L V, 2
c. XLVI, 4—6 von den beiden Krankenheilungen, die durch
den Leichnam des Heiligen bei seiner Ueberführung nach dem
Lucullanum bei Neapel bewirkt worden sein sollen, von Tune
et Laudicius quidam caecus bis retulisse miracula. Diese Worte
halte ich aus folgenden Gründen für eine nicht von Eugippius
herrührende Interpolation:
1) Steht die erwähnte Stelle zuweilen in offenbarem Wider
spruche mit dem, was in dem früheren gesagt wurde; so
namentlich die Worte, mit denen, ungeschickt genug, die Er
zählung der bei dem Einzuge in Neapel geschehenen wunder
baren Krankenheilungen abgebrochen wird: Verum multisplura
scientibus sufficiat tria de innumeris, quae in ingressu eins gesta
sunt, beneßeiorum uirtutumque retulisse miracula. Die Worte
uerum multis plura scientibus setzen doch offenbar voraus, dass
Eugippius nun nach der Aufzählung der drei Wunder mit
seinem Wissen von Krankenheilungen, die in Neapel durch
den Heiligen bewirkt wurden, zu Ende ist. So aber konnte
Eugippius unmöglich schreiben, der doch in dem Briefe den
Paschasius bittet, er möge auch die Wunder und Kranken
heilungen, die bei der Ueberführung (in itinere) und bei dem
Grabe (ad — memoriam) geschehen seien und die er dem
Deogratias zur mündlichen Erzählung aufgetragen habe, seiner
Biographie des Heiligen einverleiben: illa quoque, precor, uirtu-
tum beneßeia sanitatumque remedia, quae uel in itinere, uel Mc
ad eiusdem beatissimi patris memoriam diuina sunt peracta uir-
tute, digneris adnectere; quae quoniam fidelis portitor, filius uester
Daß Handfschrifteiiverhältniss der Vita S. Severiui des Eugippius.
487
Deogratias, optime nouit, uerbo commendauimus intimanda. 1 Und
XLVI, 3 sagt er: multi . . quos recensere longum est, gesteht
also indirect ein, dass er noch mehr weiss, als er hier erzählt.
Offenbar waren die Worte des Briefes dem ungeschickten
Interpolator bereits aus dem Gedächtniss geschwunden.
2) Widerspricht es der steten Gewohnheit des Autors des
Commemoratoriums, dass hier drei Krankenheilungen angeführt
werden; denn bei allen ähnlichen Gelegenheiten erwähnt er
der Kürze halber, wie er oft genug betont (XXXVIII, 2
XLV) blos eine wunderbare Heilung; und zwar entschuldigt
er an unserer Stelle eigens seine Kürze (quos recensere longum
est), während unmittelbar vorher, wo blos ein Beispiel einer
wunderbaren Heilung während des Verweilens des Leichnams
zu Felethe angeführt wird, dies ohne jede Entschuldigung
geschieht; und dass er Stoff genug gehabt hätte, auch dort
mehrere einzufügen, zeigen ja die Worte XLV, 1 per idem
tempus multi uariis occupati languoribus et nonnulli a spiritibus
immundis oppressi medellam diuinae gratiae sine ulla mora sen-
serunt. Und auf gleiche Weise wie an unserer Stelle entschuldigt
er auch XXXVIII, 2 die Anführung eines einzigen Beispieles:
prolixi operis fastidia declinando. Nach dem gleichen Ver
fahren des Autors an ähnlichen Stellen, nach der Versicherung
desselben, kurz sein zu wollen, muss man auch an unserer
Stelle die Angabe eines einzigen Beispiels erwarten; zugleich
1 Die Worte uerbo commendauimus intimanda übersetzt Rodenberg: ,so
empfehlen wir sie Dir zur Bekanntmachung durch Dein
Wort‘, so dass also uerbo intimare fast gleich käme litteris intimare
Treb. Poll. Gail. 16, 1; diese Uebersetzuug scheint mir jedoch unrichtig;
denn erstens müsste nothwendig commendamus statt commendauimus
stehen; zweitens müsste es tibi oder tuo heissen; intimare kommt in der
Vita c. IX in der gewöhnlichen Bedeutung jemanden mittlieilen £
vor: ut — reuersus sibi maturius intimaret. Dieselbe Bedeutung hat es
offenbar auch hier; die Stelle ist daher zu übersetzen: ,Da diese nun der
Ueberbringer, euer Sohn Deogratias, sehr gut kennt, so haben wir ihm
aufgetragen, sie mündlich (uerbo) mitzutheilen 1 . Der Dat. ei
ergänzt sich leicht, aus dem Zusammenhänge. Eugippius hatte also eine
Anzahl von wunderbaren Krankenheilungen, die bei der Ueberführung
und beim Grabe des Heiligen geschehen waren und im Commemoratorium
keine Aufnahme gefunden hatten, dem Deogratias mitgetheilt und bittet
nun den Paschasius sie in die ausführlichere Biographie aufzunehmen.
488
K n ö 11.
bezeichnete wohl dieses eine Beispiel die Stelle, an der Pascha-
sius in seiner ausführlichen Biographie die ihm von Deogratias
im Aufträge des Eugippius mitgetheilten Wunder einflechten
sollte; vgl. Ep. Eug. 6.
3) Erinnern die beiden letzten Krankenheilungen (§§. 4
und 5) sogar in den Ausdrücken häutig an die unmittelbar
vorhergehenden; man vergleiche Tune et Laudicius quidam
caecus mit XLV Tune et mutus quidam; das in kurzem Zwischen
raum lästig wiederholte: gratias deo lacrimantibus gaudüs retu-
lerunt (4) und uoti sacrificium deo cum gratiarum actione reddebat
(5) mit XLV exultantes in gaudio diuinae clementiae gratiarum
retulimus actionem; caput ueliiculo credens apposuit (5) erinnert
entfernt an ingressa sub ueliiculo (3); occurrens (5) an occurrit
(3). Ueberhaupt erinnert die §. 5 erwähnte Krankheit und ihre
Heilung sehr an die §. 3 erzählte, und es ist mir kaum glaub
lich, dass Eugippius in dem Commemoratorium, das ja, wie er
selbst oft genug betont, kurz sein soll, sich diesen Ueberfluss
von zwei fast ganz gleichen Heilungen an einer Stelle gestattet
habe. Es zeigt sich also in der Erzählung dieser beiden §. 4
und §. 5 angeführten Wunder die ganze Wort- und Gedanken-
armuth des ungeschickten Interpolators. Aber vor allem
täppisch und ungeschickt ist die Art, wie er die zweite Hei
lung an die erste anreiht: Tune et Laudicius quidam caecus . . . .
interrogat; eine derartige Ungeschicklichkeit ist selbst der
stilistisch ziemlich mittelmässig abgefassten Vita sonst fremd.
Das Gedicht, welches A. F. Ozanam aus einem Codex Vati-
canus veröffentlichte, und das Sauppe p. XIX sq. seiner Ausgabe
abdruckte, erwähnt nun zwar V. 43 f. die Heilung eines Blinden
und diese Stelle muss sich nothwendiger Weise auf XLVI, 4
der Vita beziehen; doch beweist sie natürlich nichts für den
genuinen Ursprung dieser beiden Paragraphen; vielmehr wird
dadurch blos erwiesen, dass derjenige, welcher nach dem Comme
moratorium des Eugippius dieses Gedicht gemacht hat, hiefür
einen Codex der Classe L V 2 , also einen bereits interpolirten,
benützte.
In dem Briefe des Eugippius an Paschasius §. 7 lassen
bekanntlich die Handschriften L und V 2 die Worte licet und
tarnen quid hinc ab ineunte aetate cognouerim non tacebo aus.
Sauppe gibt in der Einleitung zu seiner Ausgabe (p. XIV) zu,
Das HandBchriftenverhälfcniEs der Vita S. Severini des Eugippius.
489
dass dieselben für den Zusammenhang; sehr passend sind;
zugleich müssten sie eine sehr frühe Interpolation sein; denn
dieselben stehen bereits, obzwar in entstellter Form, in der
dem 9. Jahrhundert ungehörigen Münchner Handschrift. Doch
schreckt er vor der Aufnahme derselben in den Text durch
das Bedenken zurück, dass sie einen Widerspruch gegen das
§. 2 des Briefes Gesagte enthalten, da ja Eugippius nicht die
Zeit seiner frühesten Jugend bei Severin zugebracht habe.
Sehen wir vorerst von diesem Punkte ab und vergleichen den
Gedankengang der Stelle nach der Ueberlieferung der beiden
Classen. Nach L F 2 sagt der Autor: Man fragt vielleicht nach
seinem Vaterland (I); davon weiss ich nichts (II); denn als
einst Viele zweifelten, fragte ihn Primenius: Woher hat Dich
Gott geschickt? (III). Nach dieser Ueberlieferung fehlt offenbar
zwischen II und III ein Satz, der die Motivirung der nun an
geführten Erzählung enthält; nam ist eine ganz ungeschickte
Verkittung des Schadens. Ganz passend dagegen nach der
anderen Classe: Man fragt wohl nach seinem Vaterland (I).
Obzwar ich davon nichts Bestimmtes weiss, will ich doch
mittheilen, was ich betreffs dessen gehört habe (II). Als
einst u. s. w. Ueberdiess heisst es im Folgenden (§. 10): Haec
igitur sola, qaae retuli, .... semper audiui mit offenbarer
Beziehung auf cognouerim an unserer Stelle.
Doch auch abgesehen von der Nothwendigkeit dieser
Worte für den Zusammenhang und das Verständniss der Stelle,
kann ich einen Widerspruch derselben mit der in §. 2 mit-
getheilten Angabe der Quellen, aus denen der Autor schöpft
(ex notissima nobis et cottidiana maioruni relatione), nicht finden.
Denn die §. 2 gegebene Erklärung bezieht sich auf die in der
Gedenkschrift mitgetheilten Thatsachen, diese dagegen blos
auf die in dem Brief enthaltenen Nachrichten betreffs seiner
Heimat. Zudem liegt ja in den Worten quid hinc ab ineiinte
aetate cognouerim, noch keineswegs die Andeutung, dass er die
folgenden Nachrichten aus Severinus’ eigenem Munde gehört
und dass er von seiner Jugendzeit an bei Severin gewesen,
sondern die frühere Quelle, die älteren Brüder des Klosters,
kann Eugippius auch wohl hier meinen; denn die Worte selbst
besagen doch nur, dass er mittheilen wolle, was er über den
Gegenstand (hinc) von seiner Jugendzeit an (ab ineunte aetate)
490
Knöll.
erfahren. Da dieselben nun auch, wie oben gezeigt wurde,
für das Verständniss der Stelle erforderlich sind, so halte ich
an der Echtheit derselben fest.
Was nun die Worte im Anfänge der Vita (I, 1) ac pnmum
inter filios bis interitum betrifft, so lassen sich dieselben aller
dings auch ganz gut entbehren ; doch dürfte kaum Jemand an
ihnen gegründeten Anstoss nehmen, da sie ja ganz passend die
allgemeine Weltlage zu der Zeit, da unsere Geschichte beginnt,
schildern. Dass Eugippius nichts Näheres darüber berichtet
und auch über Severins Wirken in dieser Zeit schweigt, erklärt
sich durch das überaus schnelle Verschwinden der Hunnen
herrschaft von selbst. Uebrigens war ja Eugippius, dessen
iniens aetas wohl in die letzten Lebensjahre S. Severins fällt, 1
nicht Augenzeuge davon gewesen, konnte also nichts Aus
führliches darüber angeben.
Von einzelnen Stellen, die wahrscheinlich in L V 2 durch
Interpolation entstellt sind, führe ich folgende an. Cap. XIII
wird das in der Stadt Juvao geschehene Wunder von der
Entzündung der Kerzen durch göttliche Einwirkung erzählt;
die Stelle lautet nach der Ueberlieferung von L und V 2 folgen-
dermassen: cum quadam die intrantes basilicam . ... ad accen-
denda luminaria iynem minime reperissent, flammam concussis
ex more lapidibus elicere nequiuemnt; in tantum alterutra ferri
ac petrae collisione tardantes, ut cet. und so gibt sie auch
Sauppe heraus. Nichtsdestoweniger erhebt sich ein Bedenken
gegen das Wort ferri. Denn da vorher ausdrücklich des
Versuches Feuer zu machen blos durch das Schlagen von
Steinen (concussis ex more lapidibus) Erwähnung geschieht, so ist
man mit Recht erstaunt, wie wenige Worte nachher plötzlich
das Eisen erwähnt wird, von dem doch früher gar nicht die
Rede war. Bestätigt wird dieses Bedenken durch die Lesart
der anderen Classe; denn es fehlt in allen Handschriften der
selben das Wort ferri. Die Stelle lautet nach der Ueber
lieferung des T: alterutra ac petre conlisione; durch die Hinzu
fügung eines einzigen Buchstabens an das entstellte ac erhalten
wir die ursprüngliche, dem Zusammenhänge allein entsprechende
Lesart: alterutra hac petrae conlisione und diese Lesart hat noch
1 Vgl. Büdiuger, Eugipius, eine Untersuchung p. 9 f.
Das Handschriftenverhältüißs der Vita S. Severini des Eugippius.
491
A und Vallic. gewahrt, von dein oben nachgewiesen wurde,
dass er auf einen andern Codex derselben Classe, deren Ver
treter jetzt T ist, zurückgeht. Ueber den adjectivischen Ge
brauch des reciproken Pronomens alteruter in der späten Latinität
vgl. Tertull. pudic. 2: alterutra oppositio ; id. persec. 1: alterutra
diligentia. C. v. Paucker, Spicilegium addendorum, lex. lat.
Mit. 1875 (s. v.) und Melanges greco-rom. III, p. 608. Der
Sinn der Stelle ist klar und steht mit dem Vorhergehenden
im Einklang: ,durch die gegenseitige Reibung des Steines
hielten sie sich so lange auf, dass' u. s. w.; für den collecti-
vischen Singular petrae habe ich allerdings kein Beispiel; ist
vielleicht auch petrae fremder Zusatz und aus dem Texte zu
entfernen? Wie die Interpolation ferri in der Handschriften-
classe L V. 2 entstand, ist unschwer zu erklären. Offenbar stand
bereits im Archetypus des L und T das fehlerhafte ac, nach
einer in lateinischen Handschriften sehr häufigen Corruptel;
vgl. Lachmann zu Lucrez p. 156, 176, 178, 287, 411, 420. Der
Schreiber der Vorlage des L und V 2 vermuthete nun, da er ac
irrthümlich für die Conjunction ansah, es sei etwas ausgefallen.
Was war nun für ihn natürlicher, als ferri einzuschieben?
Dabei entging ihm jedoch, dass er durch seine scheinbar so
leichte und passende Emendation mit den unmittelbar vorher
gehenden Worten des Eugippius in Widerspruch gerieth.
Noch deutlicher als diese Stelle zeigt eine andere durch
die Uebereinstimmung eines anderen, sehr alten Zeugen, dass
T den Text des gemeinsamen Archetypus viel treuer über
liefert hat, als L und F 2 ; es ist dies c. XXXII, 2. Die
dort mitgetheilte Prophezeiung Severins gewissen Vornehmen
gegenüber betreffs der Dauer der Herrschaft Odoacars
lautet nach der Ueberlieferung des L: respondentib; ododere
odoäcer integer inter tredecim et quatuordecini annos uidelicet
integritate eins regni significans. Sauppe sucht der offenbar
corrupten Stelle durch Einschiebung von inquit und qui auf
zuhelfen; doch ist dadurch dieselbe noch keineswegs geheilt.
Vor allem fällt integritatem auf; denn die Worte von uidelicet
angefangen müssen offenbar eine Erklärung und Deutung des
Biographen für die etwas unklare Prophezeiung enthalten;
in dieser Fassung aber erklären sie nichts, sondern wieder
holen tautologisch mit etwas verändertem Ausdruck die Prophe-
492
Knüll.
zeiung und sind daher ebenso überflüssig, wie es überflüssig
wäre, wenn wir sagen würden: ,König Odoacer wird unver
sehrt sein dreizehn oder vierzehn Jahre; damit bezeichnete er
die Unversehrtheit seiner Herrschaft'; und hier handelt es
sich ja, wie der Zusammenhang lehrt, blos um den König
Odoacer. Dieser Verdacht gegen integritatem wird bestärkt
durch den Umstand, dass der anonyme Excerptor Valesii be
reits im 9. Jahrhundert in seinem Exemplar der Vita nicht
integritatem, sondern übereinstimmend mit der anderen Classe
integri las. Die Ueberlieferung des T an unserer Stelle lautet:
respondentibus odoacarem, odoacar, inquit integer tredecim et
quattuordecim annos uidelicet integri eius regni significans. Sehen
wir vorerst von dem ersten Theile dieser Stelle ab; die Worte
im zweiten Theile geben allerdings in dieser Fassung keinen
Sinn; doch ist meiner Meinung nach durch eine leichte Besse
rung der letzte Theil der Stelle vollständig zu heilen: annos
muss ursprünglich im Texte zweimal gestanden haben; die
Verwirrung aber war bereits im Archetypus beider Classen
entstanden, dessen Schreiber annos durch Abirrung der Augen
blos einmal geschrieben hatte. Es ist daher zu schreiben:
tredecim et quattuordecim annos: annos uidelicet integri eius
regni significans. 1 Das Passende des Sinnes springt sofort in
die Augen: ,Odoacar, sprach er, wird wohlbehalten bleiben
dreizehn bis vierzehn Jahre'; der Biograph nun fügt, offen
bar um den Irrthum fernzuhalten, als ob die Regierungszeit
Odoacars von dem Zeitpunkte 2 der Prophezeiung noch drei
zehn bis vierzehn Jahre dauern werde, bei: ,damit meinte er
nämlich die Jahre seiner ganzen Regierung, seine voll
ständige Regiei'ungszeit'. Der erste Theil kann kaum mit
1 K. Zangemeister, der mit Recht dem V l vor dem L den Vorzug zu
geben scheint, zieht (Rhein. Mus. XXX, 314 f.), wie ich nachträglich
ersehe, annos zu dem folgenden; doch scheint mir wegen der Unbe
stimmtheit der Zeitangabe, die in den blossen Zahlen tredecim et quattuor-
decim liegt, annos bei demselben unentbehrlich; auch nimmt er, obzwar
in der Hauptsache der Ueberlieferung des V, folgend, das in dieser Hand
schrift fehlende inter in den Text.
2 Dieser kann, wenn das in der Vita Enthaltene, wie Sauppe darthut,
chronologisch angeordnet ist, nicht weit von dem Lebensende des Hei
ligen entfernt sein.
Das Handschriftenverhältnise der Vita S. Severini des Eugippius.
493
Sauppe als Frage aufgefasst werden. Denn dann würden wir
nothwendig den Ac.cusativ Odoacrem, nicht den Nominativ' er
warten; dann ist aber auch die Einschaltung des qui vollständig
überflüssig. Auch in diesem Theile ist die TJeberlieferung des
T gewiss die bessere als die der andern Classe; vielleicht
düi-fte erit zu ergänzen sein, das zwischen integer und tre-
decim leicht ausfallen konnte; doch auch ohne erit ist der Satz
verständlich und ich weiss nicht, ob nicht vielleicht das Aus
lassen desselben beabsichtigt ist, um dem Satze etwas Dunkles,
Zweideutiges zu geben, das ja gerade für eine Prophezeiung
passt; man müsste dann wohl annehmen, dass et in dem Sinne
von uel stehe, ein Gebrauch, der aus dem Griechischen wohl
zu belegen (cf. Dem. 27, 9: avic -i'ns. p.väc xai ei;), im Latei
nischen aber nicht nachweisbar ist. Vielleicht ist jedoch et
aus dem sehr ähnlichen aut entstanden. So würde also diese
kritische Stelle nach der TJeberlieferung des T lauten: respon-
dentibus ,Odoacarem‘ ,Odoacar c inquit ,integer tredecim et (aut?)
quattuordecim annos‘: annos uidelicet integri eius regni signifi-
cans. Ist die Emendation der Stelle die richtige, so geht aus
derselben hervor, dass T die Ueberlieferung viel besser ge
wahrt habe, als der Archetypus von L F 2 , der, statt das Un
verstandene und Fehlerhafte getreu zu überliefern, durch
Correcturen die fehlerhafte Ueberlieferung zu bessern suchte.
Dies Verfahren des Archetypus von L V, lässt sich auch noch
aus andern Stellen nachweisen; so namentlich auch aus c. XLIII.
Wie bekannt, war Eugippius von dem, was er in seinem
Commemoratorium erzählt, nicht Augenzeuge, sondern er hat
seine Nachrichten ex notissima nobis et cottidiana maiorum rela-
tione, wie er in seinem Briefe an den Diacon Paschasius §. 2
sagt, also aus der Mittheilung der älteren Brüder des Klosters.
Büdinger macht nun durch eine Zusammenstellung der Stellen
(a. a. 0. p. 9) wahrscheinlich, dass Eugippius vielleicht erst
in den späteren Lebensjahren Severins mit diesem zusammen-
gekommen, von diesem aber häufig zu kleineren Missionen ver
wendet worden sei. Die einzige Stelle, worauf diese Annahme
fusst, ist die Erzählung von dem Lebensende des Heiligen;
c. XLIII, 9 heisst es nach der Ueberlieferung des L und U 2 :
Sexto itaque iduum ianuariarum die in hoc uersiculo, nobis uix
respondentibus, quieuit in domino. Nobis, an dem noch Niemand
494
Knüll.
Anstoss nahm, ist aber auffällig genug; denn weder vorher
noch nachher ist irgend eine Notiz, dass Eugippius an dem
Sterbebette Severins zugegen war. XLIII, 1 heisst es blos,
dass Severin die Brüder um sich versammelt habe (fratres
adesse praecepit); ebenso nach der Abschiedsrede §. 8: cunctos
per ordinem ad osculum suvrn iussit accedere; desgleichen im
Folgenden: ut psallerent imperauit und quibus maeroris suffu-
sione cunctantibus. So aber schreibt Eugippius nicht, wenn
etwas in seiner Gegenwart geschehen ist, sondern er versäumt
es nie, ausdrücklich darauf aufmerksam zu machen, dass er
selbst Augenzeuge gewesen. Man vergleiche c. XLIV, wo er von
der in seiner Gegenwart vollzogenen Oeffnung des Grabes des
Heiligen berichtet; dort sagt er §. 6: tantae suauitatis fragrantia
omnes nos circumstantes accepit, ut ... . prosterneremur in
terra(m) .... integram compagem corporis repperimus . . . .
gratias retulimus omnium conditori; §. 7: cunctis nobiscum
prouincialibus idem iter agentibus. Und c. XLV, 2 unterlässt
er es nicht zu betonen, dass er zugegen war, als das Wunder
in Felethe dem Lucillus gemeldet wurde: simulque nobis qui
cum illo eramus; und ebenso im Folgenden: gratiarum retu
limus actionem. Aus diesen Stellen geht hervor, dass der
Biograph nicht versäumt, es ausdrücklich anzugeben, wenn er
bei einem Ereigniss zugegen war. Ebenso musste er auch an
den erwähnten Stellen des c. XLIII schreiben: nos adesse prae-
cepit; cunctos nos per ordinem ad osculum suum iussit accedere;
ut psalleremus imperauit; nobis . . . cunctantibus. Gegen die
Ueberlieferung von L V 2 nobis besteht also gegründeter Ver
dacht und, nach der sonst üblichen Redeweise des Eugippius
zu schliessen, kann sie unmöglich richtig sein. Dieser Anstoss
schwindet und Alles stimmt aufs Beste, wenn wir die Lesart
des T einsetzen: nostris uix respondentibus. Zugleich muss
Jedermann zugeben, dass nostris aus nobis nicht so leicht, dagegen
nobis aus nns — nostris sehr leicht entstehen konnte. Ist dies
richtig, so wird auch die oben erwähnte Annahme Büdingers
schwankend, die er speciell auf Grund unserer Stelle aus
spricht. Bei dem Tode des Heiligen war sein Biograph
wenigstens nicht anwesend.
Die Schlussworte des c. XLIV von der Vex-pflanzung der
römischen Ansiedler und der Ueberführung des Leichnams des
Das FTandschriitenverlulltniss der Vita S. Severini des Eugippius.
495
Heiligen nach Italien lauten nach L F 2 : euehitur, cunctis nobis-
cum prouinciaJibus idem iter agentibus, qui oppidis super ripam
danubii derelictis per diuersas Italiae regiones uarias suae pere-
gnnationis sortiti sunt sedes . sei itaque corpusculum ad castellum
nomine montem feletem rnultis emensis regionibus apportatum
est. In dieser Ueberlieferung ist rnultis emensis regionibus ein
massiger Beisatz; denn dass einer, der von der Donau oder
auch nur von Oberitalien aus bis nach dem unbekannten
Felethe, das wir doch wohl an der Grenze von Mittel- und
Süditalien vermutlien müssen, viele Gegenden durchmisst, ist
selbstverständlich; ferner enthalten diese Worte eine, wenn
auch vom Leichname des Heiligen hier geltende, doch matte
Wiederholung des früheren per diuersas ltaliae regiones. Ich
glaube daher, dass auch diese Stelle durch die Emendations-
sucht des Schreibers der Vorlage des L und F 2 entstellt ist,
der in dieser Unverstandenes vorfand. Dieses Entstellte ist
nun, wie ich glaube, durch T und seine Classe überliefert: ad
castellum nomine Felethem. mulsemensis (sic!) regionis appor
tatum est; regionis haben T V, Voll., und es ist bei Sauppe
aus Versehen unter den Varianten übergangen. Wenn wir von
dem offenbar corrupten mulsemensis absehen, so ist der Ge
danke nach dieser Ueberlieferung klar; der Genetiv regionis
ist beigegeben zur Bezeichnung der Gegend, in der Felethe
lag: ,der Leichnam des Heiligen wurde nach Felethe gebracht,
welches in der Gegend von . . . liegt'. Diese Lesart enthält
nichts Müssiges, wie die des L und F 2 , sondern etwas durch
aus Nothwendiges; denn Eugippius konnte doch nicht voraus
setzen, dass der Leser oder auch nur Paschasius dieses sonst
nie erwähnte Castell kenne. So nothwendig nun auch dieser
Gedanke erscheint, so rathlos stehen wir vor dein Worte
mulsemensis. Was verbirgt sich dahinter? Hier verlassen uns
die Mittel der Nachforschung. So viel scheint jedoch aus dem
Zusammenhang hervorzugehen, dass dieser Ort nicht gar zu
weit von Neapel gelegen haben kann und dass daher an Monte
Feltre in Umbrien kaum zu denken ist. 1
Sogar auf Eigennamen hat sich die Willkür des Inter
polators der Classe L V 2 erstreckt. Ich meine den Namen
1 Ist vielleicht an Molise zu denken?
496
Knöll.
Ferderuchus, der in L V,, c. XLII, 1. 2. 3. XLIV, 1. 3 steht.
Ich kann nämlich nicht mit Büdinger übereinstimmen, der diese
Form des Namens für die correcte hält, während die andere
Fredericus durch .Abschreiberweisheit' entstanden sei. 1 Denn
die deutschen Eigennamen sind Composita, und lassen sich
ausnahmslos betreffs ihrer Ableitung erklären. 2 Bei dem Namen
Ferderuchus aber sucht man umsonst nach einer Ableitung;
-uchus könnte allerdings -toechus sein, wie Mundmchus, Gun-
diucus (vgl. Müllenhoff in Ilaupt’s Zeitschr. X, 160); der erste
Theil Ferder jedoch ist unerklärlich. Offenbar beruht vielmehr
diese Form, nicht aber Fredericus, auf Entstellung; dieselbe
ist durch Aspirirung des c und Umstellung von e und r aus
der Namensform Fredericus, die die andere Classe hat, ent
standen. Der Grund dieser Entstellung lag wahrscheinlich in
dem Umstande, dass Oheim und Neffe, Bruder und Sohn des
Königs Feba, denselben Namen führen. Die Söhne aber nach
den Brüdern oder Schwägern zu benennen, ist gut altgerma
nischer Brauch; vgl. Nibel. 660 und 662 (Lachmann):
den Ute man dö toi/fen und gap im einen namen
Günther näch sinem ceheim.
Vgl. überdiess Tac. Germ. c. 20; Beispiele geben alle alten
Genealogien. Die Auffälligkeit, dass c. XLIV ein Fredericus
den andern vertreibt, hat wohl die Entstellung des Namens
in L F 2 veranlasst. Es ist also auch hierin die Ueberlieferung
des T die ursprüngliche, richtige, die von L V 2 dagegen
durch Interpolation entstellt. Ebenso müssen auch einige
dem classischen Latein zwar fremde, im Vulgärlatein aber
gebräuchliche und gut belegte Wortformen, die die Classe
der Bobbienser Handschriften erhalten hat, als die ursprüng
lichen, vom Autor herrührenden angesehen werden. Ich meine
die Genetivformen ossuum (VI, 1) und mensuum (XXVI, 2). 3
An beiden Stellen haben L V 2 die gewöhnlichen Formen auf
ium; offenbar ist die Abänderung derselben und die Sub-
1 Eugipius, eine Untersuchung p. 10.
2 Ich verdanke nachfolgende Angaben der gütigen Mittheilung meiner
Freunde, der Professoren Julius Zupitza in Berlin und R. v. Muth in Wien.
3 Ueber diese Formen vgl. man H. Roensch, Itala und Vulgata. 2. Aufl. p. 265.
Das Handschriftenverbältniss der Vita S. Severini des Eugippius.
497
stituirung der gebräuchlicheren Form der Interpolationsthätig-
keit des Schreibers des Archetypus von L V 2 zuzuschreiben;
denn das Gegentheil anzunehmen, dass die selteneren Formen
erst durch einen Abschreiber in die Classe T V x eingedrungen
seien, ist doch wenig wahrscheinlich. Dasselbe gilt wohl auch
von den Gen. plur. der substantivlrten Participia praesentis. Auch
hier ist es das durchaus Wahrscheinlichere, dass die selteneren,
dichterischen Formen auf um die ursprünglichen sind, die ge
wöhnlichen auf ium dagegen erst der bessernden Hand des
Schreibers des Archetypus von L V,, ihren Ursprung danken.
An zwei Stellen hat sich die Form auf um auch in L erhalten:
fatentum XI, 5; egentum XVII, 1. Dieselben Formen hat die
Classe T T-j noch an' folgenden Stellen: V, 4 aduersantum;
XXVIII, 3 ministranttim; an beiden Stellen haben L V 2 über
einstimmend mit dem bekanntlich sehr interpolirten A die
Formen auf ium.
Aus diesen Gründen scheint mir demnach der gemein
same Archetypus in den Bobbienser Handschriften
und stellen weise in A getreuer überliefert, als in der
Classe L F 2 , und ich halte dafür, dass nach jener
Classe und ihrem Hauptvertreter T mit stellenweiser
Zuhilfenahme des Cod. A der Text der Vita zu ge
stalten sei; umsomehr, als wir an der Hand dieser Classe
mit den Lesarten derselben vollständig ausreichen,
ohne gezwungen zu sein, zu der anderen Classe die
Zuflucht zu nehmen; während Sauppe, wie bereits oben
erwähnt, an zahlreichen Stellen zu den Lesarten des Tj greifen
muss, wo der L offenbare Fehler überliefert.
Dass der Text des gemeinsamen Archetypus beider Classen
bereits an verschiedenen Stellen corrupt gewesen sei, ist schon
früher bemerkt worden; doch wies er noch an anderen Stellen
als den oben erwähnten Verderbnisse auf, die dann gemeinsam
in beide Classen sich verpflanzten; ich erwähne hier beispiels
weise Ep. Eug. §. 6 dicturos statt des von Sauppe hergestellten
richtigen ducturos; XII, 2 überliefern sämmtliche Handschriften
docetis; Sauppe vermuthet docef; doch scheint vielmehr Eugippius
docet iste geschrieben zu haben; unter dem iste ist der un
mittelbar vorher erwähnte Prophet (Joel) gemeint; iste in ähn
lichem Sinne (== hic, is) gebraucht Vita XXII, 3: in tantum,
Sitzungsber. d. phil.-hist. CI. XCV. Bd. I. Hft. 32
498 Knöll. Das Handschriftenvarhältuiss der Vita S. Sevarini des Hugippius.
ut locus iste uiolandus sit; nam in baptisterio loquebatur\ vgl.
Hartei, Index zu Cyprian s. v. Verderbt muss der Archetypus
auch in XXIX, 2 gewesen sein; dort heisst es nach der Ueber-
lieferung aller Handschriften beider Classen, dass der Bär, der
die Noriker, welche Kleider für die Armen dem Heiligen über
brachten, aus der Lebensgefahr rettet, denselben durch 200.000
römische Doppelschritte (per ducenta ferme niilia), also durch
39 bis 40 deutsche Meilen, den Weg gezeigt habe. Dies aber
ist ganz unwahrscheinlich und stimmt auch mit den folgenden
Worten des Autors nicht überein; denn §. 3 heisst es, der
Bär habe sie bis zu den Behausungen der Menschen geführt
(usque ad habitacula liominum qua potuit humanitate perduxit);
da wir aher nicht annehmen können, dass damals in den Alpen
eine Wüste von 40 deutschen Meilen in der Länge oder in
der Breite existirt habe, so ist die Zahl offenbar verderbt. Dies
sah K. Bodenberg richtig und setzte statt ducenta in seiner
Uebersetzung ,12 (wohl römische) Meilen'. Möglich ist es aber
auch, dass ursprünglich II vom Autor geschrieben war; ein
Abschreiber verwechselte nun die etwas nach rechts gebogenen
Striche und las statt deren cc = ducenta. An und für sich
bleibt das Wunder auch so gross genug, dass ein Bär die an
Bettung Verzweifelnden fast eine halbe deutsche Meile bis zu
den Wohnungen der Menschen geleitet.
Der Stellen, welche beweisen, dass der Text bereits im
gemeinsamen Archetypus beider Ilandschriftenclassen nicht
fehlerfrei war, Hessen sich noch mehrere anführen; doch da
diese in der Ausgabe Sauppe’s, der sie meist richtig emendirte,
bereits angegeben sind, und da der Umfang dieses Aufsatzes
die Grenzen des ihm bestimmten Baumes überschritten hat, so
breche ich ab. Es- ist also der Text der Vita in keiner der uns
bis jetzt bekannten Handschriften fehlerfrei überliefert; doch
ist Codex Taurinensis als der relativ fehlerfreieste Vertreter
der besseren Handschriftenclasse der Herstellung des Textes
der Vita zu Grunde zu legen.
SITZUNGSBERICHTE
DER
KAISERLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN
PHILOSOPHISCH-HISTORISCHE CLASSE.
XCV. BAND. II. HEFT.
JAHRGANG 1879. — OCTOBER.
Sitzungsber. d. pliil.-liiöt. CI. XCV. Bd. II. lift.
33
Ansgegeben am 20. April 1880.
XIX. SITZUNG VOM 8. OCTOBER 1879.
Der Präsident begrüsst im Namen der Classe das neu
eingetretenc Mitglied Herrn Professor Dr. Richard Heinzei,
und gedenkt des Verlustes, den die Akademie durch den Tod
des w. M. Hofrathes Fenzl erlitten hat, worauf die Mitglieder
sieh von ihren Sitzen erheben.
Die Directionen dos k. k. Staatsgymnasiums in Hernals,
des Mariahilfer Gonnnunal Real- und Obergymnasiums in Wien
und der lc. k. böhmischen Lehrerinenbildungs-Anstalt in Prag
sprechen den Dank aus für die Ueberlassung einzelner aka
demischer Publicationon.
Der k. k. Iiofrath und Director der lc. lc. Familien-Fidei-
commiss-Bibliothek Heür Dr. M. A. Ritter von Becker über
sendet die Fortsetzung des als Manuscript gedruckten Catalogs
der vereinten lcais. Familien- und Privatbibliolhelc. (Band II,
Abtheilung 2).
Von Herrn Alexander Lombard in Genf wird sein eben
erschienenes Werk: ,Pauliciens Bulgares et Bons-Hommes en
Orient et en OccidenP, eingesendet.
Die Direction des lc. lc. militär-geographischen Institutes
übermittelt zwölf weitere Blätter der Specialkarte der öster
reichisch-ungarischen Monarchie.
Herr Regierungsrath Dr. Constant Ritter von Wurz
bach legt den 39. Band des biographischen Lexikons mit
33*
502
dem Ersuchen um Gewährung- des üblichen Druckkostenbei
trages vor.
Von dem w. M. Herrn Dr. A. Pfizmaier wird eine für
die Denkschriften bestimmte Abhandlung: ,Der Anfang der
japanischen Erklärungen der Werke des kleinen Sprechens'
vorgelegt.
Das w. M. Herr Hofrath Ritter von Miklosich legt eine
für die Denkschriften bestimmte Abhandlung vor: ,Uber die
Mundarten und die Wanderungen der Zigeuner Europas, IX.
Lautlehre der Zigeuner-Mundarten'.
An Druckschriften wurden vorgelegt:
Academie royale des Sciences, des Lettres et des Beaux-Arts deBelgique:
Bulletin. 48 e Annee, 2 e Serie, Tome 47. Nr. 6. Tome 48. Nr. 7. Bruxelles,
1879; 8».
Academy, the American, of arts and Sciences: Proceedings. N. S. Vol. VI.
Whole series. Vol. XIV. from May 1878 to May 1879. Boston, 1879; 8°.
— the royal Irisch: Proceedings. Vol. I, Ser. II, Nr. 13. April, 1879.
Dublin; 8°. — Vol. III, Ser. II, Nr. 3. Juli, 1879. Dublin; 8°. — Trans
actions. Polite Literature and Antiquities. Vol. XVII. February and April
1879. Dublin; 8°.
Akademie der Wissenschaften, königl. bair., ztt München: Sitzungsberichte
der philosophisch-philologischen und historischen Classe. 1879. Heft II.
München, 1879; 8°.
— — königl. preussische, zu Berlin: Monatsbericht. Mai und Juni 1879.
Berlin; 8°.
Familien- und Privat-Bibliotbek Sr. Majestät des Kaisers: Die Sammlungen.
II. Band. 2. Abtheilung. Wien, 1879; Folio.
Gesellschaft, k. k. mähr.-schles., zur Beförderung des Ackerbaues, der
Natur- und Landeskunde: Carl von Zierotin und seine Zeit 1564—1615,
von Peter Ritter von Chlumecky. Zweiter oder Beilagen-Band. Brünn.
1879; 8°.
Institut, deutsches archäologisches: Geschichte 1829—1879. Festschrift zum
21. April 1879. Berlin, 1879; 4».
— national genevois: Memoires. Tome quatorzieme. 1878/79. Geneve, 1879; 4°.
Institution, royal, of Great-Britain: Proceedings. Vol. VIII, Parts V et VI.
Nros. 68 et 69. London, 1878; 8°. — List of the Members, Officers and
Professors; with the Report of the Visitors etc. in 1877. London, 1878; 8°.
Lombard, Alexandre: Pauliciens Bulgares et Bons-Hommes en Orient et
en Oceident. Geneve et Bäle. Paris, 1879; 8°.
503
Mit tlieilungen ans Justus Perthes’ geographischer Anstalt von Dr. A.
Petermann. XXV. Band, 1879. VII, VIII und IX. — Ergänzungsheft
Nr. 58. Gotha; 4°.
,Revue politique et litteraire 1 et ,Revue seientifique de la France et de
l’Etranger 1 . IX' Armee, 2 e Serie. Nr. 3—14. Paris, 1879; 4°.
Societä italiana di Antropologia, Etnologia e Psieologia comparata: Archivio.
Voli IX, Fascicolo II. Firenze, 1879; 8°.
Society, the royal geographical: Proceedings and monthly Record of Geo
graph}'. Vol. I. Nros. 8 et 9. London, 1879; 8°.
Verein für Hamburgische Geschichte: Mittheilungen. II. Jahrgang 1879.
Nr. 7, 8 und 9. Mai, Juni, Juli. Hamburg; 8°.
— historischer, für Steiermark: Beiträge zur Kunde steiermärkischer Ge
schichtsquellen. XVI. Jahrgang. Graz, 1879} 8°. — Mittheilungen.
XXVII. Heft. Graz, 1879; 4».
— historischer, für das Grossherzogthum Hessen: Archiv für hessische Ge
schichte und Alterthumskunde. XIV. Band. 3. Heft. Darmstadt ,1879; 8°.
XX. SITZUNG VOM 15. OCTOBER 1879.
Herr Giovanni Prato in Trient übersendet mit Begleit
schreiben seine italienische Uebersetzung des von weiland Carl
Ritter von Gebier verfassten Werkes: ,Galilei und die rö
mische Curie'.
Das w. M. Herr Hofrath Ritter von Höfler in Prag über
mittelt für die Sitzungsberichte die sechste der ,Abhandlungen
aus dem Gebiete der alten Geschichte. Kritische Bemerkungen
über den Zosimos'.
Von Herrn August Hausdorf in Prag wird eine Ab
handlung unter dem Titel: ,Beiträge zur Exegese des biblischen
Paradieses Eden' eingesendet.
Herr Dr. Adalbert Horawitz, Docent der Wiener Uni
versität, legt eine Abhandlung ,Erasmiana II' vor und ersucht
um deren Aufnahme in die Sitzungsberichte.
504
An Druckschriften wurden vorgelegt.
Aeademia real das Scieneias: Supplemento a Collecfao dos Tratados, Con-
veiKjoes, Contratos e Actos ptiblicos celebrados entre a Coroa. de Portugal
as mais potencias desde 1640; pelo Visconde de Borges de Castro et
continuada por Julio Firmino Judice Biker. Tomo IX—XIII. Lisboa,
1872—1878; 8«.
Academie des Inscriptions et Belles-Lettres: Comptes rendns. IV. Serie.
Tome VII. Bulletin d’Avril, Mai ä Juiu. Paris, 1879; 8°.
— royale dos Sciences, des Lettres et des Beaux-Arts de Belgique: Bulletin,
48° Annee, 2 C Serie. Tome 48. Nr. 8. Bruxelles, 1879; 8°.
— royale, de Copenliague: Oversigt over det Forhandlingar og dets Medlem-
mers Arbejder i Aaret 1879. Nr. 2. Kjöbenhavn; 8°.
Akademie der Wissenschaften, königl. preussische, zu Berlin: Abhandlun
gen, 1878. Berlin, 1879; 4°. — Politische Correspondenz Friedrichs
des Grossen. II. Band. Berlin, 1879; 4°. — Kitai und Karakitai; ein
Beitrag zur Geschichte Ost- und Innerasiens von W. Schott. Berlin,
1879; 4°.
Akademija jugoslavenska znanosti i umjetnosti: Rad. Knjiga XLVIII.
U Zagrebu, 1879; 8°.
Bibliotheque de I’Ecole des Chartes: XL C Annee, 3 e Livraison. Paris,
1879; 8°.
— des Ecoles framjaises d’Athenes et de Rome: Fascicules III e h VII e .
Paris, 1879; 8°.
Ferdinandeum für Tirol und Vorarlberg: Zeitschrift. Dritte Folge,
XXIII. Heft. Innsbruck, 1879; 8».
Gesellschaft, königliche, der Wissenschaften zu Göttingen. Abhandlungen.
XXIV. Band vom Jahre 1879. Göttingen; 4°.
Institute, Anthropological of Great Britain and Ireland: The Journal.
Vol. VIII. Nr. 4. Mai, 1879. London; 8°.
Reumont, Alfredo: La Biblioteca Corvina. Memoria. Firenze, 1879; 8°.
Societe des Sciences de Finlande: Ofversigt of Forhandlingar. XIX et XX
1876/77, 1S77/78. Helsingfors. 1878; 8».
Upsala, Universität: Schriften pro 1877. 41 Stück. 8° und 12°.
Verein, historischer für Schwaben und Ncuburg: Zeitschrift. V. Jahrgang.
1.—3. Heft. Augsburg, 1878; 8°.
— kroatisch-archäologischer: Viestnik. Godina I. Sv. 4. U Zagrebu, 1879; 8°.
— historischer, in St. Gallen: Urkundenbuch der Abtei St. Gallen. Theil III.
Lieferung 4 und 5. 1290—1330. Bearbeitet von Hermann Wartmann.
St. Gallen, 1878; 4t 1 . — Aus alten und neuen Zeiten. Culturgeschichtliche
Skizzen. St. Gallen, 1879; 4°. — Continuatio Casuum sancti Galli Con-
radi de Fabaria; herausgegeben durch Gerold Meyer von Knonau.
St. Gallen, 1879; 8°.
Gebauer. Nominale Formen des altböhmischen Comparativs.
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Nominale Formen des altböhmischen Comparativs.
Von
Dr. Joh. Gebauer.
Das slavische Adjectivum ist der nominalen und zu
sammengesetzten Declination fähig und der Unterschied zwischen
beiden Formen ist ein syntaktischer; vgl. Miklosich, Gramm.
IV. 132 ff. Das Böhmische stimmt hierin mit dem Altslove-
nischen im Ganzen überein, obwohl mit Einschränkungen, die
mit der Zeit immer grösser werden, indem nominale Formen
immer mehr und mehr durch zusammengesetzte ersetzt werden.
Für den Nominativ finden sich die häufigsten Beispiele
im Prädicat, wo nominale Adjectivformen Regel sind; z. B.
jsa kypr a crstv Stit. uc. 1 105 a , tarn ijeden cliud nenie, ani
slep, ani belhav, ani kterym neduhem nezdräv, ani proc truchel
1 Die meisten der hier berücksichtigten Sprachdenkmäler sind in der Er
klärung der Abkürzungen bei meiner Abhandlung ,Ueber die weichen
a-, o- und ?/-Silben im Altböhmischen‘, Sitzungsber., phil.-hist. CI. XCIIIBd.
S. 299—301 (S.-A. S. 1—3) angeführt, namentlich: Alx. = altböhm.
Alexändreis und AlxB., Al'xBM., AlxS., AlxV. = handschriftliche
Fragmente derselben; — AnS. = Marien-(Anna-)Legende; — Ap. ==
Apostellegende; — CEvang. = Otenie evangelii, Winterperikopen; —
Dal. = die Reimchronik Dalimil’s und DalC = die Cambridger Hand
schrift derselben, DalJ. = die Ausgabe J. Jirecek’s 1878; — Hrad.
= rukopis Hradecky, die s. g. Königgrätzer Hs.; — Jid. — Judas
legende; — Kat. = Leben der heil. Katharina; — Mast. = Mastickär,
der Quacksalber; — Modi. = Modlitby, altböhm. Gebete; — NRada
= der Neue Rath- (1459); — Pass. = das älteste böhm. Passionale; —
Stit. = Stitny, Stit. r. und Stituc. = desselben reci, Homilien (1392)
und ußeni, Lehren (1376); — ^Klem. = der Kiementiner Psalter.
Ausser diesen werden hier noch citiert:
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G e b a u e r.
Stit. V. 107, az stär a mdel budu 129, byv silen bude medl
Alb. 21 a , jsa stär a medl cbce jesfe tancovati 43% jsi icedr
Modi. 37 b , dnes ziv i mrtv budes Alx. u. s. w. Vom Positiv
ist diese Regel bekannt; im Folgenden soll sie vom Com-
parativ (und Superlativ) nachgewiesen werden.
Sing. masc. Dem asl. mqdrej und gorij entspricht böhm.
müdreji und hori. Der Unterschied zwischen asl. mqdrej und
aböhm. mudfej«, und ebenso zwischen dem. verlangten hör und
dem vorhandenen hon liegt in der Endung -i. Diese wird
morphologisch verschieden gedeutet, aber in syntaktischer Be
ziehung ist es sicher, dass Formen auf -i im Altböhmischen
regelmässig nur im Prädicat Vorkommen, also in einer Stellung,
wo der Positiv deutlich die nominale Form zeigt, und dass der
zusammengesetzten Form des Positivs regelmässig der Com-
parativ auf -si entspricht: vecsi Jakub wie veliky Jakub, da
gegen Jakub jest vecz wie Jakub jest velik. Auf Grund dieser
syntaktischen Geltung will ich die Formen müdreji hori u. ä.
unter den nominalen anführen.
Z. B. bielegi nez snieh budes Pass. 469, d. i. hieleji; kaz-
demu blizzij jest den, v nemz mä duse z tela vyjiti, nezli j’
kdy byl Stit. f. 66 b , d. i. hlizi; jelikz kto pi'isel jest k te milosti,
s tolik jest blyzy boha Stit. uc. 99 b ; z nichz kazdy bohatiegy otce
tveho jest Kat. 30, d. i. hohateji; cim kto dali jest StitV. 79;
dali jsa od vody ne tak brzo utone a dali jsa od ohne ne tak
brzo se sezze 212; cim kde dalsi pravda, tiem dalegy buoh Stit.
uc. 86 b , d. i. däleji; toho delnika oko tiem nam jest ukrutnejse,
cimz näm pan bude dobrotywyegij Stit. f. 110 a , d. i. dohro-
tiveji; cim kto pilnejie bozieho poslüchä pfikäzanie, tiem
Alb. = Räj duse, Alberti Magni Paradisus animae, Codex der Prager
Universitätsbibl. 17. A. 19; 14. Jahrli.
Alxp. = Prosa-Erzähluug von Alexander d. Gr., Pilsen 1513.
Bläh. = Jan Blahoslav; seine Grammatik beendet 1571, heransg. von
J. Jirecek n. J. Hradil 1857.
Bm. = Barlaam, Prag. 1593.
Mat. = Evangelium s. Matthaei mit Homilien, Pr. Üniversitäts-Bibl. 17.
A. 4, 14. Jahrh.
StitV. = Stitny’s Knihy nanceni krest., nach einer Handschrift v. J. 1450
heransg. von A. J. VrtAtko, Prag 1873.
Troj. = Kronika Trojanska, Prag. 1488.
V y b. = Vybor z literatury ceske.
Nominale Formen des altbohmischen Comparativs.
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dostoynyegij jest Stit. f. 80“, d. i. döstojneji; jeden stav duo-
stoynyegy jest nezli druhy Stit. uö. 97“, sam sa nade vse
zlato drazy AlxV. 156 b , d. i. drazij on (bude) bohu zndmöji a
hodnyegy Alb. 6, d. i. Jiodnejij ze sam jest tobo vlädnuti hod-
niegi Troj. 126 b ; ten (lhar) jest horzy, nez izädny zlodej Alb.
23, d. i.-horij by k tomu hotowyegij Stit. f. 119“, d. i. hotoveji;
bildet kazdy liotowiegi k tvemu ctnemu NRada 7G; protoz jest
böh nebyl chuzi Rada Otce Vyb. 1. 926; to na nem zname-
naji, ez jest vseho sveta krassy Kat. 20, d. i. krasi; moj cbof
naykrassy jest 62; ktoz panuje nad svix mysli, lepij jest nezli
ten, jesto silu mesta dobyvä Stit. f. 129 1 ', d. i. lepij lepij sem
za to zivot dada, nez byck se tobe pronevefil Stit. uö. 104“;
ktoz pfijma (chleb) v svätosti nepfijme duchovne, byl by lepy
i svätosti neprijimaje 32 b ; lepy mohuty sedlak nez vladyka
chudy 97“; tak by lepy byl nejsa u mse, nez. . 118“; ktoz by
nepokorne cbudobu trpel sve rozdada, ten by lepy byl, by byl
nikdy nerozdäval 141“; lepy sem z’ ot nieh pohynu AlxBM.;
lepi stav panensky nez manzelsky StitV. 10; lepi jeden ptäk
v ruce nez dva letic 261; aby liubeji byl ZKlem. 58 b ; byl by
velim viece mdlegij AlxB. 88, d. i. mdleji; clovek je vzdy
mdlejiz mdlejiz proti hfiechu StitV. 129; ze j’ menij otce Stit.
f. 25 b , d. i. menij (Kristus) v tom pfirozeni, v nemz jest menij
otce, byl poddan svym starostam 80 b ; böh nemöz sebe meni
byti Stit. Vyb. 1. 669; ubyti f jeho nemöz, by meni byl eb.;
2’ by ani mohl meni byti eb.; nemohl by meni byti Stit. Roz-
bor 677; milostiveji jest hospodin bojiucim jeho ZKlem. 82°;
kterej jest kdy mylegy byl ktery chof Kat. 130, d. i. milejij
böh jemu bude mylegy Alb. 6; byl sem mlazy a jiz sem se
sstaral Stit. uc 18 b , d. i. mlazij (diabel) jest mocznyegy nez ty
Pass. 358, d. i. mocnejij miidry müdreji bude DalJ. 4, StitV.
53; by byl mudrzegij Stit. ?. 81 b ; möj najmensi sluha mudrzegy
jest Kat. 46; cim jest kto pijlnyegij Stit. f. 35 b , d. i. pilnejij
tiem bude podobnyegy clovek k audelöm Stit. uc. 105“, d. i.
podobnejij svaty Jan powyssenyegy jest nez proroei Pass. 277,
d. i. povyseneji; (kto) möz prazzdnyegij byti svctskeho hluku
Stit. f. 222 b , d. i. prdzdneji (prd&dneji); radyegij umfei Stit.
f. 9“, d. i. radejij radyegij fku 32“; radyegij ehtel v zaläf
vsazen byti 165 b ; radyegy chci umrieti Pass. 469; (sv. Dominik)
o svatych otcich nayradyegy ötiese 404; aby radyegy dal se
508
Gebauer.
upaliti Modi. 72 a ; radyegy se chcju s ceslui sedlku smieti
DalC. 41; vsak jest muz sylnyegy nez zena Stit. uö. 37 a , d. i.
silneji; bude f kazdy snazniegi NRada 76, d. i. snaznajl; tu
väm spomocznyegy budu nez zde ziv jsa Pass. 417, d. i. spo-
mocneji; ijeden tak svaty, by.. swyetyegij nemobl byti Stit. f. 59 b ,
d. i. svüteji von svat; ijeden tak svrchovany, by swrchowanyegij
nemohl byti Stit. f. 59 b , d. i. svrchovaneji; hnev toho südneho
dne tiem kazdemu bude tyezij, cim nenie (statt nynie) kto
mene strachuje se jeho Stit. f. 124 a , d. i. tezi\ kakäs jest zäniutek
nevinneinu cloveku tyezy trpeti Alb. 3 1 '; (stav vdovsky) tezi
bude sdrzeti StitV. 22; moj najmensi slulia vczenyegi jest
Kat. 46, d. i. ucenSjt; uwiechzssi svaty Jakub . . z jinyck jest
wieczi mnohem ApD. 106, d. i. vecsi — der grössere, und veci
oder viecl — grösser; svaty Jan ve mnohem jest wyeczij sva-
teho Stepana Stit. f. 27“, d. i. veci oder vieci, nicht -ci; cim
kto wijeczij bude 9 b ; wyeczij plod jejie nez ona (Maria) 250 a ;
(böh) wyeczczij (sic) jest nade vsicku chvälu Stit. uc. 104 b ; (böh)
wyeczy f jest 103 a ; jeden hfiech jest druheko wyeczy 135 b ;
cim ktery hi'iech jest viece protiv beim pfirozenemu, tiem jest
wyeczy 136 a ; aby wynnyegij nebyl Stit. f. 221 a , d. i. vinneji;
tiem budu wdiecznyegy a wzacznyegy Pass. 14, d. i. vdecneji
a vzdcneji; zrzyedlnyegij o masopuste sluha bozi nez u veliky
pätek Stit. f. 121d. i. zHedlneji; u. s. w.
Entsprechend dem Neutrum mudfejse neben müdfejie
wäre ein Masculinum müdfejs neben nnidfej/ nicht unmöglich,
ich kann aber diese Form nicht sicher stellen, da in dem ein
zigen Beispiele, welches mir bekannt ist: svaty Petr jako star-
zieyss mlazsieho na tom cti Pass. 257, starejs auch ein Schreib
fehler sein kann.
Sing, neutr. aböhm. mudrejse, horSe. Diese Form stimmt
zum asl. boli>se, Miklosicli, Gramm. III 2 24. Man schreibt sie
aber -se und hält sie für zusammengesetzt: -seje, asl. madrejseje,
woraus durch Zusammenziehung -sie und durch weitere Laut
veränderung -se hätte entstehen sollen. Diese Auffassung ist
aber unrichtig, denn:
1. Verlangt es in den hier betrachteten Fällen die prä-
dicative Stellung des Comparativs, dass er in nominaler Casus
form erscheine; wird eine solche auch von verlässlichen Hand
schriften geboten, so ist damit ihr Vorhandensein nachgewiesen.
Nominale Formen des altböhmischen Comparativs.
509
2. Die zusammengesetzte Form hat auf der Sprachstufe
des 13. und 14. Jahrhunderts nicht -se, sondern -sie gelautet
und der Vocal dieser Endung müsste nach der Orthographie
jener Zeit -ie oder -ye geschrieben erscheinen; dagegen bieten
die Handschriften und selbst die genauesten in den hieher
gehörigen Fällen unjotiertes -e, womit die zusammengesetzte
Form -sie nicht gemeint sein kann.
3. Will man aber den erst später und nur sporadisch ein
tretenden Lautwandel sie — se (z. B. starseho aus stameho,
15. und 16. Jahrhundert) für diese Form anticipieren und das
geschriebene -sse, -se ausnahmsweise schon in den ältesten
Denkmälern == se lesen, so sollte man diese Annahme durch
solche handschriftliche Belege zu stützen trachten, wo die ver
meintliche Länge des Vocals in -se graphisch (durch Gemination
oder durch diakritische Zeichen, — beide Mittel waren lange
vor JIus und im 14. Jahrhunderte ziemlich stai’k im Gebrauch,
wie dies die Fragmente Pil., Jid. und svD. aus der Zeit bald
nach dem Tode Wenzels 111., 1306, die Folio-Codices Stit. uc. vom
Jahre 1376, Stit. f. vom Jahre 1392 u. a. beweisen —) ange
deutet wäre. Nach meiner Erfahrung dürfte dies nicht gelingen.
Aus diesen Gründen halte ich die Lesung -Se für unrichtig
und die hieher gehörigen' Comparativformen für nominal und
identisch mit der asl. Form auf -se, aböhm. miidrejse und horse
= asl. boRse.
Z. B. ji£ jest blyzzsse spasenie nase, nezli jsme sö kdy
nadieli Stit. f. 66, d. i. bl/izSe; vzdy j’ jim to blyzssez blyzssez
109 b , d. i. blizSe-z] oko jest czystsse nez nolia Stit. f. 62 a ,
srdce ucisti se, aby jsa czijsto jesfe bylo czystsse 196 a , d. i.
cistse statt ciscse; aus öRcse wurde cisfse (vgl. das Adverbium:
blazeni öisteho srdce, neb oni uzfie boha . . velim czysstye
nezli jini Stit. uc. 42 a , d. i. öisfe aus ßisce) und dieses ging
unter dem Einflüsse des Positivs cisty u. s. w. in cistse über
(vgl. mlac/si aus mlazsi u. ä.); byva t u pfikladiech cos bud’ u
pameti drzymyeysse Stit. uc. 149 ^ d. i. drzimejse von Part,
präs. pass, drzim, Inf. drzeti; aby tölo bylo tiem hbytyeysse
Stit. uö. 119 a ; d. i. hbitejSe; aby (slovo) tiem hrubyeysse bylo
eb., d. i. lirubejse; jakoz duse lepsi jest tela, tak lepsse j’
duchovnie sbozie nez telesne Stit. f. 67 a , d. i. lepse] v duchov-
nich vecech utesenie sto krät jest lepsse, nezli v svetskych
510
Gebauer.
237 a ; co j’ toho lepsse Stit. uö. 31 b ; jest lepsse poslusenstvie
neä klera oböf 71 1 ’, 120 1 ’; dobry f jest kazdy stav i kazde
femeslo . ., kakzkoli lepsse j’ jedno druheho 79 a ; lepsse by dve
bylo nez jedno 118 13 ; obe lepsse t by bylo, kdyby molilo byti
122 a ; nerovne lepsse jedno druheho 142 1 '; dve dobre lepsse j’
nez jedno 157“; nepromenne bozstvie nemöz byti ani raensse
ani vetse Stit. f 25' 1 , d. i. mense; cim komu dobrö myleysse
Stit. uö. 17% d. i. milejSe; ani jest, co by mohlo slazsse byti
Stit. f. 61 b , d. i. slazSej zenske pokolenie, jesto j’ podle pfiro-
zenie strassywyeysse nezli muzske 227“, d. i. straüivejse; slunce
v sobe swyetleysse jest nez v tech poprslciech, jesto jdd od
heho 250' 1 , d. i. svetlejse' (panenstvie) öimtjest viece zprzneno
zlym myslenim, tiem t jest . . tyezsse zachovati Stit. uc. 44,
d. i. tezSe-, protoz to sbozie trpnyeysse byvä Stit. f. öS 1 *, d. i.
trpnejse; srdce, jenz jest twrzsse vseho Modi. 160 11 , d. i. tvrzSe•
toho delnika oko tiem näm bilde vkrutnyeysse, cimz näm pan
bude dobrotiveji Stit. f. 110 a , d. i. ukrutnejse; oko jest vsslech-
tyleysse . . nei, noha 62 a , d. i. uslechtilejse; vzytecznyeysse jest
to dobre, coz zpovednik obrdtx za hfiechy, nez . . Stit. uc. 137%
d. i. uzitecnejSe; milost svatä a slechetnost samo o sobe wazz-
nyeysse j’ nez post Stit. f. 207 h , d. i. vdznejse; to . . bylo by
waznyeysse nez zpoved Stit. uö. 131 a ; nepromenne bozstvie
nemöz byti ani mense ani wyetsse Stit, f. 25 1 ’, d. i. vetSe statt
vecse aus vecse; kdyz bude to obetoväno, jesto jest nesnadno
dobyto, wzacznyeysse bude Stit. f. 228 1) , d. i. vzdcnejse; (panen
stvie) öim f jest viece zprzneno zlym myslenim, tiem jest bohu
newzacznyeysse Stit. uc. 44 1 '; u. s. w.
Seltener trifft man im Priidicat Sing, neutr. die Form
viudfejie, höre. Sie ist von der vorigen morphologisch ver
schieden, indem horSe = gor[i>-i]j r Bs-je, d. h. neben dem Com-
parativsuffix -ijliS auch noch das zweite Suffix -j r r, enthält
(Miklosich, Gramm. II. 322), während höre asl. gorje, göre das
dem Masculinum V: höf, asl. *gon (wofür liofi asl. gorij) zuge
hörige Neutrum ist und das erweiternde Suffix -jt nicht hat;
ebenso ist mudrejse = *madr r &-iju,s-je, wogegen mnid'fejie, was
die Endung -ie (geschrieben -ie, -ye, -ije) betrifft, nicht identisch
ist mit asl. madreje (dieses würde altböhmisch müdfeje lauten),
sondern auf dieselbe Art erklärt werden muss, wie das masc.
asl. gorij, aböhm. hoK und mddfejf. Die Form müdrejie, höre
Nominale Formen des altböhmisclien Comparativs.
511
kommt in der Regel und in unzähligen Fällen als Adverbium
vor, wovon weiter unten die Rede ist (Sing. Acc.), manchmal
findet sie sich aber auch im Prädicat. Bei Stitny, dessen
Sprache sich durch nominale Adjectivformen überhaupt aus-
zeiclmet, scheint dieser Gebrauch auf den Fall beschränkt zu
sein, wenn das Subject ein Infinitiv ist, z. B. leepe, leepe v
manzelstve piti as a cistü vodu Stit. f. 84 b , d. i. lepe; cim den
prospechu vaseho dale roste, tiem slazez, slazez jest, obycej
jmieti v slechetnostech 109% d. i. sldze-z; kto nemoz vedöti
tobo, ze j’ svatu byti vzzytecznyegije nez iefednu 226 b , d. i.
uzitecnejie. Bei anderen Schriftstellern dagegen finden sich
solche Prädicatformen mitunter auch da, wo das Subject ein
Nomen oder Pronomen ist, z. B. co jest drase AlxH. 2% d. i.
draze, jesto jest horze Alb. 65 b , d. i. höre; protoz f se lehcziegie
zdä jicb zalostne skonänie Pass. 305, d. i. lelicejie; co mne
bylo naymylegye Kat. 174, d. i. müejie; nie pfed hohem ska-
rzyedyegye Modi. 163 b , d. i. skaredejie. Manchmal ist ver
schiedene Deutung möglich; so kann hlize in tiem jest blijzze
spasenie Stit. f. 66“ als Adverbium aufgefasst werden, wie hliz,
blii in nilcdy nebyl tak blyzz den südny eb. (asl. blizt prope),
oder als Prädicat und Nominativ neutr., wie blizse in jiz jest
blyzzsse spasenie nase eb.; und ebenso drzimejie in: aby to v
pameti bylo drzzymyegie 218% neben drzimejSe in: byvä £ u
pfikladiech c'os bud u pameti drzymyeysse Stit. uc. 149 b .
Sing, fern.: asl. mqdrejH, gonsi, aböhm. müdfejsi, korst.
Die hiehergehörigen Comparative schreibt man wiederum -St
und hält sie für zusammengesetzt aus sa-ja, asl. madrejseya,
woraus durch Zusammenziehung -st«, durch Assimilation -sie
und durch Verengung -si sich hätte entwickeln sollen; aber
auch hier sprechen die Syntax, die Geschichte der Sprache
und die Handschriften gegen eine solche Auffassung, indem
diese Form im Altböhmischen nur im Prädicat auftritt und
schon in den ältesten Denkmälern sich vorfindet, in Denk
mälern, in denen die Verengung des Diphthongen ie in i noch
nicht stattfindet, und indem der Vocal dieser Endung nicht
als lang bezeichnet wird, selbst nicht in solchen Handschriften,
deren Schreiber sich an der Quantitätsbezeichnung der langen
Vocale offenbar gelegen sein Hessen. Aus diesen Gründen
halte ich die Auffassung des handschriftlichen -si, -sy, -ssi, -ssy
512
Gebauer.
als = -ai für unrichtig und die Form für nominal, müdfejsz
= asl. madrejsi.
Z. B. sukne kosile (Gen.) blyzssy nebyvä DalC. 36, d. i.
blizsi; zda jsi ty (fern.) v panenstvi czystssy nez ona Stit. uc.
47% d. i. cistsi statt cisfsi und ciscsi (siehe cistse im Sing,
neutr.); cim kde dalssy pravda, tiem däleji böh 86 h , d. i. dcilsi;
duse jest tela dostoynyeyssy Stit. f. 61% d. i. döstojnejSi; levä
ruka nie nezävidi, ze j’ pravä hbytyeyssy Stit. uc. 90% d. i.
hbitejsij stali tu, kdez nayhlubssy feka Stit. f. 178% d. i. hlubSi;
kdy radost bude nayhodnyeyssy 118 1 ’, d. i. hodnej$i\ z tech
cest jednomu jest jedna hodnyeyssy, druhä druhemu 191“;
czijesta, v niz putujem, aby nam lehczyeyssy byla 172“, d. i.
lelicejSi; vizina . . lepsy bude nez kozina Mast. 4% d. i. lepsi,
duse lepsy jest tela Stit. f. 67“; lepssy f jest pokornä zena,
nez hrdä panna Stit. uö. 36 1 ', 46 b ; lepssy f jest hanbicka pfed
knezom, nez hanba vecnä 136 b ; vselikä novina liubssi jest
nezli vöc jina Jid. 70, d. i. ljubsi; on (sv. duch) jest ta milost,
jesto poehäzie od otce k synu . . a ta nivcemz nenie menssy
nez otec a syn Stit. uc. 17% d. i. mensi; prav ji (2ene), kak f
ji dobfe slusie pocestne rücho a pokorne, kak f jest myleyssy,
nez kdyz se jako bohyne pfistroji Stit. uc. 54 b , d. i. milejsi;
by kfivda myleyssy byla nez pravda 81“; (vdova) donidz jest
byla mlazssy 50% d. i. mlcizsi; zda jsi ty (fern.) . . naboznyeyssy
47% d. i. ndboznejsi; (duse) cim präzdnejsi bude techto veci,
tiem onech plnyeyssy bude Stit. f. 186 b , d. i. -plnej&i] aß jest
duostojna slechetnost panenstvie, vsak jest pokora potrzeb-
nyeyssy Stit. uc. 46 b , d. i. potrebnejSi] dievka moz toho (sveta)
prazdnyeyssy byti Stit. f. 227% d. i. präzdnejsi; (duse) ßim
px-azdnyeyssy bude techto veci, tiem . . 186 b ; (sv. Netise) by
radyeyssy smrt trpela Pass. 281, d. i. vadejsi; neb bych velim
radieyssy ot mece sesla 19; radieysy bych to zvolila Hrad.
59 b ; 6 smrti! proc me radyeyssy netisknes Modi. 132 b ; radiegsy
ja (Katefina) svü cistü cest slibuji nesti Kat. 18; ze by radieyssy
k smrti svolila Troj. 140 b ; moc dvojitä sylnyeyssy jest ness
jednostajnä Stit. uc. 27% d. i. silnejsi; tiem t ma duchovnie
(milost) sylnyeyssy byti 27 b ; ona jest snaznyeysi Pass. 542,
d. i. snaznejsi; jeho matka jest swietleysi nez dennice Kat. 18,
d. i. svetlejsi; ta muka . . jest tyezssy nez kterä na svete muka
Stit. uö. 156“, d. i. tezsi: bych umfela utiessenyeyssy Hrad.
Nominale Formen des altb ohmischen Comparativß.
513
59 b , d. i. utesenejsi; ona to uslysevsi inhed by utiessenyeyssy
62 b ; mohü dojiti otplaty vdovske, jesto j’ wyetssy nez man-
zelskä Stit. uc. 48% d. i. vetsi aus vecsi, urspr. vecsi; nesnadne
jest rozsüditi, kterä (almuzna) j’ od koho wzacznyeyssy bohu
141% d. i. vzdcnejSi; u. s. w.
Im Nominativ Plur. hat der nominale Comparativ im
Altslovenischen die Endungen masc. -se, neutr. -Si und -Sa,
fern, se; im Altböhmischen gilt -se für alle Genera, ebenso wie
in den Participien nesüce = asl. nesaste, -a, -q, und nesse =
asl. nesi.se, -a, -q. Auch diese Form wird als eine zusammen
gesetzte aufgefasst und -se geschrieben, aber die oben (Sing,
neutr.) gegen eine solche Auffassung vorgebrachten Gründe
haben auch hier ihre Geltung.
Z. B. hyne nam cas zivota, tak cz blyzzsse jsme smrti
Stit. f. 83 b , d. i. blizse; (vy sc. me dietky) ste sobe nay blyzsse
Stit. uc. 25 h - z bozie milosti byli bychom v nö (sleehetnosti)
bohatyeysse Stit. f. 149% d. i. bohatejse; tem, jesto jsü dalsse
sveta Stit. uc. 122 b , d. i. dalse; abyehom byli dokonaleysse v
slechetnostech Modi. 31% d. i. dokonalejse; hledaji cest, jesto
by jim hodnyeysse byly Stit. f. 190% d. i. hodnejse, fern.; (deti
a celecT) aby nebyli horsse Stit. uc. 59% d. i. horse; aby byl
lid hotowyeyse k däni desätka Alb. 90% d. i. hotovejse; jichz
bydlo jest ve tme, jen tmu vidie . . ze tmy jdüc ve tmu nevidie,
co ztratie, a pakli vidie, co ztratie, a pfes to tratie a tiem jsü
jesfe lmbenyeysse Stit. f. 119% d. i. Itubenejse; spravedlni . .
sedmkrät nez slunce yasnyeysse budü 182% d. i. jasnejse;
nezehri se se svymi detmi, budü t na tebe laskawyeysse Stit.
uc. 108 b , d. i. laskavejse; ti byli by lepse doma Alb. 90 b , d. i.
lepse; jiz bychom meli mudrzeysse byti Stit. uü. 60% d. i.
müdrejse-, aby (vy) pijlnyeysse byli Stit. f. 132 b , d. i. pünejse - ,
lide pijlnyeysse sebe maji byti 208 b ; (oni) budü sebe pylnyeysse
ve vsech svych skuteieeh Stit. uc. 123“; jako mnozi jsü pijlny
bohatstvie telesneho, aby na ten den zdali se z jinych poczest-
nyeysse, tak my pijlnyeysse märne byti Stit. f. 67% d.4. pocest-
nejse-, (andele) cim vyssi jsü, tiem jsü pokornyeysse 149 1 ’, d. i.
pokornejse; ty panny . . k bohu jsü psotnyeysse nezli zeny,
jesto jiz sve muze maji Stit. uc. 36 b , d. i. psotnejse, fern.;
radyeyse chcemy zemfieti Pass. 436, d. i. radejSe; radyeysse se
mate potupiti Modi. 163 b ; radieysse sluzte moenemu Hrad. 94 b ;
514
Gebauer.
chcmy radyeysse bozie käzanie plniti Alb. Öl 1 ; (panny) jsi
radyeyse smrt trpely, fern., eb. 10“; aby jeste radyeysse ctli
pismo svate Stit. uc. 5 b ; lide . . by radyeysse almuzny dävali,
nez by zle dobyte vrätili 54 b ; vzdy radyeysse vefime po-
chlebiiikdm 144 1 ’; radsse v dobrote s sebii mluvte Stit. r. 104' 1 ,
d. i. radse; ktoz lid jeho nechtie byti radsse jsri lid krälovstvie
svetskeho 117 1 ’; päni radsse ehtie slüti dobrymi, nezli byti Stit.
uc. 87 b ; ktoz radsse hospode skody preji 90; Malcbus cbleb
pfed nimi polozil, aby se pojedüc posilili a tak silnyeysse
trpeti byli Pass. 365, d. i. silnejse; budii v näs sylnyeysse ty
telesne zädosti, femin. Stit. ?. 39 1 '; pakli bychom neznali sve
slepoty a tiem byebom slepyeysse byli Stit. uc. 104 ,] , d. i.
slepejse; kdyz (deti) by byly starsse 121' 1 , d. i. starse; hvezdy,
jesto jsri swyetleysse nez nebe, fern., 77 h , d. i. svetlejSe; by
mobli byti swobodnyeysse 89% d. i. svobodnejse; u. s. w. Für
das Neutrum, welches in diesen Beispielen im Nominativ pl.
nicht vertreten ist, verweise ich auf den weiter unten ange
führten Accus, pl. zdravejse.
Für den Nominativ des Duals sind die Belege selten
und bieten die Endung -se für alle Genera; diese ist, gegen
über dem asl. -Sa masc. und -si fern, neutr., offenbar die
Endung des Plurals, ebenso wie in den Participien nesüce und
nesse (Plur. und zugleich Dual.). Gegen die Schreibung -se
und Auffassung dieser Form als einer zusammengesetzten wären
die oben angeführten Gründe abermals zu wiederholen.
Z. B. radieyse mi hlavu setneta Pass. 581, d. i. radejse;
usi radieyse poslüchaji zlycli piesni Hrad. 97“.
Ausser dem Nominativ kommen im Altböhmischen nomi
nale Comparativformen auch noch im Accusativ als Regel
vor, theils in prädicativer, d. h. in solcher Stellung, wo das
Verhältnis des Adjectivs zu seinem im Accusativ stehenden und
von einem verbum sentiendi, dicendi, habendi, faciendi u. dgl.
abhängigen Nomen ein prädicatives ist, theils als Adverbien.
Für die erstere Art, den prädicativen Accusativ, führe
ich folgende Beispiele an: by byl velim viece mdleji jhnzto
by se mnöl za chzilegij AlxB. 88, d. i. cileji; ktoz prijimä
tuto svatost, podnet k hfiechu cini mdlegij Stit. f. 154% d. i.
mdleji; kterez pak wzacznyeysse mämy, ty-li, jeito . . Modi. 94%
d. i. vzdcnejSe; troji vec pismo ukazuje, jesto ty obeti . . cini
Nominale Formen des alfcbohmischen Comparativs.
515
wzacznyeysse Stit. f. 228% fern.; o tech, jesto mistruji vina a
uöinie je nezdrawyeysse Stit. uc. 94% d. i. nezdravejse, neutr.
plur.; co sve zdöla, v tom se sve lepse domnela AlxBM., d. i.
lepse masc. du.
Als Adverbium fungiert der Accusativ sing, neutr. mü-
drejie, höre.
Der Beispiele gibt es eine Unzahl und ich führe folgende
an: pfistup sein blize Pass. 342 (2), d. i. blize] tiern blijzze
Ötit. f. 6 a ; bucT ten byrse zmyrtcy uziv AlxBM. 2% d. i. brze,
aby sieme bugnyegye rostlo Ötit. uc. 53% d. i. bujnejie-, snad
by lepe bylo, by na te czyestyegije vzpominali Stit. f. 123%
d. i. cestejie, mit Umlaut in der Wurzelsilbe; fiekaji päni:
chlap f jest jako vrba, bim czestyegye ji obrubas, tiem f se
huste obali Stit. uc. 84 a ; hojnejie to ciniti mame, czastyegije
zoviic chude k svemu kvasu Stit. f. 74% d. i. castejie, ohne
Umlaut; skrovnejie a czystyegye ziv jsa Modi. 91% d. i. cistejie;
blazeni öisteho srdce, neb oni uzfie boha, tocis velim czysstye
nezli jini Stit. ue. 42% d. i. ciSt'e (nicht eiste) aus cisce und
dieses aus -sce, *-stje; dieselbe Form ist auch im Vybor,
2. 1114 zu lesen: dvefe a okna velikä vsecko z alabastra a
cistym tesänim nasch vale tesany, jesto nemuoz jcistie' (d. i.
cisfe) byti; abyehom sli daale od stvofenie k stvofiteli Stit. r.
222 a , d. i. ddle, ez snad deele budü hyzditi bläznovstvie jeho
Stit. f. 119% d. i. dele; neroef deliegie dliti Hrad. 46% d. i.
delejie; o tom viece sem mluvil tarn dolegye Stit. uc. 51% d. i.
dolejie vom Thema dole — sing. Loc. des Subst. ddl; ktoz
srdecnejie miluje, domyslnyegije poznä Stit. f. 6% d. i. dömy-
slnejie; ez sem radost marnü nestydel se draazze väziti nad
cest veenü Stit. f. 218% d. i. draze; hldze a pekneji Bläh.
Gramm. 205; töla nase . . lilube v domu pochovaj Pass. 375,
d. i. Milbe; bim hlube patfim Ötit. uc. 132“; (Pirrus) bra se do
lesa hlaube Troj. 228 b ; bylo by ji hodnyegije, by jmela tezkeho
muze na hrdle svem Ötit. r. 36 il , d. i. hodnejie; hoynyegije to
ciniti mame 74% d. i. hojnejie; bude horze clovcku tomu nezli
u prve 137 [ % d. i. hö¥e; musi f horze byti nezli dfbve 138 a ;
v tfetiem pokuseni to jest tdhl v hfiech nayhrubyegije 125%
d. i. hrubejie; bim cestejie ji (vrbu) obrubas, tiem f se husstye
obali Stit. uc. 84% d. i. huste (nicht huste), aus hüsbe und dieses
aus -sce, -s(/e; gesnyegije jej vidüc Stit. ?. 64% d. i. jesnejie
Sitzungsber. d. phil.-hist. Ul. XCV. ßd. II. Hft. 34
516
Genauer.
zu jasny, mit Umlaut in der Wurzelsilbe ; gystyegije budem to
jmieti 223 b , d. i. jistejiej cbudoba se krasse stkvie Pass. 539,
d. i. krdse, vseho kvietie krasse ktvüee Modi. 133 b , o ty kvete
vseho krase ktvüci Hrad. 55“; mluviti svobodnejie, jiesti hojnejie,
piti chutnejie, modliti se kracze Modi. 163 1 ’, d. i. fcräce asl.
kreiste; lehczyegye f tepe dieveie ruka DalC. 4, d. i. leheejie:
cim ktery pfide pozdejie, tiem praeije lehczeg'ije Stit. r. 109“;
inhed zvitezis lepe nez s’ kdy zvitezil Pass. 282, d. i. lepe]
me mene nez jeho pfezesijes Modi. 132 b , d. i. mene; nie mene
AlxS. 339; poene clovek menyez meuyez rozkosi tbäti ötit. r.
108 11 , d. i. mene-z, nicht mene; jelikoz je dfieve miloval, toliko
je nemylostiwiegie rnuciti käzal Pass. 300, d. i. milostivejie;
aby mylegije postnie snesli utrpenie ötit. r. 132 1 ’, d. i. milejie;
taneenici ne mudriegie cinie nez skot Hrad. 97 b , d. i. müdrejie;
af by bylo pamyetnyegije ötit. r. 74”, d. i. pametnejie; aby to
i prikladem v srdee veslo pewnyegye 1Ö0“, d. i. pevnejie;
pijlnyeg-ije mel by na peei 82“, d. i. pilnejie; znamenajmy
pylnyegije jmeno hodu tohoto 172 ! '; cimz se kto plnyegije
obräti k bohu 133“, d. i. plnejie; kdyz by pllnyegie naplnil
Hrad. 46 b ; af rku podobnyegije Ötit. r. 85 a , d. i. podobnejie;
cim ktery pfide pozdyegije 109“, d. i. pozdejie, zu pozde\ af
rku prawyegije 202 a , d. i. pravejie; tiem rzijezze kvas mä pfa-
telöm pripraven byti 74 b , d. i. fieze; 1 kto se brani nepfetiezi,
nerovne f rychlege bezi NRada. 110, d. i. rychleje statt -jie;
aby ty kraloval velim ssczestnyegije Stit. r. 40 b , d. i. scestnejie,
zu scastny, mit Umlaut in der Wurzelsilbe; skiipe chval a
1 Die Gemination zz bezeichnet im Codex Stit. r. den Laut z; einige Mal
findet sie sich aber auch als Bezeichnung des aus g und dj entstandenen
und dem asl. z (vor -e, -i, -b) und zd entsprechenden z — z. B. pomozz
hospodine 53 b asl. pomozi, wyzz kazdy 5i b asl. vizdb, rzijezze 74 b asl.
wohl cezcle u. s. w. — Aelmliches kommt in analogen Fällen auch bei
* und c und auch in anderen alten Denkmälern vor — z. B. nevie kak
rsechzi komu AlxBM. 2% d. i. reci statt reci asl. re-Sfi, Medea wece Troj.
23“ u. <3. statt vece asl. veäa, ha* und nos statt ha? und nos asl. gasi
und nosi nach FIus (Slav. Bibi. 2. 281) u. s. w., — und auch die heutige
dialektische Aussprache schwankt hier zwischen z, c und z, s, c, pomoz
und pomoz. nos und nos, pec und pec; daraus geht hervor, dass in diesen
Fällen den Sibilanten s, s, c eine von der heutigen harten abweichende
und etwa zwischen z und z u. s. w. liegende Aussprache zukam, und zur
Bezeichnung einer solchen hat Öafarik die Buchstaben s, *, c eingeführt.
Nominale Formen des altbohmischen Comparativs.
517
.1
*
skupyegye hyzcT Stit. uc. 63 b , d. i. skupejie; tiem slawnyegye
budem obdaroväni 182 b , d. i. slcivnejie; jimz zmutnyegie chodi
AnS., d. i. smutnejie; jest nesnaze jebo pfemoci Modi. 4 b , d. i.
sndze-, abychom zädali tiem snaznyegye 31", d. i. snaznejie, öim
sprawedlnyegije dobyto, tiem . . Stit. f. 228", d. i. sprcivedlnejie-,
ktoz srdecznyegije rniluje, dömyslnejie poznä 6“, d. i. srdecnejie-
aby se mohl swobodnyegije s tiem bozim svetlem obierati 222’’,
d. i. svobodnyie] ssczedrzyegije jest dar käzanie sveho pred
nimi vylil 144 1 ', d. i. Scedrejie; at ssijrze promluvim o tom 152“,
d. i. sire.; (telo) bude tiem slechetnyegye zachoväno Mast. 5 h ,
d. i. slechetnejie; ti hlübe a tijezze padnü Stit. r. 78“, d. i.
tieze-, museji tyezze trpeti na onom svete 207“; jakz naytwrze
moha Kat. 148, d. i. tvrze] matefino naucenie casto deti drzie
twrdo a druhdy twrze nez otcovo Ötit. uc. 58“; abychom vdat-
nyegije ufali jemu Ötit. r. 17“, d. i. udatn&fie; byl take v rädu
prorokovem a wiece nez prorok Pass. 279, d. i. riece; wijecze
nez slusie Stit. r. 155 b ; cim to wyernyegije ciniti budem, tiem . .
228 1 ’, d. i. vb-nejie; cim dale v reku brdiese, tiem se vzdy voda
wysse pryscila Pass. 360, d. i. vyse; naywysse oslavenä Modi.
153 b , corrigiert aus naywyssye; (narozenie) bylo zvestovano
zrziedlnyegye Pass. 277 d. i. zfedlnejie u. s. w.
Ausser dem Nominativ und Accusativ kommen nominale
Comparativformen selten vor und mir sind für die übrigen
Casus nur folgende Belege bekannt:
Sing. Gen.: jimz z blizse vonie ta nebeskä ütecka StitV.
272; zdali nenie lestne sbozie zdejsie . . cim kto mä jeho viece,
a wyetsse se nedostävä Stit. r. 110“, d. i. vetse (statt vecse aus
rec.se), ebenso in nominaler Form wie das vorhergehende viece;
vielleicht gehört hieher auch horse in: maji za veliky hfiech
spolu se utesiti i dopustie se horssye 1 * 0 , ze ukrutni sobe budü
Stit. uc. 38“, trotz der späteren Correctur; dialektisch: z vätsa
bei den Slowaken, präea je z veca hotova in der Gegend von
Zlin in Mähren, z dalsa na to hleda zdä se to byt male eb.
(Bartos, Ze zivota lidu moravskeho S. 36.)
Sing. Dat.: by nudatni (neudatni) lepsich zriece byli take
lepssiu chtiece AlxB. 90, d. i. lepsju; taky vieru drzi, nadeji
mä v boze k lepssy, zleho pyce . . Stit. r. 192 b , d. i. lepSi.
Sing. Loc.: kto jest u male nepräv, i u wieczssy nepräv
jest CEvang. 22, d. i. vecsi.
34*
m
518
G e b a u e r.
Sing. Instr.: ktoz malem ucinx pomoc, jako by vetsern
pomohl StitV. 339; kdyby vetsern pomohl 340.
Am mannigfaltigsten sind die böhmischen nominalen Com-
parativformen bei veci belegt und deshalb eignet es sich zum
Paradigma für die folgende übersichtliche Darstellung derselben:
sg. Nom. veci
Acc. veci
Gen. —
Dat. —
Loc. —
Inst. —
pl. (du.) NA. vecse
neutr.
vecse, viece
vecse, viece
vecse
vecsu
vecsi
vecsem
vecse
fern.
vecsi 1
vecse.
Die hier gegebene Darstellung des Sachverhaltes gründet
sich hauptsächlich auf die Sprache des Pass, und Stitny’s in
Ötit. uc. und Stit. r.; sie entspricht aber im Ganzen dem
Sprachgebrauche des 13. und 14., ja noch des 15. Jahrhunderts,
wo eine sichtliche Störung der alten Regelmässigkeit beginnt.
Ausnahmen gibt es zwar schon in Denkmälern der
älteren Zeit, z. B. ostal jich (zidöv) böh a jsü hubenyeyssye
vseho lidu Stit. r. 78 h statt hnbenejse, ein Schreibfehler; prvä
dva bratry byla sta ruczieyssie a druhä dva lenyeyssie Mat. 56
statt rucejse und lenejse, entweder die eigentliche Dualform
-se = asl. -s«, oder die Endung der zusammengesetzten De-
clination, oder abweichende Schreibung der weichen e-Silbe,
wie dies in Mat. sehr oft zu finden ist; dasselbe gilt von
twrdssye in: nevernyeh zidöv srdee (statt srdce) jsü twrdssye
nezli kamenie eb. 21; u. s. w. Von denjenigen Abweichungen,
die statt der verlangten oder möglichen nominalen Form die
zusammengesetzte bieten, dürften sehr viele in einer e'igenen
syntaktischen Auffassung, die von der mechanischen Deutung
der Regel verschieden ist, ihren Grund haben; gewiss ist
dies der Fall in: takz tu ot neho smrt vzesta, jez naylepsie z
tech tu biesta AlsB. 82, d. i. najlepsfe — welche die besten
unter den Gegenwärtigen waren; ac wyetssij budem neb syl-
1 -ra- statt -cs-, z. B. fern, vecsi statt vecsi für asl. \esthsi, ist sichergestellt
durch solche Handschriften, die c und c unterscheiden.
Nominale Formen des altbölimiachen Comparativs.
519
nyeyssij, ale hyne näm cas zivota . tak ez blyzsse jsme smrti
Stit. r. 83 1 ’, d. i. vetsf und silnejsf neben blizäe. Aehnliches
kommt auch im Positiv vor und sicherlich sind in den Bei
spielen: san biese ssyrssye nez vuol, delssie nez kuon a zuby
u nie ostre Pass. 378, proto f vas napominäm, aby, ktoz jsü
dobrzij, lepssij byli Stit. f. 67 3 , (zlodej) byl-li dfeve zly, bude
horssy Stit. uc. 138 a , videti zenu jest zle . . a dotknüti se jie
jest nayhorssye 45 a u. ä. die zusammengesetzten' Comparativ-
tormen sirsie, delsie, lepüi, hörst, najhorsie ebenso syntaktisch
zu erklären, wie die parallelen zusammengesetzten Positivformen
ostre, doVH, zly und zle.
Die Thatsache, deren Nachweis im Vorigen gegeben
ist, nämlich der Bestand nominaler Comparativformen im
Böhmischen und namentlich im Altböhmischen, wird durch
diese Ausnahmen natürlich nicht in Frage gestellt; jene Formen
haben bestanden, sie sind aber mit der Zeit eingegangen.
Die Ursache ihres Verfalles liegt darin, dass ihre
Flexionsbedeutung, weil sie fast nur auf den Nominativ und
Accusativ beschränkt waren, aus dem Sprachbewusstsein schwand
und sie zu blossen Adverbien herabsanken. Das Adverbium
aber führt nur ein syntaktisches Leben; es verdankt zwar sein
Dasein dem morphologischen Organismus der Sprache, aber
dieser sein Ursprung ist vergessen und es liegt aus diesem
Organismus ausgeschieden, ausserhalb des Stromes seiner all
gemeinen und regelmässigen Veränderungen, bleibt theils hinter
diesen zurück, theils ändert es sich in anderen Richtungen,
und erscheint in Folge dessen bei einer grammatischen Form
analyse theils als erstarrter Archaismus, theils als eine durch
ausserordentliche Einflüsse und Aenderungen gestörte Form.
Im Verfalle der altböhmischen nominalen Comparativformen
hat Beides stattgefunden. Vom Alten ist freilich sehr wenig
geblieben, aber doch hie .und da ein Zug, z. B. in radM, rad.se,
z-vetsa u. ä. Der ausserordentlichen Aenderungen dagegen,
d. h. solcher, welche die Declination der übrigen Nomina
nicht betroffen haben, hat die Flexionsendung des nominalen
Comparativs eine Menge zu erleiden gehabt, zum Th eil schon
in der alten, namentlich aber in der späteren Zeit, seit dem
15. Jahrhunderte. Ich will dies an einigen Beispielen zeigen:
radyeyssy byste mohli moj süd trpeti DalC. 4, statt radej.se;
520
Gebauer. Nominale Formen des altböhmischen Comparativs.
(zävistivy) by nechtel niöemuz dobremu radejse, nez by v tom
mel rovni sob§ StitV. 121, statt radöj* und wahrscheinlich ein
Fehler des späteren Abschreibers; Egea by byla radiegsse
polovici krälovstvie ztratila Troj. 217\ statt radöjsz; Alexaudr
vybral jest radiegije k boji stare rytiefstvo nezli rnlade Alxp. 12,
statt radeji; profi ty radüe . . mluvis stydce Bläh. Gramm. 223,
statt radse und dieses statt radeji u. ä.; — ferner -eji statt
-eji (aus -§jie), verneji, milej?', radejt statt verneji, mileji,
radeji: beide Formen waren im 15. und 16. Jahrhunderte ge
bräuchlich, z. B. däleji und däleji, viceji und viceji Bm. u. s. w.,
aber Blahoslav Gramm. 261 hat -eji für einen Irrthum erklärt
und man schreibt statt dessen später allgemein -eji; — weiter
Analogiebildungen wie snäzeji statt snäze nach dem Vorbilde
von vernej't, mileji u. s. w., lepeji statt lepe, menen statt mene,
hhzej't statt blize, dale/i statt dale, deleji statt dele u. ä., z. B.
snazegj velblaud skrze ucho jehly projde Bm. 1. 26, ze f bj’ch
lepegj neposlauzil 2. 3, menegj hodne 2. 3, ti jesto marnosti
svöta wjcegj sobe nezli boha väzi 2. 3, pfisedsi k synu a
bljzegj se posadiv 2. 8; — Weglassung des Endvocals: lep
statt lepe, vys statt vyse u. ä. schon in der alten Sprache, z. B.
inhed z nizka uesnadno vzhdru tu, kde j’ naywyss Stit. f. 188“,
statt najvyse; im Neuböhmischen auch -ej statt -eji oder -eji,
yernej, ddlej u. s. w.; — dagegen Anhängung des -c im dialek
tischen vernejc, dälejc.
In einem Falle erheischte es aber die syntaktische Fügung
nach wie vor, dass das Adjectivuiu mit dem zugehörigen Nomen
oder Pronomen in der Flexion congruiere, nämlich im Prädicat;
war nun die alte nominale Comparativform durch den mit der
Zeit eingetretenen Verfall einer solchen Congruenz unfähig
geworden, so substituierte die Sprache an ihre Stelle eine fähige
Ersatzform, und das war die Form der zusammengesetzten De-
clination, mladsi statt mlazi, mlazSi, mlazse u. s. w.
In Folge dieser Störungen ist von der gewesenen nominalen
Comparativform in der heutigen Sprache nur das Ädverbium
moudreji, hure (moudrej, Mir, moudrejc) u. ä. und das als Ad-
verbium verstandene radeji, radSi . im Sprachbewusstsein aber
nichts übrig geblieben, denn man versteht moudreji, hure, radeji,
radsi . . nicht als Casus, sondern als indeclinable Partikeln.
Höfler. Abhandlungen ans dem Gebiete der alten Geschichte. VII.
521
Abhandlungen aus dem Gebiete der alten Geschichte.
VII.
Kritische Bemerkungen über »len Zosimos (Ztoaqjtoo, K6-
|j,7]toc ’wx Aico^ptaxoauvYjYÖpou iozoptac vsac ßtßXta s£)
und den Grad seiner Glaubwürdigkeit.
Von
C. v. Höfler,
wirklichem Mitgliede der k. Akademie der Wissenschaften.
Za den interessantesten Thatsachen der alten Geschichte
gehört das plötzliche Auftauchen einer neuen Literatur im Laufe
des II. und III. Jahrhundertes nach Christus. Sie ist lateinisch,
aber nicht römisch, griechisch, aber nicht hellenisch, ja man
begreift selbst unter dem Namen hellenisch, to sMujvaiv, den
Gegensatz zu dieser Literatur und ihrem Inhalte. Sie stammt
nicht etwa aus einem bestimmten Lande des römischen Reiches,
wie etwa Hispanien, Gallien, Afrika sich durch ihren beson
deren Typus in der römischen Literatur bemerklich machten.
Sie hat eine eigenthümliehe Diction, aber diese entspricht ihrem
besonderen Ideenkreise, einem Inhalte, von welchem sich Rom
und Hellas so lange sie können, abwenden. Es ist ein müh
samer Kampf um das literarische Bürgerrecht, um Anerkennung
und Gleichberechtigung, ja diese erfolgt eigentlich erst nach
dem auch der Staat sich dafür ausgesprochen und als dieses
geschehen, der Sieg für die neuen Ideen errungen, werden
diese erst noch für alle Uebel verantwortlich gemacht, die den
Staat betrafen, der sie dreihundert Jahre rastlos verfolgte.
Die christliche Literatur verdrängt allmälig die antike;
letztere tritt nur mehr sporadisch auf, sie beweist durch ihr
dünngesäetes Erscheinen, dass sie im Absterben begriffen ist;
sie sucht einen Inhalt und findet keinen. Sie klammert sich an
das Alte an und dieses ist morsch und hohl; sie beredet sich
selbst, noch Thatsachen zu vertreten, die wie Phantasmagorien
verschwinden. Sie macht sich eine eigene Vergangenheit, um
522
Fln fl er.
sich vor sich selbst zu rechtfertigen und gewahrt nicht, dass
es sich eigentlich doch nur um eine Selbstauflösung handle,
die keine Macht der Erde mehr zu hemmen vermochte.
Es ist aber nicht die Absicht dieser Zeilen, sich mit
einem christlichen Schriftsteller aus der Zeit des grossen
Dramas zu beschäftigen, das man den Untergang der alten
Welt nennt, und das in seiner Art mindestens so gross, lehr
reich und bedeutend ist, als der Aufbau Roms oder die Anfänge
der hellenischen Geschichte, sondern mit einem jener Vertreter
der antiken Welt, der von dem vernichtenden Gefühle be
herrscht wird, dass ihm der Boden unter den Füssen schwinde
und wo nun die krampfhafte Bemühung hervortritt, sich zu
halten, während bereits jeder Anhaltspunkt die natürliche
Stütze versagt.
Es handelt sich um die moderne Geschichte des kaiser
lichen Comes und Exadvocaten des Fiscus, Zosimos, die dieser
im V. Jahrhunderte der christlichen Zeitrechnung schrieb, so
aber wie sie vor uns liegt, nur bis zum Jahre 410 reicht. Nun
ist längst und bis zur Uebermüdung hervorgehoben worden,
wie unbillig derselbe Schriftsteller verfuhr, der Polybios sich
zum Vorbilde nahm und wie dieser eine pragmatische Ge
schichte zu schreiben beabsichtigte, d. h. die eigentlich treiben
den Ursachen der Ereignisse in den Vordergrund zu stellen
sich bemühte, in letzteren aber die Wirkung von Vorgängen
erblickte, die eigentlich ausserhalb der menschlichen Thatkraft
und menschlicher Selbstbestimmung stehen, vom Laufe der Ge
stirne, vom blinden Fatum herrühren. Selbst eine göttliche
Vorsehung, eine 6s~ix Ttpovcia ist ihm nicht ganz fremd. Eine
Analogie zwischen dem langsamen Werden des römischen
Staates, seiner raschen Entwicklung zur Weltherrschaft, nach
dem einmal ein gewisser Höhepunkt erreicht worden, und ein
ebenso rasch eintretender Ruin, scheint der leitende Gedanke
geworden zu sein. Es ist eine traurige Aufgabe, den unver
meidlichen Verfall eines Gemeinwesens beschreiben zu müssen,
das sich mit der gebildeten Welt identificirt und, nachdem es
dieselbe vereinigt, in Barbarenherrschaft auslauft; noch trauriger,
sich sagen zu müssen, dass, was da übles vorgehe, Verhängniss
sei. Er muss Tacitus nicht gekannt haben, da dieser lange
vor ihm denselben Gedanken ausgesprochen hat, die Schuld
Abhandlungen aus dem Gebiete der alten Geschichte. VIT.
523
aber, um die es sieb handelt, da suchte, wo sie wirklich vor
handen war, im eigenen Lager. Nun scheinen die Disquisitio
in Zosimum ejusque fidem und der weitläufige Commentarius
historicus Joh. Friedrich Reitemeiers (Lipsiae 1784) so er
schöpfend zu sein, dass es, nachdem Immanuel Bekker in seiner
Ausgabe des Zosimos (Corpus script. hist, byzantinae) Bonn 1837,
beide wieder abdrucken Hess, einer Rechtfertigung bedarf, wenn
man sich Zusätze oder Abweichungen erlaubt.
Ich werde auf die Disquistio später zurückkommen, für
jetzt sei es gestattet, einige Bemerkungen an den historischen
Commentar zu knüpfen.
Er macht auf den Fehler des Zosimos in Betreff des
Todes Julians aufmerksam, hebt die fälschliche Angabe des
selben in Betreff der Eroberung von ganz Arabien durch Septi-
mius Severus hervor, Gleiches geschieht in Bezug auf Berichte
über Papinian, Macrinus, Elagabalus, Alexander Severus, die
Gordiane, Decius, auf die Verwechslung des Tanais mit der
Donau I c. 23, auf Ariolus I c. 38, auf Odenathus und Postu-
mius, wie dies in Betreff des Letzteren schon Tillemont nach
gewiesen.
Wenn ferner Reitemeier darthat, dass die Forschung in
Betreff der Kaiser von Claudius bis Constantin aus Mangel an
Quellen grossentheils an Zosimos angewiesen ist, der sich hiebei
auf Eunapios stützte, so entgeht damit auch die Möglichkeit,
eine eingehende Kritik in Bezug auf Zosimos zu üben, da
eben nur aus Mangel an anderen Nachrichten anzunehmen ist,
was er mittheilt.
Aber auch hier finden sich nachweisbar nicht unbedeutende
Fehler vor. Mit Recht macht Reitemeier aufmerksam, dass
ein Geschichtschreiber, welcher den Verfall des römischen
Reiches darstellen wollte, nicht die Preisgebung Daciens durch
Aurelian mit Stillschweigen übergehen durfte; am wenigsten,
möchte ich hinzufügen, wenn die allmälige Barbarisirung des
Reiches Hauptgegenstand der Darstellung war. Als einmal
das Prineip angenommen war, die Eroberungen aufzugeben,
war ein Präjudiz der übelsten Art geschaffen worden. Galt
dieses zum Theile schon von Augustus und Adrian, so war ein
ungeheurer Unterschied, ob die Tigrislinie aufgegeben ward
und die des Euphrat noch gehalten wurde, oder ob das linke
524
TI 5 fl o r.
Donauvifer geräumt und den Barbaren preisgegeben wurde.
Nicht blos dass der Ister Grenzscheide wurde, es ward das
rechte Ufer in den Zustand beständiger Defensive gebracht;
das war eine Neuerung der gefährlichsten Art, die ein Nach
treter des Polybios nicht mit Stillschweigen übergehen durfte.
Jetzt zog sich der politische Schwerpunkt nach den unteren
Donauländern, erfolgten die grossen politischen Veränderungen,
welche aus der Aufgebung der Einheit des Reiches hervor
gingen, entstand das illyrische Kaiserthum und endlich die
grösste und nachdrücklichste Umwandlung der Dinge, die Ver
legung der Hauptstadt des Reiches, als dasselbe wieder geeinigt
worden war, nach Tliracien, in die nächste Nähe des Kriegs
schauplatzes, so dass die Hauptstadt auch die wichtigste Festung
des Reiches wurde. Sie hatte den am meisten bedrohten Punkt
desselben zu schützen; das Fortificationssystem des Isters er
hielt durch Constantinopel die eigentliche Stütze, ja der Bestand
des Reiches hing seitdem von der Erhaltung der Hauptstadt
ab, deren politische und strategische Bedeutung Altrom sehr
bald in Schatten stellte. Durchgeht man nun die Bemerkungen
Reitemeiers, so drängt sich von selbst als Resultat derselben
die Ueberzeugung auf, dass die historische Autorität des Zosimos
auch da, wo von christlichen Dingen und Persönlichkeiten
noch keine Rede ist, nichts weniger denn unanfechtbar ist, dass
man sich seiner nur mit grosser Vorsicht bedienen kann.
Bleiben wir aber noch bei dem Theile des historischen
Commentars stehen, der sich mit der Geschichte des Kaisers
Constantins I. beschäftigt.
Reitemeier erklärt sich hiebei gegen die Argumentation
Tillemonts zu Gunsten der ehelichen Abstammung G'onstantins,
ohne jedoch näher in dieselbe einzugehen. Man kann aber
den Behauptungen der Illegitimität der Geburt des Kaisers
gegenüber nicht abstreiten, dass Sextus ’ Aurelius Victor de
Caesaribus von Julius Constantins, dem Vater Constantins, und
dem Galerius Maximianus (Ärmentarius) redend, von welchen
der erste die Tochter des Herculius, der zweite die des Dio-
cletians heiratlien musste, diese Thatsaehe mit den Worten an
führt: diremptis prioribus eonjugiis, und Eutropius sich des
Ausdruckes bedient: ambo uxores quas habuerant repudiare
compulsi.
Abhandlungen aus dem Gebiete der alten Geschichte. VII.
525
Dass Maximian (Herculius) sieh selbst entleibte, nicht
aber in Tarsus starb, wo Maximin endete, ist ein Fehler des
Zosimos, den schon die Oxforder Ausgabe des Zosimos rügte.
Reitemeier aber hat das Verdienst, in die verworrenen Angaben
chronologische Ordnung gebracht zu haben. Er untersucht
genau die Angaben des Zosimos über die Bekehrung Con
stantins und ob ihm die von heidnischen Priestern begehrte
Sühne verweigert worden, die Verweigerung ihn erst in den
Schooss des Christenthums getrieben. So sehr aber hier Reite
meier sich bemüht, Zosimos nicht fallen zu lassen, kann er
doch nicht anders als zuzugestehen, dass es seiner Darstellung
an Genauigkeit gebreche. Aber auch dem Tadel, welchen
Zosimos über Constantins Steuerwesen in so reichem Maasse
ausspricht, sah sich Reitemeier gezwungen entgegenzutreten,
wenn er auch bei der Wahl von Byzantion als Hauptstadt dem
vermeintlichen Hasse der Römer gegen Constantin viel zu viel
einräumt. Man gewinnt im Ganzen aus der Untersuchung
Reitemeiers in Betreff Constantins die Anschauung, welche
schon in Bezug auf die vorconstantinische Periode gilt, dass
man es mit einem Schriftsteller zu thun habe, dessen Berichte
sorgsamer Prüfung zu unterziehen sind, ehe sie angenommen
werden können, und zwar gilt dieses Resultat dem Zosimos als
solchen, gänzlich unabhängig von seinem Glaubensbekennt
nisse und seiner zur Schau getragenen Abneigung gegen alles
Christliche.
Ehe wir jedoch diejenigen Punkte hervorheben, die unserer
Meinung nach eine besondere Besprechung verdienen, sei in
Betreff des leitenden Gedankens des Autors bemerkt, dass als
erster Grund des Ruins die Umänderung der Republik in eine
Monarchie bezeichnet wird; der zweite bestand in den Neue
rungen Kaiser Constantins I., sowohl in Betreff der militäri
schen als der politischen Ordnung der Dinge und vor Allem in
der Annahme des Christenthums; der dritte endlich, in den
Verfügungen des Theodosius, sowohl in Betreff des Christen
thums als der Aufnahme von Barbaren in das römische Heer.
Montesquieu hat bekanntlich noch einige tiefere Ursachen aus
findig gemacht und Gibbon darüber ein Werk von universal
historischem Werthe verfasst. Aber ganz abgesehen von diesen
späteren Werken, lernt man den successiven Verfall des
526
Hofier.
römischen Reiches, seitdem dasselbe die Domäne eines Einzigen
geworden, — worin Zosimos die Ursache des unaufhaltsamen
Ruines erblickt, während doch unzweifelhaft die Monarchie
durch Beendigung der grossen republikanischen Bürgerkriege
den Bestand des Staates rettete und dem Reiche seine grosse
Ausdehnung im Norden, Osten, wie im Süden gab, —• die
Stadien des Verfalles und der Wiederaufrichtung desselben,
selbst aus Sextus Aurelius Victor de Caesaribus besser kennen,
als aus dem ersten Buche des Zosimos.
Gerade die Theilung der Gewalten, die Aufrichtung
eines doppelten Imperiums, eines zweifachen Cäsarenthums,
einer römischen Tetrarchie, wie sie Valerius Diocletianus zur
Erhaltung des sinkenden Reiches durchführte, ergab sich sehr
bald als eine ihrem Zwecke nicht entsprechende Maassregel.
Vielleicht wäre es besser geworden, wenn Diocletian, welcher
noch die Einheit des Kaiserthums repräsentirte, sich den
Mühen der Oberleitung des Ganzen nicht selbst freiwillig ent
zogen hätte. Die neue Institution sollte aber ihre Probe dadurch
bestehen, dass ihre Durchführung der jüngeren Generation, den
Cäsaren Galerius und F. Constantius anvertraut wurde, die
beiden irdischen Götter Jovius und Herculius (Valerius Diocle
tianus und Maximianus), der erstere seiner Neigung entsprechend,
der andere gegen seine Neigung die Leitung irdischer Ange
legenheiten den diis minorum gentium überliessen. Da brachte
der frühe Tod des Kaisers Constantius eine unerwartete Kata
strophe hervor, nicht blos indem der tüchtigste Imperator in
das Grab sank, sondern auch die Frage entstand, ob der Schwer
punkt der Macht dem Occidente oder dem Oriente zukommen
werde. Jetzt gelang es Constantin, dem kühnen thatkräftigen
Sohne des Constantius, die Anerkennung des weströmischen
(keltorümischen) Theiles des Reiches durch die Legionen seines
Vaters und den Alemannenkönig Crocus 1 zu gewinnen, worauf
ihm die von Seiten der übrigen Auguste nicht ausbleiben
1 Sext. Aur. Victor, epitome c. 41.
Abhandlungen aus dem Gebiete der alten Geschichte. VII.
527
konnte. Während aber der andere Theil des Reiches unter
Galerius/ Severus, Maximinus, Maxentius der Vielherrschaft ver
fiel, bleiben Gallien, Britannien, Hispanien, die germanischen
Provinzen, nicht blos unter Constantin geeinigt, sondern dieser
erlangte nun auch durch Beseitigung des Maxentius Italien und
Afrika und als dann das Reich nach dem Tode des Diocletian,
des Maximian, des Maximinus, des Severus, des Maxentius der
Zweiherrschaft des Constantin und des Licinnius zufiel, war
denn doch in Betreff der Grundlage ihrer Macht eine grosse
Verschiedenheit zu gewahren. Ob Constantins Mutter von vor
nehmer Geburt war oder nicht, und Zosimos legt auf das letztere
einen grossen Nachdruck, er war denn doch ein Kaisersohn,
was Licinnius nicht war, und wurzelte so seinem Geschlechte
nach im Occidente. Hier ruhte auch die Kraft der römischen
Legionen, welche sich im Kampfe mit der Uebermacht des
Maxentius wohl bewährt hatte. 90.000 Mann — Barbaren,
Germanen, Kelten, Britannen mit 8000 Reitern standen in der
Schlacht an den rothen Felsen vor Rom den 170.000 Römern,
Tuskern, Sicilianern und Karthagern (Afrikanern), verstärkt
durch 18.000 Reiter, gegenüber und dennoch hatte Constantin
gesiegt. Die weströmischen Legionen hatten in gewaltiger
Schlacht die südrömischen überwunden. Gerade bei den be
deutenden Zahlenangaben und dem numerischen Uebergewiehte
des feindlichen Heeres bleibt aber der Sieg des Constantin bei
den rothen Felsen (grotta rossa), neun Miglien nördlich von Rom,
eine fast unerklärliche Thatsache. Freilich erscheint das Räthsel
sehr leicht gelöst, wenn man zu der gewöhnlichen Art der
Lösung seine Zuflucht nimmt. Maxentius hat an der Schiff
brücke einen Durchlass angebracht, 2 der als Fallthüre dienen
konnte und alles so schlau berechnet, dass die Vertheidigung
Roms gegen Constantin nicht sowohl auf den 18.000 Reitern und
170.000 Fusssoldaten beruhte, als vielmehr darauf, dass diese
188.000 den feindlichen Imperator gerade auf diese Fallthüre
hintrieben und er somit ertrinken musste. Das ist wirklich so
schlau erdacht, dass es eine welthistorische Bewunderung er-
1 Maximianus, Armentarius. Sext. Aur. Victor de Caesar.
2 Zos. III, c. 15.
528
Hofier.
regt und Maxentius, der geistreiche Erfinder dieses Stratagems,
das Vorbild aller Strategen, Hannibal, dadurch weit hinter sieh
zurückliess! Wie hat man sich denn nun die Constantinsschlacht
zu denken ? Das römische Heer aus der Stadt über die Tiber zu
führen und dann den auf der Via Flaminia vorrückenden Con-
stantin mit seinen abgehärteten kelto-germanischen Legionen
so anzugreifen, dass die Armee des Maxentius die Tiber im
Rücken hatte, wenn die Schlacht verloren war, in den Fluss
geworfen wurde, wäre eine so kolossale Thorheit gewesen, dass
sie dem Maxentius nicht zugetraut werden kann und gerade
der Umstand, dass er oberhalb Ponte molle eine neue Brücke
baute, beweist, dass er sehr wohl daran dachte, die Angriffs
punkte wie die Rückzugslinien zu vermehren. Seinerseits hatte
sich Constantin, als er Italien zu erobern versuchte, im Norden
aufgehalten und dort zuerst sich festgesetzt, Verona wie Aqui-
leja erobert, Mutina genommen und erst, nachdem er so seine
Verbindung mit Gallien gesichert, die Rückzugslinie gedeckt,
rückte er gegen Rom vor. Hier aber bot ihm Maxentius keine
Schlacht an, sondern hielt er das Heer theils in theils ausser
Rom zusammen und wollte Constantin den Uebergang über
die Tiber im Angesichte der (von Aurelianus) befestigten Stadt
forciren, liess er sich durch die Schiffbrücke zu einer kühnen
That verleiten, so war das Misslingen des Angriffes — mit oder
ohne die Fallbrücke ziemlich sicher. Anders wurde es, als
Maxentius am 28. October kühn zum Angriffe überging und
zwar mit solchem Ungestüme, dass es auf dem rechten Tiber
ufer zum hartnäckigen Treffen kam. Dieses aber kann man
sich kaum anders vorstellen, als dass Maxentius, nachdem er
sein Heer auf das rechte Tiberufer geführt, seine Gegner —
in ähnlicher Art wie Napoleon die Oesterreicher bei Wagram —
zu überflügeln, von ihrer Rückzugslinie abzudrängen und in
den Fluss zu werfen suchte. Dazu konnte ihm die Ueberzahl
seiner Reiterei vortreffliche Dienste leisten. Man hat den
Kampf in das Gebiet der Wunder verlegt und die unmittel
bare Einwirkung höherer Kräfte zu seiner Erklärung zu Hülfe
gerufen. Constantin habe in Folge eines Traumgesichtes seinen
Soldaten befohlen, das Monogramm Christi auf Schild und Helm
zu setzen, Maxentius sich aber nach den Aussprüchen der sibylli-
nischen Bücher gerichtet. Da letzterer den Römern verhasst
Abhandlungen ans dem Gebiete der alten Geschichte. VII.
529
war und sein Leben verlor, musste er in allen Dingen Unrecht
haben, auch ein schlechter Feldherr sein, während er kurz
zuvor den Alexander in Afrika besiegt hatte, welcher sich dort
zum Kaiser aufgeworfen hatte. Die Karthager des Zosimos,
welche Maxentius im Kampfe mit Constantin verwandte, sind
offenbar jene Soldaten, die er nach Besiegung seines Gegners
aus Afrika nach Italien herüberführte. Auch die Vorsicht,
mit der Constantin operirt, beweist, dass er seinen Gegner gar
nicht verachtet. Maxentius erwartete ihn vor Rom und wer
sich die Mühe nimmt, etwas weniger an die Schiffbrücke zu
denken und etwas mehr an die Stellung Constantins auf dem
rechten Tiberufer im Angesichte der von seinem Gegner be
setzten Stadt und eines ihm überlegenen Heeres wird sagen
müssen, dass es einer ganz ausserordentlichen Disciplin, Tapfer
keit und Leitung bedurfte, um den Sieg zu erringen. Einer
von beiden Kaisern musste in die Tiber geworfen werden und
da traf es denn statt des Constantin den Maxentius. Uebrigens
hat die epitome des Sextus Aurelius Victor wohl den Schlüssel
zu seiner Todesart: Maxentius dum adversus Constantinum con-
greditur paullo superius a ponte Milvio in pontem navigiis
compositum a latere ingredi festinans — gerade dass die Schiff
brücke oberhalb der Ponte molle gebaut war und der Angriff
von dieser Seite erfolgte, beweist, dass es sich um eine Um
gehung Constantins handelte und zwar auf seinem linken Flügel
— lapsu equi in profundum demersus est voratumque limo
pondere thoracis corpus vix repertum. Er starb in ähnlicher
Weise wie König Ludwig II. bei Mohacs, nicht in seiner
eigenen Falle gefangen, sondern nach einer kühn angelegten
Schlacht, die den Sieg zu verbürgen schien, durch den Sturz
seines Pferdes. Sein Tod öffnete dem Sieger Roms Thore und
entschied das Geschick des Abendlandes. Es ist hierin etwas
weniger Wunder, aber mehr Wahrheit. Das erstere behagte
den christlichen Schriftstellern mehr; die Wahrheit hätte Con
stantins Verdienst auf den Schäffel gestellt und behagte wieder
dem Comes und Exadvocaten des Fiscus nicht — das Richtige
dürfte aber denn doch in dieser Auseinandersetzung liegen.
Licinnius war durch die Vermählung mit der Constantia
Constantins Schwager geworden; jeder der beiden Schwäger
erhob einen seiner Söhne zum Range eines Cäsaren. Als
530
Höfler.
Crispus, der Sohn Constantins und der Minervina 1 Cäsar
wurde, 2 war es schon in der dritten Generation des flavischen
Hauses, dass diese Würde demselben zukam. Als die beiden
Kaiser des westlichen und östlichen Theiles des Reiches sich
entzweiten, siegten die germanisch-keltischen Legionen auch
über die oströmischen, erst bei Kibalis und Sirmion, dann am
Hebros, am Bosporos, bei Chalkedon und Nikomedien. Licinnius
ernannte ausser seinem Sohne Licinnianus, ja noch vor diesem
den Valens 3 zum Cäsar. Ihn bezeichnet Zosimos als die
Ursache der Uebelstände, die über Licinnius sich ergossen. Er
wurde, als die beiden Schwäger sich wieder zeitweilig ver
söhnten, gewaltsam beseitiget, als es aufs neue zum Kampfe
kam, durch Martinianus ersetzt, den Licinnius von einem
magister officiorum zum Cäsar erhob. Dieser wurde in den
Sturz des Licinnius verwickelt und als letzterer vor Nikomedia
dem Constantinus den Purpur und sich selbst übergab, auf
Befehl des Siegers hingerichtet. Constantin vermied, Cäsaren
ausserhalb seiner Familie zu ernennen und selbst als er seinen
Sohn Crispus wegen des Verdachtes, dass er es mit seiner
Stiefmutter, der Kaisertochter Fausta halte, tödten liess, war
der Thron dem im Purpur geborenen Geschlechte gesichert,
eine ächte Kaiserdynastie vorhanden, wenn auch diese, wie
Zosimos die Sache darstellt, Fausta nicht zur Ahnfrau hatte. 4
Das Gefühl unter einer Kaiserdynastie zu stehen, war so leb
haft, dass nach dem Tode des grossen Kaisers die Soldaten,
welche das ehemalige römische Volk repräsentirten, den Cäsar
Dalmatius, den Constantius, Bruder des Kaisers, den Anni-
balianus, alle aus dem Geschlechte des Constantius Chloros
tödteten, indem sie keine anderen Herrscher wollten als die
Söhne Constantins.
Nun kann man sich kaum etwas Schaleres und Oberfläch
licheres vorstellen, als die Schilderung Constantins durch
1 Ex iraXXaxfj; xutm ysyo'/dra wie Zosimos hervorhebt. Ex Minervina con-
cubina susceptum. Sext. Aur. Victor epit. c. 41.
2 Nach Sext. Aur. Victor de Caesaribus c. 41 auch Constantinus (II).
3 OuaX7]s.
J oux emo <l>aüorr]; rrf; tou 'EpxouXiou Mabfuavoü 9'jyarpo's. II, 39. So wenig
war Zosimos mit den Familienverhältnissen der Flavier bekannt.
AbhancUnngen aus dem Gebiete der alten Geßchichte. YII. 531
Zosimos. Wüssten wir von dem Begründer Constantinopels,
von dem Kaiser, der dem Reiche die Einheit wieder gab und
die Fehler des diocletianischen Staatsorganismus wesentlich
verbesserte, nur, was uns Zosimos von ihm mittheilte, so hätten
wir es mit einem treulosen Fürsten zu thun, der durch den
Einfluss von Weibern bewogen, auf die ein Spanier Namens
Aigyptios einzuwirken verstand, in Rom gegen den alten Götter
glauben auftrat, vor den Flüchen der Römer eine andere Haupt
stadt suchte, diese in Byzanz fand, das er mit grossen Theils
unsinnigen Bauten erfüllte; der das Reich ruinirte, 1 als er die
verderbliche Neuerung der vier grossen Präfecturen begründete,
die Civilgewalt von der militärischen trennte, dem Heere eine
andere Eintheilung gab, die Soldaten von den Grenzen nach
den Städten verlegte und ein Steuersystem einführte, so dass,
wie Zosimos versichert, die meisten Städte unbewohnt wurden. 2
Er muss wider seinen Willen zugeben, dass die Reichsgewalt
durch Schöpfung des Patricius, des Nobilissimus vermehrt
wurde; dass die stärkere Betonung der Reichseinheit eine un
bedingte Nothwendigkeit war, dass eine Rückkehr zu der
Reichstheilung unter Diocletian das grösste Uebel in sich
schloss, ist aber Zosimos, der in der Monarchie des Augustus
den ersten Grund des Verfalles des römischen Reiches erblickte,
so wenig klar geworden, als dass die Frage über die recht
liche Stellung der Christen im römischen Reiche nach den
wilden Scenen unter Diocletian und Galerius, noch einer anderen
Lösung harrte, als durch die brutale Verfolgung, von der Zo
simos so wenig weiss, als von den Massregeln Julians gegen
die Christen, die Ammianus tadelt. Die Darstellung jenes Actes
von unermesslicher Bedeutung, der Wahl einer neuen Haupt
stadt, die seitdem eine der grossen Weltenringe wurde, ist
nur in so ferne in das Geschichtbuch aufgenommen, als sie
Anlass zu weiterem Tadel gewährte. Selbst jedem Aberglauben
huldigend und von der Ueberzeugung durchdrungen, dass die
Preisgebung der alten Ceremonien und des alten römischen
Götterglaubens den Untergang des Reiches unaufhaltsam her-
1 xa xaXw? xaOscTTw-a xtviuv.
2 6 P*)|*oi Ttov otxouvTtov at reXetarai (tcoXek;) yEyovadtv. Doch gewiss eine kolossale
Uebertreibung.
Sitzungsbpr. d. phil.-hist. CI. XCV. Bd. II. Hft.
35
532
Höfler.
beiführte, fehlt ihm für die neue Zeit, die sich im IV. Jahr
hunderte der christlichen Zeitrechnung für die römische Welt
aufthat, jeder Sinn und jedes Verständniss. Aber auch dafür,
dass ein neuer politischer Antagonismus sich damals austrug,
die Frage ob der Orient, ob der Occident siegreich aus der
Messung der Kräfte hervorgehen werde, unter welcher Form
die Einheit des Reiches durchgesetzt werden könne, ob auch
nur unter der Einheit der Dynastie und welche Gestaltung das
Reich dann annehme, wenn das Einheitsprincip aufgegeben
werden müsste, ist ihm nicht klar geworden. Er ist ein Doctrinär
des V. Jahrhundertes, dem es an wahrem politischen Verständ
nisse gebricht.
In dem Augenblicke, als die drei Söhne des grossen
Kaisers das dreifache Imperium durch Bürgerkrieg und Bruder
blut zu vereinfachen sich bemühen, macht sich doch mit aller
Gewalt die Frage geltend, was, wenn die Einheit der Dynastie
von denen selbst aufgegeben werde, die sie vor Allem zu be
wahren hatten, das Schicksal des Reiches werden müsste?
Kaum war Constantin II. im Streite mit dem jüngsten Bruder
Constans gefallen, so tritt in Gallien Magnentius, in Pannonien
Vetranio als Gegenkaiser auf; es rührt sich, als Constans durch
Magnentius erschlagen wurde, im Schoosse der flavischen Neben
linien. Nepotianus, 1 Sohn einer Schwester Kaiser Constantins I.,
sucht sich in Altrom ein Kaiserthum zu erwerben und so ent
steht der Kampf um die Legitimität, in welchem, nachdem
Magnentius bereits den Nepotianus beseitigt, die Legionen des
Constantius erklären, die Auswüchse des Kaiserthums beseitigen
zu müssen. 2 Sie zwingen Vetranio zur Abdankung, Constantius
aber muss sich denn doch bereits auf die noch übrige flavische
Nebenlinie stützen, erhebt den Sohn eines Bruders Kaiser Con
stantins I. und Bruder Julians, Gallus, zum Cäsar und gibt
ihm seine Schwester Constantia, Kaiser Constantins Tochter,
zur Gemahlin, Magnentius aber macht jetzt den Decentius,
seinen Verwandten zum Cäsar und der Kampf zwischen Occident
und Orient entbrennt aufs Neue an der Grenze von Noricum
1 Potentianus materna stirpe Flavio propintpius. Sext. Aur. Victor de Caesar,
c. 42.
2 ia x(ßo7]Xa 1% ßaac)*£(a; izxocQodpsaÖai.
Abhandlungen ans dom Gebiete der alten Geschichte. VII.
533
und Pannonien, an der Drau und Sau, wo sich die Legionen
des Constantin und des Licinnius gemessen. Nur mit äusserster
Mühe vermag sich der flavische Kaiser, der jetzt die römischen
Legionen gegen die barbarischen des Magnentius führte, der,
selbst gallischen (keltischen) Ursprungs, Sieg und Heer verlor,
sich selbst das Leben nahm, zu erhalten. Decentius wurde
erschlagen und so nicht blos die Einheit des Reichs wieder
aufgerichtet, sondern auch dem keltischen Bestandtheile des
Reiches eine tödtliche Wunde bereitet, der sich die Germanen
nur freuen konnten. Als aber nun der Cäsar Gallus die jüngere
Linie des flavischen Hauses auf Kosten der älteren zur Herr
schaft zu erheben suchte, kostete dieses auch ihm das Leben;
an seine Stelle berief Constantius den Julian, dessen Jugend
mit den blutigen Scenen erfüllt war, die seinem Vater, seinen
nächsten Verwandten, das Leben gekostet und der seinen
Wohlthäter, den Kaiser, als Mörder seines Bruders bezeichnete.
Ihm gab Constantius das von den Germanen gestürmte Gallien,
den der flavischen Monarchie neuerdings eingereihten Westen
zur Verwaltung. Bald rächte Julian durch seine Empörung
gegen Constantius den blutigen Untergang der Nebenlinien. Der
letzte Kaiser aus dem Geschlechte Constantins starb auf dem
Zuge gegen den meuterischen Julian, dieser selbst, ohne das
Haus des Constantius Chlorus fortführen zu können, auf dem
unglücklichen Zuge gegen die Perser, der sechste und letzte
Kaiser der flavischen Dynastie, der ersten im römischen
Reiche, die sich bis in die vierte Generation fortzu
setzen vermochte und doch nicht viel mehr als ein halbes
Jahrhundert regierte.
Das dritte Buch entspricht seinem Inhalte nach am
meisten dem Genius des Autors, der in diesem den Helden
des Hellenismus, Julian, seine Siege in Gallien, seine Em
pörung gegen Constantius, die Vorbereitungen zum Perser
kriege, dessen glücklichen Beginn und unglücklichen Ausgang
beschreibt. Hier tritt Zosimos selbst in so ferne polemisch
auf, als er den Leser auf die vielfach verbreiteten Reden und
Briefe Julians 1 verweist, und erklärt, er wolle vor allem mit
theilen, was von Andern ausgelassen worden war.
’ xai jiaXiara ooa toT? aXXoi; jtapaXeXeKpSai 8oz:T.
35*
534
Hofier.
Es beweist nicht gerade vielen historischen Sinn, wenn
er den grossen Sieg Julians bei Argentoratum über die Ale
mannen mit dem Siege Alexanders über Dareios vergleicht,
der den Umsturz eines Weltreiches zur Folge hatte. Es fehlt
selbst alle Möglichkeit uns klar zu machen, was aus 60.000
Alemannenleichen w r urde, die abgesehen von den Massen, welche
der Rhein verschlang, den römischen Schwertern erlegen waren,
und da die Römer denn doch wohl keinen unblutigen Sieg er
rangen, so muss man sich wohl das Schlachtfeld als einen Pest
acker ohne Gleichen vorstellen! Von grösserer Wichtigkeit als
die Erörterung dieser Frage, erscheint aber der Plan Julians, die
Bezwingung der ganzen germanischen Welt zu versuchen. 1 Die
Alemannen waren freilich nicht vernichtet und sahen sich bis
zu ihrer Niederlage unter Clovis als die berufenen Bezwinger
Galliens an. Sie waren aber jedenfalls empfindlich geschwächt.
Dafür stürmten bereits die Sachsen gegen Gallien und hätten
damals die Franken, statt sich an die Römer anzuschliessen,
gemeinsame Sache mit diesem ,muthvollsten und tapfersten
germanischen Volhe‘ gemacht, die Dinge hätten für Gallien
eine schlimme Wendung genommen. Als nun Julian den Rhein
überschritt und bis an den herkynischen Wald vordrang, hatte
er die Zukunft Deutschlands in seinen Händen. Die germa
nische Völkerwanderung bestand doch aus zwei sehr getrennten
Theilen, einem östlichen und einem westlichen, einem Vorstosse
an der untern Donau und einem Vorstosse an dem Rheine.
Verfolgte der Cäsar die Unternehmung gegen den ersteren
Theil, so war es möglich, die schon bis zum Aeussersten ge
brachten Westgermanen zu bewältigen, ehe die gothischen
Völker vor den Hunnen Wohnplätze auf dem rechten Donau
ufer suchten und die grossen Gothenkämpfe des IV. und
V. Jahrbundertes begannen. Dann musste aber der Eine Ge
danke mit aller Consequenz aufgenommen und zu Ende geführt
werden und war der westliche Flügel der germanischen Völker
stellung bewältigt, dann gelang es wohl, den östlichen zwischen
Römer und Hunnen zu erdrücken, mindesten die Gothen zu
romanisiren. Das wurde nun freilich anders, als ,in der kleinen
Stadt Germaniens', 2 in Paris, das Rciterbanquet stattfand, die
1 £71* tov zata tou rspfj-avizou toxvto$ zapeaxEua^STO 7CoAe(J.ov.
2 ev Tip ITapicriip, pEpp-avia; 8^ aOTT] xoX(yvY).
Abhandlungen ans dem Gebiete der alten Geschichte. VII.
535
Tribunen anonyme Schriften unter den zum Abzüge bestimmten
Truppen verbreiteten und diese nun so gegen den Kaiser,
welcher dem Cäsar die siegreichen Truppen stehlen wolle, auf
gebracht wurden, dass sie mit den Bechern in der Hand
Julians Hauptquartier stürmten, ihn zum Imperator ausriefen
und Julian nun, wenn gleich ungerne geschehen Hess, 1 was er
nicht — ändern — wollte. Er hielt es für besser den Göttern
als den Worten des Constantius sich und sein Leben anzuver
trauen. Aber erst ein Traumgesicht in Vienna, das ihm den
raschen Tod des Constantius verhiess, brachte ihm völlige Be
ruhigung und als er dann an der Spitze des meuterischen
Heeres nach Naissos gekommen war und ihm seine Wahrsager
riethen, den raschen Zug nicht fortzusetzen, sondern hier zu
verweilen, auch wirklich hier die Nachricht eintraf, Constantius
sei unterwegs gestorben, musste er in der Meinung, von den
Göttern als Werkzeug grosser Dinge berufen zu sein, nicht
wenig bestärkt werden. 2 Dem Forscher bleibt es aber unbe
nommen, die avwvup.a ypdixp.a'ca von Paris, die für das Banquet
vorbereiteten Pamphlete, den Traum von Vienna, das plötz
liche Verweilen in Naissos und den unvermutheten Tod des
Constantius, der des Julian Bruder, Gallus, hatte tödten lassen,
in einem sehr menschlichen Zusammenhänge sich zu denken.
Julian nahm jetzt an, was ihm die Götter gewährten, 3
und zog nun nach Byzantion, Constantinopel zu sagen, kann
sich nämlich Zosimos nur sehr ungern entschliessen, — wo denn
auch der letzte Flavier in seiner Geburtsstätte enthusiastisch
aufgenommen wurde. Die Empörung war in unblutiger Weise
zum Ziele gekommen. Zosimos begnügt sich mit wenigen Worten
zu melden, dass durch den Tod des Constantius, Julian von
dem Heere zur Herrschaft über das Ganze berufen worden sei.
Seine Wahrsager werden wohl Näheres darüber gewusst haben.
Erkennt man den Meister des Stiles in dem, was der Autor
verschweigt, so muss Zosimos gerade im dritten Buche als
Meister angesehen werden. Wer es nicht aus Ammianus Mar
cellinus und aus den Kirchenschriftstellern jener Tage erfuhr,
1 Stiotmay etwv sei tö yeyovott.
2 w; [iEylattov toTs etvOpwjuns a’tnov EaöjiEVov sxyaöwv.
3 Oc^ajj.£vos ok to -xpx tou Osiou (ein Lieblingsausdruck des Zosimos) oE6u>pr)p.svov.
536
Hofier.
welche Bedeutung es für das römische Reich hatte, dass nicht
ein Arianer wie Constantius, [überhaupt kein Christ, sondern
ein vom Christenthume zum Hellenismus abgefallener Kaiser
(ßaciXeu?) geworden war, aus den Nachrichten über den Hafen
bau von Byzanz, der Gewährung eines eigenen Senates wie in
der Stadt Rom, des Baues einer Bibliothek, den Streitigkeiten
mit den Einwohnern von Antiochien, gegen welche der Kaiser
eine Schrift verfasste, .,die in der ganzen Welt die Antiocheer
brandmarkte', erfährt man es nicht. Zosimos theilt nun mit
grosser Umständlichkeit die Vorbereitungen zum Perserkriege
mit, dessen Gelingen auf der gehörigen Unterstützung des an
und über den Tigris Vordringen Heeres durch die zahlreiche
Flotte (mehr als 1100 Schiffe) beruhte und das Julian selbst
nach einem glänzend unternommenen Vorstosse in Frage stellte,
als er die Flotte zu verbrennen befahl und nun das Heer keine
Zufuhr, die Menschen so wenig als die jetzt erst so noth-
wendige Cavallerie und die zahlreichen Lastthiere Lebensmittel
erlangten. Jetzt half auch die grösste persönliche Tapferkeit
nicht mehr. Zosimos selbst muss zugestehen, dass das Heer
in Tummara angelangt die unglückselige Massregel beklagte.
Als nun Julian der Muthlosigkeit seiner Soldaten zu steuern,
selbst am feindlichen Handgemenge sich betheiligte, erhielt er
den Schwertstreich, 1 der ihn niederstreckte. Er wurde auf
seinem Schilde in das Zelt getragen, wo er bis gegen Mitter
nacht lebte, nachdem er die Herrschaft der Perser kurz vorher
bis an den Rand des Verderbens gebracht.
Abgesehen, dass die Darstellung seiner Verwundung mit
den von anderer Seite auf uns gelangten Nachrichten im Zwie
spalte steht, erfahren wir von Zosimos über Julian nicht mehr.
Nichts über seinen Charakter, den uns Marcellinus so anschau
lich beschreibt, nichts über seine Schriften, nichts über sein
Verfahren gegen die Christen, noch über seine weiteren Pläne.
Es ist nur der Krieger, der Soldat, den er uns vorführt, der
römische Alexandros, die einzige Lichtgestalt des flavischen
1 j^TTEta 1 . ?(ip£i Tcap’ au-crjv 1% fra;(r]S xrjv %ltf05 ist doch das römische
Schwert. Wollte Zosimos dadurch anzeigen, dass Julian nicht von Persern
verwundet worden war? Im persischen Heere war man der Meinung’,
die Römer hätten ihren Kaiser erschlagen.
Abhandlungen aus dem Gebiete der alten Geschichte. VII.
537
Kaiserhauses, das doch mit einem Fürsten endet, welcher mit
allen Traditionen seines Geschlechtes brach und das römische
Reich in der grössten inneren Erschütterung, nach Aussen
geschwächt, ja in einem so erbärmlichen Zustande zurückliess,
dass sich das nunmehr entschiedene Uebergewicht der Perser
über die Römer von dem heillosen Frieden datirt, der zur
Rettung des römischen Heeres, der Sicherung seines Rückzuges
abgeschlossen werden musste. Der Antagonismus zwischen dem
römischen und dem persischen Weltreiche trat jetzt stärker
als früher hervor; der zwischen der germanischen und der
römischen Welt begann jetzt erst recht fühlbar zu werden;
Hellenismus und Christenthum waren in einen Vernichtungs
kampf getreten und von einer Versöhnung, einem Nebenein
anderbestehen dieser beiden welthistorischen Gegensätze von
nun an gleichfalls keine Rede, Roms Waffenehre verloren und
ein dreissigjähriger Friede gegen bleibende Opfer, Nisibis und
fünfzehn Burgen erkauft. Es war kein Grund vorhanden, die
Regierung Julians als besonders segensreich zu betrachten; die
Monarchie Kaiser Constantins schien unter dem letzten Flavier
nur wiederhergestellt worden zu sein, um allen Elementen der
Auflösung Vorschub zu leisten.
Das Bild Constantins hat Zosimos absichtlich verfehlt,
das Julians nur nach der einen Seite aufgefasst. Es gehörte
zum Ganzen, dass, als Jovianus, des Varronianus Sohn, Kaiser
geworden, die Bataver in Sirmium den Lucillianus, seinen
Schwiegervater und Verwandten des Julian tödteten, den Procopius
seine Verwandtschaft mit Julian rettete, Valentinianus, der mit
den beiden andern das pannonische Heer übernehmen sollte,
nur durch die Flucht sein Leben rettete, dieser, ein Pannonier
aus Kibalis, nachdem Jovianus im bithynischen Dadastana auf
dem traurigen Rückzuge gestorben war und Sallustius, prae-
fectus praetorio, die hohe Würde nicht annehmen wollte, ab
wesend zum Kaiser ausgerufen wurde. Valentinianus wurde der
Begründer der zweiten (pannonisclien) Dynastie, die zwischen
der flavischen und der ‘spanischen (des Theodosius) die
Mitte hält.
Die Parteien standen einander so schroff gegenüber, dass
Valentinianus nach seiner Erhebung erkrankt, besorgte, von
Julians Freunden vergiftet worden zu sein und von
538
H öfler.
Nicäa nach Constantinopel eilend, dort seinen Bruder Vales
(Valens) zum Mitkaiser 1 ernannte, schon aus dem Grunde,
dass, wenn er selbst sterbe, das Reich nicht aufs Neue dem
Schicksale verfalle, das dasselbe durch Julians Tod betroffen.
Wider seinen Willen muss Zosimos zugeben, dass das Reich
durch Julian in die entsetzlichste Katastrophe gerieth, die durch
seine Zukunftserforscher nicht vorausgesehen, durch seine
Götter nicht abgehalten wurde, und während Zosimos stets
bereit ist, die Schuld des Verfalles des Reiches dem neuen
Glauben zuzuwenden, tritt gerade aus seiner Erzählung am
klarsten hervor, dass derjenige, welcher sein und seines Reiches
Heil den alten Göttern anvertraut, das letztere am meisten ge
fährdete, wenn es auch der Geschichtschreiber nicht gesteht!
Dazu gesellt sich die zweite Thatsache. Auch die Einheit des
Reiches musste aufgegeben werden. Wohl erlangt das Reich
die Einheit einer Dynastie, aber die Monarchie im strictesten
Sinne des Wortes hört auf, aus der Gemeinschaft der Regie
rung entsteht eine förmliche Zweitheilung und zwar in der Art,
dass Valentinian sich selbst den Westen, den lateinischen Theil
reservirt, dieser also den Vorrang über den Osten behauptet,
den er auch erst bei der Theilung der dritten Dynastie, der
Reichstheilung des Theodosius, verliert. Zugleich begann die
Reaction gegen die politisch-religiösen Grundsätze Julians und
der hellenistischen Partei. Ihr ganzes Erscheinen war ein
Anachronismus gewesen. Der Staat hatte sie gehoben, der
Staat sagte sich von ihr wieder los; nur auf dem Wege von
Aufständen konnte sie noch hoffen, aufs Neue in den Besitz
der Macht zu kommen. Zosimos weiss nicht, warum Julian
seinem Verwandten Procopius gestattete, das kaiserliche Gewand
zu tragen. Procopius scheint es sehr wohl gewusst zu haben,
als er erst dem Jovianus sich unterwarf, dann aber einen
Aufstand unternahm und sich hiebei ganz besonders auf die
Barbaren über der Donau 2 stützte, somit die Gothen gegen
das Reich aufwühlte. Hiebei verlor aber nicht blos Procopius
sein Leben, sondern auch Marcellus, dem Procopius ein Kaiser
gewand geschenkt hatte und beginnt nun von dieser Zeit an
1 xoivcovov iffe &pyj\q.
2 ot UTw'sp "OV ’laxpov Sxuöof.
Abhandlungen aus dem Gebiete der alten Geschichte. VII.
539
die fast ununterbrochene Reihe von Aufständen, 1 die blutig und
mitleidlos unterdrückt werden, und durch das Hereinziehen der
Barbaren in die inneren Streitigkeiten der Römer der unauf
haltsame Verfall des Reiches, der mit Julians Politik im Causal-
zusammenhange steht. Julian hatte wohl die Westgermanen
überwältigt, aber durch seinen Aufstand gegen Constantius ihre
völlige Unterwerfung hinausgeschoben. Sein Tod und die
schimpfliche Wendung des Kriegszuges brachten ganz Ger
manien- in Aufruhr und der Krieg zwischen Römern und
Deutschen war somit, ehe der Hunnenstoss erfolgte, im Westen
wie im Osten wilder und gefährlicher als je vorher. Das
Mittel aber, dessen sich Valentinianus bediente, Germanen
massenhaft in das römische Heer zu ziehen und dadurch die
Verteidigung des Reiches den Germanen selbst zu übertragen,
mochte wohl für den Augenblick gut thun, brachte aber zuletzt
das Reich in die Hände germanischer Heerführer und ihrer
Landsleute, die dann im V. Jahrhunderte über dasselbe ver
fügten, so dass die Namen Rufin, Stelicho, Alarich, Ataulf,
Ricimer, Gundobald, Odoaker die der römischen Kaiser in den
Hintergrund drängen, endlich das Kaiserthum beseitigen und
die Austeilung des Westen unter deutschen Heerkönigen vor
bereiten. Nach Zosimos aber muss Theodosios an allem Schuld
sein, während doch die eigentliche Katastrophe des Reiches
mit dem Perserkriege eintritt, der den Verlust der wichtigen
Grenzprovinzen im Osten veranlasste, ehe im Westen Pro
vinzen in die Hände der Barbaren gefallen waren. Im Osten
glaubte man selbst zu einem gar nicht unrühmlichen Vergleiche
gekommen zu sein, als der Ister zur Grenzlinie zwischen den
Skythen des Zosimos, den Gothen und den Römern umge
wandelt wurde. Im Innern wurde die Reaction jetzt auch
gegen die Philosophen, 3 die Genossen julianischer Studien, aus
gedehnt; sie erschienen nicht minder staatsgefährlich als die
Wahrsager, die Leichtgläubige durch ihre Vorspiegelungen zum
Aufruhr verleiteten. — Man begegnet, wohin man sich im
1 Schon unter Valentinianus I. erfolgte in Britannien der Aufstand eines
andern Valentinianus. Zos. IV. daun im Oriente der des Theodors.
2 to Tspiravtzov anav.
3 ^po; anavTx; tou; ejci <pi).oaocp{a oiaßorjro'j;.
540
HSfler.
IV. Jahrhundert wendet, den Spuren einer absterbenden Cultur.
Einst lebensvolle und wirkende Ideen werden sinn- und ge
haltlos, die Carricatur des einst Heiligen verlangt Rechte, die
kaum diesem zukamen; die Staatsgewalt, thöricht heraus
gefordert, greift immer mehr in Gebiete des geistigen Lebens
ein, entäussert sich selbst der Beschützung eines Cultus, der
seit Julian sich als ohnmächtig erwiesen hatte, das Reich zu
regeneriren, zugleich als feindlich gegen alles Bessere und nur
als stark genug, grosse Verwicklungen zu schaffen. Nun war
es aber denn doch sehr schwer im römischen Reiche eine
Dynastie zu begründen, und die pannonisclie musste, um durch
zudringen, beinahe noch gefährlichere Experimente bestehen,
als einst Constantin, um der flavischen Dynastie Boden zu
schaffen. Auf den Versuch eines Valentinian in Britannien, folgte
der Aufruhr des Firmus in Afrika; als um diesen zu unter
drücken die römischen Legionen aus Pannonien und Mösien
nach Afrika geschickt wurden, der Einbruch der Quaden und
Sarmaten in die unbewachten Provinzen, Valentinians I. plötz
licher Tod, erhellt durch den Brand der Kaiserburg in Sirmium,
die vom Blitze getroffen in Asche sank. Schlag auf Schlag
folgen sich die schwerwiegendsten Ereignisse, die Theilung
des Westreiches zwischen dem jugendlichen Gratianus und
dem fünfjährigen Valentinian II., den Söhnen Valentinians I.,
der Anprall der Hunnen auf die Gothen, die Flucht der
letzteren über die Donau, ihre Misshandlung durch die römi
schen Militärbeamten, die Ueberschwemmung Thraciens, Panno
niens, ja selbst Macedoniens und Thessaliens durch die Gothen,
zu deren Bekämpfung jetzt Valens die saraceniscke Reiterei
aus dem Oriente nach Thracien führt; endlich die Niederlage
des Valens bei Adrianopel und sein Tod auf der Flucht,
dadurch die Erledigung des östlichen Thrones des Kaiserreiches,
sein Ileimfall an den Augustus Gratianus.
Jetzt tritt jene Persönlichkeit auf, die Zosimos nicht
minder widerwärtig ist, als Constantinos, des Chloros Sohn, der
Spanier Theodosios aus der kallegischen (gallicischen) Stadt
Kauka, ein Mann, wie er ihn einführt, ,nicht unkriegerisch,
noch unerfahren im militärischen Commando', nachdem er
früher selbst erwähnt hatte, dass bei dem Einbrüche der Sar
maten und Quaden er Mysien gerettet und durch diesen Sieg
Abhandlungen aus dem Gebiete der alten Geschichte. VII.
541
siet den Weg zum Throne bereitet hatte. 1 Jetzt war er nicht
unkriegerisch und im Commando nicht unerfahren. Es war
doch ein rechtes Glück für die römische Herrschaft, dass, als
die Fluth gothischer Einwanderung das Ostreich von dem West
reiche schied, der Imperator des ersteren seinen Tod, 378,
gefunden hatte, das römische Heer von den Gothen vernichtet
war und durch eine eigenthümliehe Ironie des Geschickes der
Befehlshaber der römischen Reiterei, Victor, dem Blutbade
entronnen, Gratian die Nachricht von dem Tode seines Oheims,
vom Untergange des römischen Heeres 2 in eiliger Flucht über
brachte, das Geschick des Reiches in die Hände eines nicht
unkriegerischen noch unerfahrenen Mannes gelegt werden
konnte! Thracien wurde wie gewöhnlich zum Oriente ge
schlagen, der Occident zerfiel in die beiden Theile der panno-
nischen Dynastie, aus welcher die spanische hervorwuchs, die
Theilung des Gesammtreiches in eine westliche und eine öst
liche Hälfte war aber aufs Neue zur Thatsache geworden. Als
jetzt Theodosius von Thessalonike (dem Hafenplatze aus) die
Wiedergewinnung von Thracien versucht, statt Eines Befehls
habers der Reiterei und Eines des Fussvolkes, mehrere ernennt
und ebenso in Betreff der übrigen Befehlshaberstellen verfuhr,
offenbar eine wohlüberlegte militärische Massregel, so gewahrt
Zosimos hierin eine jener Massregeln, 3 die wie die Vermehrung
des Aufwandes am kaiserlichen Hofe, den Untergang der Dinge
herbeiführten, wie er überhaupt den Theodosius, den er in Un-
thätigkeit verfallen lässt, für die schlimme Wendung der Dinge
verantwortlich machen möchte, welche zum überwiegenden
Theile durch die Zusammenwirkung' von Ereignissen einge
treten war, die Theodosius, so weit er vermochte, vom Reiche
abzulenken sich bemühte und auf Julians verunglückten Perser
krieg zurückgehen, der den Barbaren die Schwäche des Reiches
vor Augen geführt hatte. Zosimos schildert die Erpressungen
sehr lebhaft, die damals bei der heillosen Lage des Reiches
stattfanden, dessen ganze Kraft zu seiner Erhaltung verwendet
werden musste; er findet, was zu seiner Charakteristik dient
1 ovta 8e ojx cwioXejjlov ouBe ap/% aTpatttüTixfjs arceipov.
2 tjjv toj OTparoTiEOO'j xai tou ßaaiXeto? cbccoXsiav.
3 ££ exeIvoo TtiSv TrpayLLarojv a^toXeia? arcia.
542 Höfler.
i
und die Absicht der Darstellung zeigt, Trost darin, dass damals
noch der Zugang zu den Heiligthümern 1 und die Verehrung der
Götter nach den vaterländischen Gebräuchen erlaubt war. Hatte
doch die Privatverehrung des Achilleus in Athen sich mächtig
genug erwiesen, die Stadt vor einem Erdbeben zu bewahren,
das einen grossen Theil von Griechenland betraf, und war es
doch die Erscheinung der Pallas und des Achilleus auf den
Mauern der Stadt, welche später Alarich von einem Angriffe
auf Athen zurückschreckte. Genau genommen brauchte man
ja keine militärischen Massregeln, wenn Götter und Heroen bei
dem Untergange des Heidenthums sich noch kräftiger erwiesen,
als in den Tagen seiner Blüthe, wo die Athener, welche die
Burg gegen Xerxes zu vertheidigen entschlossen waren, der
Hülfe der jungfräulichen Tochter des Zeus entbehren mussten.
Interessant ist, welche Verlegenheiten schon damals die
massenhafte Aufnahme von Gothen in das römische Heer her
vorrief, seit der persische und der Gothenkrieg die römischen
Heere verschlungen; wie Theodosius sich genöthigt sah, diese
nach Aegypten zu entsenden, der Kaiser selbst sich vor den
unbotinässigen in Lebensgefahr befand, Besatzungen in die j
Burgen verlegte und unter dem Commando zweier Franken,
Baudo und Arbogast ein Hülfsheer des Gratianus herbeieilen
musste, Gratianus aber selbst sein Heil darin erblickte, sich
auf die Alanen zu stützen, während der,Spanier Maximus,
Befehlshaber Britanniens, dem die Erhebung seines Lands
mannes und ehemaligen Collegen Theodosius, als unerträgliche
Zurücksetzung erschien, sich gegen Gratian empörte, nach dem
Continente zog und als nun die maurischen Reiter zu dem
spanischen Augustus übergingen, den Gratianus so lange aus
Gallien nach Rhätien, nach Noricum, nach Pannonien und
Mösien verfolgen liess, bis er auf der Brücke von Singedunum
eingeholt und erschlagen wurde. Das Reich gehörte zwei
Spaniern, Theodosius und Maximus und dem Knaben Valen-
tinian unter der Leitung seiner Mutter Justina, der Witwe
Valentinians I.
Bei Gelegenheit der Ermordung Gratians kommt des
Zosimos echte Gesinnung zum Vorschein. Constantin habe,
1 toc östa.
Abhandlungen aus dem Gebiete der alten Geschichte. VII.
543
obwohl er den rechten Weg in göttlichen Dingen verlassen
und den Glauben der Christen angenommen, das Kleid eines
Pontifex maximus nicht zurückgewiesen, so wenig wie Valen-
tinian oder Valens, wohl aber Gratianus, indem sich dasselbe
für einen Christianer nicht schicke. Da hätten die (heidnischen)
Priester gesagt, wenn der Kaiser nicht pontifex (maximus) ge
nannt sein wolle, werde sehr bald Maximus pontifex werden,
Theodosius aber habe den Maximus als Mitregenten anerkannt,
selbst aber in Aegypten die Tempel schliessen lassen. Was
aber daraus für die römische Herrschaft entstanden, wolle er
in seiner Geschichte nachweisen. Nachdem Maximus den einen
Sohn Valentinians I. beseitigt, gedachte er dasselbe mit dem
zweiten zu thun. Bald sah sich Valentinian II. plötzlich von
dem ganzen Heere des Maximus überfallen, keine andere Hülfe
vor sich als zu Theodosius nach Thessalonike zu flüchten und
samrnt Mutter und Schwester dessen Hülfe anzurufen. Aber
Theodosius zögerte, sich zu erklären, mit Recht; als das Heer
des Maximus ungehindert die Alpen überschritten hatte und
in Italien stand, besorgte er sich in einen so gefährlichen
Kampf einznlassen. Zosimos stellt aber die Sache so dar, dass
erst die List der Kaiserin Justina und das Flehen ihrer schönen
Tochter Galla den Theodosius bewogen, den Rachekrieg gegen
Maximus zu unternehmen, während aus seiner Darstellung
hervorgeht, dass es sich um einen See- und einen Landkrieg,
um eine Diversion in Rom handelte und während Maximus
hoffte, die Barbaren im Heere des Theodosius auf seine Seite
zu ziehen, dieser plötzlich vor Aquileja erschien, sich den Ein
gang erkämpfte, Maximus gefangen nahm und tödten liess. Der
Sohn des Getödteten, Victor, den sein Vater zum Cäsar er
hoben, wurde von Arbogast, dem magister militum, auf Befehl
des Theodosius ermordet, Andragathios, des Maximus Admiral,
stürzte sich selbst in das Meer. Valentinian II. erhielt die
westliche Hälfte des Reiches, die seine Mutter regierte, Theo
dosius aber habe jetzt sich dem Vergnügen zugewendet und
die Regierung dem Gallier Rufinus überlassen. Während dieser
angesehenen Männern den Untergang bereitete, brachen zwischen
Valentinian II. und dem Arbogast, welcher schon unter Gratianus
eine angesehene Stellung bekleidet hatte, Zerwürfnisse aus,
die endlich so weit gingen, dass keiner sich vor dem andern
544
ITöfler.
sicher hielt, Arbogast aber, ehe Valentinian von Theodosius
Hülfe erhielt, den Kaiser in Vienna überfiel und tödtete, hierauf
den Eugenius, welcher ihm für das Kaiserthum am passendsten
erschien, an die Stelle des letzten Kaisers aus dem panno-
nischen Hause, zum Beherrscher des westlichen Reiches erhob.
Obwohl nun bald nachher die Kaiserin Galla im Wochenbette
starb, somit Theodosius von der Aufgabe Rächer des Geschickes
des pannonischen Kaiserhauses zu sein, enthoben zu sein schien,
bereitete sich der Kaiser doch zum ernsthaftesten Kampfe vor,
dessen principielle Bedeutung freilich Zosimos kaum errathen
lässt. Arkadios, sein ältester Sohn, wurde Mitkaiser und der
Sorge des Rufinus übergeben, Timasios und der Gemahl der
Serena, der Tochter des altern Bruders des Theodosius, Stelicho,
die Barbaren Gaines und Saul, der Armenier Bakurios an die
Spitze des Heeres gestellt. Dennoch schwankte der Entscheid
der Waffen. Schon war Bakurios und ein grosser Th eil des
Heeres des Theodosius gefallen, als dieser beim Morgengrauen
die Schlacht erneute, Eugenius auf der Flucht gefangen und
getödtet wurde, Arbogast sich selbst den Tod gab.
Die pannonische Dynastie hatte durch die Vermählung
Gratians mit einer nachgebornen Tochter des Kaisers Con-
stantius 1 die Anrechte der Flavier zu gewinnen gesucht, Theo
dosius in ähnlicher Art die Rechte der pannonischen Dynastie
in sein Haus zu bringen gestrebt.
Die mehrtägige Alpenschlacht sicherte der spanischen
Dynastie den Bestand, zugleich den Sieg des Christenthums.
Der Kaiser ging nach Rom, Hess dort den jüngern seiner Söhne,
Honorius, als Augustus anerkennen, so dass die Theilung der
wiedervereinigten Monarchie das Werk des Siegers war, und
forderte nun den römischen Senat auf, dem Dienste der alten
Götter zu entsagen; darauf hätten die Senatoren Widerstand
geleistet und angeführt, dass 1200 Jahre die Stadt nicht einge
nommen worden sei, was sicher geschehe, wenn sie andere Sacra
annähmen, die ihnen unbekannt seien. Nun habe Theodosius
die Tempelgüter verlangt, die andern behauptet, 2 die Sacra fänden
nicht richtig statt, wenn sie nicht auf Staatskosten geschehen,
1 Amm. Marcell. XXI. 15.
2 |xr) $7][jLoa{ou xou BaTtav^aio? ovro'.
Abhandlungen aus dem Gebiete der alten Geschichte. VII.
545
nichts desto weniger sei das Verbot der Sacra ergangen,
wohl aber auch das Reich in Stücke gerissen, Wohnung der
Barbaren und zwar in der Art geworden, dass man jetzt die
Stätte, wo die Städte gestanden, nicht mehr erkenne, das
aber werde die nachfolgende Erzählung nachweisen. Das vierte
Buch schliesst mit dem Tode des Theodosius, der, kaum nach
Constantinopel zurückgekehrt, daselbst starb.
Zosimos sagt es nicht, aber es ist klar, dass er den frühen
Tod des mannhaften Imperators in Causalzusammenhang mit
seinein Vorgehen gegen die Sacra des römischen Volkes und
Staates setzt. Es ist der Anfang vom Ende. Das Drama des
Unterganges von Rom, der Eroberung Roms durch die Barbaren,
welches Zosimos enthüllen will, ist damit in den ersten Act
eingetreten. Die Götter sind aus Rom vertrieben, die Heilig-
thiimer profanirt, da fällt die unbesiegte Stadt 1 in die Hände
der Barbaren. Vergeblich hat Theodosius auf die Evangelien,
den Glauben der Christen, die Vergebung alles Fehls und aller
Gottlosigkeit hingewiesen, der Senat hat die Sache der alten
Götter verfochten, der Kaiser mit Gewalt geantwortet. Da
trifft ihn der Tod, die ä-wXeG beginnt und das grosse Drama
des Untergangs der unbesiegten Weltstadt schreitet unauf
haltsam voran.
Damit enthüllt sich der eigentliche Gedanke der historia
nova. Die Regierung des Theodosius hatte so entscheidend
eingewirkt als die Constantins, ja vielleicht selbst in noch
höherem Grade. Der Hellenismus hatte, was Zosimos ver
schweigt, unter Eugenius sein Haupt nochmal emporgehoben,
sein Sturz den Sturz des Paganismus herbeigeführt; er war
seitdem politisch geächtet. Er konnte vielleicht auf Unter
stützung einiger barbarischer Völker rechnen, aber auch ein
grosser Theil der Germanen, die Völker gothischen Stammes
gehörten ihm nicht mehr an. Nun hatte Theodosios noch
einen weiteren Schritt unternommen, indem er den östlichen
Theil des Reiches dem älteren Sohne Arkadios, den erst ge
wonnenen westlichen dem jüngeren Honorios übergab. Damit
war die Möglichkeit einen - Wiedervereinigung der beiden Theile
1 a7rop07)To<; 7) 7:0X1;. Wie oft war aber Rom von den hadernden Kaisern,
vor diesen im Bürgerkriege erobert worden!
546
Höf le r.
nicht ausgeschlossen, aber vor der Hand die Theilung und
Trennung des Reiches, wie das Uebergewicht der Primogenitur
linie, entschieden. Nun war es bereits für die pannonische
Dynastie sehr schlimm gewesen, dass nach Yalentinians I.
frühem Tode, der jugendliche Gratianus, der fünfjährige Knabe
Valentinian II. nachfolgten. Die vormundschaftliche Regierung
— zu allen Zeiten, geschweige in bewegten — ein grosser
Uebelstand, wiederholte sich nicht blos bei der spanischen
Dynastie des Theodosius, sondern wurde Regel. Arkadius und
Honorius, die Söhne der schönen Galla, waren eigentlich zu
steter Vormundschaft geboren und dasselbe muss von Theo
dosius II., dem Sohne des Arkadius, 1 gesagt werden. Wenn
das Geschlecht des Theodosius bedeutende Persönlichkeiten
besass, so muss man diese unter den Frauen, nicht unter den
Männern suchen.
Zosimos beschreibt nun im fünften Buche, wie die Wen
dung der Dinge erfolgte, so dass das Reich zur Niederlassung
der Barbaren wurde. Erst suchte Rufinos die Herrschaft im
Oriente an sich zu bringen. Aber schon der Plan, sich zum
Schwiegervater des Kaisers Arkadios zu erschwingen, miss
lang. Die Söhne des Promotos, eines angesehenen Reichs
beamten, die mit den Kindern des Theodosios erzogen worden
waren, gewannen ihn für Ihre schöne Schwester. Hingegen
verlobte Stelicho erst die eine, dann auch die zweite seiner
Töchter mit Honorios und suchte nun, sich auf einen münd
lichen Auftrag des verstorbenen Kaisers berufend, die Regie
rung des Gesammtreiches in seine Hand zu nehmen. Nach
der Darstellung des Zosimos, begünstigte Rufinos den Einbruch
Alarichs, des Westgothenkönigs, in Griechenland und sorgte
er dafür, dass er ungehindert durch die Thermopylen und über
den Isthmos kam, Stelicho war es, der den Alarich zwang,
Griechenland wieder zu verlassen und nun durch Gaines den
Sturz Rutins betrieb, der seine Verrätherei mit dem Tode
büsste. Arkadios wechselte jedoch nur den Vormünder, indem
an die Stelle des Rufinos Eutropios trat, 2 der nun seiner Seits
1 Nach einer vielfach verbreiteten Ansicht war aber ein gewisser Joannes
Vater des Theodosius II. Zos.
2 xupieucov ’Apxaotou xaOa^sp ßo'jxr/aarog. Zos.
Abhandlungen aus dem Gebiete der alten Geschichte. VII.
547
den Sturz Stelicho’s betrieb und den Aufstand des Gildo in
Afrika begünstigte, selbst aber den Gaines und den Tribigildos
in Asien gewähren lassen musste. Freute sich Zosimos von
Gaines sagen zu können, dass er auch in Gegenwart des
Arkadios sich zum Götterglauben bekannte, so wendet er sich
jetzt auch, was er früher beharrlich vermied, der Erzählung
kirchlicher Streitigkeiten zu, der Schlächterei der Mönche durch
die Soldaten, dem Hasse der Augusta Eudoxia gegen Johannes
Chrysostomos, der Herrschaft der Eunuchen unter dem überaus
dummen Kaiser, 1 dem Brande von Constantinopel, der die
Musen des Helikon, die Constantinos nach der Stadt gebracht
hatte, verzehrte, der wunderbaren Erhaltung der Statuen des
Zeus und der Athene, den inneren Unruhen, der Erhebung der
Isaurer, endlich dem Einbrüche des Badagais, der die Ca-
lamität jener Tage auf den Gipfel brachte. Der grosse Sieg
Stelicho’s, der Italien von der grössten Gefahr befreite, wird
ziemlich kurz abgethan. Der Sieger, welcher nun die Einheit
der Monarchie herzustellen gedachte, wurde durcli den Auf
stand des Constantinus in Britannien und dessen Einfall in
Gallien davon abgehalten. Es erfolgte der Tod der beiden Töchter
Stelicho’s, von denen erst Maria dann Thermantia den Honorios
geheirathet, dann der Einbruch Alarichs in Italien und nach
Stelicho’s Rath dessen Beschwichtigung durch 4000 Pfund
Goldes und die Verlegung des Kaisersitzes von Rom nach
Ravenna, der Tod des Arcadios und die erneute Nothwendigkeit,
dass Stelicho sich nach dem Oriente begebe. Nun aber drohte
Alarich einerseits mit einem neuen Einfalle in Italien, ander
seits war Constantinus 2 schon in Arles als Kaiser anerkannt
und jetzt brach, nicht ohne dass Olympius, der Rathgeber des
Kaisers Honorius, daran einen Antheil genommen hätte, ein
Soldatenaufstand in Ticinum aus, der von der Ermordung der
angesehensten Beamten begleitet war. Erst aus der Berathung,
welche Stelicho in Bononia mit den Anführern der germanisch
römischen Truppen hielt, erfährt man, dass diese, die Ermordung
des Honorius durch die Aufständigen voraussetzend, über die
1 tou ßacii).EUovt05 EayaTw: avovjtaLvovxo?.
2 Schon vor ihm war erst Marcus, dann Gratianus in Britannien zu Kaisern
ausgerufen worden. Zos. VI.
Sitzungsber. d. phil.-hist. CI. XCV. Bd. II. Hft.
36
548
Höfler.
römischen Soldaten herzufallen gedachten, dann aber von Stelicho
davon abgehalten wurden. Nun aber betrieb Olympius die
Verhaftung Stelicho’s in Ravenna, worauf die Ermordung des
Mannes folgte, der 23 Jahre lang die Würde eines Feldherrn be
kleidet hatte. Dieses Ereigniss, die Erbärmlichkeit des Honorius,
die Schlechtigkeit seiner Rathgeber, entschieden das Geschick
des weströmischen Reiches. Nicht die Preisgebung der alten
Götter, wohl aber die masslose Thorheit der spanischen Dynastie
und des Honorius zumal, der sich seiner bewährtesten Diener
berauben liess, ward Ursache des Sieges der Barbaren. Es
entstand ein Racenkampf, da die Römer die Weiber und Kinder
der im römischen Kriegsdienste stehenden Germanen tödteten,
letztere, so viele sich retten konnten, zu Alarich sich flüchteten,
der nun selbst seinen Neffen Ataulf mit Gothen und Hunnen
zu sich berief. Es charakterisirt Zosimos, dass er, als jetzt
Alarich vor Rom stand, und wie der Senat auch Placidia, des
Honorius Schwester, für die Ermordung der Serena, Stilicho’s
Witwe stimmten, nachdem bereits Honorius deren Tochter
Thermantia verstossen, Stelicho’s Sohn Eucharius hatte ermorden
lassen, in dem tragischen Untergange der Nichte des altern
Theodosius durch dessen Sohn, nur die Rache der Götter er
blickt, weil Serena, als Theodosius die heidnischen Priester
und Priesterinnen aus Rom vertrieben, sich mit dem Schmucke
der Rhea geschmückt und deshalb von einer alten Vestalin
verflucht worden war. Hatte ja auch Stelicho das Geschick
getroffen, weil er den goldenen Beschlag von den Thüren des
Capitols weggenommen! Noch hielt Laita, des Gratianus Witwe,
die Noth der von Alarich eingeschlossenen Römer etwas ab.
Hülfe aber hätten nach Zosimos Tusker gebracht, 1 wenn man,
wie angeblich selbst Papst Innocenz gewollt, gestattet hätte, nach
den Pontificalbüchern öffentliche Opfer zu bringen. Niemand
habe aber den Muth gehabt darauf einzugehen und so sei
nichts anderes übrig gebliebeu, als auf die Bedingungen Alarichs
einzugehen, den Schmuck der Götterbilder zu Gunsten Alarichs
zu verwenden, selbst goldene und silberne Statuen, die damals
trotz aller Beraubungen vorhanden waren, einzuschmelzen,
damit auch die virtus Romana, womit das nun unterging, was
1 Tuskische Wahrsager hatten Julian nach Persien begleitet.
Abhandlungen aus dem Gebiete der alten Geschichte. VII.
549
noch an Mannheit und Tugend in Rom vorhanden war; 1
40.000 Sklaven seien damals zu Alarich geflohen. Honorius
musste geschehen lassen, was er nicht hindern konnte, und er
kannte damals das dritte Kaiserthum des Constantinus in Arles
an, der nun seinen Sohn Constans zum Cäsar erhob. Der
Wechsel der Imperatoren erzeugte aber unter den Kelten
neue Erhebungen, die darauf hinausgingen, das römische und
das barbarische Joch zugleich abzuschütteln!
Dann wurde Olympius gestürzt, nachdem ihm Zeit gelassen
worden war, gegen die Freunde Stelicho’s zu wüthen; Jovius,
der an seiner Stelle Italien und Honorius regierte, suchte mit
Alarich ein Abkommen zu treffen, daran aber unvermuthet
von Honorius gehindert, bewog er diesen zu einem Eide, nie
mit Alarich Frieden zu schliessen. Dieser aber suchte jetzt
noch den Kaiser zu bewegen, ihm die beiden Norica abzu
treten und bot Freundschaft und Waffengemeinschaft 2 mit den
Römern an. Es war der Gedanke, der sich der Gothen be-
meisterte, seit sie Rom und Constantinopel gesehen, das römische
Reich nicht zu zerstören, sondern durch gothische Kraft aufzu
richten. Der römische Stolz liess aber diese im Interesse des
Staates so wünschenswerthe Wendung nicht zu; jetzt trat auch
der Eid dazwischen, den alle Magistrate wie der Kaiser ge
schworen und so wurde Alarich gezwungen, nochmal gegen
Rom zu ziehen. Das sechste Buch sollte nun die Katastrophe
enthalten. Allein der vor uns liegende Theil beginnt mit der
Aufzählung der Dinge, die sich unter den Kelten (Britanniern)
bemerklich machten, mit der Erhebung des Attalus als west
römischen Kaiser durch Alarich, der hiemit die Politik ein
leitete, die deutsche Heerführer seitdem consequent verfolgten,
und der Erwähnung der Anstalten, die Alarich traf, die Herr
schaft auch über Afrika auszudehnen. Allein die Provinz er
hielt sich unabhängig von Alarich und seinem Schützlinge,
Honorius wurde durch Truppen gerettet, die schon Stelicho
nach Ravenna beordert hatte, die aber erst jetzt kamen, als
Honorius bereits vor Alarich aus der Stadt (Ravenna) fliehen
wollte. Die Zerwürfnisse zwischen Alarich und seinem Kaiser
1 öcra avopelag 7jv xat apE77jC Tiapa 'Pü)|j.afoi<;.
2 «ptAiav xal 6u.atyij.tav avcco xat 'Ptimatot^.
36*
I
550
Hofier.
mehrten sicli und führten endlich zur Absetzung des letzteren.
Alarich gedachte nun, einen festen Frieden mit Honorius zu
schliessen und wandte sich deshalb aufs Neue nach Ravenna.
Mit diesem Zuge schliesst aber der uns erhaltene Theil des
Zosimos, obwohl eine Stelle zeigt, dass er auch schon den Tod
Alarichs berichtete. Gerade die Einnahme Roms durch den
Westgothenkönig fehlt uns und somit die Darstellung des
Waltens der Nemesis für die den alten Göttern von Theodosius
zugefügten Unthaten, der Hauptgegenstand des ganzen Werkes.
Man kann begreiflicher Weise die Hoffnungen des Comes
und Exadvocatus fisci 1 so wenig theilen als seine Befürchtungen,
seine Verbissenheit gegen den christlichen Glauben und dessen
Anhänger so wenig als seine Vorliebe für die alten Götter,
deren Tempel leer standen, deren Altäre verlassen waren und
denen alle Anstrengungen eines mit jedem Jahre sich mehr
lichtenden Kreises philosophisch gebildeter Männer keinen
Cultus mehr schaffen konnten. Man kann aber vollständig den
Schmerz, den inneren Aerger, den ohnmächtigen Zorn begreifen,
als sie sich selbst sagen mussten, der Staat habe sich vom Cultus
zurückgezogen, dieser sei dadurch unaufhaltsam gesunken, die
Götter, nicht mehr angerufen als die den Staat schützenden
und rettenden Mächte, hätten dadurch alle Bedeutung einge-
büsst und ob nun noch einzelne Privatleute sie anriefen oder
nicht, das Wesen des alten Cultus hatte dadurch aufgehört.
Konnte man vernünftiger Weise hoffen, durch ein kaiserliches
Edict Lebenskraft zu erlangen, nachdem der Cultus längst
inhaltslos geworden war? Der Unterschied des Christenthums
von dem antiken Cultus, dem Hellenismus, wie man sich jetzt
ausdrückte, bestand nämlich nicht bloss im Gegensätze des
Monotheismus zum Polytheismus, sondern wesentlich darin,
dass das Christenthum Sache des Einzelnen war, sich als frohe
Botschaft, als Erlösung des Einzelnen wie der gesammten Welt
kund that und von dem Staate abstrahirte. Die neue Religion
bildete die Gemeinde, die Kirche hatte ihre eigene Verfassung,
die sich in der Zeit der Verfolgung ausgebildet hatte und mit
dem Dogma und Cultus untrennbar verwachsen war. Sie ignorirte
den Staatscultus, entfremdete ihm den Einzelnen, die Sklaven
1 Ztoaijxov 7.duL7]to; xai cciotpiaxoffyvTjydpou.
Abhandlungen aus dem Gebiete der alten Geschichte. VII.
551
wie die Freien, die Männer wie die Frauen, den Soldaten wie
die Magistratsperson und je inniger der antike Cultus mit dem
antiken Staate zusammenhing, desto grösser war die Wirkung
auf den Staat als sein Cultus zusammenbrach, er noch Tempel
und Priester, die Tempel Ländereien und Einkünfte besassen,
die Priester von diesen lebten, aber die Masse sieb wegwandte
und der Staatscultus eine Lüge wurde, da der veränderte Glaube
in den Staatsgöttern nur mehr Dämonen erblickte. Die Edicte
des Theodosius zu Gunsten des Christenthums beruhten auf
dem factischen Zustande des Reiches, auf der Veränderung der
Dinge, die das IV. Jahrhundert herbeigeführt, auf dem Miss
erfolge Julians in Betreff der Wiederbelebung des antiken
Cultus, auf der Niederwerfung des von Eugenius erneuten Ver
suches. Wäre der Blick des Zosimos nicht durch seine Partei
stellung so sehr getrübt worden, er hätte sich sagen müssen,
dass seine Argumentation, weil Rom durch die antiken Götter
gross geworden, müsse der Cultus derselben beibehalten werden,
sich von selbst widerlegte, da alle Verfolgungen, an welchen
es die römischen Kaiser des IV. Jahrhundertes nicht hatten
fehlen lassen, die leeren Tempel doch nicht füllten. Die Ge
meinde fehlte und die Magistrate konnten diese nicht ersetzen.
Der antike Staat durfte freilich keinen anderen Cultus aufkommen
lassen als den Staatscultus, sonst war er verloren; das ist auch
die Ueberzeugung des Zosimos, darum zürnt er so sehr über
die Neuerung Constantins. Aber was im Anfänge des IV. Jahr
hunderts Neuerung gewesen war, war es nicht mehr am Ende
desselben, nicht im V. Jahrhunderte. Zosimos gewahrt nicht,
dass er auf einem ganz veralteten Standpunkte stehe, für
welchen er fortwährend Geltung verlangt, als wären noch alle
Prämissen der früheren Zeit vorhanden. Gerade die eigent
liche Bedeutung des Christenthums war ihm unbekannt ge
blieben. Vom ersten Momente hatte sich das Christenthum
als welterlösende That bezeichnet und nicht etwa auf Rom und
den römischen Staat beschränkt, die Apostel hatten den Auf
trag erhalten, alle Völker zu lehren und zu taufen und die
jenigen, welche sich nach Rom gewandt, hatten dort den Tod
erlitten; diejenigen, welche als Staatsverbrecher hingerichtet
worden waren, waren die Begründer der Kirche Roms geworden,
wurden als Märtyrer verehrt, im Kampfe mit dem Staatscultus
552
Hofier.
angerufen, sie dienten in der Zeit der Verfolgung als Vorbilder
und Muster, wurden als die Auserwählten Gottes bezeichnet.
Da war zwischen Christenthum und Staatscultus kein Tractiren
möglich, kein Ausgleich denkbar, höchstens ein gegenseitiges
Ignoriren, eine vorübergehende Waffenruhe, eine Pause im Ver
folgen und im Verfolgtwerden, eine Sammlung der Kräfte zum
Einen wie zum Ausharren im Andern. So konnte aber die
Sache nicht bleiben, die Verfolgung nicht ein Staatsinstitut
werden, ohne dass der Staat selbst darunter am meisten ge
litten, am ärgsten Schaden gehabt hätte. Es war in der Ver
folgung durch Diocletian und Galerius das Aeusserste geschehen
bis auf das verruchte Mittel Julians, die christliche Bevölkerung
der Wohlthat des Unterrichtes zu berauben. Und dennoch
war jeder Stillstand in der Verfolgung, jedes Einlenken in die
Anerkennung eines Rechtes ausserhalb des Staatscultus eine
Zerstörung des antiken Rechts bodens, ein Attentat gegen den
Götter Staat.
Da erfolgte zuerst die Pause in der Verfolgung, als
Galerius seine eigenen Massregeln zurücknahm. Dann der
Hauptschlag, als die beiden Imperatoren Licinnius und Con-
stantinus den bisher auf Leben und Tod verfolgten Cultus zur
religio licita erhoben, die Exclusivität der antiken Staatsreligion
brachen und factisch erklärten, die gesammte Lehre mit ihrem
Cultus, ihrem Dogma, das den Staatscultus verwirft, ihn ver
abscheut und als das Werk finsterer Geister bezeichnet, hat
ein Recht zu existiren, kann somit ihr stilles Zerstörungswerk
fortsetzen und keine Bestrafung ist für den vorhanden, welcher
den Staatscultus als profane Sache ansieht, diesen von sich
stösst. Eine viel weiter gehende Theilung des Reiches war
dadurch erfolgt, als jede der vorausgegangenen oder nach
folgenden Ländertheilungen in sich schloss. Constantin erklärte
sich auf dem Concil zu Nikäa zum exiazoxo? -twv h.iot;, 1 er
behielt die Gewalt bei, die ihm als pontifex maximus zukam,
wie denn auch erst zur grossen Betrübniss des Zosimos Gra
tianus das Kleid eines pontifex maximus nicht annahm, und
vor Gratianus Julian auch geistliche Ceremonien und zwar wie
Ammianus Marcellinus die Sache darstellt, bis zum Lächerlichen
1 Ueber diese Bedeutung siehe Höfler, Kaiserthum und Papstthum S. 7.
Abhandlungen aus dem Gebiete der alten Geschichte. VII.
553
verrichtete und dadurch seiner Sache am meisten schadete.
Ein weiteres und sehr wichtiges Stadium bestand in dem Bau
der Constantinstadt, angeblich im Verdrusse mit dem römischen
Senate, dem Vertreter des Staatscultus, wie Zosimos die Sache
darstellen möchte, in Wahrheit aber weil sich längst heraus
gestellt hatte, dass das Reich ebensowenig von Rom als von
einer der Kaiserstädte aus regiert werden könne, in welchen
Diocletianus und seine Auguste und Cäsaren ihre Residenzen
auf geschlagen; die Rückwirkung auf Rom war aber ganz
ungemein. An Rom, den Tempel des capitolinischen Jupiter,
das Capitol, den Palatin, knüpfte sich die ganze religiös-poli
tische Vergangenheit des römischen Staates, die Begründung
der Weltherrschaft, der Sieg der römischen Götter an, denen zu
Ehren die im Triumphe aufgeführten Könige und Fürsten ihren
Tod fanden. Als jetzt eine Hauptstadt gewählt wurde, die
nicht nach Beobachtung des Vögelfluges, der Augurien, dazu
bestimmt wurde, wohl aber die höchstverehrten Götterbilder
der griechischen Welt als Trophäen erblickte, die selbst sich
nach dem Willen des Imperators eine Verstümmlung, eine
Anpassung an den neuen Ideenkreis gefallen lassen mussten,
wie Zosimos gelegentlich ausführt, so war ein weiterer schi-
nachhaltiger Bruch mit dem Staatseultus erfolgt. Jetzt Wal
es für die alten Götter Zeit sich zu rühren, ihre Sache gegen
den Neuerer zu vertheidigen; sie Hessen geschehen, was sie
nicht ändern konnten. Selbst die grossen Götter von Samo-
thrake halfen nicht, obwohl man sie damals noch anrief. Es ist
eine grosse Lächerlichkeit, fortwährend zu behaupten, Con-
staiitin habe die christliche Religion zur Staatsreligion erhoben.
Der Arianismus sollte es werden und ward es vorübergehend
unter den Söhnen Constantins, das Christenthum schlug aber
unter Constantin die freie Bahn ein, die ihm durch das Mai-
länderedict eröffnet worden war. Die Pönalgesetze schwanden
und da das Christenthum die Religion der Majorität des römi
schen Volkes durch sich selbst geworden war, bedurfte es
keiner weiteren staatlichen Erklärung. Es war so gefestigt,
dass es nur durch Streitigkeiten im eigenen Schoosse erschüttert
werden konnte und gerade diese so wichtigen und tiefgreifen
den Bewegungen, welche der Reaction unter Julian Vorschub be
reiteten, entgingen Zosimos gänzlich. Abgesehen vom Mailänder-
554
Höf ler.
odicte, ist die Frage, ob die Periode der Flavier dem Christen
thum mehr Nachtheile als Vortheile brachte, gar nicht müssig.
Das Mailänderedict aber, wie die zu Gunsten der Christen
nachfolgenden Veränderungen in der Gesetzgebung waren
nicht Gnadengeschenke auf Ruf und Widerruf, sondern die
unausbleiblichen Folgen vorausgegangener haltloser Zustände
und des erwähnten Culturkampfes, in welchen sich die römische
Staats- und Cultusverwaltung eingelassen hatte und der ein
ganz anderes Resultat erzeugte, als man beabsichtigt hatte.
Es war aber das hervorragende Verdienst Constantins, dass er
bei den Einrichtungen des Diocletianus nicht stehen blieb,
nicht die Verfolgungsperiode erneute, nicht das doppelte Kaiser
thum länger duldete als es unbedingt nothwendig war, nicht
vier Kaiserstädte erhielt, sondern die unterdessen gross ge
wordenen Bedürfnisse berücksichtigte. Volk und Staat waren
in das Heer aufgegangen; längst entschied nicht mehr der
Senat, sondern das Heer. Indem Constantin die Civilgewalt
von der Militärgewalt schied, brach er das Uebergewicht des
Heeres so weit es noch möglich war, dem Organismus des
Heeres wurde der Organismus der Beamten gegenüber gestellt.
Offenbar war es auch der Charakter des Heeres, der die
Lösung der christlichen Frage im Sinne der Gleichberechtigung
möglich, ja nothwendig machte. Das Heer entschied den Sieg
der flavischen Dynastie, das Heer entschied, dass nach Julian
nicht dessen Verwandte und Freunde den Thron erlangten,
sondern Männer einer entgegengesetzten Richtung, wenn auch
erst Gratian wagen konnte, ganz und gar mit den Traditionen
der Vorzeit zu brechen, was Zosimos Anlass gab, seine eigen-
thümlichen archäologischen Kenntnisse auszukramen, und nach
dem Versuche gemacht worden waren, dem rechtmässigen und
christlichen Kaiserthum ein usurpatorisches und heidnisches
entgegenzustellen, die übrigens, weil sie misslangen, Zosimos
in ihrer wahren Bedeutung nicht hervorhebt, war endlich auch
der Moment gekommen, in welchem der Sieger, Theodosius,
mit dem Heidenthume aufräumen konnte, die Gleichberechtigung
sich in die Ausschliesslichkeit einer herrschenden Religion
umwandelte und gegen das Ende des IV. Jahrhundertes voll
endet wurde, was Constantin in der ersten Hälfte begonnen
hatte. Traurig, dass, als jetzt das Reich die Wohlthaten der
Abhandlungen aus dem Gebiete der alten Geschichte. VIT.
555
Christianisirung erlangen sollte, das Geschick desselben in den
Händen eines so unfähigen Geschlechtes lag, wie die spanische
Dynastie bezeichnet werden muss.
Es war für ein Geinüth, welches sich der Erkenntniss
der christlichen Heilswahrheiten verschloss, eine Sache von
unsäglicher Trauer, sehen zu müssen, wie der Staat sich immer
mehr den antiken Principien entwand. Die grossen Fehler,
welche von den Herrschenden gemacht wurden, ihre blutige
Willkür, die vielen Empörungen, die Härte der Gesetze, als
Alles der Erhaltung des von allen Seiten angegriffenen Reiches
dienen musste, die gesteigerte Lebenslust, welche so seltsam
mit den christlichen Principien in Contrast stand, die Spiel-
wuth, in der sich das Volk wie der Herrscher gefielen, die
Streitigkeiten unter den Christen, die dem antiken Reiche ganz
fremd waren, die Finanzverhältnisse, deren Druck in keinem
Verhältnisse zu der Entwicklung des National Wohlstandes war,
Tausende von Einrichtungen aus alter Zeit, welche sich über
lebt hatten und die Neuerungen, welche die christliche Aera
mit- sich brachte, das Alles mochte eine Verstimmung erzeugen,
wie sie in dem Hasse Julian’s sich ausprägte, in der Verbitterung
des Zosimos ihren Ausdruck fand, wie in den Staatsschriften,
die sich auf die Wiedereinsetzung der Statue der custos imperii
virgo bezogen, deren Entfernung aus der Senatshalle der christ
liche Theil der Senatoren durchsetzte und deren wechselndes
Geschick das Symbol der Wechselfälle des grossen Streites
wurde, der die Welt seit vier Jahrhunderten bewegte und das
römische Reich deshalb nicht mehr zu Athem kommen liess,
weil es 300 Jahre lang mit verderblicher Consequenz im Cultur-
kampfe begriffen, die günstige Zeit friedlicher Auseinander
setzung, von dem Nimbus der Gewalt berauscht, unbenützt
hatte vorüber gehen lassen.
Nun ist es von grossem Interesse, mit dem griechischen
Geschichtschreiber der römischen Kaiser, den lateinischen,
Ammianus Marcellinus aus Antiochia zu vergleichen. Beide
verfolgten im Ganzen Ein Ziel, nur beginnt Ammianus mit
Nerva und endet mit dem Tode des Valens. Seine Geschichte
umfasste somit 282 Jahre (von 96—378) und wurde selbst um
das Jahr 390 geschrieben; leider gingen aber die ersten
556
Höfler.
13 Bücher verloren und hebt das 14. ' mit dem Cäsar Gallus
353, an, das 31. aber endet mit dem Tode des Valens, 378.
Zosimos greift noch weiter aus, da er mit der Thatsache be
ginnt, dass die Römer die ersten 600 Jahre nur zur Eroberung
Italiens verwandten, dann in 53 Jahren Afrika, Spanien und
Macedonien eroberten, was entweder eine Schicksalsnothwendig-
keit, oder der Bewegung der Sterne oder dem Willen eines
Gottes zuzuschreiben sei. Rasch kommt dann Zosimos zu
Octavianus Augustus und durchgeht nun von ihm an die Re
gierungen der Kaiser, wobei aber die Erzählung bei Probus
abbricht und im zweiten Buche mit dem Tode Diocletians an
hebt. Dann wird sie in diesem bis zur Hinrichtung des Gallus
fortgeführt, so dass also Ammianus vom vierzehnten Buche an
und Zosimos vom Ende des zweiten sich decken. Das dritte
Buch des Zosimos ist Julian gewidmet, dem die Bücher XXII,
XXIII, XXIV, XXV des Ammianus angehören, das vierte
Buch des Zosimos reicht bis zum Tode des Theodosius, über
schreitet somit den Ammianus bereits um 17 Jahre (378—395),
das fünfte und sechste aber enthält die Katastrophe Roms
unter Alarich.
Beide Schriftsteller gehören jener geistigen Bewegung an,
die durch das Christenthum überwunden und zurückgedrängt
worden war, jedoch in der Art, dass Zosimos nicht blos ganz
entschieden den Parteistandpunkt vertritt, sondern seiner Dar
stellung geradezu einen apologetischen Charakter verleiht. Er
verschweigt, was nicht in seinen Kram passt und während ihn
die Verruchtheit der Imperatoren belehren sollte, dass, als die
gesammte Welt römisch geworden war, den römischen Göttern
huldigte, am Untergange des Alterthums mit aller Consequenz
gearbeitet und die Auflösung der heidnischen Ordnung der
Dinge unaufhaltsam vorbereitet wurde, will er die Schänd-
lichkeiten der römischen Imperatoren nicht schildern und gibt
er sich alle erdenkliche Mühe, die welthistorische Veränderung,
die zur Rettung der Menschheit vor den römischen Staats
göttern, den incarnirten Gottheiten des Staates eine Noth-
wendigkeit wurde, mit der Aufgebung der alten Götter in
1 Ammiani Marcellini l'erura gestarum libri qui supersunt. Kecensuit notis-
que selectis instruxit V. Gardthausen I, II. Lipsiae 1874.
Abhandlungen ans dem Gebiete der alten Geschichte. VII.
557
Beziehung zu bringen, nicht bedenkend, welche Schwäche er
diesen zuerkennt, wenn sie sich durch einige kaiserliche Ver
ordnungen überwinden Hessen, während eine dreihundertjährige
Verfolgung und das Aufgebot der gesammten Staatskraft zu
letzt nur den Triumph des Christenthums herbeiführte. Un
streitig ist Ammianus viel objectiver, viel weniger tendenziös;
ihm ist es nicht um den Sieg seiner Götter, sondern um die
Thaten der Menschen zu thun, die er vom allgemeinen Stand
punkte des Rechtes und der Billigkeit beurtheilt, somit von
einem Standpunkte, der Christen und Heiden gemeinsam ist
und jedem das gleiche Recht zuerkennt. Ganz abgesehen von
dieser Verschiedenheit, treten bei Ammianus die historischen
Charaktere viel prägnanter hervor. Er gibt sie nicht blos in
scharfen Umrissen, sondern zeichnet sie auch lebensvoll, so
dass sich die Handlungsweise vollkommen aus den Eigen
schaften und Eigenthümlichkeiten der Charaktere erklärt. Dieses
ist aber um so wichtiger, als z. B. eine Berechtigung Julian’s
zum Aufstande gegen Constantius sich wohl ergibt, wenn
letzterer wirklich der unversöhnlich nachtragende, heimtückisch
grausame, hinterlistige Charakter war, als welchen ihn Ammianus
darstellt. Dieses führt aber von selbst zur Erörterung von Ein-
zelnheiten, welche die Frage löst, in wie ferne man des Einen
Schriftstellers durch den andern entrathen kann. Beginnt man
nun mit der zunächstliegenden Darstellung des Zosimos, womit
das XIV. Buch Ammians anhebt, dem Sturze des Cäsar Gallus
(Julian’s Bruder), so waren es zwei Eunuchen, Höflinge des
Constantius, Dynamius und Picentius, die den Imperator über
redeten, Gallus trachte nach der Herrschaft, und den praefectus
praetorio Lampadius auf ihre Seite zogen. Constantius entzog
sich diesen Verläumdungen 1 nicht, Hess den Gallus, der hievon
keine Ahnung hatte, zu sich kommen, beraubte ihn zuerst
seiner Würde als Cäsar und übergab ihn endlich den Henkern.
Mit dem einen Verwandtenmorde nicht zufrieden, wandte sich
dann Constantius auch noch anderen zu und zwang Julian
zum Aufstande.
Die Absicht ist klar, Constantius als den Mann darzu
stellen, der das Blut seiner Verwandten nicht schonte; damit
O'.aßoXaT;.
558
H ö f 1 e r.
schliesst das zweite Buch des Zosimos. Das Sechsundzwanzigste
des Ammianus beginnt mit der Darstellung der Wildheit, saevitia,
des Gallus, den die eigene Gemahlin, die Tochter Constantins,
zu Grausamkeiten antrieb. Ammianus erzählt Beispiele der
Willkür und Grausamkeit des Gallus, die ihn als einen schnöden
Tyrannen in der Weise des Gallienus ei'scheinen lassen. Im
siebenten Capitel greift Ammianus den Gegenstand aufs Neue
auf, um den Blutdurst des Gallus, sowie die Bedrückungen
nachzuweisen, die er sich in Antiochia eidaubte. Er verschweigt
ebensowenig das dem Gallus feindliche Auftreten vornehmer
kaiserlicher Beamter, seine Citation an das kaiserliche Hof
lager, die blutigen Zerwürfnisse, zu denen es bereits gekommen
war, die Entdeckung der Fabrication eines Purpurgewandes
in Tyrus, die wahrheitsgetreuen Berichte, welche Herculanus
über das Treiben des Gallus dem Augustus machte, die drohende
Soldatenempörung, die den Nachstellungen des Gallus zuge
schrieben wurden (XIV. c. 10). Dann werden die Anstalten
geschildert, die Constantius zur eigenen Sicherung traf, die
Citation der Schwester, des Gallus Gemahlin, die in Bithynien
plötzlich dem Fieber erlag, die wiederholten Aufforderungen,
die an Gallus ergingen sich zum Augustus zu begeben, die
Absendung von Vertrauten, ihn zur Reise zu vermögen und
wie sich daraus ein Netz bildete, dem Gallus nicht zu ent
rinnen vermochte, endlich seine gewaltsame Deportation von
Petobia, der norischen Stadt, nach Pola, wo einst Crispus,
Kaiser Constantins Sohn geendet. Hier wurde ihm auf Befehl
des Augustus der Process gemacht, er hatte sich über jeden
von ihm in Antiochia vollbrachten Mord zu verantworten und
als er die Schuld der meisten auf seine Gemahlin geschoben,
beschleunigte dieses nur seinen Untergang. Während sich
Constantius in Mailand aufhielt, erfolgte in Pola die Hinrich
tung des Cäsars, dem die Hände auf den Rücken gebunden
und wie einem gemeinen Verbrecher das Haupt abgeschlagen
wurde. Bald traf diejenigen, welche die Sentenz in Ausführung
gebracht, gleichfalls ein blutiges Schicksal und so wachte nach
zwei Seiten hin die Gerechtigkeit des obersten Wesens, was
Ammian ebenso Anlass gibt das Wirken der Adrasteia zu be
messen als den Charakter des Gallus zu schildern, der sich
Abhandlungen aus dem Gebiete der alten Geschichte VII.
559
von seinem Brüder Julian unterschied, wie einst Domitian von
Titus. (XIV. 11.)
Es ist nicht nothwendig auseinanderzusetzen, dass die
Darstellung der Katastrophe des Gallus durch Ammian sich
von der des Zosimos unterscheidet wie die eines Historikers
von einem Novellisten.
Wenden wir uns der Erhebung Julians zu.
Zosimos bezieht sich, als er auf Julian zu sprechen kommt,
auf die ausgedehnten Werke der Schriftsteller (Historiker)
und die Poeten, 1 obwohl keiner ihn würdig genug darstellte;
auf seine eigenen Reden und Briefe, die über den ganzen Erd
kreis verbreitet seien. Er aber wolle vor Allem mittheilen,
was von anderen umgangen worden war. Interessant ist nun
besonders die Schilderung des Pariser Banquetes, wobei das
Signal zum Aufstande gegeben wurde, nachdem anonyme
Schriften unter den Soldaten, die nur widerwillig den Abmarsch
nach dem Oriente antraten, verbreitet worden waren. Ammianus
bezeichnet gleichfalls XX, 9, 2 einen Unbekannten als den Ver
breiter einer derartigen Schrift, was eine höhere Anstiftung
nicht ausscliliesst. Er erwähnt auch, dass Julian, nachdem
er eine Rede an die Truppen gehalten, die Officiere (proceres)
zu einem Banquete lud, bei welchem der Aufstand zum Aus
bruche kam. Während er aber beschreibt, wie man hiebei zu
den Waffen griff, erwähnt Zosimos, dass diejenigen, welche
den Cäsar zum Augustus ausriefen, noch die Weinkelche in
den Händen trugen, als sie sich zum Hauptquartier begaben.
Ammianus theilt das officielle Schreiben, welches Julian an
Constantius richtete, mit, erwähnt aber, dass er noch ganz
andere voll Bissigkeit und Anklagen an den Kaiser absandte,
die nicht mitgetheilt werden können (XX, 8). Julian reizte
somit den Constantius, während er sich die Miene gab, als sei
ihm von den Soldaten der Purpur aufgenöthigt worden. Ammian
führt die Ankunft des Leonas an, den Constantius an Julian
abgesandt und der Zeuge der Stimmung der Soldaten ward.
Zosimos aber schiebt die Schuld auf Constantius und lässt
Julian erst durch das Traumgesicht in Vienna zum festen
1 auYYpacpeuat xai TrowjTais.
2 Apud Petulantium signa quidam libellum humi projecit occulte.
*
560 HSflor.
Entschlüsse kommen. Ammianus weiss, dass bei’eits in Vienna
Julian der Tod des Constantius verkündet wurde, sucht auch
diesen Hang- zur Erforschung der Zukunft zu erklären, ver
schweigt aber nicht, dass, während Julian schon früher von
dem christlichen Cultus abgefallen war und die Eingeweide
der Thiere befragte, heidnische Opfer verrichtete, er äusserlich
sich als Christ benahm, und um seinen Abfall zu bemänteln, noch
am hohen Feste Epiphania in die christliche Kirche zog und
dort betete. Zosimos, in dessen Darstellung diess nicht passte
und dessen Held durch das, was Ammian eine Täuschung
nennt, gelitten hätte, verschweigt diesen charakteristischen Zug
im Leben Julians, der jedenfalls den Christen gerechten Grund
gab, sich über die Heuchelei des neuen Augustus zu beklagen,
dem das Mittel gleichgiltig war, wenn es nur zum Zwecke
führte. Zosimos erwähnt ferner, dass Julian an den römischen
Senat schrieb; Ammian, dass es vom Nai'ssos aus geschah und
Julian hiebei den Kaiser Constantin als einen Beseitiger der
alten Gesetze 1 — eigentlich als den Verwirrer des Staates be-
zeichnete. Zosimos verschweigt den Abfall der zwei constan-
tinischen Legionen, die sich nach Aquileja begaben und die
wichtige Stadt für Constantius besetzt hielten; der Tod des
letzteren in Mobsucienae wird von Zosimos nur im Vorbei
gehen erwähnt, von Ammianus ausführlich behandelt, die Cha
rakteristik des Kaisers gegeben und bemerkt, dass seine
Gemahlin in gesegneten Umständen gewesen, seine nachgeborne
Tochter die Gemahlin des Gratianus geworden. Während
durch die Schilderung Ammians das Bild des Constantius in
den lebhaftesten Farben vorgeführt wird, lässt sich Zosimos
nicht einmal auf einen Versuch ein dies zu thun. Von dem
Aufenthalte Julians in Constantinopel weiss er nur günstiges
zu berichten, während Ammianus die Verfolgungen aufzählt,
die damals stattfanden, und mehr wie eine Schattenseite des
Kaisers aufdeckt. Es ist kein Grund Kaiser Constantin wegen
seines Verhaltens zu den Gothen zu tadeln, während Julian
die grösste Gefahr, welche dem Reiche in der nächsten Zeit
von diesen drohte, geradezu misskannte; dass er nun die
Tempel wieder öffnen Hess und den Göttercultus wieder auf-
1 Novatoris turbatorisque priscarum legum XXI. 10.
Abhandlungen aus dem Gebiete der alten Geschichte. VII.
561
richtete, lernen wir aus Ammianus kennen. Auch der Auf
enthalt des Kaisers in Antiochia, wo er den Göttern masslos
Opferthiere schlachtete, die christliche Kirche scliliessen liess,
weil der Apollotempel in Daphne in Flammen aufging, ge
staltet sich bei Ammianus ganz anders als bei Zosimos, der
für den Misopogon, die Schrift schwärmt, welche Julian selbst
gegen die Spottsucht der Antiochener verfasste. Den Versuch,
den Tempel von Jerusalem wiederherzustellen, der durch die
aus dem Boden hervortretenden Flammen vereitelt wurde,
lernen wir nur aus Ammian, nicht aus Zosimos kennen. Es
erübrigt nun, den Kriegszug gegen Persien zur Untersuchung
der Glaubwürdigkeit beider Autoren kurz zu durchgehen.
Ammian beginnt die Darstellung, indem er erwähnt, Julian
sei von dem praefectus Galliarum Sallustus auf das Dringendste
gebeten worden, den Krieg nicht zu unternehmen; Zosimos,
indem er die Gründe verschweigt, warum in Antiochia bei
dem Ausmarsche ungünstige Zeichen stattfanden. Ammianus
lässt keine Gelegenheit vorübergehen, den Leser mit den
geographischen Verhältnissen bekannt zu machen, ehe er an
die historische Darstellung kommt; Zosimos hat es vor Allem
mit Vorhersagungen und ähnlichen Dingen zu thun, bis sich
seine Darstellung in der Person Julians und seiner militärischen
Energie concentrirt. Er lässt das Heer über Zautha 1 nach
Dure vorrücken, wo das Grab des Kaisers Gordianus gezeigt
wurde, während Ammian dieses bei Zaitha sah (XXIII. 5.).
Er erwähnt dann noch Phatusa — bei Ammianus Thilutlia —
der Stadt Dakira — bei Ammianus Diacira, Sitha, Megia
und Zaragardia, das Ammianus Ozogardana nennt, verschweigt
Macepracta, nennt Pirisabora, DrjpcraßGpa, übergeht die Juden
stadt, 2 erwähnt Fissenia, Bithra und Besuchis, wie er Ammians
Maiozamalcha nennt. Es ist wohl kein Zweifel, dass Zosimos
ungeachtet der Verschiedenheit der Namen, den Bericht Ammians
vor sich hatte. Coche (Seleucia) ist bei ihm Zochasa, den
Kampf von Narmalaches (Naarmalcha, Ammianus), beschreibt
er selbst ausführlicher, und nennt namentlich die Gothen (ol
TsOoi), welche mit den Römern die Perser verfolgten. Dass
1 III. c. 13.
2 Ammianus XXXIII. 4.
f>62
Hnf ler.
aber Julian, aufgebracht über das Benehmen der zehn schönsten
Stiere, den Jupiter versicherte, er werde dem Mars kein
Opfer mehr bringen (XXXIV. 6), wird, so charakteristisch es
ist, von Zosimos umgangen. Ammian erwähnt nun, dass der
Plan, Ktesiphon zu belagern, aufgegeben wurde, und nachdem
die Flotte den Flammen überliefert worden, das Heer (infaustis
ductoribus praeviis) in das Innere des Landes eindrang. Als
der Beschluss die Flotte zu verbrennen, zurückgenommen
wurde, war es zu spät. Julian hoffte durch Vereinigung des
bisher getrennten Heeres den Sieg zu erlangen, als gerade
dieser Plan durch die freiwillige Verwüstung ihres Landes von
den Persern zum Scheitern gebracht wurde. Gerade in dieser
Beziehung ist Ammianus ungemein lehrreich. Die Eingeweide
der Thiere wurden befragt, um zu erfahren, was jetzt zu ge
schehen habe! Man musste sich entschliessen, den Bückzug
anzutreten, um womöglich Corduena zu erreichen. Zosimos
übergeht diesen wichtigen Umstand. Er erwähnt, das Heer
sei nach Noorda, nach Barophthä, nach Symbra zwischen
Nisbara und Nischanale, zwischen Danabe und Synka nach
Maronsa, nach Akketes und Tummara gekommen, wo Alle Reue
in Betreff des Schiffsbrandes befiel. 1 Ammian erwähnt den
zweitägigen Aufenthalt in Hucumbra, den Kampf mit der
schweren Reiterei der Perser bei Maranga, die entsetzliche
Noth, die das Heer litt, die Erscheinung des Genius, den Julian
schon in Gallien erblickt, jetzt mit verhülltem Haupte, die
ängstliche Befragung etrurischer Zeichendeuter, als eine Stern
schnuppe gefallen und ihren Rath den Aufbruch zu verschieben,
die Betheiligung Julian’s am Gefechte, seine Verwundung durch
den Wurfspiess eines Reiters ohne dass man wusste, woher er
kam, seinen Tod, seine Charakteristik. XXXV. 3. 4. Ammian’s
Darstellung des Todes Julian’s ist von hohem dramatischen
Interesse. Es ist nichts gespart, den Helden mit der Gloriole
antiker Tugend zu umziehen und den Untergang des jugend
lichen Kaisers in den lebhaftesten Farben darzustellen. Wie
dem Vorkämpfer der römischen Republik, Marcus Brutus, zwei
Male der Geist des grossen Julius erschien, der dem römischen
Staate die entscheidende Wendung zur Monarchie gab und
Abhandlungen aus dem Gebiete der alten Geschichte. VII.
563
dessen Namen sich zur Bezeichnung der höchsten Würde
bleibend erschwang, erscheint dem Cäsar Julian in Gallien,
dem Augustus Julian im Lager der Genius der antiken Welt.
Etrurische Wahrsager verkünden Unheil auf persischem Boden,
der Kaiser aber denkt nur an seine Pflicht, als die Perser das
Heer anfallen, eilt ohne Panzer in das Treffen, erhält dort die
tödtliche Wunde und zwar wie Zosimos berichtet, durch ein
Schwert, also im Einzelnkampfe, nach Ammian durch den
Wurfspiess, den vielleicht eine römische Faust geschleudert, er
zerschneidet sich die Finger, als er die Mordwaffe herausziehen
will, fällt, vom Blutverluste erschöpft, besinnungslos vom Pferde,
wird in das Zelt getragen, verlangt, als die Besinnung wieder
kehrt, Pferd und Waffen, muss aber regungslos Zurückbleiben
und vernimmt nun, dass der Ort, wo sich das Unheil begeben,
Phrygia heisse, so wie ihm verkündet worden, dass er daselbst
sterben werde. Mühsam vertheidigen sich unterdessen die
Seinen gegen die gesteigerten Angriffe der Perser, er aber
rafft seine Kraft zusammen, hält eine Anrede an die trauern
den Freunde, in welcher er sich glücklich preist zu sterben,
sich rühmte stets für Milde gesinnt gewesen zu sein und die
Willkür in allen seinen Handlungen ferne gehalten zu haben,
liess aber die wichtigste Frage, einen Nachfolger zu bestimmen,
gleich Alexander ungelöst, verlangt, nachdem er mit zwei
Philosophen über die Erhabenheit der Seele ein Gespräch be
gonnen, zu trinken und stirbt, als er den kalten Trunk zu
sich genommen im einunddreissigsten Lebensjahre. Während
Ammiau dann sorgfältig seine Tugenden wie seine Fehler durch
geht und unter diesen namentlich hervorhebt, dass er den
Christen die Möglichkeit der literarischen Bildung entzogen,
beschränkt sich Zosimos auf zehn Zeilen, in welche er die
Erzählung von der Verwundung und dem Tode zusammen
drängt und erwähnt bei seinem Ende nur, er habe beinahe
den Untergang des persischen Reiches herbeigeführt.
Unstreitig besitzt Ammianus nicht blos den grossen Vorzug
umständlicher und genauer Darstellung vor Zosimos; seine
Schilderungen sind lebhaft, seine Charakteristik gewissenhaft,
er weiss sich über die Ereignisse und Personen zu stellen, ein
dramatisches Interesse zu erregen. Es ist aber nicht blos diese
Eigenschaft, welche Ammian einen hervorragenden Platz unter
Sitzungsber. d. pkil.-hist. CI. XCV. Bd. II. Hft. 37
564
Höfl er.
den römischen Geschichtschreibern anweist. Er huldigt der
Ueberzeugung von dem Walten der Adrasteia, einer vergelten
den Gerechtigkeit auf Erden, die sich an die freien Thaten
der Menschen anknüpft, während Zosimos aus der Befangen
heit eines Cultus nicht herauskommt, der im Absterben be
griffen, sich an Zeichendeuterei, an trügerische Prophezeiungen
anklammert und im Untergange der alten Welt nicht das
natürliche Ende eines langen Processes, der endlichen Aus
geisterung erkennt, sondern nur das Werk einer Usurpation,
der Verdrängung legitimer Götter. Die Verbissenheit, welche
Julian charakterisirt und ihn verleitete, im Christenthume nur
das Werk der Schlechtigkeit zu erblicken, hat sich nicht nur
des Zosimos bemächtigt, sie trübt seinen Blick in Bezug auf
die Ereignisse seiner Umgebung wie der jüngsten und ent
fernteren Vergangenheit. Kaiser Constantin erscheint ihm nur
in dem grellen Lichte eines Neuerers, das Julian angezündet.
Der falsche Grundton klingt durch und erzeugt eine Miss
stimmung, die nicht mehr aufhört. Schon bei der Erörterung
der diocletianischen Zeit kommt Namensverwechslung und Irr
thum vor. Keltisch und germanisch wird regelmässig unter
einandergeworfen, so dass Paris selbst eine germanische Stadt
wurde. Aehnliche Fehler, Mangel an Genauigkeit und Sach-
kenntniss, begegnet uns, wie oben gezeigt, häufig. Ich glaube
auf keinen Widerspruch zu stossen, wenn ich sage, so weit als
Ammianus reicht, bleibt er auch die Hauptquelle und wenn
dieser zum Schlüsse seines 378 endenden Werkes sagt, er habe
die Wahrheit bekannt, niemals wissentlich verschwiegen oder
gelogen, so muss ihm die Beistimmung des Lesers folgen. Der
Werth der letzten Bücher des Zosimos besteht wesentlich
darin, dass über die ersten Jahre des Honorius die Quellen
so sparsam fliessen und er die Person Stelicho’s in den Vor
dergrund stellt, mit Recht die Aufrechthaltung des Reiches an
die Erhaltung dieser ausgezeichneten Persönlichkeit anknüpft.
Grösseres Verdienst wird ihm wohl kaum zuerkannt werden.
Ungeachtet aller Verkleinerung, die sich Zosimos erlaubt, be
stand der gx'össte Fehler, den Theodosius beging, in seiner kurzen
Regierung und obwohl ihm ein sehr erbärmliches Geschlecht
nachfolgte, war noch immer die Frage, was besser sei, der
Mangel an einer Dynastie mit all den Schwankungen und Er-
Abhandlungen aus dem Gebiete der alten Geschichte. VII.
565
schütterungen des Reiches, die sich daran anknüpften, oder
eine wenn auch schwache Dynastie, welche noch immer eine
Einheit des Reiches repräsentirte und den Bestand desselben
verbürgte. Die Auflösung des Reiches, die Umwandlung des
selben in Barbarenländer trat denn doch erst ein, als es im
römischen Reiche keine Dynastie, keine Vertretung ererbter
Grundsätze mehr gab; dass aber das römische Reich, wenn
auch in seiner Umänderung als romäisches sich erhielt, ver
dankt es vor Allem dem Umstande, dass durch Dynastien, die
seit dem VII. Jahrhunderte nicht mehr so raschem Wechsel
unterlagen, eine politische Stetigkeit in dasselbe gekommen
war. Die ganze Entwicklung der römischen Kaisei-geschichte
beweist somit die Falschheit der Grundanschauung des Zosimos,
der selbst zwar kein psychologisches Räthsel war, aber wohl ein
psychologisches Denkmal aus einer Uebergangsperiode, die alle
bedeutenden Geister in Aufregung versetzte, mittelmässige ver
wirrte und bei dem Umstürze des Alten, dem Emporkommen
einer neuen Ordnung der Dinge, Umwälzungen hervorrief,
welche das dem Untergange geweihte noch im rosigen Schimmer
einer gewissen Verklärung erscheinen Hessen und zwar in dem
Maasse, in welchem die Gegenwart selbst wenig Befriedigung
erzeugte, ja selbst düster und grauenvoll sich entwickelte.
37*
XXI. SITZUNG VOM 22. OCTOBER 1879.
Die Universität in Kopenhagen übersendet die aus An
lass ihrer vierhundertjährigen Stiftungsfeier geprägte Medaille
und erschienenen Festschriften.
Herr J. Rocltiewicz, k. k. Oberst und Vorstand der
topographischen Abtheilung im militär-geographischen Institute
überreicht mit Zuschrift seine als Manuscript gedruckte Schrift: y
,Directe Reduction der Militärmappen zu Karten kleineren
Maassstabes unter Anwendung der gekörnten Zeichnung am
Papierd
An Druckschriften wurden vorgelegt:
Accademia reale delle Scienze di Torino: Memorie. Ser. II“, Tomo XXX.
Torino, 1878; 4°. — Atti. Vol. XIV. Disp. 6“ et 7“ (Maggio et Giugno
1879). Torino; 8».
Ackerbau-Ministerium, k. k.: Statistisches Jahrbuch für 1878. III. Heft:
Der Bergwerksbetrieb Oesterreichs im Jahre 1878. I. Lieferung: Die
Bergwerksproduction. Wien, 1879; 8°.
Central-Commission, k. k. statistische: Statistisches Jahrbuch für das
Jahr 1877. V. und VI. Heft. Wien, 1879; 8«. Jahr 1878. I. Heft. Wien,
1879; 8°. Jahr 187G. X. Heft. Wien, 1879; 8°. — Ausweise über den
auswärtigen Handel der österreichisch-ungarischen Monarchie im Sonnen
jahre 1878. XXXIX. Jahrgang. IV., V. und VI. Abtheilung. Wien,
1879; gr. 4°.
— zur Erforschung und Erhaltung der Kunst- und historischen Denkmale:
Mittheilungen. V. Band. 3. Heft. Wien, 1879; gr. 4°.
Copenhague, Universite: Apercu sur l’Organisation. Copenhague, 1878; 4°.
— Kjöbenhavns Universitets Retshistorie 1479 —1879 af Henning
Matzen. 1. et 2. Del. Kjöbenhavn, 1879; 4°. — Gedäehtuissmedaille
des vierhundertjährigen Bestandes der Universität.
567
Harzverein für Geschichte und Alterthumskunde: Zeitschrift. XII. Jahr
gang 1879. 1. und 2. Heft. Wernigerode, 1879; 8°.
Maatsehappij der Nederlandsche Letterkunde te Leiden: Handelingen en
Mededeelingen over het Jaar 1878. Leiden, 1878; 8°. — Levensberichten
der afgestorvene Medeleden. Leiden, 1878; 8°. —• Catalogus der Bibliothek.
Derde gedeelte Nederlandsch Tooneel. Leiden, 1877; 8°.
Museum Francisco-Caroliuum: XXXVII. Bericht nebst der XXXI. Lieferung
der Beiträge zur Landeskunde von Oesterreich ob der Ens. Linz, 1879; 8°.
Numismatische Blätter: Organ für Numismatik und Alterthumskunde.
I. Jahrgang, Nr. 7—9. Wien, 1879; 4°.
,Revue politique et, litteraire“ et ,Revue scientifique de la France et de
l’Etranger 1 . IX e Annee, 2 e Serie. Nr. 16. Paris, 1879; 4°.
Roskiewicz, J., k. k. Oberst: Directe Reduction der Militärmappen zu
Karten kleineren Maassstabes unter Anwendung der gekörnten Zeichnung
(Schummerung) am Papier; mit XII Beilagen. Wien, 1879; 8°.
Soeiete d’Histoire et d’Archeologie de Geneve: Mdmoires et Documents.
Tome XX. Livraison 1. Geneve, Paris, 1879; 8°.
— de Biologie: Compte rendu des seances. Faseicules Nr. 1—8 de Janvier
h fin Decembre 1873. Paris, 1873/4; 8 n . Fascicule Nr. 1 de Janvier
ä fin Avril 1874. Paris, 1874; 8°. Fascicule Nr. 1 de Janvier k fin
Avril 1875. Paris, 1875; 8°. Fascicule Nr. 3 d’Octobre ä fin Decem
bre 1875. Paris, 1876; 8°. Faseicules Nr. 1 ä 3 de Janvier ä fin De
cembre 1876. Paris, 1876/77; 8°. — Memoires. Fascicule de l’annee 1873.
Paris, 1874; 8". Fascicule de l’aunee 1875. Paris, 1876; 8°. Fascicule
de Janvier h Decembre 1876. Paris, 1877; 8°. Comptes-rendus des Seances
et Memoires. Tome L de la VI e Serie, Annee 1874. Paris, 1875; 8°.
Tome IV de la VP Serie, Annee 1877. Paris, 1879; 8°.
Society, the Royal, of London: The Council of the royal Society. 30th No
vember, 1878; 4°. Catalogue of scientific Papers (1864—1873), Vol. VIII.
London, 1879; gr. 4°. — Philosophical Transactions; for the year 1877.
Vol. 167. Part II, London, 1878; 4 n . Vol. 168 (Extra Volume). London,
4°. for the year 1878. Vol. 169. Parti. London, 1878; 4°. — Proceedings.
Vol. XXVI, Nr. 184. London, 1877; 8«. Vol. XXVII, Nr. 185-189.
London, 1878; 8». Vol. XXVIII, Nr. 190—195. London 1878/79; 8».
Vol. XXIX, Nr. 196. London, 1879; 8°.
Verein, Militär-wissenschaftlicher, in Wien: Organ. XIX. Band. 3. Heft.
1879, Wien; 8°.
•— historischer, von Unterfranken und Aschaffenburg: Archiv. XXV. Band,
1. Heft. Würzburg, 1879; 8°. — Die Geschichte des Bauernkrieges in
Ostfranken von Magister Lorenz Fries. III. Lieferung. Wiirzburg, 1878; 8°.
SITZUNGSBERICHTE
DER
KAISERLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN.
PHILOSOPHISCH-HISTORISCHE CLASSE.
XCV. BAND. III. HEFT.
JAHRGANG 1879. — NOVEMBER.
XXII. SITZUNG VOM 5. NOVEMBER 1879.
Die Direction des k. k. Staatsgymnasiums zu Marburg
dankt für die Betheilung mit dem ,Anzeiger'.
Das k. k. Reichs-Kriegsministerium übermittelt die in
der dritten Section des technischen und administrativen Militär-
Comite bearbeitete Zusammenstellung der ,Verluste der im
Jahre 1878 mobiiisirten k. k. Truppen, vom Beginn der Mobi-
lisirung bis zum Jahresschlüsse, vor dem Feinde und in Folge
von Krankheiten'.
Für die akademische Bibliothek werden ferner eingesendet:
Von Herrn Major F. Jaitner in Wien die von dem k. k.
Oberlieutenant C. Balog von Mankobück gefertigten ,Kriegs-
Bilder-Skizzen aus dem bosnisch-herzegovinischen Occupations-
feldzuge 1878';
von dem c. M. Herrn Professor Dr. von Inama-Sternegg
in Innsbruck sein eben erschienenes Werk: ,Deutsche Wirth-
schaftsgeschichte bis zum Schlüsse der Karolingerperiode';
572
von der Bibliotheca civica in Novara die von Herrn A.
Ceruti gesammelten und mit Noten herausgegebenen ,Statata
communitatis Novariae anno 1277 lata'.
Herr Dr. Heinrich St. Sedlmayer, Supplent am lc. k.
akademischen Gymnasium, übergibt seinen ,Bericht über die
im Aufträge der Kirchenvater-Commission unternommene Durch
forschung der Handschriften lateinischer Kirchenväter in den
Bibliotheken Londons und Cheltenhams'.
Von dem w. M. Herrn Dr. Pfizmaier wird eine für die
Denkschriften bestimmte Abhandlung: ,Darlegung der chine
sischen Aemter, II. Abtheilung, Schluss' vorgelegt.
Von Herrn Dr. phil. Richard Müller in Wien wird
mit der Bitte um Veröffentlichung in den akademischen
Schriften eine Abhandlung, welche betitelt ist: ,Oesterreich.
Die Entwickelung des Namens aus dem Appellativum', ein
gesendet.
Die Abhandlung wird einer Commission zur Begutachtung
zugewiesen.
Das w. M. Herr Professor Dr. Hartei übergibt eine
Abhandlung des Herrn Docenten Dr. Alois Rzach in Prag,
welche ,Studien zur Technik des nachhomerischen heroischen
Verses' enthält und um deren Aufnahme in die Sitzungsberichte
ersucht wird.
Die vorgelegte Abhandlung wird einer Commission zur
Begutachtung überwiesen.
573
An Druckschriften wurden vorgelegt:
Academia real de la Historia: Boletin. Tomo. I. Guaderno IV. Setiembre,
1870. Madrid, 1879; 8°.
Aecademia delle Scienze dell’ Istituto di Bologna: Memorie. Serie III. Tomo X.
Fascicolo l mo —4°. Bologna, 1879; 4°.
— reale delle Scienze di Torino: Atti. Vol. XIV. Disp. 5 a (Aprile 1879).
Torino; 8°.
Akademie der Wissenschaften, lcönigl. baierische: Abhandlungen der pliilos.-
philologischen Classe. XIV. Band. 3. Abtheilung. München, 1878; 4°. —
Sitzungsberichte 1879. Heft 1 und 3. München, 1879; 8°. — Abhandlungen
der historischen Classe. XIV. Band. 2. Abtheilung. München, 1878; 4°.
Vita Adae et Evae, von Willi. Meyer aus Speyer. München, 1879; 4°. —
— Das Taufbuch der Aethiopisclien Kirche, von Ernst Trumpp. München,
1878; 4°. — Der Traetat des David von Augsburg über die Waldesier, von
Dr. H. Preger. München, 1878; 4°. — Kaiser Friedrich II. Kampf um
Cypern, von Franz v. Löher. München, 1878; 4°. — Busiris und Osyman-
dias, von Prof. Dr. Lautli. München, 1878; 4°. Baierische Urkunden aus
dem XI. und XII. Jahrhundert. Die Schirmvögte Freisings. Seine Bischöfe
bis zum Ende des XII. Jahrhunderts, von Friedrich Hector Grafen Hundt.
München, 1878; 4°. — Die rliytmische Continuität der griechischen Chor
gesänge, von W. Christ. München, 1878; 4°. — Die musikalischen
Handschriften der lc. Hof- und Staatsbibliothek in München, beschrieben
von Jul. Jos. Maier. I. Theil. Die Handschriften bis zum Ende des
XVII. Jahrhunderts. München, 1879; 8°.
Gesellschaft, deutsche morgenländische: Zeitschrift. XXXIII. Band. III. Heft.
Leipzig, 1879; 8°.
— Oberlausitzisclie der Wissenschaften: Neues Lausitzisches Magazin.
XXV. Band. 1. und 2. Heft. Görlitz, 1878; 8°.
Inama-Sternegg, Dr. Karl Theodor: Deutsche Wirthschaftsgeschichte bis
zum Schlüsse der Karolingerperiode. Leipzig, 1879; 8°.
Istituto reale Lombardo: Classe di Lettere et Scienze morali e politiche.
Vol. XIII, XIV della Serie III, Milano, Pisa, Napoli, 1878 ; gr. 4°. —
Rendiconti. Serie II. Vol. XI. Milano, Pisa, Napoli, 1878; 8°.
Lund, Universität: Acta. Philosophi, SprSkvetenskap och Historia. Tom. XII.
1875/76, Lund; gr. 4°. Tom. XIII. 1876/77, Lund; gr. 4°. Tom. XIV.
1877/78, Lund; gr. 4°. Tom. XIII. 1876/77. Theologi. Lund; gr. 4°.
— Lunds Universitets-Biblioteks Accessions-Katalog 1876/77 und 1878.
Lund; 8°.
,Revue politique et litteraire 1 et ,Revue scientifique de la France et de
l’Etranger 1 . IX“ Annee, 2 C Serie. Nr. 17 et 18. Paris, 1879; 4°.
574
Rostock, Universität: Akademische Schriften aus dem Jahre 1878/79.
24 Stücke Folio, 4° und 8°.
Society, the American geographical: Bulletin. 1878. Nr. 5. New York. 1879;
8». 1879. Nr. 1. New York; 8«.
— the royal geographical: Proceedings and monthly Record of Geography.
Vol. I. Nr. 10. London, 1879; 8».
Verein, historischer, der fünf Orte Luzern, Uri, Schwyz, Unterwalden und
Zug: Mittheilungen. Der Geschichtsfreund. XXXIV. Band. Einsiedeln,
New York, Cincinnati und St. Louis, 1879; 8°.
— historischer, der Pfalz: Mittheilungen. VII und VIII. Speyer, 1878, 1879; 8°.
Horawitz. Erasmiana. II.
575
Erasmiana. II.
Ton
Adalbert Horawitz.
Aufs Neue wird es mir möglich, gefördert durch die so
dankenswerthe Unterstützung der Herren Director Dr. Karl
v. Halm in München, Pfarrer Dr. Kawerau in Berlin, und Herrn
Director Dr. Georges in Gotha, einige bisher unedirte Briefe
des Erasmus herauszugeben, denen noch einiges andere auf
ihn Bezügliche angeschlossen werden mag.
Die Briefe sind dem Codex chartaceus Gothanus 399,
dem Cod. Pal. Vindobon. 8987, dem Cod. Seidel. Berolinensis,
dem Cod. lat. Monacensis 10358 (Collatio Camerariana) und
der Autographensammlung Director Halm’s entlehnt. Sie be
handeln verschiedene wichtige und minder wichtige religiöse
und wissenschaftliche Fragen; der Brief Stromer’s an Spala-
tinus gibt eine Nachricht über den Tod des Erasmus, die
unter dem frischen Eindruck des Ereignisses geschrieben ist.
Vor Allem interessiren uns die Beziehungen des grossen Ge
lehrten zur religiösen Frage. Neues habe ich allerdings zu
meiner (Erasmiana I. geäusserten) Anschauung über die Stel
lung des Erasmus zu Luther und seiner Lehre nichts hinzu
zufügen, doch findet sich Einzelnes, das Beachtung verdienen
möchte. 1
Die vorliegende Sammlung wird durch einen Brief des
Erasmus an Johannes Lange, den bekannten Erfurter Huma
nisten und Theologen, eröffnet.
1 Hie und da werde ich mir für die breite Darstellung wohl Nachsicht
erbitten müssen, doch verlangte die Stellung zu Luther eingehendere
Betrachtung.
576
Horawitz.
Der Brief ist in mein- als einer Hinsicht’ merkwürdig.
Erstlich dadurch, weil er die hohe Achtung zeigt, die Erasmus
für den Theologen an den Tag legt, sodann aber wegen des
Urtheiles über Luther, von dessen Freimüthigkeit die Besten
erbaut seien, von dessen Klugheit Erasmus erwartet, sie werde
Zweiungen und Parteiungen '— ihm so sehr verhasst —
vermeiden. Sehr scharf ist dabei die Aeusserung über die
,Tyrannis' des römischen Stuhles und seiner Satelliten: der
Dominikaner, Carmeliter und Minoriten. Nur durch die Ent
fernung jener Tyrannis und der schlechten (setzt er vorsichtig
hinzu) Mitglieder jener Orden könne ein Sieg für die wahr
haft Geistlichen errungen werden. Erasmus gab es damals
übrigens selbst zu, dass ohne schvrere Unruhe dergleichen
nicht in Angriff genommen werden könne.
Auch der zweite Brief der Sammlung ist wieder ein
Schreiben an Johannes Lange, an den sich in den bisherigen
Collectionen kein Brief vorfand. 1 Die vorliegende Epistel
wurde durch Eoban Hesse dem Adressaten übersandt als Ant
wort auf einen von demselben dem Erasmus überreichten Brief. 2
Nach einem auch an anderen Orten gleichen Lobe Eoban
Hesse’s- 3 wendet sich Erasmus sofort zur wichtigsten Tages
frage, zu Luther’s Thesen, spricht seine Achtung vor Staupitz
aus und führt einen Seitenhieb gegen die verächtlichen Syko
phanten, denen er über seine Ueberzeugung nicht Rechenschaft
schuldig sei. Es sei ihm genug, allen Bischöfen und den
Ersten und Besten der Theologen zu gefallen; wüsste er eine
Lebensführung, in der er Christus mehr gefallen könnte, so
würde er dieselbe sofort ergreifen. Denn ihn fessele weder
Ruhm, noch Geld, noch Vergnügen, noch Begier nach Leben.
Luther höre er von allen Guten loben, aber man sage er sehe
sich in seinen Schriften nicht gleich. Er meine, dass seine
Thesen bei Allen Gefallen fänden mit Ausnahme derer über
das Fegefeuer, was sich Jene nicht entreissen lassen wollten.
Der darauffolgende Passus, sowie der Ausfall gegen den Syl-
1 Der erste Brief des Erasmus an Lange, der von mir in Erasmiana I.
publicirt ward (S. 456), kann am Schlüsse dieser Collection durch eine
in Gotha befindliche Abschrift ergänzt werden.
2 Cf. Krause, Eoban Hesse. I. 295.
3 Cf. die Bemerkungen über Eoban Hesse unten.
Erasmiana. II.
577
vester Prierias — der übrigens oft und noch um 1527 wieder
kehrt — sind stark, werden aber weit überboten durch die
gewaltigen Worte über das Papstthum — ,die Pest der Christen
heit' —, das durch die Fürsten gebessert werden solle, die
aber wie er fürchte, mit dem Papste unter einer Decke spielen
und die Beute theilen. Nach diesen Proben kräftiger Ausdrucks
weise — vielleicht möchte sie desshalb Jemand für Interpola
tionen halten — kann die Bemerkung über Eck nicht be
fremden, dass er aus Ruhmsucht sich gegen Luther erhoben
habe. Erasmus stand mit Eck in (Korrespondenz; eben aus
dem Jahre 1518 ist ein Brief erhalten, in dem Eck in gutem
Latein, aber ziemlich servil und süsslich seine Ansichten über
des Erasmus Bemerkungen zum Matthäus VI. ausspricht. 1 In
der Antwort vom 23. April, die Erasmus dem Ingolstädter
Theologen zukommen lässt, geht er in spöttischer Weise auf
dessen Bemerkungen ein. 2 In Briefen aus jenem Jahre, z. B.
an Hermann von dem Busche, 3 zeigt sich Erasmus ziemlich
gegen Luther eingenommen, damals schon tauchte aber das
Gerücht auf, er habe Luthern bei der Ausarbeitung seiner
Schriften geholfen. 4 Eine freundlichere Stimmung zeigt —
aus mannigfachen begreiflichen Ursachen allerdings — der
Brief an den Rector der Universität Erfurt, in dem er Luther
nur dessen Heftigkeit vorwirft. 5 Objectiv und ruhig schreibt
er in einem anderen Briefe des Jahres 1518: Ego Lutherum
nec accuso, nec defendo. Sic esse res ipsa. docebit. 0 Schärfer
äussert sich Erasmus, wenn auch in versteckten Ausfällen und
nicht ohne herben Tadel über die Geistlichkeit, wie sie eben
ist, 7 in Briefen an Jodocus Jonas, den früheren Juristen
und jetzigen Theologen zu Erfurt, dem Erasmus auch eine
kurze Biographie des Joh. Vitrarius und Coletus niederschrieb. 8
An Jonas, der 1519 über die Korintherbriefe las, richtet sich
1 Clerieus 1. c. 296.
2 Ibidem 397.
3 Ibidem 316.
4 Ibidem 322.
5 Ibidem 324.
c Ibidem 376.
7 Ibidem 446.
8 Ibidem 451.
578
Horawitz.
denn auch jener Brief, der Nr. III unserer Sammlung bildet.
Er fordert darin den Erfurter Kreis auf, gegen den so vielfach
bekämpften Lee zu Felde zu ziehen, was denn auch wirklich
durch die Epigrammata in Eduardum Leum quorundame sodali-
tate literaria Erphurdien. Erasmici nominis studiosorum geschah,
gibt Notizen über den Streit gegen Lee und endlich die be-
merkenswerthe Aeusserung über die Löwner Universität und
über die Dominikaner. Er wisse nicht, welche Gesinnung die
Dominikaner Luther entgegenbrächten. Diese Aeusserung führt
wieder zur Betrachtung der Stellung Erasmus’ Luther gegen
über, wie er sie in anderen Briefen an Jonas kundgibt. Man
zürne ihm, sagt er unter Anderem (am 11. November 1520),
nicht weniger als Luther, ihm allein lege man es zur Last,
dass Luther noch nicht vernichtet sei. Er habe sich aber aus
vielen Gründen in die lutherische Angelegenheit nicht ein
gemengt. 1 Von höchstem Interesse ist der Brief an Jonas
vom Jahre 1521 (datirt 10. Mai), 2 in dem Erasmus die Er
gebnisse des Wormser Tages bespricht und seinen so ent
schieden irenistischen Standpunkt offenbart: Quid enim est
aliud nostra religio, quam pax in Spiritu sancto! Und nun legt er
dar, wie sehr reformbedürftig die gegenwärtige Kirche sei, und
wie allgemein desshalb der Beifall gewesen, den Luther bei
seinem Auftreten gefunden, ein Beifall, wie ihn wohl seit Jahr
hunderten kein Mensch gehabt. Aber er selbst habe schon
hei den ersten Schriften Luther’s die Besorgniss nicht unter
drücken können, dass sie zu Bewegungen und Zweiungen
führen würden. Desshalb habe er Luther sowohl als die Freunde
desselben, die auf ihn Einfluss nähmen, gemahnt. Aber wohl
ohne Erfolg; aggressiv sei jener gegen den Papst, die Schulen,
die Mönche vorgegangen, sei es da ein Wunder, wenn der
Erfolg ein solcher sei, wie er nun wäre? Eine so heikle Sache
müsse zart und fein angefasst werden, nicht mit Schmähungen.
Die Art des Vorganges, wie sie Erasmus gewünscht hätte,
beschreibt er in einer für ihn so charakteristischen Weise,
dass ich den Wortlaut folgen lasse: Porro quum prudentis
oeconomi sit dispensare ueritatem, hoc est, promere cum res
1 Clericus Ili. 592.
2 Ibidem 639.
Erasmiana. II.
579
postulat et promere quod satis est et cuique promere quod sit
accommodum, ille tot libellis praecipitatis, simul effudit omnia,
nihil non euulgans ac cerdonibus etiam communia faciens, quae
solent inter eruditos ceu p,urax.a v.cd ämpprjxoc tractari, ac frequenter
impetu quodam immoderato, mea quidem sententia fertur ultra
iustum. — Durch zalilreiche Beispiele aus der Schrift, an dem
Vorgänge der Apostel, Kirchenväter u. A. bemüht sich Erasmus
sodann zu zeigen, welchen Unterschied man bei der Aeusserung
der Wahrheit machen müsse. Uebrigens ehrliche Aerzte schreiten
auch nicht sogleich zu dem äussersten Mittel, sondern ver
suchten zuerst den kranken Körper mit leichteren Arzneien
vorzubereiten und bemessen die Dosis so, dass sie gesund
machen, nicht dass sie zu Grunde richten. Auf Jene aber
wolle er nicht hören, die da behaupten, die Krankheit dieses
Zeitalters sei allzu schwer, als dass sie mit leichten Mitteln
geheilt werden könnte. — In Luther’s Worten liege aber viel
Gefahr, um so mehr, als so Viele nach den Gütern der Geist
lichen gierig seien. Sind die Kirchengüter aber nicht mehr
sicher, so seien auch die der Bürger und Adeligen bedroht.
Auch auf Jene wolle er nicht hören, welche meinen,
Luther werde durch die unerträgliche Frechheit der Gegner
gereizt und sei dann unvermögend, die christliche Bescheiden
heit zu beachten. Er hätte sich nicht um die Anderen küm
mern sollen, wer eine solche Rolle übernehmen wollte, müsste
sich gefragt haben, ob er sie auch durchführen könne. Warum
habe Luther lieber den Rathschlägen gewisser Freunde geglaubt,
als sich dem Schiedssprüche des so gütigen Papstes — Leo X.
— und des trefflichen milden Kaisers unterworfen?
Sich selbst wohl und die Gesinnungsgenossen meint Eras
mus, wenn er fortfährt, darüber zu klagen, dass jene ,teme-
ritas' Viele entfremdet habe, die Luthern anfänglich ,wenig-
ungünstig' gesinnt waren, theils weil sie hofften, dass er die
Sache nicht anders durchführen würde, theils wegen der ,eben'
gemeinsamen Gegner. — Die -folgende Darstellung ist eine
oratio pro domo, jedes Wort genau erwogen, kein Ausdruck
darf als günstig für Luther erscheinen, jede freundliche Aeusse
rung wird sofort stark sordinirt. Es geschah — sagt Erasmus
— ich weiss nicht durch welchen Zufall, dass jene,
die Luther anfänglich zu schaffen machten, auch Feinde der
Sitzungsber. d. phil.-hist. CI. XCV. Bd. II. Hft. 38
580
Horawi-tz.
schönen Wissenschaften waren, und desshalb waren die Pfleger
der letzteren Luthern ,weniger abgeneigt', obwohl die Sorge
für die Religion der für die Studien vorausgehen musste. Aber
er vermisse öfter das Muster eines christlichen Herzens, wenn
er sähe, wie Luther und noch mehr seine Gönner sich listiger
weise anstellten, als ob Andere mit ihren Bestrebungen sym-
pathisirten. Wozu habe man denn dem Capnio, der ohnedem
schon hinlänglich belastet war, einen noch viel grösseren Hass
erregt? War es denn nothwendig, seines (des Erasmus) Namens
häufig in so gefährdender Weise Erwähnung zu thun, da die
Sache selbst es so gar nicht verlangte? Er habe Luthern in
einem privaten und versiegelten Briefe ermahnt, gleich sei
dieser in Leipzig gedruckt worden, so sei es auch in anderen
Fällen geschehen. Den eigentlichen Anlass zu seinem Aerger
aber spricht Erasmus in folgenden höchst bezeichnenden Worten
aus: E meis libris quos scripsi, priusquam somniarem
exoriturum Luthe rum odiosa quaedam decerpserunt et in
Germanicam uersa linguam publicarunt, quae uiderentur affinia
quibusdam Lutheri dogmatis. Et uideri uolunt, qui haec faciunt,
quum capitalis inimicus nihil possit hostilius .. . Hoc telum illi
porrexerunt inimicis meis, ut iam in publicis concionibus prae-
dicent, quae mihi congruant cum Luthero. Und nun bemüht sich
Erasmus, die Verschiedenheit zwischen seinen Aeusserungen
und denen Luther’s darzulegen. Er räumt ein, dass er vor
vorschneller Ablegung der Gelübde gewarnt, und das Verfahren
Jener nicht gebilligt habe, die ihr Weib und ihre Kindei’, für
deren Keuschheit und Lebensunterhalt zu sorgen sie verpflichtet
wären, daheim gelassen hätten, und zum heiligen Jacobus oder
nach Jerusalem gelaufen wären, wo sie nichts zu suchen hatten.
Er habe gemahnt, man solle Jünglinge nicht früher zu den
,Banden der Religion' verlocken, bevor sie sich nicht selbst
kennen und wissen, was die ,religio' sei. Das habe er aller
dings ausgesprochen, Luther aber — wie man sagt — ver
dammt alle Gelübde sammt und sonders. — Anderswo klage
er darüber, dass die Bürde der Beichte durch die Fallstricke
gewisser Leute noch beschwerlicher werde. Luther verwirft
— \Ue man sagt — jede Beichte als etwas Verderbliches u. s. w.
Kurz es sei eine schöne Uebereinstimmung, wenn Jener, das
was er gelegentlich wahr und gemässigt ausgesprochen habe,
Erasraiana. II.
581
verdürbe, ,ultra septa trakisiliensh So sehr erregt ihn der ,Miss
brauch', der mit seinen Schriften getrieben werde, dass er
erklärt: er würde, wenn er gewusst hätte, dass ein solches
Zeitalter kommen werde, Manches entweder gar nicht oder
anders geschrieben haben. Und aufs Neue beklagt er sich
über den Missbrauch seines Namens: Sparguntur libelli con-
juratorum, in quibus pingitur et Erasmus. Mihi uero nullum
nomen inuisius quam coniurationis, aut schismatis aut factionis.
Er habe stets Allen nützen und Niemanden schädigen wollen,
er wünsche mit seiner Begabung nicht allein die Deutschen,
sondern auch die Franzosen, Spanier, Engländer, Böhmen,
Russen, ja selbst die Türken und Saracenen zu fördern, wenn
er könne. Fern sei er von jeder Parteiung; jene schienen ihm
aber auch wenig klug zu handeln, die mit solchen Kniffen
Jemanden in ihr Lager locken wollten, dadurch entfremde man
einen verständigen Mann am sichersten. Und am meisten zu
fürchten sei, dass diese Sache ,unserem' Deutschland bei den
übrigen Völkern grosse Schande bereite, wie ja die Masse stets
gewohnt sei, die Unvernunft Weniger der ganzen Nation bei
zumessen.
Was hätte doch Luther leisten können?! Mit grossem
Nutzen für die Christenheit konnte er eine ,evangelische Phi
losophie' lehren, er konnte durch Bücher der Welt nützen,
wenn er sich von jenen Dingen zurückgehalten hätte, die zur
Unordnung führen mussten. Trotz alledem, dass seinen Be
mühungen durch Luther ein guter Theil des Erfolges ent
zogen worden sei und die Lutheraner ihm genug geschadet
hätten, wünsche er doch, dass jener unversehrt bleibe, die
höchst verderbliche Zweiung völlig behoben werde. Uebrigens
wäre dies ja doch noch immer möglich, Jonas solle dazu mit-
wirken, der Papst und der Kaiser seien ja so milde. Schliess
lich spricht er sein Bedauern darüber aus, dass alte Freunde,
wie der hochbegabte Hutten, durch diese Unordnungen ihm
entrissen seien und bittet Jonas, Alles aufzuwenden, dass ein
Jüngling von so herrlichen Anlagen wie Melanchthon durch
diesen Sturm den Wünschen der Gelehrten nicht abwendig
gemacht werde. Er möge diesem und dessen Gesinnungsge
nossen auch seine Ansicht mittheilen, die er in folgende be
zeichnende Worte kleidet: Ante omnia censeo uitandum esse
38*
582
Hora witz.
dissidium 7 nulli bono non perniciosum. Et ita sancta quadam
uafritie tempori seruiendum (!) ac tarnen prodatur thesaurus
Euangelicae ueritatis, unde corrupti mores publici possent
restitui. — Fortasse rogabit aliquis, num alio sim animo in
Lutherum quam fuerim olim. Imo eodem sum animo, semper
optaui, ut mutatis quibusdam, quae mihi displicebant,
pure tractaret Euangelicam Philosophiam, a quo nostri seculi
mores heu nimium degenerarunt. Semper correctum malui,
quam oppressum. Optabam illum sic tractare Christi negotium,
ut Ecclesiae Proceribus aut probaretur aut certe
non reprobaretur. Sic amari cupiebam Lutherum, ut
p a 1 a m a c t u t o posset amari.
Diess ist doch ein klar ausgesprochenes Programm! Eras
mus will die Reform der Kirche, aber i n und mit der Kirche;
er billigt Luther’s Ansichten im Ganzen und Grossen, nicht
aber die Art seiner Aeusserungen, am wenigsten will er durch
ihn ins Gedränge und in Unannehmlichkeiten gebracht werden,
er will endlich Luther in seinen eigenen Fusstapfen wandeln
sehen; tadeln mag er so viel er will, aber nur den Gelehrten
gegenüber, die grosse Masse soll nichts davon erfahren, mag
er noch so scharf die Gebrechen der Kirche geissein, es soll
diess doch so vorsichtig, so fein und so allgemein gehalten
sein, dass es die Kirchenfürsten nicht erbittert, am allerwenig
sten aber dürfe es zu dem verhassten und höchst gefährlichen
,dissidium‘ führen, das des Erasmus gewohnte Lebenskreise
perturbire. Erasmus forderte damit freilich von Luther’s kraft
strotzender rücksichtsloser Natur etwas dieser Unmögliches.
Wenn er aber solche Briefe schrieb, wie den vorliegenden
hochwichtigen an Jonas, hatte er ein schwieriges Stück Arbeit
zu leisten. Wie leicht konnte doch der Brief, aufgefangen und
edirt werden! Es durfte sich dann nichts darin finden lassen,
das die eifernden Gegner gegen ihn verwenden könnten, Lu
ther’s Werk durfte nie eine Billigung erfahren, Erasmus sich
gegen diesen stets möglichst kühl und ablehnend verhalten.
Andererseits ging der Brief aber an Geistesverwandte Luther’s,
an gelehrte Freunde, die mehr oder minder im Gedanken
kreise des Reformators standen; es durfte nicht an einigen
freundlichen — freilich sorgfältig verclausulirten Worten fehlen.
— Wie stets hat auch hier Erasmus ein Meisterwerk geliefert,
Erasmiana II.
583
seine Rede schreitet in seltsam gewundenen hypothetischen
Sätzen einher, der Conjunctiv waltet vor, und so erreicht
denn der Schreiber wirklich den Zweck, sich nichts zu ver
geben. — Aber auch den: beiden Parteien nicht oder wenig
zu gefallen. 1
Die lutherische Angelegenheit ist es auch, die in den
Briefen an den bekannten Johann Fabri die Hauptsache
bildet. Johannes Faber, Doctor der Theologie, Mitglied des
Dominikaner-Ordens, wurde frühzeitig mit den humanistischen
Strebungen bekannt und Freund vieler Humanisten, was er auch
als Official des Basler Bischofs, wie als Vicar des Bischofs von
Constanz (von 1518 ab) blieb. Seine strengkatholische und
antilutherische Gesinnung hob ihn von Stufe zu Stufe, er ward
Rath und Beichtvater König Ferdinands I., dann Bischof von
Wien und war einer der fruchtbarsten und hitzigsten Schrift
steller für den Katholicismus. 2 1541 starb er, 63 Jahre alt.
Wir besitzen ziemlich viele Briefe desselben an Erasmus und
des Letzteren an ihn, wde es denn auch an gelegentlichen No
tizen über ihn in den Werken des Erasmus nicht fehlt. Schon
1516 lässt ihn Erasmus durch Capito als einen Bekannten
grüssen, 3 1519 schreibt Faber an denselben voll der grössten
Verehrung einen schwunghaften Panegyricus. 4 Erasmus dankte
dafür in einem mit Neuigkeiten aller Art erfüllten Schreiben. 5
1 Erasmus hatte an Jonas ausser den hier benutzten auch einen kurzen
Brief über sein Enchiridion, sowie über die Schmähungen, durch die er
von Seiten der Mönche und Theologen seines Neuen Testaments wegen
gesteinigt werde — sed hactenus in absentem omnia, coram nemo, uerbum
— geschrieben. Bei Clericus steht er III. 1843 ohne weitere Datirung
als Louanio 19. Octobris, obwohl das Jahr zu bestimmen leicht gewesen
wäre. Denn das Novum Testamentum erschien 1519, in demselben Jahre
kam bei Froben das Enchiridion heraus; am 19. October dieses Jahres
war aber Erasmus nachweislich in Löwen, wie sein an diesem Tage
an Eoban Hesse geschriebener Brief (Clericus III. 513) beweist.
2 Spicilegium von Burscher, wo auch auf Luther’s Werke, die Briefe des
Urbanus Khegius, Seckendorfs Historia Lutheranismi und J. Quetif et
Jac. Erhardi S. S. Ordinis Praedicatorum II. p. III sq. verwiesen wird.
Cf: auch Kettner, Diss. de Joannis Fabri uita et scriptis. Lips. 1737.
3 Clericus III. 189.
4 Ibidem 435.
5 Ibidem 533.
584
H o r a w i t z.
Eben der grosse Gelehrte war es, der Faber auch bei einigen
Räthen am Hofe aufs wärmste empfahl. So nennt er ihn in
seinem Briefe an Johannes Villinger (Romani et Hispan. Regis
Thesaurarius) vom 3. October 1520 1 als einen Mann, dessen
Bitten oder vielmehr Verdienste ihn zwängen, an Villinger
ein Ansuchen zu richten. Er rühmt dessen ausgezeichnete An
lagen, seine seltene Unbescholtenheit, nicht gewöhnliche Ge
lehrsamkeit, sein scharfes Urtheil, seine Verlässlichkeit und
unglaubliche Humanität, nennt ihn eine ausserordentliche Zier
seines Ordens, der sich wohl selbst empfehlen werde. Er lässt
auch durchleuchten, dass Faber Einer von denen sei, durch
deren Tüchtigkeit die Monarchien gestützt und geziert würden.
Nicht weniger warm empfahl er ihn auch an Peutinger 2 am
9. November 1520. Er sei sehr verschieden von gewissen Mit
gliedern seines Ordens, schreibt da Erasmus, besitze gründ
liche Gelehrsamkeit, Unbescholtenheit und Leutseligkeit, sei
von klarem Urtheilc und Ueberlegung. Oft habe er mit ihm
die Mittel berathen zur Beilegung der lutherischen Tragödie.
In Folgendem lässt sodann Erasmus eine Charakteristik
der Ansichten Faber’s folgen. Faber, sagt er, schrecke nicht
so sehr vor Strenge zurück, aber er bezweifle ihren Erfolg, 3
früher müsse man Alles überlegen, bevor man das angreife,
wozu der Wille treibe. Man müsse auf die Würde und das
Ansehen des Papstes Rücksicht haben. Nicht darauf, meine
Faber, komme es an, was Luther verdiene und dass ihm Einige
anhängen, sondern auf die Ruhe der Welt. Es handle sich
sehr darum, wer an dieses Unheil die Hand anlege und durch
welches- Mittel es geheilt werde. Es drängten sich zu diesem
Geschäfte auch Solche, die durch ihre Lässigkeit das Uebel
verschlimmern und verdoppeln und nicht so sehr für das An
sehen des Papstes als vielmehr für ihren Vortheil sorgen. Es
sei ja nicht nöthig, Luther’s wegen auch die schönen Wissen
schaften zu schädigen. Aus dem Hasse gegen diese schönen
Wissenschaften sei ja die ganze Bewegung hervorgegangen,
1 Clericus III. 583.
2 Ibidem 590.
3 Ibidem: Quibusdam uidetur Optimum factu, ut res omnis saeuitia coer-
ceatur, a quibus nec Faber admodum dissentit, nisi metueret, ne parum
feliciter cedat austeritas.
Erasmiana. II.
585
durch böswillige Verschlagenheit mische man jene in den
Streit, um sie mit demselben Geschosse zu vernichten. So
seien manche zu Luther übergegangen, die ihm sonst gewiss
nicht freundlich gesinnt gewesen wären. Man müsse staunen,
wie schnell sich dieses Contagium verbreitet habe, aber auch
die deutsche Natur berücksichtigen, die sich wohl leiten, aber
nicht zwingen lasse, vor Allem aber sich hüten, dass nicht die
angeborene Wildheit (ferocitas) dieses Volkes durch das Wüthen
Einiger zum Ausbruch komme. Man blicke doch auf Böhmen
und die Nachbarländer. Der Hass des römischen Namens sei
bei vielen Völkern verbreitet wegen der Erzählungen von dem
Lebenswandel der Stadt Rom und dem Benehmen Jener, die
im Namen des Papstes ihre Interessen verfolgen ....
Bis hieher war es Erasmus schon schwer geworden, über
Faber’s Ansichten, die übrigens fast keine anderen, als die
seinen sind, zu referiren, er mischte stets seine Gedanken
ein, hier fällt er nun völlig aus dem Texte und spricht über
Luther in der Weise, wie in einem später vorzuführenden
Briefe an Faber. Hier wie dort treffen wir ganz Aelmliches,
am Schlüsse des vorliegenden Briefes bringt er als angeblichen
Vorschlag Faber’s den Plan eines Schiedsgerichtes aus ge
lehrten und unbescholtenen, völlig verdachtsfreien Männern.
Näheres werde —■ der überaus gelobte — Faber selbst mit
theilen, Erasmus wünscht, dass davon in Worms Gebrauch
gemacht werde; gewiss hat er sich selbst als einen der Schieds
richter gesehen.
Zweifellos zeigt aber dieser Brief, wie einig sich Eras
mus mit Faber fühlte, den er auch um 1524 seinen alten Freund
nennt. 1 Des Erasmus warme Empfehlungen — allerdings
unterstützt durch viele andere Umstände und vor Allem durch
Faber’s Brauchbarkeit in dem Kampfe gegen Luther und
dessen Gesinnungsgenossen — hatten Erfolg. Am 25. Septem
ber 1523 konnte Erasmus dem Goclenius melden, sein Faber
sei am Hofe Ferdinands, der ausserordentlich gegen die Luthe
raner wüthe, 2 mit einem sehr bedeutenden Gehalte angestellt
worden.
1 Clericus III. 754.
2 Ibidem 773. Saeuit et. Ferdinandus mire in Lutlieranos.
586
Horawitz.
In den Zusammenhang dieser, Faber’s Charakter und
Strebungen schildernden Briefe passt das Schreiben, das hier
publicirt wird, gut hinein, auch dieses berührt natürlich die
grosse Frage jener Tage. 1
Unser Brief (Nr. V aus dein Jahre 1523) unterhält den
Constanzer Vicar von dem Erfolge der ,Spongia“ und eifert
gegen Jene, die den armen Hutten, dem er nicht besonders
zürne, gegen ihn gehetzt hätten ,non ob aliud nisi ob praedam‘(!),
er hofft bald zu erfahren, wer sie seien, wirft einen Seitenblick
auf Strassburg (nam rursus aliquid monstri alitur Argento-
rati) und berichtet Aeusserungen Luther’s über die Spongia.
Den Brief Luther’s habe er an ihn geschickt; 2 die Aeusse
rungen Luther’s nennt er die ,praeludia belli“, ein um so zu
treffenderes Wort, als er ja selbst schon daran war, die Schrift
,de libero arbitrio“ zu beginnen, wie der vorliegende Brief, der
auch über andere literarische Arbeiten des Erasmus Bericht
erstattet, verkündet. Er spricht endlich sein Vertrauen auf
Faber aus, dass dieser die Reinheit des Evangeliums nicht
an die Pharisäer, Schreiber und Bischöfe (Päpste?) verrathen
werde (!). So würde er bleibenden Ruhm bei der Nachwelt
gewinnen. Er beklagt den Tod des Papstes Hadrian, bittet
den Faber, seinem begabten Fürsten ein guter Rathgeber
zu bleiben, ihn selbst demselben wie Pirkheimern zu empfehlen
und ein evangelisch 3 gesinnter Mann sein zu wollen. Die
Schlussbemerkung ist gegen Murner gerichtet. — Von den
,praeludia belli“ hatte Erasmus gesprochen, mittlerweile hatte
1 Ich kann nicht beweisen, dass diess der Brief sei, von dem Erasmus in
dem Schreiben an Melanclithon behauptet (Clerieus III. 817): Addiderunt
epistolam meam ad Joannem Fabrum, plusquam ex tempore scriptam,
quae tarnen deelarat, quam non incitem quemdam ad saeuitiam, aut ad
prodendum Euangelium.
2 Die Notiz, dass er Luther’s Brief an ihn geschickt, zusammengehalten
mit den Angaben über seine literarischen Novitäten und dem am 14. Sep
tember 1523 eingetretenen Ableben Papst Hadrian’s zeigt aufs Nene die
unrichtige Datirung bei Clerieus, der Luther’s Brief über die Spongia
(p. 846) ins Jahr 1524 statt 1523 ansetzt.
3 Die Bezeichnung evangelisch bedeutet einem Adressaten wie Faber gegen
über natürlich nicht lutherisch, sondern ,im Sinne des Evangeliums“, in
welcher Bedeutung Erasmus es stets braucht.
Erasmiana. II.
587
die Fehde begonnen, 1 was die Gegner Luther’s gewollt, war
geschehen, Luther war ebenfalls auf den Plan getreten,- der
Conflict war nicht mehr hinwegzuleugnen. Unter dem Ein
drücke dieses Kampfes und in gewaltiger Erregung schreibt
Erasmus an Faber, 2 und wehrt dessen Lob ab, da dadurch jene
mächtige Partei noch mehr gegen ihn gehetzt werde. Er sähe
doch, wie feindselig Luther, ohne durch Schmähungen gereizt
zu sein, ihn angegriffen habe. Dessen Buch —• es ist die
Schrift de seruo arbitrio — sei schon zehnmal gedruckt, damit
nur ja seine Vergehungen nicht unbekannt blieben. Und welche
Vorwürfe schleudere Luther gegen ihn; er glaube — wie Lu-
kian — nicht an einen Gott, er leugne mit Epicur, dass Gott
für die Menschen Sorge trage, er verspotte die heilige Schrift,
und sei ein Feind der christlichen Religion. Und doch be
haupten er und seine Freunde bei einer solchen Sprache, er
habe seinen Stil gemässigt. Sehr besorgt denkt Erasmus an
das Urtheil der Nachwelt, etwas bleibe ja doch stets hängen,
je schwerer und unverschämter eine Erdichtung sei, desto
schneller werde sie ja geglaubt, etwas müsse doch dahinter
sein. Was aber wird die Nachwelt sagen, welche die Ver
leumdung lesen wird, ohne ihn zu kennen. Luther habe die
Diatribe ignoriren wollen, aber seine Freunde 3 hätten ihn ge
drängt, den Erasmus niederzuschmettern, wenn er die Partei
erhalten wissen wolle, u. s. w.
Man merkt es dem gereizten Tone des Schreibers an,
dass er es herzlich bereut, in die Arena geschritten zu sein.
Aus keiner anderen Ursache, ruft er aus, habe ich
die Diatribe geschrieben, als um den Willen der
Fürsten Genüge zu leisten, dann, damit Jedermann
wisse, dass ich von der lutherischen Partei so weit als möglich
fern sei. Aber er wusste, dass die Sache nur ärger gemacht
würde. Gleich im Anfänge habe er ausgerufen, die Theologen
und Mönche unterstützten die Sache Luther’s, aber er sei
nicht gehört worden. Bald darauf habe er einen Weg zur
Beendigung des Unheils gezeigt, der Rath wurde zurückge-
1 Cf. meine ,Erasmiana. I.‘ Einleitung.
2 Clericus III. 960.
3 Inter lios fuit, ut ferunt, quidam olim tibi charissimus ac tuae benigni-
tatis aluramis.
588
Roraw i tz.
wiesen. Zum dritten Male habe er sich an Papst Hadrian ge
wendet; dass sein Rath nicht gefallen habe, schliesse er daraus,
dass er bisher nicht geantwortet. Wir sehen nun, wohin man
gekommen sei! Er schildert sodann im Folgenden den Sach
verhalt und spricht dabei die Befürchtung aus, dass, wenn
man fortfahre, das Uebel durch bissige Büchlein, Einkerke
rungen und Hinrichtungen zu verschärfen, eine allgemeine
beklagenswerthe Verwirrung entstehen werde. Der Papst habe
die Seinen von den literarischen Invectiven gegen Luther
zurückgehalten und zwar mit Recht. Die Italiener lassen uns
unter einander zerfleischen und ziehen von unserem Wahnsinn
Nutzen, es ist Zeit, dass wir klug werden. Ein so schweres
und weit verbreitetes Uebel lasse sich nicht mit gewöhnlichen
Heilmitteln heilen; er sei bereit ein Mittel zur Abhilfe zu nennen,
wenn es die Fürsten verlangen, ,modo id flat occulteh Und
worin liegt denn nun dieses Heilmittel? fragen wir uns. Den
Grund zur Zweiung sucht Erasmus in den Lutherischen Schriften,
nicht minder in denen gewisser Theologen, aus dem Zusammen-
stoss solcher Schriften entsteht der Brand, nicht minder aus
den Versammlungen der fanatischen Parteigenossen und dem
Wirken einseitiger Eiferer in den Schulen. Diese müsse man,
so wie die untauglichen Prediger entfernen und durch bessere
ersetzen, durch völlig parteilose, nur auf das Wohl der ihnen
Anvertrauten sehende Männer.
Statt dessen erfüllen sich so Viele mit unmächtigem Hasse
gegen Luther, bereiten den schönen Wissenschaften und ihren
Verehrern den Untergang, und treiben Viele in Luther’s Lager,
welche man hätte anlocken sollen. Ja man wütliet gegen Un
schuldige unter dem Vorwände des Glaubens. Gegen die Ur
heber der Verwirrung müsse man freilich einschreiten, doch
so, dass die Unschuldigen nicht verletzt, die noch Heilbaren
nicht entfremdet und die Masse geschont würden. Von den
Staaten, in denen jenes Uebel um sich gegriffen, müsse man
so viel verlangen, dass beiden Parteien ihr Ort und Jedem
seine Ueberzeugung gelassen werde, bis eine günstige
Gelegenheit die Einigung herbeiführe. Für die, welche wäh
rend dieser Zeit eine Unruhe erregen, müsse eine harte Strafe
vorbereitet werden, wir aber sollten unterdessen sofort Einiges
verbessern, woher jenes Uebel hervorsprosste, das Uebrige
Erasmiana. II.
589
aber einem allgemeinen Concile überlassen. Doch davon wolle
er ein andermal ausführlicher sprechen, wenn er sehen würde,
dass die Sache Fabern am Herzen liege, jetzt beschwöre er
ihn nur, dass er nicht jene Hornisse gegen ihn errege; gerade
die Freunde brächten ihn in die grössten Unannehmlichkeiten. 1
Diesen Brief schickte Faber, wie es scheint, nach Rom. 2
Vom Reichstage zu Speier (1526) schreibt Faber (am 28. August),
dass der Verlauf des Tages sich besser anlasse, als der Anfang; 3
einige andere Briefe enthalten nichts zur Reformationsbewe
gung Gehöriges, 1 dagegen bietet ein Schreiben Faber’s vom
17. Juni 1528 (aus Prag) und eines vom 4. Februar 1529 (aus
Innsbruck) an Erasmus vieles wahrhaft Interessante und Er-
wähnenswerthe. Das erstere handelt von dem Anträge König
Ferdinands, Erasmus solle nach Wien übersiedeln! Welche
Aussicht bot diess für das österreichische Geistesleben! Faber
erkennt diess sehr wohl, wenn er schildert, wie die blosse
Anwesenheit des gewaltigen Gelehrten — auch ohne dessen
Lehrthätigkeit — des Königs Majestät, dem Adel, der Wissen
schaft und der Universität zu unschätzbarer Zier gereichen
werde. Er bemüht sich denn auch Gründe zu finden, die
Erasmus sein Basel verleiden könnten: er habe ja durch
1 Dass unter den Crabrones katholische Theologen gemeint sind, zeigt die
Bemerkung (p. 962): Quidam, mei parum prudenter Studiosi impetrarunt
a Caesare seuerum ac minax interdictum aduersus quosdam rabulas
Louanieuses. Atqui nulla re poterant magis in me prouocari.
Der Schluss des Briefes ist wenig erbaulich, gehört aber auch
nicht zur Sache. Auch in den zwei bei Burscher abgedruckten Schreiben
des Faber an Erasmus vom 19. Mai und 28. August 1526 ist fast nur
von anderen Angelegenheiten, von der Dedication des Irenaus an Bern
hard von Trient und König Ferdinands Belohnung die Rede.
2 Literas quoque tuas Romain missurus sum heisst es -wenigstens in dem
ersten Briefe Faber’s bei Burscher (vom 19. Mai 1526). Die Bemerkung
,Eckium Salutaui, rem ait gratissimam esse 1 mag hier ebenfalls angeführt
werden.
3 Burscher Spicil. VI. p. VII. Proinde Comicia illa, quae prima fronte
nescio quam ruinam crudelius religioni reliquisque nostris minata fuerant,
finem foeliciorem, rebusque omnium commodiorem adepta sunt.
1 Einer davon (von Faber) erzählt von den Belohnungen für den Irenaus
cf. Burscher Spie. VI. p. VIII, in dem anderen (Clericus 1809) handelt
Erasmus über Morus und Plato (cf. über diesen Stoff einen Aufsatz in
Schäffle’s Zeitschrift für Staatswissenschaft. 1878).
590
Horawitz.
Oecolampad und die Zwinglianer genug Aerger, auch Frobens
Tod müsse ihm dort schwerer fallen, dagegen preist er Wiens
Vorzüge an: das gesunde Klima, das Wien empfehlenswerter
mache, als Platon’s Akademie, dazu komme der Zufluss von
allen möglichen Dingen und die Billigkeit des Getreides. Und
was könne man daselbst durch die Freigebigkeit der ungari
schen und polnischen Bischöfe gewinnen; Ferdinand zahle seino
Professoren sehr gut, damit Latein, Griechisch und Plebräisch
recht in Flor kämen. Schliesslich wird ein eigenhändiges
Schreiben König Ferdinands in Aussicht gestellt.
Aber Erasmus kam nicht nach Wien, er übersiedelte 1529
nach Freiburg. Aus diesem Jahre besitzen wir einen Brief
Faber’s an ihn, in welchem er ihm Recht gibt, dass er sich
den aufrührerischen Menschen entziehen wolle 1 und aufs Neue
Anträge Bernhards von Trient zu ihm zu reisen und sich in
Trient anzusiedeln ausrichtet.
Der letzte Brief Faber’s 2 datirt vom 15. Mai 1535; er
berichtet über die Gesandtschaft der Türken und des Woi-
woden, entschuldigt das lange Stillschweigen und wünscht dem
Erasmus langes Leben, damit man sich der reichen Früchte
seiner Studien erfreuen könne. 3 Er beweist aber auch, dass
der Verkehr der beiden Männer trotz mannigfachen Unter
brechungen der Correspondenz bis zum Tode des Einen vor
gehalten habe.
Faber stand — wie bekannt — der lutherischen Bewegung
als Gegner gegenüber; weniger prononcirt war dagegen die
Haltung eines anderen Correspondenten, des Braunschweigers
Martin Hunus (Ilune), der dem Erfurter Kreise angehörte
und seinen Ansichten nach ein Geistesverwandter des Erasmus
war, den er auch 1524 in Basel besuchte. Später wendete er
sich nach Italien, betrieb wie Eoban Hesse die medicinischen
1 Non parum enim tibi timeo, ne quid praeter spem atque expectationem
in te raachinentur. Verum id consilii, quod cepisti lubens audio, accepi
enim fuga te consnltnrum uitae tuae, quod in primis operae pretium esse
uideo.
2 Burscher, Spicileg. VI. p. XII f.
3 Auf diesen Brief und die darin enthaltenen Nachrichten nimmt Erasmus
in seinem Schreiben vom 31. August 1535 Bezug. Cf. Clericus III. 1512.
Erasmiana. II.
591
Studien, wurde zu Padua Doctor der Medicin und blieb endlich
als Arzt zu Graz. 1
Der hier mitgetheilte Brief nimmt auf seine Anwesenheit
in Basel Bezug, spricht von dem Schicksale eines an Herzog
Georg gesandten Schreibens, dem Tode des Mosellanus und
davon, dass dieser vor seinem Sterben befohlen habe, des
Erasmus Briefe zu verbrennen; zugleich beklagt Erasmus die
unglaubliche Undankbarkeit und Niedertracht, die er erfahren,
und versichert, er aber wolle sich stets gleich bleiben. In
einem Briefe aus dem Jahre 1525 2 dankt Erasmus für die
Bemühungen des Hunus, seine Briefe zu überbringen, er hätte
durch den Ceratinus, den Nachfolger des Mosellanus, gerne
ein Geschenk geschickt, spricht seinen Aerger über die Er
öffnung von Briefen — wie sie gegenwärtig Sitte sei — aus
und hofft auf die Lucubrationes des Eobanus Hessus.
In dem nächsten Briefe dieser Sammlung in dem an
Eoban Hesse 3 lässt Erasmus den Hunus ,Hominem prudentem
et candidum' grüssen. Auch hier spricht der Basler Philolog
von den Pseudolutheranern, die dort Alles in Verwirrung
brächten und Luther wie die schönen Wissenschaften zu Grunde
richten werden, wenn nicht ein Gott zu Hilfe käme. Auch die
Buchhändler suchen lieber das, was Absatz verspricht, als das
Gute, desshalb wisse er nicht, was Froben mit Eoban’s Ge
dichten, die Beatus Rhenanus habe, thun werde; wenn er wolle,
werde er sich an französische Buchhändler wenden.
In den in meinen Erasmiana I. dargelegten Zusammen
hang gehört ein Brief des Erasmus an Simon Pistorius, den
Kanzler Herzog Georgs, später Moriz’s. Pistorius war 1489 zu
Leipzig geboren als Sohn des herzoglichen Leibarztes, studirte
im Vaterlande und in Pavia die Rechte, wurde Professor in
der juridischen Facultät zu Leipzig, sodann aber Kanzler und
öfters Gesandter der Herzoge von Sachsen. Pistorius starb am
3. December 1562. 1
1 Gute Notizen über ibn in Krause, Eobanus Hessus passim.
2 Clericus III. 857.
3 Ueber Eoban Hesse und die Beziehungen zu Erasmus siehe das Buch
von Krause, Helius Eobanus Hessus. Gotha. Perthes 1879. 2 Bde.
4 Spicilegium XV. 19.
592
II o r a w i t z.
Wir besitzen mehrere Briefe des Pistorius aii Erasmus,
in einem vom Jahre 1525 berichtet er über seine Fehde mit
Leo lud und seine Ansichten über Luther (cf. Erasmiana I.).
In unserem Schreiben nun vom Jahre 1528 spricht Erasmus
seinen Aerger darüber aus, dass Pistorius Manches in seinen
Werken finde, das den Decreten der Alten widerspricht. Er
wisse nicht, was Pistorius meine und wünsche, dass er ihm
die Stellen angebe, er wisse nur, dass Vieles den verkehrten
Meinungen der Menschen und ihren lasterhaften Sitten wider
spreche. Die Welt sei erfüllt von einem verliängnissvollen
Zuge nach Veränderung. Und bisher haben wir erfahren, was
durch die Artikel und das Geschrei der Theologen, was durch
das Wüthen Einiger erreicht wurde. ,Glaube mir, diese Seuche
fordert ein anderes Mittel! Am Anfänge dieses Uebels ward
ich, der ich Gutes rieth, nicht gehört; auch im Fortgange wurde
ich nicht gehört, als ich wiederum mahnte. Nun höre ich,
dass Einige härtere Massregeln vorbereiten, ich fürchte, dass
diess schlecht ausgehe. Nur durch Abschaffung und Verbesse
rung gewisser Sachen könne dieser Sturm gebändigt werden,
es gebe kein anderes Mittel. Wenn der Frieden zwischen den
Regenten nicht sofort hergestellt werden könne, so doch für
einige Jahre Waffenstillstand, unterdessen wird sich für alle
Pläne ein Mittel finden. ,Du siehst, mein Pistorius, welchen
Hass von ganz Deutschland ich mir zugezogen, da ich doch
früher der beliebteste war. Die Gelehrten habe ich mir ent
fremdet, von denen ein guter Theil den neuen Glaubenssätzen
huldigt. Und doch wusste ich, dass einige beschränkte Theo
logen mit schlechten Mönchen mich mit Gladiatorengesinnung
angreifen würden/ Mit den frommen Mönchen und Theologen
sei er nie in Streit gerathen, sondern immer in höchster Ein
tracht gewesen. Nun konnte mich vor der Wuth der Mönche
nicht einmal der Kaiser in Spanien, noch der König von Frank
reich vor den Rasereien der Beda und Sutor schützen, so sehr
sie mir hold waren/ Alles das treibe ihn zu dem Entschlüsse,
Deutschland zu verlassen, das von schleichender Gehässigkeit
und immer stärker werdenden Secten voll sei. Schliesslich
empfiehlt er ihm einen Jüngling.
Auch in den Briefen an den hochadeligen Karl von
Utenhoven, dem er die Chrysostomus-Ausgabe von 1529
Erasmiana. II.
593
gewidmet, 1 erwähnt er Luther’s. So in dem hochwichtigen
Briefe von 1529, in dem Erasmus über den Märtyrertod des
Ludwig Berquin berichtet. Unter anderen Zügen zur Charak
teristik bemerkt er: Ab instituto Lutheri plurimum abhorrebat.
Er selbst hatte ihn stets zur Vorsicht gemahnt, doch vergebens...
In Deutschland freilich herrsche jetzt zügellose Frechheit, welche
den Papst Antichrist, die Cardinäle Creaturen des Antichrist,
die Bischöfe Fratzen, die Priester Schweine, die Klöster Ver
sammlungsorte des Satans, die Fürsten Tyrannen nenne. Die
Entscheidung liege nunmehr beim evangelischen bewaffneten
Pöbel, der zum Kämpfen bereiter, als zum Disputiren sei. 2
In einem anderen Schreiben mahnt er ihn zur Vorsicht in einer
Zeit, in welcher hinter jedem Steine ein Skorpion lauere, er
sei zu freimüthig in seinen Briefen. 3 Am 9. August 1523 4
beklagt er sich bei Utenhoven über die Angriffe gewisser
Franciscaner; aus der sehr eingehenden Darlegung ersieht man
leicht, welchen Verdächtigungen und welchem Hasse Erasmus
ausgesetzt war. Auch in dem nächsten — unserem sub X mit-
getheilten — Briefe klagt er über die Abnahme seiner Freudig
keit, entschuldigt sein langes Stillschweigen, dankt ihm für
einen geschenkten Seidenstoff und erzählt Neuigkeiten mit
heiterem Humor und mehr oder minder wichtige Personalien.
Er äussert dabei seine Verwunderung, dass ihm die Franzosen
gegenwärtig weniger geneigt seien, es schade ihm der Name
des Deutschen.
Nr. IX der vorliegenden Sammlung ist an Hieronymus
Frobenius, 5 den Basler Buchdrucker gerichtet, aus dem Jahre
1530 datirt und handelt von intimen Verlagsangelegenheiten.
Froben’s schmeichelhafte Aeusserung, seine Officin hänge von
1 Cf. Clericus Briefsammlung II. p. 1153. Er rühmt darin das Utenhoven’sche
Geschlecht und den Adressaten besonders.
2 Clericus III. 1206.
3 Ibidem 1278.
4 Ibidem 1449.
5 Briefe von Erasmus an Hieronymus Frobenius: Clericus 659, in welchem
derselbe zwischen Vater und Sohn vermittelt, ihm gute Lehren gibt und
Gruss an den Erasmiolus puer ut audio spei optimae sendet. Cf. auch
an Johannes Erasmius (Cler. 1240), dem er die Colloquia schickt, cf.
Briefe Erasmus’ an Johannes Frobenius (Cler. 1626, 1655, 1674, 1692)
und Joh. Frobenius an Erasmus (Cler. 1539).
594
Horawitz.
Erasmus ab, erwiedert dieser mit der Bemerkung, dann hänge
sie an einem morschen Tau; wenn übrigens Krieg herein
breche, müsse er seines Alters halber fliehen. Dann folgen
Bemerkungen über Bebel, Goclenius, die Typen des Froben
und den Knaben Erasmius Frobenius, über dessen künftige
Bestimmung Erasmus Rathschläge gibt, über Grynäus und die
Evangelischen, denen er sehr verbitterte Worte widmet.
Nr. IV enthält einen Brief des Erasmus an König Franz I.;
zur Uebersetzung der Paraphrase in Marcum. Ein anderes
Schreiben desselben klagt über den Streit der grössten Mon
archen der Welt, wünscht ihm'Glück zu seiner Rückkehr nach
Frankreich und freut sich, dass der Türke nun im Zaume ge
halten werde, beschwert sich über Bedda und Sutor. Dabei
kann er sicli’s nicht versagen, diese Leute und ihren Anhang
als Feinde der Fürsten zu schildern, und darzulegen, welche
Schlachtopfer ihnen bisher fielen. Schliesslich bittet er den
König, den Sutor entweder zu hemmen oder ihm zu erlauben,
seine Entgegnung zu Paris drucken zu lassen. 1
Der Bericht über den Tod des Erasmus rührt von einem
Correspondenten desselben, von dem Arzte Heinrich Stromer
her, an den Erasmus schon 1517 einen Brief bezüglich der
Dedication seines Suetonius geschrieben hatte 2 und den er
1519 als eine Ausnahme von den Hofleuten nennt. 3 Auch in
einem Briefe an Herzog Georg rühmt er ihn sehr, nennt ihn
einen hochgelehrten Arzt, eine Zierde der Leipziger Univer
sität u. s. w. 4 Stromer wird wohl ein Vermittler zwischen
Herzog Georg und Erasmus gewesen sein, wie aus einem Briefe
des Letzteren an den gelehrten Arzt hervorgeht. 5 Wohl das
werthvollste Schreiben aber ist das, in welchem er über die
Stellung zu Luther an Stromer schrieb. Er beklagt es darin,
1 Clericus 943. Andere Briefe au König Franz I. aus dem Jahre 1516 bei
Clericus (185) und einen von König Franz an Erasmus (bei Vischer
Eraamiana 31).
2 Clericus III. 260 f.
3 Ibidem 477 C.
4 Ibidem 567 et ciuitatis Senator grauissimus.
5 Ibidem 737 (vom 5. December 1522).
Erasmiana. II.
595
dass er habe Stellung nehmen müssen, nachdem er geglaubt,
Zuschauer bleiben zu können, nun müsse er aus einem Mann
der Wissenschaft Gladiator (retiarius) werden, er der immer
in den Gefilden der Musen verweilte, werde in diese blutige
Schlacht hineingestossen — anderes sei nicht gestattet worden.
Die Sophisten wie Lutheraner hätten ihn immer mehr hinein
gedrängt und so: iacta est alea. Dass Luther nicht hoch von
ihm denke, sei aus den Aeusserungen desselben in seinen
Briefen zu erkennen, in denen er ihn Kind, bedauerungswürdig,
ohne Kenntniss Christi, fern vom Verständnisse des Christen
thums, ohne geistige Auffassung nur am Worte klebend nenne.
Das sei übrigens kein Wunder, da er ja von jedem der Alten
gering denke. Der Friede der Kirche ist es, was Erasmus
wünsche und was er auf jede Weise zu bewirken anstrebe.
Aber die Partei Luther’s erbittert die Fürsten von Tag zu Tag
mehr. Mit den gewöhnlichen Mitteln, Kerker, Widerrufen,
Gütereinziehungen, Hinrichtungen sei nichts gethan, was schon
so weit fortgeschritten sei, wird sich täglich mehr verbreiten.
Wenn er nicht wüsste, dass Gott die menschlichen Angelegen
heiten leite und zum Besten führe, könnte er keinen anderen
als einen höchst blutigen Ausgang prophezeien.
Nachdem er ihm Nachrichten über die Schweizer Reli
gionsänderungen gegeben, bekämpft er den Vorwurf, er scheue
das Martyrium: e r in seinem hohen Alter, mit einem Leiden
behaftet, das den Tod erwünscht machte, er der offen bekenne,
was er denke! Was Jene lehren, ist nicht sofort Evangelium,
häufig aber erregte die Art, wie einer lehrte oder die Sitten
des Lehrenden Tumulte. Er wünsche nichts Anderes, als Allen
zu nützen, den Fürsten und Bischöfen, wie den Pharisäern und
Sophisten — wenn sie ihm auch feindselig gesinnt seien —
und auch den evangelischen Zungendreschern (rabulis). Viel
leicht werde der Dank, der dem Lebenden verweigert ward,
seinem Andenken zu Theil. In einer Nachschrift zu diesem
Schreiben müht er sich, seine entschiedene Abneigung gegen
die lutherische Partei zum Ausdruck zu bringen. Dieses neue
evangelische Geschlecht habe eine neue Menschengattung er
zeugt: hart, unverschämt, verfälscht, schmähsüchtig, lügnerisch,
Ränke schmiedend, unter sich uneins, Niemandem bequem,
Allen unbequem, aufrührerisch, unsinnig, schwatzsüchtig, dem
Sitzungsber. d. phil.-hist. CI. XCV. ßd. II. Hft. 39
596
Horawitz.
Erasmus so verhasst, dass wenn er eine Stadt wüsste, in der
Keiner von Jenen lebe, er dahin wandern würde. — So urtheilte
Erasmus, der dabei nichts so sehr fürchtete, als dass er für
lutherisch gesinnt gehalten werde. Warf man ihm diess ja
damals schon vor mit der boshaften Bemerkung, er verheim
liche es nur aus Furcht. 1
Diess über Erasmus’ Beziehungen zu Stromer. Der Be
richt über das Ableben des Erasmus bestätigt die bisher be
kannten Angaben über den Besitz und die näheren Umstände
beim Tode.
Löwen. I. 30. Mai.
Reuerendo patri Joanni Lango, Vicario Augustinensi,
Domino ac fratri sinceriter obseruando.
Reuerende pater! Ulud etiam atque etiam peto, ne meum
in te animum aestimes officio literarum; tot undique literis
obruor, ut nix sit ocium legere. Maiorem in modum deamo
tuum istum animum uere Christianum et Christianae pietatis
assertorem. Spero fore, ut CHRISTVS adspiret sanctissimis
tuis tuique similium conatibus. Hic hactenus mire saeuiunt
Papistae nunc demum ad ludendum concordes . . sed sunt ali-
quando mitiores, speroque futurum, ut illos aliquando suae
pudeat insaniae. Optimi quique amant libertatem LVTHERI,
cuius prudentia non dubito quin cautura sit, ne res exeat in
factionem ac dissidium, siquidem hinc potius annitendum arbi-
tror, ut instillemus Christum hominum mentibus, quam ut cum
personatis Christianis digladiemur, a quibus nunquam referatur
gloria uel uictoria, nisi sublata Romanae sedis tyrannide et
huius satellitibus, Praedicatoribus, Carmelitis et Minoritis: de
1 Es ist nicht uninteressant, auch diese Aeusserungen zu betrachten: Post-
remo, considerans uitam Christianorum undique corruptissimam etiamsi
pessime sensissem de Lutliero, tarnen propemodum iudicabam illum
avayzaio'/ zaxov Etvai, quod qui tolleret, tolleret id quod hoc statu tempo-
rum esset Optimum .... und Sunt apud nostrates plurimi, qui fauent
Luthero, quod si praescissem huiusmodi rabulas prodituros, statim initio
professus fuissem me factionis liujus hostem. Clericus III. 833.
Erasmiana. II.
597
improbis dumtaxat loquor. Id non vid eo, quid absque graui
tunmltu tentare queat. Bene uale, pater optime, cuius huma-
nitati non sum nescius quantum debeam. Louanii 3. Calend.
Junias.
Aus dem Cod. Gotlian. A. 399. Fol. 222 b.
Löwen. II. 17. October 1518.
Erasmus an Johannes Lange.
Integerrimo Patri D. JOANNI LANGO Tlieologo
i n s i g n i.
Boni consulas, Theologorum candidissime, si me uincis
epistola, modo ne cedam amore. Nam offendit nos Hessus,
homo dotibus omnibus cumulatissimus, primum aegrotum, deinde
occupatissimum. 1 Staupitium uero magnnm adamo, sycopliantes
istos iam olim negligo. Quid enim aliud faciam? Quasi uero
debeam istis conseientiae meae rationem reddere. Mihi satis
est, quod Episcopis omnibus placeo, quod Theologorum primis
ac optimis; si quod uitae genus uiderem, in quo crederem
CHRISTO magis placiturum, protinus amplecterer. Nam ani-
mum meum iam nee fama, nec pecunia, nec uoluptas, nec
uitae cupiditas tenet. Munusculum tuum inter t« jjuqXVa (sic!) 2
mea reponam et quidem cbariora. De Cleopa 3 iam ipse Egra-
nus 1 erudite respondit. Eleutherium 5 audio probari ab optimis
quibusque. Sed aiunt illum in suis scriptis sui dissimilem esse.
Puto, illae conclusiones placuerunt omnibus, exceptis paucis de
1 Genau dieselben Worte gebraucht Erasmus an Mutian cf. Clericus III. 352,
wo auch das Lob des Eoban Hesse ausgesprochen wird. Cf. auch 354.
2 Natürlich ist mprjXia zu lesen.
3 Die Hs. hat cleopa.
4 Cf. Contra Calumniatores suos Apologia in qua diuam Annam nupsisse
Cleophae 1518. Weller, Altes und Neues I. S. 183. Ueber diesen An
hänger des Erasmus vgl. auch Seidemann, Thomas Münzer 1842;
Schmidt, Nicolaus Hausmann 1860; Herzog, Chronik von Zwickau. II.
Allg. deutsche Biographie.
5 Wie bekannt Bezeichnung für Luther.
39*
%
yl
598 Horawitz.
purgatorio, quod isti nolunt sibi eripi, ut itp'o? Ta aX<ptx« faciens. 1
Uidi Syluestri insulsissimam responsionem. 2 Uideo tyjv tou
pwpavo’j ap/tepEuc (ut nunc est ea sedes) |j.ovap-/_(xv pestem esse
Christianismi, cui per omnia adulantur praedicatores facie
prorsus perfricta. Sed tarnen haud scio, an expediat hoc ulcus
aperte tangere: principum hoc erat negocium. Sed uereor, ne
hi cum Pontifice colludant in praedae partem uenturi. Demiror
quid Eccio in mentem uenerit, ut aduersus ELEVTHERIVM
pugnam capesseret. Sed quid non mortalia pectora cogis, Famae 3
sacra fames?
Inclyto duci, cuius ad me nomisma misisti, Suetonium a me
recognitum inscripsi. 4 Bene uale, uir eximie, nosque CHRISTO
tuis uotis commenda.
Louanii 16. Calend. Novemb. [1518]. 5
Erasmus Roterodamus.
Aus dem Cod. chart. 399. Bibi. Gothanae Fol. 222 a .
Löwen. III. 9. April 1520.
Erasmus an Jodocus Jonas.
Eximio D. Jodoco Jonae Erasmus Roterodamus S.
Accepi postremas literas tuas amantissimas. Leo respon-
sum est, ut ille non habeat posthac quod hiscat, nisi uelit
conuitia congerere, quod in promptu est et meretricibus. Nunc
superest alter actus, ut amici scribant literas censorias in Leum,
1 Cf. Erasmi Adag. III. 6. 31.
2 Sylvester Prieras magister sacri palatii v 1523. Ueber diesen Feind
Reuchlin’s cf. Cler. HI. 515 f. und besonders 600. Cf. Böking, Opera
Hutteni Supp. II. 471 und Iiöstlin, Leben Lutber’s passim. Noch 1527
schreibt er über ihn (Clericus III. 1015): Lutherus opposuit articulos,
Syluester inepte respondit. Oder (Cler. 1042) Respondit Syluester Prieras
tarn feliciter, ut ipse Pontifex indixerit illi silentium.
3 In der Handschrift steht erst Auri wie bei Virgil Aen. III. 56, dann
wurde diess ausgestrichen und Famae übergeschrieben.
4 Cf. Clericus III. 324, wo die Dedicationsepistel an Friedrich den Weisen
und Georg von Sachsen abgedruckt ist.
5 Die Jahreszahl ist von einer anderen Hand dazugeschrieben.
i
Erasmiana. II.
599
sed ita, ut laudent et doctos et principes Angliae doetis fauentes,
Leum unum onerent; et hunc magis rideant, ut stultulum, ut
gloriosul um, ut fucatulum, quam ut insectentur. Cuperem col-
ligi multas epistolas tales, quo magis obruatur. Colligantur a
doetis et ad me mittantur per certos homines; ipse recognoscam
et curabo aedendas. 1 Sit in his magna uarietas. Dedi Wil-
helmo Neseno, 2 quo uos instituat. Nolim scire praedicatores
qualem amicum 3 praestiterint LVTHERO. Haec Academia
concepit immedicabilem insaniam, periit Atensis, sed odiosius
agunt Egmondensis et Latomus, alter lippus, alter elaudus. 4
Saluta amicos omnes, et si quid amant Erasmum, hunc Leum
tractent, ut dignus est. Bene uale. Louanii postridie Paschae
Anno 1520. ,
Erasmus tuus.
Aus dem Cod. Gothan. 399. Fol. 231.
Hasel. IV. 17. Mai 1523.
Erasmus an König Franz I.
Christianissime Rex, equidem magnopere cupiebam ista
naturae tuae benignitate uere Regia et singulari erga me fauore
tuae maiestatis, quem non promereor, propius uti, nisi haec
temporum tempestas obsisteret uotis nostris. Sed spero futurum,
1 Erasmus liess erscheinen: Liber quo respondet annotationibus Eduardi
Lei, quibus ille locos aliquot taxare conatus est in quatuor euangeliis und
über alter quo respondet reliquis annotationibus Eduardi Lei. Opera IX.
123. c. 199. Cf. auch die Basler Ausgabe von 1520, in der Briefe ali
quot eruditorum uirorum beigegeben sind ex quibus perspieuum quanta
sit Ed. Lei uirulentia.
2 Ueber W. Nesen cf. die eingehende Arbeit von Steitz (zuerst erschienen
im Archiv für Frankfurt, Geschichte und Kunst. VI. Band. 1877. S. 36
bis 160). Burckhardt, Zeitschrift für historische Theologie. 1874. S. 567.
3 Wird doch wohl animum heissen!
4 Johannes Atensis, Kanzler der Löwener Universität (cf. besonders Opera
III. 865 f.), war eine Zeit lang Erasmus’ Gegner, doch nicht so wie sein
erbitterter Feind der Carmeliter Nicolaus Egmond (cf. Hess, Leben des
Erasmus I. 299 ff.). Auch der Löwener Professor der Theologie Jacob
Lotomus (Hess 1. c. 350 ff.) war mit Erasmus in eine Fehde gekommen.
Er schrieb: Aduersus librum Erasmi de sarciendae Ecclesiae Concordia.
600
Horawitz.
ut deus propitius det nobis aliquam serenitatem, post hos tu
rn ul tus idque breui. Interim pignus quoddam huins mei in te
animi mitto Paraphrasim in Marcum Euangelistam, ut quatuor
Euangelia fusius, per nos explicata, titulo quatuor praecipuorum
orbis Monarcharum quatuor mundi partibus commendentur.
Nam Matthaeum iam pridem dicaram Caesari, Tibi nunc Mar
cum, Lucam dicaui Regi Anglorum, Joannem Ferdinando Caroli
germano. Opto autem uotis ardentissimis a domino Jesu, in
cuius manu sunt corda Regum omnium, ut quemadmodum
Codex Euangelicus iam iungit uestra nomina, ita breui Spiritus
Euangelicus aeterna concordia iungat animos uestros. Scio tuo
ingenio nibil esse clementius, sed bellum per se res est parum
clemens. Scio per te non stare, quominus coeat pax, quam
suspirant omnes boni, sed bona spes est futurum, ut Caesaris
animum deus flectat ad moderatiora consilia. Id expedit et
uestrae felicitati, quae magis constabilitur et efflorescit mutua
concordia, et totius orbis tranquillitati.
Nos nihil aliud possumus, quam optare quae sunt optima.
Quae uota si ualerent, omnibus bonis floreret tua Maiestas et
sub te Regnum longe florentissimum. Codicem recentem ad-
huc ab Officina statim misi ad Christianissimam Maiestatem
Tuam per Hilarium famulum meum, fidelem et in bonis litteris
non uulgariter doctum, qui olim Tolosae diu professus: per bunc
si cognovero meum Studium tibi fuisse gratum, uehementer
gaudebo. Dominus Jesus Maiestatem tuam diu seruet incolu-
mem ac florentem. Basileae XVI. Calend. Junias Anno 1523.
Folgt darauf die Translatio per Claudium Cantiunculam in französischer
Sprache.
Aus dem Cod. Pal. Abschrift Vindob. 8987. Fol. 35 f.
Basel. V. 21. November 1523.
Erasmus an Johannes Eaber.
Reuerendo Domino Johanni Fabro Canonico et Vicario
Constantiensi Domino meo plurimum obseruando NORI-
BERGAE.
Erasmiana. II.
601
Salue uir optime. Ex tua salutatione, quam mihi per
Oporiuum 1 misisti, melius habui. Erat enim accurata et uenie-
bat ab amico et per amicum liominem. Spongiarum rursus
tria millia sunt excusa. Sic uisum est Frobenio. Odi ego tales
libellos, nec multum irascor HVTTENO; irascor bis, qui mise-
rum hunc instigarunt uon ob aliud nisi ob praedam; non du-
bito quin se breui prodituri sint. Nam rursus aliquid monstri
alitur Argentorati. LVTHERVS uehementer execratur Spon-
giam: eius epistolam ad te misi. Scripsit et Oecolampadio me
esse Mosen sepeliendum in campestribus, nec multum tribuen-
dum Erasmo in bis, quae sunt spiritus. Haec sunt belli prae-
ludia. Absolui Marcum, absolui dominicam praedicationem, et,
ut intelligas me repuerascere Nucem Ouidii. 2 Aggredior Apo-
stolorum Acta; coeptus est libellus de libero arbitrio. Non est
opus,'mi Faber, ut admoneam prudentiam tuam. Scio te
CHRISTI negocium ea moderatione tracturum, ut non prodas
Euangelii sincei-itatem Pbarisaeis scribis et pqntificibus. Ita
solidam laudem referes apud posteros. Habes principem indolis
optimae. Tu fac agas fidelem consiliarium. BILLIBALDVM 3
nosti liominem eximiae prudentiae: ei ine commendabis assiduo.
Expectamus aurulam pacis. Sed uides quäle sit coelum, periit
modo Adrianus, qui si gessit suum pontificium CHRISTO, nunc
habet gloriam suam apud DEVM, habet suum iudicem. Tu
fac agas uirum Euangelicum, mi Faber. Erasmum tuum com-
mendabis illustrissimo principi Ferdinando, cui omnia precor
foelicia. D. Mornarum diuitem remisit Anglia. Quam multos
ditat pauper ille LVTHERVS.’ 1 Bene uale. Basileae XI.
Calend. Decembr. M.D.XXIII.
Erasmus uere tuus.
Aus dem Cod. Gothanus 399. Fol. 232.
1 Der bekannte Basler Verleger.
2 1524 erschien Commentarius Erasmi Roter, in Nucem Ouidii et duos
Hyrnnos Prudentii Basileae Jo. Frohen. 8°.
3 Willibald Pirkheimer in Nürnberg.
4 Der Mornarus ist der Th. Murner (vgl. über ihn Lappenberg, Ulen-
spiegel).
602
Hora witz.
Basel. VI. 3. Juli 1524.
Martino Hu.no medieo Erasmus Eoterodamus S.
Quid actum sit de literis, quas absque titulo misi duci
Georgio, nondum potui liquido cognoscere. Scribunt Mosel-
lanum 1 e uiuis excessisse, iussisse, ut meae ad ipsum epi-
stolae exurentur. Hic sunt uarii tumultus et rumores atrociores
in amicis, quibus profui et confisus sum. Experior incredibilem
et ingratitudinem et perfidiam. Ego tarnen mei similis esse
non desinam. Qui te buc comitatus est, coegit me haec scri-
bere post decimam noctis. Johannes Moldenueldius 2 cupit tibi
esse commendatus. Bene uale. Postridie Visitationis Mariae.
Basileae 1524. A discessu tuo nihil abs te literarum accepi,
nec ab Eobano.
Erasmus tuus.
Aus dem Codex Gothanus 399. Fol. 231 b .
Basel. VII. 6. September 1524.
Eruditissimo Eobano Hesso Erasmus Eoterodamus.
S. Eruditissime Eobane. Juuenis hic Johannes Moldenuel
dius enixe rogauit, ut uel duobus te salutarem uerbis ac totidem
se commendarem. Utrumque facio. Vicissim te rogo, salutabis
nostrum Hunum, hominem prudentem et candidum. Opinor
uos isthic esse moderatiores quid? uel tua causa uelim.
Hic pseudolutherani magnifiee tumultuantur, subuersuri et
LVTHERVM et bonas literas, ni Heus aliquis subueniat. Bene
uale, uir optime. Basileae postridie Nonas septemb. 1524.
De libris tuis scripsi; nondum scio, quid Frobenius egerit
cum Beato, 3 nam is habet tua carmina. 4 Typographi quae-
1 Petrus Mosellanus war am 19. April 1524 in Leipzig gestorben, cf. Ca-
merarius, Vita Melanchthonis 91 (Edit. Lips. 1723).
- Der Jüngling Johannes Moldenfeld wurde von Erasmus an Eoban Hesse
empfohlen.
3 Beatus Rhenanus aus Scblettstadt.
4 Es sind die durch die Captiua vermehrten Heroiden gemeint, wegen der
er sich auch an Melanchthon wandte. Cf. Krause, Eobanus Hessus I. 409.
Erasmiana. II. 603
runt nunc uendibilia potius, quam optima. Si uoles, tentabo
Gallos.
Erasmus uere tuus.
Aus dem Codex Gothanus 399. Fol. 231 b .
Basel. VIII. 5. Februar 1528.
Ornatissimo D. Simoni Fistorio illustrissimo Saxoniae Ducis
Caneellario S. p.
Post incredibiles tragoedias, quas hic excitauit Henri-
cus Epphendorpius, per bonos uiros res inter nos composita
est, conditionibus, quas ex hoc Francisco Dilfo, iuuene nobili
apud suos loco et ingenii candidissimi, poteris cognoscere,
quae an tibi uideantur aequa nescio, ego quietem hanc
paruo emptam arbitror. Accenderat illum epistola ducis. Id
fore diuinabam, quum ex tuis litteris intelligerem ciuiliter
scriptam. Pro tuo tarnen Studio, mi Pistori, gratiam babeo
maximam; cupiebam relegere litteras tuas, sed ad manum non
ueniebant. In his, si memini, uideris parum magnifice de meis
scriptis sentire, in quibus ais multa reperiri contra ueterum
decreta atque hoc colore me excusas, quod non sim Montani
aut Lutberi similis pertinacia. Omitto pertinaciam. Veilem
indicares mihi, quae sint illa dogmata mea pugnantia cum
priscis orthodoxorum dogmatibus. Nam ipse nondum inue-
nire potui, quamquam multa insunt, quae pugnant cum prae-
posteris hominum opinionibus ac uiciosis moribus. Videmus
mundum fatali motu tendere ad permutationem. Et bactenus
experti sumus, quid profectum sit Theologorum articulis
et clamoribus, quid quorundam saeuicia. Aliud, mihi crede,
remedium liaec lues postulat. In exortu huius mali non audie-
bar bene monens. Nec in progressu sum auditus iterum ad-
monens. Nunc audio quosdam moliri sseuiora consilia ac uereor,
ne deterius etiam succedant Monarcharum consensu et qua-
rundam rerum uel abolitione uel correctione sedari poterit haec
tempestas. Nec aliud uideo remedium. Haec scribo non in
fauorem istorum, qui sibi perniciem accersunt, mihi Optant
plerique, sed in principum reique publicae fauorem. Ac uereor,
604
Hör awitz.
ne serio dicas uates, nimium uerax. Si inter monarchas subito
pax coire non potest, saltem in annos aliquot induciae con-
stitui possunt. Interea cunctis consiliis inueniretur remedium.
Vides, mi Pistori, quantum odium totius Germaniae mihi con-
flarim, quum antea fueriin gratiosissimus. Doctos a me alie-
naui, quorum bona pars fauet nouis dogmatibus. Et tarnen non
ignorabam futurum, ut stolidi quidana Theologi cum improbis
monachis me adorirentur animo gladiatorio. Neque enim mihi
unquam cum piis monachis aut synceris Theologis fuit unquam
dissidium, sed summa concordia. Nunc a monachorum rabie
nec Caesar, licet ex animo fauens, potuit tueri in Hispaniis,
nec a Bedarum ac Sutorum furoribus ipse rex Galliarum, mihi
toto pectore bene cupiens. Video migrandum e Germania,
gliscentibus odiis et inualescentibus sectis. Quod si mihi pilus
esset illius animi, quem tu uidere suspicari, non haec perpa-
terer. Nec adliuc me poenitet. Verum de his nirnis multa.
Tu me serenissimo principi commendare ne desinas. Bene
uale. Datum Basileae Nonis febr. An. 1528. Rogo sentiat hic
iuuenis se tibi per me non uulgari more commendatum.
Erasmus uere tuus mea manu.
Autographon aus dem Cod. Seidel. Berolinensis.
Freiburg. IN. 15. December 1530.
Erasmus an Hieronymus Frobenius.
S. p. Si paraphrasim in Vallam iudicassem editione
dignam, ultro tibi detulissem. Ordo litterarum ab asino inductus
facit opus inemendabile: praeterea multa sunt a stolidissimo
Alardo. Emmeo committam non in aliud, nisi ut Colineum
doceam desinere, quem arbitror mihi inimicum. Nam et Pan-
talabi alterum librum iam denuo excudit. Cum dabitur ociiun,
opus illud retexam oinisso litterarum ordine.
Non sunt Laconica tantum, sed alia innumera non edita
hactenus. Si excudetis opus ea forma, qua excudisti de liberal!
institutione, erunt quaterniones plus quadraginta. Nec semper
uacat uobis, nec semper habetis Chartas paratas. Et superest
Erasmiana. II.
605
quod parat Glareanus, nec supersunt nisi duo menses. His
feriis nataliciis mittam operis partem, ut possitis incipere. Si
fieri posset, cuperem maiusculis. Nam aut me fallit in totum
animus, aut opus erit uendibile.
Si officina uestra pendet a me, pendet a puti’i funiculo.
Si inciderit hie bellum, mihi fügiendum est: ut non incidat,
haec aetas requirit ocium. Alius uobis quaerendus est. Animo
certe uobis non deero. Attamen inhumanum sit, si per uos
non liceat cuiquam humanum esse, praesertim si id fiat nullo
uestro detrimento. Epistolas graecas noluisti committi Bebellio
sed uestri typi iam annis decem parantur, patiar ut me plusquam
amico utamini, modo ne ut serico. Goclenium non poenitet
Erasmi, scribit enim se mea causa paratum facere omnia. Et
hoc nomine libenter illi debeo, quod puerum destitutum ad se
recepit. Ibi declarauit se esse uere amicum. De eruditione
quid sperandum sit nescio, tarnen sic arbitror melius perire
operam et impensam, quam si sordido seruiat negociatori. Et
Louanii poterit uiuere, etiamsi non uiuat apud Goclenium.
Quamquam Goclenius de eo nihil adhuc questus est.
Quod si uocandus esset ad artem sedentariam, malim illum
fieri scriniarium, opificium est mundum (f. 1 b.) et domi per-
agitur et discipulum nunquam sinit esse ociosum, et quouis
loco ars est in precio. Apud negociatores summa est adulescen-
tulorum corruptela, donec ueniant ad scabiem gallicam.
Quirin um meum dimitto in Hollandiam in Aprili, fortasse
non rediturum. Si uultis Erasmium esse apud me aestatem hanc,
donec despiciatur, minus impendet apud me et discet quantum
discunt famuli. Consultius tarnen arbitror, ut Louanii rnaneat.
Non est pessimus famulus, etiamsi discipulus est permolestus.
Grynaeus misit ad me Claudium adolescentem, addens se
audisse ex te, quod cuperem famulum. At ego suspicor illum
esse erronem Euangelicum. Nam apud Quirinum fassus est,
se petere Wittenbergam, nec huc uenit ut famularetur, sed
ut uiaticum acciperet. Dedi illi supra duos florenos aureos.
Scripsi Grynaeo, ut eum seruaret Basileae treis menses, in sin-
gulos menses pollicitus coronatum, si id nollet, adderet duos
florenos pro uiatico; sed, ut uideo, Euangelicus erro, recta
contulit se Argentoratum dein Wittenbergam. Non indignor
Grynaeo. Nam et illum, opinor, fefellit. Malus genius auferat
606
Horawitz.
istos Euangelicos. Gaudeo tarnen me ab illo liberatum esse.
Bene uale cum amicis communibus et saluta Bonifacium. 1
Friburgi 18. Cal. Januarias 1530.
Responde quam primum licebit.
Erasmus uere tuus.
M. Hieronymo Frob(enio) Basileae.
Von anderer Hand:
Luther 18. Cal. Janu. Anno 1530.
Fol. 2 a. leer.
Aus dem Cod. lat. Monac. 10358 = Collectio Camerariana VIII Fol. 1.
Freiburg im Breisgau. X. 1533.
Erasmus an Karl [von Utenhoven]. 2
S. At nos hic tot molestiis obruimur, ut uix ipsa hila-
ritas possit exhilarare, quo magis admiror, si meae litterae
tantum hilaritatis attulerunt animo tuo. Gaudeo tarnen, mi
Carole, si modo tu uera scribis. Quod si quando rarius ad
te sci'ibo, quam tu uelles, noli putare uel pilum meae in te
beneuolentiae decessisse. Habes inter TraXaiovsou? satis prolixam
ad te epistolam.
Scripsi pridem per huius ciuitatis publicum nuncium. Ait
se litteras reddidisse Scbeto. An ad te peruenerint nescio.
Scripsi simul ad quaestorem Flandriae, cuius filius nomine Flo
rentius agit Patauii.
1 Ueber Alardus aus Amsterdam spricht sieb Erasmus (Clerieus III. 1024. E.)
wenig günstig aus; ein Brief des Alardus an Erasmus findet sich daselbst
S. 1560 f., des Emmeus geschieht eb. 1291 D. Erwähnung. Von Panta-
labus schreibt Erasmus (1169): Misi totam epistolam meam ad Regem
Franciscum unde Pantalabus sumsit ansam calumniandi, quod me auctore
Rex defecisset a pactis. Der Colinäus, der erwähnt wird, ist der bekannte
Pariser Typograph (1. c. 1014), Konrad Goclenius (1455—-1539) war Pro
fessor der lateinischen Sprache an dem Collegium trilingue zu Löwen;
Erasmus nennt ihn (569) eine Zierde des Collegium Buslidianum. Cf.
Neue, Le College des trois langues (143—149). Ueber den Gräcisten
Simon Grynäus (1493—1541) cf. Bursian in der Allg. deutsch. Biographie.
Quirinus (Talesius) war des Erasmus Amanuensis, den er u. A. 1529
(p. 1222) sehr anrühmt. (Brief an ihn 1065).
2 Dass dieser Brief, dessen Adresse fehlt, an Karl von Utenhoven gerichtet
ist, zeigen der Zusammenhang und die darin vorkommenden Namen.
Erasmiana. II.
607
Non erat necesse, ut te tuo serico spoliares. Animus iste(?)
tuus mihi maximi muneris loco est.
De nouis rebus, quae hic iactantur, cognosces partim e
schedis, quas Quirino tradidi, partim ex ipsius relatione. Hol-
landus est: mentiri si uellet, non posset. Jactantur et hic pro-
digiosa quaedam de periuro quodam a duobus daemonibus
discerpto, de uico a daemonibus incenso. Risi mutoniatos istos
daemones.
Admonueram Liuinum ut aut uenaretur opimum sacerdo-
tium aut duceret uxorem, sed exemplo Scepperi bene dotatam.
Miror quomodo iuuenis ille abijciat sese, de quo ego spes am-
plissimas conceperam. Sed nondum abjeci spem omnem.
Fuit apud nos Martinus (sic!) Joachimus, iuuenis egregie
doctus: uacillare uidebatur animo. Tandem aiebat se uelle
redire Gandauum, causans matris aetatem ac ualetudinem.
Quid agat, scire cupio.
Fuit apud D. Joannes Molendinus, mire Erasmicus, sed
ille interim colludit cum Barbirio, interuertente mihi pensio-
nem. Suspicor rem geri instructu Alexandri et Latomi; Galli
sunt, et nescio quo fato, Gallos habeo nunc minus propitios.
Officit mihi Germaniae nomen.
Resalutat te Glareanus, tibi ex animo bene cupiens. Amer-
bachius rarius hic est, recepta iam uxore. Vix credas, quam
mihi doleat Carolum Sucquetum summae spei iuuenem sic
nobis ante diem ereptum. Ego illi metuebam ob praecoces in
eo uirtutes. De te melius spero, qui gradatim ad summum
tendis gloriae fastigium. D. Guilelmo Walae uiro humanissimo
S. P. Tibi mi Carole precor omn interim tibi paro
epithalamium.
Datum Friburgi . . Brisgoae 1533.
Ammonii epistola noluit uenire, quam omnino an acce-
perim nescio. Rogo ut illum et Edingum meis uerbis salutes
diligentei. Erasmus Rot. mea manu.
Autograph aus der Sammlung des Herrn Directors der Münchner Hof-
bibliothek Prof. D. K. v. Halm, der die besondere Güte hatte, mir die Ver
wendung der Abschrift zur Edition zu gestatten.
1 Liuinus, Amanuensis des Erasmus, mit dem Beinamen Algotius, wird
von ihm (Clericus III. 938 f.) bestens empfohlen, über seine Fähigkeiten
608
Horawitz.
Basel. XI. 11. Juli 1536. 1
Stromer an Georg Spalatinus.
G-eorgio Spalatino.
Dominus Erasmus nuper morbo correptus, XI. Julii
uitam finiuit, agens iam annum septuagesimum secundum.
Quiequid reliquit facultatum, illud omne partim pauperum stu-
diosorum commodis et usibus promouendis legauit, partim egenis
et innuptis puellis boneste elocandis testamento consecrauit.
Sunt qui illum 2 circa septena millia aureorum (ne dicam plus)
reliquisse ferunt. Ex uiuentis adhuc ore me audire comme-
mini: prudentis et circumspecti uiri esse, parare et reseruare
nummum litis quo scilicet quameunque fortunam et iniuriam
molestiamque facilius ferre possit. Hunc nummum et ipse sibi,
tot magnorum heroum liberalitate adiutus comparauit, quem
nunc post se relictuin in sanctissimos usus erogandum statuit.
Thesaurum omnium librorum suorum praesuli cuipiam am-
plissimo legauit, cui id ante aliquot annos (ut mihi dicit Ero-
benius) promiserat. Reliquit aureorum et argenteorum pocu-
lorum fere regium apparatum. Ad hoc numismatum aureorum,
quorum aliqua uiginti, aliqua decem, aliqua centum ducatos
ualeant, non uulgarem aceruum. Totus erat [omnium] uir
doctissimus in restituendo Graeco Origine, cui sic erat, etiam
ui morbi iam quam maxime urgente, addictus, ut ab illo non
citius discesserit, quam mors ipsa e manibus scribentis calamum
extorserit. Ultima uerba, quibus iterum atque iterum repetitis
spricht er u. A. 902. Martianus Joachimus, ein Genter Arzt und Freund
des Erasmus, Brief an ihn 1. c. 1137; Johannes Molendinus — Erasmus
nennt ihn 1. c. 366 Hominem naris emunctae — wird auch 305, 901 und
1577 genannt, Karl Sucquetus war wohl ein Verwandter der Brüder
Anton und Johannes Sucquetus, der Freunde des Erasmus (1. c. 739, 752,
909, 1329, 1746). Petrus Barbirius (vgl. den Brief des Erasmus an ihn
649 f.), ein Correspondent des Erasmus, den dieser mit sehr wechselnden
Gefühlen betrachtete. 1529 (p. 1176) hielt er ihn für fähig, ihn um die
pensio Curtraceusis gebracht zu haben. Des Käthes Wilhelm Vala wird
oft (160, 684, 1154, 1065) lobend gedacht, den Andomarus Eding nennt
er 1529 einen Menschen niueis moribus.
1 Datum offenbar falsch, vielleicht soll es XV. heissen.
2 Die Hs, hat illud.
Erasmiana. II.
609
ac magnis suspiriis (ut animum uere Christianum agnosceres)
editis, terram reliquit, haec fuerunt: 0 Jesu Christe, fili Dei
miserere mei, misericordias Domini et iudicium cantabo. Haec
dicentem mors illico oppressit. Funus honorifica ac magnifica
sepultura curatum est, in sumini templi aedito loco, iuxta ritus
Christianae Ecclesiae. Prodierunt in funus singuli Senatoriae
dignitatis Ordines ac totius Reipublicae. Basileensis ruaximi
quique proceres. Quicquid denique Basilea habuit literarum
ac uirtutis scientissimum ac studiosissimum, illud omne maximo
dolore confectum defuncto corpori hoc officio gratificati sunt.
Ex Basilea XI. Julii. Anno Christianorum MDXXXVI.
Stromerus sen.
Abschrift aus dem Ende des XVII. Jahrhunderts im Cod. chart. B. 187
d. Bibi. Gothan. Fol. 270.
610
Horawitz. Erasmiana. II.
Emendation des in meinen Erasmiana I. abgedruckten Briefes
des Erasmus an Johannes Lange.
S. 456, Z. 2 rem gessisset, ita etiam tractatur. 1
Z. 3 Zuniga quidam edidit librum.
Z. 5 sua uenena. 2
S. 457, Z. 4 certa a me proficisci nolim?
Z. 6 Oecolampadioque.
Z. 9 Louanii.
Die gesperrten Worte sind im Apograph des Codex Gothanus enthalten.
1 ita tractatur nahm ich schon in Erasmiana I. 456, Nr. IY an.
2 suum uenenum nahm ich Nr. VIII an.
XXIII. SITZUNG VOM 12. NOVEMBER 1879.
Die Direction des k. k. Staatsgymnasiums zu Freistadt
spricht den.Dank aus für die Ueberlassung akademischer Publi-
cationen.
Herr Dr. Gustav Winter, k. k. Archivs-Concipist in
Wien, überreicht ein Manuscript: ,Das Wiener-Neustädter Stadt
recht des 13. Jahrlnmderts. Kritik und Ausgabe'. Der Herr
Verfasser ersucht um Veröffentlichung desselben in dem ,Archiv'.
An Druckschriften wurden vorgelegt:
Accademia Reale dei Lincei: Atti. Anno CCLXXV. 1877/78. Serie III“.
Memorie della Classe di scienze raorali, storiche e filologiche. Volumo II.
Roma, 1878; 4°.
Commission imperiale areheologique: Compte-rendu pour l’annee 1876 et
Atlas. St-Petersbourg, 1879; Folio.
Gesellschaft, fürstlich Jablonowski’sche, zu Leipzig: Preisschriften. XXI.,
Dr. Pohlmann, Die Wirthschaftspolitik der Florentiner Renaissance und
das Princip der Verkehrsfreiheit. Leipzig, 1878; 4°. — Jahresberichte im
März 1878 und 1879. Leipzig; 8°.
— der Wissenschaften, königl. sächsische, zu Leipzig: Berichte über die Ver
handlungen. Philologisch-historische Classe. 1875, II. Leipzig, 1876; 8°.
1876. Leipzig, 1877; 8". 1877, I. II. Leipzig, 1878; 8». 1878, I. Abthei
lung, I. II. Leipzig, 1879; 8°. II. Abtheilung, III. Leipzig, 1879; 8°.
— Abhandlungen des VII. Bandes, Nr. V: Der Graltempel, von Friedr.
Zarncke. Leipzig, 1876; 4°. Nr. VI: Ueber die Leges regiae, von Moriz
Voigt. I. Bestand und Inhalt der Leges regiae. Leipzig. 1876; 4°. Nr. VII:
II. Quellen und Authentie der Leges regiae. Leipzig, 1877; 4°. Nr. VIII:
Sitzungsber. d. pliil.-liist. CI. XCV. Bd. II. Hft. 40
612
Der Priester Johannes. I. Abhandlung, von Friedr. Zarncke. Leipzig,
1879; 4°. Des VIII. Bandes, Nr. I: Der Priester Johannes. II. Abhand
lung. Leipzig, 1879; 4°.
Istituto Veneto di scienze, lettere et arti: Atti. Tomo terzo, Serie quinta.
Dispensa 8 a —10 a . Venezia, 1876/77; 8°. Tomo quarto, Serie quinta. Dis
pensa l a —9 a . Venezia, 1877/78; 8°.
Mittheilungen aus Justus Perthes’ geographischer Anstalt von Dr. A.
Petermann. XXV. Band, 1879. X. Gotha, 1879; 4°.
Museum-Verein in Bregenz: XVIII. Rechenschaftsbericht über den Vereins
jahrgang 1878. Bregenz; 8°.
,Revue politique et litteraire 1 et ,Revue scientifique de la France et de
l’Etranger 1 . IX e Annee, 2® Serie. Nr. 19. Paris, 1879; 4°.
Sanpere y Miguel, Salvador: Origens y Fonts de la Nacio Catalana.
Barcelona, 1878; 8°.
Smithsonian Institution: Annual Report for the year 1877. Washington,
1878; 8°. — Miscellaneous Collections. Volumes XIII, XIV and XV.
Washington, 1878; 8°.
United States: Geological and geographical Survey of the territories. Tenth
annual Report. Washington, 1878; 8°. — Bulletin. Vol. IV, Number 4.
Washington, 1878; 8°.
Verein, historischer, zu Bamberg: 41. Bericht über Bestand und Wirken im
Jahre 1878. Bamberg, 1879; 8°.
Mutb. Heinrich v. Veldeke u. d. Genesis d. romant. u. heroisch. Epik um 1190. 613
Heinrich von Veldeke und die Genesis der roman
tischen und heroischen Epik um 1190.
Eine kritische Abhandlung
von
Richard von Muth.
JcJs soll im Folgenden der Versuch gemacht werden, nach
zuprüfen, inwiefern die Ergebnisse der vielen Einzelnunter
suchungen und die aus derselben resultirende Auffassung der
litterarischen Verhältnisse noch übereinstimmt mit dem Bilde,
das wir, Volk und Gelehrte, Schule und Litteratdr, von den
Zuständen der neunziger Jahre des XII. Jahrhunderts und zu
Beginne des folgenden, der gerne sogenannten ersten classischen
Periode des deutschen Volkes, zu entwerfen pflegen. Eine der
artige Einkehr und Umschau ist bei historischen Untersuchungen
jeder Art gerathen, weil sonst leicht gewisse Vorstellungen
typisch werden und der Forscher Gefahr läuft, unter die Herr
schaft eines Schlagwortes zu kommen, das die Unkundigen
natürlich um so lieber aufnehmen, je bequemer dasselbe ist.
In dem speciellen Falle ist ein neuer kritischer Sondengang
um so dringender geboten, als durch einige unerwartete Funde
eine nicht mehr zu gewärtigende und daher desto überraschen
dere Bereicherung unserer Kenntnisse eingetreten ist. So
natürlich es demnach scheinen mag, wenn man erklärt, dass
solche erfreuliche Funde nicht nur eine ästhetische Würdigung
finden müssen, sondern dass es nothwendig sei, dieselben auch
ihrer, man möchte sagen, individuellen Natur nach, das heisst
als historische Documente in Betracht zu ziehen, so wenig ist
dies bisher noch der Fall gewesen.
Selbst ein älterer Fund, der vor ungefähr einem Viertel
jahrhundert gemacht wurde und von welchem wir unten aus
zugehen haben werden, eine Dichtung, durch die derselbe
40*
614
Math.
Mann an die Spitze der Litteraturgeschichte zweier in ihrer
sprachlichen und politischen Entwicklung seither geschiedenen
Nationen tritt, der Servatius Heinrichs von Veldeke hat zwar
durch Gervinus und seither durch Jonckbloet eine eingehende
ästhetische Würdigung erfahren, in Beziehung auf seine chrono
logische Bestimmung dagegen ist dem ersteren Forscher ein
Versehen begegnet, das die litterarhistorisclie Darstellung seit
her zu berichtigen noch keine Gelegenheit gefunden hat. Ist
also hier Stoff zur Nachprüfung gegeben, so drängten noch
mehr hiezu neuere Handschriften; nicht so sehr das auf Schloss
Spiez entdeckte Manuscript von Hartmanns Gregorius mit der
vollständigen, bisher unbekannten Einleitung, obwohl andert
halbhundert Verse eines alten Classikers eine wichtige Be
reicherung unseres Materiales sind, um so wichtiger, als dieselben,
wie sie von roher Schreiberhand überliefert vorliegen, dennoch
ohne jede Emendation sich zwanglos und ganz den aufgestellten
und anerkannten metrischen Grundsätzen und Regeln fügen.
Höheres Interesse durfte der Trierer Fund in Anspruch
nehmen, der ein Jahrzehnt früher, als wir anzunehmen sonst
wohl gewagt hätten, in einer Handschrift vereinigt zeigt ein
höfisches Rittergedicht nach französischem Muster mit zwei
Legenden desselben Stiles, deren eine aber an Dichtungen etwas
älterer Richtung, die uns erhalten sind, unmittelbar anknüpft.
Sehen wir aber ab von diesen geistlichen Epen, dem
Aegidius und Silvester, dem mitteldeutschen Pilatus, dem bai
rischen (?) Servatius, auf den übrigens noch zurückzukommen ist,
und einigen andern, so besitzen wir allerdings nur in Ueber-
ai'beitung oder Bruchstücken der Originale nicht weniger als
drei Dichtungen ritterlichen Inhaltes, die an grösserer oder
geringerer Formenstrenge genau dem Zeitpunkte ihrer Ent
stehung entsprechen: diesen Flore neben den räthselhaften
Fragmenten der halb heroischen, halb romantischen Geschichte
vom Grafen Rudolf, der im folgenden Jahrhundert in freilich
stark veränderter Gestalt als Crane wieder auftaucht, und die
Reste der ältesten deutschen Tristanbearbeitung Eilharts von
Oberge, von der wir uns aber mit Hilfe der wohl ei'haltenen
Bearbeitung ein völlig zureichendes Bild machen können.
Es ist klar, dass diese Fragmente zufällig erhaltene
Trümmer einer zu Grunde gegangenen Litteratur sind.
Heinrich v. Veldeke u. d. Genesis der romantischen u. heroischen Epik um 1190. 615
Auch die Ursachen sind durchsichtig und darlegbar, aus
denen die Erzeugnisse jener Tage keine dauernde Geltung ge
winnen konnten.
Unmittelbar nach dem Auftreten dieser, noch mit der
Form ringenden Männer, von denen wir einen einzigen mit
Namen kennen, trat die Periode ein der classischen Form
strenge und demonstrativ ward jedes Werk perhorrescirt, das
dieser ersten und unausweichlichen Anforderung nicht zu ge
nügen vermochte — mit desto grösserer Entschiedenheit, je jünger
es war. Dass die Männer der jüngeren Periode auf den Schultern
jener stehen, haben sie vergessen oder nie eingesehen. Heinrich
von Veldeke, im strengsten und engsten Sinne ein Zeitgenosse
Eilharts, ist erst als Greis geworden, was wir einen Classiker
nennen. Wir müssen uns das Verhältniss ähnlich denken, wie
die Stellung des classischen, zwischen 1780 und 1795 sich auch
erst sehr allmählich abrundenden und abschliessenden Kreises
von Weimar zu den Stürmern und Drängern; nur dass es sich
ein halbes Jahrtausend früher nicht um Principien - und deren
Ausdruck handelte, sondern nur um die Form des Ausdruckes,
die Form ganz allein, und nicht um die Absichten, sondern nur
um die Fähigkeit des Autors.
Und wie im XVIII., ist auch im XII. Jahrhunderte ein
Fürstenhof Mittelpunkt und Ausgang jener tyrannischen Be
wegung. Allerdings lassen sich hieran einige offene Fragen
knüpfen.
Wenn von Fürstenhöfen, an denen die litterarische Be
wegung culminirt, die Rede ist, denkt man zunächst an den
thüringischen und den österreichischen ,MusenhoP, eine Be
zeichnung, die durch die Romantiker, zuvörderst August Wilhelm
Schlegel, in die Litteraturgeschichte eingeführt worden sein
dürfte. Offen ist nun die Frage, worauf sich die vorwiegende
Werthschätzung dieser beiden Höfe gründe; wie dieselben zu
ihrem Rufe gelangt seien und in welcher Weise sich ihr Ein
fluss geäussert habe? Die erste Frage erledigt sich wohl damit,
dass neben den bekannten Aeusserungen Walthers der Umstand,
dass zwei Menschenalter später eine sagenhafte Verherrlichung
der beiden Höfe im Gedichte vom Wartburgkriege möglich
war, genugsam Zeugniss gibt von dem in dieser unbestimmten
Allgemeinheit wohl unanfechtbaren Urtheile der Zeitgenossen.
616
Mnth.
Der dritte Punkt wird sich auch in präciser Weise dahin er
ledigen lassen, dass während wir in Thüringen eine Reihe der
Hauptvertreter der romantischen Richtung in ununterbrochener
Folge verkehren sehen, der Hof von Wien vorwiegend der
Pflege volksthümlicher Epik zugewandt war.
Nur so kann der Hof der Babenberger solche Bedeutung
erlangt haben.
Denn während wir auf der Wartburg einen Mann im
Mittelpunkte der litterarischen Bewegung sehen, den Landgrafen
Hermann, dem sich in Folge familiärer Beziehung jener Dichter
zuwendet, den schon die nächste Folgezeit als den Begründer
der streng classischen Richtung ansieht, Heinrich von Veldeke,
dem wieder eine ganze Reihe namhafter Männer folgt, sehen
wir in Wien den Thron in rascher Folge von drei Fürsten
eingenommen, die einer in des andren Fussstapfen tretend,
doch keinen gleich erlesenen Kreis um sich sammeln und
dessenungeachtet und mit vollem Rechte nicht geringeren
Ruhmes sich erfreuen. Es waren demnach zumeist fahrende
Leute und einheimische Ritter, deren Namen verklungen sind,
die den hohen Ruf des babenbergischen Hofes begründet haben.
Den äusseren Anstoss aber für diese mit einem Male so
mächtig emporquellende litterarische Bewegung pflegt man in
dem Unternehmen zu sehen, das überhaupt in jenen Tagen die
Gemüther in die höchste Erregung versetzte, dem Kreuzzuge
Friedrich Rothbarts.
Die Richtigkeit und Stichhältigkeit dieser Behauptungen
war zu untersuchen.
Es wird sich zeigen, dass in der That die Bedeutung des
dritten Kreuzzuges, der noch einmal die gesammte abendlän
dische Christenheit in allen Schichten auf das tiefste erregte,
nicht überschätzt worden ist; es lassen sich aber auch die
Fäden nachweisen, die den Zusammenhang der litterarischen
Centren jener Zeit, der nicht ganz so lose war, als es wohl
den Anschein hat, vermitteln; wir werden auf Beziehungen
stossen, die zwischen den Häuptern der litterarischen Kreise
obwalten und die zumeist während jener Kreuzfahrt angeknüpft
scheinen.
So wird sich auch der sonst unerklärliche litterarische Erfolg
der Eneit Heinrichs von Veldeke erklären ohne allen Zwang,
Heinrich v. Veldeke u. d. Genesis d. romantischen n. heroischen Epik um 1190. 617
einmal aus der allgemeinen, mächtigen Erregung der Geister,
dann aus seinen ausgebreiteten Verbindungen an einflussreicher,
ja maassgebender Stelle; wenn sich aber nichts desto weniger
herausstellen wird, dass heute wie damals dieser Dichter sowohl
als seine Dichtung, nicht so sehr in Bezug auf inneren Werth
als vielmehr die litterarhistorische Bedeutung, wesentlich über
schätzt worden sind, ist dies Resultat, wenn damit wirklich
eine falsche Grösse aus unserer Litteraturgeschichte beseitigt
oder vielmehr auf ihr richtiges Maass zurückgeführt werden
sollte, nicht, wie Anhänger einer bestimmten Schule unter der
harmlosen Maske statistischer Controle jüngst wollten, als ein
Ausfluss modernes Pessimismus zu betrachten, sondern ganz
einfach als gefunden und errungen als das, was sein Autor für
wahr hält, ausgehend von jener gesunden Skepsis, die nach
Herbart der Anfang alles Forschens, wie nach Lessing die
höchste Befriedigung des Forschers selbst ist.
Vorbemerkung über die Litteratur.
Da die Aufsätze und Abhandlungen, die Heinrich von
Veldeke betreffen, nicht so allgemein bekannt und, da seine
Dichtungen vornehmlich Object der sprachlichen Untersuchung
gewesen sind, viel zerstreuter sind, als die über andere höfische
Epiker, dürfte es am Platze sein, eine Bemerkung über das
zu dieser Abhandlung benützte Materiale — ohne Anspruch auf
kritische Vollständigkeit — vorauszuschicken.
Von allgemeineren Werken wurden neben den bekannten
und geläufigen Litteraturgeschiehten, in denen nur eine Be
merkung Martins in Wackernagels Littg. §. 56, 7 wichtig ist,
angezogen Jonckbloets Geschichte der niederländischen Litte
ratur und Cholevius’ Geschichte der deutschen Poesie nach
ihren antiken Elementen.
Von Veldeke’s Werken sind nur die Lieder wiederholt
herausgegeben (von Ettmüller und in den bekannten Samm
lungen); auf My Ilers Abdruck zurückzugehen war keine Ver
anlassung; ebensowenig boten die Fragmente in Pfeiffers
Quellenmaterial Neues; desto mehr die vom Verfasser zum
erstenmale verglichene Wiener Handschrift Nr. 2861. — Die
618
Mutli.
Einleitungen von Ettmiiller zur Eneit und in höherem Maasse
die von Bormans zum Servatius stellen wichtiges Materiale
in übersichtlicher Form zusammen. Die Geschichte der Grafen
von Loz ist von Mantelius (s. im Texte) behandelt. — Ser
vatius’ Vita und Translatio stehen Mon. Germ. SS. XII. 87
—126, VII. 161—189; der hochdeutsche Servatius ist von
Haupt im V. Bande seiner Zeitschrift herausgegeben.
Den Ausgangspunkt für die chronologische Untersuchung
bildet die Note Lachmanns zu Iw. 6943; für die sprachliche
Gramm. 1, 453—455; in v. d. Hägens Minnesingern er
scheint Veldeke 4, 72—79.
Leicht zu übersehen ist der reiche Stoff, den Pfeiffer
bietet in seiner Anzeige des Minnesangsfrühlings, Germ. 3, 484 f.,
insbesondere S. 492—496; sehr unglücklich ist dagegen ein
Aufsatz Bartsch’s über den Servatius, worin er gegen die Echt
heit einzelner Theile polemisirt, Germ. 5, 406- 431; gegen ihn
kehrt sich vielfach W. Braune in seiner eingehenden Ab
handlung über Veldeke in Zachers ZfdPhil. 4, 249—304, der
ein Aufsatz desselben Autors zur Kritik der Eneide ZfdAlt.
16, 420—436 vorangieng, worin er jedoch ausschliesslich über
das Handschriftenverhiiltniss handelt. Von Belang ist ausser
dem eine Abhandlung Müllenhoffs zu Friedrich von Hausen
ZfdAlt. 14, 133 f. (insb. S. 136), gegen den sich Lehrfeld
richtet, Paul-Braune 1, 345 f. (insb. S. 356).
Von grösster Wichtigkeit für unsere Zwecke ist endlich
die von Alex. Pey durchgeführte Vergleichung der Eneit mit
ihrem französischen Original: L’Eneide de Henri de Veldeke
et le roman d’Eneas, attribue ä Benoit de Saiute More in
Wolfs und Eberts Jahrbuch f. roman. u. engl. Lit. 2, 1—45.
Heranzuziehen ist mit den Autoren der gleichen Pei'iode
vom graven Rudolf bis auf Hartman und Herbort das dieselben
betreffende Materiale, vornehmlich die Einleitung Lichten-
sterns zu Eilharts von Oberge Tristan und einige Bemer
kungen zu Lamprechts Alexander; dann alles die Trierer
Fragmente Betreffende.
Dass der Umfang den Werth der Arbeit nicht bestimmt,
tritt nicht leicht wieder so hervor; die höchste Bedeutung be
sitzen noch immer und Grundlage und Ausgangspunkt der
Untersuchung bilden noch heute die citirten Stellen von Grimm
Heinrich v. Veldeke u. d. Genesis d. romantischen u. heroischen Epik um 1190. 619
und Lachmann; nach ihnen besitzen für das vorliegende
Thema speciellen Werth nur die Aufsätze von Pfeiffer, Pey
und Braune.
I. Heinrich von Veldeke und seine Werke.
Ueber wenige Männer war man zu allen Zeiten gleich
einig im günstigen Urtheil, .wie über Heinrich von Veldeke:
seine litterarische Stellung scheint so determinirt, sein Einfluss
so epochemachend, sein Buhn: so festgegründet, dass es guter
Gründe bedarf, gegen eine derartige Einstimmigkeit ein neues
und abweichendes Urtheil zu entwickeln. Leider hat sich die
Forschung mit diesem Dichter nicht in gleichem Maasse be
schäftigt, wie mit dem liebenswürdigeren Hartmann oder
Walther, die unserem Gefühle minder fremdartig sind, und die
wenigen Arbeiten, die ihm gewidmet wurden, behandeln seine
Werke beinahe ausschliesslich nach der sprachlichen Seite,
die des Interessanten und Strittigen allerdings genug bietet.
In litterarhistorischer Beziehung war man so einig, wie gesagt,
und schien sich so wenig Neues beibringen zu lassen, dass
man selbst die grossen Funde, den Servatius, die Trierer Epen
einfach ein- oder richtiger in der Reihe vorschob — der Zeit
nach, ohne eine Ueberprüfung des Gesammtresultates für
nothwendig zu halten und sich die Frage vorzulegen, ob die
herkömmliche Darstellung noch zu den Resultaten der Gegen
wart stimme? Fehler, die einmal in die litterarhistorische Tra
dition eindringen, herrschen durch Menschenalter — und so
ging es auch mit der Chronologie der Werke Heinrichs. Ger-
vinus, der dem Servatius eine eingehende litterarisch-ästhetisclie
Würdigung zu Theil werden liess, das rein historische Moment
aber völlig vernachlässigte, hat zuerst arge Verwirrung in
diese Frage gebracht, ohne dass dieselbe bisher auch nur be
merkt, geschweige denn berichtigt worden wäre. (Gesch. d. d.
Dicht. I. 3 , 453.)
Von Heinrich von Veldeke sind uns ausser einer Anzahl
(etwa 50 Strophen) 1 lyrischer Gedichte zwei vollständige Epen
1 MSF. Nr. IX. S. 56—68; versuchte Herstellung’ einer niederdeutschen
Urform vor Ettmiillers Ausgabe der Eneit. S. 3—14.
620
Muth.
und von einem dritten nur der Titel erhalten. Sein Hauptwerk
ist die Eneit, in fünf vollständigen Handschriften (abgesehen
von einigen, genau classificirbaren, nicht allzu werthvollen
Fragmenten in Pfeiffers Quellenmaterial) erhalten, von denen
eine der heute nicht mehr brauchbaren ersten Ausgabe in
Myllers ,Gedichten des XII. und XIII. Jahrhunderts' zu Grunde
liegt; zwei, die zusammen die dem Urtexte fernest stehende
Gruppe bilden, von Ettmiiller für seine Bearbeitung herange
zogen wurde; eine gar erst zu den Zwecken dieses Aufsatzes
zum erstenmale verglichen worden ist, so dass wir thatsächlich
noch keine kritische Ausgabe dieses Werkes besitzen. Einer
solchen stellen sich auch, wie sich noch zeigen wird, unge
wöhnliche Hindernisse in den Weg, denn während bei anderen,
Hartmann etwa, die Ueberlieferung so reichlich und sicher
fliesst, dass wir Sprache und Stil, Keim und Brauch des Dichters
auf das genaueste kennen und mit apodiktischer Sicherheit
sagen können, ob eine Stelle apokryph ist oder nicht, mangelt
bei Heinrich derartige Beglaubigung gänzlich, da uns das
Original jedenfalls verloren ist und die beiden Gruppen be
denklich differiren; dennoch ist mit Hilfe der dem Originale
näher stehenden Sippe GH (Gothaer und Heidelberger Hand
schrift), die Ettmüller mit Unrecht gegen die freier redigirende
BM (Berlin-Münchener) hintangesetzt hat, ein leidlicher Text
herzustellen. Im Folgenden ist stets nach Ettmüller citirt. W,
die Wiener Handschrift (cod. pal. 2681), die schon dadurch
überaus merkwürdig ist, dass sie einen um wenigstens 2000
Verse gekürzten Text bietet und dessenungeachtet, und wie
wohl sie schon im ältesten kritischen Handschriftenkataloge
der Wiener Hofbibliothek von Hofmann aufgenommen ist, von
den Veldeke-Forschern bisher völlig ignorirt wurde, steht der
Gruppe BM nahe, aber nicht ohne Eigenthümliches zu bieten
und stellenweise vielleicht das Echte zu retten. 1 Ueber die
Mundart der Stammhandschrift ist noch zu handeln.
Dagegen liegt der Servatius, von dem wir lange nur aus
Piiterichs Ehrenbriefe Kenntniss hatten, nur in einer Handschrift
vor, die unzweifelhaft den Orginaltext wiedergibt, wenngleich
sie selbst erst aus dem XV. Jahrhunderte stammt, und zwar in
1 S. Beilage I.
Heinrich y. Veldeke u. d. Genesis d. romantischen n. heroischen Epik um 1190. 621
niederdeutscher oder, genauer ausgedrückt, niederfränkischer
Sprache und zwar speciell in der (der Kölner nächstverwandten)
Mundart des Limburger Ländchens. Sinte Servaes ward 1858
aufgefunden und sowohl in den Annales de la societe histonque
et archeologique de Maastricht als selbständig (Sinte Servatius
legende von Heynrijk van Veldeken uitg. d. J. H. Bormans,
Maestricht, 1858, 285 S., 8 n ) herausgegeben. Das dritte, nach
den Angaben eher höfisch-erotisch, als, was wohl auch möglich
wäre, biblisch-legendarisch angelegte grössere Gedicht handelte
von Salomon und Venus; es wird Heinrich zugeschrieben von
dem uns leider unbekannten Verfasser des Moriz von Craon,
dessen Nachricht aber durchaus nicht anzuzweifeln ist, da sich
derselbe als ein nicht nur im Sinne der Zeit geistreicher,
sondern auch belesener Autor zeigt (er kennt die Kaiserchronik,
das Rolandslied, ein Gedicht über den trojanischen Krieg —
vielleicht jenes, das der abrupte Anfang der Eneit, die hierin
ihrer französischen Vorlage folgt, vorauszusetzen scheint: also
ein französisches? — für den ihm gleich Herbort Dares als
Hauptautorität erscheint v. 37). Die ganze merkwürdige Stelle,
die übrigens überdies noch dem XII. Jahrhunderte angehören
mag, lautet: 1
1156 daz bette mohte wol sin *—
so kan ab ich niht sagen baz,
wan lät ez sin alse daz,
an siner güete gelicb,
daz von Veldek meister Heinrich
machte harte schone
dem künege Salomone,
da er uf lac unde slief,
da er inne Venns ane rief,
biz daz si in ervvakte:
mit ir bogen si in erschrakte,
si schöz in an sin herze
daz in der selbe smerze
drnkte unz an sin ende:
er muste in ir gebende;
1 Aufmerksam gemacht zu haben auf diese Stelle, ist das Verdienst des
Mannes, der auch den Moriz von Craon gleich vielen anderen gleich
zeitigen Werken aus der wüstesten Form auf das glänzendste hergestellt
hat, M. Haupt MSF. S. 258 zu 66, 23.
622
Jluth.
swie wis s6 er wsere,
si machte in witze laere. 1
Heinrich selbst scheint einmal MSF. 66, 23 diu minne
tioanc 3 Scdomöne anzuspielen, so dass der den Inhalt an
deutende Titel vielleicht ähnlich lautete, etwa wie der minne
kraft den Jcünec Salomone twanc. Interessant wäre uns der
Besitz dieses Gedichtes schon darum, weil es möglicherweise
zwischen den beiden Werken Heinrichs, von denen ihn das
eine noch im Ringen mit der Form, das andere als den voll
endeten Beherrscher derselben zeigt, eine Mittelstellung ein
nahm.
Ueber das Leben Heinrichs sind wir seit Auffindung des
Servatius genügend unterrichtet, besser als über das aller übrigen
epischen Dichter jener Zeit.
Heinrich von Veldeke hat den Servatius gedichtet in der
Mundart seiner Heimat; Veldeke ist ein Dörflein in der Nähe
der Abtei S. Truyden (Trond) bei Maestricht, der Stadt, die
nächst Utrecht zumeist jenen Heiligen, den sich auch Heinrich
zum Patron gewählt, verehrt hat; Schutzherren der Truydener
Abtei waren die Grafen von Loen (Loz); auf Bitten der Gräfin
Agnes und des Castellans Hessel hat Heinrich das Gedicht ver
fasst. Leider besitzen wir neben diesen Umständen, die er
selbst uns angibt, Serv. 1, 141—200. 3225—3254. 2, 2920—
2974, kein urkundliches Zeugniss für die Person des Dichters.
Veldeker kommen dann im XIII. Jahrhunderte mehrfach vor
als milites in den Urkunden von S. Trond. Wir haben also
in Heinrich, wie in Hartmann, einen Ministerialen, der in enger
Beziehung zum Herrenhause steht. Nur beiläufig, weil Bormans
ernstlich daran gedacht zu haben scheint (. . .,’si j’etais plus
certain qu’il ne fut pas eiere lui-meme‘ S. 2), erinnere ich,
dass Heinrich kein Geistlicher war, wiewohl er Latein kannte,
da er nach der translatio S. Servatii 2 gleich seinem oberdeutschen
Concurrenten, allerdings einem Cleriker, und Französisch, da
1 Das Bild, worauf 1166 angespielt ist, von der minne (Cupidos) bogen,
findet sich, wie mich Heinzei giitigst aufmerksam macht, En. 38, 38.
'267, 2-1. Dennoch kann ich nicht glauben, dass dem Dichter des Craon
des Veldekers Eneit bekannt, war.
2 SS. XII. 87—126.
Heinrich v. Veldeke u. d. Genesis d. romantischen u. heroischen Epik um 1190. 623
er nach Benoits rornan d’Eneas dichtete, und ob er auch aus
drücklich für Laien, zu denen man ihn also als im Gegensätze
befindlich auffassen könnte, seine Arbeit bestimmt Serv. 1,
3231; weil ihn sonst Männer -— hier genügt der negative
Umstand —, die in Eisenach noch persönlich mit ihm zu
sammengetroffen sein mögen wie Herbort, oder doch wie Wolfram
den regsten persönlichen Antheil an ihm nahmen, die also
über seine Verhältnisse informirt waren, als Geistlichen be
zeichnet, gleich Conrad, Lamprecht als Pfaffen Heinrich in die
Litteratur eingeführt hätten; nun aber heisst er ihnen (s. und
die Zeugnisse) wiederholt minister und zwar sowohl den Zeit
genossen, wie Wolfram und dem Dichter des Moriz von Craon,
als auch noch dem Redactor der Weingartner Liederhandschrift
(dass er 353, 15 so bezeichnet ist, möchte nichts entscheiden, da
hieselbst das Wort in ähnlichem Sinne gebraucht sein kann,
wie etwa in den bekannten Stellen der Klage u. ä.: der
rede meister sprach daz e, d. h. kurzweg der Verfasser oder
noch schärfer in seinem ursprünglichen Sinne: auctor). Mini-
steriale war er der Loener: Agnes nennt er sine vrouioe Serv.
1, 3237; nicht einmal, ob Veldeke nur Orts- oder auch Ge
schlechtsname ist, lässt sich entscheiden, obwohl sehr lebhaft
für das eine wie für das andere plaidirt worden ist (vgl. hier
über Braune, ZfdPhil. 4, 249); er selbst nennt sich nur
Serv. 2, 2920 Iieynryck, die van Veldeken ivas gheboren.
Was nun das Verhältniss zur Gräfin Agnes von Loz be
trifft, so wird dieses durch eine andere Beziehung wichtig, die
schon Bormans S. 16 hervorgehoben, die aber seither nicht
die Würdigung gefunden hat, die sie verdient. Es sind nicht
weniger als drei Frauen gleichen Namens, ohne dass sich mit
Sicherheit entscheiden Hesse, welche Heinrich in seiner zwei
maligen Anführung als Veranlasserin seines Unternehmens meint.
Agnes heisst die Frau Arnulf V. von Loz; ebendenselben Namen
soll die Gattin und Witwe seines Sohnes Ludwig I. geführt
haben, der 1171 starb, und ebenso nannte sich deren Tochter,
die mit Otto V. von Baiern vermählt war und deren Tochter
hinwiederum jene berühmte Sophie ist, die Piermann von Thü
ringen ihre Hand reichte. Arge Verwirrung richtet Gervinus
an (Gesch. d. d. Diclitg. I. 5 , 453), wenn er kurzweg die mittlere
Agnes als die Herrin Veldekes, der er sein Epos gleichsam
624
MutU.
widmete, ansielit und dennoch die Möglichkeit offen lässt, dass
der Servatius, jünger als die Eneit, von Heinrich in hohem
Alter ,in dem halb verlernten Dialekte seiner Heimat zu
schreiben unternommen worden sein könnte'. Die Eneit er
wähnt eine Thatsache aus dem Jahre 1184, jene Agnes starb
1175, und welche sprachliche oder vielmehr stilistische Kluft
trennt überdies — unbeschadet der Identität des Dialekts, in dem
beide ursprünglich abgefasst sind—unter allen Umständen diese
beiden Werke, von denen das umfangreichere nach Gervinus
zwischen 1175—1184 entstand. Und der Servatius soll doch
jünger sein und der 1175 verstorbenen Agnes gewidmet sein
können! Die jüngste Agnes ist nun zwar nicht ausgeschlossen,
aber ich denke, alle Jene, die gleich dem Verfasser dieser
Abhandlung, nicht nur die allgemeine Ueberzeugung theilen,
dass der Servatius älter sei als die Eneit, sondern auch der
Ansicht sind, dass zwischen diesen beiden bei vieler Uebei - '
einstimmung und Aehnlichkeit im Einzelnen so grundverschie
denen Werken, die ganz in dem Sinne wie etwa Schillers
,Räuber' oder, besser, selbst der ,Don Carlos' und sein ,Wallen
stein' zwei verschiedenen Perioden angehören, eine erkleckliche
Zeit verstrichen sein müsse, sollten die älteste Agnes als
wenigstens gleichfalls in Frage kommend ansehen. Die mittlere
Agnes führt den Namen nicht unbestritten: sie eine Gräfin
von Reineck (bei Würzburg), erscheint auch als Ermelinde
von Loen-Reineck — und ich glaube, dies dürfte trotz Bor-
mans’ Zweifel (a. a. 0. 8. 15, 16) das Richtige sein: es wäre
zu auffallend, wenn in einem Geschlechte bei ganz gewöhn
lichem Wechsel der Männernamen, ganz zufällig die Frauen
namen übereinstimmten — durch drei Menschenalter! Dass
hingegen im anderen Falle die Enkelin nach der Grossmutter
benannt ist, ist ebenso gewöhnlich, als eine Namensverwechslung
oder vielleicht Verschiebung der Persönlichkeiten, die ein ob
soleter Genealoge verschuldet hat. Zudem ist das Zeugniss für
den Namen Ermelinde aus dem Jahre 1168, also bei Lebzeiten
der betreffenden Person abgegeben. 1 Ich gebe zur besseren
1 Ob die betreffenden Urkunden, aus denen jeder deutsche Gelehrte die
endgiltige Entscheidung treffen würde, existiren, weiss ich nicht; glaube
es jedoch, da sonst des sehr verlässlichen Mantelius Daten nicht so
exact sein könnten..
Heinrich v. Yeldeke u. d. Genesis d. romantischen u. heroischen Epik um 1190. 625
Uebersicht eine Stammtafel, wie sich nach Joan Mantelius
historiae Lossensis libr. X, p. 57, sq. die Familie, soweit sie
uns hier bekümmert, verzweigt.
Arnulf V. von Lon,
f um 1150.
Gern. Agnes v. Baiern,
f um 1160.
Ludwig I.,
f 1171.
Gern. Ermelinde (oder
Agnes) v. Reineck,
f 1175.
I
Agnes Otto V. v. Scheuern-
(f vor 1182). Wittelsbach,
f 1183.
Sophie Hermann, Pfalzgraf v. Sachsen,
später Landgraf v. Thüringen.
Otto V. hinterlies 1183 bereits einen Sohn zweiter Ehe;
der jüngsten Agnes war also jedenfalls nur ein kurzes Leben
bescheert und dennoch werden sie diejenigen als die Gönnerin
Heinrichs ansehen müssen, denen es unwahrscheinlich erscheint,
dass derselbe Mann vier, wenn auch rasch aufeinanderfolgenden
Generationen gedient haben sollte, und denen überhaupt durch
ein Hinaufrücken in die Zeit der ersten Agnes dem Servatius
ein zu hohes Alter zugeschrieben wird. Entscheidend dürfte
sein, was Jonckbloet (Gesch. d. niedl. Litt. übs. v. W. Berg,
I, 93) anführt, dass eine in Baiern geborene Fürstin wohl
kaum ein Gedicht in limburgischem Dialekte habe schreiben
lassen. Hiezu kann man beifügen, dass dagegen eine Fürstin,
die die Heimat verlässt, wie die jüngste Agnes, im Sinne der
Zeit desto mehr Veranlassung hat, eine Erinnerung an die
Schutzheiligen der Heimat zu wünschen. So entscheide ich
mich, nachdem absichtlich für die Erwägung die breiteste
Schranke gezogen wurde, für die dritte Agnes: der Gemahlin
Ottos von Baiern verdankte Heinrich von Veldeke die An
regung zu seinem ersten grösseren Werke — denn den An
fänger in der Kunst des Verses und Reimes zeigt der Servatius
626
Muth.
auf jeder Seite. Jonckbloet hat übrigens (a. a. 0. §. 50) die
Autorschaft Veldeke’s schlechtweg geläugnet: ,der Schreiber
war sicher kein Edelmann, sondern bestimmt ein Geistlicher'.
Weit richtiger hatte schon Bormans den richtigen Sachverhalt
erkannt, wenn er Veldeke den ersten Ritter nannte, der sich
mit geistlichen Stoffen befasste, obwohl ihn, wie wir gesehen
haben, gleichfalls, wenn auch nur vorübergehend, der Gedanke
an eine geistliche Autorschaft beunruhigte. Während es zur
Signatur der ersten Hälfte und noch in der Mitte des XII. Jahr
hunderts in Deutschland gehört, dass die Pfaffheit welt
liche, ritterliche, romantische Stoffe behandelt, wendet sich in
der zweiten Hälfte des Säculums zuerst die niederrheinische
Ritterschaft, der zunächst die schwäbische sich anschloss, wie
der weltlichen, so auch der geistlichen Romantik zu und es
ist einem Zweifel gegenüber, wie ihn Jonckbloet ausgesprochen,
von der höchsten Bedeutung, dass der Trierer Codex, bei
welchem die Schrift nicht am Alter zu zweifeln gestattet, Le
genden und Rittergedicht, zwei Heiligenleben, Aegidius und
Silvester, mit einer romantischen Erzählung aus dem kerlin-
gischen Kreise, Floris, vereinigt zeigt, vereinigt in einem Bande,
zu einem höfischen Unterhaltungsbuche (Steinmeyer, ZfdAlt.
21, 310). Was Jonckbloet sonst über Sprache, Stil und Reim,
ohne Untersuchung und Beweis im Einzelnen vorbringt, ist
durch die namentlich auf die sorgfältigsten Reimforschungen
gegründeten Arbeiten von Pfeiffer, Bartsch, Braune u. A.
(s. Beilage I) längst zum Theil im vorhinein widerlegt. 1
Wenn wir in Bezug auf das Alter des Servatius, da auch
die zweite von Heinrich genannte Person, Hessel, der Schloss-
custos — Bormans’ Bedenken, ob custenaer Personenname oder
Appellativum ist, das er zu 1, 3240 aufwirft, wird erledigt
1 Dass sich der Dichter des Servatius nicht H. v. Veldeke nenne, sondern
nur von einem Dichter H. v. V. spreche (a. a. O. S. 92), ist ebenso
unrichtig, wie, dass H. v. V. von dem Römerzuge Kaiser Friedrichs I.,
,wie von einer Sache, deren er sich persönlich erinnert“, spreche; er sagt
vielmehr von der Thatsache, die er aus dem Jahre 1155 erzählt, ganz
ausdrücklich 226, -t nü ir ez vernemen sott, als ich ez geleret hin. Er will
also nur als Ohrenzeuge gelten: Augenzeuge war er nicht. Den Römer-
zug könnte er dessenungeachtet immerhin mitgemacht haben, ohne eben
jenem Acte der Graberöffnung beigezogen worden zu sein -— aber wir
haben dafür keinen Anhaltspunkt oder gar Beweis.
Heinrich v. Veldeke u. d. Genesis d. romantischen u. heroischen Epik um 1190. 627
durch 2, 2944 die doen der costeryen plack — nicht urkundlich
oder überhaupt irgendwie nachweisbar ist, immer auf ziemlich
weite Grenzen, die wir höchstens durch formale Untersuchungen
einigermaassen verengen können, angewiesen sein werden, lässt
sich das Alter der Eneit mit aller wünschenswerthen Genauig
keit bestimmen.
Zwei äussere Momente bilden immer die Grundlage dieser
Zeitbestimmung: das Fest, das Kaiser Friedrich I. 1184 hei
der Vermählung seines Sohnes und Nachfolgers Heinrich mit
der Erbtochter von Sicilien feierte und das so vielfach auf
beiden Seiten des Rheines, wie der Alpen, als die glänzendste
Feier, die jemals Abendland oder Christenheit begangen, ge
priesen wurde, ist von Heinrich in der Eneit, nahe dem Schlüsse
(sie zählt 13268, nach Ettmüllers fataler Zählung in 354
weniger 16 Spalten) 347, 13—348, 4. Das gibt einen terminus
a quo: nicht vor 1184 kann das Epos vollendet worden sein.
Ob eine nähere Bestimmung möglich ist, bleibt eine offene
Frage. Zum Schlüsse wird erzählt, Heinrich habe das ,buchelm‘
der Gräfin von Cleve ,ze lesene und ze scJiouwen‘ — er legte
sich also im Autograph eine Bilderhandschrift an — geliehen;
da sie sich mit dem Landgrafen (Ludwig von Thüringen) ver
mählte, wurde das unvollendete Gedicht zu Cleve einer der
Frauen, der es anvertraut war, vom Grafen Heinrich von
Schwarzburg gestohlen: neun Jahre blieb es dem Dichter ent
wendet. Demgemäss geschah dies frühestens im Jahre 1175.
Der Pfalzgraf Hermann zu Neuburg an der Unstrut (das ist
der nachmalige Landgraf) verschaffte Veldeke das Buch; ihm,
des Landgrafen Ludwig leiblichem Bruder, und dem dritten
Bruder, dem Grafen Friedrich (von Ziegenhain), widmet er
dann in der üblichen Weise das Gedicht En. 352, 19—354, 1.
Die hieran sich knüpfenden Fragen sind oft erörtert, ohne dass
zu Ettmüllers Zusammenstellung S. XIV—XIX etwas Nennens-
werthes beigebracht •worden wäre. Von dieser hier genannten
Gräfin von Cleve schied sich Ludwig um 1186; wenn er des
halb aus zarter Rücksicht für die Frau, wie Heinzei fein und
treffend bemei’kt, nicht mit den anderen Brüdern in die Dedi-
cation eingeschlossen ist, ist etwas Näheres für die Datirung
gewonnen. Wir werden sehen, ob die anderen Umstände
stimmen; Gewicht darf hierauf nicht gelegt werden; ja Ettmüller
Sitzungsber. d. phil.-hist. 01. XCV. Bd. III. Hft. 41
628
M utli.
meint umgekehrt, die Stelle müsse vor 1186 abgefasst sein,
sonst hätte Heinrich die Gräfin nicht erwähnt. Dass Ettmüller
Unrecht hat, geht einfach daraus hervor, dass Veldeke zu dieser
Frau, wie ja die Stelle selbst besagt, nicht erst durch ihren
Mann in Beziehung getreten ist, und dass bei diesen mittel
alterlichen Ehescheidungen, bei denen zu nahe Verwandtschaft
und die dadurch entstandenen Gewissensscrupeln den Vorwand
abgeben mussten, der sociale Verkehr der beiden Eheleute oder
wenigstens ihrer Geschlechter, insbesondere wenn die Kirche
vermittelnd dazwischen trat, nicht nothwendig abgebrochen wurde.
Dass ein Vorgang aus dem Jahre 1155 im Verlaufe der Er
zählung berührt wird, ist ziemlich irrelevant; dass aber Heinrich
von Schwarzburg am 26. Juli 1183 starb, ist wichtig, da
die letztere Jahreszahl einen terminus a quo abgeben kann:
vor 1183 hat der Schwarzburger seinen Raub ausgeführt; neun
Jahre später vollendete der Dichter sein Werk oder erhielt es
wenigstens zurück, das ist also vor 1192. Damit sind uns nun
zwei Grenzpunkte gesteckt, innerhalb deren sich die Unter
suchung fernerhin bewegen muss: zwischen 1175 und 1192 ist
die Eneit entstanden — vorausgesetzt, dass der Dichter un
mittelbar nach Wiederempfang seines Werkes dasselbe auch
zu Ende geführt hat.
So setzen auch alle Litterarhistoriker diese Daten an;
nur dass die meisten — ganz willkürlich — annehmen 1184,
das Jahr des Festes von Mainz sei auch das Vollendungsjahr,
und demgemäss mit grosser Sicherheit erklären, die Eneit sei
zwischen 1175 und 1184 entstanden; das ist aber jene Zeit,
in der nach ihnen selbst der Dichter sein Werk gar nicht
besass. Lachmann und seine Schüler datirten vorsichtiger. Der
Minnesinger Friedrich von Hausen nahm Theil am dritten
Kreuzzuge und fiel, noch vor seinem Kaiser, 6. Mai 1190. Der
selbe kam wiederholt, ich möchte fast sagen, auch in diplo
matischen Missionen, an den Niederrhein, 1 woselbst er natürlicher-
1 Müllenhoff, ZfdÄlt. 14, 135, der S. 136 annimmt, dass die Eneit un
mittelbar nach dem Feste von 1184, also nach Pfingsten, in Thüringen
vollendet wurde. Wir werden unten sehen, dass dem der Text wider
spricht, der vielmehr voraussetzt, dass seit dem Feste längere Zeit ver
strichen ist. En. 347, 34. Wenn für Miillenhoff, wie es scheint, der
Eindruck bestimmend ist, von dem wir Veldeke beherrscht sehen, denn
Heinrich v. Veldeke u. d. Genesis der romantischen n. heroischen Epik um 1190. 629
weise mit den vornehmsten Kreisen verkehrte. Dass er hier,
wo Veldeke in den ersten Geschlechtern seine Gönner hatte,
Gelegenheit fand, Heinrichs Dichtung kennen zu lernen, wäre
begreiflich. Eine Erwähnung von seiner Seite aber kann man
seines Abzuges und Todes halber nicht später als 1188 an
setzen. Da er nun einmal deutlich auf die Aenaeassage anspielt,
gewöhnte man sich anzunehmen, die Eneit sei zwischen" 1184
und 1188 abgefasst, obwohl Friedrich nothwendig nur den
ersten Theil gekannt haben müsste, 1 der ja, wie der Dichter
selbst klagt 353, 11/12, selbständige Verbreitung gefunden hat.
Lachmann, der zuerst hierauf aufmerksam machte (zu Iw.
4341, Note zu Beneke’s Anm. zu 6943), drückte sich viel vor
sichtiger aus: die Hochzeit der Gräfin von Cleve war dem
gemäss nicht nach 1179 und, wie wir bereits wissen, nicht vor
1175. Darnach setzt auch Scherer QF. 7, 60 das ,Erscheinen*
der Eneit zwischen 1184 und 1188. Mir scheinen da die
Grenzen rechnungsmässig zu eng: Hausens Vers scheint mir
zunächst die Bekanntschaft mit dem zweiten Theile der Eneit
geradezu auszuschliessen und könnte auch aus dem Jahre 1189
noch stammen; schon darnach könnte die Hochzeit der Cle
verin auch 1180 fallen. Aber es ist. mir hier nicht darum zu
thun, die Unrichtigkeit jener Zahl darzuthun, als vielmehr
diese Berechnung überhaupt abzulehnen; denn, wenn Friedrich
von Hausen nur den ersten Theil kannte, kann er ihn ja wäh
rend jener Zeit kennen gelernt haben, da er Veldeken ent
rissen war. Und dem Poeten selbst müssen wir etwa ein Jahr
Spielraum geben für die Vollendung seiner Arbeit. So werden
wir zufällig auf das richtige Jahr geleitet: 1190, wird sich
zeigen, vollendet Heinrich seine Eneit, 1180 oder 1181 war
demnach die Hochzeit der Cleverin. Die Stelle Friedrichs muss
jedoch erörtert werden, um ihre Gleichgiltigkeit zu beweisen:
MF. (VIII) 42, 1 Ich muoz von schulden sin unfrö,
sit si jach, d6 ich hx ix - was,
wir besitzen von ihm, keine Stelle von gleicher oder ähnlicher Emphase,
so war es eben nicht der Eindruck jenes Festes, sondern einer viel ge
waltigeren Thatsache, der ihn so warm reden Hess.
1 Immer unter der Voraussetzung, dass FvH. nicht doch aus einem fran
zösischen Gedichte, oder, wofür, wie Iieinzel bemerkt, das Unpassende
des Vergleiches zu sprechen scheint, nur aus ungefährer Kenntniss der
Sage schöpft.
41*
630
Math.
ich möhte heizen Eneas,
und solte al) des wol sicher sin,
si wurde niemer min Tidö.
Friedrich will hier gewiss nicht sagen, dass die Dame seine
Dido nicht werden wolle, d. h. sich einer Abweisung von
seiner Seite nicht aussetzen wolle, sondern er vergleicht nach
Sitte der Zeit sich und seine Dame einem berühmten Liebes
paare; 1 dann ist der Sinn der Stelle: möge er sich immer
Aeneas dünken, sie wird ihm nie Dido. Nun hätte der Dichter,
kam ihm einmal aus eben gewonnener Lecture (1187 und
1188 war Hausen, wie Haupt S. 249 zeigt, am Niederrhein)
Aeneas in den Sinn oder wurde eine diesbezügliche Anspie
lung von ihm bereits mündlich gewagt, die Geliebte, wenn er
das ganze Gedicht gekannt hätte, tactvoll nur mit Lavinia, nie
mit der unglücklichen, zuriickgestossenen, verlassenen Dido ver
gleichen dürfen. Kannte er nur den ersten Theil, weil nur dieser
ihm und seiner Dame vorlag, so war ihm damit entweder
Lavinia, deren Rolle erst an der Unterbrechungsstelle beginnt,
unbekannt, oder erschien ihm doch zu unbedeutend zum Ver
gleiche, während dadurch, dass Dido im ersten Theile die einzige
nennenswerthe Frauengestalt ist, der Leser des Fragmentes zu
dem Glauben veranlasst werden konnte, Aeneas und Dido sei
eine geläufige Zusammenstellung — er dachte vielleicht an eine
noch vorauszusetzende, entsprechende Schlussentwicklung —
auch für ein glückliches Liebespaar. Dass aber dem so sei
und dass eine scharfe Pointe — von Seite Hausens wäre eine
solche auch eine unzuht — in dem kleinen Gedichte nicht ge
sucht werden darf, zeigt sich darin, dass er unmöglich sonst
in völliger Harmlosigkeit fortfahren könnte:
MSF. 42, 6 wie sprach sie so?
aleine frömdet mich ir lip,
si hät iedoch des herzen mich
beroubet, gar für elliu wip.
Jedenfalls ist es unbegründet anzunehmen, Friedrich von
Hausen habe die vollständige Eneit gelesen; war aber 1187 oder
1188 überhaupt nur der erste Theil bekannt (ihm und allen?),
1 Sich und die Geliebte vergleicht MSF. 74, 23 Uolrich von Guotenburc
mit Flore und Blancheflur; 112, 2 Bernger von Horlieim mit Tristan und
Isalde (vgl. ebd. S. 283/4).
Heinrich v. Veldete u. d. Genesis der romantischen u. heroischen Epik um 1190. 631
waren mithin neun Jahre seit Hochzeit und Raub noch nicht
verstrichen, so fallen somit diese nach 1178 oder 1179.
Diese Datirung wird sich zwar als richtig herausstellen, kann
jedoch auf diese Weise noch nicht als kritisch erwiesen gelten ;
nur die Möglichkeit dieser Datirung ist dargethan, die jene
bestreiten müssen, die etwa behaupten wollten, Friedrich habe
das vollendete Epos in Händen gehabt, wofür auch nicht der
Schatten eines Beweises vorhanden ist, und, was anzunehmen,
man durch die vorliegende Stelle auch gar nicht genöthigt wird.
Da die Hochzeit vor dem Tode des Grafen von Schwarzburg
fällt, ergäbe sich somit die Grenze von 1178/9—1183 für den
ersten Theil.
Noch eine andere Datierungsstütze muss abgebrochen
werden, bevor wir an unseren selbständigen Beweis gehen.
Im sogenannten Basler Alexander, d. i. in der jüngsten Re
daction des Alexanderliedes vom Pfaffen Lamprecht, findet
sich, wie J. Harczyk, ZfdPhil. 4, 29 f. zeigte, eine Parallel
stelle zur Eneit. Nun ist bekanntlich der Basler Alexander,
was wir an den Handschriften meist so schmerzlich vermissen,
datirbar; er ist geschrieben im Jahre 1187. Damit wäre also ein
fester Anhaltspunkt gegeben, wenn der Weg der Parallelstelle
eruirt werden kann. Dieselbe besitzt ihre kleine Litteratur:
Harczyk a. a. 0.; Scherer QF. 7, 60; Rödiger, AnzfdAlt.
1, 78; Lichtenstern, ZfdAlt. 21, 473. Sehr unnütz, denn aus
der Stelle ist nichts zu gewinnen. Harczyk nahm Einfluss
des Veldekers an; Scherer meinte, da die Eneit zwischen
1184 und 1188 vollendet sei und die Basler Handschrift nur
Abschrift einer Bearbeitung, werde wohl Veldeke der Ent-
lehner sein. Entscheidend war diese Bemerkung nicht; es
kam auf innere Gründe an und Rödiger erhob den gewich
tigeren Einwand, ein Einfluss Heinrichs hätte sich zunächst
in Durchführung reinerer Reime geäussert, da ,die neue Be
arbeitung den Zweck der Modernisirung verfolgt'. Lichtenstern
aber verglich das französische Original und das war allerdings
der Weg, auf dem man sicher zur Entscheidung zu kommen
hätte meinen müssen: stand da die Stelle, so war Veldeke
gegen Scherer gerechtfertigt; fehlte sie, so war er der Plagiator.
.Dass ihm ein solches Plagiat zuzutrauen sei, war, nachdem
Lichtenstern die viel umfangreichere Enlehuung aus Eilharts
632
Muth.
Tristan (En. 268, 12—276, 20 nahezu gleich Trist. 2398—
2598) nachgewiesen, nicht fraglich. Aber die Stelle ist so vag,
dass nicht einmal das französische Original volle Sicherheit
brachte. Sie lautet bei Benoit (Anchises wird von seinem Sohne
geborgen):
od lui en fist porter so fe
ancises qui bien viels hom ere.
Das erweitert nun Heinrich in einer Weise, die ihm geläufig
ist, fast ein wenig beschaulich:
En. 20, 33. sinen vater hiez er danne tragen;
der was so komen ze sinen tagen,
daz er niht mohte gän.
daz het ime daz alter getan.
Ganz ähnlich heisst es nun bei Lamprecht von einem alten
Juden, der vor den König gerufen wird:
Al. 6928 do der alte daz vernam,
d6 hiez er daz man im gewan
ldte, di in solden tragen,
er was so komen ze sinen tagen,
daz er niht mohte gän
daz hatt im daz alter getan.
Auf Grundlage des Vorliegenden war offenbar nur Scherers
Ansicht haltbar; denn bei Lamprecht sind die drei Verse
6931—34 wesentlich zur Erklärung von 6929/30; Veldeke,
wenn er sie kannte, ward dadurch, dass ihm der erste (6931)
zur Uebersetzung der französischen Wendung taugte (bien
viels home), veranlasst, die ganze Phrase anzuknüpfen und so
wurde, was im französischen Texte das subordinirte Glied der
Periode war, aus derselben ausgeschieden, der regierende Theil
eines neuen Satzgefüges. Das Entscheidende brachte aber erst
Martin, indem er in der zweiten Auflage von Wackernagels
Litteraturgesehichte, durch den Hinweis auf eine weit ältere
Stelle, aus dem Rother nämlich, den formelhaften Charakter
der Phrase feststellte (Wckngl §. 56, 7). Die Formel liegt
eigentlich im Schlussverse; wenn aber dieser und die Nöthi-
gung zum Tragen gegeben sind, liegt durch die Reimworte
gän und tagen die ganze Phrase so. nahe, dass der Verfasser
des Basler Alexander und Heinrich auch unabhängig von t
einander auf diese Verse verfallen sein können, ze sinen tagen
Heinrich v. Veldelte u. d. Genesis der romantischen u. heroischen Epik um 1190. 633
körnen sin ist eben auch formelhafter Ausdruck. Die Stelle im
Rother lautet (ed. Rückert):
5080 do kam gestrichin over lant
ein snewizer wigant
daz hete daz alter getan.
Wenn Jemand von dieser Erklärung nicht befriedigt ist, steht
es ihm frei anzunehmen, dass Heinrich von Veldeke die drei
Verse entwendet hat; für unser Resultat ist diese sowohl als
die andere Annahme ganz gleichgiltig. Da wir sehen werden,
dass jener Theil der Eneit — die Stelle liegt ganz zu Beginn
des Epos, ist daher vielleicht noch einige Jahre älter als die
Partie, mit der der erste Theil abbricht (ca. V. 10800) — 1181
vollendet war, ergeben sich daraus nur Consequenzen für den
Alexander, die mit den gewöhnlichen Annahmen, da die Basler
Handschrift, wie ja auch Scherer erinnerte, nur Abschrift ist,
nicht in Widerspruch stehen.
Da wir aber unseren Beweis gleichfalls auf die Schluss
stelle des Epos stützen, haben wir uns noch mit einer andern
Ansicht auseinanderzusetzen, nach welcher nämlich die Schluss
abschnitte der Eneit von 347, 13 an gar nicht von Heinrich
herrühren.
In der That, man könnte an vier Stellen das Epos für
beendet halten: 347, 12; 352, 18; 354, 1 eben so gut als
354, 39.
347, 12 bricht ab mit der Schilderung der Vermählung
zwischen Aeneas und Lavinia und 347, 13 hebt ebenso an,
dass in diesem Zusammenhänge die Stelle unerträglich ist:
V. 13021 davon sprach man do witen.
V. 13018 ichn friesch in dem lande ichn vernam von hölizite
nie dehein höhzit so gröz in allen wilen märe,
wand ir maneger wol genoz. diu also gröz wäre.
Mit vollem Rechte bemerkt Heinzei, diese beiden Stellen
nebeneinander seien nicht zu dulden; nur fragt sich, ob es
kurzweg die zweite ist, die wir streichen dürfen. Entschei
dend ist, dass W die Verse 347, 1—12 nicht hat: diese
sind der Zusatz und müssen gestrichen werden. Hier ist eben
eine jener Stellen, wo, was in der betreffenden Beilage ein
gehend erörtert ist, W neben vielen leichtfertigen Auslassungen
634
Mutli.
und unberechtigten Kürzungen das Richtige und Ursprüng
liche rettet. Man muss diese zwölf Verse nur genauer an-
sehen, um sofort zu erkennen, dass sie das Machwerk eines
gabenheischenden Fahrenden sind, die sich leider in eine sehr
alte Handschrift bereits eingeschlichen haben. Auch in den
Nibelungenredactionen erkennt man häufig Zusätze am Preise
der Milde, an der Schilderung der Begabung; in dieser Be
ziehung sind besonders Vers 7 und 12 bezeichnend. Die ganze
nichtssagende Stelle, der dann eine so gehaltvolle und eigen-
thiimliche folgt, lautet:
En. 347, 1 da wären vorsten here,
die (lorcli ir selber ere
unde dorch den kunich gäven.
herzogen unde gräven
und die kunege riebe
die gäben herliche,
die wenich achten den schaden,
si gäben soumär al geladen
mit schätze und mit gewande
iehn friesch in dem lande u. s. f.
Man sieht: nur Bettelei. Eine Verbindung, wie V. 4, 5 fällt
bei Veldeke auf: er lässt bei dreigliedrigen Formeln gewöhnlich
das einzelne Glied vorausgehen. Aeussere und innere Gründe
vereinigen sich für die Atethese und damit fällt die Möglich
keit, hier den Schluss des Epos anzunehmen.
Auch sind die folgenden Abschnitte ganz im Stile des
Ganzen gehalten; in Sprache und Reim nicht der geringste
Unterschied — und es handelt sich doch um dreihundert
Verse. Endlich, was besonders merkwürdig wäre, müsste
dieser hinzugedichtete Schluss die Schicksale des Ganzen:
niederdeutsche Abfassung und hochdeutsche Bearbeitung gleich
falls erfahren haben. Wenn ein Freund Vcldeke’s — nur ein
solcher ist dann als Verfasser denkbar —• diese Verse gedichtet
hat, war es ein Nieder- oder ein Mitteldeutscher, ein Mastrichter
oder Eisenacher? Abei’, wendet Heinzei ein, 354, 2 scheidet
sich der Autor des Schlusses scharf von Heinrich von Veldeke,
von dem er bisher gesprochen und nimmt für sich nur die
Autorschaft des Schlusses in Anspruch (cf. S. 67. 353, 11. 12):
En. 354, 2 ich habe gesaget rehte
des herrn Eneä geslehte etc.
Heinrich v. Velrleke u. d. Genesis der romantischen u. heroischen Epik um 1190. 635
Auf den ersten Anblick erscheint dieser Grund unwiderleg
lich; genauere Untersuchung ergibt das Gegentheil; im Ser
vatius sehen wir Veldeke in ganz ähnlicher Weise schliessen:
er kann kein Ende finden; nachdem das Amen längst ange
bracht ist, das in so vielen andern Dichtungen auch Weltlicher
das Schlusswort bildet, nimmt er den Faden der Erzählung
noch einmal auf, spricht von sich, kommt wiederum auf den
Gegenstand zurück — und das am Schlüsse jeden Buches
(Serv. 1, 3224 Amen!, 3254 abermaliges Amen! 2, 2883—
2912 Schluss:
dattet ons in staden stac
ten eweliken lyve
ende ons te troeste blyve
2913—2919 Recapitulation über Servatius, 2320—2344 Namen
und Persönliches, 2375—2974 abermals der Name und Für
bitte).
Es ist aber ausser dieser Parallele, die uns mit der
Manier des Dichters bekannt macht, noch ein zwingender
Grund vorhanden, Heinrich die Autorschaft dieses genealogi
schen Schlusses nicht zu bestreiten. Die genaue Vergleichung
des Textes der Eneit mit dem roman d’Eneas von Benoit
zeigt denn doch neben vielfachem mechanischen Zutappen
auch stellenweise verständiges, planvolles Vorgehen. So hat
Heinrich das Buchstabenspiel mit dem Namen Eneas, das
Benoit der Dido beilegt, für die Lavinia aufgespart (Pey,
Wolfs Jahrb. 2, 8); ebenso hat er die Genealogie und einiges
Detail auf den Schluss verschoben, so die Stellen, die bei
Vergil und Benoit ungefähr Heinrichs 4. Tausend entsprechend
erscheinen, Pey S. 11:
Silvius, Albanuni nomen, tua posthuma proles:
Quem tibi longaevo serum Lavinia conjux
Educet silvis etc.
En une silve ci naistra
Et Silvius h nom ara.
En. 108, 22 Silvius sal her genant sin
da obene üf der erden
und sal geboren werden
in einer wiltnisse.
636
Muth.
Abei-, was Pey entgieng, 350, 2
einen sun her bi ir gewan,
der wart geheizen Silvius
und wart in nehenne hi1s
her wart in einem walde geboren.
Das ist die absichtlich aufgesparte Stelle: wir dürfen also die
Autorschaft des Schlusses niemandem Andern zuschreiben als
dem Dichter des Ganzen und können unsere Folgerung ohne
weiteres auf den Text gründen.
Betrachten wir genau die Verse 347, 13—348, 4, die
Schilderung des Mainzer Festes; ist dieselbe, wie die Meisten
annehmen, unter dem frischen Eindrücke des Ereignisses, etwa
gar im selben Jahre geschrieben? Für die lebende Generation
reclamirt er die Begebenheit:
19 die wir selbe sägen (diu hohzite)
26 ich wäne alle die nü leben
deheine grözer haben gesehen.
Aber welchen Sinn hätten die Verse:
34 ir lebet genüch noch hüte,
diez wizzen wärliche,
wenn nicht seit dem Feste geraume Zeit, so lange Zeit, dass
schon Mancher der Theilnehmer gestorben ist, verstrichen wäre?
Das Fest gehört nach diesen und den folgenden Versen der
Geschichte und der Sage an — wir müssen also eine möglichst
lange Zeit seit dem Ereignisse verflossen denken; aber ebenso
der Kaiser. Wie hier von Friedrich Rothbart gesprochen ist,
spricht man von keinem Lebenden. Hier hat sich der Dichter
zur höchsten Emphase erhoben, deren er überhaupt fähig ist:
ez wirt noch über hundert jär
von' ime gesaget und geseriben,
daz noch allez ist beliben.
Die letzte Zeile ist offenbar corrumpirt; in W fehlen die
Verse 1—5, wodurch der folgende 348, 6 ohne Reim ist;
eine sichere Emendation weiss ich nicht: wahrscheinlich ge
hören zwei Verse fort und sind 4 und 6 zusammenzuziehen zu
diu rede wcere b&z beliben
oder einer ähnlich lautenden Entschuldigung.
Heinrich v. Veldeke u. d. Genesis der romantischen u. heroischen Epik nm 1190. 637
Beim Lebenden müsste doch vom Schalten und Walten,
nicht vom Fortleben im Gesänge die Rede sein. Die hundert
Jahre sind grosse Zahl, vgl.
Roseng. 531 war ez daz uns gelunge,
her näch über tusent jär
man von lins seit und sunge.
An Barbarossa hat sich allerdings schon bei Lebzeiten eine
Vagantenpoesie geknüpft, aber die kann doch hier der Dichter
unmöglich im Sinne haben; was er meint, ist die Dankbarkeit
der Nachwelt und der Nachruhm. Da wir überdies die Stelle
möglichst lange nach 1184 ansetzen sollen, hindert uns nichts,
dieselbe, wie der Wortlaut mit zwingender Gewalt fordert,
nach dem Tode Friedrichs gedichtet zu erklären; es erklärt
die bei Heinrich ungewöhnliche Wärme, wenn wir annehmen,
dass selbe unter dem frischen Eindrücke der Todeskunde ge
dichtet ist. 1
Kaiser Friedrich I. ertrank im Kalykadnos am 10. Juni
1190. Nach Deutschland gelangte eine derartige Nachricht
etwa in Monatsfrist, also im Juli. Sie machte den tiefsten
Eindruck. Wie der alte Rothbart vielfach für verschwunden,
entrückt galt, ist bekannt. Ich hebe hier, um diesen Eindruck
zu beweisen, eine Stelle aus einem Gedichte des XIII. Jahr
hunderts über den Kaiser heraus, wo von ihm ganz Aehnliches
gesagt wird, wie in einer Recension der Klage von Etzel
(Einltg. ind. Niblied. S. 167 f.) J. Grimm, Ged. d. MA. auf
Friedrich I. den Staufen, KISchr. 3, 90:
Also ward der hochgeporn
keiser Fridericli do verlorn,
1 Wenn man wissen will, wie ein mittelalterlicher, höfischer Dichter vom
lebenden Fürsten spricht, wie da stets das Gefühl der Ehrfurcht vor dem
der Begeisterung vorwiegt, auch wo gepriesen werden soll, der lese
— und um wie Vieles ist sonst Wolfram leidenschaftlicher als Heinrich!
— Willehalm 393, 30
do der keiser Otte
ze Rome truoc die kröne,
kom der also schöne
gevaren nach siner wihe,
mine volge ich darzuo lihe
daz ich im gihe des wmre genuoc.
638
Muth.
wo er dar nach ye hin kam,
ob er den end da nam,
das kund nyeman gesagen mir,
oder ob yne die wilden tir
vressen habn oder zerissen.
es kan die warheit nyemand wissen
oder ob er noch lebentig si?
So unter dem frischen Eindrücke der Todeskunde, die
so jäh und überraschend kam, beschloss Heinrich dem Kaiser
und seinem Glanze dies Denkmal zu setzen, obwohl es mit
dem Stoffe in gar keinem Zusammenhänge steht, und auch die
Persönlichkeit einzuflechten kein Anlass vorhanden war. 1
Wir haben nämlich auch einen sicheren terminus ad quem,
von dem bisher nur niemals Gebrauch gemacht wurde, weil
man sich scheute, die Vollendung der Eneit später anzusetzen
als ca. 1188.
Man kennt die Genauigkeit, ja Aengstlichkeit der mittel
alterlichen Dichter in der Titulatur; jedem den gebührenden
Rang, auch in der Ansprache, zu lassen, ist eine der ersten
Forderungen höfischer Zucht.
Nun erscheint hier der spätere Landgraf Hermann von
Thüringen, noch als Pfalzgraf von Sachsen, was er von 1180
an war, bis er seinem Bruder Ludwig succedirte.
Ludwig starb auf Cypern am 16. oder 26. October 1190
(VII. vel XVII. cal. Nov. — Wilken, Kreuzz. 4, 287, 89); die
Nachricht gelangte nach Deutschland im Spätherbst, wohl noch
vor Weihnachten.
Nach dem Eintreffen der Nachricht vom Tode des Kaisers
und vor der Kunde von dem Ende des Landgrafen hat Hein
rich von Veldeke seine Eneit vollendet. Das war also in der
zweiten Hälfte des Jahres 1190, in den Monaten August bis
1 Die hier ausgesprochene Meinung hat vorlängst, wie ich erst nach
träglich, aber zu grosser Freude sehe, Uhland Schriften 2, 104 fg. aus
gesprochen. Namentlich Miillenhoff gegenüber ist Uhlands Ansicht
wichtig in einer Sache, wo feines Gefühl entscheidend ist; und Uhland
sagt S. 104: ,Die angeführten Worte der Aeneis (347, 13 f.) sprechen
von dem Feste zu Mainz als einer längst vergangenen Sache 1 .
Darum rückt er das Epos möglichst weit ab vom Jahre 1184, gewinnt
aber den terminus ad quem durch die Benennung Hermanns als Pfalzgraf.
Heinrich v. Veldeke u. d. Genesis der romantischen u. heroischen Epik um 1190. 639
November; denn das Gedicht ist noch dem Pfalzgrafen Her
mann überreicht.
Prüfen wir, inwieferne die übrigen Daten dazu stimmen;
das Resultat ist ein völlig befriedigendes. Nur so erhalten
wir einen möglichst grossen Abstand vom Servatius.
Die Hochzeit der Gräfin von Cleve, bei der Heinrich von
Schwarzburg (f 1183) das Buch entwendete, war 1181; wrnnn
Veldeke aus der Alexander-Bearbeitung entlehnte, war diese
1181 schon vollendet; Friedrich von Hausen konnte 1187/8
nur die erste Hälfte des Gedichtes kennen lernen. Nehmen
wir aber einen Spielraum von etwa einem Jahre für den
Dichter als Abfassungszeit in Anspruch, so dass er 1189 das
Buch zurückerhalten hätte, so erhöhen sich dem entsprechend
die Fristen: die Hochzeit wäre sonach bereits 1180 zu setzen.
In der That: sofort in den Neunziger Jahren häufen sich
die Zeugnisse für den Meister und sein Werk; im voraus
gehenden Decennium würden wir vergebens forschen.
II. Verbreitung und Wirkung.
Beinahe kein einziger grosser Dichter der nächsten Folge
zeit, der nicht Heinrichs von Veldeke in seinen Epen gedächte,
sei es in persönlicher, unmittelbarer Anspielung, sei es in
sachlicher Beziehung auf den Inhalt seines Werkes.
Weitaus das wichtigste Zeugniss scheint mir das Hart
manns im Erec. In der bekannten Schilderung des Pracht-
bereites nimmt er Anlass, auf die Fabel der Eneit zu kommen,
und zeigt unzweifelhafte Bekanntschaft mit Heinrichs Gedicht.
Auf dem gereite war dargestellt daz lange liet von Troyä, von
dessen Inhalt er uns aber nichts mittheilt; er scheint keine
deutsche Dichtung gekannt zu haben, wenn auch die Worte
Herborts von Fritslar im Eingänge seines Gedichtes, der nicht
neben dem lateinischen, welschen und ursprünglichen griechi
schen Epos als fünftes Rad, sondern als viertes angesehen zu
werden hofft, doch nur den Sinn haben können, dass er eine
ältere, wahrscheinlich im Stile des Alexander gehaltene und
darum veraltete Dichtung zu überbieten hoffe. (Herb. 79—83.
60 f.) Auch dem Dichter des Moriz von Craon ist ein Tro
janerepos in deutscher Sprache Vorgelegen und ich weiss nicht,
640
Mntli.
ob dieses kleine vorzügliche Gedicht jünger oder älter ist als
Herhorts liet von Troge; jedenfalls verschweigt er im ersteren
Falle aus unbegreiflichem Grunde den Namen, während er
doch selbst Dares nennt V. 37 f., nach Ansicht der Zeit den
Hauptgewährsmann. Der Name des Dichters jenen langen
liedes scheint unbekannt geblieben zu sein, sonst würde er bei
der Ueberlieferung von so verschiedener Seite wohl auch ein
mal genannt sein; dass Veldeke’s Eneit nicht, wie man ihres
abgerissenen, stillosen Beginnes halber wohl meinte, bestimmt
war, an ein anderes Buch anzuschliessen, steht jetzt fest, seit
man weiss, dass dieser ungewöhnliche Anfang sich eng anlehnt
an die französische Vorlage, die allerdings in gewissem Sinne
und auch in der Handschrift als Fortsetzung eines Trojaner
krieges von Benoit erscheint. Die Eneit hat nun Hartmann
so sicher gelesen, als es ungewiss ist, dass er von jenem pro
blematischen Epos mehr als den Namen kannte; bei dem hohen
Alter des Erec, der — ich folge in der Datirung der Werke
Hartmanns der Anordnung Naumanns, so weit dieselbe nicht
in diesem Aufsatze selbst berichtigt wird — um 1192, ganz
sicher im Beginne der Neunziger Jahre entstanden ist, ist es
nun von höchster Wichtigkeit, dass Hartmann nicht etwa, wie
Friedrich von Hausen nur den ersten, wider Willen des Dich
ters verbreiteten Theil, sondern das ganze, erst zum Schlüsse
des Jahres 1190 vollendete Werk kannte. Er erzählt die Be
gebenheiten in ihrer Folge:
Erec. 7552 da engegen ergraben was
wie der herre Eneas,
der vil listige man,
über se fuor von dan,
und wier ze Kartägö kam,
und wie in in ir gnäde nam
diu riche frouwe Dido,
unde wie er si dö
7560 vil ungeselleclichen liez
und leiste ir nicht des er gehiez:
sus wart diu frouwe betrogen,
an dem hintern satelbogen
so was einhalp ergraben,
ir vil starkez missehaben
und wie si im boten sande,
swie lützel si ins erwande,
Heinrich v. Veldeke u. d. Genesis der romantischen u. heroischen Epik nm 1190. 641
besclieidenliche stuont hie.
swaz er dinges begie,
7570 daz sagebsere wesen mac,
von der zit unz an den tac
daz er Laurente betwanc,
daz waer ze sagenne ze lanc
wi ers in sinen gwalt gewan.
jenhalp stuont daz an
wie er die frowen Laviniam
ze elichem wibe nam
und wie da ze lande was
gewalteger herre Eneas
7580 an alle missewende
unz an sines libes ende
Kein Wort, keine Thatsache, die nicht der Veldekischen Eneide
entnommen wäre; die Anordnung recapitulirt mit jener etwas
breiten Behaglichkeit, die Hartmann im Erec noch nicht
überwunden hat, aber auch mit sehr sicherem Tacte die Haupt
punkte der Handlung: in der That das Interessanteste und
Wichtigste. Der Schluss aber ist eine Reminiscenz an die
Schlussverse Heinrichs von Veldeke, die zugleich gegenüber
der bier läppischen Entstellung in W (s. u.) gesichert werden:
En. 354, 37 als is ez welsch und latin
äne missewende.
hie si der rede ein ende. 1
Man sieht, Hartmann steht unter dem frischen Einflüsse eben
genossener Lecture; wichtig wäre es zu wissen, ob er damals
die ganze Eneit auf einmal erst habe kennen gelernt oder ob
der erste Theil schon früher, noch als Torso, nach Schwaben
gedrungen? Nur in dem letzteren, gar nicht erweislichen
Falle — den Basler Alexander möge man nicht als Argument
gebrauchen: Rödiger, Anz. 1, 78 ist nicht zu widerlegen —
wäre der Nachruhm, den Heinrich seit Gottfried genossen,
wenigstens einigermaassen verdient.
Bei Erörterung der Frage nun, inwieferne die hohe Ansicht
der nächsten Epigonen von Veldeke nicht auf einer der knapp
1 Dass missewende an beiden Stellen wesentlich verschiedenen Sinn hat,
scheint mir nicht von besonderem Belang: das ist eben das Wesen der
Reminiscenz, dass sie an Aeusserlichkeiten haftet.
642
Mufch.
vorhergehenden älteren Epik gegenüber nicht ganz unbewussten
Uebex-schätzung beruhe, müssen wir auf die Vorfrage eingehen,
in welcher Mundart Heinrich von Veldeke gedichtet habe?
Hinsichtlich des Servatius ist keine Discussion nothwendig;
den hat er in der Sprache seiner Jugend und Heimat abge
fasst. In Bezug auf die Lieder und die Eneit war man stets
in zwei Lager getheilt. Grimm hat Gramm. 1, 453 f. die
Frage übersichtlich erörtert: hat Heinrich niederdeutsch ge
dichtet und ist sein Werk ins hoch- (mittel-) deutsche umge
schrieben worden oder hat er hochdeutsch mit Dialekteigen-
thümlichkeiten geschrieben? Aber die Gründe, die. Grimm
mit peinlicher Gewissenhaftigkeit und Objectivität auch für
die letztere Ansicht geltend gemacht, dass hochdeutsch damals
schon Hof- und Litteratursprache war (MSD. 2 XXVIII); dass
keine rein niederdeutsche Handschrift vorhanden ist; dass
die Reimgenauigkeit eine übergrosse ist, wenn man nieder
deutsche Abfassung annimmt, gegenüber seinen Vorgängern;
dass hochdeutsche Einflüsse unverkennbar seien; lassen sich
nicht nur sammt und sonders widerlegen, sondern auch durch
Gründe für die andere Ansicht völlig abweisen. Veldeke hat
seinen Servatius niederdeutsch gedichtet; niederdeutsche Ele
mente di’angen damals selbst in die höfische Umgangssprache,
es galt für vornehm zu vlcemen; ich erinnere an die Stelle axxs
Meier Helmbx-echt, also Decennien später zur Zeit der unbe
dingtesten Herrschaft der staufischen Hofspi-ache, wie Helm-
brecht (ed. Lambel) die Schwester susterkindekin (717), den
Vater ,ey waz sakent ir gebürekin V (764) anspricht, so dass
der Knecht, der friman, von ihm sagt:
744 als ich von im veruomen hän,
so izt er ze Sahsen
od ze Brabant gexvahsen:
er sprach ,liebe snsterkindekin 1 ;
er mac wol ein Sahse sin.
Der Gang, den die romantische Dichtung einschlug, führte sie
rheinaufwärts: es heisst die Verhältnisse auf den Kopf stellen,
■wenn man meinte, Heinrich habe hochdeutsche Poesie nach Lim
burg getragen; aber es liegt ganz im Charakter der damaligen
Gesellschaft, die in Anerkennung der Ueberlegenheit der nieder -
l-heinischen Ritterschaft an courtoisem Wesen eine niedei’deutsche
Heinrich v. Veldeke u. d. Genesis der romantischen n. heroischen Epik nm 1100. 643
Dichtung durchaus vornehm finden musste, sich selbst Schwie
rigkeiten gefallen zu lassen ; und so weit diese unüberwindlich
schienen, trat eben die Bearbeitung durch die Schreiber ein,
die der Dichter bitter genug beklagt — denn keinen anderen
Sinn können die oft citirten Worte haben:
353, 11 dä wart daz märe da gescriben
anders dan obz im wär bliben.
Die Bearbeitung liess des Niederdeutschen genug übrig, um
den vornehmen Charakter nicht zu zerstören; und mag uns
heute Manches, was natürlich und ungezwungen aus des Dich
ters Munde kam, in der ins Hochdeutsche umgeschriebenen
Fassung manirirt und gewagt erscheinen, dem G-eschmacke der
damaligen Zeit sagte es so und gerade so zu. Daher aber auch
der Mangel einer niederdeutschen Handschrift; nur Heinrichs
Autograph war niederdeutsch, verbreitet wurde die thüringische
— wir sollten schärfer immer sagen: mitteldeutsche Fassung.
Und wie hätte anders Heinrich, als der Vater der höfischen
Epik, erscheinen können, wenn er nicht die höchste Reim
genauigkeit besässe. In 1000 Versen aus der Mitte des Werkes
sind 4 in irgend einer Beziehung anstössige Reime — bei An
legung des strengsten Maassstabes, der nicht die geringste
mundartliche oder andere Freiheit duldet —, also nicht einmal
’/j Procent. Legen wir aber an dieselben 1000 Verse den
Maassstab eines hochdeutschen Gedichtes, so haben wir eine
Fehlerzahl von 35 Procent! Um nun zu zeigen, welche Ge
nauigkeit damals herrschte (Walther bringt es noch unter */ 2 Pro
cent, die Nibelunge auf 1 Procent Fehlerzahl), ziehe ich zum
Vergleiche einen anderen höfischen Epiker an, Wolfram. Ich
habe 3000 Verse von Wolfram auf die Reimgenauigkeit ge
prüft, das 2. und 21. Tausend des Parzivals und das 7. Tau
send des Willehalms. Wir müssen nun unterscheiden zwischen
solchen Verstössen und Freiheiten, die immer und überall als
Fehler gelten würden und zwischen Unregelmässigkeiten, deren
Quelle die Mundart ist, und von denen endlich manche so zur
allgemeinen Gewohnheit werden (so auf bairisch-österreichi
schem Gebiete, aber beim Franken Wolfram so gut als in den
Nibelungen, der Reim an : an), dass man sie nicht mehr als
fehlerhaft, sondern als landläufig richtig aufzufassen hat. Ich
Sitzungsber. d. phil.-hist. CI. XCV. Bd. III. Hft. 42
644
Muth.
stelle also zuvörderst dar, wie viele Fehler Wolfram begeht
bei strengstem Maasse; wie viele davon auf dialektische Eigen-
thiimlichkeiten kommen (naht : brdht, nach : sach, mir : Gaschier,
hörte : warte, nuo : zuo, das häufige — 4 Mal in 500 Reim
paaren — sun : tuon) und ziehe vorweg noch die Fälle an : an
besonders ab.
Fehler
Im 2. Tausend (Pz.) 3‘6%
n 21- n n 2 - 8 „
„ 7. „ (W.) 1-5 „
an : än ab
1’2%
2 „
0*8 „
alles dialek
tische ah
0'8%
0-4 „
0-6 „
also
Dialektfehler
2-8%
2-4 „
0-9 „
Also ein Dichter, der zu den Meistern schon bei Lebzeiten ge
zählt wurde, der aber andrerseits so frei verfährt, dass er ab
und zu einen Reim wie gäbe : möge nicht scheut, emancipirt
sieh zwar immer mehr von der Herrschaft seiner Mundart;
während aber die Zahl jener Freiheiten, die er sich erlaubt,
äusserst- gering ist, kann er — man vergesse übrigens nicht,
dass ein Mann, der nicht lesen kann, nothgedrungen mehr
imter dem Drucke des gesprochenen Wortes steht, als ein an
derer — die landschaftlichen Eigenheiten nie ganz überwinden.
So ist es denn ganz natürlich, dass auch Veldeke im Tone der
Heimat dichtete, und eine Genauigkeitsgrenze von 0\5 Procent
erscheint nicht zu hoch bei einem Manne, der als Muster gilt,
was doch Wolfram, trotz einem Exponenten von 0*6 Procent,
also nicht viel ungünstiger als Veldeke, hinsichtlich der Form
niemals war. Entscheidend wie diese Verhältnisszahlen — denn
mit einem Ansätze von 35 Procent Reimfehlern kämen wir,
wie jeder sehen muss, über die Trierer Stücke zurück — ist
auch der Umstand, dass, während so viele Reimpaare hoch
deutsch ungenau, niederdeutsch genau sind, für den umge
kehrten Fall beinahe kein Beispiel aufzutreiben ist, was denn
doch der Fall sein müsste, wenn der Dichter sich der hoch
deutschen Sprache bedient hätte, da ja das Verhältniss der
beiden Mundarten ein constantes ist. Das einzige sichere Bei
spiel, das Grimm beibringt, betrifft ein ganz vereinzeltes Wort:
letz : verniz, woraus nd. wit : venriz, also eine richtige Assonanz;
ebenso Turnüm : tun (md.); dass ei : tusei zulässig, gibt Grimm
selbst zu — und das sind alle bedenkliche Fälle in nahezu
7tXX) Reimpaaren!
Heinrich v. Veldeke n. d. Genesis der romantischen n. heroischen Epik nm 1190. 645
Die Abfassung der Eneit in niederdeutscher Sprache ist
also in unseren Augen eine feststehende Thatsache und dieser
Annahme wird Jeder beipflichten müssen, der nicht den Ein
fluss Yeldeke’s auf seine Zeitgenossen ganz leugnet. Und das
ist doch noch Niemandem beigefallen, weil es ja leider nicht
einmal noch irgend ein Kritiker oder Litterarhistoriker der Mühe
werth gefunden hat, zu prüfen, inwieweit die überschwänglichen
Ausdrücke der höfischen Epiker den Thatsachen entsprechen.
Nur durch sein Alter, 1 sonst weder durch Form noch In
halt kann Herborts Lob, eigentlich eine nackte litterarische
Angabe, unsere Aufmerksamkeit erregen; denn es mangelt uns
jeder Anhaltspunkt für die genauere Zeitbestimmung des liedes
von Troye; und so wäre es denn möglich, ja ich halte es sogar
für wahrscheinlich, dass es noch im XII. Jahrhunderte abge
fasst ist, weil Herbort im Aufträge des Landgrafen dichtete und
dieser bei stets gesteigerter Kenntniss und Verständniss dieses
Gebietes, umgeben von den Koryphäen der Litteratur, in späteren
Jahren kaum mehr auf einen so ungelenken Poeten verfallen und
von solcher Lösung seiner Aufgabe, wie sie hier vorliegt, neben
Walthers Liedern und Wolframs Büchern auch wohl wenig be
friedigt gewesen wäre. Gehört Herbort schon einmal unzweifel
haft in das classische Zeitalter, so gebührt ihm doch sein Platz
noch zu Beginne desselben. Die Stelle über Heinrichs Eneit lautet:
lietvTr. 17379 Eneas vuor dannoeh sider
manigen tac vür sich;
von Veldiche - meister Heinrich
hat an sime buocbe gelart
von Eneas vart,
wä er nnde di sinen hin karten,
sie bliben ze La m parten.
Nach diesem ist kein anderes Zeugniss mehr durch sein Alter
wichtig: der Zeit nach folgt von den Autoren, die des Meisters
—
1 ündatierbar, wohl auf Kenntniss der Veldekischen Eneit beruhend, ist die
Erwähnung Turnus’ und der Lavinia bei Uolrieh von Guotenburc. MSF.
77, 12—19.
5 Frommanns Ausgabe ist nur Abdruck einer Handschrift. Die letzten drei
Verse müssen etwa gelautet haben:
von Eneas und der sinen vart,
wä si hin karten:
sie bliben ze Lamparten.
42*
a
646
Mut h.
Erwähnung thun (doch vgl. S. 660), Wolfram, der an nicht
weniger als drei Stellen Heinrichs, und zwar als eines — man
sollte meinen kürzlich (um 1205) — Verstorbenen gedenkt.
Er spricht die Frau Minne an:
Parz. 292, 18 her Heinrich ron Yeldeke sinen faoum
mit kunst gein iwenn arde maz:
het er uns do bescheiden baz
wie man iueh siile behalten!
er hat her dan gespalten
wie man inch sol erwerben.
Es ist sehr bemerkenswerth, wie Wolfram seinen Vorgänger
auffasst; er ist ihm, so zu sagen, ein Meister der Minne, die
er mit seiner Kunst zu beherrschen, zu bewältigen suchte,
wobei aber auch ihm nur gelang zu sagen, wie man Liebe
erwerbe, nicht wie man sie behaupte (die Antwort könnte ein
fach scheinen: durch Treue; aber Wolfram meint hier die
Fähigkeit, immer wieder Gegenliebe zu finden, also etwa, was
wir Liebenswürdigkeit nennen und der höfische Dichter ge
nauer als den wünsch von mimten bezeichnen würde)? Diese
Stelle war aus dem VI. Buche; der Satz steht im hypotheti
schen Falle vom Gegentheil der Wirklichkeit, nicht: würde
er oder wollte er doch so thun, sondern hätte er doch gethan;
also wohl nach Heinrichs Lebzeiten verfasst; dies wird desto
wahrscheinlicher, als im VIII. Buche ausdrücklich und ohne
besondere Veranlassung des Dichters Tod beklagt wird. Nach
dem Lohe der schönen Antikonie sagt Wolfram schmerzlich:
404, 28 owe daz so fruo erstarp
von Veldeke der wise man!
der künde se baz gelobet han.
so fruo kann sich nur auf die Zeit im Allgemeinen — also zu
früh für die Kunst und seine Freunde — beziehen, denn Vel
deke sagt von sich selbst :
MSF. 62, 11 Blau seit al für war,
nu manic jär
diu wip hazzen grawes här.
daz ist mir swär
18 Diu me noch diu min,
daz ich grä bin,
ich hazze an wiben kranken sin
Heinrich y. Yeldeke n. d. Geneeis der romantischen n. heroischen Epik um 1190. 647
und überdies sehen wir ihn wenigstens ein Menschenalter lang
in poetischer Thätigkeit. Aehnlich wie bei Antikonie knüpft
Wolfram an einer Stelle des Willehalm an, indem er seine
eigene Unvollkommenheit gegenüber dem todten Meister be
klagt, dem er hier ausdrücklich diesen Titel gibt:
76, 22 sold ich gar in allen wis
von ir zimierde sagen,
so müese ich minen meister klagen
von Veldeke: der kundez baz.
der wasre der witze ouch nicht so laz,
er nand in baz denne al min sin,
wie des iewedem friwendin
mit spsecheit an si leite ko8t.
Es liegt eine ungewöhnliche Wärme in dieser dreimaligen
Klage, und man darf sich mit Recht fragen, ob da nicht per
sönliche Motive, zarte Rücksichten bestimmend sein mochten:
es mag zum guten Tone am Thüringer Hofe gehört haben, wie
am österreichischen um Reinmar, dem gar sein persönlicher
Feind nachsingen muss, so hier um Veldeke zu klagen. Durch
die Gräfin von Cleve schon längst an den Thüringer Hof ge
zogen, war er unter allen Umständen bereits ein Gast des
selben in Hermanns jungen Tagen, und da liegt die Vermuthung
nahe, dass der Mann, der ihm später durch die Wahl seiner
Gemahlin vielleicht noch näher trat — man erinnere sich, dass
Agnez von Loz Sophiens Mutter war —, der nach aussen als
der Vater der höfischen Epik galt, in dem jungen Fürsten
jene Neigung für romantische Dichtung weckte, die ihn, indem
er immer wieder mit seinen Mitteln und Verbindungen eintritt,
als den Hauptförderer der neuen Richtung erscheinen lässt.
Die wichtigste Stelle für Veldeke und seinen Ruhm
bleibt aber immer Gottfrieds bekanntes geflügeltes Wort: er
impete daz erste ris in tiutescher Zungen (Trist. 4736). Er
fügt bei:
4733 ine hän sin selbe niht gesehen;
nn hcere ich aber die besten jehen,
die dö bi sinen jären
und «it her meister wären n. s. £
Sein Tod wird also als lang verstrichen bezeichnet: wenn wir
selbst annehmen, dass er ein hohes Alter erreicht, hat er
i
648
M utli.
keinesfalls die Grenzscheide des Jahrhündertes, wenn er sie
überhaupt erlebt hat, weit überschritten.
Nüchterner, kürzer, trockener, aber daher auch richtiger,
drückt sich Rudolf von Ems aus im Alexander; er nennt ihn:
von Vcldeke den wisen man (= Parz. 404, 29),
der rehte rime allererste began.
Im Willehalm geht er nicht über eine allgemeine Phrase hin
aus ; er heisst ihn:
von Veldeke, den wisen,
der iu wol künde prlsen
lobelichiu mrere.
Auffallend ist, dass ihn Heinrich von Türlin nicht nennt, der
einzige, der in seiner litterarischen Stelle einen älteren Dichter
beibringt: Dietmar von Aist. '
Das Ansehen, das Veldekes Name genoss, gründete sich
aber dennoch nach meiner Ansicht auf den rein negativen
Umstand, dass man ältere Dichtungen nicht kannte, oder rich
tiger, nicht kennen mochte, nicht gelten liess. Ihn den Vater
der höfischen Epik noch heute zu nennen oder gar anzunehmen,
dass von ihm ein epochemachender Einfluss ausgegangen, geht
zu weit. Nicht einmal Wolfram hat Recht, wenn seine An
spielungen dahin richtig erklärt sind, dass er in Veldeke den
ersten Dichter sah, der höfische Minne in courtoiser Form in
die deutsche Epik — wenn auch nach französischem Muster
— einführte. Die Hauptstelle lehnt sich eng an Eil-
1 Nicht ohne Interesse ist auch die Art und Weise, wie Wirnt im Wiga-
lois der Eneit Erwähnung timt, weil sie zeigt, dass die Lecture dieses
Werkes wirklich zum guten Tone in der damaligen Gesellschaft gehörte:
Wig. 73, 6 des küneges tochter von Persiä,
diu saz in ir gezelte cUt
mit früuden, als ir site was.
ein schoeniu maget vor ir las
an einem buoche ein msere,
wie Troye zerfüeret wsere
und wie jsemerliche
flnöas der liehe
sich dannen stal mit sinem her
vor den Kriechen ilf daz mer,
wie in vrou Didö enpfie
und wie ez im dar nach ergie,
als ez iu ofle ist geseit.
Heinrich v. Veldeke u. (I. Genesis der romantischen n. heroischen Epik um 1190. 649
harts Tristan. Und in der That, im alten Tristan und Flore,
im Grafen Rudolf ist der höfische Minnedienst entschiedener
durchgebrochen als in den dreissig und mehr Jahre jüngeren
heroischen Epen aus Oesterreich, die man bisher Decennien
nach der En eit ansetzen zu müssen glaubte.
Auch sonst hat Heinrich von Veldeke auf den Stil des
höfischen Epos nicht jenen hohen Einfluss ausgeübt, den man
ihm allgemein zuschreibt; ich wüsste wenigstens nicht, was in
Hartmanns Dichtung auf Veldekes Einfluss zurückzuführen wäre?
Ja, der Stil der romantischen Dichtung hatte sich schon über
ihn hinweg am Ausgange der Achtziger Jahre ausgebildet; man
beachte, was wir sofort belegen werden, die rasche Entwick
lung aller poetischen Gattungen im letzten Viertel des Jahr-
hundertes. Ein Werk der Siebziger, Achtziger, Neunziger
Jahre ist sofort an der Form kenntlich. Welcher Fortschritt
vom Sinte Servaes zur Eneit! Aber der erste und der zweite
Theil dieses Werkes zeigen gar keinen Unterschied; als alter
Mann ist Veldeke stehen geblieben und hat keinen Fortschritt
mehr gemacht. So kam es, dass er, der auf dem Gebiete des
Reimes epochemachend war, in anderer Beziehung bei Voll
endung seines Hauptwerkes schon überholt war. Finden wir aber
um 1190 andere genau reimende Dichtungen, so muss der be
schränkte Einfluss, der Heinrich überhaupt zugestanden werden
kann, grösstentheils von dem 1181 so rücksichtslos in die
Oeffentlichkeit gebrachten Fragmente, dem Torso, dem ersten
Theile, ausgegangen sein.
Als Stilist steht Heinrich, da er einmal mit dem Maass
stabe eines Classikers gemessen werden muss, nicht hoch.
Seine Uebersetzung ist oft recht stümperhaft. Pey hat (S. 17)
an einem Beispiele gezeigt, wie aus Vergils Vers:
paciferaeque manu ramum praetendit olivae
bei Benoit 4, bei Veldeke 10 und leidermöglichst platte Verse
werden, En. 169, 24—33. Platt und breit, diese beiden Epi
theta können wir ihm leider nicht entziehen. Er kennt die
richtigen Kunstmitte], aber er wendet sie unrichtig an; da
Turnus und Aeneas Zweikampf bevorsteht, lässt Benoit beim
Erscheinen des Geliebten die Lavinia ihrem Gefühle in fünf
zehn Versen Ausdruck geben; Heinrich verlegt den Monolog
auf den Moment unmittelbar vor dem Kampfe, also psycho-
650
Muth.
logisch ebenso richtig in seiner Weise wie Benoit — bei diesem
der erste Anstoss, bei jenem die höchste Spannung; — er will
durch diese Verzögerung das Interesse des Lesers erhöhen, —
aber er martert ihn mit 87 Versen. Ganz beherrscht ist er
von der Formel. Von zweigliedrigen Formeln, zu hunderten,
wimmelt das Gedicht; aber nicht immer wendet er sie ge
schickt an: Nisus und Euryalus une äme et un corps; dem ent
spräche mhd.: ein herze und ein muot, oder näher dem Wort
laute ein lip und ein muot; Veldeke übersetzt zuerst wörtlich
181, 20 ein lib und ein geist; dann aber verbreitert er, nennt
sie nicht unzutreffend ein fleisch und ein bluot 182, 10; wieder
holt aber dazu die schon oben einmal 181, 1 gegebene höchst
unnütze Versicherung ihrer moralischen Uebereinstimmung: nü
uns got hat ein lib gegeben 182, 17. Wimmelt es von zweigliedrigen
Formeln, so erscheinen auch dreigliedrige nicht selten, oder die
ersten durch Reihen von Versen in endloser, monotoner Kette
gezogen, so dass dieses Kunstmittel der Verstärkung mitunter
den allerschwächlichsten Eindruck hervorruft. Das nachgesetzte
Epitheton ornans, aber überwiegend beim Personennamen, ist
ihm stets willkommen den Vers zu füllen: wie oft heisst tjrieas
der mcere, Dido diu riche; sogar einmal Turriüs der gemeide; 1
selten bezeichnender Anchises der olde und, der wise! Präpo-
sitionalverbindungen in formelhafter Weise sind überaus häufig,
stets mit Wiederholung der Präposition, auch oft mehr als zwei
gliedrig; Verstärkung der Negation dagegen selten niht ein blat,
ein hast, ein ei. Ueberhaupt zeigen seine Bilder wenig Schwung
oder Phantasie; kein ausgeführtes Gleichniss ist im ganzen
Gedichte; die wenigen Vergleiche sind die allgemein üblichen,
volksthümlichen: wiz als ein sne, ein is, ein harm 61, 27, ein
swane; swarz als ein rabe; brün als ein bere; rot sam ein bluot;
grüene als ein gras; aphelgräwe rehte als ein lebart 148, 35;
ziemlich selten ein Oxymoron: si was heiz und si fros; rouwicli
unde fro; der leide liebe man 74, 29; ir füre is eine lieht 102, 23.
Volksthümliche Worte und Wendungen, besonders so weit es
den heroischen Ausdruck des Kampfes angeht, bemüht er sich
auch noch gar nicht zu vermeiden: lielt milde, märe, snel, ver-
1 Zu Haupts Zusammenstellungen der Adj. auf -sam ist beizufügen lanc-
sam 130, 9.
Heinrich v. Veldeke u. d. Genesis der romantischen u. heroischen Epik um 1190. 651
mezzengemeit, halt ist häufig; ger wohl ein dutzendmal; guter
kneht, sogar knehtlzche fortiter 193, 7; magedtn, harn, urlouge
(neutr.), vorbüge; grünez gras, rotez golt, starkez märe, eines
lewen mnot, ze sturme harde icol gar 144, 18, ldesen den tot,
des libes ein degen, waz mannes, waz tüfels 304, 36; keime kouwen,
scroten, Schilde stechen, schefte brechen (häufig pars pro toto
schaft für sper, aber nie das andere rant für schilt), rümen daz
laut, sarrinc, sperwehsel, wichüs eimcic; daz ist wizzenlich genüch;
geliche c. dat.: allen, manne, degenen, rittergeliche. Man sieht,
dass der Dichter vor volksthümlichem Ausdruck noch nicht
zurückschreckt; nicht etwa Heinrich, Hartmann ist der erste
Epiker, der gewisse Ausdrücke, seien sie nun formelhaft oder
vulgär, besonders wenn ein synonymes jüngeres Wort zu Ge
bote steht, namentlich wieder, wo es sich um ritterlichen Kampf
im Gegensätze zur älteren, roheren Weise des Streites handelt,
vermeidet. Im Allgemeinen begründet der Umstand, dass eine
Dichtung, wie die Eneit, reich ist an formelhaften Wendungen,
noch kein endgiltiges Urtheil über den Stil. Wenn wir ältere
oder volksthümliche Gedichte in das Auge fassen, werden wir
in dieser Beziehung die conträrsten Urtheile fällen müssen.
Die Judith (MSD. Nr. XXXVII) zeigt unverhältnissmässig
viele Formeln und Phrasen, wie wir sie von den Anfängen
deutscher Epik bis zu den Nibelungen im unausgesetzten Ge
brauche finden, und dessenungeachtet muss der Stil des Ge
dichtes als durchaus angemessen, ja edel bezeichnet werden;
vielleicht das formelreichste Denkmal jener Zeit aber ist der
Oswald: neben zahllosen, allgemein üblichen Phrasen hat er
eine ganze Menge eigenthümlicher, sonst wenig oder gar nicht
nachweisbarer Formeln bewahrt und gerettet — und wie roh
und ungefüge erscheint dieses Epos! Und ähnlich ist es mit
Veldekes Eneit: die zweigliedrigen Formeln, oft durch ein Hälb-
dutzend Verse fortgezogen, selten zu dreigliedrigen erweitert,
die massenhaft gehäuften Präpositionalverbindungen, die im
deutschen Epos so übel die antiken Participialconstructionen
vertreten, erscheinen als Lückenbüsser, die nur leider den
grössten Raum des allzu umfangreich gerathenen Gedichtes —
es ist ein Dritttheil länger als der roman d’Eneas — einnehmen.
Wir wissen, wie eben erwähnt, dass die höfischen Dichter
gewisse Ausdrücke, die der Volksepik integrirend sind, ver-
652
Hutli.
meiden; aber es ist fast unmöglich zu sagen, wie diese still
schweigende, rein conventionelle Vereinbarung möglich wurde
und zum Durchbruche gelangte. Die Frage aber ist von der
grössten Wichtigkeit, denn der Gebrauch oder vielmehr der
Grad des Gebrauches derartiger Ausdrücke und Formeln ist
für uns das äussere und untrügliche Kriterium des höfischen
Stiles. Die Kategorien, um welche es sich handelt, sind mit
ziemlicher Vollständigkeit zusammengestellt in Jänicke’s Ab
handlung über den Stil Wolframs (de dicendi usu Wolframi
de Eschenbach. Diss. Halle 1860. 34 pp. 8°, vgl. de usu di
cendi Ulrici de Zatziklioven aut. G. Schilling, ibid. 1866.
41 pp. 8°); aber wir wissen auch, dass das Haupt der Roman
tiker, dass Wolfram sich die Enthaltsamkeit, zu der sich Hart
mann allmälig emporringt, nicht auferlegt hat; endlich sehen
wir im heroischen Epos ähnliche Neigungen: die Nibelunge
sind, wenn man das Wort brauchen darf, im Ausdrucke viel
moderner als der Lanzelet oder die Klage. Worte wie ver-
mezzen, vrevele, vruot, vrech; dietdegen, dietzage; nitspil,
sperwehsel; sarwdt, zahlreiche Zusammensetzungen mit wie
(Gottfried wie,, eAnidic, ivicgar, •) die in den beiden genannten
Gedichten erscheinen, würde man in den Nibelungen vergebens
suchen. Und könnte man beim Lanzelt vielleicht noch auf
landschaftliche Unterschiede reflectiren, so fällt der Klage
gegenüber auch dieses Moment hinweg und es erübrigt nur
die Annahme, dass in der Periode der classischen Epik das
Leben der Sprache, wie unmittelbar vorher als Vorbedingung
der Möglichkeit einer reichen Litteratur die Abschleifung der
letzten vollen Flexionsformen stattgefunden hat, sich vornehm
lich in rascher Entwicklung der Bedeutungen äusserte, so dass
der Wortschatz des conventioneilen Verkehrs sich unmerklich,
aber stetig veränderte. Andererseits trifft diese letzte Bemerkung
nicht völlig zu. Hartmann muss sich mit vollem Bewusstsein
1 Merkwürdig ist namentlich die Bezeichnung der Waffen: das Volksepos
liebt — pars pro toto — ecke, rant, schaß-, Veldeke hat nur das letztere
häufig, rant ein einzigesmal und da in der Verbindung, die in den Nib.
tautologisch erscheint Schildes rant,-, dann werden diese Ausdrücke von
den höfischen Dichtern vermieden, aber die Gewalt der Formel ist
so übermächtig, dass sich selbst bei Gottfried noch je einmal findet
eschtner schaß und schiezen den scliaß.
Heinrich y. Veldeke u. d. Genesis der romantischen u. heroischen Epik um 1190. 653
von den unhöfischen Schlacken emancipirt haben, die im Erec
noch wahrnehmbar sind. Und ausserdem muss eben mit Rück
sicht auf Wolfram angenommen werden, dass einzelne Land
schaften oder Mundarten dieser Bewegung sich entzogen oder
doch sie nur langsamer mitmachten. Dass viele Worte sehr
schnell obsolet geworden sind, zeigt die Vergleichung jedes
beliebigen Gedichtes aus der Mitte des XII. mit einem Werke
aus der Mitte des XIII. Jahrhunderts. Aber Heinrich von
Veldeke hat darauf keinen Einfluss geübt und, so wenig
als Wolfram, wenngleich dieser seinen Stil — wohl nur seinen
Periodenbau und die gesuchte Dunkelheit der Darstellung, nicht
aber den Wortschatz — zu vertheidigen hatte, ist ihm hieraus ein
Vorwurf erwachsen; er nimmt zwischen älteren und modernen
Stilisten eine Mittelstellung ein; die altheroischen Ausdrücke
vermag er nicht zu entbehren, die courtoise Sprache des Minne
gesangs aber ist ihm bereits geläufig:
En. 51, 21 Sie bestreich ir ougen
mit den lieben bougen
unde kuste ir vingerlin.
Dido gebahrt in diesen Versen ganz im Sinne der fal
schen, höfischen Sentimentalität; aber für den Ring findet sich
der altepische neben dem üblichen Modeausdruck. 1
Die Ansicht also, dass Heinrich von Veldeke den Stil
des höfischen Epos begründet, ist somit unbegründet; in dieser
Beziehung ist auch zu beachten, dass Gottfried, der die Poeten
nach ihrer Bedeutung anordnet, Hartmann den ersten und
Heinrich erst den dritten Platz zugesteht (zwischen beide stellt
er Blicker); aber auch die Ansicht Wolframs ist unhaltbar,
von dem wir nie vergessen dürfen, dass er nicht lesen konnte,
also auch nicht belesen war, wie einzelne Autoren, so der des
Moriz von Craon, wirklich erscheinen. Wolfram erblickte
1 Es ist mir aufgefallen, dass sich ausser den von Lachmann und Haupt
aufgestellten Verbindungen und Zusammensetzungen noch eiuige andere
Momente für die Unterscheidung des Stiles beibringen lassen. Alle Dichter,
mit Ausnahme Wolframs, meiden die Zusammensetzungen mit -bceri (die
helden lobehcere in Nib. 1, 2 stehen ganz vereinzelt). Man wird in jedem
Gedichte nur wenige, vereinzelte derartige Adjectiva finden. Ebenso
werden gemieden die Deminutiva auf -Hin, bis sie durch Gottfried volles
Hofrecht erhalten. Vgl. Sitzungsber. XCI. 13.
654
II tJ tll.
in Veldeke, wie es scheint, unbefangen den Vater der höfischen
Minnepoesie im grossen Stile. Auch diesen Ruf können wir
Heinrich unmöglich zugestehen. Dass er der erste nicht war,
der ein französisches Epos auf deutschen Boden verpflanzte,
ist längst bekannt. Eilharts Tristan ist um 1175, der Graf
Rudolf zwischen 1170 und 1173, der Trierer Flore noch früher
gedichtet. Aber auch die höfische Auffassung des Minne
dienstes, die Terminologie der ritterlichen Liebespoesie werden
wir nicht mehr auf Heinrich zurückführen, seit wir wissen,
dass er seine Hauptstelle aus Eilharts ,Tristan' entnommen hat.
Die Wahrscheinlichkeit, dass er noch manches aus uns ver
lorenen Quellen geschöpft, wächst, wenn wir ihn auf falscher
Angabe ertappen, dass er Vergils Aeneide an Stellen benützt,
wo dies, wie Pey ausführlich gezeigt hat (Jahrb. f. rom. u.
engl. Litt. 2, S. 4, 7), entschieden nicht der Fall war.
So sehen wir denn, wenn wir das Facit ziehen, Hein
rich kaum mit Recht jenen hervorragenden Platz behaupten,
den ihm seine Zeitgenossen einräumten; was die modernen
Literarhistoriker aus ihm wohl gemacht haben: der Vater der
höfischen Epik, der subjectiven Darstellungsweise, der cour-
toisen Minnepoesie — das alles war er nie! Den ungewöhn
lichen literarischen Erfolg verdankte er der Verbindung mit
den Fürstenhöfen des Niederrheins und Mitteldeutschlands;
dann der Gunst der Zeit, da seine Eneit bekannt geworden,
zum Theile vor, zum Theile nach dem dritten Kreuzzuge, ge
rade in die Jahre höchster geistiger Erregung, mächtigster
Bewegung der Gemüther, lebendigsten Aufschwunges der Phan
tasie fiel. Was die Versammlung von Clermont und der erste
Kreuzzug dem romanischen Westen, das war für Deutschland
das Mainzer Fest von 1184 und die Kreuzfahrt des alten
Rothbart. Endlich aber, das eine, wirkliche Verdienst muss
Veldeke ungeschmälert gelassen werden, war er das Muster
der Formglätte für alle Folgezeit. Das Lob gebührt ihm,
das Rudolf von Ems ihm, Gottfrieds Emphase ein wenig
dämpfend, gespendet hat. Es ist nun bezeichnend, dass wäh
rend der unhöfische Ausdruck, obsolete Worte, vulgäre For
meln Heinrich, wie späterhin Wolfram, nicht verübelt werden,
sofort mit dem Durchdringen des reinen Reimes die älteren
Werke bei Seite geworfen, mehr oder minder absichtlich igno-
Heinrich v. Veldeke u. d. Genesis der romantischen u. heroischen Epik nm 1190. 655
rirt, wie wir aus der kümmerlichen Ueberlieferung schliessen
dürfen, kaum mehr abgeschrieben werden; je näher sie der
Zeit nach den Classikern standen, um so entschiedener ist die
hochmüthige Verachtung der Vorgänger: Flore, Tristan, der
Graf Rudolf (Crane) werden neu behandelt, die früheren Ver
suche nicht einmal der Erwähnung werth gefunden — die
Classiker des vorigen Jahrhunderts haben über die Stürmer
und Dränger milder geurtheilt als diese Hofpoeten über die
manchen unter ihnen an geistiger Gewalt und allen wahren
Gaben des Dichters geradezu überlegenen Vorfahren aus dem
dritten Viertel des XII. Jahrhunderts.
Und dennoch haben diese in der Folge so schmählich
ignorirten Dichtungen den grössten Einfluss geübt und wäre
die classische Romantik ohne sie gar nicht denkbar. Denn,
wenn wir gezeigt haben, dass Heinrich von Veldeke als der
Begründer der romantischen Epik nicht gefeiert werden darf,
wenn aber 1192 der Erec vollendet war und noch in den
ersten Neunziger Jahren die geistige Bewegung, die den Weg
vom Niederrhein über Thüringen nach Schwaben und dann
erst gegen Osten eingeschlagen hat, in das Donauthal nach
Oesterreich vorgedrungen ist, müssen es eben jene älteren Dichter
sein, die als Träger der Richtung die eigentliche Anregung
gaben, indem sie zuerst den Oberdeutschen die Kenntniss der
französischen Epik vermittelten.
In der That sehen w T ir fast gleichzeitig oder vielmehr,
der Wortschatz deutet darauf hin, noch vor Veldeke’s Eneit in
Oberdeutschland eine Epik entwickelt, die bereits die höchste
Stufe der Vollendung erreicht hat. Merkwürdigerweise behandelt
das Gedicht eines unbekannten Mannes, das wir hier im Auge
haben, denselben Stoff, dem auch Veldeke in der Jugend oder
wenigstens als Anfänger sich zugewandt hatte, das Leben des
heiligen Servatius, sogar nach derselben Quelle, aber ohne jede
Kenntniss des niederdeutschen Gedichtes. Mit Recht hat nun
der Herausgeber dieses Gedichtes, Moriz Haupt (ZfdAlt.
5, 75—192) geschwankt, ob dies Gedicht nach der Reinheit
seiner Reime in die Achtziger oder nach der Alterthümlichkeit
der Sprache in die Siebziger Jahre des XII. Jahrhunderts ge
setzt werden solle. Auch wir werden eine Entscheidung nicht
treffen. Das Gedicht ist durchaus eigenthümlich und hat —
656
Mutli.
der einzige Gervinus hat es wenigstens mit dem Servatius des
Veldekers verglichen — nicht die verdiente Beachtung und
Würdigung gefunden. Es gibt keine mittelalterliche Legende,
die in Behandlung des Stoffes unserem Geschmacke so nahe
stünde, wie dies Werk. Der leider unbekannte Dichter darf
seinen Platz kühn neben den ersten Meistern suchen; nur
Wolfram ist ihm an Kühnheit der Bilder und Tiefe der Ge
danken überlegen. Jedem anderen mittelhochdeutschen Gedichte
aus dem Kreise der höfischen und religiösen Dichtung aber
glaube ich dieses Werk entschieden voranstellen zu müssen.
Ob nun diese Dichtung vereinzelt gestanden oder ob uns neben
ihr noch andere ebenso bedeutende Denkmäler verloren gegangen
sind, lässt sich nicht entscheiden. Unter allen Umständen
aber sehen wir, dass sich die Blüthe der oberdeutschen Poesie
auch entwickelt hätte und vielleicht schöner entfaltet hätte
ohne das Dazwischentreten Veldekes. Zunächst aber obliegt
es uns, das so ungewöhnliche Urtheil über den Verfasser des
Servatius zu begründen.
Haupt hat bemerkt, dass der Verfasser klingende Zeilen
zu drei und vier Hebungen bindet und Abschnitte zuweilen
mit daktylischen Versen schliesst. Der Reim 1 ist genau bis
auf eine vereinzelte Eigenheit, den Reim o : 6 oberösten : kosten
103; im Präteritum gote : vestenöte u. ä. 201. 837. 2053, bote :
gesamnöte u. ä. 869. 1597; boten : röten 575; porte : hörte 1429.
Das ergäbe, den einen unreinen tribrachyschen Reim beigezählt,
bei 3548 Versen beinahe zwei Percent unreiner Reime; bei
der consequenten Durchführung werden wir jedoch diese Reime
ebensogut als rein ansehen müssen, als die auf an : an der
Nibelunge: der Dichter sprach eben die Silbe als anceps, d. h.
weder lang noch kurz: bei Niederdeutschen wäre die Ver
wendung von zweisilbigen Worten mit kurzer Stammsilbe für
klingenden Reim keine Seltenheit (Pfeiffer, Germ. 3, 502) und
die Verkürzung des schon dem Absterben nahen Bindevocals
ist auch kaum anstössig. Ich halte es sogar für überflüssig
und unzulässig, diese Reime auf niederdeutschen Einfluss zurück
zuführen. Unter den 3000 oben untersuchten Versen Wolframs
1 Tribrachyci: ebene : vergebene 799, begegenen : degenen 1487. 2103, geri-
gene : gedigene 2123 und ein anstössiger engegene : gedigene 923; manegiu :
diu 923 (nur bei Gottfried häufig, veranlasst durch den Namen Pitecriu).
Heinrich v. Veldeke u, d. Genesis der romantischen u, heroischen Epik um 1190. 657
kam hörte : Worte, hört : wort, hört : dort vor; nun ist aber der
Parzival wenigstens ein Menschenalter jünger als der Servatius;
wir werden also ungescheut den Verfasser des letzteren, um
somehr da er aus Schwaben nicht sein kann, weil daselbst
die Länge des Binde-o am längsten gewahrt wurde, nach Baiern
aber gleichfalls keine Eigenthümlichkeit weist, für einen Lands
mann Wolframs, für einen Ost-Franken erklären dürfen. En
jambement erscheint zweimal:
2776 eines nahts er einen gräwen
altherren vor im sten sach.
1182 inner diu do wart er füre
den rihtsere selben bräht.
hiren für 1. Plural, hirt 3. Sing. ; aber daneben seltene, ja
ganz vereinzelt vorkommende, dem höfischen Epos sodann
längst entfremdete Worte wie framspuot, frönesal, vergoumsaln,
gehilwe, gehilgen, gemuotvagn, wizöt; auf -sam nur lohesam 263
und dreimal rasch nacheinander lussam 2542. 2619. 2684; auf
-lin nur vingerlin 597, kindelin 3088, swibogelin 579; dagegen
mehrere auf -beere: ahtbatre 2497, erbcere 3324, lobebaere 2550,
tvandelbcere 1121, unwandelbare 295. 741. Nominalcomposita, die
fast stets (immer im cas. obl.) zwei Hebungen ohne Senkung
in Anspruch nehmen, in grosser Menge: altgris sturmgite;
altherre eivart listwürhte lipnar meintat orthabe triitzunge trut-
Icint u. v. a. Zu heroischen Ausdrücken bietet die Legende
nicht eben grossen Spielraum, dessenungeachtet: liehtiu brünne
2029, brünne glanz 2062, vürbüege 2918, eilen 2017. 2043, sar-
wdt 2130, urlouc (neutr.) 91, wie 1766 wichus 81 ivicgerüste
1775 vnewer 3267. — Häufig lielt; heit halt 130. 2535, helde
vermezzen 1737; erwelte degene 2103, Servatius sehr oft der
gotes degen, gedigene 437 u. ö.; guot kneht 1770. 2374; libes
und guotes ein heit 2345; rümen daz laut 3048; rötez golt sehr
häufig; allertegelich, engel gelich; eines lewen muot 2013; diu
starken meere witen vlugen 459, vgl. 2393. Mehr als hundert
zweigliedrige Formeln, wenige dreigliedrige. Mögliche Nach
ahmung des Annoliedes 2035 f. Aber weit auffälliger als
alles dies ist, dass der Verfasser Vers und Rede durch äussere
Mittel zu schmücken versteht; er handhabt gewandt die Allit-
teration und er ist unter allen mittelhochdeutschen
Dichtern der erste Meister des Gleichnisses.
V
658 Muth.
Nicht nur die üblichen allitterireuden Formeln trifft man
bei ihm, als Hute unde lant, witewen unde weisen, die noch
heute gäng und gäbe sind, oder das in geistlichen Gedichten
auch sonst belegte zitern und zanklaffen 2446, got der guote
oder das heroische wunden wite-, kleine Veränderungen zeigen,
dass er den Gleichklang sucht: wiiefen unde weinen 943 statt
des üblicheren durch die ganze mittelhochdeutsche Dichtung
gehenden weinen unde Magen, ebenso ir Mage und ir kam 245;
mit ganz moderner Emphase sagt er: ezn was nochn wart
880; herze unde liouhet 2602, ein gehet lüter unde lanc 1150,
stole unde stap 2534; 2449 muoter unde mägen ist sogar etwas
manirirt; er hebt sich aber bis zur Onomatopöe: phnehen unde
phnurren 168; auch eine Bildung wie wdcgewitere gehört hieher.
Recht auffallend ist die Anwendung des Vergleiches und
Gleichnisses. Der Dichter ist sehr sparsam mit Bildern und
Vergleichen; nicht einmal die formelhaft gewordenen, selbst
dem trockenen Veldeke geläufigen Bilder bei Farbenschilderung
begegnen uns, nur einmal grd als ein tübe 2622; fast als Ma
nier muss man es betrachten, dass der sonst so Enthaltsame
beim Verbum brinnen stets ein Bild anwendet: als ein rose 290,
als ein gluot 605, ausführend als ein isen, daz glüet 2237 vgl.
3509. Es ist schwer zu sagen, warum sich der Dichter solche
Zurückhaltung auferlegt; dass es bei ihm nicht Aermlichkeit
des Stiles ist, werden wir sofort sehen; er muss die heiteren
Vergleiche der Würde des Gegenstandes nicht angemessen be
funden haben, wie uns überhaupt aus diesem Gedichte ein fast
Wolframischer Ernst entgegentritt — wohl neben der wenig
romantischen Beschaffenheit des Stoffes der Grund, weshalb es
zu allen Zeiten wenig Leser fand. Das höchst Bemerkenswerthe
ist nämlich an diesem Manne, dass er, der weniger Bilder
und Vergleiche einflicht und anbringt als irgend ein Legenden
dichter, der einzige Dichter seiner Zeit ist, der das richtige
Verständniss für das Wesen des Gleichnisses hat. Er hebt
nicht nur das tertium comparationis streng hervor — das ist
auch bei Wolfram und in den Nibelungen der Fall —
843 daz himelkint reine
ledic aller meine
wonet in der cellen enge,
mit michelre strenge
Heinrich v. Veldeke u. d. Genesis der romantischen u. heroischen Epik um 1190. 659
mangel er dolte.
im geschach als in der molte
dem körne, daz ertoetet wird
durch den künftigen wuocher den iz hirt.
sondern er stellt geradezu einzig da mit einem ausfülirlicli
entwickelten Bilde, einem homerischen Gleichnisse, das seines
gleichen in der gesammten mittelhochdeutschen Litteratur nicht
hat. Es war ausführlich die Rede von Irrlehren, die zu Ser
vatius’ Zeit den Glaubenskämpfern ihre liebe Noth gemacht,
Arrius der widerwarte, Manicheus der half im harte u. s. w.
(611—644); dann fährt der Dichter fort:
645 über den glouben gie ein tuft,
sam so den heiteren luft
der trüebe nebel irret
unt als den sterren wirret
diu wölken diu vor swebent
duz si uns des liehtes niht engebent,
unt als diu verrinnent
die Sterne aber brinnent,
die daz gehilwe e undersneit.
also schein in der kristenheit
manec liebte lucerne.
Ein treffendes Bild, im Detail ganz reizend ausgeführt und
bis zur Gestalt einer kleinen, vom Flusse der eigentlichen
Fabel selbständig sich abzweigenden Erzählung erhoben —
die eigentliche Form des homerischen Gleichnisses.
Und diese Dichtung ist entstanden, dieser Mann hat ge
dichtet, ohne Veldekes Werke, ja vermuthlich, da er sonst
kaum auf denselben Stoff verfallen wäre, ohne Veldekes Namen
zu kennen. Es geht absolut nicht an, das Gedicht mit seinem
alterthümlichen Wortschätze tiefer zu setzen als in die Acht
ziger Jahre des XII. Jahrhunderts, und selbst das ist nur
möglich unter der Voraussetzung, dass der Verfasser eben ein
sehr alter Manu war, dessen Jugendwerke wir nicht kennen
— denn der Servatius ist kein Versuch eines Erstlings —
und der sich vom Brauche und der einmal angeeigneten Rede
weise seiner Jugend nicht mehr zu emancipiren vermochte.
Der, wenn wir, wie erörtert, von einer Eigenthümlichkeit, die
jedoch bewusste Handhabung ist, absehen, völlig reine Reim
Sitzungsber. d. phil.-hist. CI. XCV. ßd. III. Hft. 43
660
Math.
aber schmälert Veldeke’s Verdienst auch in dieser Beziehung.
Wir sehen: die Hochdeutschen waren selbständig bereits so
weit gekommen, dass es nur eines Beispieles, eines durch
schlagenden litterarischen Erfolges bedurfte, um die volle Rein
heit der Form d. h. des Reimes zur allgemein und allein gütigen
Norm zu machen. Der Servatius hatte offenbar keinen Erfolg;
da kam der dritte Kreuzzug: Ritter aller Landschaften traten
in unmittelbaren Verkehr; die Höfe interessirten sich auf das
Lebhafteste für die Litteratur; nicht mehr bettelhaft heischende
Vaganten, sondern vornehme Ministerialen zogen von Burg zu
Burg: da mochte nun Heinrichs Eneit, das hohe Lied von
der Minne — wer nahm Anstoss an den entlehnten Versen?
— das so anmuthig vlämend geschrieben war, immerhin jenen
entscheidenden Erfolg erzielen!
Doch das ist genugsam erörtert. Aber wichtig ist, dass
der Servatius nicht allein steht, 1 und wichtig wäre es zu wissen,
woher Hartmann die erste Anregung geschöpft?
1 Von vielen Dichtungen geringeren Umfanges, die zu den classischen
nach Form und Stil gerechnet werden müssen, ist die merkwürdigste
Moriz von Craon. Der Dichter kennt Heinrich von Veldeke, ob aber
als Dichter der Eneit? er nennt Aeneas neben anderen Trojanern V. 50,
aber er nennt auch die Dido V. 1152 und bald darauf V. 1160 Veldeke.
Das Einfachste wäre, dies für eine sehr naheliegende Ideenassociation
zu halten; und dennoch meine ich, dass der Dichter des Moriz Enteis
und Dido nur aus französischen Gedichten kannte. Er müsste an der
Stelle 1150/60 sonst unausweichlich Heinrich als Verfasser eines Ge
dichtes von der Dido nennen. Zudem führt er sie an nach der Cassandrä
und identificirt die Länder Karläyo und Marroch 1148, während bei Hein
rich das Land der Dido Libiä heisst und Marrolc 200, 21 ihm ein anderes,
fremdes Reich ist. Was Haupt als möglichen Einfluss Heinrichs ansehen
konnte, das lässt sich alles, wie z. B. das stichische Gespräch, einfacher aus
der französischen Vorlage erklären; auch das Selbstgespräch 1 (S. 31) hat
nicht erst Veldeke in unsere Epik eingeführt. Desto auffallender ist,
dass diese formglatte Erzählung (nur eine Reihe Reime nach dem Schema
varn : am) nicht den geringsten Einfluss Hartmanus zeigt, wie Haupt
hervorhebt. Und doch ist das Gedicht alt; denn bei aller höfischer
Formstrenge zeigt es volksthümliche Formeln und Wendungen, wie sie
selbst im Erec und Lanzelet nicht mehr Vorkommen. Es ist gedichtet
nach einer französischen Vorläge, die eine wahre Geschichte behandelt,
eine Lichtensteinartige Fahrt des Herrn von Craon zu Ehren der Gräfin
von Beaumont. Moriz von Craon nun erscheint 1156 in englischen
Urkunden, oü il paie ä l’echiquier trois gerfaux et un epervier de
Heinrich v. Veldeke u. d. Genesis der romantischen u. heroischen Epik nm 1190. 661
Wir sind über Hartmanns Lebensumstände so weit unter
richtet, dass man es neuerdings unternehmen konnte, eine
vollständige chronologische Tabelle seiner Werke zu entwerfen,
Naumann, ZfdA. 22. 73. 74. Nun wäre eine so genaue Be
stimmung, wie sie a. a. 0. gelungen scheint, vom höchsten
Werthe, weil wir in den dadurch gewonnenen festen Rahmen
nach Massgabe der sonstigen Ergebnisse der Specialforschung
Datum um Datum einreihen und so endlich zu einer wirklichen
Litteraturgeschichte gelangen könnten, deren Voraussetzung es
ja ist, dass man die Reihenfolge der Werke kenne, um fest
zustellen, wie sich die Autoren nach einander oder neben ein
ander beeinflussen. Es ist nicht im Rahmen dieser Abhandlung
gelegen, die Biographie Hartmanns zu behandeln, aber da wir
bei diesem Gegenstände angelangt sind, will ich zwei Bedenken
gegen die gegenwärtig übliche Datirung der Werke Hartmanns
nicht unterdrücken, damit vielleicht Anregung zu nochmaliger
Norwege; gestorben aber ist er 1216 (de la Eue, ess. bistor. sur les bardes,
1. jongl. et 1. trouveres Norm, et Angionorm. Caen 1834. III. 192, 193;
eitirt übrigens Litt. pat. 17. Johann [Jean-sans-terre] Eeg. Nr. 24), hat
also ein ungewöhnlich hohes Alter erreicht; denn die Identität der beiden
Persönlichkeiten, der 1156 und 1216 erwähnten, steht ausser Frage. Er
lebte demnach noch, als das deutsche Gedicht entstand, was dem Ver
fasser desselben nach Vers 263 f. nicht bekannt gewesen zu sein scheint.
Zur Charakteristik des Stiles bemerke ich: Anlehnung an die Kaiser
chronik 133 f.; Erwähnung älterer Dichtungen (s. o.); auf Kriechen derselbe
Keim, wie bei Veldeke, Lampreeht, K1.1109, also formelhaft: siechen 27.
Es erscheint nicht nur heit, beides werc, hell ball, snel, gemeit, mcere; bam,
wigant 59; magedin 1258. 1289; garwe 1649; Tceiser in volkstlüimlicher An
wendung 315; sondern das seltene, hochheroische baldez eilen 244; in volks
tümlicher Prägnanz: Rome was diu mcere (vgl. Nib. 1958, 1. Etzel was
der kiiene)\ kiesen den tot 158. 568: anstaunen als ein wildez Her 772 (vgl.
Nib. 1700, 1); auch sonst Ausdrücke, die wir nicht einmal im heroischen
Epos finden: 1418 db kam si relite als ein alp uf mich gestichen; noch
merkwürdiger 1561 f. der tiufel oder daz wüetende her, ein classisches
Zeugniss des Volksglaubens. Sonst ganz im Stile classischer Epik: auf
-sam nur gehorsam 318; auf -beere nur offenbeere 696, lasterbcere 1637; auf
-lin nur vingerlin 605. Enjambement; Klage um die Armuth der deut
schen Sprache 1778, wozu Haupt den Eingang des Pilatus (vor 1187!)
vergleicht und die doch nach Hartmaun kaum mehr zulässig war; der
Dichter spricht, als hätte er sich einer seltenen und schwierigen Unter
nehmung unterzogen 1779. Also auch hier dieselbe Erscheinung wie
beim Servatius: die Oberdeutschen schon zu Veldeke’s Zeit ebenso weit,
als dieser sie erst gebracht haben soll!
43*
662
Muth.
Untersuchung gegeben werde und unter allen Umständen die
gewonnenen Daten, die doch noch sehr problematisch sind,
nicht in kritiklosen Litteraturgeschichten inveteriren.
Es ist eine wiederholt ausgesprochene Vermuthung, dass
Hartmann zwei Kreuzfahrten unternommen habe und jedes
seiner beiden Kreuzlieder (dem knuze zimt wol reiner muot
MSF. 209, 25 und ich var mit iwern hulden herre unde rndge
218, 5) sich auf eine von diesen beziehe. Neuestens hat diese
Ansicht A. Baier, Germ. 24, 72 f. mit Geschick vertreten. 1
Durch dieselbe würde sich manche Schwierigkeit beheben:
man könnte die Autopsie des Meeres zugeben, wenngleich gegen
Naumanns Einwendungen a. a. O. S. 36 nicht viel zu sagen
ist; dagegen wird mich nie Jemand von meiner Ueberzeugung
abwendig machen, dass das erste Büchlein (V. 358 daz ist
allen den wol kunt die da mite gewesen sint) nach einer See
fahrt gedichtet ist, ob nun Hartmann einmal oder zweimal im
heiligen Lande war: jede andere Auslegung ist gezwungen
und leidet an innerer Unwahrheit. V. 1687 wcer ich im oriende
ist meiner Meinung nach vor einem Kreuzzuge gesprochen —
man sehe Naumanns richtige Argumentation S. 51 —, also das
erste Büchlein gedichtet, da Hartmann, längst von der ersten
Fahrt heimgekehrt, zum zweitenmale das Kreuz genommen
hatte. Ich würde dies für unbedenklich sicher halten; denn
Hartmann könnte als Knappe des Rothbarts Kreuzzug, wie als
Ritter den von 1197 mitgemacht haben, wenn mich nicht ein
Umstand abhielte, ein endgiltiges Urtheil zu fällen. Häufig
genug mögen Ritter gezwungen gewesen sein, zweimal in das
heilige Land zu ziehen. Junge Pilger wollten erprobte Führer,
die den Weg schon einmal gemacht. In Oesterreich, wo inner
halb eines Decenniums drei babenbergische Fürsten nach ein
ander das Kreuz nehmen, mag mancher Ritter den Weg mehr
als einmal gemacht haben. Ein Wechsel des Lehensherrn
1 Obwohl, wie ich glaube, die Stelle von Saladin sich einfacher erklären
lässt: Selbst wenn Saladin in voller Macht noch lebte [selbstverständliche
Ellipse: den zu bekämpfen jedes Eitters Pflicht], wäre ich nicht fort
zubringen aus Franken. Nennt so mit dem Orientalen, der im Orient
gewesen, den Occideut, speciell Deutschland? Es ist übrigens für die
Frage gleichgiltig: das Herrengeschlecht der Auer könnte ja auch Güter
in Franken besessen haben!
Heinrich v. Veldeke u. d. Genesis der romantischen n. heroischen Epik um 1190. 663
konnte da für den Vasallen unbedingt massgebend sein. Einen
solchen Wechsel nun hat Hartmann auch erfahren; bitter
beklagt er den Tod des Herrn; dass er den Nachkommen ein
treuer Vasall blieb, bezeugt, dass er viel später die Dichtung
abfasste, die das Haus der Auer verherrlicht: aber bei seinem
ersten Kreuzzuge war der Herr schon todt: gerade in dem
Liede dem kriuze zimt etc. trauert er um den Herrn. Damit
ist der äussere Umstand weggefallen, der mir eine zweimalige
Kreuzfahrt Hartmanns motiviren würde — denn dass sich beide
Kreuzlieder auf die zweite Reise beziehen könnten, wird wohl
Niemand behaupten wollen — und die Frage bleibt offen.
Eine zweite Frage ist die um das Alter des Gregorius.
Man hat die Epen Hartmanns nach seinem Sprachgebrauche
in zwei Gruppen geschieden: Erec und Gregorius — Heinrich
und Iwein. Die hiezu angewandte Methode, die Reinheit der
Sprache und des Reimes zu prüfen und nach fortschreitender
Kunstfertigkeit anzuordnen, ist sicherlich richtig, aber sie be
darf zweier Cautelen: erstens darf sie sich nicht in Subtilitäten
verlieren, denn grosse Percentzahlen mögen sicher sein; wenn
aber bei ausserordentlicher Sorgfalt die Zahl der Verstösse
eine äusserst geringe ist, lässt sich nach solchen Bruchzahlen
eine Anordnung in chronologischer Folge nicht geben, denn
da kann der Zufall seine Hand im Spiele haben. Solch’ eine
Subtilität aber ist die Scheidung des armen Heinrich vom
Iwein: wir müssen einfach unser Unvermögen eingestehen, ein
genaueres Resultat zu erzielen, als das, dass beide Gedichte
derselben Periode der litterarischen Thätigkeit Hartmanns an
gehören, das heisst ungefähr gleichzeitig scheinen. Da wir
überdies wissen, dass der Iwein um 1202 entstanden ist, sind
wir zu alledem hinlänglich unterrichtet. Naumanns Beweis
S. 42 f. ist unzulänglich; betreffs des Stiles haben er und
Andere vor ihm vergessen, dass der Iwein eine Uebersetzung
ist, der arme Heinrich eine freie Dichtung nicht ganz ohne
populären Anstrich. Müsste ich demnach nach dem Stile allein
urtheilen, so würde ich den armen Heinrich für jünger halten
als den Iwein. Was aber den Gregorius betrifft, ist die
zweite Voraussetzung jener Methode in Erwägung zu ziehen:
eine derartige genaue Stilprüfung hat ununterbrochene Kunst
übung zur Voraussetzung. Ist es nicht nachweisbar, dass der
664
Muth.
Dichter ununterbrochen, das heisst ohne grosse Pausen der
Unthätigkeit oder Unproductivität, die wie z. B. bei Schiller
eine völlige Umwandlung des Stiles mit sich bringen, gewirkt
hat, so sind Unebenheiten, Rückfälle, Schwankungen denkbar,
möglich, ja wahrscheinlich.
Nun stehen bei scharfer Betrachtung nicht Erec und Gre-
gorius den übrigen Werken, sondern der Erec allein steht
allen anderen Dichtungen Hartmanns gegenüber; er allein hat
einen etwas abweichenden Wortschatz und grob populäre Formen,
die Hartmann später meidet. Diese Entäusserung ist aber nicht
zufällig oder unabsichtlich vor sich gegangen, sondern beruht
auf einem Willensacte, einer Einkehr, Selbsterkenntniss, die
wieder nur durch einen äusseren Anstoss hervorgerufen sein
kann, der nicht leicht etwas anderes gewesen sein kann, als
der Besuch eines Fürstenhofes, an dem bereits die Regeln des
neuen Tones zur Herrschaft gelangt waren. Das würde dazu
verlocken, nach dem Erec eine längere Pause in der Kunstübung
anzunehmen, bis der Poet wieder mit neuer, mit voller Kraft auf
dem Platze erscheint. Aber das ist eine unerweisliche Vermuthung.
Auf Schloss Spiez am Thuner See ist aber der Eingang
des Gregorius entdeckt worden (Paul u. Braune, Beitr. 3,
90 — 132) und der scheint nun allerdings seinem Inhalte nach
kaum von einem jungen Manne gedichtet sein zu können, so dass
eine etwas vorschnelle und im Ausdrucke jedenfalls übertriebene
Aeusserung Bechs plötzlich Bedeutung gewinnt, der meinte,
die ,tumben jär' Greg. 5 deuteten auf ,Reue über ein im
Dienste der Welt verbrachtes Leben'. Wenn dies auch nicht
wörtlich zu halten sein wird, wird man sich doch, es sei denn,
dass es gelänge, den Eingang des Gregorius als ganz unselb
ständig nachzuweisen (vgl. Scherer, ZfdA. 20, 349—354), dazu
bequemen müssen, den Gregorius für ein Werk des alten
Hartmanns zu halten. 1 Dass er entgegen seiner Kunstübung im
Iwein und den gleichzeitigen Werken wieder einen Rückfall in
den Stil seiner Jugend zeigt, das wäre zu erklären aus der
1 Die Uebereinstimmung zwischen der Einleitung des Gregorius und dem
,Trost“ ist zwar, wie der Spiezer Fund beweist, noch enger, als Scherer divi-
natorisch ahnte; aber dabei bleibt zu erwägen, ob die Stelle einem jungen
Autor zugesagt hätte: dass mittelalterlichen Autoren bei Entlehnung häufig
genug wenig Passendes mitunterläuft, soll freilich nicht geläugnet werden.
Heinrich v. Veldeke u. d. Genesi.s der romantischen u. heroischen Epik um 1190. 665
Unterbrechung seiner Thätigkeit und vielleicht aus der Betrach
tung der gleichzeitigen Litteratur. Wenn der gefeiertste Zeit
genosse Wolfram ungescheut all’ das in seine Dichtung einschob
und verflocht, was Hartmann mühsam abgestreift und peinlich
ferngehalten, mochte er sich, und besonders bei einem nicht
streng romantischen Stoffe immerhin wieder gehen lassen.
Und zu alledem kommt, dass der Gregorius in der That
stilistische Eigenthümlichkeiten bietet, die ihn vom Erec, wie
von der Iweingruppe trennen, die aber Herr Naumann nicht
bemerkt hat. Zudem, was Naumann a. a. 0. S. 34 f. bei
bringt, ist noch zu bemerken: eilen 1821, ellenthaft 1998; ur-
liuges, also neutr. 1702. 1726. — ez waz ein sun daz si gebar
498 (cf. Nib. 1688, 1, 2); ein der liertiste strit 1983. nicere
2086, Rome diu mcere 3615; brot unde brunnen 2740, vrevel
unde vro 3796. ' Für all’ das bietet der Erec keine Parallele.
Ich habe Sitzungsber. XCI Bd. S. 13 gezeigt, wie sorgsam
Hartmann Deminutiva auf -lin meidet; im Gregorius sucht er
sie beinahe: väzzelin 533. 826, lduselin 2603. 2861. 3079. 3529.
3540. 3549, kindelin 302. 514. 536. 879. 957, tohterlin 14. Es
ist das der Stil, der mit Gottfried zum Durchbruche gelangt.
Ich will aber auch diese Frage nur angeregt haben und
masse mir nicht an, hier im Vorbeigehen die letzte Entschei
dung zu fällen. Die Berechtigung wiederholter Diseussion glaube
ich hinlänglich dargethan zu haben.
Alles in allem werden wir darin übereinstimmen, dass
Hartmann in selbständigem,' zielbewusstem Ringen, geworden
ist, was er war; dass er hochdeutsche Vorbilder vorfand, an
denen er sich bereits bilden konnte, und dass auf ihn und
seinen unmittelbaren Einfluss die Reinheit des höfisch-romanti
schen Stiles in Oberdeutschland zurückzuführen ist.
III. Das heroische Epos in Oesterreich.
Nur ein landschaftliches Gebiet hat unsere Diseussion
bisher nicht berührt und zwar gerade dasjenige, das von den
hochgehenden Wogen der Zeit am gewaltigsten durchrüttelt
wurde, das österreichische Donauthal.
Nach Oesterreich musste die von Nordwesten ausgehende
Bewegung zuletzt gelangen; in der That, so thöricht es ist,
aiuth.
6(50
läugnen zu wollen, dass auch in Oesterreich einmal Ritterthum
und Minnedienst geblüht habe, und so wenig haltbar, zu be
haupten, dass sich damals Oesterreich, indem es den geistigen
Fortschritt des übrigen Deutschlands nicht mitmachte, gesondert
habe für alle Folgezeit, so richtig ist es, dass die litterarisehe Be
wegung erst spät nach Oesterreich gelangt. Aber die Romantik
hat die österreichische Ritterschaft doch mitgemacht: freilich
blüht Ulrich von Lichtenstein achtzig Jahre nach der Blüthe
Moriz’ von Craon. Aber gerade in litterarischer Beziehung
hat Oesterreich, während die Ritterschaft sich erst langsam
bequemt zu haben scheint, courtoise Formen anzunehmen, ver-
hältnissmässig rasch Schritt gehalten. Denn gleichzeitig mit dem
Thüringer — ich nehme nur auf die Vollendung der Eneit
Rücksicht —, also dem Thüringer Veldeke, dem Schwaben
Hartmann, singt auch bereits der Oesterreicher Walther.
Aber der erzählenden Dichtung wandte sich die Ritter
schaft Oesterreichs erst zu unter dem Eindrücke des dritten
Kreuzzuges und des Lebens und Treibens an einem kunst
sinnigen Fürstenhofe. Hier war man nicht wie am Rheine im
steten Verkehr und Austausch mit dem welschen Nachbar;
wenn man nach neuen Stoffen greifen wollte, fand man eben
nur alte und, wie der Minnesang in Oesterreich damit be
gonnen hatte, dass die Ritter volksthümliehe Weisen mo
delten, so begann die epische Dichtung damit, dass man nach
den volkstümlichen Sagen griff, die seit Menschengedenken
von den Fahrenden gesungen, Allen kundig, in Aller Munde,
einen flüssigen, der Bearbeitung werthen und die Mühe lohnen
den Stoff der Behandlung boten. Doch ist vor 1190 keine
Spur einer umfangreicheren Dichtung nachweisbar. Lieder von
den Amelungen und Nibelungen, von Kudrun und Hilde müssen
unausgesetzt gesungen worden sein; die Reinheit des Reimes
in unseren Nibelungenliedern erlaubt bekanntlich nicht, die
selben über 1190 oder doch beträchtlich über 1190 hinaufzu
rücken ; das aber ist unmöglich, den Zeitpunkt mit voller Ge
nauigkeit zu bestimmen, wann die Behandlung dieser Stoffe
aus den Händen der professionsmässigen Spielleute in die
der Herren selbst überging: denn das geschah vermuthlich
gerade so beiläufig und allmählich und, seit einmal damit
begonnen war, so notwendig, als dann wenige Decennien
Heinrich v. Veldeke n. d, Genesis der romantischen n, heroischen Epik um 1190. 6f>7
später die Sammlung und Vereinigung dieser Lieder zu einem
zusammenhängenden Epos erfolgte.
Dem Kreuzzuge des Kaisers schloss sich Herzog Leopold V.
von Oesterreich 1 mit glänzendem Gefolge langsam an; es ist
bekannt, wie die Oesterreicher vor Accon lagen, mit den Eng
ländern in Streit geriethen, endlich wieder missmuthig heim
kehrten. So übel sie mit den Welschen standen, mit den deutschen
Herren anderen Stammes scheinen sie das beste Vernehmen
gehalten zu haben; ja die Freundschaft der Oesterreicher und
Thüringer wurde geradezu sagenhaft. Wie wir der Sage vom
Warfbergkriege das mit Sicherheit entnehmen, dass die Höfe
von Eisenach und Wien als die vornehmsten Pflegestätten der
Litteratur galten, so belehrt uns eine andere Dichtung, das
Epos von des Landgrafen Ludwig Kreuzfahrt, das mehr als
zwei Menschenalter später ein Thüringer angeblich noch nach
Angaben eines Augenzeugen abfasste (sehr schlechte Ausgabe
von van der Hagen, Leipzig 1854, 300 S. 8°.), über die Freund
schaft der beiderseitigen Ritterschaft. So wenig man sich bei
kommen lassen dürfte, dieses Erzeugniss thüringischen Local
patriotismus als historische Quelle benützen zu wollen — der
Herzog von Oesterreich führt beständig den Namen Friedrich —,
so bezeichnend ist doch, wie nachdrücklich die Innigkeit der
Beziehungen zwischen den Fürsten und ihrer Umgebung betont
wird. Ich nehme unbedenklich an, dass hier insoferne echte
und gute Tradition zu Grunde liegt, als wenn auch das Detail
(insb. V. 5034 ff.) ganz unbeglaubigt ist, doch das gute Ein
vernehmen im allgemeinen anzuzweifeln, kein Grund vorhanden
ist und die hervorragende Rolle des Herzog Leopolds während
dieser Episode des Kreuzzuges auch sonst feststeht.
So enge Berührung fremder Landsmannschaften konnte
nicht ohne Folge bleiben: Oesterreicher und Thüringer hatten
sich gegenseitig eine Gabe zu bieten; jene waren in der Lyrik,
diese in der Epik überlegene Meister. Damals mögen die ersten
' Zur Orientirung fiir nichtösterreichische Leser:
Leopold V. (,der Tugendhafte 1 )
f 31. December 1194.
Friedrich I. (,der Katholische 1 )
f 10. April 1198.
Leopold VI. (,der Glorreiche 1 )
1198—1230.
668
Mutli.
Fäden angesponnen worden sein, die viele Jahre später, nach
seines Gönners Friedrich Tode, Walther auf die Wartburg
führten; damals mögen es zuerst die österreichischen Herren
als courtois erkannt haben, auch umfangreiche Werke zu um
fassen, zu redigiren, dem fahrenden Schüler oder Hauscaplan
zu dictiren.
Wenigstens erklärt uns das einigermassen den sonst eben
über die Maassen auffallenden Umstand, dass unmittelbar nach
der Heimkunft der Orientpilger in Oesterreich eine rege epische
Dichtung beginnt, so zwar, dass im Lande Reinmars und Wal
thers der höfische Minnesang eine Zeit lang fast zurücktritt.
Dass es in Oesterreich Lieder gegeben volksthümlichen
Inhaltes, ist, wie bereits erwähnt, zweifellos; es gab aber auch
historische Lieder: eine Spur eines solchen Liedes erhält uns
eine eher dem XIV. als dem XIII. Jahrhunderte entstammende
poetische Zwettler Haus- und Klosterchronik, in der die Schick
sale der Kuenringe verherrlicht werden (Fontes RRAA. II. Abth.
3. Bd. über fundat. monast. Zwettl. S. 1—22); unter dem Schutt
des XIV. Jahrhunderts schimmert doch noch das Werk des
Sängers aus dem XII. hervor, freilich nicht mehr so deutlich,
dass man sich ein Bild von Form und Inhalt — am ehesten
noch von Anlage und Sprache — machen kann. Ich citire
ganz beiläufig der Reihe nach Ausdrücke und Formeln, wie
sie der classischen Volkspoesie eigen sind: V. 18 fruot, 34 daz
hat es den vollen gar (Nib. 2077, 2); 53 anwigen; 55 schaden
unde schände; 218 daz vrlevg (neutr.); 274 vor der weyganden
ellenhaften lianden; 284 brvffen grdzev wunder (s. h. v. Jänicke
zu Bit.); 289 bern unde eberswm; 482 imten mcere allerdings
arg verballhornt: der so iveiten ist zemer, dagegen ganz richtig
667 iviten mcere : weiten mev, 546 gemeit. Es wird sich wohl
Niemand der Ueberzeugung verschliessen, da den übertünchten
Rest eines historischen Volksliedes, das im XII. Jahrhundert
im österreichischen Wald viertel, das ist dem nordwestlichen
Theile Niederösterreichs, abgefasst wurde, vor sich zu haben.
Aber die Männer der Neunziger Jahre wandten sich heroi
schen Stoffen zu und zwar wurde, bevor man sich noch daran
wagte, die vielen rasch entstehenden gefälligen Lieder zu einem
grossen, cyclischen Ganzen zu vereinigen, der Versuch gemacht,
den etwas ungefügen, volksthümlichen Stoff der überlieferten
Heinrich v. Vehleke u. d. Genesis der romantischen u. heroischen Epik nm 1190. t)69
Form zu entkleiden und für die ritterlichen Kreise, speciell
wahrscheinlich für den Herzogshof — denn die Ritter dich
teten ja wacker in der Nibelnngenstrophe — in höfische Kurz
zeilen umzugiessen.
So entstanden Epen volksthümlichen Inhaltes in
höfischer Form.
Zuerst begnügte man sich, den Inhalt überlieferter Lieder
wohl oder übel in die Kurzzeile zu zwängen (Klage); bald
aber wagte man es, den Stoff freier zu behandeln, den Recken
Thaten der Courtoisie, deren Erfindung bei aller Treue gegen
die Ueberlieferung zulässig gefunden wurde, anzudichten: das
Volksepos lieferte in Namen und Formeln nur das Skelet des
Gedichtes (Biterolf); späterhin suchten, nachdem die Ritter
schon bis zur Sammlung der epischen Lieder vorgeschritten
waren, die Spielleute sich selbst auch in der neuen höfischen
Form zu üben und trugen so das kurzzeilige Epos in die
niederen Kreise (Laurin).
Diese Bewegung aber begann unmittelbar nach der
Heimkehr vom Kreuzzuge. Ich habe bewiesen (ZfdA. 19,183 f.),
dass der Biterolf am Wiener Hofe zwischen 1195 und, wohl
noch zu Lebzeiten Friedrichs I., denn Leopold VI. zeigte sich,
wie bekannt, zu Anfang seiner Regierung, wohl durch den zu
kostspieligen Ilofhalt seines eben verstorbenen Bruders irritirt,
den Dichtern und Sängern nicht allzu gevrogen, also vor 1198
vollendet wurde. Gegen Wilhelm Grimms Vermuthung, dass
Klage und Biterolf von einem Verfasser seien, hat wohl Jänicke
schon entschieden genug polemisirt (DHB. 1, 8 f.); aber es
lässt sich auch zeigen, dass die Klage beträchtlich älter sein
muss als der Biterolf, wenn sie doch, und dafür spricht wieder
vielfache Uebereinstimmung im Einzelnen, genau derselben
Landschaft angehören.
In Biterolf erscheinen zahlreiche Ausdrücke, die in den
Nibelungenliedern vermieden oder selten sind: wigant (überaus
häufig, Nib. nur 942, 4), gotes degen, degenliclie, degenlieit,
getelinc (häufig), ernenden 877, genende 12955; urliuge 3409.
4739; icic 3924, sahs 12269; die ganze Reihe oben (S. 652)
angeführter Wörter: vermezzen, vermezzenliche, vrevel, vrevel-
liche, vri (häufig), vruot; baltlichen 13004. Wörter auf -sam:
genozsam 313. lobesam 2164. genuhtsam 5607. 13336; hierin
stimmt also der Biterolf zu den strengsten höfischen Epen, ebenso
bezüglich derer auf -lin nur kindelin siebenmal und toTiterlin 4204;
häufiger dagegen die sonst gemiedenen auf -beere: erb. dreimal,
freudenb. 6894, lobeb. neunmal, redeb. dreimal. Viele Nominal-
composita, die im Casus obliquus nothwendig zwei Hebungen
ohne dazwischenfallende Senkung tragen müssen (vgl. S. 657), aber
nicht Wörter von altem, sondern mehr realistischem Gepräge:
armgrdz, spertief, louevar 10384, urvar 3531; burewer, einhorn,
ertrich, füstlac, gölten, graf Schaft, herban, jeithof, lipnar, lorzwi,
mareman, ndchhuot, wartman, schiltkneht, veltstrit u. v. a.
Für jeden Nibelungenkenner genügt diese Zusammen
stellung; ich füge nur bei, dass alle diese Worte in den Nibe
lungenliedern unerhört sind, zum grössten Theile ganz aus dem
Stile fallen würden.
Aber auch die Klage hebt sich deutlich genug ab.
Die Klage — nach unseren Litteraturgeschichten ein volks
tümliches Epos von rohen Formen — hat kein einziges Wort
auf -sam; 1 auf -lin nur kindelin viermal; auf -beere: erb. 2115,
redeb. 1. Also gleich dem feinsten und vornehmsten schwä
bischen oder thüringischen Dichter. Nominalcomposita können
wir nicht in so grosser Zahl beibringen als aus dem fünfmal
so langen Biterolf, aber die vorhandenen tragen, zum Theile
wenigstens, einen viel altertümlicheren Charakter: volcdegen,
nitslac, sarwät — sperschaft, mürstein, gruntwall, kriuzstap,
buregräve, amptman, mareman — getelinc, wigant; zornmuotes,
vrech 844. — ougenweide, das angeblich nicht vor Hartmann
Vorkommen soll, Bit. 3260. Kl. 795. 1878 und hochd. Servatius
562, auch bei Reinmar u. zw. datierbar 1195, MSF. 168, 13!
Man sieht bei vielem Gemeinsamen auch vielfache Ver
schiedenheit. Noch entscheidender ist eine Vergleichung des
Metrums. Vergleicht man beide Gedichte in Bezug auf die
Ausfüllung der Senkung — wobei man jedoch die Vorsicht
anwenden muss, die Eigennamen, die fast ausschliesslich in
die Zahl jener oben charakterisirten Nominalcomposita fallen,
1 Der Laurin hat (um die Schwierigkeit solcher Kunstfertigkeit darzuthun!)
in seinen 1200 Versen allerdings nur drei Worte auf -sam, aber die zu
sammen 19 mal! Volksthümliche Ausdrücke, die sich nicht auf Helden
thum und Kampf beziehen, nur fiirgebüege, megetin, mete.
Heinrich v. Veldeke «. d. Genesis der romantischen u. heroischen Epik um 1190. 671
abzurechnen — und auf tonloses e in der Hebung, so ergibt
sich, tabellarisch dargestellt:
Klage 166—215
1089—1138
1265—1316
also iu 300 Kurzzeilen
Senkung ah Eigen
fehlt namen
24 12
19 5
15 1_
58 18
bleiben d
12 1
14 1 (2 ?: süochuwde)
14 3
40 (= 3-33%) 5
Biterolf 1001 — 1100
5109—5208
7675—7774
12 5 7
15 8 7
29 17 12
1
also in 300 Kurzzeilen 56 30 26 (= 2*16 °/ 0 ) 2
Man sieht in Bezug auf Wortschatz und Behandlung
des Metrums ist die Klage alterthümlieher als der
Biterolf; beider.Dichter aberstrebten darnach, der der Klage
mit grösserem Erfolge, den Anforderungen des besten höfischen
Stiles gerecht zu werden.
Ist der Biterolf um 1195 gedichtet, die Klage aber
älter und zudem nach jener Schichte von Nibelungenliedern
gearbeitet, die denen vorausgingen, aus denen sich unser Epos
zusammensetzt (Sitzungsber. LXXXIX. Bd. S. 633 f.), so muss
sie nothwendigerweise, da die Reinheit des Reimes verbietet,
sie viel weiter hinauf zu setzen, spätestens unmittelbar nach
dem Kreuzzuge entstanden sein. 1
Fassen wir demnach in Kürze das Resultat unserer Ab
handlung zusammen, so sehen wir Oberdeutschland in den
letzten Jahren Kaiser Friedrichs I. in voller Gtährung: eine
gewaltige Spannung hat sich der Gemüther bemächtigt; es ist
nothwendig, dass sie sich nach einer bestimmten Richtung entlade.
An den Hof eines kunstsinnigen und freigebigen Fürsten
im mittleren Deutschland ist der Mann gezogen, dem es zuerst
gelungen, eine umfangreiche französische Dichtung in strengen
Reimen, allerdings in seiner rheinischen Mundart, nachzubilden.
1 Die Klage hat unter den Amelungen Ritschart nicht, dessen Name viel
leicht erst in Folge der Haft des Engländers Richard, den man eben
Ritschert nannte, denn txch im Namen Richart, wie ihn noch der Alphart
bietet, ist durchaus nicht österreichisch, in das Epos eingedrungen ist.
Muth, Einltg. i. d. Niblied. S. 332, Note.
672
Muth.
Da wälzt sich die ungeheure Menschenwelle dahin an den
Füssen der Berge durch das Donauthal; die herrlich geputzte,
in allen Genüssen des Lebens verwöhnte, in den strengsten
Formen sich bewegende normannische, auch Theile der pro-
venQalischen Ritterschaft erscheinen in Deutschland; die deut
schen Stämme selbst kommen in engen und dauernden Contact:
sie bewundern die Welschen und ahmen sie nach; Reibungen
und Conflicte aber erwecken ein starkes nationales Gefühl.
Der zumeist beleidigte Fürst, der als Vertreter der natio
nalen Ehre dem Könige von England sich entgegenstellt,
herrscht über die deutsche Landschaft, die das Bild und die
Pracht, die Vortheile und die Lasten des Zuges am deut
lichsten und längsten empfunden.
Im Oriente unter Anspannung aller Kräfte erregt eine
Folge grosser Begebenheiten: ungewöhnliche Schwierigkeiten,
heisse Kämpfe, der Verlust des greisen Fürsten die Gemüther
in noch weit höherem Grade; empfänglich für alle Eindrücke,
ob sie noch so phantastisch wären, in ihrem Gesichtskreise
freier, abenteuerlustig kehren die Pilger heim: eine höchste
Blüthe der Poesie ist die Frucht dieser tiefgehenden Bewegung
und Erregung der Gemüther.
So sehen wir als den Motor der Begebenheiten nicht
einen einzelnen Mann, nicht ein zufälliges Gedicht als Aus
gangspunkt der litterarischen Blüthe, sondern grosse historische
Ereignisse, die für das Leben des Einzelnen, wie für die Ent
wickelung der Gesammtheit maassgebend sind und es ist ein
bestimmter Ausdruck dafür gewonnen, in ganz bestimmter Weise
gesagt und nachweisbar, von wie grosser Bedeutung für die
Entfaltung der deutschen Litteratur der dritte Kreuzzug war:
an ihn knüpft sich die Blüthe der romantischen, und heroi
schen Epik!
Heinrich v. Veldeke u. d. Genesis der romantischen u. heroischen Epik nm 1190. 673
BEILAGE,
Die Wiener Veldeke-Handschrift.
Cod. pal. Nr. 2861 (hist. prof. 534, Hoffmann Nr. XII);
cod. ms. saec. XV; klein Fol., zwei Spalten zu meist je 37 Zeilen;
numerirt 209 Blätter; la bis 95a Veldekes Eneit; die beiden
äusseren und die zwei innersten Blätter jedes Doppelquaternios
sind — in der Regel ganz — mit Bildern rohester Sorte be
deckt ; die Sprache weist nach Schwaben; Blatt 97, 1 a fährt
fort: Das pucli hebt an icie vorn gestift ward und auch von allen
päpsten kaisern und hingen zu vom; schliesst 209, lb mit
Friedrich IV: Amen 1 %78 an fant manfetag vfgeschrieben zu
pfaffenhusfen; der Schreiber heisst Jörg von Elsbach.
Der Text der Eneit ist schlecht conservirt, die Formen
abgeschleift, namentlich Niederdeutsches aus Missverständniss
oft getilgt; Auslassungen im Anfänge selten; von der Grenze
des ersten und zweiten Theiles an wird der Text, der sich
bis dahin, so weit, als dies die Beispiele unten darthun, an
BM lehnt, selbständiger und gibt zwischen circa V. 10800 und
13200 kaum den halben Umfang: im Ganzen circa 2000 Verse
weniger als die Vulgata. Obwohl viele Auslassungen willkürlich
sind und man sieht, der Schreiber strebe vornehmlich nach
Abkürzung der, Hauptbestandtheile der zweiten Hälfte bilden
den, erotischen Gespräche, ist doch erstens der Umstand auf
fallend, dass die erste grosse Lücke gerade an jenem Punkt
fällt, wo Heinrich 1181 seine Arbeit aufgeben, abbrechen
musste und liegt somit die Vermuthung nahe, dass entweder
674
Muth.
eine kürzere Redaction existirt hat oder wenigstens die Ein
richtung der Stammhandschrift, an der die neunjährige Unter
brechung nicht spurlos vorüber gegangen sein kann, Anlass
zu Auslassungen gab, und sind zweitens, während der Schreiber
den ärgsten Ungeschmack und das grösste Ungeschick bei
seinen offenbar willkürlichen Kürzungen zeigt, einzelne hin
wider ■ so wohl angebracht, so einfache und textverbessernde
Emendationen, dass dem Gedanken Raum gegeben werden
muss, dass jene Schreiber, die mit fortschreitender Tendenz
Veldekes Arbeit ins Hochdeutsche umschrieben, auch nach Art
ihrer Zeit und Zunft Zusätze gewagt haben, so dass W mit
unter, wie oben bei 347, 1—13 vermuthet wurde, das Ur
sprüngliche gerettet hat.
Um die Stellung der Handschrift im Diagramm (GH — BM)
klarzumachen, soll hier, bevor Proben aus dem Texte selbst
gegeben werden, eine Vergleichung der von Braune ZfdAlt.
16, 420—436 zusammengestellten, entscheidenden Stellen ge
geben werden.
261, 10-13. W = BM.
312, 38. 39. W = BM.
314, 6. W = H (und Benoit!).
26, 32. W 4, 2a = B.
40, 23 fehlt W 8, lb = BM; zeigt aber möglicherweise
die Ursache des Fehlers in der Stammhandschrift:
troy was val’t grof
dreier tagwaid waid 1 wit
dreier stand also in der Vorlage und der Schreiber irrte bei
dem gleichlautenden Worte tage ab ; vielleicht auch, wie das
Durchstreichen, das fast nie vorkommt, wahrscheinlich macht,
schwer lesbar durch eine Lücke o. dgl.
47, 8. W 11, la = B.
51, 5. 25. W 12, lb = B.
53, 29. W 13, la GH vnd ldagt do jr vngemach. 2
1 waid durchstrichen.
2 cv> drückt ungefähre, nicht wörtliche oder buchstäbliche Uebereinstim-
mung, > völliges Abweichen aus.
Heinrich v. Voldeke a. d. Genesis der romantischen u. heroischen Epik um 1190. 675
55, 29—35. W 13, 2 a
jr sprecht vö de maile
den ich mit äuge ie gefach
fo ich mich verdencken mag
der ift kaine' fo wol getan
er ift ein edler troian
von edlem gefchlechte.
- B
= GH
iv GH > B
72, 18. W 19, la > do fy trcicherte gütig (sic).
94, 5. W 26, la
s
er wz ein grülich vathgnof
fnr wz im auch der mund
vn het ein fchwätz alf ein hüd
fraifchlich wz fein geperd
eneas der werd
vorclit in do er in fach
dz man wol globen mag.
Die Ausdrücke zagel eigislich sind entfernt; den Reim geberde :
werde für gebäre : märe hat der Schreiber gewiss vorgefunden.
Wir sehen hier die Thätigkeit eines jener Zeitgenossen, die
das Gedicht mit aller Gewalt ins Hochdeutsche umgiessen
wollten: warum freilich dabei eislick zu fraislich werden muss,
ist heute nicht mehr klar.
113, 40 (Braune S. 423). W 32, lb Verwirrung im Arche
typus : do er zu troyan dz sand (sic).
123, 37. W 36, la gewönne (v BMG).
124, 28. 29. W 36, lb = BM.
133, 32. W 38, 2b daz plut fliefen began (= GH!).
134, 16. 17. W 39, 1 a = BM (Urverderbniss im Archetypus)
e fy fein red recht
warn fy es hetten getan.
157, 5. W 46, 2a > vf ain hocken stain.
160, 8. W 47, lb = BM.
167, 40. W 49, lb — BM.
177, 8. W 53, la = GHEP der in der grab der was.
184, 24. W 55, la — BM.
Sitzungsber. d. pMl.-hist. CI. XCV. Bd. III. Hft.
44
676
Mutli.
204, 34. W 62, 2a = BM.
205, 19. W 62, 2a, b >
2 a die zwen tegen reiche
2 b gar vermeffenliche
tacten sich ritterliche
helden zwain geliche
fy griffen zu den fehwerteu (29)
der fy beide gerten (28).
Hiezu halte ich W 70, 2b, das ist 240, 11, wo W = GH und
BM dasselbe einschiebt, was hier W, nach seiner Vorlage na
türlich, denn Jörg von Elsbach ist nicht für unnütze Erweite
rungen. Wir sehen, wie sorglos froh die Schreiber Formeln
einschalten, wenn sie ihnen eben zu passen scheinen.
209, 6. 7. W 63, 2b = BM.
212, 3. W 64, 2 a = BM.
216, 30. W 65, 2b zimber min war’u (sic); 29,31 = Ettmüller.
257, 27. W 75, lb = BM.
308, 40. W 79, la = BM.
318, 31. W 83, 2a ~ GH.
320, 16. W 84, la iv GH was zwischen ire mur wz.
340, 24. W 89, 2a > offenlich er fy huste; dürfte die
echte Lesart sein.
Braune ZfdPhil. 4, 262 bespricht die merkwürdige Stelle
144, 35 —145, 12; W 42, 2b = BM; nur die vier Verse weichen
ab, die unmittelbar vorhergehen:
144, 30 er vn als fein hör
hetten felich farwe grif
fy lepten aber ’in kain weif
lenger wen vier jar etc.
Man kann aus diesen Beispielen deutlich sehen, wie W zur
Gruppe BM steht; W stammt von einer besseren, dem Arche
typus näher liegenden Handschrift ab; zwischen dieser Hand
schrift und W aber liegt bereits eine Stufe der Verschlechte
rung. Also schematisch:
Heinrich v. Veldeke u. d. Genesis der romantischen u. heroischen Epik um 1190. 677
E
W
E, E 2 , X, Y, Y 2 , Z sind supponirte Handschriften, die uns
verloren gegangen sind; die Fragmente lassen sich den beiden
Hauptgruppen leicht einreihen; eine Handschrift von beson
derem Alter oder Werthe ist nicht unter ihnen.
Das Epos beginnt in W:
s
Er hapt wol raume dz
k wie der künig meneläs
troye die reichen
besafs gewalticliehen
das er fy zerfüren wolte
durch parifen fehulde etc.
Zur Probe auch eine vollständige Vergleichung einer zu
fällig gewählten Spalte und zwar Ettm. 103, 5 quelen vn nim>
— 7 öbnan — 9 mit schänden fehlt der müfent — 10 wan —
12 ne ] keins — 13 ge]be — 15 = G ge\be — 17 ain ybel —
18 der sorgen dan nit püß — 19 = G enhebet — 20 ican —• 23 tun
25 dem schmertze mit liden | dife habet arwaide — 27 zweites
den fehlt.
Es erübrigt, die hauptsächlichsten Lücken und lücken-
ausfüllenden Zusätze aufzuzählen.
148, 21 —149, 21. W 44, 2a fehlen diese 40 Verse, dafür
sehr unklar:
es fugt keinns toren
jr rolstuck wz famit.
W 71, lb bricht ab mit Vers 267, 24; die nächste Seite
72, la fährt sodann ganz abweichend fort, wie folgt:
44*
m
678
Math.
Do dz alfo wz getan
Do het der edel troyan
die junkfrawen ach gesechen
Da must er verjeehen
5 Dz fy fchöner nit möeht fein
Da mit im dz hertz fein
vö fraide hoch vf gefchwal
vn laid doch grofe quäl
Dz er ir muft enborn
10 Die fein hertz fach gern
Unde die nacht kam
Ir baid’ hertz in minn enpran
Vast gen ainander
Als im für der falamäde’
15 vntz er doch an fein pet kam
» eneas der luftfam
vn er daran lag
keines fchlafes e‘, pflag
vn dr junge küniginne
20 die im in feine finne
fo ftaticliche lag
es wirt mir wile got püs
es nacht do ich vechte müf
mit de konen turnum
25 daz ich gern’ wil tun
vn wil willicliche
vechtem vm dz reiche
vn vm dz schon magetein
ob alle die weit wer mein
30 fo gewun ich nim’ äde' wib
dz ungemach fol mir den lib
fchier krank machen
fol ich vaften vn wachen
wie fol ich mein lebe behalden
35 vor turnü dem balden
alfo lag er die nacht
mit strenge lieb bewacht. 1
Bei Beurtheilung der Stelle wird man gut thun, sich zu erinnern,
dass wir die zerrüttetste Stelle der Hs. vor uns haben, die in
1 Ausdrücke, wie in Y. 16, 28, 35 u. ä. sind doch merkwürdig und lassen
sich unmöglich auf den Schreiber zurückführen. Die Frage ist nur:
stammen sie — nach unserer Bezeichnung — aus Y oder sind da durch
den merkwürdigsten Zufall verstümmelte Trümmer einer vom Autor
schliesslich selbst verworfenen, vielleicht zwischen 1182 und 1190 con-
cipirten Redaction enthalten?
Heinrich v. Veldeke u. d. Genesis der romantischen u. heroischen Epik um 1190 679
der Vorlage schon übel zugerichtet gewesen sein muss. Es
folgt 267, 32 — 268, 2, doch fehlt V. 35. 36; 268, 3—269, 2
fehlt (40 Verse), dafür:
da sprach die maget frey
ich furcht dz es de kum' fey
do mich min müt' troft zu
er ist mir kum.en zu frfi
dz mir unküt vor wz,
es folgt 269, 4 f.
Blatt 76 bricht ab mit dem 9115. Verse (Ettmüller 266, 34)
und es folgt eine Lücke von circa 1200 Versen; erst 300, 9 wird
wieder angeknüpft. Es geht aber von da an lückenhaft, so dass
bis zum Schlüsse noch gewiss mehr als 500 Verse ausfallen.
Es folgen 300, 9 — 301, 10. 301, 11 — 303, 33 fehlt, dafür:
nun wz es iber mitten tag
dz eneas dennaeht lag
vn fein hertz oft erkracht
jn dem er erwacht
vnd wolt trösten feine man
do hief er im geben dan
ein gewäd dz im wol zam;
nun folgt 303, 34 — 304, 12; dann heisst es:
die minn zwäg fy baide
nun merkt wz eneas tü
er rait zu der pug zu;
es folgt 305, 23 u. s. w. So ungefähr ist von da an durch
gehend die Erzählung; erst der Schluss wird wieder treuer.
353, 11. 12, die merkwürdigen Verse lauten:
da wäd ei’ vollgefchriben
anders dan wef de meift s plibe.
353, 39. 354, 1 sind die Namen Friedrich und Heinrich ver
wechselt; 354, 16—19 fehlt, schon V. 20 zeigt, dass wir nur
mit Nachlässigkeit kämpfen. Der eigentliche Schluss, dessen
Echtheit uns im Erec so schön verbürgt ist, ist von V. 31 ab ver
kürzt und ein paar salbungsvolle neue Reime, wie sie Schreibern
und Liebhabern geläufig waren, höchst unnützerWeise beigesetzt:
680 Math. H. v. Veldeke u. d. Genesis d. romantischen n. heroischen Epik um 1190.
354, 31 wan als er daz vand
damit hant dz püch end
Got von vns wend
aller hand mifftat
vud daz vnfer Tel rat
allenthalbe werde
im himel vn vf der erden
dz vns dz allen widerfar
fprechet alle dz werd war.
1
Rzach. Studien zur Technik des nachhomerischen heroischen Verses.
681
Studien zur Technik des nachhomerischen
heroischen Verses.
Von
Alois Rzach.
G. Hermann’s glänzende orphische Untersuchungen lenkten
zuerst die Aufmerksamkeit der Philologen in nachdrücklicher
Weise auf die Technik des griechischen heroischen Verses.
Neben vielem Anderen, das dem Scharfsinn jenes bedeutenden
Mannes sich erschloss, war es die Frage nach den Längungen
kurzer vocalisch-auslautender Silben, welche er zum ersten
Male in umfassender Weise mit Erfolg einer speciellen Er
forschung unterwarf. Die richtige Lösung dieser Probleme ist
darnach angethan, eine Menge falscher Vorstellungen, die in
früherer Zeit gang und gäbe waren, zu beseitigen und neue
Einblicke in das Wesen des heroischen Verses zu gewähren.
Es ist daher natürlich, wenn das Interesse für die von Hermann
aufgeworfenen Fragen nicht erkaltete. Und gerade in unserer
Zeit ist es intensiver denn je geworden. Auch die nachfolgen
den Blätter sollen einen geringen Beitrag zur Untersuchung
der erwähnten Fragen liefern.
Unter den obgenannten vocalisch-auslautenden Silben im
Hexameter nehmen diejenigen, deren Längung durch die Be
schaffenheit des folgenden einfachen consonantischen Anlautes
bedingt ist, die bedeutendste Stellung ein. In den weitaus
meisten Fällen ist diese einfache Consonanz einer der liquiden
Laute (im weiteren Sinne) A p. v oder p. Da gerade diese Art
von Längungen im heroischen Hexameter so bedeutend hervor
tritt, fand sie ganz besonders in jüngster Zeit, speciell, was
das Material in den homerischen Gedichten betrifft, eine neue
überaus gediegene und eingehende Bearbeitung. Ich meine die
vortrefflichen Untersuchungen Hartel’s in seinen Homerischen
682
Rzach.
Studien I, die überaus dankenswerthen Forschungen von Knös
in den Quaestiones de digammo homerico III und das feine
in dieser Fragte abgegebene Urtheil von Curtius in seinem
offenen Briefe an Hartei (Studien IV 471 sqq.) und in den Er
läuterungen zur griechischen Grammatik 3 42 sqq. Wenn die
genannten Gelehrten auch namentlich, was die Art der Ent
stehung solcher Längungen betrifft, in ihren Ansichten aus
einander gehen, so bleibt doch die Thatsache aufrecht, dass
zur Zeit der Blüte des homerischen Gesanges Fälle vorliegen,
wo vor einer einfachen Liquida Längung auslautenden kurzen
Vocals eintritt. Hier konnte der Grund davon nur in dem
folgenden Anlaute liegen, dieser war es, der als tönender Laut
eine vollere Aussprache unter der Beihilfe der Arsis ermög
lichte, so dass thatsächlich eine Art von Doppelung der Liquida
im Zusammenhänge der Rede sich ergab, z. B. evtp.p.£Ydpot<Ji.
Gewiss wird man jedoch auch zugeben müssen, dass in Fällen,
wo ursprünglich eine doppelte Consonanz (z. B. uv in *c-noic)
den Anlaut gebildet hatte, sich in der Längung vor dem be
treffenden Worte eine gewisse Erinnerung an den ursprüng
lichen Lautbestand erhielt. Beide Gruppen flössen aber zu
sammen, und so erscheint in der uns vorliegenden Gestalt der
homerischen Gedichte die flüssige Natur der Dauerlaute als
die Ursache der Längung kurzer vocalischer Silben, die ihnen
in der Arsis vorausgehen. Wie Hartei trefflich nachgewiesen
hat, steht das vorausgehende Wort zumeist in engstem Contact
mit dem folgenden und fliesst daher mit diesem förmlich in
ein Ganzes zusammen, fast ebenso, wie wir das in der That
bei Compositis oder aber bei Verben hinter dem Augmente
erblicken können, wo die Liquiden wesentlich dieselbe Wirk
samkeit im Inlaute zeigen wie sonst im Anlaute (vgl. z. B.
KoXüXXtoroi; und IXXaße).
Die angeführten durch die liquiden Laute hervorgerufenen
Längungen (resp. ihre Doppelung im Inlaute) wurden, mochten
sie nun an Stämmen erscheinen, die ursprünglich doppel-
consonantischen Anlaut besassen, oder aber an solchen mit
einfacher Liquida, so sehr als in der Natur des folgenden An
lautes begründet gefühlt, dass auch die nachhomerischen Dichter
sie beibehielten, ja die Zahl der Fälle auch aus Eigenem ver
mehrten, indem sie, wie Hartei (Hom. Stud. I 2 39) treffend
Studien zur Technik des nachhomerischen heroischen Verses.
683
bemerkt, ,sich aus den homerischen Fällen Regeln abstrahirten,
die nothwendig zu Anwendungen über den Kreis der vorlie
genden Induction hinaus führen mussten*. In welcher Aus
dehnung dies im nachhomerischen Hexameter und Pentameter
geschehen ist und wie sich die späteren Dichter hiezu ver
halten haben, das zu untersuchen bildet Zweck und Ziel der
vorliegenden Arbeit. Da die Längung kurzer Yocale vor Li
quiden im Inlaute (mit anderen Worten: die Doppelung der
Liquida) wesentlich dieselbe Erscheinung repräsentirt wie im
Anlaute, so werden wir auch die diesbezüglichen Fälle in den
Bereich unserer Untersuchung zu ziehen haben, so dass jene
beiden Formen eines und desselben lautlichen Vorganges ein
ander gegenseitig erläutern können.
Auf diese Weise gliedert sich unsere Untersuchung von
selbst in zwei Haupttheile, deren erster die Wirkung der Li
quiden im nachhomerischen Hexameter und Pentameter im
Anlaute, deren zweiter ihre Wirkung im Inlaute behandeln soll.
I.
Unter den nachhomerischen Dichtern, die sich des epischen
oder elegischen Versmasses bedienten, werden wir zwei Gruppen
zu unterscheiden haben: eine archaische, welche die hesiodischen
Dichtungen, die homerischen Hymnen und die Ueberreste der
kyklischen Epiker umfasst, eine Gruppe, die doch theilweise
noch Selbständigkeit und originelles Schaffen aufweist, und
eine jüngere, die späteren Dichter in sich begreifende, die
nur mehr mit dem Materiale des alten Epos arbeitet oder nur
nach daraus gezogenen Normen eigenes Neue hervorbringt.
Speciell in unserer Frage waltet zwischen den beiden Gruppen
ein wesentlicher Unterschied ob. Gerade hier befleissen sie.h
die archaischen Dichter besonderer Mässigung, sie begnügen
sich fast nur mit den aus der homerischen Poesie ihnen über
kommenen Fällen und verwenden ausser geringen Neubildungen
beinahe nur die der alten Sängersprache eigenthümlichen Län
gungen bei bestimmten Wortstämmen. Die jüngeren Dichter
hingegen gehen über diese Grenze hinaus und lassen, freilich
von selbständig abstrahirten Gesetzen geleitet, die sie sich
684
Rzacb.
aus dem homerischen Materiale gebildet, solche Längungen bei
einer weit grösseren Zahl von Stämmen zu. Hiebei treten
namentlich gewisse Dichter in den Vordergrund, wie z. B. Apol-
lonios Rhodios, Quintus Smyrnaeus u. a. Was aber diese
einmal neugeschaffen haben, das gilt ihren Nachfolgern vielfach
ebenso als Kanon wie die homerischen Fälle und so können
wir beobachten, dass von diesen jene Neubildungen nicht minder
recipirt werden wie die alten homerischen Formeln.
Bei Homer ist das flüssige Wesen der Liquida noch
lebendig zu fühlen, wenn es auch nur in einer Reihe von
Stämmen begegnet. Diese Vollkraft der Liquida können wir
aber gleich in der nächsten Periode — in der Zeit der Ent
stehung der hesiodischen Dichtungen und der homerischen
Hymnen — nicht mehr ganz voraussetzen, es sind schon ge
wisse starre Verbindungen und Formeln vorhanden, in denen
sich die Längung vor den Liquiden zeigt, und auch diese
nicht gerade sehr häufig, obwol es doch, worauf Hartei richtig
hinwies, nicht ohne Vortheil und Bequemlichkeit für die be
treffenden Dichter war, sich derlei Längungen zu gestatten
(Hom. Stud. I 2 37’ sq.). Neue Fälle begegnen nur wenige,
meist Eigennamen. Daneben macht sich eine Beschränkung
bemerkbar, die man bei Homer noch nicht, wenigstens in
diesem Masse nicht, wahrnelimen kann. Durch Hartei ist un
zweifelhaft erwiesen, dass Längungen vor liquidem Anlaute
nur in der Arsis stattfinden können. Am zahlreichsten ist dies
(vgl. Knös III 254) der Fall in der II. und IV. Arsis, aber
auch die anderen Hebungen im Verse sind betheiligt: anders
wird die Sache bei den nachhomerischen Epikern; schon bei
Hesiodos beschränkt sich die Längung fast allein auf die II.
oder IV. Arsis, und Nonnos z. B. kennt mit Ausnahme einer
directen Nachahmung in einem dem Homer entnommenen
Hemistichion gar keine andere Längung als nur in der ein
zigen IV. Arsis. Auch der rhythmische Werth der Ausdrücke,
deren auslautende Silbe durch die folgende Liquida gelängt
wird, kommt in der nachhomerischen Poesie in besonderer
Weise in Betracht. Während bei Homer sowol einsilbige
Wörtchen wie ts [j.i-'dizc B 58 als auch pyrrhichische Wort
formen wie evi [J.s.-'dpo'.q 2 435, daneben aber auch Ausdrücke
von der rhythmischen Form — -- (o<pp« 0 285) — — ~
Studien zur Technik des nachhomerischen heroischen Verses.
685
(otcots vscpsa A 305, TptitoSa S 344) — (epSouaa jjiya £pyov
x 92) — w ^ w (e^pacaxo piy’ ivsiap 3 444, 'r\iova p.syccXTjv H 462)
^ w (u<pvjvaca |jtiyav laxo'i io 147) — — ^ (Eucrpstpea vsup^v
0 463), also mannigfaltige Wortarten Vorkommen, wird auch
dies in der späteren Poesie anders: Die Längung wird all-
mälig nur zugelassen bei einsilbigen Wörtchen (fast nur xe oe
ye) und pyrrhichischen, ausnahmsweise (in unveränderlichen
Wörtern) auch bei trochäischen Wortformen. Was sich von
anderen rhythmischen Wortformen findet, sind directe home
rische Reminiscenzen. Bei gewissen Dichtern können wir noch
engere Beschränkung beobachten. So lässt unter den Dichtern
vor Nonnos z. B. Manethon Längung nur bei pyrrhichischen
Präpositionen und in einem Falle beim Wörtchen xi zu; Maxi-
mos gar nur bei der einzigen pyrrhichischen Präposition svi.
Nonnos selbst zeigt die strengste Norm, bei ihm dürfen auch
die einsilbigen Wörtchen nicht mehr in einer Längung er
scheinen. Es hängt dieser Umstand mit dem Verwitterungs-
processe der griechischen Endsilben zusammen, wie wir ihn
aus den von Hilberg in seinem Buche über ,das Princip der
Silbenwägung und die daraus entspringenden Gesetze der End
silben in der griechischen Poesie' und aus den diese Arbeit
vervollständigenden Ergänzungen von Scheindler (in der An
zeige des genannten Buches, Oesterr. Gymnasialzeitschr. 1879,
p. 412 sqq.) kennen lernen.
Wir werden also bei unserer Darstellung Folgendes zu
beachten haben:
1. Die Wortstämme (resp. Wörter) mit liquidem Anlaute,
vor denen Längung eines kurzen Vocales zugelassen wird.
2. Die Stellung der gelängten Silbe im Verse.
3. Den rhythmischen Werth des betreffenden Wortes.
4. Ob in dem jeweiligen Falle eine Reception homerischer
oder anderer Vorlagen erfolgt ist oder aber eine selbständige
neue Bildung vorliegt.
Um ein deutliches Bild von dem thatsächlichen Bestände
geben zu können, werden wir im Folgenden bei der Anführung
sämmtlicher Detailfälle (nach den Schriftstellern geordnet) in
der Weise verfahren, dass zunächst die den homerischen Vor
lagen entnommenen Beispiele nebst diesen selbst dargelegt
werden, dann die von anderen älteren Dichtern überkommenen,
686
Rz ach.
endlich die von jedem Schriftsteller selbst geschaffenen neuen
Gebilde. Auf die von den sich ergebenden Gesetzen abwei
chenden Fälle wird jedesmal besonders hingewiesen werden.
A. Archaische nachhomerische Poesie.
(Hesiodos, Homerische Hymnen, Kyklos.)
Die weitaus meisten Wortstämme, vor denen Längung
vorkommt, zeigen dieselbe auch schon in den homerischen
Gedichten; neue Bildungen begegnen nur sieben, wovon fünf
bei Hesiod (hierunter drei Eigennamen) und je eine in den
homerischen Hymnen und den Kyklikern sich findet. Als wei
tere Norm ergibt sich: Die Längung vor liquidem Anlaute ist
gestattet: 1. bei einsilbigen Wörtchen in der II. und IV., aus
nahmsweise in der HL und V. Hebung; 2. bei pyrrhichischen
Wortformen in der II. und IV. Hebung; 3. in Wörtern anderer
rhythmischer Messung bei Verszwang (und zwar — — —
— ~ w — u. s., im Versanfange auch —) in der II. und
IV. Hebung, dann in der III. Hebung, wenn ein entsprechendes
homerisches Muster vorliegt. Niemals aber darf in derVerssen-
kung eine »Silbe vor folgender Liquida gelängt werden. 1
Hesiodos.
a) Nach homerischen Vorlagen:
X'.yupoc: toi g£v -Jirb Xtyupöv oupi'Yywv Teaav abSijv A. 278 II
Hom. icvoiy) feo Xr/upp N 590 W 215 II
Xiiiapc?: oeÜTepov to Xnuapljv 0ep.iv, vj xsy.ev "Opa? Th.
901 III
Hom. dc-jcb 3e XticapYjv eppnj/e y.aX6iurpr)v X 406 III
Ä-ijyw: ouoe itote X^youGi 9eal oeivoio -/oXoto Th. 221 II
Hom. r t Tot oTe Xvjljetev 0 87 II>
peya?: Setvijv te peyccX'/jv Te irootöy.ed ts ypaTep^v ts Th. 320 II
Hom. y.aXij ts peyctXy) te : 7 II
upei? Se peydh^v te ßirjv y.at -/elpa? aaxro’j? Th. 649 II
Hom. Yjpsi? 8e peydXoio Atö? M 241 II
w? o’ St’ «leb peydXou itÄTpv) irpvjwvo? opouav; A. 437 II
Hom. owprn £iu peydX« K 304 II
1 Die römischen Ziffern hinter den Verszalilen bedeuten die Vershebungen.
Studien zur Technik des nachhomerischen heroischen Verses.
687
[AeYoc^; ev asty.si : am Ss -f/w/MZic ’AOv^vr) A. 455 II
Beim Dichter der Aspis werden wir die Länge
des dativischen t nicht mehr annehmen können.
xavTt p.evei cxsjSwv, Stä Ss [j.iya aapxo? dpacja A. 364 IV
Hom. ot Ss \j,v(6j,a cTsvd/cvTsc c 354 IV
xaiopivr), Xccy.s S’ dp.a! -wupt p-sydA' amsioc, QXr) Th. 694 IV
In xup!, wo das t als Dativausgang die einstige
lange Quantität erhalten haben könnte, werden wir
im Hinblicke auf das homerische dp.©! -jrepl p.^aV ia/_ov
10 III eher eine Nachbildung dieser Stelle mit
Längung vor der Liquida zu sehen haben.
Tpraov supußbjs fsvexo psya?, o<tts 0aXd<xrr)<; Th. 931 IV
Hom. sxsto p-sydhu Spup.aYco) <1> 256 IV
sl'Ssi ts p.sysösc ts' vöov ye p.sv oim? spii^s A. (Eöen-
fragment) 5 II
Hom. s!S6? ts iJ.iysO6? ts B 58 II
|ASY«pov: 'Ixx6ty)v Ss o! u'.bv sv! p,sY«potciv stixtsv Fr. LXXXIII
3 (Goettl.) IV
Hom. Itmtov ev! p-SYdpotst yuvar/.ei; Ü 497 IV
p- a~kay.cc: y'/.atvdv ts p,aXocx.v]V y,a! TepptoevTa yixSyia E. 537 II
Die schlechteren Hdschr. bieten p.sv statt ts. Hom.
als! Ss p.aXav.olGi a 56 II
p.SGoc: aXXov TS0vr)wTa v.axa p,60ov eXxs xooouv A. 158 IV
Homerischer Vers 2 537.
vsupvL hp axo veup-q, aÜTO? S' äxaXifcsTOi aXXv] A. 409 II
Schlechte Variante: axa!. Homerisches Hemisti-
chion iw axb vsupvjs A 476. 664 II
'Psta: 0stav ts 'Peiav ts 0ep.iv ts Mvr)p,oa6vr;v ts Th. 135 II
Hom. ou? tszsto 'Psa 0 187 VI (schlechtere Le
sung ts-as 'Psta)..
'PoSioq: Nsaaov ts 'PoSiov 0’ AXtäy.p.ovd 0’ 'Exraxopov ts Th. 341 II
Hom. Kap^ao? ts 'PoSio; ts M 20 V
pr/6q: y.a! ts 01a ptvoö ßoo; ep'/STat, oüSs pw w/si E. 515 II
Hom. was 8’ axb ptvöv E 308 II
auTWV, ÖTtsa Ss <79: xsp! ptvoTo aaxsiaijs A. 152 IV
Hom. xsp! Ss ptvo! p.ivu0ouaiv p. 46 IV
pr ( ^f ( v(op: '(d'tax' A^iXXija pvji^vopa 0up.oXeovTa Th. 1007 III
Homerischer Vers: xa! jast’ A/iXXija pv;£vjvppa Gup.o-
Xsovt» H 428 III
688
Rza ch.
b) Ohne homerische Vorlage.
Aet/scu;: K'amÜw ts-Aa/sxtv xe v.ai ”Axpotov, «Txe StSoüai Th. 905 II
Darnach auch an einer zweifelsohne interpolirten
Stelle:
KXw0(f> xs Adjrsai v te x,ai ’Axpotov, atfs ßpoxowi Th.
218 II
A; u. 6 c: xe Aijxov xe y.a't ’ÄXfEa SaKpuoevxa Th. 227 II
v6p.oq: spSwv ispa y.akä y.axä vöp.ov Thdcy.r-.ca Th. 417 IV
r P?j er o c: «haafv xe 'Pvjaiv x’, ’A'/eaotov x’ apYupoSlvxjv Th. 340 II
Eine homerische Analogie haben wir (vgl. Hartei
Hom. Stud. I 2 36) in M 20: 'Pyjco? 0’ 'EwraTOp6? xe
Kapyjao? xe 'Poofoc xe und in dem erwähnten hesiodi-
schen Verse Th. 341 Nexcov xs 'PoStov xe II
paStvöe: toggsv üxo paotvotciv äscjsxo • xr ( v o’ ’AfpoSlxrjv Th. 195 II
Bemerkenswerth ist, dass nach La Roche alle
Hdschr. an der homerischen Stelle W 583 II y v spoiv
e“/e paStv-^v (tp.atj0Xy)v) bieten.
Alle fünf neuen Stämme, vor denen Längung stattfindet,
stehen in der Theogonie; dies stimmt vortrefflich zu den son
stigen Alterthümlichkeiten dieses Gedichtes. Ein Hinausgreifen
über das Hergebrachte ist also im Ganzen bei der hesiodischen
Poesie nicht wahrzunehmen. In den genannten fünf Fällen,
von denen auch noch die Mehrzahl Eigennamen repräsentirt,
lässt sich mit Hartei (Hom. Stud. I 2 38) recht wol Nach
ahmung resp. Festhalten älterer uns nicht mehr erhaltener
Muster erblicken.
Bei drei Stämmen (paStvo? py^-jvtop und ptvö?) ist streng ge
nommen ein doppeltconsonantischer Anlaut zu statuiren, indem
der ursprüngliche Anfangsconsonant F gewiss noch lebendig war.
Die zwei einzigen Fälle, welche Längung in der III. Arsis
aufweisen, entbehren homerischer Vorbilder nicht, ja der eine
davon 'AyßJ^a pyj^vop« Th. 1007 gehört geradezu einem aus
Homer entnommenen Verse an.
Nicht unerwähnt mag bleiben, dass die Erga in entschie
denem Gegensätze zur Theogonie fast gar keine Längungen
vor Liquiden enthalten — im Ganzen bei 828 Versen zwei
(E. 515. 537) —, wogegen wir in der Theogonie in 1022 Versen
vierzehn Fälle zählen.
Studien zur Technik des nachhomeriBchen heroischen Verses.
689
Homerische Hymnen,
a) Nach homerischen Vorlagen:
Xtyüi;: Ooißou ’AxöXXwvoc ■ xä/a Ss Xiyeug xtGapti'w III 425 IV
Hom. y.Xatov cs Xiyeuc y. 201 II
p-iyceq: wp-oos de [j.iyccv opxov, 8 8vj tst£Xso|asvo? iari'v IV 26 II
Hom. Gup.o? 8s satt B 196 II und Im Ss
p.syav opxov I 132 IV
izpoq os to8s p.lya Gaupia, ooo v.Xeoq outot oXsftat I 156 II
Hom. vuv os toSs p.i-f aptarov B 274 II
XaGpa tfCKbr/ yovswv • toT? 8s [J.eya Gaup.’ ETSTuy.TO V 240 IV
Hom. to Ss y.siTai asGXov X 163 IV
aXXd p.aXa p,e y^Xy] ts iSslv y.a: sTSop äyiqt^ II 20 II
Hom. dXXa p.äXa p.eyäX-/} /pstä K 172 II
^aTps<psa, p.sYaXv)v, Tlpa? dyptov, v) y.ay.d xoXXä II 124 II
Hom. suqjuda p.eyäXij'j <I> 243 II
siSo? ts p.lysGo? ts y.at stp,aTa tuy«XosvTa IV 85 II
Homerisches Hemistichion z. B. B 58.
[As^apov: auTOV 8’ aöT’ äTtTaXXsv svi p.SYccpoiotv syouoa IV 231 IV
xaiSa ipi'Xov, tov asXxTov svi p-sydpoioiv stixts V 252 IV
tvjX6y^o; Ss oi uto? svi (ASYdpw sux^y-Tto V 164 IV
Homerisches Hemistichion I 144.
xiXva; svGa Y^vaccs? avä p.EYapa cxioevTa V 115 IV
Homerisches Hemistichion a 365.
p.aXay.6?: atppto svi p.aXax.w • ttjv 8e y w puod[Axuy.£i; 'Opa: VI 5 II
Hom. süvvj svi ;j.aXay.-p z. B. I 618 II
Xstjxtovi p.aXaxw • p-siSvjcs Ss yaT uxsvspGsv I 118 II
Die Länge des t wird natürlich nicht mehr auf
Rechnung der ursprünglichen Quantität des dati-
vischen t zu setzen sein.
vupifY): xoXXai 8s vtip.ipai y.ai xapQsvot äXipsoi'ßotai IV 119 II
Hom. topcav 8s vip^ai t 154 II
vsoo<;: od: p,STa vsqpsscrot Goto? xpYieuouja xeXsuGov IV 67 II
Hom. 8411 8’ 6x0 vsoswv W 874 II, vgl. xard
vscplsocrt P 594 IV
'Ps {vj: p^TYjp ts 'Ps(y] • Zebq 8’ dtpGiTa p/ijSsa siSw; IV 43 II
Senat aptoTat eaoi Aidw] ts 'Psiy) ts I 93 V
Hom. 0 187 VI Hesiod Th. 135 II
690
Rzach.
pr)Y|Ji(v: v - a ' 1 ßw^-öv itonjoax’ £7ci prjypiivt 0aX«oav)i; II 312 IV
sz §s zai aöxol ßalvov eicl py)Yp.Tvi 0aXciaair]<; II 327 IV
zai ßojp.'ov to(yjaav etci pYJYjjuvi GaXotaav)? II 330 IV
Homerisches Hemistichion z. B. A 437 IV
p^cffüK zaXa zai üdn ßißä? • oi §s pijcGovxs? sxrovxo II 338 IV
So M, die übrige Ueberlieferung xprixovxEc. Hom.
xoi §s pvjaoovxEi; äp.apx^ 2 57 IV
psi^ü): ispä xe ps^ouat zai ay^EXEOucri Gspucxap II 213 II
Hom. ispa xe ps^ouci s 102 II
piov: t] zai Irci piov (Lasv avai; EzctepYO? ’AxbXXiov II 204 II
ijvOrja' (!)<; oxs xi piov oüpso? ävÖEciv üXyjc I 139 III
Die Hdschr. xe piov. Hom. xspt piov OuXup.xoio 0 25IV
Es ist der einzige Fall, wo ein einsilbiges Wort in
der III. Arsis in der älteren nachhomerischen Poesie
gelängt wird.
pii^a: xoö zai dixo pii'yj? Ezaxov zäpa sijEXEipuzsi V 12 II
Hom. s~i Se pibav ßciXs Txizpvjv A 846 IV
pix:^: thoißou u%b piftij?' p.sya yotp oeo? eiaev szaoxov II 269 II
Hom. Xao; Cntb pwnj? M 462 II
poSÖTXYixu?: ’Hw xe poSöxxyj^uv, swrXozapibv xe E&fojvrjv XXXI 6 II
Hom. eXexo pooooazxuXoc ’Hwc e 121 IV
p wixij i ov: <poixa S’ Ev0a zai sv0a Sia pox’iji® ixuzva XIX 8 IV
Homerisches Hemistichion W 122 IV
b) Ohne homerisches Vorbild:
p.spo?: uXvjzxpcp EixEipijxi^s zaxa \J.epoq • y] §’ uro y v sip6; III 53.
419. 501 IV (dreimal derselbe Vers).
Zweifelhaft ist
v-rj6?: supE §’ evi vyj£> A^p.^xspa zuavoTxsixXov V 319 II
So hat Ruhnken statt der von M gebotenen Ueber
lieferung Eups S’ ev vvjoi conjicirt. Da jedoch auch
eupsv 8’ sv v*)£> geschrieben werden kann (vgl. auch
Hartei Hom. Stud. I 2 36), so muss dieser Fall ausser
Betracht bleiben.
Im Ganzen findet sich demnach in den homerischen Hymnen
nur ein verbürgter neuer Fall in der Formel zaxa [i.ipoq, die
wol einem uns nicht mehr vorliegenden älteren epischen Stücke
entnommen sein kann. Die Wörter pvpfpiv pvjaaw ps^to piov p'.ux
pocö-iy/u- hatten Digammaanlaut, gehören also nur bedingt
Studien zur Technik dos nachhomerischen heroischen Verses.
691
hieher, vgl. Flach, das nachhesiod. Digamma in Bezzenbergers
Beitr. II 29, 33, 34.
Fragmente der Kykliker,
a) Homerisch.
aXvjxwp: ■qBk MsvsGOrjt gEyaXijTopt itotgsvi Xawv Iliu Persis
Fr. III 2 (Kinkel) III
Hom. ’OSuaa^i p.EYaXijTopt s 233 III; für Homer
liegt in diesem Falle der Grund der Länge
des 1 in der ursprünglichen Quantität dieses
Dativausganges, während der Verfasser der
kyklischen Iliu Persis die Längung offenbar
als durch die Liquida veranlasst ansah.
b) Ohne unmittelbares homerisches Vorbild.
pitogai: ec; 0X1700 ocaßa? zpocpopw xoSi', o<pp’ ol foia
TEtvop-eva puoi-io x,ai euctOevei; S1005 Iliu Pers. Fr.
IV 2 II
Luzac conjicirte unnöthig teivo|as'vm : bei Homer
haben wir wenigstens Doppelung der Liquida hinter
dem Augmente: yänaa 0' spptoaavTo X F 367 II.
B. Jüngere Poesie.
I. Mit Ausschluss der nonnischen Schule.
Diese Periode charakterisirt sich dadurch, dass die Dichter
sich nicht mehr damit begnügen, die aus der archaischen Poesie
überkommenen Fälle von Längungen vor Liquiden zu reci-
piren, vielmehr greifen sie weiter aus und gestatten sich eine
Reihe neuer Fälle, wobei jedoch allerdings zunächst von dem
bereits Vorgefundenen Materiale der Ausgangspunkt genommen
wird. Die nach diesen Mustern neu gewonnenen Schöpfungen
übernehmen dann wieder die jüngeren Dichter, meist ohne es
zu verabsäumen auch ihr eigenes Scherflein beizutragen. Trotz
der Neuerungen aber kommen Längungen vor Liquiden keines
wegs etwa gesetz- und regellos zum Vorschein. Es lässt sich
vielmehr auch in dieser Periode ein klares Gesetz formuliren:
Längung vor liquidem Anlaute erfolgt nur in der II.
und IV., seltener I. und V. Vershebung und zwar: 1. bei
Sitzungsber. d. phil.-hist. CI. XCV. Bd. III. Hft. 45
692
Rzach.
einsilbigen Wörtchen (zumeist 5e und te); 2. bei pyrrhichischen
und, im Falle es unveränderliche Wörter (Conjunctionen u. dgl.)
sind, auch bei trochäischen Wortformen; 8. auch bei anderen
längeren Wörtern, wenn Verszwang vorhanden ist (bei Wörtern von
der Messung — — —, — ~ ~ u. dgl., dann —- — im Versanfang). 1
Die Von dieser Norm abweichenden Fälle werden sich
entweder als bestimmte Reminiscenzen an Homer oder als
durch den Unverstand der Verfasser verschuldete Misbildungen
oder endlich als schlechte Ueberlieferung darstellen. Bei all’
den Dichtern, die nicht eigens genannt werden, finden sich
überhaupt keinerlei hieher gehörige Fälle von Längungen vor.
Solon.
Homerisch:
p-syon;: tt) os TETapvr] tox? ti? ev sßoopaSi psy’ äpiazog Fr. XXVII
' 7 V B. '
Nach der richtigen Ueberlieferung bei Clemens
Alex. Str. VI 814. Bei Homer lesen wir ein Wort
von derselben rhythmischen Messung mit Längung
in derselben Arsis S 444 e<ppda<ruo p2y’ ovsiap.
Theognis.
Bergk schreibt V. 660:
0sol ydp t s v e p s c <5 cf, oioiv ettegti tsXo.? nach AO. Allein der
Umstand, dass die Elegiker sich sonst (mit Ausnahme des
erwähnten aus Homer erklärlichen Beispiels bei Solon) dieser
Längungen enthielten und speciell für diesen Fall kein Vor
bild in der archaischen Poesie vorliegt, muss Vorsicht gebieten.
Wir werden uns daher dem Vorschläge Hermann’s ,yap toi'
anschliessen müssen.
Empedokles.
a) Homerische Fälle.
p sXo c: aüxdp sirsi psya veao? 2vi peXeeccfiv eOpecpOy) — Ilepi <E>6o.
177 IV
Hom. am psXswv H 131 II au0i Sia peXetcrn a 339 IV
pr ( yp t v: TiXd^exat av3r/’ &wtora wspt pvjyplvt ßtoio — ELpt <E>6c;. 186 IV
Hom. tmpa py)ypTvi 0aXaaor]c B 773 IV
1 Vgl. Hilberg, Silbenwägung, 6. Gesetz, p. 38 sq.
Studien zur Technik des nachhomerischen heroischen Verses.
693
p. a % a p :
VUTO»
b) Ohne homerisches Muster,
tpk |J.ev pupta? üp<xq an'o p.ay.dpwv dXaXvjaO« — Ilspt <3>6c.
6 IV
Früher schrieb man gegen die hdschr. Ueber-
lieferung Smcd. Mullach stellte d-c wieder her.
oii p.sv airo v(1)toto S6o y.Xdoot dJawwai — IIsp! d>üc;. 393 II
So ist überliefert bei Hippolyt, aipsc. sXsyx- P- 248,
wogegen Tzetzes Chiliad. XIII 79 corrupt ou piv
feat vt[)Tü)v bietet. Es ist wol nicht zu gewagt,
daran zu denken, dass Empedokles nach der äusser-
lichen Analogie des homerischen yjXOe o’ i~i vj-oc Zy/.a
p. 427 II auch ein axb vtiroio für berechtigt ansah.
Timon von Phlius.
An Homer lehnt sich wenigstens an:
ptTcrw: iv. 8e pu-ra piiiTaezev dicXnjirroi'vous t 1 dpuudva? 64 II
Hom. 8iappwrtaax,sv okjtov % 575 IV zeigt wenigstens
die Liquida im Inlaute gedoppelt; für die II. Arsis:
Tpotei; erceppiijiav e 310.
Kleanthes.
Homerisch:
TtXr,v öiiöaa pe^oim y.ay.oi casrspyjciv dvoiai? Hymn. auf
Zeus 17 II
Hom. oggc pe^sczov ’A/aco! / 46 IV (Upd -cs pe£ouai
s 102 II).
Asios von Samos.
Homerisch:
p.eY<xpov: Ai’ou evl pe^äpot? vey.ev sueibri? MeXaviron] Fr. H in
II. Arsis.
Hom. y.etTai evi p.sYapoi? 2 435 II u. s.
Peisandros.
Homerisch:
pr,Yp.£v: -oki Ospp.a Xoevpd xapd pvjYPuvi OaXdcar)? Herakl. Fr.
VII 2 IV
Homerisches Hemistichion B 773 o 449 IV
45*
694
Rz acli.
Antimachos.
Homerisch:
\x s y a p c v: otctv svi [J.s-pdpo'.q xehat ixshioq miKrßiq Theb. Fr.
XIX 3 II
Hom. 2 435 II u. s.
pooq: "ASp'/jaxoi; miap.oto zapä poov Atcn^oio Theb. Fr. XLIII 3 IV
Hom. mph. poov ’Qy.savoTo II 151 IV
io pa: io pä ot ä'f/jAe%kq y.pejjt,aTO • (wol y,psp.aTai) Tuepl waaaaXov
aU( Ine. sed. Fr. LXVI. I
Hom. to pa tot’ sy. yjrjXoio Xaßdiv II 228 I
Archestratos.
Ohne directes altes Muster:
paivw: o^6£ te paivoyxs? eypu y.ai ccXepi'ou äXp,v)(; Fr. XLII 1411
(Bussern.).
Im alten Epos ist dieser Fall nicht belegt, denn
die homerische Stelle A 282 ä'<ppscv Ss oiv^Oea, patvovio
8e, wo ea Synizese bildet, ist ohne Belang. Ganz
entfallt
ayy.wot Xr)?0sv0’ Sspol?' x.av -rij Tcspiy-XuaTw Fr. XLVII4,
denn hier muss v ephelk. eintreten, weshalb Busse-
maker’s Schreibung die richtige ist, vgl. Hilberg,
Princip der Silbenwägung 48.
Theokritos. 1
a) Nach homerischen Mustern.
veyoq: eq iplq utuo vsipswv p.£ya? «lerb? txiaioq opvi? Id. XVII
72 II
Hom. 8’ um vs<p£iov e?Se W 874 II Der Cod.
Ambros. (222, Ziegler k) hat ait6, Vatic. (915,
Ziegler m) ötcö.
vt£ü>: ^ üSav: v££eiv OoXepav Siaeiäei nX£v0ov Id. XVI 62 II
Hom. aXX’ üSati v^ovts? goto ßporöv atpaxoEVTa H
425 II, wo für die homerische Zeit natürlich das
dativische t lang ist; doch gibt es auch sonst eine
1 Zählung nach Ahrena.
Studien zur Technik des nachhomerischen heroischen Verses.
695
Längung' bei Homer: auioc 8’ t8pü xoXXov äxsv^ovio
0aXctaap K 572 IV
pe?ü>: rpoi oys psijat Tt XtXatäp.svo? ixsycc epyov Id. XX 118 II
Hom. oute Ttva ps^xg 3 690 II
pöSov: Tav p,av Hixpi? Sjrei, Tav 8’ o pooixa/ui; ’ASwvk; Id. XV
128 IV
Hom. eXeto pooocäy.TUAoc ’ITwc s 121 IV, vgl. Hom.
Hymn. ’Hö te poScxrp/uv XXXI 6 II
•i;paTO 8’ oij |j.dXotc ouSe poSw ou8e xtxivvot; Id. XI 10 IV
Ueber die trocbäische Wortform ou8s in der Län
gung vgl. Hilberg, Silbenwägung 82.
Ta pooa Ta opocösvTa y.a't a v.xxämv.xoq iy.Eiva Epigr. III
Längungen in I. Arsis sind ausser dem schon
erwähnten to pa beim Artikel und Interrogativpro
nomen nur selten angewendet worden, fast nur von
den Bukolikern und Epigrammatikern, so to poxaXov
Rhianos Anth. Pal. VI 34. 1. I ti pe^Etq Incert.
Id. VII 47.
p a 8 t v 6 q: svt! oapvat tyjveI , I v t 1 p a o t v a i zuxdpiooot Id. XI
45 IV ‘
Hom. /sparv sys. paStvvjv (nach allen Hdschr.) W
583 II, vgl. Hesiod. Th. 195 xoooiv uxo paStvolaiv.
Die trochäische Wortform evt(, die eine Abweichung
von der Regel repräsentirt, erklärt sich, wie Hil
berg, Silbenwägung 90 erkannt hat, hier aus der
Anaphora und der Analogie mit den Verbalformen
auf v ephelkystikon.
b) Ohne homerisches Muster.
Xaytüv: Ss^iTEpvji; ^ve^xEV ixt Xa-pova? xXau) -putov Id. XX 121 IV
Es liegt nahe anzunehmen, dass Theokrit die
Längungen vor Xcpuq bei Homer zum nächsten äusseren
Anlass nahm, sich diesen neuen Pall zu gestatten.
Vgl. uxo Aavövac Inc. Idyll. IX 246 IV.
Moschos.
Ohne älteres Vorbild:
Acip.üv: äv0o8oy.ov TaXapov ■ xot! 8e \si p. öva? eßatvov Id. I
34 IV
696
Rzach.
Incertorum Idyllia (Ahrens).
a) Nach Homer.
X t y 6 c: TM~.rj.-c/.'. ■/XaXfiUGO. p.aXa \<.yh izivna pvfctjp Id. VIII (Mosch.
IV) 24 IV
Hom. xXaTe jj,äXa Xcpstoq <p 56 II
Xtc: ateap fcet tov /öipov, 301 Xt<; yjsv, Ty.avov Id. IX 211 IV
(Theokr. XXV).
Hom. brzpoTak'l6\).z')oq is klc ■rpjye-iv.o: P 109 IV
|j.sXoc: 0vjpb<; isOvstötoc ofcb pteXewv Ipucat'fMjv Id. IX 273 IV
(Theokr. XXV).
Hom. Oup.ov fco p.sXsü)v II 131 II aOOt cta pisXetsTt
o 339 IV
v s u p vj:
pöoc:
pe^u;
p 6 8 o v:
w> 8’ eyfo aXXov otc-vbv aicb vsup-^t; irpotaXXcv Id. IX 235 IV
(Theokr. XXV).
Hom. tu fco veupv): A 476 II •q pa y.at aXXov otorov
«TO veup%tv taXXsv 0 300 IV
at 3’ tepbv Oeioio xapa poov ’AXtpstow Id. IX 10 IV
Hom. TOtpa pöov ’Qy.savcTo X 21 IV
-t pfcetc camp’cr/.e; v. o’ evSoGsv atiao ptacßv; Id. VII 47 I
(Theokr. XXVII).
Hom. 20t ps^ouj Ey.aiGjjtßac 4' 206 IV. Bezüglich
der Stellung des v. in I. Arsis vgl. oben -ca pöoa
Theokr. Epigr. I 1.
ä ataouXtc rcv.y.z SCT, obos poSov auov oXet-at Id. VII 9 IV
Conjectur von Ahrens für fcrt -/.at ob; das tro-
chäische obSs wie Theokr. XI 10 IV oboe poow, vgl.
dort das homerische Muster.
b) Ohne homerisches Vorbild.
Xäac: icb; p.lv eye 'ky.ee evt fco yßoycz, ocoov äetpwv Id. IX 73 II
Hermann verglich (Orph. 699) nicht unpassend
das homerische y.Xats o’ eye Xtysw; X 391 II; vgl.
auch r.eee 3e Xt0oq stow M 459.
Xa y(1) v : «avto0ev eD.rßbr.oc bxb ky.yc')yz ~e 7.at t£uv Id. IX 246 IV
Vgl. Theokr. Id. XX 121 IV fct Xa T ova ? .
Xiotoc: ab-ob s-i Xaototo y.ap-/,azoq dyptEXatov Id. IX 257 II
Hermann stellte in Parallele ßiqXw fct XiOem W
202 II (Orph. 701).
Studien zur Technik des inichliomerischen heroischen Verses.
697
,
peOo?: <jw£sx’ ex't peGiecat; v. p.oi x6sov rjvlrjaxi Id. VIII 3 II
(Mosch. IV).'
Aratos.
a) Homerische Fälle.
p. e"(ocq: f t 3t86p.7] I£wae otd p.e-pav oüpavov ipi<; Phaen. 940 IV
Hom. o'.y. |j.£vaOup.ov ’AOi^vtjv 0 520 IV
vifoc: y ivo I j ^ vou ttaxoxta0e xep: veosa oy.oxeeoOa! Phaen. 852 IV
Hom. xoxt vEosa mttievxa 0 374 IV
opa: cüp.d xs xal y.soaXvjv, y.at 0Y)ptov, 3 p’ evl ysip! Phaen. 662 V
Hom. o p’ ’A-ffXaop dxoxpoery.c /ap.ä'A •/ 327 H.
Nicht in denselben Wörtern, aber doch in solchen, die von
demselben Stamme gebildet sin'd, liegen die Muster bei Homer
vor in folgenden Fällen:
Xopr/,: Taipw cupypoplovxat, oxs Xoor/3 xs y.a't oupv} Phaen. 719 IV
Hom. yaXv.ov xe toi X6tpov Z 469 IV
Xi8a§: Saxvwaiv xuy.tvfltn y.sXeuop.eva XtSdxeaatv Phaen. 1112 V
Hermann Orph. 703 coojicirte -y.eXeuop.cVO! ohne
Noth, vielmehr schwebte dem Aratos offenbar vor
das homerische: xece 31 XiOoo s'orw M 459 V
b) Ohne homerisches Muster.
p.Evw: oü p,lv äSrtft, öXi’yov 31 SuwSsy.dBa p.evet äXXr f v Phaen. 703 V
Doch ist dieser Fall nicht ganz sicher, da als
Variante 3uwosy.d3’ ap,p.evei überliefert ist, was Koechly
in den Text setzte.
pa-/ v !<;: ouve! p.lv Sxlpavoc, ouvei 31 y.axa pa/tv ’I/Gjc Phaen. 572 V
Vielleicht lag dem Dichter ein uns nicht mehr
erhaltenes älteres Vorbild vor.
Kallimachos.
a) Homerische Fälle.
X! x a p 6 c: vifcw evt Aixapv] (Aixapr, vsov, äXXä xcx’ l'ay.ev
oüvop.d oi MeXt-j-ouvic) Hymn. III 47 II
Der Schob zu Apoll. Rhod. T 41 überliefert
fälsch vvjou ev Aixap-jj; vgl. Hom. fijpdi; xs Xixapov
x 368 II Y'f,pa! uxo Xtxapw X 136 II
698
Rzacli.
\j, taöpov 3t’ ex Blopoto p.aXa [.i.eycr.v vj ots y'hoWrf) Hymn.
III 150 IV ‘
Hom. sTBog Be co: jxaXa p.s-'ag vjv opäaoOai o 4 IV
axjxovog if/fiaoenoz ext jxey« xouXij t’ ar)p.a Hymn. III
55 IV ’
Hdschr. ist theilweise überliefert eitel, was schon
Bentley emendirte; Hom. SO’ ext p.E^a ßctXXeTo xoixg
t 58 IV
äptßoXaBtg TETUxövTsg ext iJ-eya po/ö^oetav Hymn. III 61 IV
Die richtige Lesung von Stephanus und Bentley
hergestellt, aus Homer vgl. ausser der angeführten
Stelle: sxt [lifon opxov op.oup.at A 233 IV
Noto$: vjXÖs o’ ext Noxog wxijg afp-Evat Fr. anon. 347 II
Schneider schreibt dies Fragment ,dubitanter
dem Kallimachos zu; der erste Verstheil ist home
risch : vjXOe o’ sxi Noxog 5>y.x p. 427 II
poog: xovouSi'y) goßsovro x a t a poov, vjvTtva TExp.ot Hymn. IV 159 IV
Hom. ati 3’ äpspsv p.Eya xup,a -/.a-x poov e 461 IV
e^eto o’ ’lvwxoto xapa poov, ovts ßäOwxov Hymn. IV 206 IV
Hom. ßooxopivv] Xstpövt xapa poov ’Qxsavoto II 151 IV
Bitiocaag 3’ ä'oaxöv ti xoti poov tjXuOe xpetvag Hymn. V 77 IV
Hom. ßeßpu^ev pi-ju xüp.a xoti poov P 264 IV
Unrichtig ist in der überlieferten Fassung der
Vers
aüw.a oi'g-gxo poov uBaxog, w xs toxoio Hymn. I 16 III,
wo also eine Längung in der III. Arsis möglich
sein sollte. Dieser Vers stimmt nicht mit Hilberg’s
sechstem Gesetze, daher er p. 92 aÜTtx’ eBilvjto schrieb.
Da der Vers aber auch gegen das Gesetz der Längung
vor Liquiden verstösst, so muss er noch weiters
geändert werden. Ich vermuthe
üBarog aÜTtx’ eSi^ijto poov, w y.s toxoio; damit stimmt auch
der Umstand, dass bei Homer überhaupt nur in der
IV. Arsis eine Längung vor pcog Platz greift, vgl.
Knös de dig. hom. quaest. III 306.
pE^w: ispd te p e 3 o u o t tö 3s orscog vjp.axt y.etv« Hymn. III 200 II
Hom. Hemistichion ispa te ps^ouoi s 102 II, vgl.
Hom. Hymn. II 213 Ispct te psgouot II
Studien zur Technik des nachkomerischen heroischen Verses.
699
'.kt.:
p o B o v:
te:yecc p.ev y.ai \äzq üxo pixyj? y.s xecrotEv Hymn. IV 25 IV
So schreibt Meineke nach Brunck und Blomfield,
Schneider dagegen £mal nach den Hdschr. Allein
die Schreibung uxat hat sich offenbar nur nach den
Schwankungen in den Homerhandschriften, wo bald
mo bald 6xa: begegnet, eingeschlichen. La Roche
Hom. Unters. 62 und Knös de dig. III 303 erkannten
richtig, dass die Form uxa£ entschieden nur der
auffälligen Längung wegen eingesetzt ward. Wir
werden daher, da bei Homer directe Vorbilder exi-
stiren, hier gegen die Hdschr. üxö schreiben, vgl.
Hom. aSoc uxo pixrj? M 462 0 192 II
to xptTov iQviy.’ extve • xa os pöoa fuXAoßöXeima Epigr.
XLIV 3 IV (Schneid.) = Anth. Pal. XII 134
Hom. s 121 IV Theokr. Id. XI 10 IV
paß oo?: y.ai t'ov ex: potßSw p.üOov £>^atv6p.svov Fr. 138. 1 II
Hom. eD%sTo Be päßBov Q 343 II
Nicht unmittelbare Vorlagen, aber doch Analo
gien bietet Homer für folgende Wörter:
v oeütv]?: piooov ex: vaürat? Fr. 515 (II?)
So muss wol dies nur aus drei Worten beste
hende und daher schwer zu beurtheilende Fragment
aus dem im Schol. zu II. 0 628 im Victorianus
erhaltenen p-scov ex: vauxat? hergestellt werden, vgl.
Schneider Callimach. II 666. Homer bietet wenig
stens von demselben Wortstamme •!) y.ev svi v^soc:
N 742 II
patcTijp: ’euö’ ot ye patOTijpa? aetpap.svo: öxsp wp.wv Hymn. III
59 II
Bei Homer haben wir wenigstens Doppelung der
Liquida im Inlaute zT^p.aT’ axoppaiast a 404 II
b) Ohne homerisches Muster.
Ao^u: Oüxtc ts Aoijw te y.ai suaiwv 'Ey.aspY'O Hymn. IV 292 II
Entweder selbst eine alte von Kallimachos über
nommene Sängerformel, oder aber solchen nach
gebildet, vgl. Hesiod. A-^övjv te Atpiv te, KawOü te
Axysoiv te.
700
Rzach.
Apollonios Rhodios.
a) Nach homerischen Mustern:
kaxapv;: oöia BtavTtäSao xaia Xaxctpvjv TaXaoto B 111 IV
Hom. cuTa y.a-ta Xomdprft Z 64 II u. s.
Xtap6c: outoi ts Xtapototv eipatopuvavTO XosTpotc T 300 II
Oil) 8s Xtapolotv e<p’ 58a« IlapOsvt'oto T 876 II
Hom. uSari "s Xtapöi» w 45 II
X t x a o c c: XoEa xa p ä Xtxapvjv u/o\j.vrq 07)elTo /.aXöxTpvjv F 445 II
Hom. xoc« 3’ fco Xtxapojictv K 22 II, wo Ven. A
fco hat, Var. fcat.
Xöipoc: Sstvbv Xotp.TOp.svai;, sxi cs Xotpoc scoetovTO B 1070 IV
Hom. Tapßv^oa; yaXy.cv ts tos Xooov txxtoyafcnrjv Z 469 IV
Xtva: spp.sXswc, ’Opo^oc üx'o Xt'va (poppl^ovTO? A 1159 IV
Die lidschr. Ueberlieferung bietet zwar fcat (so
L und Gr), aber mit Rücksicht auf die in den Hdschr.
(namentlich bei Homer) oft vorkommende Verwechs
lung zwischen fco und fcat, weiter auf die besondere
Vorliebe des Apollonios für solche Längungen, deren
er sich zahlreiche auch ohne alle alten Muster ge
stattet, endlich im Hinblicke auf die homerischen
Längungen vor X’.-pjc, werden wir berechtigt sein,
auch gegen L und G fco Xtya zu schreiben, vgl.
Hom. w; 3’ ot’ fco Xtvswv ävsp.wv N 334 n
p. sv a ;: er; pa töts p.svav tofov svsorf/tjavro p.scr6op.r) A 563 II
Hom. vüv os töos p.sv’ aptarov B 274 II und oi 3’,
&c ts p-eya 7.up.a 0 381 II
ay0opevif]v o£cic, ou 3s p-s^a Tr ( Xs0öü>sav A 1191 IV
Hom. ot 8s ptsya y.uS wamse <!> 519 IV
xavos; op.öj; • Sstvbv 7ap sxi p-sy«? sßpaysv a?6v^p A 642 IV
Hom. ex: p.G/av opy.ov op.oup.at A 233 IV
■q y.at avatsaoat sx: p. s y a 3tSp.a vsovto T 36 IV
Hom. 30’ sxi p.sya ßotXXsTO y.üao t 58 IV
ap.sp8aXs'ov ■ xavrr) 3s xspi p. 07 a; sßpspev alOqp B 567 IV
0VY)roTotv • xävTv; 3s xspi p.eya xsxTarai spzoc A 1036 IV
Hom. ap.ot xspi psvaX’ i'ayov <1> 10 III
pttcOov astpcpsvot TptxoSa p.57av ’AxsXXwvoe A 528 IV
y.sy.XsT’ ’AxoXXwvo; TptxoSa psyav s-/.to0i V7;o; A 1548 IV
Studien zur Technik des nachliomerischen heroischen Verses.
701
j/.sY a ? : TptTcov <Stv0e[Aevog xpixoo« ptEYav, sfeaxo Xt'p.vi)v A 1589 IV
Hom. dp.si xupi cxrjoat xptxoSa S 344 IV,
wiederkehrend X 443, V 40 und 0 434, wozu noch v 13
hinzukommt «XX’ a-fs ot cöp.sv xpixooa p.£Y«v 'Q- 7.eßvjxa.
ouX« xeXeiawv -qe p.i^a. ~0ü Xeovxec A 486 IV
Hom. xepi oe [j.sya ßaXXexo ©dpoc B 43 IV. Die
Längung bei einem trochäischen Worte ($£) erklärt
sich durch die Ausnahmestellung, welche derlei Wört
chen (freie Wörter bei Hilberg) in der griechischen
Poesie einnehmen, vgl. Hilberg Silbenwägung p. 74.
peyccpov: xTqg p.ev axo p,£-fdpO!o y.axd oxtßoy ev0do’ibvxei; T 534 II
xappaSev eux’ evovjaev <xxb [xe^dpoto VM-naq A 754 IV
Hom. axo p^dpoio ot£c0a! p 398 IV
xof dp’ evi p. e y d p o t o t Kjxx'.soc Alqvzo r 228 II
8ey0at evi p.öYapotctv ap&rxiov, ag xepi xavxwv !' 585 II
Hom. aipbtctv evi p.eY«po'.atv A 76 II
Yvt)«’ evi p.£Yapou;, cjtoxfvj o’ ävexeXXe YsveÖXr, A 810 II
cd« o’ evi [leydpoig xexov^p.s0a, y.ewa Oüpa^e B 1021 II
o'.otv evi p.£Yäpo(i;, cxirfepu) exi 0up.bv cteOXw A 8 II
Hom. y.üxc/.i. evi \i.v(dpo'.g 2 435 II
abxdp exei p.eya Sopxov evi p,£Ydpototv eOevxo B 304 IV
öeivwv ^pexepotoiv evi p.eY«potciv exwa f 305 IV
TtoupiBiyjv 0-poeoO«: evi p,£Ydpot(7tv axoixtv A 1085 IV
Hom. xaxpbc evi p.eYdpoioiv ä'y.ouira A 396 IV
Unmöglich richtig überliefert scheint für den
ersten Blick
xaxpyjv xe -/.Xe« xe p,£Y«ptov auxsü? xe xox^a? A 361,
wo die Längung von xe unerhörter Weise in die
III. Arsis fällt. Allein Apollonios, der bekanntlich
gern archaisirt, hat hier offenbar — falls nicht
etwa y.Xea x’ «3 da- stand — den einen homerischen
Fall vor Augen gehabt, wo eine Längung vor pi-
Y«pov in der III. Arsis vorliegt: y_ 299 ot 3’ epeßovxo
y.«xd p.eYapov ßoec &g «ysXatat, für xe p.eY«pov liegt ein
Beispiel vor Hom. x 341 == p 604 V Xfxe 3’ Ipxed xe
p.£Y«pbv X£.
p. eveatvw: ßdy.xptp EpetSop-evr, • xepi 3e p.eveatv’ ctYOpeöoat A 670 IV
Apollonios sah offenbar als ebenso gelängt an:
vf,x!st, o'i Zv;vi p.övsaivopsv aopsveovxe; Hom. 0 104 III
702
Rzach.
und Oupoßöpw spiSt [AEVe^vapEV etVEy.a y.oüpr t q T 58 III,
wo das Dativ-1 lang erhalten, ist, und Hess dar
nach ein Ss psvEaiv’ zu.
veoo?: äXXa oia vs®siov oksvw xsXa:; dtaaouuai B 187 II
Hom. Sta v£<p£tov spsßsvviov X 309 IV, für die
II. Arsis Xaßpov ux'o ve®eü)v ävsp.oxpsosi; 0 625
Xuyaiois sSdpaoae xspi vsossoot y.aXüiia? A 218 IV
Hom. y.axa vsossaoi y.zXu'is P 594 IV
vs®sXy): ßsßXxjxo, ve®eXy] svaXrf/.iov, yjt' av.ovxo? A 125 H
Hom. xsy.sxo vefeAiftepita Zeug Y 215 IV, im os
vsosXyjv icraavTO S 350 IV
pY)Yp.tv: üXoxop.oi axoqnrjSov sxt pvjyjj.7vt ßaXwaiv A 1004 IV
oppa 0sa vjpios? sxi pYjYPucnv sSEip-av A 251 IV
Hom. £”'. pYYpuvt 0aXotror,? 0 501 IV
pöoq: xXsiouaiv xoxapoto xapä poov ’EpY'ivoio A 217 IV
Hom. xapa poov ’Qitsavbto n 151 IV
axsivbv o’ out’ a'f/.&va xoxl poov • apwpl Ss ooiai A 311 IV
Hom. ßsßpu)YEV p-ey« y.üp.a xoxl poov P 264 IV
psw: 77 St’ av auxöp-axa |oava per) ISpwovxa A 1284 IV
Hier haben wir eine äusserliche Analogie zu
constatiren; unserem Dichter schwebte offenbar
Hom. M 159 vor: &q xwv 4z ys'.pöv ßeXsa p4ov, r^j.h
A-/au?iv (IV); in diesem Falle erklärt sich zwar die
Länge des « in ßsXsa aus dessen grammatisch-rhythmi
schem Werthe selbst, vgl. Hartei Hom. Stud. I 2 60
und Knös de dig. III 305, Apollonios aber nahm
offenbar die Länge des a als durch die folgende
Liquida p bedingt an.
psi^w: adiEYsw? p.sooYjotv svl ps^ouoiv txyuixlc; B 1022 IV
Homer ähnlich: AiOtöxwv iq ^oiioN : o0i psCouo’ ez«x6|a-
ßa? W 206 IV
pti^a: ob Y'V-p xs pi'^potv sp^pEivxai vsaxpoiv B 320 II
Hom. sxi 3s pifav ßäXs xtxpv^v A 846 IV
pivo?: oooy) 8s pivbp ßoo; fyioq •)) sXaooto A 174 II
Hom. ä'XXoi Se ptvoic, äX.Xoi S’ aux^at ßoscsiv II 474 II
P'txy;: vuzxb? exi pixi) jaevev spxsSov, äXXa OösXXat A 1016 II
vvjvetuY] ■ p.Exa 8’ aOxi? ux'o pixi)? avepoio P 970 IV (0x6 L
und G).
Studien zur Technik des nachhoraerischen heroischen Verses.
703
Hom. Xäoc uxo ptitrjc M 462 II (sonst noch 6xb
ptiwjs 0 192 0 171 T 358 <b 12), überall findet sich
bei Homer aber auch die Var. uxab Die erste der
angeführten Stellen bei Apollonios aber ist die beste
Gewähr dafür, dass er selbst im Homer üxo las,
da die Längung in au keinerlei Zweifel und Va
rianten zulässt; auch haben an der zweiten Stelle
die beiden massgebenden Codd. L und G überein
stimmend 6x6. Dieser Umstand wird für eine dritte
Stelle entscheidend, wo die Ueberlieferung öxat bietet,
das nunmehr in 6x6 zu ändern ist, nämlich:
Kreta 8’ vjetpav, xd 8’ uxo ptx-Tji; avepoto B 1229 IV
po S erj: xYjxopivv], oTov xe xept poSerjcrtv eepor] f 1020 IV
So schreibt man seit Schaefer; L hat corrupt
olovxe xeptppoeocatv G xepippoSeeootv; die Längung ist
homerisch, vgl. die obeitirte Stelle e 121 IV
pd (oppa): oppa 0ea ^pwep ext p^YlVotv eoetpav A 251 I
KuxptSo?, Sppa xe ol 3eTp,ev x6xt<; äp.otYuv;et? F 37 II
Das doppelte p ist ausdrücklich bezeugt, sowohl
L als G bieten es und der Scbol. zu d. St. sagt:
oppa xe ol Std 86o pp. ol Se ’ApKJxdpyetot [St’ exepou p]
Ypdsouotv, d)c xal xapd xü xotvjx^ ,xo pa xox’ ex. yrjXoTo
Xaßc!>v £ pvjotv 'HpaxXetov.
^dpp-axov, oppa xe ©ad Ilpopf/Jetov y.aAeeaöat T 845 II
Seipxepfl 8’ eXev ä'f/oq exvjßoXov, epp’ ’AxaXdvxv] A 769 V
Scbol. ol Se ’Aptcxdpyetot 8t’ exepou p syouat xd?
xota6xa? ypayctq, ü? ‘HpaxXewv <p7]dv ev xi; x xrj? MXtd-
So? ,x6 pa xbx’ ex yvjXoio Xaßcbv £ .
xelcf 'Optovot-r;? lepov ep.©pcvo? (vgl. meine Grammat.
Stud. zu Apollon. 32) opp’ ey.dp.ovxo B 718 V
avxtxepvjv Xeuccoucrc xupb? ceXac, oppa x’ as0Xou A 68 V
Das homerische Vorbild für alle diese Fälle ist
xetp.evov, o p’ ’AYsXao? axoxpoerp/.e yap.aLe y 327 II.
Wegen der Fälle, wo oppa in V. Arsis steht, ist
zu vergleichen Arat. Phaen. 662 V o p’ evt yetpt,
wegen oppa in I. Arsis vgl. das Folgende,
pd (xeppa): xopp’ rrf e^aveXouoa 0uu)8e: xdxOexo p.!xpr, F 867 I
Hom. xb pa xox’ ex yYjXoto Xaßtbv exdönjpe Oeetw
II 228 I; vgl. auch Antimach. xö pd ol dy/iXeye;
704
Rza ch.
Fr. inc. sed. LXVI. I. Wie oppa, so gebraucht
Apollonios auch topp« in V. Arsis:
sv yäp ot oöpu OcTov sX^Xaxo, topp’ dvx p.eccr ( v A 526 V
auSyjev Y^aoup^c vvj'o5 Sopo, xöpp’ äva p.£aov)v A 582 V
Nicht nach directen homerischen Mustern, aber mit An
lehnung an Homer hat Apollonios sich folgende neue Bildungen
gestattet:
Xtßct?: apSscOat Acuy.yjciv üwb Xtßaosoat '(dXay.toq A 1735 IV
Die Ueberlieferung von L und G ist öxal, aber
unser Dichter hat selbst A 1133 AictoviSyj^ Youvd^ex’
IxtXXetßtov tspototv (IV), so dass auch vor Xtßd<; Län
gung eines kurzen Vocals zu vermuthen ist; vgl.
Homer oopä Xsttpavxs xtomjv Q 288 IV
MsXtTYj: vvjictSa MeXtTYjv • ■<) 3s oösvapov xsxsv "Taagv A 543 II
Insoferne der Eigenname zusammenhängt mit
dem St. iasAit- haben wir bei Homer ein Muster:
1-i.v) cs ßdXw, Ü7tb 8s p.sXiY]Ssa 0up.ov eXwptat P 17 III;
äusserlich ist unser Fall nachgebildet dem homeri
schen rbjXidSa [/.sXtrjv 11 143 T 390 4> 162 II
potiax^pio?: tpapgaxa ot, xd p.ev £a0Xd, xd 3s paiax^pi’ sxstxo
r 803 IV
Bei Homer findet Doppelung der Liquida
statt nach dem Augmente: IppatcOv] II 339 II,
dann im Compos. otappatoat |j.s;j.aÜTS? B 473 IV,
vgl. Kallim. suO’ ot ys |atai7)pa? Hymn. III 59 II
potcpv;: y.poixxat os pacat statv ■ sXt!; 3’ eztSsopop.s zdaaiq I 139 II
Vorlagen bietet auch hiefür Homer in den Com-
positis: spostv spya ßtctta xaxoppaiptyjai vöoto ß 236 (vgl.
0 16 p. 26) euppatpsstjct Sopowrtv ß 354. 380.
pr { v: oc xoxs KavOov ezstjvsv sxt ptqvsaotv lotsiv A 1497 IV (L
sztpp^vsaatv).
Bei Homer im Compositum xoXipprjvs? I 154 IV
Doppelung der Liquida.
p60tov: xovxou Xdßpov tiSup, sxi 3s p60ta xX6£ovxo A 541 IV
Bei Homer findet sich wenigstens die Variante
ßfßpu/s pcOtov (neben sv) s 412 II; xaXtppo0tov Ss p.tv
aöxt? s 430 IV beweist nichts, da man auch Assi
milation aus zccXtv—poOtov annehmen kann.
Studien zur Technik des nachhomerischen heroischen Verses.
705
p cd ■/_ \j. 6 q: Xapixeta: capa p.uyov 3e 3 c a pw/pioTo S6yjt«i 4 1545 IV
Vom selben Stamme gebildet findet sich pul; bei
Homer mit Längung: kg OaXagou? ’OSuarjo? ava p£>yy.q
[j-svapoto /_ 143 IV.
b) Ohne homerische Muster.
X a v {,') v: aurap uxo Xayovwv oty.patpa ol Iv9a y.at evöa 4 1613 II
L Gxat, aber G üxo corr. (ma. pr.?) uxat nach
Merkels Angabe. In der ersten Schreibung des
Guelf. ist die genuine des Dichters zu vermuthen,
zumal dieselbe Längung bei Theokr. Id. XX 121 IV
vorliegt: ■/jvepiev ex: Xayävai;; Inc. Id. uxb layävag IX
246 IV
Xiy oq: owiv evt Xe/gsact 3:a y.veipa? • oia 3’ ay.o'tvjv 4 1071 II
auToi p.ev oaevä/oucuv evt Xe/ieaai xeaovte? B 1012 IV
Bei Homer ist Längung vor Xe/og nicht sicher zu
erweisen; o 213 hat Cod. Ven. 457 (I bei La Roche)
allein xapä Xe/Jsaai xXtGvjvat, alle anderen Hdschr. xapat,
was er. 366 allgemein überliefert ist. Vielleicht stand
auch im Hom. Hymn. IV 126, wo die Ueberlieferung
’Avyjaeu) 3e p.s epaaze xapai Xejreortv xaXeecGat lautet, ur
sprünglich xapa Xs^smv. Wol aber findet sich das
stammverwandte Xey.tpov: y.eqj.a: evt Xezipw - 516 II
und äxc Xey.Tpcto Gopousa 6 32 IV
piecco?: vuy.-a 31« p.eec-t]v sXoYptw xupo? • r^.xza o' axtis. 4 870 II
<JT~r\ 3’ ap’ evt jjlsaayj ayop-p, ava 3’ euj^eOe oetpvp A 673 II
auSa evt p.etjerotert tebv voov • rj ce oap.va A 464 II
aimxa o’ ob p.exä Syjpbv evt geaast:; otYopeuorev B 879 IV
Wahrscheinlich entnahm Apollonios diese öfter
vorkommende Längung, wie auch Hermann Orph. 703
vermuthete, einem uns nicht erhaltenen Theile der
archaischen Poesie.
|ri-fä<;: xüp Gxevepöev leig, ext oe [j.iydEaq /Je Xotßa; P 1210 IV
Aeusserliche Analogie etwa nach: tov Se p.iyoc
y.'jp.a y.aX’j'Av e 435 IV
[xoXtq: y.at taaov. aurap 6 xcta: gäXa goX t; ei; uxatoto ß 207 IV
Aeusserliche Analogien bietet rj yccp y.e erat gäXa
piya zu 3s; apoto Hom. I 303; anderseits klingt gsXt; an
gocXa an, z. B. o Se gl gaXa xoXX’ txexeuev Hom. X 530.
706
Ii z a c li.
jj. u 0 o : adß-q ts fj.5 0 o t ts (j,s'/d<ppovE?, ou? äyöpsuosv T 458 II
Die Verbindung zweier Wörter am Anfang des
Verses durch ts unter Längung dieses Wörtchens
in II. Arsis findet sich bei Homer ziemlich oft, so
dass es gern von den Späteren auch bei neuen Wör
tern nachgeahmt ward, vgl. auch Hermann Orph. 710
zu Dion. Perieg. Aeusserlich ähnlich ist bei Homer
p.sÖo?, wovon Längung 2 159 <f> 310.
MeXavixx?;: sv0a tote ■rcpop.oXouoav ’ApvjTiocSa MeXavixxvjv B 966 V
Die Längung vor den Eigennamen erinnert au
vr/.dsa MsAiTr,v Apoll. A 543 II und das hom. IIr r
Xtdäa p.sX(y]v II 143 u. s. II
VEO;: 7.(jl>Xü>V TSAAOJASVOU?, TOU? OE VSOV S(jTY]ü)T0!? r 1384 IV
Diese Neubildung klingt äusserlich an an das
hom. tSe vuoi uSüpovTO 0 166 IV
vöo?: out’ sxt yrjöooüva? TpäxsTo vöo? • aAA’ äpa Toiys A 620 IV
Hermann wollte statt dessen vöo? sTpaxsT’ ge
schrieben wissen mit Berufung auf P 546 er, yap
vöo? ETpdxsT’ auTtl> (Orph. 708). Wir haben aber nicht
den geringsten Grund, die Ueberlieferung für cor-
rupt zu halten. Wenn der Dichter Längung vor
vso? zuliess, so konnte er sie sich mit demselben
Rechte auch vor vöo? gestatten.
vctffGcfföoa: NioaToi Msyapyjs?, ots vda-asoOat ep.ekXov B 747 IV
Spitzner’s Vermuthung de versu Graec. he-
roico 39 8t’ evvdoaeoOai spieXXov, ist überflüssig,
da die hdschr. Ueberlieferung durch die übrigen
Fälle, die Apollonios ohne ältere Vorlage neu ge
schaffen hat, hinreichend geschützt erscheint.
Wie wir sehen, lässt Apollonios Längungen vor Liquiden
ohne ältere Muster in grösserem Massstabe zu. Es hängt dies
mit seinem bekannten Streben, die beim archaischen Epos wahr
genommenen Alterthümlichkeiten auch seinerseits anzuwenden,
eng zusammen. Er sah, dass bei Homer vor verschiedenen
mit einer Liquida anlautenden Stämmen sich solche Längungen
fanden, daraus abstrahirte er die Regel, dass die Liquidae
Position bilden. Indem er zunächst nach äusserlichen Analogien
vorgeht, zieht er auch andere Wörter ohne eine Aehnlichkeit
mit den Vorgefundenen heran. Doch erscheinen auch bei ihm
Studien zur Technik des nachhomerischen heroischen Yerses.
707
jene Längungen auf gewisse Hebungen und bestimmt rhyth
misch gestaltete Wortformen beschränkt. Niemals aber hätte
er es gewagt, eine solche Positionslänge vor einer Liquida in
der Senkung zuzulassen. Der einzige etwa in Frage kommende
Fall betrifft eine Corruptel der Ueberlieferung des einen Haupt
codex L:
'0 t’ av oy’ oute pujzTOi; eot yaXy.oTo xumjiTtv F 848.
So schrieb auch Merkel nach L. Wir hätten dann eine
Längung vor pvjv.Toc in der 2. Thesis. Ein Blick in die zweite
für die Textesconstruction der Argonautika massgebende Hand
schrift G aber zeigt sofort das Richtige:
rj t’ oy’ oute y.’ loi prjy.Toq yaXy.oio Tuxijctv.
Offenbar nahm der Schreiber von L oder seiner Vorlage
Anstoss an dem gleichzeitigen Vorhandensein der Partikeln av
und y.s und so entstand durch Umstellung der Worte die Ueber
lieferung von L. Doch vgl. Hom. N 127 ä? out’ av y.sv ’Apr^
övoaaiTO ij.eteXOmv. Selbstverständlich steht bei Homer vor prjy.Tb;
eine Längung nur in der Hebung: N 323 yaX’/.w te ör^.xcc II.
Nikandros.
a) Nach homerischen Mustern.
vioöet?: toü p.sv uxb vnpöevTa y.epäaTa Sota p-etcjutcu Ther. 291 II
Hom. TpoAw &7co vifflosvTt T 385 II
votewv: wypatv(j)v Sega; ag®(; • o Se votswv orepi yuio'.; Ther.
254 IV
Hom. xarcc Ss votio; peev iSpw; A 811 IV
päyo?: yXeüzo; aXtc Salvuvxat ext payeeoat xeoouoa 1 . Alex. 184 IV
Da pdyo; nur andere Schreibung für pdxo; ist, so
haben wir bei Homer ein Muster in ouXijv Se y.aTa
paxiea« xaXutj/e t 507 IV
P'-’Ca: auTuc Se pi^av zotuXyjSovo;, t’ äva y.pup.ov Ther. 681 II
Einige Hdschr. Svj. Hom. ex! Se pf^av ßäXe xtzpyjv
A 846 IV, als Var. auch (von Apoll. Soph. 30, 12
überliefert) V 190 y.opgov Se p'Lrfi II neben sy. pi’Qr,c;
vgl. auch Hom. Hymn. axo pity;; V 12 II
aggiya Ss pt£a; v)puyy!Sac y y.ai exapy.s; Alex. 564 II
öpexTov p.vjTt yagrjXbv axo xpoTagoio Fr. 78. 7 IV
(Georg. 11 und 12, p. 113 Schneid.).
Sitzuugßber. d. phil.-hist. CI. XCV. Bd. III. Hft. 46
708
Rzach.
pot^vjäd: t<o p,sv :e pst^YjSa cpiXod[i,aTO<; sp.xsXaouoa Alex. 498 II
II hat toi, alle übrigen Hdschr. ts, vgl. Hom.
xoXXp 3e poiu.) t 315 II
xstpovTsc OXißwtKV, oTS pot^ijSä piXtuaai Alex. 182 IV
po/öo?: ootja ts icsTpi^evTa; uxb po/Octc. OaXdosn)? Alex. 390 IV
Der beste Cod. II hat uxoppo/Ootoi, woraus offen
bar die falsche Schreibung uxsp in einzelne Hdschr.
liineingerieth. Hom. xupia p.sya po/Öst p. 60 II
Sppa: "Aypsi xal xivows? «bXsyuYpov, oppa ts xpcoTO? Ther. 685 V
Hom. x 327 II, für die V. Arsis aber Arat. Phaen.
662 Apollon. Rhod. A 769 B 718 A 68
aXXoTs ßoir/ipao? •/iX^yövou, oppa y.spaiap Alex. 424 V
11 oppa.
Unrichtig überliefert ist
opyc^wv X■ TTeV poSso) Qpova, xpXXdy.! Alex. 155 III
In der III. Arsis kann die Längung nicht
stehen, es ist zu ändern: opya^wv pooeu Xtxsi öpova,
womit diese Stelle entfällt.
Nicht ganz dieselben Wörter, aber doch vom selben Stamme
gebildete begegnen als Vorlage in folgenden Fällen:
pY]Tpv): ©pTjwtr/ji; '|66poiGTV 6x0 p-i;TpY)0!v ’lap.ßy;; Alex. 132 IV
Hom. p.üOwv ts prjT^p’ s|j,sva'. xpv)y.Tripd ts spywv
I 443 II
ptxTw: ^sipsaai oüo pixTsay.s ßeXsp.va Fr. 26. 4 IV (p. 36 Schneid.)
Nicht ganz sicher, da leicht auch 56w da stehen
konnte; bei Homer haben wir nicht Längung vor
dem Anlaute selbst, aber Doppelung der Liquida in
otappvxraoxsv öiorrov t 575 IV
b) Sonstige Vorlagen.
vsp. w: psia yXuy.u vs£p,sia? äXuxpörspov Bsxäsoo: Alex. 386 II
Der Vers ist nicht ganz sicher überliefert. Vgl.
Hesiod. spSwv tepa y.aXä y.axk vop.ov Th. 417 IV, da vsp.w
und vöjj.01; zum selben Stamme gehören.
(j.s<j0c: ä’Xyeaw st/ßapuGooca y.aTa p.suov opwpaXbv ics>. Ther. 468 IV
xoXXa o’ svspös y.aTa p.soov bpupaXov Alex. 26 IV
y.ai /Xospoü vapö^y.op axo p.soov ^Tpov oXoijjac Ther. 595 IV
Die Codd. BGP und die Aid. haben zwar ämi.
was jedoch gegen II und die anderen nichts gilt.
Studien zur Technik des nachhomorischon heroischen Verses.
709
V hat ax'op pEoov. Fiir die Längung vor psus? hat
man eine Parallele bei Apoll. Rhod., z. B. vuy.xa Siä
psaor/V A 870 II evi \iÄGGOiq dyopeuaev B 879 IV. Es
ist daher auch der Vorschlag Hermanns Orph. 709
für y.ctxd peoov op<paXov Ther. 468 zax’ op.aaXwv p.saov
zu schreiben, überflüssig.
p avtp: y.avGw evl pavhBjpi xuxijv ävEosSax’ e)dovr ( ? Ther. 673 II
P und Aid. falsch y.avöw ev pavöyjpi; Vorbild konnte
für den Dichter sein Archestratos oljei xe paivovxe?
Fr. XLII 14 II
psdoq: aOp^c-fj, vwöpv; psv dxb psösoi; ßaXsv uxvov Ther. 165 IV
a’nia Se xöv y’ ey.dx£p0s ci« peöoc sypEO xXf ( <jo<ov Alex. 456 IV
Vgl. Incert. Idyll, exi ps0Es<j<7! Id. VIII 3 (Mosch.
. IV) II
c) Ohne ältere Muster.
X t pv alo?: Kwxai xs Xipvatov Üxs0ps<iavxo xap’ üowp Ther. 888 II
Xoßiq: xoAAay.i 8’ ev y.at oxeppa xo xe Aoß'o? dpqp'is as^si Ther.
536 IV
Hermann vermuthete Orph. 737 xo o\ (gegen die
beste Ueberlieferung).
p a3 15: ämsi pdSiy.a y.a/.oy'AoOo'.o novu^vji; Alex. 331 II
So ITGM, sonst falsch Svj, was Lehrs geschrieben
hatte.
oiaq 0’ epxuXXoio xspt pdoiv.aq äelqei Ther. 533 IV
Die Wurzel ist FpaS, vor dem stammverwandten
paStvo? haben wir bei Hesiod. Tb. 195 Längung
kennen gelernt.
Zwei Stellen, bei denen nunmehr die richtige Lesung
hergestellt ist, entfallen, und zwar:
oxEt/ovxe? Naüxay.xov ec ’ApotSipvjv xe xsXa^ov Fr. 109. 3, wo
früher cxsr/ovxä gelesen ward (vgl. Düntzer, Fragm. der ep.
Poesie 82). Ebenso
yoyyuXi'Soe Siferj ydp !8e pacdvoio yev^OXi) Fr. 70. 4 (Georg.
Fr. III 4 bei Lehrs), wo die Hdschr. des Athenaios, der dies
Fragment bewahrte, durchaus ev. haben, wornach dann Schnei
der restituirte: yoyyuXi'Soe Siocr; yap !S’ ex paadvoio yeviOXrj (vgl.
pag. 83).
46*
710
Rzach.
Numenios.
Der einzige Fall, welcher sich vorfindet, lehnt an ältere
Vorlagen an:
p 601ov: aXXoxs xap^api'vjv, 6xe Se poGtov Wap.aGlSa Fr. IX in
IV. Arsis (Bussern.).
Bei Homer schreiben die Hdschr. ß^ßpu^s piGiov
£ 412 II, unmittelbares Muster aber ist Apollon.
Rhod. exl 3e psGia zX6£ovxo A 541 IV.
Manethon.
a) Nach homerischen Mustern.
p.£Yapov: ■/] eva xv)Xuy£x6v xep evi p,£Y®P oto ' lv sSwzev III 58 IV
(Koechly)
y.al 5s zat e&xszvwj atpiv evt p.eYdpoiciv oxyjSsT III 313 IV
Hom. A 396 u. s.
p.olpa: ^8’ dp’ sxi p.oippox y-axtotpepeectn izoXoio III 411 II
avxeXXst, zetvwv xs xspi p.oipüv SsBdasGat III 418 IV
Vgl. Koechly ed. Paris, praef. XXXIV zu d. St.
Hom. xavxa zaxa p.oipav zaxeXstja y. 16 IV u. s.
b) Nach anderen Vorlagen.
X e yo e: piaGev axo Xs^smv, sxepou 5’ üxo ysipsat GpesGev VI 58 II
So Koechly, Gronow örozf, Axt-Rigler dxat, aber
vgl. Hom. dxb Xezxpoio Gopouca 4 32 und Apoll. Rhod.
svt Xeyeexc. A 1071 II
vjq <p6cr!Ot; 7^y ou<71 j ^apa Xs^desai Y uvaa “ v HI 390 IV
Apoll. Rhod. evl Xsysscai xscovxe? B 1012 IV
Dagegen entfällt III 330, wo jetzt richtig üßpicxa:
Xeyewv statt des einstigen ijßpsi? xe Xs/4wv gelesen
wird (vgl. Hermann Orph. 716).
c) N e u.
p-d^Xoc: auxot xs |j,ä‘/Xo! xs zat ec ©iXcxy)x’ äzopsaxoi VI 209 II
So schrieb Koechly, während die frühere Vul
gata cwxo! 5’ au war; Koechly ed. Paris, praef.
p. XXXV bemerkt hiezu: ,quod aperte falsum est,
cum nihil novi adiciatur sed quae iam dicta sunt,
Studien zur Technik des nachhomerischen heroischen Verses.
711
mnmm
accuratius explicentur. Quare auxot te scripsib Ich
füge hinzu, dass 3’ au offenbar aus dem voraus
gehenden Verse ol 8’ au y.a't SEap.bv sxXYjcrav hinein-
gerieth. Auf die Beliebtheit ähnlicher Fügungen
wie die vorliegende verwies Hermann Orph. 710.
Maximos.
Längung vor Liquiden findet sich bei diesem Schriftsteller
einzig bei der Präposition svü
a) Homerische Fälle.
Xexxpov: ijixax’ im ipia jxoüvov evt XEy.xpoiat [xoY^ca? 185 IV
Ilom. y.sTjj.at evl Xsy.xpw x 516 II
|x syapsv: oiy.iaoov “fiep axotxtv evt \j. syotpotst y.op.Koi? 98 IV
oixe 'f souc Xereovxss evt (xefotpotatv ava.y.Tac 821 IV
8py)(jfA0(jüvv)<; • Eupotq 8’ av evt [xe-fapcust ;j.tv avopoi; 351 IV
Horn. A 396 IV
[xsXo?: otoc y’ evl [xsXesast Bopvjtot ut£? E/eava'i 416 II
Hom. m/ex’ am ixsXswv N 672 II vgl. Empedokl.
evt p-EXescatv idpecpd-f] 177 IV
b) Nach anderer Vorlage.
Xiyoq: trjsiv, Svjpov o’ av evt Xeyisaai -/.XiOetrj 181 IV
Apoll. Rhod. ivi Xe^eeaat weoövtse B 1012 IV
Es entfällt jedoch 250, bei Ludwich richtig: S'jsxXyjxov •
xoivjv y«P ewl cTUYepvjv ayet axvjv, wo inan vor Hermann, welcher
das von Koechly aufgenommene Gjxuyspvjv conjicirte (vgl. Orph.
715), [xoyep'jv schrieb. Ludwich hat Gxuysp’öv aus der ursprüng
lichen Schreibung des Cod. L restituirt. Maxim. 286 ist exei
[xofspolcrtv täte die einzig richtige Leseart für das ehedem be
liebte, vom Cod. L (siehe Ludwich p. 24) gebotene im, her
gestellt von Hermann Orph. 715.
.
Simmias von Rhodos.
I
Der einzige homerische Fall ist unrichtig überliefert
(Düntzer, Fragm. der ep. Poesie der Gr. p. 4):
*
712
K za eil.
poop: Gsottsgicv ts tcspt poov IjXuGov dsvdoto (Kctjwrdcou), Fragm.
des ’AtöXXwv 5 III
Man hätte hier eine Längung in der III. Arsis;
es ist zu schreiben
V)X0ov Oscasctov ts xsp'i poov dsvdoto,
vgl. Hom. zot! poov, dgept 3e t’ dxpat P 264 IV; an
anderer Versstelle findet sich überhaupt nirgends
Längung vor pcoc.
Moiro von Byzantion.
Homerisch:
gsY a ? : Zsup 3’ dp’ sv'i KpvjTv; Tps®STO g^Y®? dpa Tip viv
•/jsiosi p.av.dpwv. V. 1 eines bei Athen. V. XI AB er
haltenen Fragmentes der Dichterin in IV. Arsis.
Hom. bietet eine deutliche Analogie £;j.eü 3’ eXetg
g£Y«v opy.ov 3 746 IV (vgl. auch d/cc '(i'/e-to
® 412 IV); unmittelbares Muster scheint zu sein
Hesiod. XptTtov supußwjp ysvexo p.sY«? Th. 931 IV
Eratosthenes.
a) Nach Home r.
Hieher gehört nur das eine nicht ganz sichere Fragment VII
bei Düntzer:
zsXgoc ttoti pctTCTEozEV sXaspou «baixacrioio II
Annehmbare VerbesserungsVorschläge wurden ge
macht von Salmasius TLOTtppdsTsr/.sv, vgl. Hom. 0 16
y.ay.oppa®i7)p dXsYe'.vijp und Düntzer ttoSi pixtscry-Ev; ich
denke an tot: piTTaoy.EV wegen der homer. Analogie
oiapptTTaoy.cV t 575 IV
b) Ohne älteres Muster.
p.0Y£W. aisi y.pup.aXEai, ais! 3’ üSocti p.oYsoustv Fr. I 8 V
Rhianos.
Nur homerische Fälle.
po S e vj: y.7.i cs noti poSsvjctv s-’qyßvmco yj.ps.aciv Fr. IV bei Mei-
neke p. 210 = Anth. Pal. XII 121. 3 in II. Arsis.
Studien zur Technik des nachhomerischen heroischen Verses.
713
Horn. iXeTo poooSdv.TUACc ’IIo'jc g 121 IV; unmittel
bares Muster ist Apoll. Rhod. olöv te TiEpi pooepaiv
ieparj T 1020 IV
pöwaXov: to poTcaXov tu Havi v.ad ioßoAov DoXuaivoc Fr. VII
Meineke (p. 210) = Anth. Pal. VI 34. 1. I
Hom. Kü/.AuTuop yap exeito p.sy« pöwaXov Tiaoa cvy/.ü
i 319 IV
Nikainetos.
Neue Bildung'.
paoaXö?: ygomo os paoaXpc svaXiyy.iov äpxsiöoisi 4 II (Düntzer
pag. 77)
Zu vergleichen ist die Längung mit der vor
paotvoc vorkommenden, das zum selben Stamme
gehört (Hom. airap ipioco-öX^v yspciv ’i/t paSivvjv W 583)
Hesiod. tocjgtv feo paoivolaiv Th. 195 II
Theodotos.
Homerisch:
p!?a: vep0gv Otto po£0|rr ( [j.EVGV, äp.<pt te tei/oe Düntzer p. 94 11
Ausser den erwähnten hom. Beispielen vgl. Hom.
Hymn. tou v.cd axo pitv;? V 12 II
Lesbi Ktisis incerti auctoris.
Homerisch:
peCw: ta peijeiv, iAoü o’ ETuayckaaTO TcaTpiooq oitw 18 I
Hom. aXXa p.sya peqac X 305 II; in I. Arsis Inc.
Idyll. Ti pe^stp uaTupfey.s: Id. VII 47
Dionysios Periegetes.
a) Nach homerischem Muster.
Antapop: tcoAA'Ö ts Arrapv) t£ y.ai süßere?, öicep "18yj 502 II
Hom. '(rjpdq TS Aixapov t 368 II
[J.syapov: jjioijvot S’ aaxstov- oXßcv svi |j.£ydpo!aiv 1’öevTO 1057 IV
Hom. z. B Q 497 IV
714
Rzacli.
vÖTOq: [j.r/.pc; Ixt votov sic;, xdXtv 3’ dy/.<5vaq iXtqaq 979 II
Hom. yjXGs 3’ litl votoc dr/.a p, 427 II
XaßpoTaiov poov <jY/Jjv Ixt votov bpGbv IXauvwv 1090 IV
Ausser der angeführten hom. Stelle vgl. wegen
der IV. Arsis auch -/.ara 31 vctioc plsv tbpibq A 811 IV.
Demgemäss ist wol auch bei Dionys. 51 zu schreiben
twv 3' äXXwv, ot t’ ewtv dx'o votirjq äXöq äppw und nicht
äxat.
pooq: spraoiv, xupctToto xapa poov ’Qy.sotvo'to 624 IV
Hom. Hemistichion II 151 IV. Darnach sind
gebildet:
aXXat o’ ’Qy.savoTo xapa. poov ItrtEpotvtiwat 555 IV
Aoxsvbov xoTapcto xapa poov EupuplbovToq 852 IV
süte Y«p AzTodoto xapä poov ’IXtcooto 1023 IV
pico: 1’vGa MIXaq, cGt KpäGtq, tva pssi Oypbq 'latov 416 IV
Hom. ßsXsa plov M 159 IV, Apollon. Rhod. qbava
pir) A 1284 IV; darnach:
SXy.(ov ’IvS'ov ubwp xapd te pstiov yßc'/a Sciotov 1074 IV
ptxv): 0p-f)iy.tou • toü b’ avoa xoxi ptxrjv qeotipotc 429 IV
Hom. z. B. Xäoc uxb ptxijq M 462 II vgl. Apollon.
• v’jy.-bq et[ ptxvj A 1016 II
äXX’ ^Tot AtXüßi] plv Ixt ptxr,v Lcpupoto 470 IV
ävlpsc, oi y.stvpotv uxb ptxpot plvöiev 674 IV
Hier besteht, wie bei Homer, auch die Var. uxat;
ebenso auch in
rqq bl xpbc avTtxepatav, uxb ptxvjv Cepipstc 962 IV
Doch ist in beiden Fällen uxb durch die erst
genannten zwei Stellen empfohlen, wo Sri und Ixt vor
ptxii stehen.
o pa: o pd te y.ty.Xvfcy.ouotv Axlvvtov. |y. bl ßopei'vjq 343 I
Hom. x 327 II; directes Vorbild aber ist Apollon,
epp« Gsd vjpwEq Ixt pYj-jp/tnv iostpav A 251 I
Von demselben Stamme wie ein hom. Wort, vor dem sich
Längung findet, ist
pibtb: ’idpjjtw xexXyjGumcv, toi piGxsoot basstav 1100 IV
Vgl. Hom. y-ard te pwxr/a büio <J> 559 IV
Studien zur Technik des nachhoraerischen heroischen Verses.
715
b) Nach anderen älteren Mustern.
vojao?: opviSfAEVat tsXsouc;'. /. a t x vap,oy tspa Bxy.'/M 572 IV
Hesiod. spBiov tspä y.aXd y.axa vsp.ov iXäazvjTat Th.
417 IV
aü-ap evi ptsccrjciv ’Axapetvjc xToXtsöpov 918 II
Apoll. Rhod. au Ba svt psscoici tecv voov A 464 II u. s.
c) Neubildungen.
Diese beschränken sich bei Dionysios Perieg. ausschliess
lich auf Eigennamen:
AiXiißr;: d-/.pa Be ol ilyr/y/c- te IIsXwpi«; te AtXußvj te 469 V
M dpzdoq: y.xl TptxoXtv XixapVjv, ’OpOwaioa te MocpaOöv te 914 V
MäpBoi: P'/jAoi te MapBot te y.ai dvsps? ’ÄTpoxaTTjvoi 1019 II
Nspdcsi;: xoici o’ sxi Nopäowv xapaxExraTat äVxsTa ouXa 186 II
Die letzterwähnte Längung hat eine ganz äusserliche Pa
rallele an y.aTä vöpov (s. oben), die drei erstgenannten repräsen-
tiren wiederum die schon berührte Verbindung zweier Wörter
durch te, wobei oft Längung Platz greift (vgl. Hermann Orph. 710).
Oppianos Syros.
a) Nach homerischem Muster.
pivc?: ’yvta xupceuOevTa otä ptvoio TETavTai Kyneg. III 390 IV
Hom. Trspl Be ptvoi pivuQsueiv p 46 IV; Hesiod hat
dieselbe Formel y.ai te Btä pivsu ßobc ip/exai E. 515 II
pic: ysf/vEa te plvac te y.ai cp,p.aTa p.appaipovTa Kyneg. IV 157 II
Hom. av oropa te pTväc 6’ e 456 II
b) Neue Bildung.
M-^osia: KoXyioa te M^Bstav, dpiTrjXov te OspiaTto Kyneg. III
248 H
Diese neue Längung vor einem Eigennamen ist
gar nichts Auffälliges, so dass Hermann’s Vorschlag
(Orph. 712), im Verse vorher AtOiBa te IIpoy.v/jv und
dann KcXy/Ba y.ai MiJSstav zu schreiben, unnöthig war.
Beseitigt werden durch Antreten eines v ephelkyst. an
den Auslaut folgende Stellen (vgl. Hilberg, Silbenwägung
p. 40 sq.):
716
Krach.
xvoirjoi Xdßpoioiv e9sXy.6p.Evos xox! Srjpiv Kyneg. II 239 II
ai/pfjoi p.sya xrjpa xaXi'axpoipov v^epxvjTat Kyneg. II 99 II
av SxuQi'rjv "Impo? XsXay.s p.Eya xdvxoös xavxrj Kyneg. II 141 IV
aXXoioi pirox; p.sxexsixa oe /pTosv eXata) Kyneg. I 251 II
Oppianos Kilix.
Nach homerischen Mustern.
p.sXo;: xplv piv äxo p.sXewv xpoXixrj gÖsvo; aopavsovxa Halieut.
I 539 II
Hom. 0jjj,ov axo psXewv H 131 II
’öypa xepi p.eXesgci veov cy.sxac ap.cp'.Kcrfeir, Hai. II 297 II
odoyava /dXy.sto! xe xepi p.sXssoGi /ixoivs; Hai. II 24 IV
Vgl. Empedokles evi psXeeooiv 177 IV Maxim,
evi [j.eXeecg: 416 II
prjYp.iv: oxäc §’ dp’ ex! pv)Yp.tvoi; 4bv vcp.ov sppot^rjoe Hai. I 563 II
Hom. d'y.pov exi prjYplvo; Y 229 II
süxe ydp aYpovop.rjEp exi prjyp.ivo; ayoic. Hai. IV 313 IV
Hom. sxi prjyp.lvt OaXaGGrj; A 437 IV
y.apy.ivo; au livj^tSa xapd prjyp/ivo; aetpai; Hai. II 174 IV
Hom. xapd pyjYptvi 0a?.äGGrj; ß 773 IV
doxaGiwc, xoXXrjv ge xoxi prjYP-tvac «youg:v Hai. IV
493 IV
Die Formel xoxi p. ist selbst nicht homerisch,
pixrj: xop.xrj xe pixrj xs y.ai au xaXiv6axip,0(; opp.rj Hai. I 616 II
y.ovxöv xe ptx-flot y.ai d'y.rjoiv epsxp.tov Hai. IV 651 II
xoXXrj o£ pixyj xe y.al dXp.axi y.up.aivcvxa! Hai. IV 676 II
rj ge p.iv oijuxop.oiG'.v üx'o pixrjctv oSovxojv Hai. II 284 IV
y.oxxopivrj osii;eiev uxo pixrj oc 0aXaooa Hai. III 456 IV
OeXYÖpsvot XiaprjGcv üx'o ptxf); ’Ä^pooixrj? Hai. IV 141 IV
Hom. z. B. ilu/pr; üxb pixrj; 0 171 II
psto: Xrjysi psv xexaXwv, xaxd 3s psei •qüxs voügu Hai. II 494 IV
Hom. £-/. ‘/Etpojv ßeXea psov M 159 IV Apollon,
oöava psrj A 1284 IV Dionys. Perieg. iva xe peiwv
./6ova So6gwv 1074 IV
pi^.a: vspöev üxb pi^rjciv ävaibei xüp,p,axi y.etvw Hai. II 492 II
Hom. Exl oe pi'l^av A 846 IV, vgl. Hom. Hymn.
xou y.al axo p(£rj; V 12 II
Studien zur Technik des nachhoraerischen heroischen Verses.
717
poT'Co?: Ttöpoaktv oioTp^öetuav svt potLotatv tp.do0AY)c Hai. II 352 IV
Horn. TioAAfj 8e poti^u t 315 II
'PoSavo?: osutEpa ok 'PoSavoto tmpa cröpia (i^p^rrjpzq Hai. III
625 II
Hom. xapa poSavov Bovax^a 2 576 IV. Dem Dichter
schwebte wol vor das homerische Käpyjooi; te ‘PoSto?
t£ M 20 V und das hesiodische Nsccov cs ‘PoStov
6’ 'AAtsty.p.ova Th. 341 II
Zweifelhaft ist die Stelle
yjjC auTou Aoyotoot -apat (j.uyov, oq y.s iceXoboyj Hai. 149 IV.
Schneider schrieb Trapa, aber mit Rücksicht auf den Um
stand, dass sich sonst keinerlei verbürgte Längung findet, die
nicht nach homerischem Muster angewendet wäre, werden wir
bei der überlieferten Leseart xapat bleiben müssen. Nur Quintus
hat Evi ptuyctTotct VI 477 IV und XIII 385 IV mit Längung.
Absichtlich weggelassen ist Hai. I 737, wo neben
iv -övxu, tote -aibaq ecu AaYPvecctv eoey.xo die Variante evi
AaybvEcct besteht; doch ist jene Lesung jetzt als die besser
überlieferte allgemein angenommen. Dasselbe gilt von Hai. II 70
•/.Errat 8’ acTEiAcpr]? ob) vexug ■ o? os y.sv t/Oöc, wo früher die
Variante ota vs'/.uc gelesen ward.
Durch Anfügung eines v ephelkyst. entfallen folgende
Stellen:
st o’ oö cot p,ax«puv xt? äkmXäyxtuv vEptsc-ijcst Hai. IV 582 II
EtAsuct vetoSwv ostAac cxtyac st? sva ywpov Hai. IV 652 II
(vgl. Hilberg, Silbenwägung p. 41).
E^OTCt0E pKTYjctV sXauvojAevot [Aoyeouctv Hai. III 65 II.
Anonymi Theriaka.
Falsch überliefert:
v) ok •/ap.anuTuoc y.at oü/.Aa p.aAaßaOpoto 8
c|J.üpvv)? 0’ §!* Spayjzä? y.at tpÜAAa p.aXaßaOpoto 38
An beiden Stellen käme eine Längung in der vierten Thesis
zu Stande, was unerhört ist. Da diese Verse auch gegen Hil-
berg’s drittes Gesetz (Silbenwägung p. 19) verstossen, so ver-
muthet er, es sei tpiXXa |ro] p.aAaßd0pots zu schreiben.
718
Hz ach.
Eudemos (Antioehos) Theriaka.
Ein einziger homerischer Fall:
p i ? «: Mvjou äx'o p (?ijc öXy.vjv oi'3payp.cv opu^a; 3 II (Bussemaker p. 93)
Hom. Hymn. toü xal ax'o plCrjq V 12 II
Anonymus xspi ßoxetvwv.
Homerisch:
X i a p o c: lv o’ üoaxt Xiapto xporaXu^opivT) xaXdjAcaoi 50 II
Ilom. v(?’ üSau Xiapw A 830. 846 II
Quintus Smyrnaeus.
a) Nach homerischen Mustern.
Xaxdpvj: tutö'ov üxb Xaxdprjv, oiä 3’ -ijXacsv sq picov ^xap (aiy v p.y)v)
XI 34 II
Vulg. üxai, Pauw und Koechly üxep, aber auch
wenn die Lanze ein wenig unter den Weichen
eindrang, konnte sie doch die Mitte der Leber durch
bohren je nach der Richtung des Stosses. Die Län
gung haben wir bei Homer in tö oi üxo Xaxapvjv tstocto
ts onßapov xe X 307 II
tjüjy) üxo Xaxdprjv xayaoic üxb /siXeciv oicxpoc XI 209 II
Hergestellt von Koechly statt der früheren Vul
gata üxat.
Xtyü;: supou üxo Xt-fso? y.a'i axstpeo? -qsXtoco VII 230 II
Die ehedem beliebte Schreibung üxat (vgl. auch
Spitzner, de vers. her. 53) ist von Koechly auf
Grund von V richtig in üxo hergestellt worden.
Hom. (I); 3’ 59’ üxb Xiysuv dvepuov cxspywoiv oceXXai
N 334 II
xvoiai te XtyEiov avsp.wv äp.sYapxov äevxwv III 640 II
Hom. äXocTov oe y. 201 II. Pauw hatte an
der Längung Anstoss genommen und die verkehrte
Conjectur y.ac xvotal '/.r'ibn ävsp.uv gemacht,
ktyopö?: aüXoi ts XiYupoItnv dpYjpdjjtsvoi y.aXdp.oioiv VI 171 II
Hom. xvoivj üxo Xcfopyj N 590 II
Xtapö?: ouv jaeXiti Xiapw • p,vjxY]p Se d. ap.mtfopqa. III 736 II
Hom. vß;’ üoaxi Xtapw A 830 II, vgl. auch übax! ts
Xiapw (i) 45 II
Studien zur Technik des nachkomerischen heroischen Verses.
719
p.oGoc: Sv Mep-vtov sSdtqs y.aTa p.60ov, dp.oi 3’ ap’ «utw II 295 IV
vsy.poü s-/.äc aeuovTa y.aTa p,60ov • d)c ooeXöv p.o; II 323 IV
<pa£v)? y.s oTOvbsvTa y.aTä p.öOov ijp,aT'. y.stvw II 517 IV
töv p.sv -/suvar’ IXuaa -/.ata p.66ov, ou? 3’ s®6ßv)!ja V 296 IV
odpy.a tsvjv yxapsvoto y.a: ä p.60ov ■ ^ ei seXxy] VI 418 IV
touc vJ.ye'/ alp.alievitx y.aTä p.60ov ■ oi o’ üxdXuc;av VII123 IV
osTo y.aTas0ip.svoto xaxä p.c0ov • ou yäp ofto VII 270 IV
d'XXo? 3’ d'XXov exsovs y.aTä p.SOov • sv 3’ dpa toTotv VIII108 IV
d'XXov et:’ dXXw sxsove y.atä. p,60ov • ol 3’ dxicvTS? XI227 IV
Xaa ßaXiov Erapoio x a t ä p.60ov ■ oi 3’ äxs Gijps? XIII 156 IV
0up,bv ÄXsi;dvSpoio y.aTä p.60ov dvTiowvTE? XIII 365 IV
Hom. oXXot’ Exa(i;aay.E y.aTä p.60ov, ä'XXoTE 3’ auxs
2 159 IV (vgl. 2 537 4> 310). Nach v.oa'cc p.60ov bildet
Quintus auch noch dvd und ex! p.60ov und zwar eben
falls nur in IV. Arsis:
exteXeosiv auTijp.ap dvä p.o0ov oxpuosvxa I 133 IV
Otjpa? cxw? Guvovxao dvä p.ööov oxpuosVTa I 539 IV
Sepxovro y.TEivovTa? dvä p. 60ov oXXupsvou? te III 95 IV
oucp.evEwv ots a äXXot dvä po0ov O!u0£vm V 204 IV
ou yäp sporf’ sxapuva? dvä pö0ov, dXXä ooi auTM V 273 IV
Suopsvswv xaXap.vjoiv dvä po0ov, dXXä col auTM V 533 IV
&c dpa Tpwsot w.eg avä p,60ov aiv’ov ’Äpvjo? VIII 271 IV
OEtvb^’Äpv;; • oXsxovto 3’dvä p.60ov äXXo? sx’d’XXw VIII276IV
ou yäp eV aloip.ov vjsv dvä p.60ov dvspi xslvw XI 292 IV
Tpwa; ExoTpuvovrE? dvä p.60ov ■ 6? 3s y.ai autoi XI 350 IV
xal tote TuSso? ulo? dvä p.o0ov avTiönma XIII 168 IV
uc 0’ sXs IIsv0s(n'Xsiav dvä p,S0ov, &? t’Eodp.aaasv XIV 134IV
w? to xdpo? p.sp.aÖTS? sxi p60ov, oü v6 Tt? üpsa? VII 519 IV
xapTioroi Se tot’ dvSpe? ex! p.60ov, öxxots 0up.6v XII 62 IV
p.s'Xo?: p:f\ rnsiv axo psXewv 4u‘/ä? oOipevoiat xeXdoaw I 334 II
0up.b? dxo peXewv, eXixsv 3e p.iv äp,ßpo"o? aitbv III 319 II
Xüos 3’ dxo psXswv cSuvac, exl Se oGevoc wpoEV IV 73 II 1
'iuy w p'o; dxo p.sXswv • y.at p.tv oTpE^BevTa ospEoGai VI 583 II
dGpoov • aiiba 3’ avaXy.t; dxo p.sXs(öv obys 0up.öi; I 746 IV
y.at zJpag ■ ez oe ol aivbp dxo psXswv pssv loptip VIII 288 IV
os^tov, £•/. Se ol ^Top axo p.eXewv sy-EoaffUE X 124 IV
1 Vgl. Koechly, Grössere Ausgabe zu der Stelle uud kleinere (Teubner’scbe)
Ausgabe (1853) praef. XXV zu dem Verse, dann Hermann Orpb, 712.
720
R z a c li.
p.£Ao;: ouaO’ opuS; xai piva? axb (asXswv STaptovTO XII 367 IV
Hom. Oup.bv äx'o [aeXswv StSvat 36,u.ov ’AtSoc s’fcw H 131II
bq px ot ay.ap.aTOici' xspt pteXesa-crtv dp-fjpv. III 242 IV
ßXvjtjivou sv y.oviVjtji, xspt p,sX£sooi äs 8wpv)? III 316 IV
'HoatoTOU 'TcocXoEjJLYjcrt Tuepl |jt,sXssaoi yiTwva XIII 111 IV
Die Formel xspt pisXesooi hat Homer selbst nicht,
zuerst findet sie sich in den erhaltenen Werken bei
Oppianos Kil. Halieut. II 24 IV
p.syac: wo o’ ot’ axo p.sydXcov cpswv xo-vxp.bc ßaOuStVYjc II 345 II
Hom. Stopto Im p.syäX(p K 304 II
v)3’ oooou? ipeu^ovToo uooo |jtsya xet/o? c'Xsooev I 12 IV
(Spitzner de versu her. 52 noch üxat) Hom. 30’
sxl (J.sya ßdXXsxo y.uac t 58 IV
Sp Auxtv;0£v txavev üxo [xeyaXiQTop' FXauy.a) III 232 IV
Hom. ayptov sv otv^0sooi 0sto [AeyaX^xopa Oup.ov 1629IV
tj.syapov: |jip.ve 3’ svt p.sydpoiat xa0Y}|Aevo?, auxap o't äXXot II 73 II
abxdp svt p,syapotot Atbq oTspoxYjyspsxao II 164 II
xs60st’ svt p.syapototv • 6 3’ at'p.ato? sxyup.svoto XIII357II
stpyov svt p.sydpotai xapYiyopsovxs? sxsoot XIV 161 II
aXXoc [J.tv stosTt \i.rFpoq svt tj.s ydpo to tv epuxe VII 315 IV
xai pa to0’ utcvOovto? svt p, syapotot xoxvjo? X 438 IV
Ebpu|xx‘/u ÜTtTaXXsv svt p.syäpototv axotttv XIV 323 IV
y.at p.ot xaXXtxs tut0'ov svt p,syäpotq ett xatSa XIII 278 IV
Hom. A 396 IV u. s.
aXXw 3' au cpsuyovTi Sta p.sydpoto p.sooSp.vj XIII 451 IV
Vgl. Hom. öko p.eydpoto 3;so0at p 398 IV
YjpsTspvjc; aXo/cis xxpä [Asyapotot Sapivxa XIII 363 IV
Koechly schrieb in der edit. mai. mit Rhodomann
-apd. Xexxpotoi, was Quintus keinesfalls gesagt hätte,
da er nur vor Xeyoq Längung zulässt. Die Formel
Txxpä |j.sydpotot findet sich bei Homer nicht.
\).<x'Qbq: xaXa't xöpxts; ^oav uxo p.a'Co'totv iouoat IV 182 IV
Hom. t5> ow sx't [ax'Cm t 483 II
jj. s X t yj : tou yap üxb peXtv; xouXuc oxpaobp sv xovtv)ot IX 184 II
Hom. otv; 3’ ap’ sxi p-eXt-yj^ yaXxoyXt.V/tvoc spsto0st;
X 225 II
|xup!xyj: xTtoooov üxb (j.up£xv)otv aXsuaasvot ßapu xrjp.a V 434 II
Die frühere Vulg. üxxt ist durch Koechly be
seitigt worden; Hom. Bvjxsv ava (/.uptxrjv K 466 II
Studien zur Technik des nackliomerisclien heroischen Verses.
721
ve®05: otov 3 s vsooc et« 8t’ vjep0; VIII 49 II
Falsch 3r, Rhodomann und Tychsen, Hom.
3e ve'oo? etrcexo rce^öv A 274 IV
dXxo oid veseiov • xd'/a Se rnpeac; eioa^i'y.avev XII 203 II
Hom. Xdßpov Circo vecpdwv 0 625 II, Spitzner’s Circe-x,
(Observ. 285) unnütz.
aiöepoi; dpiffitpaYEVTOi; Circo vssswv eptSoörcwv I 39 IV
Die frühere Vulg. CircaC von Hermann und Koechly
beseitigt.
sx. Atop, süx’ i'/datjxo't erct vs'ipsa x.xurcswo't II 223 IV
Hom. rcoxi ve®sa gzioevt« 6 374 IV
vsupi}: Iffoux’ ärcb veupijs • oXob? Ss ot sarcexo rcoxptos XI 464 II
Hom. iw ärcb veup-ijs A 476 II
•^rce 8’ arc'o veupvjfpt 0o'ov ßs7,oc • vj 8’ id/jrjcrsv X 210 II
Hom. ■/} pa rcai äXXpv otax'ov ärcb veupijopiv taXXev 0 300 IV
vi<pöei<;: "Ip.ßpM ürc0 vifflösvxt rcapat rcoa't Tapß-^Xoto VIII 80 II
urco E 1, Vulg. urcai, Hom. Tp.wXw urco vusöevxt T 385 II
pooq: 'EarcspCSe? Öpediavxo rcapd poov ’QzeavoTo II 419 IV
Hom. Henristichion II 151 X 21 IV. Darnach
bildete der Dichter:
|j.upöjj.evat [j.sydcXoio rcapd poov ’HptSavoto V 628 IV
Necraov 3’ au0’ exepwOt rcapd poov Euvjvoto VI 283 IV
rprjvh.ou rcoxap.oTo rcapd poov • äp.et 8’ dp’ abxw III 302 IV
Saffaptoo rcoxaptolo rcapd poov • ouSs vu xovye XI 38 IV
yjvxe ßCrj rcoxap-olo y.xxd poov rp/ifi'ny. VI 379 IV
Hom. wüs ’AxtXXsus eSai£e y.axd poov 0Ü8’ eXeatpsv
<l> 147 IV
rca^XäiJwv dXeyetvbv ävd poov, äp,®i os rcavxy) VII 118 IV
ouo’ ext ot |jiE|j.daatv ävd poov Tf/jqs.'na VII 548 IV
ev Se ßtr ( ‘l’aeOovxos ävd poov ’Hpioavolo X 192 IV
Die Formel ävd pöov hat Homer nicht,
p t rc 77: -/.arcvoü urco ptrcvjs vJS’ ävepo?, äXX’ äpa y.ai wo III 225 II
Daneben besteht die Var. urcat, aber M hat urco.
Xdßpov urco ptrcijs ßapuvj^eos ä).Xu3ts ä’XXa XI 123 II
Hom. M 462 II u. s.
p 77 yv u [u. t.: Sevoped xe p-^yvutjt y.at oupea rcatrcaXöevxa VIII 226 II
Hom. xEr/c; xe pvjijetv M 198 II
auv ve®ea pvjijwai Atb? f/.sya /wop.evoto VIII 72 II
Hom. ev 3’ auxot? sptSa pijyvuvxo ßapetav T 55 IV
722
Rz acli.
pt'ov: Ixxups'vwc AexxoTo, x60t ptov uxxaxov : 'ISr ( c XIV 415 IV
Hom. xep't ptov OuXup.xoto 0 25 IV
p ei)xr51 ov: iXrjSbv xxwxxouxat ava pwxf, ta xuy.va I 7 IV
Hom. Hemistichion N 199 IV
An Homer klingt an
[/.ö po q: y.at pivot; ■ IxpaXlat 5s xox't p.opov std xsXeuOot XI 107 IV
Ausser den Längungen vor dem derselben Wurzel
ungehörigen p.otpa z. B. xavxot y.axä p.oTpav y 457 II
y.axa p.otpav y.axtXscac y 331 IV haben wir im Inlaute
bei apropos und 5ucäp.|j.opoq Doppelung der Liquida.
b) Nach anderen Mustern.
\£%on 0IXyst Ivt Xs/eexxiv aSy]v Ixtxlpxopiof ßäihov I 136 II
M Ivt, frühere Vulgata falsch !v.
yOti^bp Ivi Xex£eerst 5 tot y.ve<pa<; vxvwovxt XIV 237 II
Apollon. Rhod. otxtv ev'i Xsylsxxt Sta x.vl<pa? A 1071 H
aXX’ 5 piv o3v ex 1 . xuxÖ'op Ivt Xs-/eexxt XsXstxxo V 528 IV
Apollon. Rhod. ivt Xsylsxxt xexovxe<; B 1012 IV
xotijc vji; äXöyoto xapa Xs^ssxatv tauxat I 670 IV
Die Hdschr. M hat xapa, die anderen xapat; bei
Homer hat x 213, wie oben erwähnt, eine Hdschr.
(Ven. 457) auch xapa Xe’/eexx’.v, sonst xapa!. Vgl.
Manethon III 390 IV
oiwvüv xxspä xoXXa xspi X s y I e x x t y.eyuvxo IX 358 IV
X£(1 vi): xiv pa xapa Xt'p.vr) ruyatY] ystvaxo [j.V ( x-qp XI 68 II
Koechly xapa, Vulg. xapat; ein Vorbild bietet
Nikandros: y.tüxat xe Xtp.vaüov üxsOpstj/avxo xap’ iiSwp
Ther. 888 II
ptExxo?: xouvsy.’ Ivt p.lxxotxtv lüxpova N-^ptrjtv^v IV 128 II
sxxr; Ivt p.lxxotxi y.a't äp.tpoxspstxi p.sxvjuBa IV 265 II
Früher !v, Ivt hergestellt von Struve und Spitzner.
xto 5' ap' Ivt p.Ixxotxt 0lxt? xöpEV app.a y.a’t txxous IV288 II
Oäjy.EV Ivt p.lxxotxi 0egc 0exi; • ap.o't 51 xävxr, V 3 II
Oijy.sv Ivt p.lxxotxtv Ixlwv 0sxti; äpyopsxsiia V 233 II
So Koechly in der Ed. mai., in der kleineren Ausgabe
schreibt er Ivt p.sxxot; nach C mit Tyehsen und Lehrs.
Sv) xöx’ Ivt plxxotxtv äystpopivotxt p.sxr)u5a VI 8 II
patvEx’ Ivt plxxotxtv, euc •/.’ Ixtovxa Sap.axxr) VI 397 II
oäjptp Ivt plxxoixiv • Ix’ äXXu 5’ aXXo? ipwpst VI 438 II
JJJJUUJJiimi
Studien zur Technik des nachhomerischen heroischen Verses. 723
IJtso-o-oq: ij 8’ ap’evi p.eo'aY]o , tv ew icsp! TtatSl yuQsTxa II 607 II
Conjectur Rliodomann’s für pisaoiaiv.
xotaiv Sy) MeveXaos evi [xsuaotat y,ai auxo? XIV 17 IV
Vorbild für diese Fälle ist Apollon. Rhod. auSa
evi piusowi xeov voov A 464 II und evi peovoi? «yopeuaev
B 879 IV
paxt?: s? vyjSuv • aixp.Y) Se xuoxi payiv sljsicspr;<rev IX 189 IV
Arat. Süvet p.ev Zxeyavo?, Süvei Se staxa pdytv ’lyö’jc
Phaen. 572 V
c) Neubildungen.
p-u^axo?: y.puuxaXXw axaXavxov evi p-uyaTOist Se Tcavxr] VI 477 IV
otjie Se of, MeveXaoc evi puyaTotct Sop.oto XIII 385 IV
p.uiov: eoaupievwq avdeipev ütc'o p.uä>vo<; epeicdis IV 228 IV
Die Vulgata war üxep.
pu£w: -fj Bk p.£-/a p.6£ouca xuXlvSexo xoXXov eic’ alav XIII 244 II
Gerhard Lectt. Apoll. 120 schrieb nach Rhodo-
mann piv’ o!p.w(ou<ja ,de productione inutiliter solli-
citus‘; p-sya pü^ouxa ist wohlbezeugte Ueberlieferung
(von VE t C,. 2 ) und schon von Tychsen angenommen,
v eu ?: w0et arco vexuoi;- xoi 8’ ouy. oweXyjYov bp.oy.Xy)c III 219 II
y.xetvwv ov y.e 'd/rf. xepi viy.uv, äXXd ptv ’AXywv III 308 IV
oeiexo Se '/öwv wca irepi vey.uv AioouSao (Saxpuctv) III 602 IV
ßaibv d'xwGe yiovxo xepi v£kuv, 3? 8’ evi p.Ejcotp III 728 TV
a-Ypopievoi y.aia aaxo rrepi vey.uac zovsovxo XIV 400 IV
Möglicherweise entstammt diese wiederholte Län
gung vor vey.u? der Nachahmung eines alten uns
nicht mehr erhaltenen Musters.
Ntpeü;: di S’jp,Y]0ev txavov uito Ncpvji avaxxt XI 61 IV
So Koechly, frühere Vulg. Cwat, aber vgl. den
folgenden Fall:
Ntuaoi;: Zwpöv xe Ni'caov xe ixepixXeixöv x’ ’Epüpavxa III 231 II 1
Ausser den genannten Längungen finden sich bei Quintus
noch verschiedene scheinbare, die sich alle durch Anfügung
des v ephelk. erledigen. Dieses ist hdschr. theilweise über
liefert, theilweise nicht, Koechly schrieb es durchweg.
1 Absichtlich weggelassen ist vo o' avtixpb jjiXav dop II 543, wo der Grund
der Länge des Auslauts in der Schlusssilbe des Wortes selbst liegt.
Sitzungsber. d. phil.-hist. CI. XCV. Bd. III. Hft. 47
724
Rzach.
ab') 3’ l/ßi Xautrjotv iwr’ iopuotv opim~ot. owtci;- XII 402 II
teityouai psY« y.uBo? • 3 5’ dtp.qjoTepoiat y.sy.aoro VII 566 II
aeüyouai pb^a rcvip.o! TOxpeo<Tup.svoi<ji ßpoToratv VIII 44 II
xvowjot p.efdAYjaiv IXotuvopsvov Bopsao VIII 50 II
dtljouoi ■ p.eya 3’ ap.p.t oioq TrivTEcat raXaactEt VI 67 II
y.atwcrt iii^a aoTU, y.aTaxTEtvwct Be Xaouc III 415 II
si;s0opE psY<xXw icspt xapTSt otc xocrt 06wv IV 584 II
pip.vwp.sv • Tpwatv bt&öknas p.sv’ dtvif/«] XII 60 IV
tou 3’ dtpa ßatov axwösv sXs jj.cYa6up.o? ’AY^vwp VIII 310 IV
<paiv]p x.s p.EY«poto xaTtgpsoä; sp,p,evat spxoc XI 362 II
r t 3’ ettecs p«.eXtYj ivaAiYxtoc, yjv b> 3psoot I 249 II
p.axp^a:t p.sXtYjciv • dcTTETrAav^Oev oe ot at/p.at II 289 II
stpYouof p.äXa rcoAXov etu jtpovov, ot B’ äXeystvoi VII 458 II
•ljuse p.aXa p.ay.pbvj v \pr t q o£ ot dtvTsßÖYjas VIII 326 II
y.Xat'ouct päXa tsotvov • 6 3’ IpwraXi xatai y.at atreo? XIII 540 II
EAxwot p.o~{£o'ntq saw dt Abc 'OX' / 5^ CTCT7 3? XU 429 II
crsto TCarfjp y.stvoto tcsXs [J-ovEpow Toy.vjo? VII 666 IV
aeueoxs p,aartY! xotl y.Aovov • ot 3’ ettstovto IX 216 II
tw y.at aot p.sTomo0ev ’Eptvüec aXysa teü/_ov XIII 382 II
Sscy.pua • AcuvaAEov votp sys p.sta tcevOeci -evOoc XIV 303 IV
cuSs y.ußspvtqTYjct raXs pivoc EtoETt vyjwv XIV 502 IV
auv 3’ £•/££ vsijsXac te y.at igepa mzaav usspOs XIV 461 II
auv 3’ syss voov avopo? • sst y0ovt 3’ opp.ara m^a? V 328 II
Orphika.
1. Argonautika.
a) Homerische Nachahmungen.
Xsy.Tpov: yehaz’’ evt AexTpot? p.e.yakryzopoc, Ott^ypoio 1384 II
Die Vulgata war vor Hermann yähxio ev Xsy.Tpotc;
Hom. y.stp.at evt Xsy.Tpw t 516 II
p, syeQos: yAX'koq te p,£Ys0o? te y.at ■qvopsijv foepoicXov 811 II
Hom. slocc t£ p.EYs0o; te B 58 II u. s.
p.SYapov: tcapOsvou, vjv dtTtTaXXsv svt p.£Yapotatv sotatv 782 IV
Hom. z. B. A 396 IV
VEtpoq: S.r i \):r~,pzz • xspt 3’ aÖTS p. s y ot vsooi; soTEoavwTS 1195 IV
Hom. o)ote vecoc r,k 06eXXa V 366 IV. Pierson’s
Vorschlag piXav vso:c nach 3 180 ist zwar nicht
übel, aber unnöthig.
Studien zur Technik des nachkomerisclien heroischen Verses.
725
peLw: ah'.\i.i te psiis’v xExvup.sva -z üjayopsüsiv 1123 II
Hom. Osow(v te ps'Cetv aunoXai xs Sarca xsvsaöai !; 251 II
pY|-fp. £ v: v^gou ex! p-gyp-lva y.ai aiyXifisvT« Tspsg.va 1203 II
Hom. dy,pov ex! pr,y|MVo<; d'Acc xoAtoto Osesxgv Y 229 II
b) Ohne ältere Muster.
Auypö?: '/.cham ex! adYpw Ss xepwTpogaSvjv aÄäAvjxo 1264 II
Hermann: ,Productionem in praepositione ex! non
habeo, qua auctoritate antiquiorum muniam. Quare
liaec quoque verba ex veteri quopiam carmine sumpta
arbitrorb Es scheint hier die äusserliche Analogie
von Aiyupöc, das oft Längung vor sich aufweist, zu
dieser Neubildung beigetragen zu haben, wenn nicht
thatsächlicli, wie Hermann meint, die Längung vor
Au-ppog in einem verlorenen Stücke vorlag.
Durch Anfügung eines v ephelk. erledigt sich
p.Y)Tpoc, a t’ sv KußsAoic opsff! {AVj-cwato y.oüpvjv 22 IV
So die Ueberlieferung, Hermann setzte v ephelk. hinzu.
2. Orphische Hymnen.
a) Homerisch.
Aiyupog: g.dcTiyt Atyupfl xs-pdopsv ap|;.a Suinuav VIII 19 II
Die alte Vulgata war das grundfalsche p.dsrrp obv
Ätyup^. Homerischer Versanfang A 532, wo freilich t
als Dativausgang an und für sich lang ist; doch
vgl. auch xvotvj uxo Aiyupf, N 590 II
b) Ohne älteres Vorbild.
p.uufgptov: sütspöv te xpdxsiiav ice p,uuT-gpid 0’ ä:pd XLIV 9 IV
Unmöglich ist (vgl. Hilberg, Silbenwägung 123)
Bpdy/ts y.a! Ai3up,sü, Ey.dspys, Ao£!a, äyvs XXXIV 7
Da hier eine Längung in der 4. Thesis Statt hätte, so
ward von Hermann geändert szaspyog, was aber gegen Hilberg’s
10. Gesetz b. verstösst; ich schlage vor i/.dzp-p [ab] A:S!a zu
schreiben.
3. Lithika.
Homerisch:
p. i y a p c v : oüSs e vcöcoc dy.’.y.uc sv! p.sydpo'.ct oagdcssi 22 IV
Hom. z. B. A 396 IV
47*
726
Rzac h.
Zweifelhaft ist
o? S’ d'p’ mal pa'(orit xopeaactpevot yakaOrivoi 217 IV
Gesner schrieb uzo, der von Abel verglichene Cod.
Ambrosianus aber hat uxat, obzwar vor pa’(6? auch bei Homer
sich Längung vorfindet: xm g<7> eici pai^w x 483 II
Durch die von demselben Cod. Ambrosianus überlieferte
Schreibung entfällt Vers 498 der Lithika in der Hermann’schen
Fassung, wo Längung vor po8oei<; wäre:
ixexpov 8’ o? y„ev picr, evi pooöevxi skat'w
Dieser Vers lautet nunmehr (vgl. Abel Epistula de cod.
Ambros. Lithieorum, Budapestini 1879)
pexptp 8’ 8? y.sv ww (Cod. pexpw — low) p% (Cod. piSs:)
poSoevxo? eXodo’J.
Falsch überliefert ist im Vers 152 b, den Ambr. allein
bietet (Abel p. 21), eine Längung vor p'.v in III. Arsis:
auxdp sxei polpa ptv äxYiYaYSv rjeXioio
Abel hat gleich das Richtige hergestellt, indem er potpai
ptv Cßrf)Y«Y 0V schrieb.
4. Fragmente.
Homerisch:
peY«?: sv xpäxoc, eT? Sat'pwv yeveTO, p.eytxq apybq dixavxwv Fr.
VI 16 IV
Hom. pvrjffx^pfftv 8’ dp’ oqoq yevexo p-q-a, xd« 8’ apa
Xpw; 9 412 IV
p,sYapov: evö’ oöv ’Qy.eavb: pev evi p.eYapottnv eptpvev Fr. VIII
31 IV
Hom. z. B. A 396 IV
Tefij: 4>oißT)v xe ‘Pe£i)V xe, Aio? yevizetpm dvaxxoc Fr. VIII 25 II
Ausser Hom. 0 187 VI vgl. Hesiod. 0£tav xe
'Peiav xe Th. 135 II Hom. Hymn. p/rjxYjp xe 'Petr,
IV 43 II
Oraeula Graeca ed. Hendess.
Homerisch:
ixeytxs: dxy.o'j xov zpotiyovxa xoSa, peya ospxaxe Xawv XX 1 IV
In der Anthol. XIV 150 findet sich die Fassung
xoSatöva, otXxaxe Aawv, doch vgl. Hesiod. A. 330
peya ipepxaxe 7,a<5v; die Längung ist homerisch: dp.$t
xrupl (rrijaat xpwuoSa p.eyav Z 344 IV
Stadien zar Technik des nachhomerischen heroischen Verses.
727
ps£«: sq y.£ TctSs psijr, y.sivou y.pdTop soostoc! aisi CLVII 61 II
(Cod. pe^st, Verbesserung; von Nauck) Hom. cspa
is pe!(ouot s 102 II (und ij oTt xoggiv ts ps^r, y.a! ^sputv
lijo'.v 0 148 III).
Sibyllinisehe Orakel. 1
a) Nach homerischem Muster.
psY«?: ßwpw ext psy6.Xw ixyiug 6Xoxapxe6ovts<; III 579 II
Hom. owpu ext [AS'faAw K 304 II
sGTai äs cy.OTcpi.aiva xspl psyav obpavbv auTÖv V 480 IV
Hom. apci xsp't psfctV l'a/ov <b 10 III und ext
psvav opy.ov opoüpa 1 . A 233 IV
y.s" xäXiv e-py-upaouGt xoSi ps'/a v?y.cp 'iyor.ic XII 338 IV
Conjectur von Mai für das corr. xaloa, Alexandre
(XIV 339) xoXsi; Hom. xoXXov uxo Tptxoät psyaXu t359 III
AI'yuxts psYotOups, ctTap xaX'. TauTa ßo’^ow IX 119 II
Hom. NqXca ts psyctfiupov o 229 II
Unrichtig überliefert ist
suopsvY) xspl gs, psYctXyj y.aXX!cra-/ : J '(ata IX 118 III
In III. Arsis kann die Längung nicht stehen, es ist zu
schreiben xspl oou.
pcapcp: r,oav apa ptapoc, xsy.opuOpsvo! alpan cpaiTiSv I 77 II
Hom. oüSs xoö; piapop • cbv 3’ sXxsa xav-a pspuyev Q
420 II Die Aenderung von Opsopoeus ^oav 3’ ap ptapot,
der auch Volkmann (Specim. novae Sibyll; o’racc.
editionis p. 20) und Alexandre zustimmt, ist wegen
des homerischen Musters nicht nöthig.
psw: aipa xoXu psÜGst tots ßipßapov sv y.ovlrjoi XII 304 II
Hom. sy. -/stpwv ßeXsa psov M 159 IV, vgl. xeptppee
i 388 IV
pi^YVupt: xr ( Yyk ts pvjijsc y^ uä£ P“? Xsuy.olo y®X«xtop III 748 II
Hom. tsT/cc ts pf,c£Lv M 198 II
puxapo?: Xsuv.bv exl puxapw pvjT’ ewjv pr ( TS vsvot'pirjv V 188 II
Hom. vuv 3’ OTT! puxou (ji 115 II, vgl. auch airräp
sxst xXuvav ts *x.ce0Yjpav ts puxa xävTa t 93 V
In der Zählung folge ich Friedlieb.
728
R z ach.
b) Ohne alte Vorlagen.
pafoyect xs pspatoxsc' taue SiaSYjXifcovxat XII 65 II
prjvt?: /.xstvcpEVov y.xy.oxr ( xt Stic pvjvtv ßaotX^cov XII 30 IV
pepavrjpgvoc: oic xaxov sv axepvoiGiv svt pspavyjpsvo? oloxpoc
III 39 IV
psXaöpov:. aot? yap evt peXäOpotai y.axoty.^oEt xpipcc avopwv XI 61 II
Aeusserliche Analogie von ofolotv svt ps-pipoiGiv
Hom. A 76 II
vooxoc: oxor/et'ou apyopEVcio, Ixt vootou oxoiyjjosi IX 142 IV
Friedlieb vocxoto nach den Hdschr. Besser empfiehlt
sich übrigens die Conjeetur Alexandres (XI 142)
ixt vooxou [o’ xxuy^cEt].
'J?töjxvj: treib xoxs, 'Ptbpvj, xctotv §s päXtoxa Axxt'vot? VIII 152 II
tcOt tote 'Pwprjc oXoov Opivov sffb? sdvxx X 224 II
Absichtlich weggelassen ward
at at xävx' x/.xOxpxE xcXt Aaxtvtoo? au;? V 168 IV
Die Längung ist hier nicht durch den Liquidaanlaut be
wirkt, sondern ihr Grund ist in dem Vocativ xöXt selbst zu
suchen, wie bei Homer z. B. xtxxs 0ixt xavixszXs, vgl. das Nähere
bei Hartei, Hom. Stud. I 2 64; ein anderes Beispiel in den
sibyllinischen Orakeln bietet gleich die unten folgende Stelle oi
oi cot Msp.fi, ot at y.xA.
Corrupt ist die Ueberlieferung in folgenden Fällen:
Tips ob 8’ ij'A’y.x Xv;tiv) poyv) ■ Ebosßitov -pap VII 62 III
‘So Cod. Vindob. und Bodl. (A und B bei Friedlieb), Laur.
(F) tJjXtxov. Die Conjeetur von Alexandre ob o’ vjy-toxa XeGv) pov»j
behebt den metrischen Fehler auch nicht, da in III. Arsis eine
Längung vor einer Liquida, noch dazu bei einem Worte von
der Messung nicht stehen kann; vgl. auch Hilberg-, Silben
wägung p. 96.
at at ob Miuot, at dl psyaXr ( ßaatXsia IX 33 II
Es ist mit Alexandre (XI 33) cot Mipot zu schreiben.
/.at föapxvj oapy.i popotjv y.a't zioxtv xztoxot? VIII 258 III
Dieser auch von Hilberg verworfene Vers (Silbenw. p. 282)
bietet die Var. pOapxr,; oapy.i?, die aber dem Sinne nach nicht
befriedigt. Es ist wol zu schreiben oöapxaTc oap?iv; der Plural
kann keinen Austoss erregen, vgl. II 223 in der Fassung
Studien zur Technik des nachliomerischen heroischen Verses.
729
Volkmann’s (Specimen novae Sibyllinorum oraculorum editionis,
p. 4), der das von den Hdschr. Pr A gebotene dpjaoTq xavToio«;
oap'i 17apy.ec y.ai vsijpa zspi /poi restituirte in der Form app-ot; xav-
xoioti; crapiriv tjap'/.ac y.ai veüpa; Friedlieb schrieb: oapcjiv Ss ts xäcaic
cäpy.otc, Alexandre (224) oapijiv o’ ev xdcaic capy.sc •
iq iSitov ävSpöv • töts cot xdXi, yaia pay:pd IX 259
Wir hätten in der 5.Thesis eine Längung vor p; diese Unzu-
kömmlichkeit wird beseitigt, indem wir entweder ycda schi’eiben,
oder ein £> einschieben (aoi soEXiv, u> yaia pay.pd). Die Correption
von ai im Inlaut ist in den sibyllinischen Orakeln durchaus
keine Seltenheit, z. B. appi yaty] opica? I 323, y.ai outoc äpoißala
ASCE-a: ipya III 432 aipaav ävSpopiotc r.oWrpt yatav dpoEÜovTSc I 156
toütwv rp 'Eßpatwv ■ csivbc o’ au toTc ycAcc ffen II 170 (und so
I 346. 362. 395 u. a.). Alexandre conjicirte (XI 259) yata
[pay.aipa],
•/.ai xöXte? dxXrjaTOt 3’ IQvsd te pvpiosvTa IX 2
Der corrupte Vers lässt sich heilen, wenn man entweder
mit Alexandre (XI 2) schreibt y.ai xöa’.ec dxXiqoTci [iS’] cOvsa
pupioevva oder aber emendirt axAvjcnroi xöXts; ts y.ai s6vsa p'jp'.csvra.
Durch Anfügung eines v ephelkystikon erledigen sich
folgende Stellen:
cicrova: p.EyaAcio Osou • zoux. soosTat aXXoi; III 772 II
owoou« poipac ßaciXföo? eivsxsv ipyr,q IX 101 II
y.ai sropatn ptapot? sy.xTjap.aTa iyapp.ay.csvT« VIII 289 II
vj^c'jc’. MtyarjX raßpdjX 'Pacai)X t’ Obpti)X II 215 II
di;ouci psTEiopov, so)c sciSwci ts itdvres V 217 II
apcouc; psTExetT’ aXXoi y.aci auXov sy.aorcv IX 224 II
iscsvo: pETEXSiTa, y.ai aXXog aXXov oXetrset IX 249 II
apqouc. pstsxs'.t’ aXXoi ovo oute? dvay.Tsc X 117 II
dpccv« pEcsxs'.c’ dXXot Süo oute; dvay.Tsc XII 21 II
apccjc! jj.Ecd tovSe Süio ßac./.^Ec dvay.Tsc XII 105 II (Friedl. ovo)
y.ai ßac.Ast; wAOVOO y.ai Iv toi« pevsv apyvj V 153 V
zXaüoo'j« vvpoa:, cti Sij 0ebv o'jy. svorjoav VII 53 II
iczrpz viy.Yj? sxasöXiov • oi os /.aßcvTsc II 152 II
OTEpco-j« 'Pujxy; aüroi y.ai y.copsv axavTa XII 249 II.
Hier sei auch hinzugefügt ein Vers aus den Orakeln
der Phaenno, bei Alexandre Excurs. ad Sibyll. 132
paysv: y.ai psya oiS^ost, cayv oe paysv aipopovfcst B 21 IV
Die Längung ist homerisch 3cd ts pijEaoOa'. M 308 IV
730
Rzach.
Porphyrios’ Orakel. 1
a) Nach homerischen Mustern.
Xtyupöi;: 'Ävotvj uxo Xtyupi) xexaXuppevov ’^spo; dyvou 210 II
Homerisches Heinistichion N 590.
pdaxii;: dy.ap.aT0U odpvavxa: Oxb pdaTiyi ösolo 328 IV (p. 186
Wolff).
Wolff schrieb uxai, wie Lactantius überlieferte,
aber es ist mit Sedulius mb zu schreiben, vgl. Hom.
o 3’ dpa paoTiyi ziXeuev 4 642 (bei pdoxtE noch fünf
mal Längung).
Nüpaat: /eus p.EX; Nup^aio! Auovbaoiö xe 3u>pa 13 II
Hom. tt) §e 6’ dpa vupcpat L 105 II
b) Nach anderweitigen Vorlagen.
pcczap: Icxt o’ Ivt pay.dpsoc.y dpfp/avo;, es pr) sauxöv Append.
oracc. 3 II (p. 232).
Vgl. Empedokles öm'o pay.dpwv EIspl 4>6a. 6 IV
c) Neu.
Xtßavoc: dxpoüp x£ Xißdvoio y.ac oüXoyjixac IraßaXXe 18 II
Es entfällt jedoch durch Anfügen des v ephelk. die Stelle
vCocL'.y Xeäxoitn •/.aTO'.y.tototp y.aXaßdixatc 77 II
Zoroastris oraeula maglca.
Ohne jedes Muster (ein elender Vers):
poXuvw: pyj xveupa poXüvr)? pr)3e ßaGüvrjc xo exwceSov 26 II
Griechische Anthologie.
a) Nachbildung homerischer Fälle.
X a p cc: oupbv Sr; xpoeijxev dx-qpovd xe Xtapov x£ IX 361. 6 V
< Leon Philosophos.
Einem Homercento ,£t? xapGcvov oGapeioav 4 ent
nommen. Der letzte Vers stammt aus £ 268 oupov
1 Porphyrü de philosophia ex oraculis haurienda librorum reliquiae ed.
Gnst. Wolff.
Studien zur Technik des nachhomerischen heroischen Verses.
731
oe xposrptev axipptovct ts Xtapöv ts (= r t 266), es ist nur
statt des oupoc des Originals oupoc (hier in der Be
deutung ,Same‘) gesetzt; Sv; Schneidewin.
p,e^apov: et tiv’ systc Aicvuoov evi pisYötpoiot teoToi XI 295. 1 IV
Lukillios.
Der Versschluss entnommen aus Hom. a 295 —
Ä 119.
ptaXax,6c: aüpat' ts piakaxov auplyp.om awpta ospoucat VIII 129. 3 II
Gregorios Naz.
Hdschr. Ueberlieferung oupatTat. wo e durch die
Schreibung a: ausgedrückt ist; Hom. aiei os ptaXa-
xowt xat alptuXtotot XoYototv y. 56 II
vtcpä;: xat srcsa vtsaostitv sot/ixa ^reipiepwjcrtv XV 40. 24 II
Kometas.
Homerischer Vers T 222, wo natürlich das a in
Ir.t'j. als natura lang aufzufassen ist.
pvjYpuv: äXXd es vov ’AyspovTOt; exl pTjypuoi ysywoav III 8. 3 IV
Epigr. sv KjD.'/.w.
Hom. S7tt pyjypuvt OaXacovjc A 437 IV
pt'C«: 4>ofßou ä-jrb p(^i}i aOavoaoo ysYococ VII 135. 2 (Pentam.) II
Unbekannt.
Cod. goto ppfCrj?; Hom. Hymn. tcu -/.at goto ci&rjc
V 12 II
pooov: tot pöSa toi opoocsvTa -/.at ä y.aTcbrux.TOi; sy.stva VI 336. 1 J =
Theokrit. Epigr. III
to poSov äy.ptot^ct ßat'ov ypövov • i)v 3s TtapsXöv] XI 53. 1 1
Unbekannt.
Vgl. Theokr. a. a. O.
to TptTov fjvi/.’ Imvs • Ta oe pöoa ouXXoßoXsüvTa XII134. 3 IV
= Kallimach. Epigr. 44 Schneid,
stptä ts poSösvTa y.at sc y.uavcTptya yjxivip VI 250. 5 II
Antiphilos.
•q Ta po3a poccsooav systc yaptv• aXXä Tt tcwXsTc: V81.1 II
Dionysios Sophista.
y.at os “ott po3sy;otv iwtjyp'/ocno yspsootv XII 121. 3 II =
Rhianos Fr. IV Meineke.
Vorbilder Hom. e 121. IV Hom. Hymn. XXXI
6 II u. s.
732
R zacli.
pot^o?: p-asTiya, poi'(ou [j-vj-cepa GapxaXsYjv VI 246. 6 (Pentam.) II
Argentarios od. Philodemos?
Hom. os poiijp i 315 II
po^aXov: xo pcixaXov xw llavl y.ai ioßoXov HoXöaivo; VI 34. 1 I
= Rhianos Fr. VII Meineke
avxfo; b. izXay.m ieQ’ ■ o bk poxaXw VI 255. 6 (Penta
meter) V Erykios.
y.v)y. ZYjvic • Oiipcw ostvcq, o 3e poixaXw XVI 185. 2
(Pentameter) V Unbekannt.
Hom. K'jy.Xwrac b.v.~o osv« pb'xaXsv xrapa gt'/m
t 319 IV
p jxöc: ywXai x£ pucat xe. ratpaßXökres x’ opOaXpA XI 361. 3 II
Automedon.
Homerischer Vers I 503.
p 2 : s x i) p: sv. ■jrupb? o p a ’ gxy; p y.c« s y.apy.Ooc, vj xe Ttupä'Ypvj VI 117.1II
Pankrates.
oüS’ s” [as ypicEiov a~b pa’.cxvjpoc 'O;j.r ( pov VII 5. 1 IV
Alkaios Messen.?
Cod. onto pßatcxrjpo;.
Nicht direct homerisch, aber vgl. y.at äxopp«toa>.
siXov rpop Tr 428 IV; Kallimach. euO’ ot * ; '£ pataxijpai;
Hymn. III 59 II
pi^xw: ßtßXcv o£ pitiac sxxi -prjv y_;p( xoux’ Ißörpa IX 361. 3 II
'* Markos Argentarios.
Nach Homer: Tp<7>EC ETCppuiav ■xEp; JlrjXEi'am öavövxt
£ 310 II, vgl. Timon von Phlius b ok puxic pwtxaijy.ev
64 II
pu7x6et<5: bX'K’t] xe puTCÖscca ixoXuxpv)xoio x£ mjp«!; VI 293. 3 II
Leonidas.
Hom. y.otOrjpäv xs püxa . ■xavxa ’Q 93 V, vuv S 1 oxxi
i’j-su 4 115 II
poxo?: xävSe x’ szwiX^y.xEtpav axxb puxolo Sto^p-ot) VI 233. 3 IV
Maikios.
Cod. äuoppüxoto. Jacobs ,scripsi aitb puxolo id est
dtotb puxvjpoc . .‘ Hom. r ( p,£v äyovxtaxa? ißk puxvjpac
s'.jxüiv g 262 IV «
puxi?: ap y.at ewt puxi'Swv 5 -fhir/bc IEsx’ ’Epwc VII 217. 2
(Pentam.) II Asklepiades.
Studien zur Technik des nachhomerischen heroischen Verses.
733
Cod. kmpmom ,superposito altero p‘. Die Län
gung vor puff? hat sich Asklepiades nach Analogie
von purqp (vgl. poi6?) gestattet, mit dem es desselben
Stammes ist, vgl. das vorangehende Wort.
b) Nach sonstigen Vorlagen.
Xaoio?: op-p-a y.a-d kauläv yaupov l/v. vsv6o)V 1X 745. 2 (Penta
meter) II Anyte.
Vgl. Incert. Idyll. IX 257 aurou sm kaffoio y.apy]aio?
ävpisAaiav.
öxtots p.'.v y.yv;p.oö? ts -/.a-ta Aaoiou? te /apaopa: VI 255. 3 IV
Erykios.
jiLtrto;: ’Exßatavwv irscho y.sip.sö’ svt [xecotTW VII 256. 2 (Penta
meter) V Platon.
Der Cod. Pal. hat y.£ip.s0a sv \i.izi-M. aber Paris. 1696
y.stp.E0’ Evlp,p.s<r<jdTW. Jacobs wollte y.sip.söa pscoaffw.
Aber vgl. Apollon. Rhod. svl pegvoic ayopEuciv B 879 V
paSivö?: Tsp'tojP diffo paStvwv iOsyyov Istc ^TEpirpav VII 200. 2
(Pentameter) II
Cod. ditoppaSivöv; (Hom. lp.a<j0Ar l v yspffv e/e paSivijv
V 583 II) Hesiod. Th. 195 II
Dem Sinne nach unrichtig ist überliefert
y.jiuai o£. pas'.vav ravos zap’ iqiova VII 215. 6 II Anyte.
paSwa v-Ov kann Nichts heissen. Von den Ver
besserungsvorschlägen, welche hier gemacht worden
sind, scheint mir Keiner das Richtige getroffen zu
haben. Am annehmbarsten ist noch die Ansicht
Geist’s, der in fyöva den Namen eines Baumes ver
derbt sieht, wozu das Epitheton paoivav trefflich passen
würde. Die Längung vor paSjvo? bleibt nach wie vor.
patvw: 7uu0ip,svai xso y.vjpaj cfj Sk paivouca Kapstac VII 464. 5 IV
Antipatros.
So lese ich mit Wakefield, Hecker, Bothe und
Dübner; Jacobs i;a(vouoa. Die Längung liegt zuerst
vor bei Archestratos oijs'; te pafvovTsc Fr. XLII 14 II
psOoc: fj Ein y.yAov dp.u|s y.axd p£0o? ’Aopoyevsta. VII 218. 11 IV
Antipati’os Sidonios.
Vgl. Incert. Id. GoVisff etu; peOssgg: VIII 3 II. Ni-
kandros vwOpf, p.sv dito ps0so? ßaXsv Sibv Ther. J65 IV
■ I
734
Rzach.
c) Neue Bildungen.
Xaßöp ivÖoi;: eivaXts Xaßüptvös, tu p.ot Xdys xi? ff’ avälbjxev VI
224. 1 II Theodoridas.
Dorville und Bothe etvdXi’ & Xaßüptvfts, was
unnöthig ist, da gerade bei solchen Vocativen
im Versanfang Längungen vor Liquiden auch
sonst sieh finden, vgl. Ar/iwre p.sYot0up.s Orac.
Sibyll. IX 119 II TspmiötatE Moiovjffiv Anth. VII
31. 3 II
XaXtij: tGüvat y.stvtrjv euxtiXtxa XaXtijv VII 440. 8 (Pentam.) V
Leonidas Tarent.
Cod. i0bv exst’rtjv suxuXiy.vjv Xaowjv; Plan. iÖüvsct y.otvr,v
i’jy.'jX'.y.a X«X(yjv.
asjXV: DatovESa r,v.z oia y.potäoou IX 300. 4 (Penta-
meterj II Addaios.
Nachgebildet dem homerischen EtyXwtSa {jisXtyjv
n 143 II
Xtp.sv:tac: tauft’ b Ilpir-cc sywv EiritsXXop.M b Xijisvitai; X 1. 7 V
Leonidas.
Eine Parallele findet diese Längung an dem
folgenden Beispiel:
Xtp.svop|x ttrj?: b Xip.eve>ppuTY)i; vauttXtTjv ypaf3p.at X 5. 8 (Penta
meter) I Thyillos.
Der Cod. hat corrupt coXtp-svopp/i^c.
Wouca: tspirvötars Mouchetv ’Avd-/.psov, m Vt BxftuXXco VII
31. 3 II Dioskorides.
Dies ist die Ueberlieferung, beibehalten von
Brunck und Boissonade; Hermann wollte tspiivstr:’,
sv M., Jacobs und Meineke tEpxvctat’ 2> M., Hecker
endlich tEpzvitatoc M., was alles nicht nothwendig
ist, da diese Längung ganz und gar regelmässig
ist, vgl. unter Xaßüpivftoc.
‘I’sittjEc: cvjpjt -äp’ Aiavteiov lut’PottiQtffiv ay.tatt VII 146. 1 IV
Antipatros Sidonios.
Cod. siripperoffctv; dieselbe Längung findet sich
auch bei Triphiodoros stirb 'PottetctSs; av.vfjz 216 IV,
vgl. Wernicke p. 216 und 224.
Studien zur Technik des nachhomerischen heroischen Verses.
735
Abgesehen ward von zwei Stellen, wo im ägyptischen
Monatsnamen \).£<iopi der Auslaut vor Liquidae zu stehen kommt,
da hier der Grund der Länge in der Quantität der Auslaut
silbe selbst zu suchen ist.
tw ;/.£ffopl Aoucrat • mü ydp sab) Bopeaq IX 617. 8 II
•/.ai p.saopi NetXoio cpepsi ©ut^oov üoo>p IX 383. 12 II
Bei einzelnen Stellen muss das hdschr. fehlende v ephelk.
hinzugefügt werden, wie z. B. in
Gm s©uy£ pwp.av xavoap.dxwp ’AiSac XVI 213. 4 II
In einigen Fällen erscheinen vocalisch auslautende Kürzen
in der III. Arsis des Pentameters vor folgender Liquida ge
längt, was eben im Baue dieses Verses seine Erklärung findet,
so in
sotwc Xouxpä xäSe jxixpä p.sv xXXx ©tXa IX 612. 2 III
(Jacobs’ xp.’.y.px ist nicht nothwendig.)
r, Op'j'lt?, ob Mxcxjxl 8 wpa ©spsic VIII 166. 4 III
Gregorios Naz.
tt;; 0% dvSpoaöve, ■s.-j.':n\s.vn ( z xaXdjAYji; VIII 177. 6 III
Gregorios Naz.
suffipaivst Ttaxepa vou? Ösbv sicropöwv I 68. 2 III
Die Ueberlieferung ist corrupt in
xotov yäp Hevoy.Xijc 6 Aivococ dwpaXe? Spquv
Isüvp.x 8ta xXaxso; xoüS’ IßaXev xoxap.o3 IX 147. 3
Antagoras von Rhodos.
Das Wörtchen b erschiene hier in 3. Thesis gelängt
vor AtvSto;! Jacobs bemühte sich vergeblich, die Längung
durch Anführung von Beispielen (vor X) zu stützen, sie stehen
alle in der Arsis. Plan. xoTov HevoxX% yäp b, wornach Brodaeus
und Brunck SetvoxX^g setzten; Meineke suchte durch xcos Atv-
5'.o; abzuhelfen. Mir scheint Bothe’s Vorschlag s3s der annehm
barste zu sein, nur setzt er voraus, dass die Statue des Xeno-
kles, der die in dem Epigramme erwähnte Brücke baute, sich
an derselben befand, was gar nicht zu den Unmöglichkeiten
gehört.
Gleichfalls eine Corruptel in der Ueberlieferung liegt vor
in dem Verse
iXXx ! Pwur,c xofpovog cxXöxepo? ’Iwövvijs App. 336. 10
Doch ist die unmögliche Längung in der 1. Thesis be
seitigt durch Jacobs’ richtige Conjectur xXX’ dpa.
736
R za ch.
Epigrammata Graeca
(ed, Kaibel).
a) Nach homerischen Mustern.
Xiixapü)?: lEXvjaavxa Xcxapwi; /.'jy.Xov exöv ey.axöv Nro. 451. 6
(Pentameter) II Römische Zeit.
Hom. xouoi 8’ feo Xncapofoiv B 44 II
p.evapov: rjt XeiTM» xavoSupxov sv'c psyocpoiciv ävstyjv Nro. 151. 3 IV
Römische Zeit.
,Poetam valde recentem arguit oratio vulgaris'
Kaibel. Hom. z. B. A 396 IV
xiV.]x£ v.y). iqsc;Yj<Töv evt p,eydpot<; [xoXuoXßoi? Nro. 403.
12 IV
Nupupac ßatov £p.£ Npp.tpa;? Ipyov y.dp,[sv Nr. 599. 1 II = C.I.G.
5649 h. Aus dem 3. oder 4. Jahrh,
Hom. airaxa Ss Nup.sy;; vjpYjcrocro v 355 II
Mit Anlehnung an Homer:
pwoppst: w? xvjvSe poiaabs xoXusxa^uXov xat’ dXwi)[v Nro. 1046.
68 II = Anth. Pal. App. 50. 9
Bei Homer Doppelung der Liquida spp«ovxo , l r 367II,
Längung in der archaischen Poesie: teivop.eva pwo’.xo
Iliu Pers. Fr. III 2 II. Wegen der trochäischen
Wortform vgl. Hilberg, Silbenwägung p. 79.
b) Nach anderen Mustern.
Xs/o?: xoTo? y.al vsy.u? ö>v y.[e«jo] y.axa [XJejj^wv Nro. 243. 13
(Pentameter) V, ungefähr 2. Jahrh. n. Chr.
Apollonios ivi Xe/esaci B 1012 IV, Manethon axb
XsyJojy VI 58 II
p.oyew: •/.«£ xox[e x£xpa]x6oü)v, öxöaa p.oysovxa Sap,£W] Nro. 1068.
4 IV
,Haud paullo Justiniano antiquior titulus videtur
esse' Kaibel. Analog ist ein Fall bei Eratosthenes:
edel 8’ uSaxt poydouatv Fr. I 8 V
voü?: xpa^£t<; xavxa y.axd vouv ■ p.yy.sx: xpu^s ceaoxöv Nro. 1041
2 III
Ein schlechter Vers, worin neben anderen pro-
sodisch-metrischen Mängeln auch die Längung in
Studien zur Technik des nachhomerischen heroischen Verses.
737
der III, Hebung begegnet, welche gegen die Regel
ist. Zu vergleichen ist übrigens Apollon, out’ sto
Y»)öocuva? tootsto vöo? A 620 IV
veto?: uvGcö’, ote veiöv Arj^xepo; etjaXabcotäjev Nro. 1046. 96 II
(= C.I.G. 6280 = Anth. Pal. Append. 50)
Vgl. Apollonios y.tüXwv xeXXoixevou?, tou? äs veov
soTY)ö-a? T 1384 IV
In gewisser Beziehung ist auch hieher zu ziehen der Vers:
Mr/.aptc: uts 86o May. aptv Tartavov ~s y.aotv Supplem. epigr.
gr. Rhein. Mus. XXXIV p. 190 zu Nro. 611. 2
(Pentameter) II
Wofern hier nicht oüo) zu lesen ist, vgl. drob [j,a-
zaptiiv Emped. Ilspt 6 IV Orakel des Porphyr,
svt p,ay.apsaotv Append. 3 II, da der Name mit p.ay.ap
Zusammenhängen kann.
c) Neue Bildungen.
Xuy.dßa?: Tptoo'ov UTCoXXuzdßav rpapp,atty.'o? tsXs'oj Nro. 828. 8
(Pentameter) II = C.I.G. 2169. 2. Jahrh. n. Chr.
Dieser Fall ist sehr bemerkenswerth, weil hier
inschriftlich die Liquida in der Längung ge
doppelt erscheint, wie sich dies öfter in den Hand
schriften vorfindet.
Ntzop.^ä-/j?: Kw[c] [J.ev p.ot xarpt? icruv, sya) 8’ ovop.a Neixop,^oYj[c
Nro. 101. 2V = C.I.G. 863b.
Vielleicht ist an das homer. Ou-tc sp-oty’ ovopä ■
Oütiv äs p.s y.iy.Xvjtr/.ouijtv gedacht worden (t 366).
Zufällig ist der Todte, dem die Grabschrift gilt,
ein ,Moucäti)v Ospjrocov, ä'Stov OupiXatotv "OpjpojV.
Abzusehen ist von dem zweifelhaften Verse
äatot oe depp.: toos [Mevapv;?] '(ipaq öp.oaXü dt[p,]ot Nro. 461. 9
Der Stein hat TOAErEPAC ohne Zwischenraum zwischen
den beiden Wörtern; Kaibel ergänzte Me-fapv;;, was aber un
sicher ist.
Durch Hinzufügen eines v ephelkystikon erledigt sich
otvjv oot v/jXr,? y.aoä [j.vjTepa 77ot;;.o? e'|MtptJie Nro. 1046. 17 II =
C.I.G. 6280.
Aehnlich müsste im Verse
pd|Avs 8op.wy era am • TtctXt [xyjS’ <x[XX]o0i ßalve Nro. 1038. 30 IV
738
Rzach.
wenigstens die Form xdXiv eintreten. Der stümperhafte Vers
mit dem prosodischen Fehler in xaXi ist übrigens eine schlechte
Nachbildung von Anth. Pal. VII 393 \].r t jj.s y.ovt v.puürpe • xt fäp;
xaXi p.r,S’ exi xauxr;;.
Ganz verfehlte Verse mit Längungen vor Liquida in der
Thesis, also gänzlicher Verkennung dieser Art von Positions
bildung sind:
oje xdxpav xe Xetxiov r,y.e xwS’ exi /üpw Nro. 714. 4 II. Thesis
(vjxev Hilberg 18.)
Zyjvojic ixv^xrqp xe xaxijp xe [p.]oi Nec/.6[o7)p.o? Ni’O. 511. 7 IV. Thesis
viv 8’ «crxep fjtoof, gaxapiov xe p.otpav r/ovxe? Nro.253.5IV.Thesis
Kaibel: Videtur poeta xat dedisse, quod postponi
cum non novisset lapicida, xs substituit. Cf. Hermes
X 199.
evOdSe ooi AojxveTv« [e]xeXecr[07)] xäoa |j,o(pYj Nro. 720. 1 V. Thesis
= C.I.G. 6762
Vgl. Hilberg, Silbenwägung p. 14.
Gregorios von Nazianz.
a) Homerisch.
[j.i'fac: xaXvjv xe p.eYdXvjv xe y.ai ßaaiXr ( <>)v IT 1. 1. 230 II
Hom. y.aXf, xe ixeyaXri xs i; 7 II
oiucv evi voYjp,a(Jt y.ocrgoYovo? vou? I 1. 4. 68 II
Hom. cbpoe 8’ exi \jlya y.öjxa e 366 II (vgl. oiatv evi
IJisvapoioi bei Homer)
y.ai xey.euv, xe|Avei oe xoXu p.eya Xaixp.a ßioio 1 2. 1. 286 IV
Hom. aXXa xoXb (xst^ov xe o 698 II, vgl. vje obpu
[j.£Ya vfjtov P 744 III
e£86<; xe |j.£Y£66? xe, xaXaioxdxoiciv öp.oio? II 2. 4. 122 II
eloö? xe p.eYeÖo? xe ■ Xoyo; 8’ oüy. eöSpop.0; II 2. 3. 335 II
y.dXXet xe [j.£Ye0ei xe y.ai ety-övo? egßam'Xeup.a I 1. 4. 99 II
Hom. e£8o? xe p.eYeöo? xe z. B. B 58 II
p.eXo;: y.ai xpogepotc axeßdy.xpov üx'o p.eXeeaa-iv epeioeiv 11 1.1.112IV
Hom. Oup.bv axo geXeuv H 131 II Oppian. Kil. xepi
[xeXeeaot Hai. II 24 IV
vÜGcra: oid x’ axo vü<jor ( ? xöXoi; äeOXocpopoc II 2. 1. 106 (Penta
meter) II
Hom. xoioi S’ dxb vüocty)? V 758 9 121 II
Stndien zur Technik des nachhomerisclien heroischen Verses.
739
b) Nach anderen Mustern.
|j.eaaxoc: y/qpuy.o? ßoötovxo? evi p,eaotxoiatv ay.ousiv II 1. 13. 74 IV
Apollonios evt [j.eoxo'.c äyöpsuaev B 879 IV, Antho
logie y.£i[AsO’ evl jj-sadm VII 256. 2 (Pentam.) II
psQo?: y.al jj.aXaxou? äxaXolai zepi peGeeaac “yixüva? I 2. 1. 218 IV
ouSe Xivou [xaXoaoIo zep! peGeeaac yy.xßva? II 1. 45. 237 IV
y,at xpvjyy? dzaXoiat zepl peGeeaai xexaaGoj II 1. 46. 33 IV
Vgl. Incert. Idyll, aw^ex’ erd peGeecai Id. VIII 3 II,
Nikandr. vwGpr, p,ev am peGeo? ßdXev uzvov Ther. 165 IV
An einen früher erwähnten Fall schliesst sich an:
voepo?: äzXolxe voepot xe, otauyee? • oüx’ am aapxöv 12.1. 48 II und
1 1. 7. 17 II (wo der Vers unverändert wiederkehrt).
Vgl. Apollon, oüx’ ezi yvjQotJÜvai; xpdzexo vöoc A 620 IV
c) Selbständige Bildungen.
Xuzpb?: xepzvüiv xe Xuzpöv xe Xöyov 8’ ex! zaatv Vaaa'.v 111.50. 9311
eXy.wv xe Xuxprjv y.al yijpa? äipaupcv II 1. 43. 10 III
Hiefür ist zu schreiben Cwvjv xe Xuxprjv eXy.wv,
so dass die Längung in die II. Arsis tritt; äusser-
liches Analogon in den Orph. Argon. y.otXw ex! Xuypw
1264 II
vi§: v;p,axd xe vüy,xa? xe Swjvexe? ei? äv äyeipetv II 2. 4. 184 II
Nicht hieher gehören jedoch
Sepy.eo xx p,£pöxeaa! yägo? zopauvev eyeippuv I 2. 1. 248
ouSe x£ ij.ci GaXtac xe y.al & veoxvjxt [/.epwjXev II 1. 45. 303
Wir finden bei solchen Pronomina auch vor stummen Lauten
Längung bei Gregorios z. B. xä 8’ dp’ özyjSoI? II 1. 17. 69, so
dass sich hier (wie auch in anderen Punkten) ein Zurückgreifen
auf homerische Vorbilder ergibt, wie xä zepi y.aXä peeGpa '!> 352. In
Aiyüxxou yevevj vuzx! |xwj ■ ö>? za! 1'p.otye II 1. 9. 90
liegt derselbe Fall vor vgl. [xiyvuvxa? piXixt xe -/_oXv]v I 2. 2. 418,
Nachahmung der hom. Dative mit t, wie zäp vyji xe piveiv i 194.
Unrichtig ward früher geschrieben
dXXä au xo piv £pap!];a?, 8 8’ eXzeo, xouS’ ezißatve I 2. 2. 27 II,
bei Caillau jetzt richtig xoü.
Fälschlich erschienen früher Längungen in der Thesis:
xouxo Aapzpöv aot yevo? eaxtv, o! zpozäXatot I 2. 36. 19. I. Thesis;
zu schreiben ist mit Cod. Coisl. xouxo ye wie Caillau.
Sitaungaber. d. phil.-hist. CI. XCV. Bd. III. Hft. 48
740
Rzacli.
ei ti ;j,v) v.y.ylr, ys ougwvujjA) o' aleyeivy) II 2. 3. 68. I. Thesis; zu
schreiben et Ss ti oder wie Caillau nach Reg. 990 toi. In dem Verse
TcoXXa piv Sy; to*tiv s-i^Sovtoio 0soTo II 1. 45. 187. I. Thesis
findet die Längung in der I. Thesis Entschuldigung durch die
Nachahmung von homerischen Versen wie iroXXa XtcoopivY] E 358
r.o'hhc/. XioGopsvw X 91 u. a. (Hartei, Hom. Stud. I 2 61), wo das
neutrale a. seine ursprüngliche Länge bewahrte, daher der Grund
seiner Quantität in ihm selbst liegt.
Eudokia.
a) Homerisch.
p e £ tu: tot"« ■/.«•/.ä p4"«c; -üc 8’ äv Geov suXoysoipi I 247 II
Hom. aXXa pEya ps'i;*; X 305 II oute Ttva psljas
B 690 II
b) Nach anderem Muster.
psaoo?: •/.sAai svt p.eoootGiv aTap o"/eBov y)V ti? äpapToi I 199 II
Apollon. Rhod. abSa svl psGaotai tsov voov A 464 II,
vgl. Quintus IV 128 II u. s.
Sonstige Fälle:
tigtis TOXp0svi>«i<; vjB’ aopavea piv eOt^ev II 308 IV
Dieser Fall ist nicht mit Sicherheit zu den Längungen
vor Liquiden zu zählen, da sich Fudokia auch sonst Längung
des a im Accusativausgange an derselben Versstelle gestattete,
vgl. XiauÖEVTä TraAiv «utcc I 75 IV.
Unrichtige Ueberlieferung liegt vor in dem Verse
aXk' ote Xu/Caßa? tsXo? sXXaßsv, OXa/ß Oöy.ov I 306
Hier ist nicht etwa akV otttots Xuvwtßa? oder oüXa. ote Xu-
y.äßac, woran man bei Eudokia denken könnte, mit Längung
vor Xuy.aßa? zu schreiben, sondern aXX’ ote [BrJ Xuzaßag vgl. I 59
aXX’ ote Bv) TTpaxi'Bojv psaoov iceXspi^ETO y.oupyj und I 252 aXX’ ote
oy) poS6xY]y_u? eot)XuOev apyezig •?<>)?. Damit entfällt der genannte
Vers ganz.
Endlich ist ein schlechter Vers anzuführen, in welchem
Eudokia Längung der auslautenden Kürze in der 4. Thesis
zugelassen hat, offenbar veranlasst durch die starke Inter-
punction:
evvetce 8’ avTixaXo? Gccya TiävTa • p^Tt psTaXXa I 100
Studien zur Technik des naclihomerischen heroischen Verses.
741
Anekdota Paris, vol. IV ed. Cramer.
Was zunächst die hier enthaltenen Gedichte des Joannes
Geometres betrifft (vgl. Cramer, p. 383 Note), so lassen diese
Längungen vor Liquiden nur in der Hebung des dritten Fusses
im Pentameter zu, also an einer Stelle, wo auch sonst die
Längung erfolgt, so dass sie eigentlich ausser Betracht kommen.
Die Stellen sind:
Bdy.pua 0£pp.d yss, p.üpso cac i.viaq Cramer p. 288. 16
oiöy.sv aptxpsxla, p^yvugo p,öp.O(; axa? p. 333. 13
uoaiog dvx't oäxpu peücon’ ’IwavvY) p. 317. 19
Ausserdem ist eine Stelle zu nennen, wo ein v ephelk.,
das im Cod. nicht steht, hinzuzufügen ist:
atpOopoi; ozu tsx.£(v) Xoyov aipöopov, d'ypovov uta p. 286. 17
Aus den übrigen hier veröffentlichten Gedichten (ausser
denen des Joannes Geom.) sind folgende Stellen zu beachten:
ly.Xauce p.optpvji; Eiviva? dvmuxoui; p. 386. 21
Zu exXauas ist ein v ephelk, hinzuzusetzen. Corrupt ist
der Vers
akV Iva tövS’ aivw? SeiSta p.i)ti xctOotp.t p. 293. 25
Hilberg corrigirte ihn, indem er [p,äXa] äeiota schrieb
(Silbenwägung p. 20). Ebenfalls für verderbt halte ich
aXXd p.’ äv Ikeaips xat dy.iva östav öSeuok; p. 294. 18
Ich vermuthe aXXä p.s äv eXsatpe; der so entstehende Hiatus
ist nicht anstössig, da er sich in demselben Gedichte an der
selben Versstelle sonst auch findet: el'Sea aorpaxop-opipa p. 294. 21
ßdaxava dyptcOupa p. 294. 6, vgl. auch cr/.<l)pp.ara eiiXoyiyji; p. 318. 12
saßsTO oia Xuyvo? p. 330. 17. Es bleibt nur übrig der Pentameter
dyyEp.ayov tovBs p.£i'pax.a p.ay.poßcXoi; p. 296. 11
Auch dieser Vers ist ohne weiteren Belang, da hier in
der Mitte des Pentameters (III. Arsis) die Längung erfolgt.
Es ergibt sich hieraus, dass auch in den in den Anekdota
Paris, vereinigten poetischen Denkmälern die Längungen vor
Liquiden nicht mehr vorhanden sind.
nu l l -n
742
Rzach.
Joannes Tzetzes.
a) Nach homerischem Muster.
Xty6?: y.Xatouca Xcysox; Soupixi^TV) xsp souaa Posthorn. 449 II
Hom. y.XatovTa Xr/swc T 5 II
jj.eya?: aimV apa jj-syav Oirpav'ov 2>pss ipepscßto? "Hpyj Horn. 276 II
Hom. SXto 8’ sxi tj.svav ouBov y 2 II
äXXä Ta p.lv y.aTsXsca y.üy.Xa jj.sy äXwv svtauTÖv Posthorn.
767 IV
Hom. £(j.l 8s ij.syaAw? ay.ayt^stc x 432 IV. Die
Längung bei dem trocbäischen xöxXa kann bei der
stümperhaften Verskunst des Tzetzes nicht auffallen,
vgl. Hilberg, Silbenwägung p. 91.
jj.syapov: t'ov 8’6 yspwv (ptXsecrxsv Ivt jj.£ydpoi(Jiv sototv Posthorn.
29 IV
Hom. A 396 IV u. s.
jj,sXo?: oüxsTt 0u[j.bv i/emt.ov svi ptskssaciv sowtv Posthorn. 187 IV
yujj-vbv svi p.sXsscctv szoücta Tpaü|j.a-’ syovTa Posthorn.
681 II
Hom. 0UJJ.ÖV axo [xsXswv H 131 II au0t Sta |j.sXsVsTt
o 339 IV, vgl. Empedokles svi jj.sXsscrnt 177 IV,
Maxim. 416 II
p.otpYjysvr J i;: äXX’ üjj.stc, Tszva jj.otpvjYsvetov ysvsT^pwv Posthorn.
759 HI
Ein durchaus schlechter Vers, da die Längung
in III. Arsis und bei einem trochäischen Worte
erfolgt; sonst vgl. Hom. xösvtcc y.«Ta p.otpav ■ 245
(siehe auch Hilberg, Silbenwägung p. 91).
pss0pov: Eäv0ou svi pssOpot? privat IlsvOsaiXstav Posthorn. 210 II
svt seit Bekker (vulgo sxt); Homer bietet freilich
nur sv Xtpivi Ts£0p(i) a 186 II, wo das dativische t
an und für sich lang sein kann.
pöOiov: sv0a s Tr,v Xtxs 0ujj,'o? svi po0toi<jt 2y.ajj,av8pou Posthorn.
208 IV
Ein directes Vorbild hat Homer zwar nicht, aber
es besteht doch s 412 die Variante ßsßpuys p60tov
neben ßlßpuysv, vgl. xaXtpp60to? s 430 t 485; und
Apollonios sxi os po0:a y.Xü^ovto A 541 IV
Studien zur Technik des nachhomerischen heroischen Verses.
743
puGcöq: yukoüq te puoooiiq te xapaßXwxctp t O90aX[j.u> Hom. 139 II
(Die Späteren schrieben aus Missverständnis der
Quantität puatjoq für puGÖ?). Hom. yiükai ts pucai te
xapaßXwxsi; t o<p0aXp.w I 503 II
Vielleicht gehören hieher auch:
(*a?6s: aXXa 8’ uxo fra^oloiv qAÜpexo cf ( y.ai ratka Hom. 431 II
wo üxat überliefei’t ist, doch vgl. Hom. tü cw ex!
ij.a'Cöi - 483 in derselben Hebung,
vsyoc: w/ptocov 3’ öpdaxat 6xo ve<p£ü>v spiooixiov Hom. 372 IV
Hdschr. gleichfalls uxcd, Hom. 8ia veipstov spsßevvöv
X 309 IV u<]n 3’ 5xb vstpswy l I r 874 II
b) Nach anderen Vorbildern.
vsy.uc: £i xs8(ov y.cratßävTEc, 80i vsy.up "E/ropo? yjsv Hom. 456 IV
Quintus Smyrn. Ssusto ok /0wv xaoa xspi vsxuv
AiayiSao III 602 IV
Möglicherweise ist auch hieherzuziehen:
y.oop.f ( <;otVT£? £u "Ey.Topa, sv Xs/seoo: ts Oevtei; Hom. 483
wo geschrieben werden könnte:
''ExTCp’ EVt A£•/_££ 3O: TE 0SVTE? Vgl. Apoll. Rhod. EVt Xe'/SEOCI
XEOOVTSC B 1012 IV
Endlich bleibt noch zu nennen:
ptoovTo: &>q spssivsv dvi^p' oi 8s pwovTO xpb? Epycv Posthorn. 634 IV
Vgl. Iliu Pers. TEivoptiva piooixo Fragm. IV 2 II und
Epigr. Gr. ed. Kaibel fi>? t^vSe pcÜE<:0E Nro. 1046. 68 II.
Doch wird hier im Hinblick auf das homerische
yahai 3’ sppibovTO V 367 wol ol 3’ spp&ovTO zu ändern
sein, dessen Spuren die Ueberlieferung des Vat. zeigt.
c) Ohne ältere Muster.
M uco i: ocutwv ts Muowv, xoXXoi 8s TpoxüivTO ’Ayaiol Antehom. 272 H
Vgl. z. B. r-(]Xoi te MapSoi T£ bei Dionys. Perieg.
1019 II
lAETaßdXXw: xv^vuciv üoaTa Xsuy.d xai £5 yji'/a p.STaßcTAXs: Posthorn.
106 V.
d) Schlechte Verse mit Längungen in Thesi:
Der Dichterling Tzetzes weicht in Bezug auf metrische
und prosodische Normen so sehr von seinen Vorgängern ab,
744
Rzach.
dass man ihm sehr wohl Zutrauen könnte, er habe auch Län
gungen vor Liquiden in der Thesis zugelassen. Thatsächlich
finden sich denn auch einige diesbezügliche Stellen. Da sie
sich jedoch leicht in eine geniessbarere Form bringen lassen,
so dünkt es mir mindestens zweifelhaft, ob sie in der uns
überkommenen Gestalt von Tzetzes selbst herrühren, und zwar
Tpöia Mövsoöyjv ts */.al Ay^laXov caapayiGGZ') Hom. 88
Hier ist wol mit Benützung der Vermuthung des Tryllit-
schius (sixa für ts) zu lesen: ixpwxa MevstOyjv sha y.ai Ay/iaXov
G^apayioasv, so dass die sonst in der I. Thesis eintretende Län
gung wegfiele.
s? vy)ov y.aXsovxa • & 3’ ai6a p.dXa Posthorn. 393
Der Vers ist unerträglich, da auch p/aXa zu lesen ist. Im
Hinblicke auf Hom. A 378 o os gctXa rfib yeXdora? ist vielleicht
zu schreiben b 8e p.aXa aTila Tciöijaas, womit dieser Vers auch
aus der Zahl der gegen Hilberg’s (p. 19) drittes Gesetz ver-
stossenden schwinden würde. Der Hiatus in der bukolischen
Diärese ist bei Tzetzes ganz gewöhnlich, vgl. Antehom. 15.
164. 191. 221. 234. 261. 269. 354 Hom. 53. 129. 142. 153.
186. 197. 198. 285. 296. 314. 341. 376. 479 Posthorn. 67. 144.
204. 230. 307. 323. 487. 530. 545. 691 u. a.
dXX’ r-.o’. xca xoö§’ yjswoc cowue p.opcp'/jv Posthorn. 492
Die unerträgliche Längung in der V. Thesis von p.opcpvjv
wüi’de behoben durch die Schreibung dy.oisxs, doch darf nicht
übersehen werden, dass sonst der Singular in ähnlichen Aus
drücken steht: Posthorn. 361. 468. 504.
opsv-fi §’ auxs soll? £*/.ctT£p0£ y.savxo vsxpoü? Posthorn. 344
Die letzten Worte sind nicht sicher, im Paris, fehlen sie,
in anderen Hdschr. finden sich verschiedene Lesearten. Die
Längung in der V. Thesis schwindet, indem man mit Jacobs
b/.dxEpfk vsypouc v:r,y:no herstellt. Durch die Aenderung von
Posthorn. 492 und 344 schwinden weitere zwei der von Hil-
berg, Silbenwägung p. 14 angeführten monströsen Verse aus der
griechischen Poesie.
Durch Anfügung eines v ephelk., das nicht überliefert ist,
erledigen sich endlich folgende Stellen:
y.iSvjve Xezpo'jc xe ■/.«: ocxot ')dy.eoq uteq Posthorn. 288
oujy.x£a£xr,v o’ dXXvjXoist, p.sya 3’ e’ISeto fpyov Posthorn. 318
Studien zur Technik des nachhomerischen heroischen Verses.
745
pXu0s y.uoiäwv pay.apscc. ipast'vwv Hom. 292
aXX’ ovs tob«; cwrsTCaucs vuq avopox.&iauv Hom. 184
tcüSe 06prjv y.Xf,i<7s • plyia o’ eios-co Ipya Posthorn. 675
Ueberblicken wir die bisherigen Resultate in Bezug auf
die Art, in wie weit sich die einzelnen Längungen auf die ver
schiedenen Versarten vertheilen unter gleichzeitiger Rücksicht
nahme auf die rhythmische Beschaffenheit des dem liquiden
Anlaute vorangehenden Wortes (bei dessen letzter Silbe also
die Längung erfolgt), so lassen sich innerhalb jener oben p. 686
und 691 angeführten allgemeinen Normen eine Reihe Special
observationen feststellen:
1. Die weitaus gewöhnlichste rhythmische Form des dem
liquiden Anlaute vorangehenden Wortes ist die pyrrhichische;
von 60 Beobachtungsfällen in der archaischen nachhomerischen
Poesie kommen auf sie 30, also die Hälfte aller, in der jün
geren Dichtung (mit Ausschluss der später zu betrachtenden
Schule des Nonnos) von 446 Fällen gar 307, also fast drei
Viertel der Gesammtzahl, zusammen von 506 Fällen 337.
Nur zwei Vershebungen ergeben sich als legitime Sitze
der Längungen bei dieser rhythmischen Form, die IV. und die
II. Arsis. Wir zählen nämlich in der archaischen Poesie 16
(von 30), in der jüngeren 191 (von 307) in der IV. Arsis ;
dann 14 (von 30) bei den älteren Dichtern und 111 (von 307)
bei den jüngeren in der II. Arsis. In anderen Hebungen finden
sich Längungen dieser Art in der älteren Periode gar nicht, in
der jüngeren nur ausnahmsweise. Hieher gehören zunächst
3 Fälle in der V. Arsis, -wovon 2 in Pentametern Vorkommen
Ivt pscccTto Anthol. VII 256. 2 und -/.a-cic Xe/ewv Epigr. ed. Kaibel
Nr. 243. 13; das 3. Beispiel ist Arat. o-jvei psv Sx^avoc, Sbvst
8s y.ata pclypv ’I/Ojc Phaen. 572, ein Fall, der wegen der Ana
phora des SuvEt entschuldigt werden muss. Gar keine Beach
tung verdient dagegen das schlechte inschriftliche Epigramm
bei Kaibel Nr. 1041. 2 T.pi^et; tuovtcc v.<xia vouv, wo die pyrrhi
chische Präposition Längung in der III. Arsis aufweist. Eine
andere derartige Stelle bei Simmias ist oben p. 712 rectificirt
worden.
2. Die nächst wichtige Stellung nehmen die aus einsilbigen
Kürzen bestehenden Wörtchen ein. Die Gesammtzahl beträgt
746
Hz ach.
in der älteren Dichtung 1 22 (von 60 im Ganzen), in der jün
geren 98 (von 446). Ihre Längung erfolgt gleichfalls zumeist
in der II. und IV. Arsis (jedoch nimmt diesmal die erstere
Hebung die wichtigste Stelle ein).
Auf die II. Arsis entfallen in der archaischen Poesie
16 Längungen (13 bei xs, 3 hei äe), in der jüngeren 55 (39 hei
xs, 12 bei oe, 1 bei '(£, dann 2 bei oppa Apollon. Rhod. T 37.
845 und 1 bei 6 patcxY)p Anthol. VI 117. 1), auf die IV. Arsis
in jener 4 (bei äs), in dieser 18 (15 bei äe, 2 bei xe, 1 bei
o poäciraxu? Theokr. Id. XV 128). Ausserdem participiren aber
auch andere Hebungen u. zw. in der älteren Poesie mit einem
einzigen Falle die III. (u>? oxe xi pt'o'v Hom. Hymn. I 139), in
der jüngeren ebenso (die archaisirende Stelle bei Apoll. Rhod.
icdxpnjv xs xAea xe peyapwv A 361, vgl. p. 699); dann in der älteren
Dichtung mit einem Beispiele die V. (Atwvv) xe Tei’y) xe Hom. Hymn.
I 93), wogegen in der jüngeren diese letztgenannte (V.) Hebung
eine grössere Reihe von Fällen aufweist: xe zweimal bei Dionysios
Perieg. in den archaisirenden Formeln IleAwpt? xs AtA6ßr ( xe 469
und ’OpOuxji'oa xs MapaOöv xs 914 (vgl. jenes Beispiel aus dem
hom. Hymn. I); ausserdem in der Anthol. xe Atapov xs in einem
Homercento IX 361. 6; §e in zwei Pentametern o äs poTOtAto
Anthol. VI 255. 6 und XVI 185. 2; ö sechsmal in oppa Arat.
Phaen. 662 Apoll. Rhod. A 769 B 718 A 68 Nikandr. Ther.
685 Alex. 424; xö zweimal in xcppa Apoll. Rhod. A 526 A 582;
endlich einmal o Atpsvixac Anthol. X 1. 7. Im Ganzen sind es
in der V. Arsis 14 Fälle. Endlich participirt in der jüngeren
Poesie auch noch die I. Arsis u. zw. nur in den Pronominal
formen (resp. Artikel) xo (in xo pa Antim. Fr. LXVI 1 Apoll.
Rhod. F 867, xo poixaAov Rhian. Fr. VII xö poäov Anthol. XI
53. 1) xd (in xd poäa Theokr. Epigr. I 1 xd peEstv Lesbi Ktis.
18) o (in oppa Apoll. Rhod. A 251 Dion. Perieg. 343) o Art. (in
6 Atp.Evopp.tXY)? Anthol. X 5. 8) xt (xt ps^st? Ine. Id. VII 47), im
Ganzen 10 Beispiele.
3. a. Auch bei den Wörtern, deren rhythmische Form einen
Tribrachys darstellt, sind die IV. und II. Arsis allein an den
Längungen betheiligt; in der älteren Dichtung entfällt auf jede
der beiden je ein Beispiel, in der jüngeren zählen wir in der
IV. Arsis 8, in der II. 6. Die drei Fälle, wo die Längung in
der V. Arsis erfolgt, gehören alle schlechten Versen an : üäaxt
Studien zur Technik des nachhomerischen heroischen Verses.
747
IJW/eouGtv Eratosth. Fr. I 8 ovogä Newo^Sii;? Epigr. ed. Kaibel
Nr. 101. 2 und e? "/lövct gsxaßaXXei Tzetzes Posthorn. 106. Bezüg
lich Nikandr. Alex. 155, wo nach der Ueberlieferung eine
Längung in der III. Arsis vorkäme, vgl. p. 708.
3. b. BeiWörtern mit der Form — — ist die legitime
Stelle der Längung in der 11. Arsis und zwar in der älteren
Poesie in 2, in der jüngeren in 4 Fällen (letztere sind: vrpdäa
MeXixvjv Apoll. Rhod. A 543 Hmovtoa kiyyy/ Anthol. IX 300. 4
sivaXis Aaßüp'.vÖs Anthol. VI. 224. 1 xspxxvcxaxe Moüapav Anthol.
VII 31. 3). Ausnahmsweise steht die Längung in der V. Arsis
in 2 Fällen (bei Solon ev sßoogaoi gsf’ dpioxos Fr. 27. 7 und in
einem Pentameter euzuAr/.a XaXi'vjv Anthol. VII 440. 8). Die
hesiodische Theogonie weist in älterer freierer Weise auch eine
Längung in der III. Hebung auf (-fjydyezo Xwxaprjv ösgtv Th. 901).
3. c. Längungen bei Wörtern von der Messung ~ w
sind als Raritäten zu bezeichnen, sie begegnen nur zwei Mal
bei Aratos, der überhaupt mit seinem Verhalten gegenüber den
behandelten Fragen der Verstechnik eine Sonderstellung ein
nimmt (SuwSszdoa pivei aXXvjv [?] Phaen. 703 und ZEAeuogsva
Aiödzeaffiv Phaen. 1112), dann einmal bei Apollonios beim Zu
sammentreffen zweier Eigennamen (’Apr ( xidoa MeXavtwrcvjv B 966).
4. Für die Messung ~ — bietet die archaische Poesie
zwei Fälle homerischer Nachahmung in III. Arsis (Hesiod.
’A/tXXija pvj^vopa Th. 1007 Iliu Pers. MsvsGÖtji p,SYaXijTopt Fr.
III 2), in der jüngeren Dichtung ergibt sich nur ein Beispiel
und auch dies nur durch Conjectur: Kallimachos üoxxoc a.bv’y.'
sSi'^xo poov Hymn. I 16 in der IV. Arsis (vgl. p. 696).
5. Da die Wortform — nur imVersanfang einen Vers-
zwang repräsentirt, so dürfen Längungen in Wörtern dieser
Art nur in der II. Arsis erfolgen. Wir zählen in der archai
schen Poesie nach Homer ein Beispiel (Xsigövi gaXcatö Hom.
Hymn. I 118), bei den späteren Dichtern ergeben sich 6 Fälle:
ßsßXyjTo vetpeXrj Apoll. Rhod. A 125 X^upp Orph. Hymn.
VIII 19 Ai'yuxts g£YäOuiJ.s Sibyll. Ox - ak. IX 119 p.acziya po’%ou
Anthol. VI 246. 6 TrXvfcavxa Atxapü? Epigr. ed. Kaibel Nr. 541. 6
xXai'oura Myeiüi; Tzetzes Posthorn. 449.
6. Eine Ausnahmestellung nehmen die wenigen nur bei
den jüngeren Dichtern begegnenden trochäischen Formen ein,
im Ganzen 8. Sie dürfen regelrecht nur in unveränderlichen
748
Rzacli.
Wörtern, und zwar wieder entweder in der IV. oder II. Arsis
stehen (vgl. p. 692). Es sind in IV. Arsis: ouoe poccp Theokr. Id.
XI10, ouSe pöSov Ine. Id. VII 49 (Conjectur), y)s [Asyo! Apoll. Rhod.
A 486, endlich 4vt1 paoivcd Theokr. Id. XI 45 (worüber p. 695
zu vergleichen); in II. Arsis: TijvSe ptiscröe Epigr. ed. Kaibel
1046. 68. Gegen die Norm verstossen die ganz verkehrten
Gebilde irveupia [j.oaüvyjc Zoroaster Orac. mag. 26 und yj>/Aa
(ASYahtöv Tzetzes Posthorn. 767, jenes in II., dieses in IV. Arsis,
wobei die betreffenden Wörter nicht unveränderlich sind, und
endlich tsuv« p.otp^Yev£wv Tzetzes Posthorn. 759, wo die Längung
auch noch in der III. Arsis erfolgt.
Wesentlich abgewichen von den bisher erörterten Normen
ist Nonnos mit seinen Nachahmern, zu dem wir uns nunmehr
wenden wollen.
II. Nonnos und seine Schule.
Es hat zwar die Nonnos betreffenden Fälle schon Scheindler
in seinen trefflichen Quaest. Nonnian. I p. 7 und 8 erörtert,
doch sei es mir gestattet, der Vollständigkeit halber sie hier
neuerlich anzuführen.
Nonnos, der in so mancher Beziehung informatorisch vor
ging, bleibt auch in Betreff der Längungen vocalischer Kürzen
vor Liquiden nicht auf dem Standpunkte seiner Vorgänger,
sondern schafft sich sein eigenes Gesetz, an dem auch seine
Schule festhält. Längungen vor Liquiden im Anlaute sind bei
ihm und seinen Anhängern nur mehr gestattet bei pyrrhichi-
schen Wortformen und zwar nur in der IV. Arsis — ausge
nommen directe homerische Nachahmung, die sich im Ganzen
zweimal (einmal bei Nonnos selbst, einmal bei Triphiodoros)
findet. Die Wörter selbst, vor deren liquidem Anlaute nun
mehr Längung erfolgt, dürfen keine neuen Bildungen sein,
vielmehr sind durchaus ältere Muster nachgeahmt. Dies Gesetz
ist eigentlich eine Restriction des für die Dichter der jüngeren
Epoche geltenden, da die vocalischen Endsilben allmälig immer
mehr an Kraft verloren hatten. Gerade nur die IV. Vershebung
gilt noch als fähig die Längung zu stützen, weil es die erste
Arsis nach der trochäischen Cäsur ist und der Ansatz der
Stimme hier besonders kräftig hervortritt am Beginne des
neuen Verskolons. Mehr weniger muss übrigens diese Längung
Studien zur Technik des naclihomeriscken heroischen Verses.
749
vor Liquiden im Anlaute dem Nonnos nur mehr als Antiquität
erschienen sein — Beweis hiefür ist die verschwindend geringe
Anzahl der betreffenden Fälle bei der grossen Masse von Versen
in den Dionysiaka und das vollständige Verschwinden jener
Erscheinung in der Metaphrase, wo der Dichter die letzte Con-
sequenz seines prosodisch-metrischen Gefühles in dieser Be
ziehung gezogen hat. Daher gehen auch seine Nachahmer
Längungen dieser Art ängstlich aus dem Wege und geben sie
endlich ganz auf.
Nonnos.
I. Dionysiaka.
a) Homerische Fälle.
1. Pyrrhiehische Wortformen.
poo?: v. xpioq ’AoonrO'Eo pteta poov ’Qy,eavoto; VII 242 IV
L hat nach Ludwich, Hermes XII 289, p.etdppöov.
’Aoroviäoi; ■/.e.Xdoo'mx tcepi poov wrcaro /d|«Y)S XIV 327 IV
iiavOov aXur/.äiiovTep ext poov üntXacav ’lvSot XXIX 296 IV
Homer. Vorbilder: xapa poov ’Qy.eavoIo II 151 IV
y.orta poov ■ Ic/sto 8’ aüxou p. 204 IV tot! p6ov, dp.fi cs
ä'y.pa: P 264 IV
ptov: sups os p.iv /puceoto xspi pn'ov azpov ’OXuptxoo XXXIII 64 IV
Hom. xspi ptov OöXupjroto 0 25 IV
2. Niehtpyrrhichische Wortform.
pEyap: ^paps0a psya y.ü8o? ■ sxscpvopev op^ap.ov ’IvSwv XL 217 II
Homerisches Hemistichion: •i)pdp,eöa peya y.SSop ■
sxsovopsv 'Europa oTov X 393 II
b) Nach anderer Vorlage.
Nur pyrrhiehische Wortformen.
pet'/t?: oatSp'oc dspotXöfoto xspi pd/tv vjpsvo? txxou III 185 IV
io; 6 p.sv ’lvowoto xspi pd/_tv süßoiov uXvjf XXV 271 IV
tbv o p.sv dvuxöpoto xspi pa/tv a’iOoxo? Eüpou XXXIX
349 IV (Koechly II p. 201)
aXXd to p,ev ßaöübsvbpov uxo pd'/tv al’0oxo<; Eüpou XLI 18 IV
Ein Vorbild für diese Längung vor päyj.q bot
Q.uintus Smyrnaeus: iq vyjoüv ■ aixp'O os xoti pd^tv
sijsxsprjaev IX 189 IV. Viel früher hatte Aratos
750
Rzach.
bereits geschrieben: Siivei 31 v.ona pcfytv ’I/6'jc Phaen.
572 V.
Bei folgenden Fällen muss v ephelkystikon, wie es auch
die Ueberlieferung bietet, geschrieben werden, so dass sie
ausser Betracht stehen:
ei tcctgv toc Nixaia, xeXev XeuvüiXevoc "Ilpv; XV 240 IV
pr)oe klm)? etepoici y.uciv peXxY)0pa fevecOai V 521 IV
xai <piXeev piv avaf pexa Moppea • xoXXäy.t o’ aurij XXXVI 284
So ist dieser Vers nach Scheindler’s Vermuthung Quaest.
Nonn. I 69 herzustellen (hdschr. xai piv avai; cpiXeci, von Graefe
in cptXeev geändert, was dem nonnianischen Gebrauche der An
wendung des v ephelk. bei Längung kurzer Silben widerstreitet,
wie Scheindler nachwies a. a. O.).
ei [ay; ep-qxuev ps oreßa? xaxpwiov alooui XVI 50 III
Laur. epyjxiet, der Vers ist nicht richtig überliefert, vgl.
Scheindler, Quaest. Nonn. I 68.
uTeiXai; exe/euev, o0ev veoq elSo? apstyas XI 242 IV
ei vXuy.'u? üxvaXevjv pe Xixev veoq, avxl 8e y.eivou XLVIII 538 IV
v^epöOev vöaxr ( ae ■ xupiyX^vou §’ eXaxvjpoc XII 8 II
eixe, xi y.ev peijeiac, oxav ceo 0üxov adeu I 487 II
Nelke, xi y.ev peijaipi y.aXuxxopevrj? Ape0o6aiq<; VI 346 II
Vgl. Scheindler, Quaest. Nonn. I 67.
y.at y.Xoveei xupoevxa, xi xev pei;atpi aiS^pu XXXIV 64 IV
cd'0£ zal ev0aSe, y.oupe, xeXev pioq ’HpiSavoio XI 32 IV
vjep60ev poiij]ce • xal ’Acauptyj xapa xexpr) XLII 12 II
II. Metaphrasis.
Diese Dichtung zeigt eine noch weitere Einschränkung
— Nonnos hat sich hier gar nicht mehr eine Längung vor
Liquiden gestattet, denn die Schreibung
o’ivwxi paOapifp oeSeupevov aaxpov oxdaa-w N 110 ist längst als
falsch erkannt, es muss oivwxf, paOapiv-y. heissen, wie Cod. Pal.
noch zu lesen verstattet und wie es Dion. XII 325 XV 63
geschrieben steht. Vgl. Wernicke, Tryph. p. 226; Scheindlex - ,
Quaest. Nonn. I 8; Hilberg p. 97.
Die Verse P 85 und 2 134, die ebenfalls Längungen ent
halten würden, sind unecht.
Das v ephelk. muss, wie auch übeidiefert ist, stehen in
eixe, xi y.ev peijwpev, oxio? Oeoxepxei Oeapü Z 120 II
HK - • -
Studien zur Technik den nachhoraerißchen heroischen Verses. 751
Triphiodoros.
1. Pyrrhichische Wortform.
'Potxetap: vijootv dvauXt&Ecry.ov äixo ToixsiaSo? ay.x% 216 IV
Vgl. Antipatros in der Antli. Pal. rfr^i.a r.ao ’Aiav-
xetov em Toixyjt'atv aatync VII 146. 1 IV, dann auch
Wernicke p. 224 sq. Dass Triphiodoros eine Län
gung wagte, die weder bei Homer noch bei Nonnos
vorkommt, findet seine Entschuldigung in dem
Eigennamen.
2. Bei einem einsilbigen Worte.
poTYip: Tpwwv 3e puvijpa y.ai diareo; ■ et pte aawaeti; 266 II
Dieser Fall ist homerisch: die unmittelbare Vor
lage war otov xe puxiipa ßtou x’ eptevat xal ötoxwv <f 173 II
Kolluthos.
ptov: aiiia Se 0py)tx,toio ptexa pt'a IlaYYatoto 212 IV
Homerisch und nonnisch: Hom. 0 25 und Nonn.
Dion. XXXIII 64 xxept pt'ov IV.
Musaios.
py)YP.iv: aOpöov Ipwarroutyiv ezt pyjYpJvc 0aXäatJY)<; 311 IV
Homerisches Hemistichion z. B. A 437 IV
Die Nonnianer Christodoros, Paulos Silentiarios,
Joannes Gazaeos haben sich jeder Längung vor Liquiden
im Anlaute gänzlich enthalten und repräsentiren die letzte (Kon
sequenz des nonnischen Gesetzes, wie sie der Meister selbst
bereits in der Metaphrasis hervortreten lässt. Eben dasselbe
können wir von Apollinarios behaupten, wenngleich sich bei
diesem scheinbar derlei Längungen vorfinden.
Apollinarios. 1
Alle bei diesem Metaphrasten begegnenden Längungen
vocalischer Kürzen vor liquidem Anlaute gehören nur dem
Anscheine nach dieser Gruppe von Längungen an, thatsächlich
erklären sie sich auf andere Weise. Zunächst erwähne ich
den Vers
sövsä xo! y.sxapotax’ ayaXXöp.eva p.oXxijatv LXVI 7
1 Nach der Ausgabe in der Biblioth. veterum patrum von Gallaudius, Tom. V.
752
Rz ach.
Hier würde Längung vor [x in der V. Hebung eintreten.
Allein dieser Vers ist, wie Ludwich im Hermes XIII 349
nachgewiesen hat, da er in den Hdschr. D L und M nicht
enthalten ist, eine Interpolation, ja selbst der Corrector von L
kannte ihn nicht, er entfällt also ganz. In corrupter Gestalt
ist überliefert ein zweiter hieher gehöriger Vers
faxe [xiv utbc sspsTepyji; Tsxpvjc CXLII Argum. 2
wo also gar Längung in der I. Thesis Platz greifen sollte.
Das Richtige vermuthete Hilberg, Silbenwägung 33, nämlich
ottgxs. Nach Abzug der genannten bleiben noch eine Reihe
gleichartiger Fälle übrig und zwar zunächst solche, bei denen
der gelängte kurze Vocal der Dativausgang i ist:
a'j'/,vj sv suavs; Xrcavsiaars toip.sva y.6op.ou XCV 16 III
ocüfjic 3’ euoTaöst p.s’./dcrc'sxo y.üp.^xa uiyt) CVI 59 III
Tp'o? TpwncatosxatTY) oszaSi Xiyb sßoop,ov svvt CXXXVII Argum. 2IV
tsjjtxov st' oyooaxv] osy.aot [asXoc scOX'ov asioevLXXXV Argum. 1IV
tsjatxov sa>’ sv$sy.dxr] osy.y.oi piXo? äXXyjXouia CXV Argum. IV
sy.xov so’ svSsy.dvr) Ssy.aoi piXo<; dA/^Aouia CXVI Argum. IV
d/.X’ ET'.Oapovjoa? cOevst [/.syaX^so T0tp.f ( v XX 26 IV
Alle diese Längungen sind nicht als solche vor Liquiden
aufzufassen, da Apollinarios auch vor anderen einfachen Con-
sonanten sich deren gestattet hat beim Dativausgang, z. B.
p.T) y.vsoai (jrtfxcc xsd TpoqiavifaeTOt Ipya LXXXVII 27 II
sbayst o’ ^Xstjja Sep.ac Tspiy.aXXs? sXaiw LXXXVIII 41 II
ev oy.cTat ßaaiXvjoq ETOupavioio Staket XC 2 II
y.dpxsi' TavoOsvsi y.at öp.cv Opovov ajxptToXsuov Praef. 56 III (Lud
wich im Hermes XIII 338)
y.su0op.svoc v.Vioa: • xö ydp r ( 0sXsv d/.y.ap sXsc0a! XVII 24 III
ar t oäp.ap rjjj.spioi Tavojj.olto? oly.ov spstbst CXXVII 5 III
oxäv os St7]vsxi: xaTsp sopaosv autoi; ävwyij CXLVIII 12 III
osTo OsoTpoTSUV ; J:/v. y.axax^y.op.at oly.wv CXVIII vr\ 4 IV
Diese Längungen des t sind mit den früher genannten
vollständig parallel, so dass sich aus ihrer Vergleichung der
Schluss ergeben muss: der Grund der Längung des i ist bei
jenen erst angeführten nicht in der nachfolgenden Liquida zu
suchen, zumal auch in der III. Arsis Längung erfolgt. Vielmehr
haben wir es hier offenbar mit äusserlichen Nachahmungen der
Langerhaltung des dativischen i bei Homer zu thun (vgl. Hartei,
Hom. Stud. I 2 56 sq.). Apollinarios griff ja auch in anderen
Studien zur Technik des nachhomerischen heroischen Verses.
753
Dingen bis auf Homer zurück, so dass uns die berührte pro-
sodische Erscheinung bei einem so späten Poeten nicht Wunder
nehmen wird. Schliesslich bleibt noch ein Vei - s zu erwähnen:
vj p’ obyj 6)7 ayÖTe'Jusv, eit p.ep.Y/jaetoc auiö? LXXVI 15 IV
Auch hier ist die Längung des i in etc nicht auf Rech
nung der nachfolgenden Liquida zu setzen, denn wir lesen
ebenso vor anderen Consonanten (resp. auch einem Vocal)
dieselbe Längung:
ratpä v:co miitoneq exi y.aza xovtov epuöpiv CV 16 III
TutaXeou xX^öowe? eit wepl 'ffipaoc, S>prj XCI 26 IV
sToec äva<; p’ aTcAscTov eti svi yacrpi tsy.oüa-x]? CXXXVIII 30 IV
Betreffs der Längungen vor Liquiden folgt also Apolli-
narios den Nonnianei'n, indem er sie vermeidet, da die
scheinbar einschlägigen Fälle sich zumeist als Nachahmungen
homei’ischer Längungen anderer Art erweisen.
Nachdem wir auf diese Weise die sämmtlichen im nach
homerischen Hexameter und Pentameter begegnenden Fälle
im Einzelnen betrachtet haben, wollen wir nunmehr alle
Wortstämme, vor denen sich Längungen ei’geben, in einer
Uebersicht vereinigen.
1. Stämme mit dem Anlaute X.
a) Homerische Fälle.
Xazstpv) recipirt von Apollonios Rhodios, Quintus Smyrn.
XsKtpcv l’ec. von Maximos, den Orphischen Argon.
Xvfrw rec. von Hesiodos.
Mccpöq rec. von Apollonios, dem Anonymos xspi ßc-avtov, Quintus
und der Anthologie.
Aiyupo; rec. von Hesiodos, Quintus, den Oi’phischen Hymnen,
den Orakeln des Porphyrios.
Ä'.yic rec. von den Homer. Hymnen, von den Idyll. Incert.,
Apollonios, Quintus, Tzetzes.
/.Kaps? rec. von Hesiodos, Kallimachos, Apollonios, Dionysios
Pei’iegetes, den Epigrammen ed. Kaibel.
Xlc rec. von Idyll. Incert.
Acpc; rec. von Apollonios.
754
Rzach.
b) Anlehnung an Homer.
X!0a£ bei Aratos (Homer XiQsc).
bei Aratos (Homer Xcsoc).
c) Neue Bildungen.
Xaac, Incert. Idyll.
XaßupivOo; Anthologie.
Xayüv Theokritos, Incert. Idyll., Apollonios.
XaXu) Anthologie.
Xaato; Incert. Idyll., Anthologie.
Aa/scnc Hesiodos.
Xsijawv Moschos.
heyoQ Apollonios, Manethon, Maximos, Quintus, Epigr. ed. Kaibel
(Tzetzes durch Conjectur).
Xfßavoi; Porphyrios’ Orakel.
Xißa; Apollonios?
AtX6ßvj Dionysios Perieg.
XipevtTa? (Xi[AcVopp.txy)c) Anthologie.
Xtpvaio? Nikandros, (X(|avy)) Quintus.
Aip.6? Hesiodos.
Xoßo? Nikandros.
Xoyyy) Anthologie.
Aoßü Kallimachos.
Xuypcc Orphische Argonaut.
Xuxaßa? Epigr. ed. Kaibel.
Xu^pic Gregorios von Nazianz.
2. Stämme mit dem Anlaute
a) Homerische Fälle.
\xa£oq Quintus (Orphische Lithika?, Tzetzes durch Conjectur).
p,aXay.o? Hesiodos, Homer. Hymnen, Anthologie.
[Acforti; Porphyrios’ Orakel.
piyapov Hesiodos, Homer. Hymnen, Asios, Antimachos, Apollo
nios, Manethon, Maximos, Dionysios Perieg., Quintus,
Orphische Argonaut., Orphische Lithika, Orphische Frag
mente, Anthologie, Epigramm, ed. Kaibel, Tzetzes.
lAsva? Hesiodos, Homer. Hymnen, Iliu Persis, Solon, Aratos,
Kallimachos, Apollonios, Moiro von Byzantion, Quintus,
Orphische Argonaut., Orphische Fragm., Orakel ed.
Studion zur Technik des nachhomerischen heroischen Verses.
755
Hendess, Sibyllin. Orakel, Nonnos, Gregor, von Nazianz,
Tzetzes.
p.sXi'v] Quintus.
|j.sao<; Empedokles, Incert. Idyll., Maximos, Oppianos Kil.,
Quintus, Gregor. Naz., Tzetzes.
gEVsatva) Apollonios.
gtapo? Sibyllin. Orakel.
jj.500? Hesiodos, Quintus.
potpa Manethon, Tzetzes (p.oipvy.'svVjc).
p.upi'y,Y] Quintus.
b) Anlehnung an Homer.
MeXi'tv) Apollonios (Homer p.sXwjBife)-
[j.ipoq Quintus (Homer p.olpa).
c) Neue Bildungen.
li.iv.ap Empedokles, Pox-phyrios’ Orakel, Epigramm, ed. Kaibel
(Mazapt? Eigenn.j.
MapaOo? Dionysios Perieg.
Mapooi Dionysios Perieg.
p.dy'hoq Manethon.
[j.sXaOpov Sibyllin. Orakel.
MsXavi'xxr) Apollonios.
(x,£[xavY)(j.£vo<; (und pjvts) Sibyllin. Orakel.
|ae[jw!(1>s Sibyllin. Orakel.
|x.£V(o Aratos.
|xipo? Homer. Hymnen.
jx-ecco? Apollonios, Nikandros, Dionysios Perieg., Quintus, Antho
logie (p.sEaTOc), Gregor, von Nazianz (\iAaa-oq), Eudokia.
p.sTaßdXXw Tzetzes.
Mv^Ssia Oppianos Syr.
mydi; Apollonios.
p.o'fito Eratosthenes, Epigr. ed. Kaibel.
[x.6Xt<; Apollonios.
|j.oX6vu Ox-akel des Zoroaster.
Moüaa Anthologie.
(ru^w Quintus.
|J.u8o? Apollonios.
Muaoi Tzetzes.
Hutmiptov Oi-phische Hymn.
Sitzungsber. d. phil.-bist. CI. XCV. Bd. III. Hft.
49
756
Rza cb.
\>x>-/xzoc Quintus.
jxuwv Quintus.
3. Stämme mit dem Anlaute v.
a) Homerische Fälle.
vsupi^ Hesiodos, Incert. Idyll., Quintus.
vecpeXv) Apollonios.
veoo; Homer. Hymnen, Theokritos, Aratos, Apollonios, Quintus,
Orphische Argonaut., Tzetzes.
Theokritos.
vtpä; Anthologie, Nikandros (vtoöet;), Quintus.
voto; Kallimachos, Nikandros (voxewv), Dionysios Perieg.
v6p.opirj Homer. Hymnen, Orakel des Porphyrios, Epigr. ed. Kaibel.
TjQG'j. Gregor, von Nazianz.
h) Neue Bildungen.
vaiij) (väccecöat) Apollonios.
vaüvqc Kallimachos ?
V£x.ui; Quintus, Tzetzes.
vep.w Nikandros.
veo; Apollonios.
veto; Epigr. ed. Kaibel.
vy]6; (durch Conjectur) Homer. Hymnen.
Nowp^Sr,; Epigr. ed. Kaibel.
Ntpeu; Quintus.
Ni'mjo; Quintus.
vä|j,oc Hesiodos.
No|j.äos; Dionysios Perieg.
vöo; Apollonios, Epigr. ed. Kaibel (vou;).
voepo; Gregor, von Nazianz
väcxc; Sibyllin. Orakel?
vu; Gregor, von Nazianz.
vüjtov Empedokles.
4. Stämme mit dem Anlaute p.
a) Homerische Fälle.
pa und zwar o pa: Aratos, Apollonios, Nikandros, Dionysios
Perieg.; xö pa: Antimachos, Apollonios.
paßSo; Kallimachos.
pdcyoc Nikandros.
Studien zur Technik des nachhomerischen heroischen Verses.
757
pssöpov Tzetzes (Hom. 'Pelöpov).
p£i^(i) Homer. Hymnen, Kleanthes, Theokritos, Incert. Idyll.,
Kallimachos, Apollonios, Lesbi Ktisis incert. auct., Or
phische Argonaut., Orakel ed. Hendess, Eudokia.
Tcfi] Hesiodos, Homer. Hymnen, Orphische Fragm.
pew Apollonios, Dionysios Perieg., Oppianos Kil., Sibylliu.
Orakel.
pY)Yp.!v Homer. Hymnen, Empedokles, Peisandros, Apollonios,
Oppianos Kil., Orphische Argonaut., Anthologie, Musaios.
piftvopu Hesiodos (pnj^vup), Quintus, Sibyllin. Orakel,
pvjuoü) Homer. Hymnen.
pv^TpY) Nikandros (Hom. pr~r ( p).
p(£a Homer. Hymnen, Apollonios, Nikandros, Theodotos, Oppia
nos Kil., Eudemos (Theriaka), Anthologie,
pivo? Hesiodos, Apollonios, Oppianos Syr.
ptov Homer. Hymnen, Quintus, Nonnos, Kolluthos.
pwrq Homer. Hymnen, Kallimachos, Apollonios, Dionysios Pe
rieg., Oppianos Kil., Quintus.
pte Oppianos Syr.
'PoSavö? Oppianos Kil. (bei Homer jedoch nicht als Eigen
name).
'PoSto? Hesiodos.
poSov Homer. Hymnen, Theokritos, Incert. Idyll, (durch Con-
jectur), Kallimachos, Apollonios, Rhianos, Anthologie,
poi^o? Nikandros (coAr ( oa), Oppianos Kil., Anthologie,
pöoe Antimachos, Incert. Idyll., Kallimachos, Apollonios, Sim-
mias, Dionysios Perieg., Quintus, Nonnos.
pöxaXov Rhianos, Anthologie.
po/ßoq Nikandros (Homer io/Osw).
puao? Anthologie, Tzetzes.
pMp Triphiodoros.
pwx^tov Homer. Hymnen, Dionysios Perieg. (pcH), Quintus.
b) Mit Anlehnung an Homer.
pat<ra5p Kallimachos, Apollonios (patcrr ( p'.o;), Anthologie.
po!<piQ Apollonios.
P'ijV Apollonios.
pwrrw Timon, Nikandros, Eratosthenes (?), Anthologie,
poöiov Apollonios.
49*
758
II z a c h.
c'jxapic Sibyllin. Orakel,
puwos«; Anthologie (Hom. puzöw).
puxt; Anthologie (Hom. pimjp).
puTÖ? Anthologie (Hom. pu-njp).
por/jj.oq Apollonios.
c) Neue Bildungen.
paoocX6q Nikainetos.
paSivo? Hesiodos, Theokritos, Anthologie.
paSii; Nikandros.
podvw Archesti’atos, Nikandros (pavx^p), Anthologie.
päyjq Aratos, Quintus, Nonnos.
peOop Incert. Idyll., Nikandros, Anthologie, Gregor, von Nazianz.
'PvjMi; Hesiodos.
'PotxYji? Anthologie, 'Porreict? Tripliiodoros.
'Poop/q Sibyllin. Orakel.
püojjiac Iliu Persis, Epigr. ed. Kaibel, Tzetzes.
Aus dieser Uebersicht ergibt sich, wie erheblich die Neue
rungen der nachhomerischen Dichter sich darstellen. Während
wir nämlich 55 Ausdrücke vorlinden, die bereits bei Homer
Längung aufweisen, kommen an neuen hinzu: 1. 14, die im
engen Anschlüsse an homerische Fälle gebildet sind; 2. 71 ganz
selbständige. Als bedeutendsten Neubildner müssen wir Apol
lonios ßhodios bezeichnen, den Hauptrepräsentanten des
jüngeren alexandrinischen Epos. Die zweite Stelle nimmt (wenn
wir von den Sammelpoesien, wie die Sibyll. Orakel, Antho
logie etc. absehen) sein Nachahmer Quintus ein. Bedeutsam
treten auch andere Alexandriner neben Apollonios hervor, so
Kallimachos und die Idyllendichter, weiter Aratos und
Nikandros. Eine bemerkenswerthe Erscheinung ist Dionysios
Periegetes, der als Nachahmer des Apollonios gleichfalls mehr
fach Neubildungen sich gestattet, doch mit der Beschränkung
auf Eigennamen, die in seinem Werke eine so grosse Rolle
spielen. Nur mit dem überkommenen Materiale arbeiten, so
weit uns die erhaltenen Stücke belehren können, ICleanthes,
Asios, Peisandros, Antimachos, Numenios, Maximos, Simmias,
Moiro, Rhianos, Theodotos, der Dichter der Lesbi Ktisis,
Oppianos Kilix, Eudemos, die Verfasser der Oracula graeca
Studien zur Technik des nachhomerischen heroischen Verses.
759
ed. Hendess, die nonnische Schule (Nonnos, Triphiodoros [wenn
wir den auch in der Anthologie mit einer Längung begegnenden
Eigennamen 'PotTsta? ausser Betracht lassen], Kolluthos, Mu-
saios), dann Eudokia. Im Ganzen also sind es, mit Ausnahme
der nonnischen Schule, nur Dichter, von denen uns verhältniss-
mässig geringe Reste erhalten sind, so dass weitere Schlüsse
misslich werden. Besonders klar aber wird auch aus diesem
Umstande die Sonderstellung, welche Nonnos mit seiner Schule
einnimmt. Da es bei ihm zuerst deutlich zum Bewusstsein
kommt, dass die vocalisch auslautenden kurzen Silben im Laufe
der Zeit nicht mehr die Kraft behielten gelängt zu werden,
so beschränkt er die Längungen vor Liquiden auf wenige her
gebrachte Fälle, ohne selbst irgend Neues zu wagen. Alle
übrigen nicht eigens genannten Dichter, deren Erzeugnisse in
hexametrischer Form oder in Distichen abgefasst sind, haben
sich der Längungen vor Liquiden im Inlaute enthalten; nament
lich gehört hieher fast die ganze Gruppe der Elegiker.
II.
Der Längung vor Liquiden im Anlaute, die wir bis jetzt
betrachtet haben, entspricht eine solche im Inlaute, die im
Wesen nicht von jener unterschieden ist. Sind es doch die
selben Stämme, bei denen sie begegnet, nur sind diesmal die
beiden Wörter, die in jenem ersten Falle noch neben einander
standen (svi ij-syasoicuv) noch fester zu einem Ganzen zusammen
geflossen (■x.axäveiwv). Diese Längung im Inlaute können wir
an zwei Gruppen von Ausdrücken wahrnehmen: an zusammen
gesetzten Wörtern (d^pp-i^a?) und an augmentirten Verbal
formen (eppr^e). Da aber das Augment wesentlich auch als ein
Wortbestandtheil gefasst werden kann, wie ich mit Hartei
(Hom. Stud. I 2 17. 18) annehme, so ist es begreiflich, warum
die Sprache in Bezug auf unsere Frage zwischen wirklichen
Compositis und Augmentformen keinen Unterschied machte.
Da wir es hier mit den nachhomerischen Dichtern zu thun
haben, so kann es nicht unsere Sache sein, Erörterungen über
die Entstehung der Längungen resp. Doppelungen der Liquiden
im Inlaute anzustellen, zumal die Frage von den oben genannten
760
Rzacli.
Forschern in scharfsinniger Weise discutirt worden ist. Wesent
liche Unterschiede zwischen den älteren und jüngeren Dichtern
ergeben sich nicht, daher betrachten wir sie zusammen.
Wie bemerkt, ist die Doppelung der Liquida im Inlaute
(wie wir kurzweg sagen wollen) ebenso wie die Längung im
Anlaute an bestimmte Wortstämme geknüpft. Während aber
die letztere ausnahmslos nur in der Arsis eintreten kann, erhält
sich die Doppelung im Inneren der Zusammensetzung unter
besonderen Umständen bei gewissen Stämmen auch in der Thesis.
(Ueber die homerischen Fälle vgl. jetzt besonders Knös, de dig.
hom. quaest. 1TI 240). Beide Arten begegnen uns sowol in
der homerischen Poesie, als auch bei den späteren Dichtern
in äusserst zahlreichen Beispielen. Diese letzteren folgen, wie
wir das auch bei den Längungen im Anlaut gesehen haben,
theils den homerischen Vorlagen, theils schaffen sie selbst neue
analoge Fälle. Doch nicht dies Moment allein werden wir bei
der Detailuntersuchung zu beachten haben, wir müssen auch
Rücksicht nehmen auf die rhythmische Beschaffenheit des ersten
Wortbestandtheiles, indem hieraus gewisse Normen resultiren.
Diese sind:
1. Bei Compositis (resp. augmentirten Verbalformen),
deren erstes Wortglied einsilbig ist (also z. B. uu^v.zoc iXXaße
apropos avv&peXos appr ( -/.T0? sppvjEe), steht die gelängte Silbe in einer
der Hebungen, mit Ausnahme der III. und VI., oder aber in
der 2., resp. 4. Thesis.
2. Bei Compositis, deren erster Bestandteil pyrrhichisch
ist, steht die genannte Silbe in einer der Hebungen, mit Aus
nahme der 1. und III. (gewöhnlich in II. oder IV., selten
in V., noch seltener in VI). Nur in der archaischen Poesie
ist dies auch in der III. Arsis gestattet.
3. Bei Compositis mit trochäischem ersten Wortgliede
steht die gelängte Silbe in der 2. oder 4. Thesis, seltener auch
in der IV. oder V. Arsis.
4. Ist der erste Wortbestandtheil rhythmisch ein Tri-
brachys, so wird das Compositum so behandelt wie eines mit
pyrrhiehischem ersten Grliede, repräsentirt er aber einen Amphi-
brachys (~ - — z. B. -/.eXaivöptvcx;), so kann die Längung nur
in der 2. oder 4. Thesis erfolgen. Andere rhythmische Formen
kommen nicht vor.
Studien zur Technik des nachhomerisehen heroischen Verses.
761
Hiernach kann die gelängte Silbe in der Vers Senkung nur
stehen, wenn der erste Compositionstheil einsilbig oder tro-
chäisch ist oder aber einen Amphibrachys ausmacht. Zugleich
erscheint diese Stellung auf die 2. und 4. Thesis beschränkt.
Was etwa sonst von Fällen in anderen Senkungen begegnet,
stellt sich entweder als homerische Reminiscenz oder aber als
schlechte Ueberlieferung oder endlich als Mangel metrischen
Gefühles seitens des betreffenden Versemachers heraus.
Um die Längungen, respective Doppelungen in der Arsis
von denen in der Thesis auch äusserlich scharf zu scheiden,
werden wir sie getrennt nach einander betrachten.
A. Doppelte Liquida im Inlaute in der Arsis.
Wir werden hier mehrere Gruppen unterscheiden, und zwar :
P: Aus Homer entnommene Fälle.
P: Fälle, die zwar bei Homer vorliegen, doch mit anderem
ersten Bestandtheil; so z. B. gebraucht Aratos die Längung
y.aTap.sXetG'd, während bei Homer die Verbindung oiapeXsicrn
begegnet.
II. Längungen, respective Doppelungen der Liquida im
Inlaute bei Wörtern, die bei Homer nur im Anlaute Längung
zeigen, z. B. Apollonios: zoXiippivov vwp.a ad-Aoq f 1231, während
wir bei Homer 2>gs B’ azb piviv E 308 lesen.
III. Längungen im Inlaute, die in den homerischen Ge
dichten weder im. In- noch im Anlaute nachweisbar sind. In
dieser Gruppe fassen wir in der Abtheilung
III a alle die Fälle zusammen, bei denen andere nicht-
homerische Vorbilder nachgeahmt erscheinen; so bildet z. B.
Apollonios die Form BChayov B 881 dem Homer. Hymn. V 87
nach. Die zweite Unterabtheilung
IIP endlich umfasst die selbständigen neuen Bildungen
eines jeden nachhomerischen Poeten.
Die erwähnten Bezeichnungen I il , P, II, IIP, IIP sind
in den folgenden Detailausführungen beibehalten.
762
li z a c h.
Hesiodos.
I«.
sXXaßsv: crx.oa^ oelpixspri Se xEXwptov sXXaßsv apxyjv Th. 179 V
Hom. uxo xe xpop.sp sXXaßs yula r 34 V
eu pp. e X ikj <;: 6p sqpax’ ouS’ apa Küxvop EuppsXi'itjp eptsvot'va A. 368 IV
Hom. IlavGoou ufop suppeXtvjp apiX^csv P 9 IV
<I>eXXov sup jj. s X {yj v xexe xrj MsXtßot'a Fr. 134 G. II
Hom. xap 3’ ap’ supp.sXt7]v llstot'cxpaxov y 400 II
o iXo pps iS■/] p: rXauxovopvjxs «ptXoppE tSijp xalIlovxox6p£taTh.256III
xalS’ axaXa ippovEovxa pu X o p. p. e t S yj p ’Af poStxv; Th. 989IV
xtjitiv Ss ipiXopp.stoYip ’Appootx-p Fr. 206. 1 IV
Homer. Formel ptXoppEiOYjp ’AppoSiXYj A 10 IV
appqxxop: poüvv; 3’ auxoGt sXxtp sv äpp^xxotat ScpciGiv E. 96 IV
Hom. iv’ appyjxxop x6Xtp eit; <1> 447 IV
axcppatto: p/p xiv’ äxoppatcsiv yspdwv, xtpvjv Se Exaoxov Th. 393 II
Hom. xxi^pax’ axoppafaei a 404 II
apprjxop: pnjxof x’ appv)xo( xe At'op peyaXoto sxvjxt E. 4 II
Bei Homer steht die erste Silbe von appYjxop
nur in der IV. Senkung und zwar p 466 o xsp x’ äppij-
xov dpstvcv; doch vgl. xapappitjxol x sxeeoatv I 526 IV
ä v s x (p p e x x o p: pvjS’ axb /uxpcxoSwv a v s x t p p s x x <o v aveXovxa E. 748IV
Hom. o0t xavxsp extppslEoy.ov oSlxat p 211 IV
sppsov: sppsov ex, xstpaXswv, tjnXwxo Ss xaXa y.äp-pva Fr. 42. 3 I
Hom. sppssv ex psXswv X 600 I
atpoppoop: oeevyj Exblp Guyaxrjp ai^oppoou 'ÜxsavoTo Th. 776 IV
Hom. Hemistichion u 65 IV (dagegen ist nicht
hieher zu ziehen ötyoppov Th. 658, das zu einer
ganz anderenWurzel gehört, vgl. Curtius, Grdz. 4 546).
xaXXtppoop: pr ( SE xox’ asvawv xojtapwv xaXXt’ppoov üSwp E. 737 V
ooxs AiXabjGsv xoo/eei xaXXtppoov uotop Fr. 202 V
Hom. Hemistichion z. B. B 752 V
xsptppuxop: ßouo'tv ex’ stXtxoSsaat xEptppüxw eiv’EpuGswj Th. 290 IV
exXyjx’ evGev sxstxa xspfppuxov ixsxo Kixpov Th. 193 IV
Hom. xaXv) xai xt’etpa, xsptppuxop x 173 IV
ßaGuppEt'xvjp: ©aupap S’ ’Qy.savoTo ßaGuppEt'xao Güyaxpa Th. 265 IV
Hom. ouSe ßaGuppEt’xao p.sya oQsvop ’üxsavolo
4> 195 II
Studien zur Technik des nachhomerischen heroischen Verses.
763
soppe ixt; ?: H^vsiov xe -m\"Epjj.ov euppei'xvjv xe Kd'.y.cv Th. 343 II
Hom. TrejxTCxaioi 3’ AI’yuxxov euppsixrjv aöp.£aOa \ 257 IV
eppwovxo: Iop-povei; drcX^xoi xe y.ai ou ipaxai eppwovxo A. 230 V
Hom. ydixoa 8’eppwovxo W 367 II
eweppdiaavxo: y.aXoiiq tjj.späsvxa<; ■ eiteppwoavxc 3s -ocafv Th. 8 IV
Hom. yalxat eiceppdhoavxo dvay.xo? A 529 IV
noX6ppv;v: ev 3’ ävops? vatooai xoXüppvjvs? uoXußouxai Fr. 80. 3 IV
Homer. Vers I 154. 296 IV
ä'äoppi'TtxoK työüctv dp^ißXYjoxpov a^oppiiiovx; soau? A. 215 IV
Hom. pjviv «TOppi'ipavm xsXoipjv I 517 IV
EwtppoOo?: äpp.aXiv)? ■ jj.ay.pa: yap EixtppoOo: eücppöva: eia! E. 560 IV
Hom. xo(tj c'. smppoOoc vjev A0ijvr] A 390 IV
P.
äjj.o(ppuxo?: ßowv EVE - /.’ e!X«;63wv dpufippüxu etv ’EpuOety] Th. 983IV
Bei Homer steht ajj.sfpuxcc nur ohne Längung
im Inlaute, respective Doppelung der Liquida,
z. B. VYjtjO) ev dp.p'.pjxr, a 50
airoppuxoi;: y.pvjvijc x’ aevdou y.at aTioppüxou, ! c\ x’ äOoXwxo? E. 595 IV
Vgl. Hom. luspippuxoi; x 173 IV
xavüppiijo?: ai/yeipo: xs xavtüppi^oc p^yvovxat £m’ auxwv A. 377 III
Hom. hat xrpoppi^o: Trfexouotv A 157 I
II.
ä:röXs!6ac: 3c y.sv xrjv eftlopxov äTiöXsi^ai; ETrojjixov; Th. 793 IV
Hom. cspa Xeiiiavxe xcoixijv 0 285 IV.
IIP.
’A jj.stXoy: a :: Neiy.sä xe 4su8sa? xe Ao-pou? AjatpiXofiaq xs Th. 229 V
oiXo|j, |xr ( 3s: ^3s <piXojJ.jj.Y]Sea, oxi jj,y)8ewv eijeoaävOv) Th. 200 II
Bekannte nüchterne Interpolation, durch ety
mologische Spielerei aus dem echten Epitheton
®iXop.|jt,si3vfe veranlasst.
Homerische Hymnen.
I»,
e'XXaßev: oi*u 8e jj.iv y.paoiyjv dycc IXXaßsv, ajisi 31 yaixac V 40 IV
Hom. z. B. 0 371 IV
764
Rzac h.
ja s x a X X Y} £ £ t £: oipöaXjAouicv 'ooüsa ja £ t a XX r t I; £ t e /oXoto V 339 IV
Hom. psxaXXv^avxt -/oXoto 1 157. 261. 299 IV
xoX6XXicxo<;: aXX’ vjy' vijowi xoXuXXiaxoist psvouaa II 169 IV
rjxxo 9swv äxaveuOe xoXoXXtaxtp ev! vr ( ü V 28 IV
Hom. xoXöXXwxov 8e g' '.-/.otvio s 28 IV
<piXopps'.Sr)c: Sdpvaxat ev <ptXoxr;xi <ptXopp.sc§r]c ’AspoStxv; IV 17 IV
rjSu YsXori)caxa ipiXoppetSy)? A®po8fn) IV 49 IV
tov Sr) sxstxa tSouda <ptXoppst8r]<; AfppoShnr) IV 56 IV
ypuaü y.oafj.VjOsiaa otXoppstSrj? ’AopoStxr) IV 65 IV
io? sixibv Xaßs ystpa • <ptXoppst3r;? 3’ ’Acppoo(x7) IV
155 IV
Homer. Formel z. B. A 10 IV
Schlecht ist die Ueberlieferung von Cod.
BC ipiXopsiSea III 481 statt o’.Xsy.uSEa, da die
Liquida immer doppelt erscheint,
dp p opoc: 8c S’ xxsXr,c Ispiov, öc x’ appopo?, oüxoO’ opotto? V 481 IV
Hom. y.ai ep’ appopov Z 408 IV
ä.~l i'rnoo c: suSlrj o’ iy_' "OXupxov ayävvnpov, aödvaxot3e III 325 IV
a’tpoppot xpo? 'OXupxov ayarvipov sppciaavxo III 505 IV
Hom. xpo? "OXupxov a’jdvv«pov A 420 IV. Das
Wort ist nicht aus cfyocv und St. vtso zusammen
gesetzt, sondern aya- und W. cvup; ayav kommt
bei Homer noch gar nicht vor, Composita wie
ayay.Xuiiq zeigen den richtigen Sachverhalt klar,
vgl. Knös, de dig. III 231; Curtius, Grdz. 4 318.
y p ua b p paxt?: vuv äs p’ avi5pxa?E y p uooppaxt? ApYsi'©ovxYj? IV 117 IV
Iv0sv p’ rjpxai;s ypuxcppaxt? ’Ap'fsitpövr^ IV 121 IV
Et? "Epsßo? xEptls ^puaöppaxtv ’ApYeifsvtrjv V 535 IV
y.a\ au y.aa£vv/)xs ypuaöppaxt, prj psyiXeue III539IV
x’YYeXe xüv paxapwv, ypuaoppaxt, Swxop satov XXIX
8 IV
yjxTps Kpovou öu^axsp, au -xe y.ai ypuaoppaxt? 'Eppr;?
XXIX 13 V
Hom. 'Eppsta? ypuooppaxt? dvreßoXrjaev -/. 277 IV
'Eppsta ypuxöppaxt s 87 IV
äyappscc: Xsuaos Qsx, y.al xövxov dYdppoov työuösvxa V 34 IV
Hom. xap’ aYappoov 'EXXifaxowov M 30 IV; wegen
der Zusammensetzung vgl. oben iyi'n ;coc
Studien zur Technik des nachliomerisehen heroischen Verses.
765
ßaö'jppooc: (!)pvux’tot ’Qxeavoio ßaOuppdcu- auxap ’AxoXauvIII185IV
Hom. kc, äy.aXappiixao ßaGuppcou ’Qy.eavoTo H 422IV
•/.aXXippooc: ctY/ou Se y.p^VYj z.aXX(ppooc, svOa opay.atvav II122IV
ouvr/.oe p.'.v y.p-/ ( vy) /.aXXippooc, iEaxdovjcri II 198 IV
ä'vyr p.aXa xp^VYj? y.aXXtppöou • svöa §’ avor/.xt II 207 IV
•/öipsv Ey_oua’ ipaxov xpopesiv y.aXXippoov u§wp II 202 V
(saxs AiXatvjGev xpo/est y.aXXcppoov üotop II 63 V)
Interpolation.
Hom. y.pouvi) o’ ty.ayov xaXXtppsw X 147 IV;
•/.aXXippoov uowp B 752 V
sppdxravxo: ätyoppot xpos T)Xup.xov iyeivvifov ippwoocvxo III 505 V
■/.y; xi p.sx’ aGavaxoic! y.aXov ydpcv ippoxxavxo IV 261 V
Hom. arc’ a.pa ’AjreXdnov eppwcwxo Ö 616 V
(äjxßpdaiac 3’ apa yoäxa! ixspptocavxo avay.xo; XXXIV
14 IV) Interpolation
Hom. Vers A 529.
P.
B(appr ( 'OT)v: aüxap ixsi xa iy.aox« ctappr ( or ( v spioatvov III 313 IV
Hom. xapappYjxot x’ sxeecxtv T 526 IV
II.
Xtööpptvo«;: xitp’/jvac ota vwxa Xiöoppivoio y_£Au>vr ( ; III 48 IV
Conjectur Pierson’s für (las hdschr. owe pivoto.
Bei Hom. xept 3e pivoi ij.’.vjOouoxv ij. 46 IV
IIP.
IXXajre: iXXa/cV, Oc xä xpwxa Siaxp’.ya oax;j.cc ixj-/0v; V 86 1
xslc (Aixavaiexaei, xwv iXXa/i xoipavoc sivai V 87 IV
Diese Form ist dem homerischen und hesiodi-
schen eXXaße nachgebildet, und zwar der erste
Fall in I. Arsis: eXXaßs xopoupso; Gavaxo: y.xX.
E 83, der zweite in IV. Arsis, z. B. xon IXXaße
•/s’.pi Yivstou 0 371 IV
veöXXouxoc: zr, pa veoXXouxo?, xpoy.aXs6p.evai;^Supiov uxvov III241II
Kykliker.
P.
eXXaßs: l’XXaße xopoipsoc Oavaxso y.ai potpa y.paxa'.v; Ilias mikra
Fr. XVIII 5 I
Hom. Vers E 83 T 477
766
Rz ach.
(jtXoppsiBy;?: rj Be a'uv apoiroXotai ipiXoppeiovji; ’Acfpoo'/rr; Kypr.
Fr. IV 1 IV
Hom. Formel z. B. A 10 IV
Danais.
I\
suppen)?: nrpoa0ev euppelo? xoTap.ou NsiXoio ävax/toc Fr. I 2 II
Hom. euppelo? TiOTap.olo z. B. <t> 1 IV (wie in
II. Arsis, immer in IV Z 508 E 433 0 265
Q 692).
Naupaktia.
P.
ir o X 5 p p yj v: oixla voae-cotacr/.s ::oAXuppfjv nrouXußown]? Fr. IV 2 IV
Hom. sv B’ mopeg vaiouai TOsXippvjve? vroXußoÜTai
I 154 IV
Minyas.
I a .
eXXaßov: ntc^peu? vj-fe Xapwv, oüz. eXXaßov svSo0sv oppou Fr. I 21V
Hom. z. B. 0 374 IV
Aristeas von Prokonnesos.
I a .
scXüppYjv: äipveiou? itomigi zoXippvivas TcoXußc^Ta? Fr. III 3 IV
Hom. I 154 IV
Pseudophokylidea.
P.
£7cTp.o ipaaOa c TaTav STtip.otpaa0at daap^ÜTOi? vezuecatv 99 B. II
Hom. näv-a BiepotpäTo Bai!'wv r g 434 IV
Theognis.
P.
äaroppv)qac: ßpöw/ov äTcoppr^a? • au B’ sp.^; tpiXÖTYj-cc? äpapvwv
1099 II.
o'uB’ ayzupai e-/ouaiv • äTcoppv^aaa Be Beapd 459 IV
Hom. Beap'ov ir.opp^gac Z 507 II
STiippeirw: Zeuc tsi väXa'Hov sTitppsTcei aXXoxs ä'XXw? 157 IV
Hom. yjjjliv aixu? oXs0po? sarippexY) E 99 IV
Studien zur Technik des nachhomerischen heroischen Verses.
767
P.
8 lapp-j^a?: zoXXay.t 8’ Y)p.sXXY]aa Siappvj^ao-a yaX'.vcv 259 IV
Statt Seqjibv äzoppv^a? existirte Z 507 auch
die Variante osqjia BiappqEac, E. M. 51, 12.
II.
•/.aTä|i.dpdiai;: xoaui y.ataix'äptiai; atp.aTo? oux. sziov 950 (Pentam.) II
Hom. aimyj Iva ij.ap'Iac y. 116 II
Aisehylos.
P.
z o X 6 p p vj v o p: [j.o!pa zoXbppyjvov zaxptSa puaij.lvou? Fr. III 2 (Pen
tameter) II
Hom. vale zoXippvjvo? X 257 II
Krates.
II.
’K£p(ppozo?: y.aXv) x.ai zi’sipa, zepcppuzop, ouSsv syoucra Fr. VII 2 IV
So Stephanus, vulgo TOpippuTo?. Hom. y.d6r)pdv
xe pÜYca zavia l 93 V. Den Vers selbst hat Krates
nachgebildet dem homerischen t 173 y.aXr, y.at
Yiis'.pa, zspi'ppuxo? yxX.
Empedokles.
P.
azoppaiw: Gup.bv azoppataavxai; se8p.svai qsa yuTa 426 II
Ö'jp.bv azoppaicaVTS iptXa«; y.axa cracpy.ag ISouaiv 447 II
Hom. v.-r^j.y.x' azoppafcei a 404 II
I 1 ’.
azoppo• j: yvcoö’ 5xt zavtuv siaiv azoppoaf, oca’ eylvovTO 337 IV
Hom. ezippeet qux’ IXaiov B 754 IV
II.
XiGöppivoy.al ezl x.r)p6y.(i>v -cs XiQoppfvwv ts ysXwvwv 301 IV
Hom. zspl 8s pivoi p.uvuQouatv \j. 46 IV. Das
jetzt im Texte des hom. Hymn. III 48 stehende
XiGopptvoio ys.\<j>'ir l q ist Conjectur Pierson’s.
äzoppüzTsaGat: ypv) p,sv azoppüzxsaGai 453 II
Hom. vöv 8' oru puzow 4 115 II
768
Rzacli.
Timon.
P.
appYjxoc: Träcrtv oaot; Sapvaxac, äp’ äppvpot; xe «paxol; xe 123 IV
Hom. appyjxov \ 466 in der 4. Thesis, Hesiod.
pr)xot x’ apprjxoi xe E. 4 II
sppec: icctvxtüv ipetpoutrav • o B’ eppet yüpyadog alnfjp 89 IV
Hom. eppei B’ aTpa P 86 II TravxöBev b. peAewv
tcoXu; eppeev (iBptu;) II 110 IV
Kleanthes.
P.
£p piy ug i'i: xou yap ütto ctX7]Y4S ouaeto; tcocvx’ e ppiyaGi') 11 V
Hom. aTieppivauc veeoOat ß 52 IV
Linos.
IIP.
£ A A a ye: aie; Tietpax’ eyov ■ Ttoiov ysvoi; e'XXaye xoux’ 2v 20 V
Hom. Hym. V 87 IV "
Theokritos.
P.
s XXa ßs: cr/.acvj pev o«ciy)V noXuBefoteög eXXaße yetpa Id. XX 119 V
Hom. T 34 V
attö A^ ytu: aHa 3’ äTroX^Yovx’ a'vepoi, XtTcaprj Be ya\-fyir\ Id. XX 1911
Hom. ouy.Ex’ (XTToXX^Et; x 166 II
app't)y,xo;: y.GTrxopevY] Tcvotal; xs y.ai äppr ( y,xotai yaXä^ai; Id. XX
16 IV
Hom. app^y.xo; ttoXi; eiyj ( 1> 447 IV
ävapp^Sja;: xüpßou o.'tapprfcc/.c, xayetu;. Meffinjvioi; TBa; Id. XX
208 II
Hom. xeiyo; mappr^ac H 461 II
veüy.oc avapp^pavxec öpoüov eyysa Xousat Id. XX
172 II
Hom. xtb pev avappv^avxe S 582 II
ec v.o'Ckrpt epptt]tav aveppvjijav 8’ apa xoiyou; Id. XX 12 IV
ETTtppe^tu: Zujvt B’ extppe|ai AaOuxEpxeptu apceva yoTpov Id- XIX
99 II
Studien zur Technik des nachhomerischen heroischen Verses.
769
Ixippe^w
y.euOu? !xippe!;etv /[\mpov y.aXöv ■ S’ apa vsucnr) Epigr.
XVII (dub.) 15 II
Hom. vup-sauv, o0c xavxsc ixtpp^ecxov SSIxat p
211 IV
eppeuv: eppeuv 8’ ly. y.scsaXac xacac xpfys«;, a'uxä 8s Xocxa Id. II 88 I
Hom. eppesv ex p.eXewv X 600 I
exippet: ey. xaiSi? • cxeuStops? • o/Xo; xoXuq dcp.lv excppe! Id.XV59VI
Hom. ezcppest y)ut’ eXacov B 754 IV
xaxocppsl: al'xa 8’ aTya Xaßv) xvjvo? yspac, sei; ts xaxapps! Id. I 5 VI
Hom. zaxappsov ec; (LssiXvji; A 149 IV
I 1 ’.
exippatveiv: OaXXw Ixippai'veiv sciepp-svw aßXaße; u8wp Id.
XIX 98 II
Bei Homer nur eppa&ax’ M 431 I und sppd-
Saxac u 354 II vom Verbum simplex, vgl. auch
Knös de dig. quaest. III 257
dczoppel: ata! cpavxi dX.Xtve xo toi xaXov av0o<; dezoppe! Id. VII 120 VI
Hom. excppesi B 754 IV, vgl. oben ezcppe! Id.
XV 59 VI /.(Trappe! Id. I 5 VI
opoppoOoq: avipov gaco axei^ovxe; öp.bppo0oc- aXXa tu <peuye Epigr.
dub. XI 5 IV
Hom. exc'ppo0oi; W 770 IV
III*.
e'XXa^ov: ozXoxepotc;, xip.ä? Ss y.ai wy.ieq eXXayov czzoi Id. XVI 46 V
Hom. Hymn. V 87 IV’
Bion.
I*.
zaxappel: xoXXov sp.su y.peaauv, xo 8e xäv /aXov sq cs y.axappei
Epitaph. Adon. 55 VI
Hom. zaxappsov A 149 IV, vgl. Theokrit
zaxappe! Id. I 5 VI
Moschos.
I”.
dX(ppo0o;: cpatvexo 8’ oüx’ a/xr ( xi; dXlppodoq oüx’ opo; aczu Id. I
132 IV
Hom. xaXtppöOiov 8s p.cv auttc e 430 IV
770
lizacti.
Incertorum. Idyllia. '
p.
dppTjxxo?: evOa xal appv]x.x6v xep e/(ov ev erlöse! 0up,6v Id. IX 112II
a’j/svoq appvjxxo'.o xep’ ivtov •^•/p.aera TCpotpOa? Id.IX264II
Hom. xpüaeov dppYjxxov 0 20 II
xoXüppv)v: orte xoXüpprjve? xavxwv l'aav ex. ßaaiXi^wv Id. IX 117 II
Hom. I 154 IV
I».
xoXüppaxxo?: pitpa? xii;ov e'pai^e xoXippaxxbv xe ®apexp?)v Id.
IX 265 IV
Hom. euppapeeaat Sopbtaiv B 354 IV
äppYjve?: vuv Bl Xtrjv £ay.oxöv xi y.ai dppY]vl<; yevex’ auxw? Id.IX83IV
Hom. xoXupprjves I 154 IV
IIP.
e X 7, y.y t'i: dxveuoxov, io/ppv 31 xeXt&pto? l'XXayev 'ÄiSvj? Id. IX 271V
Hom. Hymn. V 87 IV, vgl. Theokr. Id. XVI
46 V
IIP.
xeptXixiJiäxo: axr/Jed xe, yX^oo-f) Bl xepiXi/p.axo yeve'.ov Id. IX
226 IV
exT|j.6cuY]0i: xav oXi'yov vuxxop xt? exip-ücroYiai, xbv oxvov Id.III4IV
Aratos.
I\
a v eoeXo c: Bövoi B’ dv e<p eXo <; p.aXaxvjv OxcBeieXoq aryXyiv Phaen.826II
ei 3’ o p.lv dveoeXo? ßdxxoi pöov loxeptoio Phaen. 858 II
auxo p.lv dvlipeXöv xe y.ai dyXaov, u'jn Bl piäXXov Phaen.
415 II
Hom. xexxaxai dveipeXoi; u 45 II
d p p-p x o c: dppr ( xov • |j.E<7xai Be Ato<; xdoat p.sv dyiiiat Phaen. 2 I
auxw; appv)xov xaxaxetaexat • dXX’ dpa y.ai x<Sv Phaen.
180 II
Hom. dppy;xov \ 466 in 4. Thesis
dvapp-^ap: vvfaoo dvapp^tjaoa p.ea a; exaxep0e v.oXolvac Phaen. 642 II
Hom. H 461 II
dxopptiii;: xd; Bl Bt’ dpttpoxepac oTtj xoxapwlo axoppu? Phaen. 45 VI
Hom. Sxuyo? oBaxos eoxiv axoppt!)!; B 755 VI
Studien zur Technik des nachhomerischen heroischen Verses.
771
iuppooq: Sxopxi'ou ejjwcfjuxotev euppoou tozeavolo Phaen. 635 IV
Hom. tippoov ap.pt 2xdp.avSpov II 329 IV
Ixipp^oow: xijp.0i; sxtpp^acouat vixot, 6x6x’AtyoxspYp Phaen.292II
Hom. xov xpei? p.ev sxippvfoaeaxov ’A/atot Ü 454 IV
xaXippoGtoi;: vrja, xaXippoGiyj os y.aQäxxexat ^xetpoto Phaen. 347 II
oüSe xaXippöGioi xev üxeuSioi popsotvxo Phaen. 1012II
Hom. xaXipp60tov csps y.up.a t 485 IV
P.
y.axSp.äXsi'<jxi: aXX' 6 p.sv wc xpi^a toJvwc xaxap.eXei‘oxt popsixa!
Phaen. 624 IV ’
Hom. tva a’ a3Gi 8tap.eXei<rxt xäp.Yjav c 339 IV
Äppavto?: äppavTOt yivovrat Ix’ •ijp.axi xeivw äpoupat Phaen. 868 I
Homer. Vorbilder repräsentiren die Formen
IppäSax’ M 431 I und sppxoatat u 534 II, vgl. Ixtppai-
vstv Theokr. Id. XIX 98 II
extppijSyjv: äcTspsp, ot py.v xäoav Ixtpp^orjV aTt^owaiv Phaen. 191IV
Ei’psxai. exxa S’ey.Etvat lx(ppi;§if;v xaXlovxai Phaen. 261IV
o^p.axa o’ sö p.aXa xäoav exipp^orjv xspiy.e'.xat Phaen.
465 IV
Hom. vom selben Stamme xapappYjxc«; 1 526 IV,
vgl. äcappVjSyjv Hom. Hymn. III 313 IV
xoXuppöGtoq: o^p.ax’, Ixoty.xEipo'jaa xoXuppoGtou? ävQpwxouc Phaen.
412 IV
Hom. xaXtppoQcov psps y.üp.« t 485 IV
II.
sxtppot^lw: p.ay.p'ov sxtppot^Euc! xtvacjäp.Evot xxepä xuxva Phaen.
969 II
Hom. xoXXy) oe iotLM i 315 II
IIP.
p. o v sXu y.o p : y.a; \üy.oq öxxoxs p.axp3c p.ovöXuxo? wpörjxat Phaen.
1124 IV
Cod. EL bei Bokker p.svwXuy.oc, die meisten
anderen p.ovoXXuy.o?. Bei Homer hat das einzig vor
kommende Compositum AuxoXuxo? stets kurzes o.
Möglich, dass sich in p-ovöXuy.oi; noch eine Er
innerung an den alten Anlaut des zweiten Wort-
bestandtheiles (FXüy.o? skt. vrkas) erhielt.
Eppwosv: xat xa p.ev eppuosv, xa>v Sk pXöov wX&re xavxa Phaen. 335 II
Sitzungsber. d. phil.-hist. CI. XCV. ßd. III. Hft. 50
772
Rz acb.
Kallimaelios.
I\
äXXnjXTOi;: <x'XXyjy.xov feXococt, p-aXicxa Be xevGepr, auxY} Hymn.
III 149 I
Hom. y.apStv) aXXr)y.xov xoXefit^eiv B 452 II
iroXüXXtTO?: iyj iy] Kapvele xoXiXXixe, aeio Be ßwp.oi Hymn. II
80 IV
AaxepiY) xoXüßwp.£, xoXbXXixe, xi'c Be ce va6n)<; Hymn.
IV 316 IV
* Homer hat zwar nicht xoXüXXixoc, doch aber
das damit fast gleiche toXöXXt<rro<;: %Xu8i avac,
orte ecc£, xoXiXXicxov Be c’ aävw £ 445 IV
fppesv: AaBwv äXX’ oöxeo [Aeyai; eppeev obB’ ’Epup,avQoi; Hymn.
I 18 IV
Hom. II 110 IV
xstpofjievYj • voxio? Be Bia /pob; eppeev IBpwp Hymn. IV211V
Hom. N 539 V
y_puc<7> Be xpoyöecca zavfjp.epoc sppee Xip.vr, Hymn. IV 261 V
Hom. W 34
y.axeppeev: äXepiaxii)? ayetpicxa y.axeppeev eiBaxa xavxa Hymn.
VI 91 IV
Hom. y.axappsov A 149 IV
axoppiöi;: xxca S’ axoppwi; Fragm. anon. VII 1 (VI)
Hom. B 755 VI
KpeTov opo? • ce Be Baip.ov axoppwYecciv IGyjy.ev Hymn.
' V 41 IV
Hom. r/.xx'; omopp&^eq v 198 II
eppi^oxje: xpup.vo0ev IppPwce - ce B’ ouy. e0Xi4ev xvxyy.r; Hymn.
IV 35 II
Hom. eppi'^iocev IvepGsv v 163 IV
P.
y.axappe£ü>: <sr ( 31 y.axappei^wv, oxe <xoi xotaaxa Geaivai Hymn.
III 29 II
Hom. xävxe? exippeCecxov öBTxai p 211 IV
-/.XeAi'ppuxoc: y.Xsij;i’ppuxov oBtop Fragm. anon. 183 (wol V)
Vgl. Hom. xepippaxo; x 173 IV
Studien zur Technik des nachhomerischen heroischen Verses.
773
y.axappsxe?: evöäSs 8’ aöxi'y.’ exetxa y.axappexe? l'atruxo y.üp.a Fr.
anon. 116 IV
Hom. IxippexYj 3 99 IY
Xpuaoppays?: xP u<70 PP a Y^? epvo? Fr. anon. 251 (wol V)
Hom. üxeppcrpfj acxexoc aEöijp II 300 IV
xsSoppwprj: pvrjsa? 8’ ext xtr/yu xoooppwpr ( v ’AxaXavxrjv Hymn.
III 215 IV
So Schneider nach der besten Ueberliefe-
rung; vgl. Hesychios pwpö? = wpoSpö?, offenbai',
wie schon Lobeck Ehern. 286 sah, zu pw3p.at
gehörig; es ist also die Doppelung der Liquida
richtige Analogie zu eppdxsvxo W 367 II; vgl.
Callim. Schneider p. 241.
IH a .
eXXaxe: sXXay sc oü m y ep.eio <piXvj xposs?, oüoe K’.fJa'pwv Hymn.
IV "97 I
Hom. Hymn. sXXayev, w? ~'x xpwxa V 86 I
Xljxeipai y.aictv eXXayov 'Hsj'/Esec Fr. 123. 2 (Pentam.) IV
Hom. Hymn. xwv eXXct/s xoipavo? eTvat V 87 IV
aXXa 0ev;c, t;t!c p.e otr/.xopov iXka/e IlaXXac Fr. 164 V
Vgl. Theokr. wy.ee? eXXayov ixxoi Id. XVI 46 V
III b .
eXXtxe: ’HXiv ävdaaeaöat Aio? oiy.tov, e'XX’.xe ‘huXei Fr. 198. 2 V
Dem homerischen eXXaße nachgebildet, wie
eXXaye.
Apollonios Rhodios.
P.
eXXaße: vetcöev ap.^oxepfp: xept Gxixo? IXXaße yepciv A 1197 V
Hom. T 34 V
y.axeXXaße: r ( vx«! ay.vjv, exei ou <j©e y.axeXXaße yv.u.yr.oc &pi)
B 1086 IV
Hom. 0 371 IV
aXXijxxo?: aXXrjy.xov Say.p6o’Jct • xa 8’ eppeev dexa-fe? aiSxwc T 805 I
Hom. y.apSip aXXrjxxov xoXep.(£eiv B 452 II,
Kallim. dXXYjxxov feXowG! Hymn. III 149 I
xw vj p.si aXXrjy.xov xeptxtexai • ob oe y.e Xwßrjv I 74 II
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AI 895 p ?i -S . iodorirlzang ü Uo »Ist) 0» Arosiy :50d0rlr!»ong
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AI 6501J SKärvr.i »gUdsorltlBig »iy.aa /,‘jszsr' aici Ug :» g Sl d 1 ct!ri z 1 c
AI 6 J StijxarMie 5oin -iuoh
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AI 96 V Södü'QO^ 31 3 ’j. } v 3 r! r! r. 3 öciacsvsx reg»/'.» Spa : 5 'j. v 3 r! r! o 3
AI 191 I iiMsjEiYvpisr! ’uiojj
AI 115 l V OlOSXrliDX '.Pll^'('(»13Ti 31ft» t g 310 £ 3<037sAM
AI01T J P>3o;ao d»JL sö!a7 v »ist! . igwa Ad Uast!cA7
II 196 J
3530 c ioa 3g no £ 3caz7'j.t!z asyosI jr/7 »ist! »vv» : aj s Uy v »1 s-r!
AI IS 0 M»PMwqp i'I^vvca» -rao H
^j S9SI Y oioi»vl»-/ (f.sAvvcir 33iA0r.3i5»r) sioa'ir!
II 991 1 ‘is^vvoa» i3wjo -iuoh
II1911 V d!;.QX d»JL ;ct!b . ieiMicc'xa 313 5 X/voa» Saoo : /. 131v via»
775
sppesv: aXXyjy.xov Say.püouoi • xa 3’ eppeev äoxa^e? auxwc T 805 IV
Hom. n 110
pfaaaOat y.aXewv ’ y.axä 5’ sppesv äcyaXcwvxi A 1703 IV
•o? »pap, p.-jo:wxa 8’ ocxxb /pobc eppee Xa/vv) A 1531 V
Hom. N 539
ßaBoppsttov: oopa ßaöoppeiovxo? up’ stap.sval? Tinoto B 795 II
r/.ovac xeSIov xs ßaöoppeiovxä xe KdSXmjv B 659 IV
Hom. ouos ßaöuppEixao ]ii-fa gOsvsc ’Qy.savoio
‘P 195 II
■ijuppoop: y.ai xoxap.b<; Tptxtov r ( 6ppcoc (Merkel sbpuppooc nach
Meineke), ü fco r.izct A 269 IV
sxsppoi;: xuoopiEvou ‘SaeOovxoc extppoa't ’Hoicavolo A 623 IV
Hom. Eztppes! r/jx’ sXaiov B 754 IV
sxeppwovxo: xXo/piot ßoxp'jcsvxsc sxsppioovxo y.tivx; B 677 IV
vt 1 ve;j.ov axapuzxiynv sxsppwovx’ eXaxyjav B 661 IV
ptjjipa 3e rrf extßävxsp exeppiiovx’ iXalrijaiv A 504 IV
WXÖV • S'jpEOXTjOlV S-Eppibovx’ eXdxijSlV A 1633 IV
Hom. xrjutv sucE'/.a xäoat eitepp&ovxo fJvar/.EC u
107 IV
•/Elps: exsppüaavxo xspl oöeveV osprfoiiKKa I’ 1258 II
Hom. -(ouvxva 3’ Ipptdoavro 6 3 II
ve’.öQev =3 e3pvjc, ein 3’ sppwsavxo xoSsiciv A 385 IV
Hom. sxsppüjoovxo A 529 IV
xepippyjS^c: IjpixE 3’ äp-xocEpoiot x sp'.p pr, er,x xEpdsaotv A 431 IV
eox’ äv avw xsivr,o: • xsp:pprj3y;v 3’ sxepidos A 1581 IV
Hom. xEp'-ppiijSr,; Ss xpaxifc, / 84 IV
xoXöpprjv: rf/i 3e vatExaouoi xoXuppijve? Ttßapyjvot B 377 IV
Hom. ev 3’ av3pEc vatoust xoXjppr,vsc ireXußouxat
I 154 IV
sppi'fa: ävtjp epp>'-fijx!v äpsiova püxa (xexeaOeTv T 438 II
Hom. öppa x;c Epp'l-pr,-: F 353 II
Ejxxjjc 3’ ipy ilBrjAa y-axEppi^ijoEv '3so0a: T 1132 IV
Hom. Ala; 3’ ippiyr^s 0 436 II
spsttwOsv: vto/.EjAE; spp{£ii>8sv • 3 er, y.ai {lipctpsy rjev B 605 II
Hom. y.a: ippc^casev evspösv v 163 IV
X'.ooaSs; eppiCwvxat aX;ßpoy_s>. • ipup; 3s xijotv B 731 II
ai pa xe xaxdwv xavjxspxaxa! epp«via: A 1122 V
aixs xapdroov SajXot ev sjpssrv sppt&wvxa! F 969 V
Hom. Iv6a 3e sl xsXfcapxoc aXcor, epptluxa: r 122 V
776
Rzach.
ärcopp£x;x<i): äXX’ sypsaO’ dg spyov, äeftoppfitavxsi; mlaq B 884 IV
Hom. azoppfdiavxa y.EAc{p.Y)v I 517 IV
eiri'ppoOoi;: ExippoOo«; scxca sspyoptivotoiv aux?)? F 184 II
&g dp’ • xdvxsaat 8’ sxi'ppoOop fjvSavs p.vjxip B 1068 IV
la/td S’ oiixiva p.vjTiv siuppoOov ■ aXXd ■/.£ psta B 225 IV
Hijxiv TOpouvwp.sv eTtippoöov, e” •/.’ EimtdXoai B 1050 IV
ot Kixpiv xaXs'ouGiv sitfppoOov ä'p.p.i x:sXsoOai F 559 IV
ob vvjouc, oü mSpyov siitppoOov, oim aXswpi^v A 1045 IV
‘/.uac ayEiv-/pyaEiov exippoOoi d’p.p,t xteXegOs B 1193 IV
Hom. To(r) ol sit(ppc0o<; vjEv ’A0y^vy) A 390 IV
I».
tJiu^oppaYsuv: xov 8’ Exapoi etc! vyja cpspov (Jju^oppayeovxa B 833 V
Vgl. Hom. IwEppctY0 558 IV
“YX‘PP 00 ? : Seivov EpEÖyovTai • \j.i~.h xov 8’ ay/ippoop ’Ipic B 367 V
Xswuov ’'AXuv TOxapiv, Xewxov 8’ aYX l 'pP 00V l?' v 3 963 V
Hom. xotXX.ippoov uoiop B 752 V
£'Äipp’(]oyjv: ■/.sy.Xop.EVwv, y.ac p’ auxip sxippY)8Y]V jaexeswev B 640 IV
NioaioioE xe «bolßo? ^nipp^Svjv lXd£o0ai B 847 IV
Hom. vom selben Stamme rcapdppY)xos I 526 IV
vgl. SiappyjSvjv Hom. Hymn. III 13 IV, litippv^v
Arat. Phaen. 191. 261. 465 IV
•/.axappE^w: ysipi siosxappd^aoa 3oXo®poGuv/]Giv avwyev A 687 II
Hom. c0i Tcavxsp sTupps^scy.ov JStxai p 211 IV,
Kallim. y.axappsi^wv Hymn. III 29 II
•/.ay.oppsxxY)p: ulvjas «bpi'ijoio y.ay.oppE-/.xr)Giv owqSoüp T 595 IV
Vgl. das oben erwähnte bom. sTOpp££soxoy.
v.axapp ex dp: sv0sv 8’ auxtV sxEtxa xaxappsxEp soauxo y,5|j.a
B 593 IV
Hom. ETCippejn] S 99 IV, Kallim. y.axappsxd<;
s'gguxo y.üij.y Fr. anon. 116 IV
ßaOüppi^oc: eu otaßap • xeo60sv Se ßaöüppii^öv xsp souoav A 1199 IV
Hom. xpöpptl^oi A 157 I
s6ppv;vo?: xapixav EÖppvjvi? xs y.at gußoxoc, sv0a IIpopYjQsup F 1086 II
ou 8e d’spaTp ”ABp,Y]xo<; EuppvjvEooiv dvdoawv A 49 IV
Hom. xoXüpprjvsp I 154 IV
II.
ExiXXstßw: AiGoviSiis youvc^sx’ sxiXXsißwv Ispoloiv A 1133 IV
L sxiXeißwv.
Studien zur Technik des nachhomerischen heroischen Verses.
777
IxiXXetßu: uScop alQoiJ.EVOiaw sxiXXstßovxas "Sovxo A 1721 IV
Hom. copa Xei^avice y.toi'tyjv 0 285 IV Hesiod.
oq ksv xvjv sxtopy.ov dncoXetyai; Exopiaav) Th. 793 IV
süpptvoi;: Coq 8' 8x’ Ivi xprjxowtv süpptvot /oavoiaiv (^usat x«Xx^o)v)
T 1299 IV
Hom. xspl os pivot p.tvüGouaiv \j. 46 IV, vgl.
Emped. 7u6oppi'vo)v xe /eXuvöiv 301 IV
xoXipptvoq: av 8s xoXuppivov vwp.a oay.oc, av 8s kok £'f/cc T
1231 II
Hom. (ocjs 3’ axb ptvov E 308 II
euppiv: XaGpyj lupptvwv xs kuvwv auxwv xs vop.r,o)v B 125 II
Hom. gxocEs y.axd ptvwv T 39 II
III“.
sXXayov: o'i jj.ev yap xoGt xouxov, ov IXXayov, °‘ T0V °7.ovto B 881IV
Hom. Hymn. V 87 IV
sXXtoce: ^j.axiot • XiapT] yap üxb y.vsifa? sXXixsv aüpv] B 1032 V
■q pa y.ai 2XXixe Gwy.ov • s<pw|ji,dpxy]<js 3’ ’AGt^vy] F 111 II
svsXXixs: y.Yj7.Y]6[j.w • xoi’vjv c<piv svsXXixs GeXxxbv aotSvj? A 515 IV
Ausser Kallimachos, der Fr. 198. 2 IXXixs
4>uXeI V bietet, ist Apollonios der erste, der
sich nach Analogie von eXXaßs diese Bildung
gestattet.
Nikandros.
I“.
el^Xtxav sue: ou7vobv 27\Xixdvsue xaxij 2xaXaXx4isv axvj Ther. 352 II
II G eXtxocveus; bei Homer haben wir X 414
xävxas Se Xixävsue II im Vrat. b, aber 3’ sXtxäveue
bieten DEHLS Lips. Cant. Townl.Vrat. d; yj 145
haben 3’ sXixdvsusv ACLMQV, dagegen DIK
8e Xixaveuev; Aristarch schrieb das letztere,
ävappv^a?: Xaifot^r), yAvpoac ävappvjijat; exdxspGsv Ther. 477 IV
Hom. H 481 II
äxoppcii;: dypeboeK; 0<ps7v0<; xspidiiaiov • svGsv dxoppwi; Th. 518 VI
Hom. i 539 VI
P.
xo7\ u p p a '(’q q: x9jp.o<; 37) xoxajAow xol.uppaysoi; y.axd oiva<; Th. 59 IV
Hom. üxEppayv) II 300 IV
778
R zach.
dX ip p aiGTir; c: Tp'jvova psv oXoEpybv, äXippatGTTjv xs opdy.ovxa
Th. 828 IV
Hom. StappdiGai i^spiaona B 473 IV
axoppstw: ustpy.£? äxoppstooGi xsXibvat xs Iß<yspai xe Th. 404 II
Hom. a'i|j.a xspt'ppss t 388 IV
ai[*öppooc: cijp.a §s xoi Say.EO? a'tjxoppöo'j auxi? svigxw Th. 282 IV
Hom. ßaöuppoou ’Qy.savoTc E 311 IV
aljAoppoii;: [iß tote xot Oi^Xsi’ atpcppots ibv evsIyj Th. 305 IV
Dem angeführten Adjectiv analog gebildet.
iGeppsxsc: pi£sa Xst^vaio, ipspotc o’ iGoppsxIc x/ßoq Th. 646 V
Hom. IxtppExfl S 99 IV
süpupp'.iloc: Kiggou §’ ötXXoxs. y.Xuiy’ supuppiCou /.axsxoiGt Fr. 74.
17 IV
Hom. xpoppi^o'. A 157 I
II.
p. sX iX Xio x o ?: guv oe psXtXXcoxo'.o vsov gxesoc, rfi' oaot, ya'jvr,c
Ther. 897 II
> p p iv o c:
äppux-o?: r t s
Hom. twk'sto cs Xcotö? <1> 351 II
V Ss l.ixoppi'voio xoxbv 3’joaX’JXTov Id’bri Alex. 537 II
Hom. wos o’ dxb ptvöv E 308 II, vgl. XiOoppi'vwv
Emped. 301 IV xoXupptvov Apoll. Rhod. T 1231 II
Eiippsvot Apoll. T 1299 IV
‘Aal dppöxxiov, ixöxav Xoxlc abcica ypaivyj Alex. 469 II
Hom. vüv o’ oxxi p'jxoti) 6 115 II, vgl. xsplppoxo?
Krates Fr. VII 2 IV, dxoppöxx£G0a; Emped. Ilepc
<M ; . 453 II
IIP.
sxiXXüCw: xr ( pä o’ extXX’j^tov cXcr, ysXX'jGGSxa! axy) Alex. 81 II
So V, und dies conjicirte auch Bentley; (die
meisten übrigen Hdschr. sxiXXKwv). Nikandros
hat sich die Doppelung der Liquida im Inlaute
offenbar gestattet nach der ganz äusserlichen
Analogie von sx-tXXülw bei Homer, das er selbst
Ther. 161 braucht.
cu v e p p y 0 a yK) o e v : SapSdxrwv, öXoolc es GUVsppaOdyyjGEV öSobot
Th. 194 IV
£'ippr ( yoc: r,pjvsv, -/.« y.xpxbc suppv/cj xaXtojpcj Th. 868 TV
Studien zur Technik des nachhomerischen heroischen Verses.
779
Corrupt ist:
y-dpoapov äpptvov te p.cXdp.suXXsv te ctvvjxu Fr. 84 II,
wahrscheinlich ist die Correctur von Casaubonus y.dpcap.’, dvdp-
pivcv TE */TA.
Numenios.
I“.
spptilwTai: <puXXwv S’ oaa dsxapTa zd z' sppi'CwTai dpoupacq Fr.
XX 1 IV
Hom. y] 122 V
Manethon.
1\
dXXvjxTO^: aXXr ( xvov xap.dTOiciv otipjpot? oOcviOcvtsp III 252 I
Hom. B 452 II Apoll. Rhod T 805 I
xoXiXXtTO?: tt, p.’ ax'o yaoTpo? e<j7)ve xoXiXXtTo? EEXsi'Outa VI 741IV
Hom. xoXöXXtuTov s 445 IV Kallim. Kapvsts
xcXüXXits Hymn. II 80 IV
5täp.sXsI'gtE: vy)S6o? lljeXxouct SiagAeXsioti Tap.sv-sc VI 42 IV
Hom. 3tap,sXsi<m 'udp.yjccv er 339 IV
üvvyjTo;: '.GTOupvou? tsü^ougcv IuvviJto tut pltoiciv VI 132 IV
Hom. iuvvYjTcv za yj.z&vx Q 580 IV
d p p r ( y. c s c: Motpwv dppiy/.TO'.Gt pko'.c 0£t;p.oTci t’ ’Avdyxv;? I 7 II
x,X(iapa!Jiv dpp^y.Toisi GtSrjpEMicr! V aspay.Totc I 202 II
Hom. B 490 II
äsapoiaiv psv sByjcav sev 3sp.a? appypATOtciv I 240 V
£ppata07jv: x6p.actv £ppatt<j0y ( oav 75 sv xoXsp.w xpuosvTt III 256 II
Hom. fdavavov sppai'a0ij II 339 II
dppr,To;: y.a't 3s y.ai dppr,T<i)v p/Sara? teXstü)'/ paxdpwv te II 197 II
fj p.dyc. äppiQTO'.a! 0£ou? y.aXsovTES dotSate VI 475 II
dp p-psc ic fpYOtui piaivETat, -fiz' ex’ Ipyci? V 322 I
Hom. appr/rev p 466 in 4. Thesis, vgl.
Hesiod. E. 4 II Arat. Phaen. 2 I
P.
Sr/.sppaiptYj: y.at os zrs.o ppazi-pz cscarp/iccc stv dyopvjatv II 296 II
Hom. y-ay-oppaoi'-/;? dXEyeiv^s O 16 IV
dxoppsw: r, y.y\ do’ 'Eppdwvoc axoppsr], sp.xaXt 5’ £cr,c II 461 IV
i'Kvtlaq za TiOijGiv • dxoppsiousa 8s toütou II 445 IV
xX^s'.oavjc 3’ dy.Ticiv axoppsEouca Kpovoio V 115 IV
780
Rzach.
äxcppsw: vjpiop 3' äv Tlupccvxop axoppsiouaa 2sXy;vy] VI 665 IV
Tca Sb y.at guveouxy] äxoppsioutj’ axo ©oüpou II 473 IV
ee 8e t’ axoppEip [aev ax’ "Apsop, eit« guvgcxxy) II 474 II
Hom. z. B. sxippEEi B 754 IV, vgl. jedoch
Nikandr. capy-ep axoppEiouoi Th. 404 II
Darnach ist auch gebildet:
äxbppoia: psipst sv Staffflsiv axo'jppoi'aip cuvasaip xe II 439 IV
Vgl. Emped. axoppoat', tlspi »bua. 337 IV
icroppEjxop: 'Epp.Eiap. 8’ i)v xowtv taöppoxop avx^Gsiev I 24 IV
Hom. sxtppsxY] 3 99 IV, aber icoppsxsp Ni
kandr. Ther. 646 V
-xaxappixxsw: yeixcvET] Qaväxoio xaxappixxouvxap sauxobp IV 288IV
Hom. dvappi'xxsiv aXa xxTjStö rj 328
ui*.
eyxe Xeyw : occa 3’ sxiXeepwge 8eo(, xäo' iyd) aäfa ksc;« III 233 II
Vgl. Hesiod. 'AiAfiXoffap xs Th. 229 IV
IIP.
Eii p p o 0 jxo p: yj |Aova7jp äxxovxas suppüOpioio Xüpr ( p xs I 60 IV
Dorotheos.
HI».
skkaye: Sy.xio 3’ ükkays xap xpwxap (Aot'pap KuOspsta 26 II
sv xoüxw • 2x(Xßwv Be '|aex’ auxyjv sXXa/s [Aoi'pap 27 V
SxlXßwv sv xoüxw xpoxspap si; sXXa^E [AOipap 30 V
st; 3’ syst 'Epp.Ei'ap, xup.axap 3’ Si; IXXaysv ’Apv)p 39 V
xsacrapap, sxxa 3’ ’Apv]p ' xup.dxap Süo 3’ sXXa/E <t>atva)v 42 V
xbvxs Zsbp tpasOtov, xu|Atxxap 3’ Si; sXXays 4>a(vwv 49 V
Hom. Hymn. V 87 IV Theokr. Id. XVI 46 V
Maximos.
I a .
sxEpp^atjw: axvjpdp xaXct|Aap ^ sxipp^saouca yixwvap 112 IV
Hom. E~;pp-r ( scEcr/.E y.al oiop Q 456 IV
sxippsxto: v^v 3s xtp dXXr, voüaop Sxtppsxfl, si |aev ev vjo7 179 IV
Conjectur Ludwich’s für das verderbte sxi-
ßpE|j.xEE jaev des Cod. L; Koechly schrieb £xtßp£|AY),
doch verwies Ludwich mit Recht auf Oppian. Hai.
II 520. Hom. vj|AW 3’ aixbp oXsQpop sxippsxy) 3 99 IV
Studien zur Technik des nachhomerischen heroischen Verses.
781
Euph orion.
I\
rcepjppuxoi;: ’Qy.savcc, xw xaca ixeplppuxoi; svBeSexo!'. ^0(iv Fr.
CLVIII. IV (Mein.)
Hom. Ttepippuxo? x 173 IV
P.
«’XXiitto?: piouvai; dXXlaxoto m\<xq |ßav ’AtSovyjo; Fr. L 4 II
Conjectur von Meineke statt des herge
brachten aXvjijxoio nach Anth. Pal. o) dXXwx’ ’A!3r)
VII 643. 3; vgl. Meineke Anal. Alex. 91. Hom.
tcoXüXXictov £ 445 IV
Rhianos.
I“.
eppiyu)?: ippiy&i, oOt x’ ÄvSps? e^sy.xeavot TOcpswcnv Fr. inc. 7 I
Hom. ipplyei ^ 216 I
I».
£r£pöppo^oq: d’vOpuTOt, c>spop.£v 3e 0eöv Exspoppoftcc Btipa Fr.
inc. loc. 2 V (p. 199 Mein.)
Hom. erappETT/) S 99 IV vgl. Nikandr. kxcpps-sc
Ther. 646 V, Maneth. köppoito? I 24 IV
Parthenios.
I a .
sppijljavxo: ßsuBsa rcapOEVixat MiXiQstSe? spprj<;avxo Fr. XXXII 6 V
Hom. xe^so? sppY^cwo -uXac M 291 II
IIP.
Conjectur von Meineke:
SXXixe: rrj'j im Taoeipa eAXtics Oyjij.octuvyjv Fr. XXV 2 (Penta
meter) IV
Kallim. eXXwte «hukst Fr. 198. 2 V
Alexandros Ephesios.
II.
Conjectur von Meineke:
Euppiv: O^povop-oc we^XyjGsv Euppi'vwv eXsyctvxwv, Meineke p. 375 IV
Hom. y.axa ptvwv T 39 II, vgl. Apollonios
XdOp'p euppivtrtv te y.’jvöjv B 125 II
782
Rzacli.
HP.
e X X a •/ e : utlou S’ äXXo0ev äXXo? fedpxaxov ZWa/j. zuzXov 1 V auf
p. 372 Meineke.
Hom. Hymn. V 87 IV, Theokr. Id. XVI 46 V
Bassarika.
IIP.
eXXa/Ev: Kä<7X£tpoi p.£xa <p5Xa xct x’ aoöixo? 'i\Xa/sv v)il>s Fr. XI 8 V
Vgl. Theokr. Id. XVI 46 V
Phiion.
IIP.
eX X a / s: e*pY 0V0 ? aivo-^voto TtoXüjwov eXXay s zuBo? Fr. I 7 V
(Düntzer II 93)
Vgl. Theokr. Id. XVI 46 V
Theodotos.
P.
IXXaße: xccppa Se y.a'i Aeuiv pivoc; atjy/xoc s'XXaßE 44 V
(Düntzer II 96)
Hom. T 34 V
zazopp aijuv): sXXaöev aXX’ evo^cs zazoppa?£r;v zat ecezxo 23 IV
(Düntzer eXaöev)
Hom. zazoppaipw)«; a?.eYeivij? 0 16 IV
IIP.
eXXaöev: e'Xl.aöev aXX’ £vör,(j£ zazoppa^tTjv za't eBezxo 23 I
Nach sXXaße neu gebildet.
Philetas.
IIP.
eXXays: eXXa/e za't tovSewv ©äpp.aza pouvo? sy v £t Demet. Fr. I 2
(Pentameter) I (Bach p. 25)
Gigantomaehie. 1
P.
avappijl;aci: ©teüxo Bs yatav oXyjv psv ävappvj^ai zeveüvwv 61 IV
Hom. ävappv^a? H 461 II
1 Nach der Edition Koechly’s im Index lection. von Zürich 1851, p. 19 sqq.
Studien zur Technik des nachhomerischen heroischen Verses.
783
ctxopp^a;: xsTpov dxopp^Ea; oXow ixsÖY]y.s 74 II
Hom. axopp^«; Z 507 II
xpoppt^o;: xpoppt^ov xoXseggiv spsi8op,EVir)v öpisGot 59 I
Hom. xp6pptLoc S 415 I
Dionysios Periegetes.
1\
TpfXXicto?: öxxote TptXXlaTwv p.STEy.ia0sv s'Ovo? ’lßrjpwv 485 II
Hom. nur in der Senkung aoxaotr) tpCXXiaro?
ix^XuOs vb£ spsßsvv^ 0 488.
dv£ipsXo<;: otov ot’ ivstpsXoto St’ -^spo; etSsTat äarpa 531 II
Hom. xsxTarat aviipsXo^ ’C 45 II
loppaq» 1$$: Zsu; aoTov AiSvusov iuppatpsot; xapa p^poij 940 IV
ioppayisGGt Sopolctv ß 354 IV
ixtppiw: f,mya ■myjJX t o'n:c, ixtppist dtyXabv uowp 838 IV
Hom. ixippist B 754 IV
y.aTotppsto: iv vop<j>, auTop.aTot Ss y.aTsp.peov öSaat Xtp,vat 943 IV
Hom. y.aTappsov iS <t>TsiXijs E 870 IV
d'pdppooc: s£str;c S’ ixt XupTt? äväppoov oXx'ov IXIggei 198 IV
ot 8’ U7uep ‘EXXt^oxovtov ayoeppoov, ot S’ üxsp aÜT?j? 325 IV
Hom. oggou? 'EXXr,(7xovTOi; dydppooq evtö? sspvst
B 845 IV
ßaOuppooc: p.vv5oop.at ’öxEotvoto ßaöuppöou - Iv yäp iy.Etvw 3 IV
Hom. ßa6uppoou ’Qy.savoTo z. B. H 422 IV
•/.aXXtppoot;: iyycOt xr^ätov y.aXXtppooo ’HptSavoTo 289 IV
Hom. y.aXXtppöto X 147 IV
iuppstTYji;: 06p,ßpti; suppstTr t q, xoiapiSv ßaaiXsikaToc aXXtov 353 II
Ttypt? iuppEtTTji; ipopeEi peov loov iXaüvwv 984 II
EavÖou ixi xpoy^OYjGiv iuppsiTou xoTap.oio 848 IV
egt! 0£ Tt; dr^ibc iuppstTTjv xapd ravy-riv 1152 IV
Hom. xsp.xTatot AtyuxTOV euppetTyjv iy.op.£G6a £2571V
xoXüppyjv: SoupaTEOUc ■ tOv o’ äyyt xoXuppvjvs? Ttßapyjvot 767 IV
Hom. I 154 IV, direct nachgebildet dem
Apoll. Rhod. B 377 IV d-pyt Ss vatETdoooi xoXöpprjvE?
Ttßapr)Voi.
i p p t£ io t a i: yj pd te 2ixeX'!y;<; ixi xop6piSo; ippt^toTat 80 V
kcyJ.rfi S’ ixt tyjgi AtßupvtSsc ippI^wvTat 491 V
Hom. ippuwTat yj 122 V
784
Rz ach.
P.
äppay^c: xEt'yEotv äppayssuot Ssptpaptc soxE^avwoEV 1006 II
Hom. ÜTrsppayr; II 300 IV
•/. axappuxsc: aEvactc xoxapolot y.axippuxc; evöa y.at svöa 1124 IV
Hom. xsptppuxo? x 173
IIP.
JXXa/e: ou psv sx(ovupur)v ptav IXXayev, aXX’ ev sxaoxfl 647 IV
AtöXou, Sa 6r ( r;xa pex’ ävSpaotv sXXajrs Süpa 463 V
avx’ apsxi;? • apsxx; ykp äy.rjpaxov IXXays xiprjv 548 V
At-fai'x) 2i*sXij x’ • avepov S£ xot sXXay’ sy.aoxr ( 401 V
Ilspai'St x’ ’Apaßi'v) x’ • avepov Ss xot sXXay’ sy.axxr, 929 V
aXXo Ss xot y.at Oaupa pey’ ecs^cv sXXay’ exstvrj 935 V
xcÖ pa xai aXXofrqv puop.su siiatv sXXay’ sy.aaxr; 1175 V
exxaxopcu NstXoto vsvaapevov eXXayov äoxu 264 V
Hom. Hymn. V 87 IV, Apoll. Rhod. B 881IV,
Theokr. Id. XVI 46 V
Oppianos Syros.
I a .
eXXiooovxo: yptxsa; eXXioosvxs ßuGcbc ay.äxotat xepijaat Kyneg.
‘ IV 259 II
Hom. eXXlaaovG’. o Se päXXov avatvsxo I 585 I
£up.p.£XvtY]?: Ntpsa ytat Napxiacov euppeXtrjv 6’ 'YäxtvGov Kyneg. I
'362 IV
Hom. EuppsXJtjv Eusspßsv P 59 IV
ixopp^xa;: Seopa x’ äxsppij^avxs? txvjv psyäXa ypspsGovxsc Kyneg.
I 263 II
Hom. Ssapbv axopp^Ea? Z 507 H
eupeJxv]?: auxap eupsixao xap’ oyOac Euippijxao Kyneg. IV 112 H
Hom. vale os Zaxvtosvxoi; suppetxao xap’ sy.Gac
Z 34 IV
appY)xoc: yrjXrjv S’ appvjxrjv lepbc yspbc ästpaaat Kyneg. IV 255 n
Hom. in Thesi appr^xov E 466; vgl. jedoch
Arat. 180 II Maneth. II 197 II
spptya: ouSs xox’ epptyaciv er;; ev äywvt yeve6Xr)i; Kyneg. n 134 n
Hom. eppiygat T 353 II
y.at (jjfltpsvat yxs sic pGtpsvov Xuy.ov eppfyaat Kyneg. III
287 V
Studien zur Technik des nachhomerischen heroischen Verses.
785
sppi'^toTat: (rijpia 5’ ssr)p.£pw'.(jiv apttppaSkq sppi'^co“a: Kyneg. III
381 V
Hom. y] 122 Y
Ipptyev: ct|>s o sXtopr,ffav • wj? 5’ spp19sv aXXov ex’ aXXw Kyneg.
IV 350 IV
Bei Homer im Simplex nicht in der Arsis,
z. B. osaov v.c x’ spp'tis 7. 845; dagegen in Com-
positis, z. B. avsppfcrsuv v 78 IV
I».
xpcoTÖppuTo?: pta^bv öp£^ap.£vig xptoTcppuTSV ulet Zyjvö; Kyneg.
IV 234 IV
Hom. xsptppuio; - 173 IV
H.
EÜppivoc: xal xäcav srißsssstv lupplvoiot y.uvssciv Kyneg. I 463 IV
Eupptv: "Bpisc, auToXiiToic g : jv supivscct xüvsggiv Kyneg. IV 357 IV
Hom. gtccEe y.a-ra pivöv T 39 H Apoll. Rhod.
Xä0pfj lupptvuv T£ y.uvöv B 125 II
TavüpoiTo?: ßaXXsjAEvoi; 7ruy.ivf ( st Tavupot^Giv ay.toy.atc Kyneg. IV
195 IV
Hom. toXXy) Se potutp t 315 n
III a .
eXX a ys: Bigtovi'Soi; 0pyjy.r / ? • arap IXXay ov stSea TOta Kyneg. II
161 IV
aXX’ oXi'yov tsötwv yevic sXXays jaspis? ala Kyneg. III
34 IV
aö'äp b ytYVtösy.tov 0ss0sv Tsxsp s’XXays Böpsv Kyneg. II
284 V
9>va äs t’ cssa xeXougiv, s|aow); IXXaysv (pSrjc Kyneg.
IV 42 V
Hom. Hymn. V 87 IV Theokr. Id. XVI 46 V
IxTpiüto: toTEtXat S’ 4y.aTsp0sy Extp-tioucrtv ossvTtov Kyn. H 290 IV
Tst 8’ y;tsi trijaxasav Eziptiioost jaevovte? Kyneg. II 575 IV
üc y.ai 0v;p£? avay.Tss sx'.jAusuctv sxtoxa? Kyneg. IV144 IV
Incert. Idyll. y.av sXiycv vuy.ss? v.c; sxtp.'jsGY]G! III 4 IV
xo Xup pct0 a y0 ?: tou? ]j.ev vjv r.zv/prp'. xsXuppa0äY° u xsTap-sic
Kyneg. III 21 IV
Nikandr. sXpotc se !TJVsppa0ayr,-Ev sssss!
Ther. 194 IV
786
II z ach.
Oppianos Kilix.
r I".
dxoXX - ^ vsiv: o'is 8’ «xo W-fäatstx v.a\ äp,xvs'JcraGa p.sGo'.o Hai.1466II
Hom. ouyit’ dxoXXv^se? i 166 II
dppr)x.xoc: dpp^xxM auvsSrja-ac, Scvayxdlr) S’ exspsto-a;; Hai. I 146 I
Hom. äpprp/.ccuc dXuTo’jc 0 275 I
axoppr)!;sie: ©oitaXsac, p.r]S’ tGup dicopp^eie at'orjpov Hal.V 144 IV
Hom. Seop.bv ä-oppr/ia: Z .507 II
oiappaiw: s^o/a o', oxxcxs vrja ScappatoQ sloav asXXac; Hai. IV
406 IV
Hom. Tdya Sr) p.e Siappaiooucr. y.od autöv a 251 IV
•/.axappew: xou os Sa'i£op,svoio -/.axappss! &jjsa Ssop-oi Hai.III 538 IV
Hom. -/.arappsov ec, ineC/cpc, \ 149 IV
xepippsto: spxu^ss, xavirj os xspippssi dy.psp.övsaciv Hai. IV 295 IV
Hom. m\m xspippss i 388 IV
exippsxw: toIov yäp Say.o? aivbv sxcppsxsi, obo’ avt-^ct Hai. II 520IV
Hom. sx'.ppsxY] E 99 IV
sxi pp’q gou): di p,iv sxipp^acoouiv up,spsi'aXo{ x’oXooi xe Hai. 1634II
Hom. exipprfcoecxov Q 454 IV
sppi^wvxai Zsü xaxsp, sp Ss os xocvxa xai sy. oeGsv eppül.Mvxac
Hai. I 409 V
Hom. eppl'Cßy-ai r, 122 V
sppi^Mosv: dXX’ ots p.iv y.at SsvSpov ex(ijvop.ov eppiTwasv Hai. III
406 V
Hom. eppt'^wosv svspGsv v 163 IV
I 1 ’.
Siapp&c,: dvTpo^usl?, y.eu0p.(3(jt 8tappto','ai; Gap-ssoo: Ilal. III 212 IV
Hom. äxxat axoppöfs? v 98 II
T’jpoy,voö xovxoio peur] xopGp.cno Stappwi; Hal.V 216 VI
Hom. scrutv axoppMc B 755 VI
p.sooppaY^?: avSpaotv, ö; xat xpwxa p.etjoppa^i<xc y.evswvac II 31 IV
Vgl. Hom. dppr ( y.-0!; <1> 447 IV, vgl. Nikandr.
xoxap.olo xoXuppayso; y.axd Siva? Ther. 59 IV
xoXuppatffTT]^: (1)? Ss xoXuppaloxao v&jo; xoXsp.oto cpuYouaa Hai.
I 463 II
Hom. y.xrjp.ax 1 dxoppatost a 404 II, vgl. Nikandr.
äXtppa(or/)v ts Späy.ovxa Ther. 828 IV
Studien zur Technik des nachhomerischon heroischen Verses.
787
äxcppai'vw: xpißojxevoi Gopov Gypov axoppai'vouotv oxioOev Hai. I
494 IV
Hom. eppscSocr’ M 431 I; vgl. Theokrit 0aXX£>
Imppon'vsiv Id. XIX 98 II
SoXoppa^vjq: pupi'a 3’ aibXa Tota ooXoppaoEtov X(va y.öXxwv Hai.
III 84 IV
Hom. Euppa<pssooi Sopowiv ß 354 IV
Stappsw: avravüst, peooo; 3b 8 tappest rjits Xaitpo? Hai. I 346 IV
GTpaAEYj pupatva Stappset otctxep öowp Hai. I 273 IV
Hom. extppeet -qij-' eXatov B 754 IV
Osoppu'.o?: eit’ dpa y.at XüGpoto Geoppioou ex.Yev6ji.Eo0a Hai. V 9 IV
Hom. xepfppuTo? z 173 IV
xaXt'ppota: eüoe y“P ev 8£v:y]oj xaXtppotflot GaXdoov)? Hai. I 778 IV
Vgl. x,aXXtpp6w X 147 IV
y.aoappe^w: •qxa xaTappb^etev exty.Xt'vot te xielpov Hai. IV 611 II
vjy.a y.axappe^Eoy.E (ptXofpoouvYjotv exatpov Hal.V 481II
Hom. extppe£eox,ov öSikai p 211 IV Apollon,
xaoappe^aoa A 687 II
y.axappexEi;: oxspyppsvov, poXtßw os y.aoappexs? v^Se oiovjpu Hai.
IV 543 IV
Hom. ExippsxY) 2 99 IV Apollon, y.aoappexec
socuto x/jpa B 593 IV
xaXtppotßSo?: eXxopevv) Stvrjot xaXtppot'ßSo tot XdpußSt? Hai. V
220 IV ‘
Hom. dvappoißSe! peXav uSup p 104 IV
II.
eppot^os: ota? 3’ dp’ ext priyplvo? lov vöpov eppoi^yjos Hai. I
563 V
Hom. xoXXij 3e ooKm t 315 II, vgl. Aratos
extppoi^euot Phaen. 969 II
III“.
e'XXayev: IXXayev, rfi ptv auob? sXwv kzapiaaazo Gupto Hai. V 93 I
Hom. Hymn. V 86 I
s x t p6 o): Sppar’ sxtpuet, oliv Se or6p,a xdpxav epet'Set Hai. II 110 II
lncert. Idyll. extpüooißoi III 4 IV, vgl. Oppian.
Syr. Kyneg. ixtpGouoi II 290. 575 IV 144 IV
xoXu p p d 0 a yo c: oooa xoXuppaGa yotGiv svi oxtXd8eoot ^üovoat
Hai. V 652 II
Sitzungsber. d. phil.-hist. CI. XCV. Bd. III. Hft.
51
788
Eza cli.
lioXuppaöaYo?: BsXptvsi; B’ äx.xdt? xs xokuppaSdyotat Ydvuvxat
Hai. I 383 IV
Nikandr. suveppaOa-^ssv soouxt Ther. 194 IV
Oppian. Syr. xoXuppaödYou xoxapoio Kyneg. III21IV
IIP.
aXXuTO?: tqepa xs tnudouot y.a't aXXuxov oyp.ov s/ouctv Hai. I 625 IV
Homex - hat nur ä'Xuxo;: app^Wcou? äXuxouc (xsBap)
N 37, appYjxxov x’ aXuxöv xe (xslpap) N 360, dppvjy.-
xoup äXiSxout; (Bscp.ouc) 6 275.
Markellos Sideta.
P.
Btappatw: capy.a Btappaiooctv, äst S’ äyavtüxttv äxpuxov 80 11
Hom. vija Btappatouat p. 290 II
Eudemos (Antiochos) Theriaka.
P.
tcoppsx’pp: uuv xto B’ IpxiXXou y.Xtövac tcrcppsxs'ac 4 (Pentam.) V
Hom. sxtppsxf) 2 99 IV, vgl. Nikandr. taoppexe?
äyßoc Thei’. 646 V
Andromachos Theriaka.
P.
äxoppstw: •yjvwa 8s xy.oXiat psv äxoppsiwatv äxavöat 97 IV
Hom. sxtppsst B 754 IV, vgl. Nikandr. cipy.ex
äxoppsiousi Ther. 404 II
II.
äxoppuxxw: spxutrxov x’ iosvxac äxoppütletsv äy.ävSoti; 101 IV
Hom. vüv 8’ oxxt p'jxöw 4 115 II Emped. ypr,
p.sv äxoppiSxxsaQat 453 II
Anonymos xspt ßoxdvwv.
P.
äxoppYjxoi;: v) y.at Bwp.a (puXäqusi äxöppYjxov x’ äxoxsgxst 205 IV
Hom. xapäpprpot 1 526 IV
ttjoppsx^c: xtvop.svov ptsQuoc xoX'.oO xpb? isoppsxs; xyßoq 98 V
Hom. sxtppsxY) E 99 IV, Nikandr. txoppsxec
ä/ßoq Th. 646 II
789
Studien zur Technik des nachhomerischen heroischen Verses.
Quintus Smyrnaeus.
1\
s'XXaß £: ayyreiidym Aavawv • p.aXa yap Sso; sXXaßs xot via? VI 600 V
crr^fxevat. ev xoXsjjUj) • [j.dXa yotp oso? e'XXaße xavxac IX 7 V
s£6p.Evot TOOxfai^ov, exei ipoßo? s'XXaßfi xotVTa; II 6 V
Xeu-faXsi), xou? 3’ v)u y.as ayXabv sXXaße -/app,a II 513 V
Horn. T 34 V
äXXr]y,xo?: aXXi)y.xoi vt^äSsaciv eowwis? scs/ecvtg V 107 I
vuv S£ p,oi aXXnjxxou? o3uva? EVE0Y)y.axo SaijJUöv YI 16 II
Hom. B 452 II, wegen der I. Arsis vgl.
Kallim. Hymn. III 149 I Apollon. Rhod. T 805 I
3iäp.e/v£t(7Tt: ajxotxop.otc i;i<ps£(jat SiajAEXeVaTt xsSastjav V 208 IV
Hom. Stap-eXeisT! xä[M]trtv a 339 IV
iu p.p.sXir ( c: ap.ow EU[Aj/.sXi'Y]v [xev AyjXXea y.uSaivsa'y.ov III 632 II
Tsuy.poc eu|j,p,£Xtv); • xou 3’ ou ypoa y.aXbv iat{/Ev VI
546 II
Tsuy.po? E'jp.jj.sX iVjC ■ aXXr] 3’ i/sy aXXo<; di£6v XI 357 II
cuv 3’ ap’ £U(xjj.£Xiy)£ IloSäXctp'oc Eup6p.ay6? xe XII
321 II
vap-ßpov eup,p,eXtY)v Avx-qvopo?, 3? pa p.dXcoxa XIII
179 II
rXauy.ov lup.p,£X{yjv, tr;8’ wc IpauSia cpma XIV 136 II
Hom. z. B. xap 3’ ap’ EU|xp.eXtYjv IlEiffiffxpaxov
y 400 II
IloüXuSäp.av'a x’ Eup.p,£Xir,v y,ai lläp.jxova Siov VI317IH
Diese Abweichung vom Gesetze (Stellung
der gelängten Silbe in III. Arsis) wird durch
den langen Eigennamen IlouXuodij.avxa entschuldigt.
vy)xi'y! • oi)8e xi f)Syj £Ujj.[j, = Xir ( v ’AytXrja I 96 IV
Sk 8’ aoxwi; axöpouuEv £up,|a£Xi'vj? OpzTM.rfir,: II 342 IV
y.atxsp üxsxpopiovxsq eujjlpu£X(yjv AytXrja III 12 IV
xavxwv Apystouv, p.£y' £up,p.£XiYj? AyaiJ-ep-vtov IV 127 IV
ti)zuxo8ac, xou? xpoaösv eup.iu.eXi'yj ’AyiXrji IV 173 IV
xwv 3’ apa xy)Xcc£ Otjy.Ev £up.p,£Xi'v)V A'fap.Ep.vojv IV
407 IV
SiC oäp.EVSV XpOU££!X£V £U|J.|J.eXG? Avap.S|J.V<i)V V 165 IV
(")? SuapEEVOV XpOdEElXEV EU (J.{J.£X. {YJ q 'AyCC\J.£[l.Wi)'l V 427 IV
51*
790
Rzach.
sup,p.EXi'v)?: '/.cd y.paxspbv ÜEpiXaov £up.p.£X{ir)v xe MsvaXvtrjv VIII
294 IV
TuSeiSy]? 3’ sxEpwOsv Eup.p.s)aYj? z' AYapip.vci>v IX 203IV
Sr, xöxe p.tv xpoasEtxsv £up,p,£Xi'y)? Ayapipvwv IX 490 IV
rXaüy.ou 8’ saOXbv Exatpov Eup.p.EXiriV 2y.uXay.vja X 147 IV
tqS’ Avxvjvopo? uiov i u [ju [jt. £ X t yj v Ax.ccp.avxa X 168 IV
xXEUpa ote§cJbt§£V Eup.p.£Xi'v] utc’ ’Exeio) XIII 41 IV
Kaat7ccvSpv;v 8’ aye Siav £up.p.£Xtr ( c Ayap.sp.vcov XIV
20 IV
Hom. üavööou ui'oc £up.|j.sXiv;<; apsXiqGEV P 9 IV
a[jl jjuopo c: dp,p.opo? - sXxcopr) 3s xsXst y.ai 8o6Xtov vjp,ap I 430 I
zo'itq p.sv axo^Otpivou?, xbv 8’ ap,p.opov iqsXJoto XII 499 IV
Hom. oIr; dp.p.opb? soxc XosxpäW ’Qy.savolo 2 489II,
Ip,’ dp,p.opov, "fj xä/a ^vjpv) Z 408 IV
Buoccp. p. opo?: yj xöciv dp.^ayccxvja'a SuGap.p.opov, w <ruv süjXxeiv X
425 IV
a.'c/ßdi 8’ auxs Sivcova 8oadp.p.opov si<J£v6v)aav XII
360 IV
a!Sw dxsxpötjcavxo Sucap-p.opoi • ac o’ aXEysivwc XIII
116 IV
y. xEtvov p.Y)S’ sXsaips Suaap,p.opov • ou yap eywys XIII
227 IV
äp,<p’ 'EXsvvj? ae'/eeooi 3uadp,p.opov • vj 8’ ixb ©Kv]
XIII 256 IV
^stpa? £oi? xsxisaat ouoap.p.opoc • at 8’ dXsysiva XIV
' 543 IV
ap. <p£y,dXui]c£v avay.xa 8uadp.p.opov oüpso? axpr, XIV
586 IV
Hom. p.^xY)p 6’, vj [jwv sxixxs Suadpp.opo? X 428 IV
dvvEtfsXoc: ävvscpsXov, -/Ot'Cov 8= xspa? piya Oaup-d^say-ov IX 5 I
dyVjq dp.cpExccXudig y.ai dvv£©s).ou xsp sövxo? XII 515 IV
Hom. xdxxaxac dv£®sXco ’C 45 II
appr ( y.xo?: appvjy.xov • Nüp.cpai ob xsptßXuoav ispov uScop IV 9 I
appr ( x.xov ßpiapov xe, xo yävoavE IIv)Xsi(Ova V 111 I
appvjy.xov ßpiapvjv xe y.ai aöavaxoiotv dyvjxqv XIV 453 I
Ssop.co ev ccppvjxxco, oxe ol p.Eya? aisxb? ^xap V 343 11
8£op.5> ev dppvjxxco • xslpsv Se ol aisxb; vjxap X 201 II
yivsxai, ou xspi Swp.a y.ai appvjy.xou? xuXswva? II 598 I\
Hom. N 37 I 0 20 II 4> 447 IV
Studien zur Technik des nachhomerischen heroischen Verses.
791
ävappv^a;: aTtya 8’ ävappi^a; ps-paX?;; yßo'ibq aiva ßspsöpa IX
318 II
eic Sv ävapp^cac oüö’ utwv oiixs öuyaxpwv XII 210 II
aüxyj; auv xSxpY]civ dvappvjSja; apapui'ai; VI 270 IV
•/.ai Spiüwv xuXsövac dvapp-i^aaa psXaöpwv X 439 IV
Ayjxm Si’ avsorjvsv, dvappi^aaa -/spsaGi XI 23 IV
Hom. xei/o; ävappv^ac II 461 II
ctko pprfcaq: ynpaiv dxoppYj^avxE; äx’ oupso; ’lSaioio XII 186 II
Xdßpoc öpioc avspotaiv axoppv^v) Aib; opßpoc I 697 IV
Hom. Z 507 II
axoppü!;: oatvsxai aixY)EGaa xsxpv; 2ix6Xot6 x’ axcppwc; I 304 VI
Hom. z. B. i 359 VI
äxoppaiw: aux-r, auv pv^R) piv axoppalasi xd/a Öupov III 452 IV
(so M)
Hom. xx^pax' axoppalasi a 404 II
Siappaiw: attia Siappai'ouai, vsxuv 3’ ou yaia xaXuiJisi X 403 II
Hom. v?ja oiappai'ouai p 290 II
xoXXov yap xpoßsßvjy.E • Siappatasi 3s jjloe vjxop IV 492 IV
Hom. xdy*/u ScappalcEi ß 49 II
sppss: Eppss ipoi'viov aipa toxi yßo'/a, Seüe oe arjpa XIV 279 I
xoXXaxt 3’ Eppsov oiov oxe oxu^eXy); cito xsxpv]c XII 409 II
apupsxe ߣßpu/c!)c ■ xspi 8’ sppssv aipa ySvuaai XI 30 IV
oüxaaE 3s;ix£poio • psXav 8S ol sppssv aip.cc I 595 V
paivsxo Xcu^aXSivc • axXsxo; Ss ol sppssv a^po; V 391 V
ßaXXopsvwv • tocvxy; 3’ clxEpstaiov sppssv aipa XI 305 V
piayopsvov ■ xoxapw yap ficXfyxio; sppsEV aiGr ( p XIV 600 V
Hom. X 600 I A 140 II II 110 IV N 539 V
xaxsppsEv: pivol; ■ a'ipa 3s xouXu xaxsppEEV • Ix 3s psxwxwv IV
354 IV
oaxsov • sy. 3s ol alpa xaxsppssv oipöaXpolo IV 362 IV
Hom. xaxappsov ec wxeiXy}; A 149 IV vgl.
Kallim. Hymn. VI 91 IV (xdxsppssv)
dydppoo;: asvaoc xsp Iü>v xat dydppoo;, ou3e vu xovys X 174 IV
Hom. B 845 IV
ßaöüppoo;: rß' üxsp uxsavolo ßaöuppoou avx£XXv)atv I 148 IV
MaidvSpou xe pssöpa ßaöuppoou, o; p’ sxi yalav I 284 IV
Trfi’joc wxsavou xs ßaöuppoou tspov olopa II 117 IV
xap xoxapoio pssöpa ßaöuppoou Ala^xoto II 587 IV
xap xpo/oy); xoxapoio ßaöuppoou Eupiöxao X 121 IV
792
Rzach.
ßaQüppoo?: xy)Y<« x’ (bxsavolo ßaOuppoou, svO’ äy.dp.avxi X 197 IV
Hom. ßaOoppiou ’Qxeavoio S 311 IV
süppooc: rXaüyov ImyXelouctv süppoov 4 dXXx xa piv xou IV 11 IV
xetxo 3’ licl xpoxofloiv euppöou 'EXXy)ox6vxou VI11 488 IV
Hom. suppoov ap.<pi Sy.dp.avcpev H 329 IV
■/.aXXi p po o q : xovxov etc’ Euijstvov xpo^Etov y.aXXtppoov uScop VI 467 V
Hom. Hemistichion B 752 V
EUppsttY)?: AtvSou suppstxao, p.svsxxoXEp.wv oöt Kapöjv VIII 83 II
YEivaxo xäp izpoyorfi't suppstxao Katxou VHI 120 IV
Hom. Saxviöevxos Euppstxao ~a.p oyßaq Z 34 IV
EpptbovTo: Ttctoi 3’ sppwovxo ' ßoY] 3’ avä Xaov opwpst IV 561 II
Hom. W 367 II
aisv E7C£ppd)ovTO 4 ßorj 3’ dp-ota/sv ä'oru XIII 460 II
Hom. u 107 IV
spp(I)er avxo: ite£oi ap.’ cuv evxegiv sppwoavxo III 695 V
Hom. Q 616 V
7toX6ppY)vo?: ovte y.utov atocOp.o'io xoXuppipoto StYjxat II 331 IV
Hom. vdüs 7coXüppr ( vo? X 257 II
Eppt-fa: spptYcbt;, p.Yj 3-<5 xt xapi^XtxEV d<ppaStf)atv XII 417 I
Hom. epprf’ ävußoX^act 1 . H 114 I
atvopöpw 4 xctvts? 3’ p.’ äctaxsxov Ipptfaat X 398 V
EpptCwxai: xaactwv p.dXa xoXXov uxEpxaxY] spp(£wxai V 462 V
ädi Scat Sövaxai, S Y“P e'pxeSov sppt£o)xat VHI 169 V
Hom. v] 122 V
ccxoppixxw: ot psv äxoppttiavxs? sxi y_06va, xsüy/’ dir’ wpwv I
482 II
otuxoc axoppitla? Ispov v&po?, st p.rj ’A0 4 ^vr ( VIII 342 II
Hom. p.Yjvtv axoppülraxa y.sXo{p.Y]v I 517 IV
sxtppixxw: 4 /.afvu Exsppttjrav xoXspw svt Saxpoisvxt XIII 332 II
■ysipac sxspp(t|;avxo, XtXatopsvoi p.tv XIII504II
Hom. Tpßsc sxdppttjrav e 310 II
sxt'ppc0oc: 4 ^YaYov ’AxpstSYjfftv sxt'ppoöov 4 y)v Se kat aXXou V 257 IV
oq vuv ’^ptv tkavEV sxt'ppo0o? 4 aXXa "«tat auxot VIII265 IV
Y5 0soc y) oatpwv xtq sxt’ppoöoi; 4 auxdp ’A0y ( VY] XIV 628IV
Hom. xoi'yj ot Extppo0o? yjev ’AOy^vy) A 390 IV
I\
ixtppi^Yvupt: atlv Exspp^YVUvxo 4 xövoq 3’ axpYjy.xo? optBpst XIV
518 n
Studien zur Technik des uaclihomerisehen heroischen Verses.
793
xepippYiYvufAt: s'y.7co0ev dXX-pXoict icepippv]Yvüv-£? deXXa? VIII61IV
Wegen hom. Composita siehe unter I\ Zur
selben Wurzel pay, die bei Homer so oft Po
sition bildet, gehört
ßaöuppw/jjio?: ä'{%ea yi'wo p.a»pa ßa06ppü)/p,ot te /apaopat I
687 IV
dxeppeev: iv. jaeXewv ei? o38a? axeppesv aip.a. y.at topti)? II 531IV
= V 37 IV
Vgl. Nikandr. Ther. 404 IV
Ecjeppeev: zai'vou? eiaopöojca • xoXu? 8’ ecjeppes Saxpu XII 507 V
üiteppeev: wv äxXeTOV p-Exa ^spsiv OxeppsEV, aip-a xeXaivov VIII
434 IV
xdvxr) 8’ atpa xeXaivov Oxeppee, osbsxo 8s yß&v XIII
86 IV
Wegen der hom. Composita siehe I“.
ßaöuppi^o?: 8£ov e? alyivie'noc ßa0uppi£oio pupiy.v]? IV 202 IV
Hom. xpöppi^oi xixxouaiv A 157 I, vgl. Apollon.
ßaÖüppt^ov xsp soucav A 1199 IV
rcepi p pixxw: ’/Xp 7 - rcspippidrj) xoüpo? veo?, «i 8’ uxb TrXrjYYi VIII
332 II
Hom. Composita siehe unter I a .
io X u p poÖ io ? : xux0bv Exiilauouca woXuppo0ioio 0aXd(7OY]c VII 395 IV
So hat nach N Rhod. den Vers hergestellt,
A V xoXuppooio C xoXuppototo. Hom. xaXipp60tov
sspe y.jp.a i 485 IV; schon Arat. hat unser Com
positum : xoXuppc0ioo? avOpiixou? Phaen. 412 IV
II.
•so Xu p p o X o c: fjh xoXupp oi£wv dvsp.wv aXXrjy.xov iwvjv I 156 II
Vgl. xav6ppot£o? Kyneg. IV. 195 IV
ix tppo ti^ew: Xaip.w exEppoii^cs • oteöptce 8’ au^svo? Iva? VIII
322 II
Letzteres Conjectur Koechly’s für das her
gebrachte £Tteppotß&n)ae. Vgl. Hom. xoXXrj os pofup
i 315, Oppian. Kil. eppoi^ae Hai. 563 V, beson
ders aber Arat. p.ay.pbv extppo^euat Phaen. 969 II
IIP.
sXXa y v e: ou8e Oewv aXiyouaa ■ xouov gQs'/oc eXXov/e pouvv) III 651 V
Hom. Hymn. V 86 I Theokr. Id. XVI 46 V
794
Eza ch.
Orphika.
1. Argonautika.
I*.
e'XXaße: aüxap ept’ -qS’ sxapcuq xpopioq IXXaße • voa®i 8e ptoüvr;
1001 IV
Hom. üto 81 xpöptcq IXXaße xavxaq A)oztoüq u49IV
eXX taa jjl yj v : '/.pouwv eXA[crdp.y]v • a" 8’ oxpaXewq ü/rcbtousav 969 II
peiqa y.ai eXXtcap.Yjv yaiyc/cv ’Evvotriyaiov 1375 II
Hom. £XXtaap.r J v X 35 v 273 I
’AXy)‘/.tw: TctrUpivY) xe y.ai A7.yy.TW y.ai 8t« Msyatpa 971 III
Die Stellung 1 der ersten Silbe bei AXr ( -/.xt!)
in der III. Arsis findet ihre Entschuldigung in
dem Gebrauche des Wortes als Eigennamen. Bei
Homer und Hesiod findet sich der Name nicht,
das Adjectiv öXXyzxoc steht in den homerischen
Gedichten mit der ersten Silbe nur in II. (z. B.
B 452) oder IV. Arsis (z. B. 1 636). Dieselbe
Formel kehrt wieder Hymn. Orph. LXIX 2.
tuptpteXiyq: ’Apyoq EuptptsXiyq, <I>pii;cu iratq, ov oi exty.xsv 864 II
Tptlqoq su(j.p,eAi'yc, ox’ eßy Söpiov Aiyxao 875 II
Hom. xxap 8’ ap’ suptpteAiyjv IIei«'oxpaxoy y 400 II
aptpiopoq: aiyXyq fitptgopoi ei« Truptopoptou ^eXioto 1127 II
tppoupaTq x’ dxp^xotq äraptaiexai ap.ptopoq ütcvou 935 V
Hom. 2 489 II Z 408 IV
euvvyxoq: “/Xai'vaq x’ vjSe xcfeyxaq euvv^xouq xe ^ixwvaq 511 IV
Hom. euvvy)xöv xe -/ixüva Q 580 IV
appr ( x.xoq: Äppvjxxoi x’ ’Ai'Sao x6Xa’. y.ai Syjpioq ’Oveipwv 1147 I
Hom. N 37 I
ax:oppwiq: 'TrpoßXyjxa ay.c7ceXov ■ Tcexpy 8’ Ew^epösv äiroppw^ 1271 VI
Hom. z. B. t 359 VI
Stappaiw: (öp-ot ey&v, c<peX6v pte 8 lappaicÖs'taav ol.saöa; 1164 IV
Hom. otappaicjat pteptawxeq B 473 IV
Xpu uö p p axi q : KuXX^vrjq gsSetov /pusoppaxctq Apy£iif6vxY)q 138 IV
Hom. •/. 277 IV
appyjxoq: -/pycpioüq x’ appyxouq Nuy.xbq 7C£pi Bay/oo avazxoq 28 II
Hom. dppyxov !• 4:66 in 4. Thesis, wegen
II. Arsis vgl. Hesiod. E. 4 II
Studien zur Technik des nachhomerischen heroischen Verses.
795
äyaX a p p e ixr, q: <t>ädc x’ eupup.ev<;i;, dyaXappelxY]; xe EapctYTO?
1055 IV
Hom. sc dxaXappetxao ßaOuppoou ’QyeavoTo H 422
x 434 IT
axaXappoo?: et p/}) ct’ scr/axialc ayaXappöou ’Qyeavofo 1192 IV
Nach Analogie von ay.aXappst'v^c.
guppsfxK)?: v/.s tpepouo’ et? yetSpiax’ euppelxou TOxap.olo 786 IV
Hom. vale ce Saxvtoevxo? euppetxao wap’ syOac
Z 34 IV
eppüovxo: y.a! p’ ai p,ev i:pcpp£ot eit’ aüXtov eppuiovxc 437 V
Nach Hermann’s Herstellung; die hdschr.
Ueberlieferung lautet eOpwoy.ovxo. Hom. *F 367 II
xoXuppvjvoi;: Bioxovi'y) Ktxövscwi icoXuppi^voieiv ctvdcwwv 78 IV
Hom. vale ■ÄoXuppvjvoc X 257 II, vgl. icoX6ppyjve?
xoXußoüxat I 154 IV
eppi^ouvxo: ßuoooOev eppt^oüvxo y.at ep,ue8ov aiev sp.tp.vov 713 II
Hom. sppi'^wcsv IvepOev v 163 IV
eseppoOeev: Xab? eixeppööeev Mivüat? exi zotpavov elvat 296 II
Hom. ayaO'/; p.ot smppoOoc eXOe txoSouv V 770 IV
I b .
dvappwaaoOat: zpoicpoOeeiv, ouS’aöxti; avapptücaaOai bmaGio 1263 IV
Seit Schneider. Hom. esteppiOoavxo A 529 IV.
Auch Vers 1209 haben Schneider und Her
mann dies Verbum geschrieben, allein die Con-
jectur bleibt zweifelhaft, da es als Activum
erschiene; Hermann’s Fassung lautet: tOüvxwp
'Ayy.oiiot;, dvappdxov S’avexpeijie, die Vulgata: dvexpeye
8’ aldf avopouwv.
aXtppoO to<;: e? ßooobv St'crxeoaav äXtppoOioto GaXdoavj? 1296 IV
Hom. TraXtppiOtov <pepe y.up,a t 485 IV, vgl.
Moschos äXippoOoi; Id. I 132 IV
öp-oppoOew: ßptoaO’ öp.oppo6eovxec, Ipefeaxe 8’ t’yvia -pai-fi 258 II
Hom. emppoöo? *F 770 IV, vgl. Theokrit.
öpippoOot Epigr. Dub. XI 5 IV
II.
avappoyOew: y.üp.a 8’ aveppbyövjae ■ ßuOoc 3’ uxoet'y.aOe rrjt 709 II
Hom. zupa piya poyOeT p. 60 II
796
Rz ach.
äzoppizTio: Kipy.r ( c evvetjt’flctv azoppinissGai ißeXXov (äpd? t' AirjtEw
y.al vyjXrroxoivov ’Eptviv) 1372 TV
Nach Schneider’s Verbesserung des herge
brachten axoppi’tlsaOai. Hom. y.d0v;pdv ts püza zdvta
93 V, vgl. Empedokl. azoppuztsaOa'. 453 II
2. Lithika.
I\
aXXvjy.to?: dXXrp/.TOv xoiiprj EZttspivY; o'.Xöevjto? 36 I
Hom. B 452 II Kallim. Hymn. III 149 I
Apollon. T 805 I
3 tä jasXe Vst t: xoü 3e SiajAeXeicm oaii^siv svvsa p.oipac 706 II (so
auch Cod. Ambr., Abel 19).
Hom. tob? 3s Sta|AsXEt<rri tap.wv t 291 II
appyjy.TO?: Xaav 3 3’ äppyp.Tocoiv o|AOopoo>jvy)7tv ap.’ a|Aou 255 II
Hom. 0 20 n
/puaoppazi?: vjjaiv 3’ sv yab) y.sXsTai Xp'joöppaz!? oXßw 15 V
Hom. y. 277 IV Hom. Hymn. XXIX 13 V
P.
äzöppota: Xaav äzöppoiav zupnpEffdoi; a|AßpoTO'j aiyXvjc 171 II
päpjAocy.’ e/eiv V7]|AEptE? azöppGtdv (Atv äotool 658 IV
Hom. szeppEov A 724 IV; vgl. Emped. yvw0’
Sri zdvtwv Eioiv azoppoai 337 IV Maneth. dzoppoiat?
ouvatpalc te II 439 IV
3. Orphische Hymnen.
l\
’A X r t y. t w : Ttatfövrj te y.al ’AXvy/.Tm y.al ota Meyaipa LXIX 2 III
Vgl. Argon. 971 III
zoXuXXtoTo;: yXauy.üs' EupswtE^vs, zcXuXXioty; ßaofXsia XXXII
14 IV
Koiavrfe, |AsyäGu[AE, zoXuXXi'cty; ßaaiXssa XXXV
2 IV
aXXa, 0£a, XtTO[Aat os, zoXuXXi'oty) ßaatXe'.a XLI
9 IV
Hom. zoXüXXiotov Be c’ txdvw s 28 IV. Nur
eine andere Bildung stellt dar zoXüXXtxo?.
zoXuXXito?: dppv;t’ aypwöuiAS, zoXüXXits, zavtöSuvama XII 4 IV
Vgl. Kallim. KapvelE zoXbXXtte Hymn. 11 80 IV
Studien zur Technik des nachhomerischen heroischen Verses.
797
tpiXop.p.stS^i;: oupavhj, xoX6up,ve, tptXop.p.siSrjC ’Acppoom; LV 1 IV
Hom. z. B. A 10 IV
appy;-/.TOc: äppvjy.TOV, ßapvOup.ov, ap.atp.ay.STSv, xpvjtmjpoi; XIX 11 1
appr/ZT’, oßptp.oGup.s, psyacGsvec, aXxtpe SaTpov LXV 1 I
osap.ouc äpp^y.Tou?, Sc 2ysi? y.aT’ axstpova y.ocpsv XIII
4 II ‘
Hom. N 37 I 0 20 II
appvjTOc: appv)Tov xputptov poii^Topa xaptpasc spvoc VI 5 I
äppr,T’ äypiSGüps, xoAGXXits, xavToouvacra XII 4 I
app-qxouq Xsy.Tpots 1 . Tsy.vwGstc, apßpots Salp.ov XXX 7 I
. a-fptov appv)To,y xpütptov Sr/.ssto-a sipopscv XXX 3 II
r]v Zsbc äpp^Totct vovaT? Tsy.vcbcaTo xo6pv)v XXIX 7 II
opvtov appvjTov, cptcusc, y.p'jcpiov Atbc spvo? LII 5 II
Hom. s 466 in der 4. Senkung; Hesiod. E. 4 II
ßaOjppoo?: stV.st 3’ ay.apaTou xovtou tS ßaGüppoov uäojp XI 14 V
Hom. z. B. H 422 IV
r*.
3 tap pr^ac: atGspo? ev yucIXowt • Stapp^aq Se yiTtiWa XIX 16 1V
Hom. ävappv^a? H 461 II (Z 507 II Var.
stapp^a?).
xrp;oppuTO?: y.at yGövtot yatqz xv)foppuxot ty.pdSsc ayvat LXXXIII
5 IV
Hom. xsptppuxoc t 173 IV
tcoppoxlv;: wp av ttjoppoxtpctv ast ßi'ö? ss07.bc ooeboi LXIII 13 11
Hom. sxtppsxv) Z 99 IV Nikandr. tcoppsxsc
Th. 646 V
äXtppiGto?: xovToxXävot osAtpIvsc, äXtppsGtot, xuavauf«? XXIV
8 IV
Hom. xaXtppcGtov s 430 IV, vgl. Orph. Argon.
1296 IV
4. Fragmente.
I\
•/.aXX tp p o o q: ’Qy.savoc xpohoc •/.aXXtppsou vjp!;s ydp.oto Fr. XIV 1IV
xuy.Xov ay.ap.aTsv y.aXXtppöou tbxeavoto Fr. XL1V 1IV
Hom. xaXXtppsw X 147 IV
dxoppo)^: st p.r) povvoYCvrjc Ttc äxoppwS ?uXou avtnOsv Fr. II 23 IV
Hom. B 755 VI v 198 II
798
Kzach.
Proklos.
I\
fäcXXyj* to c: aiev uw’ äXXr ( !Cxoisi xat sbta.ucexotcu yopeiat? Hymn.
Helios 9 II
Hom. B 452 II
•xoXiiXXtsxoc: y.ey.Xu0i, yiy.XuO’ avasca, woXÖXXujtov os 5’ ly.avu
Hymn. Athen. Polym. 51 IV
Hom. Hemistichion s 445 IV
ä'ppyjxoc: üjavwv appijTO’si x.aflijpst|xsvot TcXejS)« Hymn. Mus. 21 II
watisaxo, ceto ®av£Vxoc aw’ app^xou ysvst^pog Hymn.
Helios 14 IV
Sfpa vsoc ßouX^aiv Sw’ dppiQxotcrt xoy.ijoc Hymn. Athen.
Polym. 14 IV
Hom. ^ 466 4. Thesis, vgl. Orph. Hymn.
XXIX 7 II und Timon 123 IV
Oracula graeea ed. Hendess.
I*.
£Upp
-pp :
;«i: e
lueysiASVov wijY«toiv EuppsixYjs ’ApsOoüsr,? LXII 3 IV
Hom. Z 34 IV
7.: 8’ 3 ßcXoc, xb ce Sixxuov eywewsTaoxa1 C 1 I
Hom. Ipp'.'ii nur in Thesi, z. B. T 130 in
2. Thesis, aber aveppttj/av y. 130 III
P.
woXuppou?: 4»atcxo5 y.ai ToEppos? vasxai Aiou xs woXöppou CLXXXIV
1 VI
Hom. ßa0uppio’J S 311 IV
IXty.6ppooc: suxs xpotycc wivrpt NsSrjs IXixöppoov uSwp LXVII 1 V
Hom. xaXXippoov uctop B 752 V
Sibyllinisehe Orakel.
1\
IXXaßs: y.at xbxs 0' xyvbe iva:, lq x’ IXXaßs zpabjueco^ apyyjv XII
204 IA r
Eßpatot •icixxvxat, B :j.t, ^evo; IXXaßov aöxoi VII 135 V
Hom. 0 371 IV I 34 V
Studien zur Technik des nachhomerischen heroischen Verses.
799
EÄAixivE'jc: Xötobc eXXtxdveus, S’ eijvjpyExo xouov I 149 II
Hom. Vulgata X 414 xdvxat: 8’ IXXtxdveus, aber
■r, 145 las Aristareh 6 ok Xitoveusv, vgl. Nikandr.
obXoov iXXtxdvsos Ther. 352 II
app7)y.xoc: Sssp-otc dppy)-/.xotc XEobXotvp.kyot EcjaxoxToott I 102 II
Sscpioic dpp^vtxotct TCpHnpi'Y^avxe; öxsp0£v II 290 II
y.at tot’ dp.ii/.l/.xoto y.at appr ( y.xou dSdpor/xoc II 228 IV
Hom. 0 20 II $ 447 IV
doxoppr^i t: Klor/.i y.ott cot xivxo: axoppiqijei ßapbv oXßov III 436 IV
Hom. t 481 II
ßotObppooc: dypt? ex’ Eu<ppdxr,v xe ßaöuppoov apyupootvr,v XI 17 IV
’loßdXou? IldpOcu; xe ßaöuppöou Ebtppaxao XII 66 IV
Hom. S 311 IV
£ p p 14 e v: xabxyjv eppttlEV y.ott dvc;y.ooöp.r,xov dorjy.E V 409 II
Bei Homer steht die erste Silbe von spptd/ev
stets in Thesi, z. B y. 845 oocov xtc x’ k'ppttls.
dvapp!x:ti): xpütj/et ‘/Etp.£pwi<7tv dvappupOsüaav akXXott? IV 144 IV
Hom. avapptxxstv aXx xyjom r, 328 IV
I b .
icöppoxoc: p.apvdp.£vot ■ xb ok v£ty.o; tooppoxov dXXvjXototv IV 85 IV
Hom. kxtppkxYj E 99 IV, vgl. Manethon tcop-
poxoc dvxr,j£t£v I 24 IV (Nikandr. Ther. 646 V).
y.o:y.sp p £y.x£ tp a: ob Xtp.bc y.apxwv x£ xaxoppsxxstpa ydXa£a III
753 IV
Hom. xdvxec £xtpp£L£oy.ov p 211 IV Apoll.
Rhod. >wntoppex,XY)otv örnjoob; F 595 IV
III a .
Unrichtig überliefert
kXX or/E v: xov t/.£xot xpwjx,otJtt>)v dptGptov oi? k'XXof/EV dpy_r,v XII 126 V
Ebenfalls schlecht überliefert:
oyconjvtovT’ dpiOpüv, ä; IXXaysv evtuxov dp'/v;v XII 226 IV
Zu lesen ist beide Male oc x’ eXXajrsv, wie Alexandre schrieb.
Hom. Hymn. 87 IV Theokr. Id. XVI 46 V
eXXuovxo: xdvxsc y.ott üoxxuv <pXkߣp kXXüovxc äxotcott I 221 IV
Vgl. Oppian. Kil. xXXjtov oypov lycuctv Hai. I
625 IV
IIP.
xo Xüptr, XYj: y.ott <I>pjytr ( oeiopcTat xoXupiJXri oxovoy-ijcet X 279 IV
Bei Homer findet sich nur xoXjpvjXoc mit ö.
800
Rzach.
Orakel des Porphyrios.
I\
app7]x.T0?: ep,it£ooq app^y.xotcri [j-svet Xoftoiat ßsßaia 36 II
Hom. 0 20 II
dtpprjTO?: tceiGoT t’ äpp-qxcov eixewv, oi? 8v) f>p£va xspTCiv 185 II
Hom. i; 466 in der Thesis; Hesiod. E. 4 II
P.
äito ppvjToi;: xou? p,EV äiropp^iou? spuwv wyltv dir’ al'Opr)? 191 II
aT.oppr^.o'.- Wolff nach Lobeck Agl. 730 statt
rj.r.v.or^o’.z Hom. irapctppY]xoi x’ sitsscaiv I 526 IV;
vgl. Anon. itept ßoxcev. : diröppYjxov x’ diroTr^pjrsi
205 IV
avappwaat: IIuOwov 8’ oüy. euxiv avappwaat XaXov op.^v 296 IV
Vgl. Aratos y.at xa piv eppwaEV Phaen. 335 II,
Anthol. itsvx’ ’iSev appwoxouc XI 122. 2 II
Griechische Anthologie.
P.
sXXaßs: öjc xe Sut!)S£y.a awxai; dp.üp.ova; IXXaß’ sxat'poui; I 119. 13 V
Epigr. christ.
Hom. n 599 V
awp,axt 8’ oijy. sirEXasaEV, Exei voov sXXaßev aiäax; XVI
285. 3 V Leontios Scholastikos.
dXX?)y.xo?: itai irupo? aXX^vtxou n^p.axoq otjnv ’iyu> XVI 87. 2
(Pentameter) II Julianos.
Hom. B 452 II
xptXXt'axwc: o( iroxs xpiXX(uxü)<; avxtov sp^öp.Evot V 271.4(Pentam.)
II (Cod. xpiXi’<rx(o?) Makedonios Hypatikos.
Hom. dairactY] xpiXXtaxo? eit^Xuös vb§ spsßeWYj
0 488 in der 2. Thesis, in der Arsis aber Dionys.
Perieg. 485 II öxtoxe xptXXtoxwv p.sx£x,ia6£v eövoi;
’lßvjpwv.
aXXotpoi;: dXXooot;, oiixe oivw /pavösv apv^pe aäy.oc VI 163. 4
(Pentameter) I Meleagros.
Hom. atpaXov x£ y.ai dXXoipov K 258 IV, Plan.
EÜXocpo? an unserer Stelle, was nichts heisst, da
Studien zur Technik des nachhomerischen heroischen Verses.
801
der Kriegsgott durchaus Waffen haben will, die
die Spuren des Kampfes an sich tragen,
e u [T|j. e Xi r) : u'.'oc eup.|.j.eXia Aap.axpiou • d. Se <t>iXi'xxou XYI 6. 5 II
Unbekannt.
Horn, y 400 II
<piXo|.i.p,eiS^<;: Kuxpt (ptXop.p.Eioijs, GaXap.vjxoXe, v.q ce p,eX[3(p'f/V
XVI 177. 1 II Philippos.
Horn. z. B. A 10 IV
avve^eXo?: rjp.ap o’ ävv£<peXov xoSs a”^p.epov, ouS’ exi xoXXwv XIV
136. 2 II Metrodoros.
Hom £ 45 II
eppyj^av: eppvj^av Mouaat Say.pua EtiepiSei; VII10. 6 (Pentameter) I
Unbekannt.
Hom. eppy)|ev Se xüXa? JN 124 I
dpp’qy.ioq: dpprjy.xov II(Yp-y;<; xavBc BepaioxeBav VI 14. 4 (Penta
meter) 1 Antipatros Sidonios.
«ppvjKTOi Motpoiv xup.äxyjv Eaippayicav opp.ot IX 236. 1 I
Bassos Lollios.
Hom. N 37 I
y.ioveq dp pvj y.xo iq exi y.ioatv e<rn]wxes I 10. 56 II
Epigr. Christ.
y.ai xaq dpp^y.xouc e;j,ßdsac wp.oßo£i? VI 21. 4 (Penta
meter) II Unbekannt.
Hom. 0 20 II
avappvjyvup.1: xujrßov aveppvji;«, xw<; eotSe? vek.uac VIII 204. 2
(Pentameter) II Gregorios Naz.
x6p.ßov dveppv^avö’, öv y.ai xpopiouat oovvjc? VIII
219. 4 II Gregorios Naz.
Hom. avapp^ets Y 63 II
dxoppr\qaq: evöao’ dxopp-/)!;a? 6u)djv ßapuSaigova y.clp.at VII 313.1II
[Timon]
Kaxpo? §’ Tlpdy.Xetoc axopp^a; äxo 8eap.ü>vIX240.3IV
Philippos.
Hom. z. B. 0 264 II
dxopp dt!;: rjv yäp exi xpoxspwv [j.sXewv oXiyvj xiq axoppw^ VII
571. 3 VI Leontios Scholastikos.
Hom. t 359 VI
802
Rzach.
EppaicGv;: sppat'cOr; Srjy.wv [j.sggoOi y.at Xip.spa? VII 529. 4 (Penta
meter) I Theodoridas.
Horn, n 339 II
sppava: sppotvav Sav0<7> p,ii;d|ji.evot piXitt VII 55. 4 (Pentameter) I
Alkaios.
Horn. EppaSat’ M 431 I smppai'vsiv Theokr.
XIX 98 II
Euppas^c: v.'/jp.'ov y.at yEvuwv atpcpaop’ suppaipea VI 233. 2 (Penta
meter) V Maikios.
Hom. EuppapEscG! Soppttriv ß 354 IV
appy)TO<;: app^-iotc <pasOGvto? üuaorpotwrwv ap.apuyaTi; I 10. 54 I
Epigr. christ.
apprjiwv e-ewv yXwggy] tjoparplq S7i£y.si'c0w X 42. 1 I
Lukianos.
app^TOV 8s «piXoiat yöov y.at ttevOo? sDyjksv XV 40. 9 I
Kometas.
op.vup.sv dppv^Tou Ssp.via nspaE^övr)? VII 352. 2 (Penta
meter) II (Meleagros ?)
G7)v GTotciv • appiQTW tau-ta p.Ep.v;X£ ipössi IX 73. 6 (Penta
meter) II Antiphilos von Byzantion.
«THfEXiy.at? TCTEpÜYEGGlV SV dpp^TClGt 0adff<7(l)V I 19. 10 IV
Epigr. christ.
Hom. ^ 466 in der 4. Thesis, Arat. Phaen. 2 I
Hesiod. E. 4 II Prokl. Hyrnn. Helios 14 IV
Eppssv: dptt Xtwxpuj^wv sppssv st? öctSvjv IX 23. 2 (Pentameter) IV
Antipatros.
Hom. II 110 IV
Ippsucrsv •/.omxyevxo? • üßpsc xöps rcoXXtbu y.spSo? XVI
187. 3 I Unbekannt.
Hom. sppssv sy. p.sXswv X 600 I
ijSrj 8’ dcvTETov otSpta y.atEppssv • ota 81 Xsp.ßoi XI 64. 3 IV
Agathias Scholastikos.
Flom. xarappsov A 249 IV
äytxppooq: ’louXiavb? (Jtsta Ttyptv aydppoov sv0ä8s xsitat VII
747. 1 IV Libanios.
Hom. B 845 IV
suppoo?: dXX’ c jj.ev sy. Xs/swv viv süppoo? s? opsva OsXyst XI
343. 3 IV Unbekannt.
Hom. H 329 IV
Studien zur Technik des nachhomerischen heroischen Verses.
803
xaXX(ppoo<;: N6p.®atNyjiaSec xaXXi'ppoov ai xöSe vap.aIX 328.1 IV
Damostratos.
Hom. X 147 IV
iup peivrjq: Txxov suppsJTYjv xpovw] |j,aaxiyi Sap.svxa IX 628. 1 II
Joannes Grammat.
Hom. ? 257 IV
ixt p p wo p.a i: Xsuy.woai xo8a yaopov, sxi'ppoxrat 8s /opeivjv IX
403. 3 IV Makkios.
Hom. exeppotovxo u 107 IV
I'pps^av: spps^av y.a£ oi S(ü8ey.a8wpa y.spa VI 96. 4 I Erykios.
Hom. nur in Thesi, oaa "Ex-twp sppsi;s K 49
(2. Thesis) vgl. I 536
Exippdi^w: y.at aoi ExippscjEi Tipyo? xqj.apcio vop,aw]<; VI 157. 3 II
Theodoridas.
Hom. extppe^eoy.ov p 211 IV
xoXüppv)vo<;: |j.olpa, xoXiipprjvov xaxpt'Sa puop,svou<; VII 255. 2
(Pentameter) II Aesckylos.
Hom. X 257 II
xpippii^o?: xpoppi'Cov yaiY)«; eijexüXtas voxo? IX 131. 2 (Penta
meter) I Unbekannt.
Hom. S 415 xpöpp^og I
pfxxw: sppitlsv Xw-rouc xota [jisXt^ojjLEVY] IX 517. 4 (Pentameter) I
Antipatros von Thessalonike.
sppiiisv Ssioac Or/pbq lp.avToxsSy)v IX 94. 2 (Pentameter) I
Isidoros Aegaeates.
£ppit])a<;, St^uv] xapa'ov avsl? xxspüywv XII 144. 2 (Penta
meter) I Meleagros.
Bei Homer sppitk mit der ersten Silbe nur
in Thesi, z. B. a<j>a!pav exeit’ Ippulc ’C 115, aber in den
Compositis in Arsi, z. B. äxoppkpai ü 282
dvapptxxw: üypov dvappi'<j)S(? aXp.a xapa oy.aiyi'uv VII 214. 4
(Pentameter) II Archias.
auxev’ avappiilw ßuoaöösv opvjjxevoi; VII 215. 2 (Penta
meter) II Anyte.
Hom. dvappi'xxEtv aXa xyjSw vj 328 IV
axoppi'xxw: ot/ßoq äxopptdia<; ol/sxai st? ’AfSav VII 19. 4 (Penta
meter) II Leonidas.
|j.9jviv axoppi'ij/a? oOicr/jVopa -/stpa y.opuoas! IX 473. 3 II
Unbekannt.
SitzungsBer. d. phil.-hiut. CI. XCV. Bd. III. Hft. 52
804
Rzacb.
x t : p p ■! t t w : [j,oy_0ov ä-:pp>6aja yiyazmiou tox.£toü IV 3. 64 II
Agathias Scholast.
p,Yjvw axoppid/a: xat Xolyiov s/ßoc ’A’/aiot? IX 467. 3 II
Unbekannt.
sixppomjvij; tb XosTpbv ä—opptrcTst p.sAcS(j>vac IX 815.
2 IV Unbekannt.
Hom. [AYjv'.v ontoppitiavva xekotiMjv I 517 IV
IstppiicTü): x s ‘P a £-£pp’.4£v • to 5' hcäntdaxi £; ßuöbv aXp/rj?
IX 84. 3 II Antiphanes.
Hom. Tpüsc sxeppujjav s 310 II
£“{ppcOcc: Xesij ;j.=v -fap ®eiv xat IxippoOo; • r,v o£ tj? abtr.v VII
50. 3 IV Arcbimelos.
Hom. W 770 IV
•rraXtppiO’.ss: ouXojalvijs xsvtij; •/.•jp.a itaXtppoOiov IX 367. 12
(Pentameter) V
Hom. iracX.tpp68iov Bi pt.iv sötte £ 430 IV
P.
üXXij;s: IXXijcev 0k (*eXo8pa Atcovusoio jropstijv VII 412. 7 I
Alkaios von Messene.
Hom. aX.X13y.T5; B 452 II
äXXiTctv£uto:: ’AiSij xXI.itxvsut; xat sctpsxs, Ttwcs toi cötio VII
483. 1 II Unbekannt.
Hom. Vulg. X414~a'/ra? S’£/.X.'.Tav£a£, was dem
Verfasser des Epigramms vorgeschwebt haben
mag; vgl. “o/.jX./.toTo; s 445IV, dXXtoxoio vjXx; sßav
’AtBovrjs; bei Euphorion Fr. L 4 II nach Mein.
Siappijöa;: w; Bs £'.appi;;a: oöivo; oüy. Ijrov. Iotsvov ijsi; V 230
5 II Paulos Silentiar.
Hom. Var. Z 507 II Btxppij;a; neben ävxppijcx;.
äppayf,;: Soöpacta v.x\ txXtx; xppxyixq xöpuöa; 1X323. 2 (Penta
meter) IV Antip&tros.
Für den corrupt überlieferten Vers
xxvix, y.opTxorx; to1oo£ xottp pcytxz VI 288. 6
in einem Epigr. des Leonidas scheint mir die von
Diibner erwähnte hdsc.hr. Note von Jacobs .fort,
•/.x: TxXxpso; touaBs r.zz ipcccyixc* beachtenswerth.
Hom. feppayis II 300 IV ippijyxo; '1' 447 IV,
Dionys. Perieg. zdyzzvi oppcrfisoot 1006 H
Studien zur Technik des nachhomeriscben heroischen Verses.
805
cxX t p p a Y'i) ?: cxaptöv aAippaystov sy.)oj[xevov cr/.ox£X(ov VII 383. 2
(Pentameter) II Philippos von Thessalonike.
Vgl. ausser dem hom. üxeppd-p) bei Apollon.
4u/opp«YsovTa B 833 V und bei Nikandros xoXuppa-
yeog Ther. 59 IV
ito 3 o p p « q: 1x70ou y.al xoTa|j.oö Söpa xoSoppaYea IX 225. 2
(Pentameter) V Onestas.
Vgl. das vorausgehende txXippayrjc.
aX’ppY)XToc: Yj Y“p äXipp^xTo-i? üxo Ssipaatv ayyoQt xovxou VII
278. 3 II Archias.
Hom. äpprpnoc, 0 20 II
cptXoppw^: y.al xexaXov xavxr) GaXXoi pöSov vj xe ?iXopp<J)i; VII
22. 3 VI Simmias.
Hom. äxoppco!; t 359 VI, vgl. Siappw? Oppian.
Kil. Hai. V 216 VI
o oXop p aif! Y]: Sscp.a y.al 'Hipalaxou xasa SoXoppa^iYj V 286. 6
(Pentameter) II Joannes Gramm.
Oppian. Kil. SoXoppaseuv Xiva y.cXxtov Hai.
III 84 IV, bei Homer Y.awppoupirji dXsYsivijc;
0 16 IV
gtxoppaq>ij<;: ixXöxax ov 8’ aXl xoiixo giToppatps? dp.cptßXYjaxpov VI
185. 3 IV Zosimos Thasios.
Hom. suppaipssaai Sopotaiv ß 354 IV
dXlppavxoc: cx<5|jiev dXippavxoto xapa y v 0a|xaXäv yßö'/y. xovxou IX
331. 1 II Mnasalkas.
8t) xöx’ d?Ywv xapa Giva? äXippavxou? xs xap’ dy.xds
XIV 72. 4 IV (Orakel)
|J. up o p p av to q : ou xo p.upbppavxov Augapfel) xp5Gupov V 198. 2
(Pentameter) II Meleagros.
Hom. eppäSaxat u 354 II, vgl. Aratos appavxot
'[iy'/oyxM Phaen. 868 I
Xuzoppalcxr)?: y.al ce Xux.oppa!cxat Sslxvov sGevxo xüvsi; VII
44. 2 (Pentameter) II Unbekannt.
Sspga XuxoppalaxYjs ex.psp.aaEV TeXegwv VI 106. 2
(Pentameter) II Zonas.
Hom. z. B. y.'njgax' axoppaiast a 404 II, vgl.
Oppian. Kil. xoXuppaloxao v&po<; xoXqaoio Hai.
I 463 II
52*
806
Rzach.
Oeopprjxcg: XpiGxe, 0eopprjxoto ßiou tf\xsiZ,oe 1 19. 3 II
Epigr. Christ.
oüpavb) tlojosoio Oeopp^xw xivt p.expw IX 505. 13 IV
Unbekannt.
Hom. appr,xov i; 466 in der Senkung; vgl.
Orakel des Porphyr, axoppifroug 191 II
aXfppuxog: AxjxoiSiq ab p.sv 'iayzq aXippuxo'v auyeva Ar ( Xou XII
55. 1 IV Artemon?
auxoppuxog: ^Xwp'ov 2xou xXaxavwv auxoppuxov eg piaov oowp IX
669. 3 IV Marianos Schol.
veöppuxog: Xeuy.d xoXuxp^xoio veoppuxa y.aXXea y.vjpoo IX 363. 15 IV
Meleagros.
Hom. xepippuxog x 173 IV, Nonnos veoppuxa
•/stp.axa Dion. II 144 IV
dxoppeljto: y.eu0u<; äxoppeijai yip.apov y.aXov • r,v 8’ avaveüfl IX
437. 15 II
Vgl. Hom. p 211 IV und Tlieokr. Epigr.
(dub.) XVII 15
eüppyjvog: epxr ( Gxav xoXüxXavxxcv euppvjvou äxb y.cpcr^c XIV149.3IV
(Orakel)
Hom. xoXupprjvog X 257 II xoXipprjvec I 154 IV,
vgl. Apollon. eüppr ( vog xe T 1086 II und iuppvjveGGiv
avaaawv A 49 IV
äppiyrixoc: xov oe p.ex’ äppiyYjxog exeiG0ope xaupoabvog Oyjp VI 219.
7 II Antipatros.
Hom. Xufpä, xdx’ äXXoictv ye y-axapiyriXa xeXovxat
5 226 IV
ßaÖupp'i^og: oioc piv xpoßeßrjxe ßaöuppi'uotoi 0epe0Xoig I 10. 51IV
Epigr. christ.
Hom. xpoppi^oi to'xxouciv A 157 I vgl. Apollon.
ßa0ippi£ov xep eoüaav A 1199 IV
y. ax e p p il wa e: Xäa ßa0u cxYipiypa y.axeppibwGc xeXwpov IX 708 5IV
Philippos.
Hom. epp'XwGev evep0ev v 163 IV
xapappixxw: 0y//.a 8s GOt xstSe pöxxpa xapappitpaGa Se y.cGaöv VI
74. 7 IV Agathias Scholastikos.
Hom. pjviv dxopptitavxa y.eXoi'pvjv I 517 IV
iXtppo0!og: xavxbc äXtppo0£a, getve, y.ey.euOe y.ovtg VII 6. 4
(Pentameter) II Antipatros Sidonios.
Studien zur Technik des nachhomerischen heroischen Verses.
807
äXtppo0top: vyji te obv xacv] ßpucjap äXippo0tv) VII 624. 6 (Penta
meter) V Diodoros.
Hom. xaXtppo0icv 3s p.tv auTtp £ 430 IV, vgl.
Orph. Argon. £ktppoöt'oto OaXt&jaY)? 1296 IV
6p.oppö0to?: axvouv atOutat? Oijxev öp.oppi0tov VII 374. 4 (Penta
meter) V Markos Argentarios.
Vgl. Orph. Argon. ßptaa0’ 6p.oppo0sovts? 258 II
öp.6ppo0op: avTpov sau gtsi/ovtsc öp.oppoOot, aXXa tu ©Euye IX
338. 5 IV = Theokritos Epigr. dub. XI 5 IV
xoXup p o iß Syjtop : tov te y.apyjßapEOVTa xoXoppolßovjTov aTpa/xov
VI 160. 3 IV Antipatros Sidonios.
Hom. ävappoißoel p.sXav ucwp p. 104 IV
’.coppoxo?: ouy. aXXu toos y.ijSo? icoppixov, wc cru p.sv uiov VII
298. 5 IV Unbekannt.
Hom. sxippsxv) 3 99 IV, rooppoxov Maneth.
I 24 IV
II.
xoXuXX0sc: ‘HpecuXEE? Tpvjytva xoX6XXi0ov o? te y.at OiT7]v VI
3. 1 IV Dionysios.
Hom. ßvjXw sxt Xt0Etp W 202 II und TCcCS 0£
XiOoc e”c7w M 459 V. Tracbis heisst auch sonst
steinig, Seneca Troad. 818 iapidosa Trachin.
Eppoii^vjTo: y.at t&/' äv eppotLyjTO 3t’ at0spop, si jj-yj apä/vp XI
106. 3 II Lukillios.
Hom. xoXXfl 3s poti^w i 315 II, vgl. Oppian.
Kil. Eppotißqas Hai. I 563 V
appu tt o ut o c: xat ‘/pup äppuTt’owTop et’ äpßpoct^v, et 1 . XEt0ü V
13. 5 II Philodemos.
acxtXov äppuTtSwTov tjo/vssv ctpTtYovotcrtv VI 252.
3 II Antiphilos.
Des Wortes erster Bestandtheil hängt mit W.
rspua (ziehen) zusammen, deren Ableitungen bei
Homer mehrfach Positionsbildung zeigen z. B.
puo6p: ycoXat te pusat te I 503 II, puvi^p: olov
te puTvjpa ® 173 II u. s.
IIP.
IX X a •/_ e : sXXaysv Tsa Xaywv y.at vaos rprjYopuo I 86. 2 (Penta
meter) I -Epigr- Christ.
808
Rzacli.
sXXcr/s: sXXa-/ ev j s>c® a *P etv xa; croßapEuopiva<; V 280. 8 (Penta
meter) I Agathias Scholast.
e? zXbc iy_0uoEV vevo? sfXXajrov • eic 3s p.’ äs0Xoc XIV
28. 1 IV Unbekannt.
e! 3’ apa za! ouy. s X X«y_ £, p.r, xo3s xe/vy] XVI
130. 3 IV Julianos Aegypt.
S? 0sou ez <pwvYj<; s'XXa/s, xouxo yspac I 78. 2 (Penta
meter) IV Epigr. Christ,
ouz apsxa vizav s'XXayEv aXX« 36Xo? VII 146. 4 (Penta
meter) IV Antipatros Sidonios.
zuSo? gctx’ ap^oxspwv sXXaysv Oupavio? XVI 376. 2
(Pentameter) IV Unbekannt,
ou zax’ diwüvupu'Yjv Atyixxiov sXXa/E Xaov I 85 IV
Epigr. Christ.
zai xptxdxYjv ßaXßtSa vsVjvxSoc sXXa/s ßtßXou IV 3. 121 V
Agathias Scholast.
itaxEptov Xiyup.uOov ETr^paxov -:/,).«•/£ xupißos VII 343. 1 V
Unbekannt.
xoü za! zaXXsa xdvxa, xairsp txxoXic s’XXa/Ev auxY] VII
679. 11 V
rpYjyOpiE 0VY]XÜW |AEV U7XElpO/OV sXXa/Ep ula VIII 86. I V
Gregorios Naz.
xol; 3’ £7u NtzavSpo? Txpo^spduxEpov sXXa/EV sü/oc IX
211. 2 V Unbekannt.
Xöpov e/eiv TroXüoXßov, ov ou Txapop IXXa/sv aviqp IX
469. 2 V Unbekannt.
oiixE yuvaTzsp saai, inst <p6atv s'XXa/ov avSpöv XI 272.
3 V Unbekannt.
Horn. Hymn. V 86 I, V 87 IV Theokr. Id.
XVI 46 V
eXXitxs: s'XXnrov Y)3u<paou<; ^sXloto aeXa? XV 29. 2 (Pentam.) I
Ignatios.
Xpiuxb? EfY), 7xpop,oX’ wSe • zai eXXitxs Aä^apop äSyjv I 49.
1 IV Epigr. christ.
TOpai 3’ •!} voiou ß!ov sXXixep; IjXuOov aSav VII 470 5 IV
Meleagros.
pxouvov 3s ßpoxoXotyov IzYjpiov IXXitxsv ixSyjv I 56. 2 V
Epigr. christ.
Studien zur Technik des nachhomeriscken heroischen Verses.
809
sXXixs: oüvexev xi'vr ( <; EüoTopytoi; s'XXixe (xoücav VII 589. 3 V
Agathias Scholast.
£V0a xox’ syyop.sv7](; <lyyy] osp.ac sXXixs Novv/ji; VIII 72 IV
Gregorios Naz.
Ad'Capoz ä\i.[u <s\koq tfdoc s'XXixev t)eX(o’.o XV 40. 4 V
Kometas.
osut’ iq BY)6av(y]v, 20i Ad&xpov s'XXixe 0yp.6c XV 40. 28 V
Kometas.
Apollonios eXXcxev aüpvj B 1032 V sveXXixe
0eXv.tuv aoiorj? A 515 IV
äXXuTo?: aXXuTO? rjßdcy.s! yuioTay.Yic xevwj VI 30. 6 (Pentam.) I
Makedonios Hypatos.
Vgl. Oppian. Kil. aXXutov oyiaov syoyatv Hai.
I 625 IV Sibyll. Orak. ySdTiov <pXsߣ<; eXXuovto
axasai I 221 IV
III”.
<P'.Xo pptböwv: y.EVTpa SiwijixiXsyOa aüXoppcüOwvd te -atjiaov VI 246.
1 IV Philodemos oder Argentarios.
p&Owv hängt zusammen mit piq, das bei Homer
Position bildet, z. B. cto^e v.xxd pivöv T 39 II;
vgl. auch die Compos. z. B. suppfvuv te y.uvöv
Apollon. B 125 II
appwaTO?: tcevt’ iSev dppi&cTous, xevt’ svsypws xaXiv XI 122. 2
(Pentameter) II Kallikter.
Arat. Y.c/1 Ta p-ev sppwgEv Phaen. 335 II
[AETappu0p.t'Cw: ou X10ov dXXa ippsvwv xvsup.a p,STappu0p.t'aa<; XII
57. 6 (Pentameter) V Meleagros.
Vgl. Eupp60p.o!o Aupr,<; te bei Manethon I 60 IV
Epigrammata graeca ed. Kaibel.
I\
s'XXaßs: h x auTOt? yxxroi? vXloq e'XXaße? 'dqo/ov dXXtov Nr. 590
= C. I. G. 6779. 7 IV
atfäj^a? 3’ äxXvjcTa xaXtv3pop,ov s'XXaßs xsvOo; Nr. 233
= C. I. G. 2240. 7 V
Hom. 0 371 IV T 34 V
eu|aeX1t]?: auTU xspaX^torov supeXlao Top,[oto Nr. 537. 5 IV
Hom. E’jp.p.EX!u Ilp’dp.o'.o Z 449 IV
810
Bzach.
appyjxxos: dppnjxxov xpyjxiäa siByjpoBexotai OepslXoi? Nr. 1078. 3 I
Hom. S 56 I
Bea]p,oui; dppijxxoui; aXuxoui; Biaad>£etv Nr. 170.
6 III = Kumanudis 3535
Die erste Silbe von app^wcou«; steht gegen die
Regel in der III. Arsis, indem der Verfasser
der Grabschrift den homerischen Versanfang
äpprp/.TO’jc dXüxouc N 37 6 275 in den Vers
hineinschob.
äTCopprjijai:: exxa Be a-opp-^ap /ivya; evi <TW|xax>. ixelvwv Nr. 26.
3 II = Kumanudis 16. Vor Mitte des 4. vor-
christl. Jahrh.
Hom. 0 264 II
euppoo;: Motca p.oi d(p,)[©]i Zy.dp.avBpov eüp(p)[oo]v yp/op.ai aelBeiv
Suppl. epigr. gr. Rhein. Mus. XXXIV Nr. 1133 a
I IV
Hom. euppoov djxipl ZxajxavBpov H 329 IV
rcepi'ppuxoq: xi’y.xe Be 2apBov(yj p.e [xrejpippuxoq, ev 8’ dpa Tapaw
Nr. 622. 3 IV = C. I. G. 6299
äcm poatai] Aüxoto xeptpputofv aXX’ Bvi] xü|xß<o
Nr. 673. 5 IV. 3. oder 4. Jahrh.
Hom. Tceptppuxo? t 173 IV
dppvjxoi;: appvjxou xeX[exyj? cp-fia SJspxopivY) Nr. 972. 4 (Pentam.) I
d/pavxa app^xoiv 6ecp.ta Ksxpoxioaip Nr. 97a. 6 II =
C. I. G. 401
Hom. % 466 in Thesi, Hesiod. E. 4 II,
Arat. 2 I
eppt^wxai: col B’ iraep d^tBwv aiwvto^ eppti^wxat Nr. 1078. 7 V
Hom. eppi^wxai r t 122 V
I\
ev ep p aavxo : xov Be xai AiveaBat -jox’] eveppäifiavxo TteBiXw
Nr. 1046. 28 IV = C. I. G. 6280
Hom. euppaipeeaci Bopowiv ß 354 IV
avxtppoTCO?: TxaTBe; ’AOrjvatwv, B’ dvxippo[ixa Osvxec Nr. 21.
II V = C. I. A. 442
Hom. «rippei«) 2 99 IV, vgl. hcppoizoq Maneth.
1 24 IV, besonders aber Nonnos dvxi'pporcov opufijv
Dion. III 292 V
Studien zur Technik des nachhomerischen heroischen Verses.
811
II.
iü[*£V£TY)?: x[ä]uiv eu(aevetvjc xsXeöw .... Nr. 328. 1 II
Homer bietet wenigstens scheinbar eine Län
gung vor dem stammverwandten p,sv£a£v(i>: vijxtoi,
ot Zyjvl jj,£V£a£vö|*£v 0 104 III und 6u|ji.oß6pw spiSt
[AEV£^vap.£v T 58 III, wo das dativische i die ur
sprüngliche Länge bewahrt hat. Aber schon
Apollonios bildete darnach x£pt 3k p,£vsatv’ avo-
p£Üa«i A 670 IV, so dass die Längung im In
laute von £üp.£V£*Yjc hinreichende Entschuldigung
findet.
IIP.
s X X a-/ e: eX(X)a-/_EV woraus • ouvop.a 3’ 'IwrcSXuToi; Nr. 939. 2
(Pentameter) I
xoup 3’ apupw yapU'i xfhoc, IXXa/sv, ou; y/tspEt^E Nr. 647.
7 IV = C. I. G. 6203
aijiov, 5) ( I»iAa3£Ap’, apsxf^c xi]xp.ov k'XXa/si; a”or)[?
Nr. 243. 9 V
fl Sv; x,«t vv/.uc ouua "orjv ß!ou eXXaye tsi(ju{v Nr. 609.
7 V = C. I. G. 6750
xwv 8’ ap’ b p.£v IhsbXefitawv Ix(i)Vop,ov eXXa/E «puXa?
Nr. 957. 5 V
Hom. Hymn. V 86 I 87 IV, Anthol. I 85.1 V
sXXtxi: eXXexe y.at ■/.Trpv> y.ai xXeo<; aQctvaxov Nr. 187. 4 (Penta
meter) I = C. I. G. 1925 Alexandrin. Zeit
äXyEoc o’ eXXixe xaxp£, xoXu xXeTov 8e texoöctvji Nr. 574.
3 II = C. I. G. 6858
Vgl. Kallim. Fr. 198. 2 eaXitue 4>uXei V,
Apoll. Rhod. eXXixe 0fijy.ov F 111 II, wegen der
I. Arsis Ignatios in der Anthol. XV 29. 2 eXXixov
yjSotpaoü? rp/doi.o seXoc.
Nonnos. 1
1. Dionysiaka.
I\
IXXaßE: y.at xXsov sXXaߣ Oapaop ■ ävat^aua 3k Sa(|mdv XX 261 II
puaOov äYY]voptY)c ©tXoxapÖEVO? IXXaßs S6pty^ XLII 384 V
1 Die hier berührten B’älle hat zuerst Scheindler Quaest. Nonn. I 9 sqq.
behandelt.
I 3 III 5Wj»X»ti »icoa »do±a3»s> iA(orl»Y3i (bvsisaa»
I 663 I Sipia'aLy Aiaiodt/^ iA3 doiA»Xij so noYjisAA» :d c 7 = 4 = aar.
'OSf
j - a.tX!uig ^nin^) -{Sa sisay j U9§9A\ gn
fj dt« UA3rlnA7ip Aodorlrl» /rls rcv. - g -z ’uiojj
A 692 A r IX -0 C ^- Aodcrirljp 'Aouo^Jy.sang »rl[/.riirl AcidsririiAj
A 8X1 A r IX no ö'(S ^odo'rirl» dr/oiäoaiY oioAjrlioaid» ‘dorlasg
A 963 iriX ^aid» dodo-rlrl» )»i3Ai»2t3ii vomm^b. bo'(3Xtlv
A 35
IIIAXXX Aod.orirl» dcgiiACQS»<j> aIajajctIU Aiang i»y.
A 098
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A tfS
AIX Awr'asfj »darld» bo<,f/svc izy. so !/.dsis ‘dUAiorlodiaio
A 89 HX nor ^3 Aodo'ri'ri» Asaiinoy.3 Aouoocdsk aco'(^ dp
A 698
jy norldo dodorlrl» ‘dogoi, dsi» doQ<i3Y?itoin» dovoio i»y.
A SSI’ I dodorlrl» dOAO-dt/. Q s Aiaioi^mnog» Aiads7
AI 68 XIX no M° io ?& ^odori-ri* (*. Aoivcwgig» dkisvsi d(*a
I 511 XIXX aiios doidiovy» ‘actqosi nas dodorlr!»
I 601 IAXX ^tw-'j.Ysa oioYzoy-ns ;»y. o\ovnb. Aodorlrl»
I 01 HA A <?JV SoffiodiAne snAV.isgsis dW;aodins Aodorir!» :5odörirI»
AI 01 V H ‘ z -raoH
AI 918
HAIX Aigodi^^ dl/.gisrlrloY 1 ® z>vA. Aiaidy. dis asq»yis
AI 503
nX Aygodiy dligisrl-doYii »ipiysI. si/rlsii voxq'j.
ai m
AXXX !w,igodiyj d!*gisrlrloY)i KapigYS/b dr.cQgrl siiis
AI 95
IIIXXX Aigodiy dUgisrlrloYii ximyjL srfiid »o»q'a
AI 933
AIX k}*^ 3 '- ?g d!/.g isrirloY'i • 2i I/.oqocj| kdoXiatu/j : d ttg i sii rl oy> &
AI 6 cf d>!/.)Y3Yl ,f ln3 doin fiooQA»j[ - uiojj
AI 881
IIXXX S 93^Y°IV[ 31 dl/.iYSYldas doi!/.dy i»y. doiAcdQ i»y. :d!*i Ysrlrlns
A 66Q II 5 '9o 1 »^ ,s)®XY? - : ^fb ,S AOAixmi
‘ ii ii 7 Aoo^gs ao^ji sgj»YYi i 3 “? ,YY? ’ ra0 H
A 05 AITX 5 9 3 G' ,3 II 3 Ö*YY? Aiimdixii Al/.iA»dioy. sicMio :3^»Y'(,!
318
•I[DBza
Studien zur Technik des nachhomerischen heroischen Verses.
813
Ü V V £ Cp S X 0 ?
ävve^eXou ‘basOovxo? iSwy xsptliJpßpoxov (atyXyjv) XX
334 I
dvvstpeXou SarcsSoto 0spEtXtov, otx’ S’/ov aptpo) XXVI 86 I
avveoeXou? dy.xtvac otcxESouca csX^vv) XLI 257 I
avvSfsXo? raXui^s peXo? TroXsp/t/tov ot’Oyjp XLIII 17 I
dvvsfsXou? dy.xtva? stoxsiouca 2sXtqvyj XLVII1 322 I
ai0spoc avvsopSXoto y.axEaxE'xev apyufov arpXTjv I 186 II
dt];o<po? dvvsyeXoto psXatvsxo y.covoc opC^X - /]? XXXIII
' 267 II
•Jjoyj 8’ avve^eXoto St’ tqspp? Sppa xtxatvwv XXXIV 5 II
üc 3’ bzoT avvEtf eXotc St’ ai0epo? Siju? iSixv]? XLII 6 II
a!0epa SatSäXXouxa • y.at dvvetpSXw Ttapä NstXw II 167 IV
apipi yovÜ Bpoptoto y.at avvsaeXtov sttI Xey.xpwv VII
347 iv
xvptxßo? ypsxspy]? SxtSsiexat avvsfeXo? Zetip I 434 V
avxi y.sXa'.vEpsoc y.iy,X^axExai avvscsXo? Zsüc VIII 278 V
■iiiotfoq et? Spa XSy.xpa y.axEp/sxat dvvs^eXo? Zsu? VIII
' 326 V
ptp]Xat? XtßdSecai v60op itSXev awStpeXoc Zs6p XXVIII
199 V
EITE Ectpaw? S'tfUC, AtySzTlO? ävVEipsXo? Zsü? XL 399 V
Hom. wfexaxat avetpsXo? '( 45 II; in I. Arsis
Quint. Smyrn. IX 5 I, in IV. derselbe XII
515 IV
äppyjy.xo?: appijy.xot? VEtpsscwiv oXov mipYWtjsv ’AÖ^V/) XXII 258 I
tpoiTaSs? äppv^y.xoto ™Xa? vjpaaaov ’OXüpKoU I 141 II
y.at Aio? äppvjxxoto y.arrp/.ovxt^E Trpocüyxo'J II 458 II
y.at t’j-/sv äppr,y.xoto o’tS’yjpetoto ^txwvo? XXVIII 47 II
veßpt'So? äpp^axotc otEcr/iLCv'o y.oXtövat XLVIII 76 II
xcpvwtja? y.avövEcctv • etc’ äppijx,xot? Ss Sopatot? V 63 IV
Hom. N 37 I 6 20 II 4> 447 IV
eppvjyvuvxo: cxiipovs? Spp^YVuvTO isa^uvopSvoto jctxüvo? XXIV 258 II
XatXaws? Spp^ijavxo y.at asOpaxt XatfO? eXtlja? XXXII
157 II
Hom. xsi/so? epp^avto roiXa? M 291 II
ävappt^Yvopt: opisc äveppijijavxo y.axä crxspvoto ytxtöva? XVIII
330 II '
xaipot? cca^opsvotctv, ävappippatpi SS my.pou XI
268 IV
814
Rzach.
ivapprjyvup.i: ipixepov «rixopTov ävapp^^atp.1 xtpavcpt XX 324 IV
ij.apväu0u) (Jiaxdpsatjiv, avappv^siE 8e rcsipas II267IV
pri) ßu0i(i)v cpXdßa roxaav dvappyjijsisv evotjXwvXXXVI
103 IV
Hora, dvappr^sts Y 63 II
exsppnjffbw: '(/yoc äspatXoipoiGiv exipp^GuovTa xoXtovatc XI*. 195 IV
xat -(i'dvr^ 'Oppyjcc sxipp^Giwv yOova xapaw XIX
111 IV
xovtov dp.oißai’oiuiv Extpp^caovTei; spETp.oi? XXXIX
9 IV
SaTupo? ßapuSouzov sxippvjacwv yOova xapaw XL
241 IV
•/.at xpoyaXdtc ßapüSouxcv sx(ppr,<;Gü>v xeScv öxXdt?
XLI 189 IV
Hom. 'AytXsbc o’ dp’ ExtppvjGceaxE xal oio? Q
456 IV
biappatw: sßäoixdTw Xuy.dßavt! Stappatasu; xöXiv ’IvSwv XXV
367 IV
Hom. S'.appalaat p.£p.a(üTs<; B 473
eu ppasvji;: ^ piv suppaij>£o>v TtoSb? X/pna. vup.vd xeSiXwv XXXIV
311 II
Hom. suppaipssoGt SopoTatv ß 354 IV
Xpuaopparc 15: djj.xsX6ec<; Aicvugo?, axs ypucippaxip 'Epp.r ; p VII104IV
Hom. 'Ep|A£!ap ypuGoppaxtp x 277 IV
sppss: sppss (Aupo[ASVY|(; xoiaprq’.a Saxpuoc ’pavqq II 643 I
sppsov !-6op dypi xarqXuSes • sr/s 3e Sstp-^v XIII 422 I
sppssv dxXavswv oo'm/ocvaoc op.ßpcc o’.m&'t XXXIX 313 I
(II p. 202 Koechly)
0soy.sXov sppEEv atp.a, OaXaGGOxopou; os y.oXolvac XL 531 II
0r ( y.s vsy.uv ■ tla^apl) Ss y.ai' auydvoc sppss ya'.vp IV 363 V
puSaXsw p.uy.T^pi y.axdcE'JTs; sppssv !yo')p IV 376 V
djAip! Ss ol Xayovsggi Kuswvidc sppss (xt-cp-/; VIII 119 V
xal orop.aTc<; poSsoio p,sXfevoo<; Sppss tpwvi; X 188 V
d|j.ps"Ep(ov xap,aTOio xpody/aXcK; sppssv tSp&g X 372 V
sx ypoop ISpioovTO? lin^paTop sppssv aryXv] X 382 V
y.äXXoc • oigtsüsvxoi; ExyjßoXoc EppEsv aiyXri XI 376 V
oupavo0sv ipspSxapxoi; ’OXup.xto<; sppssv r/wp XII 295 V
2p0io; lip/ptsAiXTO«; xx' i;6cc sppssv oup^ XIV 142 V
dp.p'.XaiYjc Xxaio’.c xar’ au/svop sppss yxivr t XIV 185 V
Studien zur Technik des nachhomerischen heroischen Verses.
815
e p p s e : xai Bpopiw ouvaeOXoc oXoc G-pcabq epp es Bay.ywv XVII 23 V
twv aico |j.app.apeYj itoXdBatBaXoi; eppeev aiyXif) XVIII 71 V
ot Se ßor); aiovxeq exi y.Xovov eppeov ’IvBot XXII 250 V
(I p. 327 Koechly)
SeiXvjveü Xaatoto -/.a-t’ abyevoc eppee yatxv; XXIII 214 V
apuptXa^eu; ey.sftepöev ap.otßdBeq eppeov tiSpat XXV 208 V
y.eyXop.evou ßaotXijo? exi y.Xovov eppeov ’IvSoi XXIX 9 V
app.atc Av;ptdBao ouv^XuBee eppeov ’IvBot XXXIV 127 V
aXXote xojj.aivwv äxav/jXtov eppeev ücwp XXXVI 298 V
(II p. 150)
y.at xoX'u? txxetotc St’ otoyevo? eppeev tBpwc XXXVII 455 V
OXtßo[jt,evwv y-ap-d-toto xpodyytXoq eppeev IBpwc XXXVII 567 V
ä'vve/.cc eaoop.evwv ßpstac ’Apeoc eppee XüOpw XLIV 45 V
Hom. eppeev ey. peXewv X 600 I, aimy.a S’ eppeev
aljj.a A 140 II, eppee B’ topo')o W 688 V
exeppeov: ßoxpue? äp.xeXöevtec exeppeov aoyevt vup,fY]c XI 516 IV
Boiwtwv Be paX*YY £ ? exeppeov, o't yOova O^ßvjc XIII
56 IV
AuSwv B’ äßpo; op-iXoc eite'ppeev, ot t’ eyov ap.^w XIII
464 IV
KuxXwxwv Be paXayY 6 ? eit eppeov • wv evi yapp.Yj XIV 52IV
BaoaaptSwv oe oäXaYY £ ? exeppeov ■ aYpo|j.evwv oe XIV
340 IV
wo tpap-evou vecpeXiqoöv eiteppeov atßoxeq ’lvSot XV 1 IV
ap.®t Be p.tv yeXcomec eiteppeov atüoxec ’IvBot XXI209IV
y.a’t taytv’ov p.etä Böpitov eiteppeov aoxtBiwrai XXII127 IV
dp.91 Se p,tv trteväyovTe? eiteppeov aXXoc eit’aXXwXXXVII
39 IV
eXy.dot Bay.yewjatv eiteppeov oXy.aoeo ’IvBwvXXXIX 224 V
(II p. 202 Koechly)
ap-^'t Se p.tv orepav^Sov eiteppeov atOoite? ’lvSot XLIII
227 IV
SetXnjvwv Be tfdXayys: eiteppeov, wv o jj.ev aurwv XLIII
343 IV
äxXey.ee? itXoy.a|xtBe<; eiteppeov aüyevt y.o’jpv;; XLVIII
117 IV
Hiezu kommt noch nach Ludwich’s an
sprechender Conjectur für das früher herge
brachte exeypaov (Koechly eiteBpap.ov) der Vers
816
Rzach.
Bay.ytd8s? bk /pdhxyyes ineppscv affioxt Xaw XXXIX 300
Vgl. Ladwich, Beitr. zur Kritik des Nonnos 94.
Hom. xa 8’ sxsppeov sOvsa xs£wv A 724 IV
y.axsppssv: ypüoso? ei; opo<poto yaxsppsev ustco? Zs6? VIII 259 IV
op0to? oivoxoxoto /.axsppssv SXx'o? sepoir]? XIV 242 IV
xcü 3s xivupopivoio y.axsppss Säy.pua jjlu6o> XXX 149 IV
Hom. in der Composition im Partie, alp.«
■/.axappsov s? wxstXij? A 149 E 870 IV
ßa0uppoo?: AsunoOerj? sys 3wp.a ßa06ppoov, stooy.s xcvxou XX
378 IV *
Hom. sc xoxap.bv siXsuvxo ßaOüppoov äpYupo3(vY)v
<I> 8 IV
suppsixn]?: "Epp.o? suppetxir)? sxspot? Saxüpotct p.sXeo0w XI 40 II
Hom. xsp.xxo:ioi 5’ AI'yuxxov suppstxrjv iy.6p.SG0a
5 257 IV
sppwovxo: XuaoaSs? sppwovxo auv sbOupootat p.ayYjxxt? XIV 207 II
Gxor/ocos? sppwovxo • y.a't sßpsp.sv auX'o? ’Evuoü? XX 111II
st? xoXtv sppwovxo xs(pu£6xs?, Iv8o0i mpym XXIV177II
st? piaov sppwovxo y.aXutpap.svot Bsp.a? xp.ooi XXXVII
763 II
0utä3s? sppwovxo • xavuy.patpoto 3s xaupou XLIII 42 II
op-wiSs? sppwovxo ouv^XuSs? ’loyecclprj XLVIII 314 II
Hom. yatxat 8’ sppwovxo W 367 II
sxsppwovxo: xpst? p.sv sxsppwovxo xoSwv avsptoiSsi xaXptw XXXVII
646 II
xup.puss? os Spay.ovxs? sxsppwovxo xpoowxot? I 158 IV
xw o’ ap.a 0apG-?svxs? sxsppwovxo- p.ayyjxat XIII562IV
cp.wotv äp.otßatototv • sxsppwovxo 3s xoXXot XVIII
97 IV
w? tpap.svo? Oapcuvsv • sxsppwovxo os ßay.yat XXVII
221 IV
•/atxat 8’ y;spiv]<7tv sxsppwovxo 0usXXat? XXXVII
'286 IV
a'uyp.r ( pa't pa0ap.iYYs? sxsppwovxo xoviv)? XXXVII
457 IV
äp.tp't 8s p.tv SaaxX-fjxs? sxsppwovxo ''mcay.ss XLVI
210 IV
Hom. xvjotv owosy.a xäoat sxsppwovxo yuvaucs?
o 107 IV '
Studien zur Technik des nachhomerischen heroischen Verses.
817
s~sppwoavto: siXixcSrjv öp.evatov sxsppwc-avTo xoXwa.t V 284 IV
6'jpoop.av^Awvuffov sxEppwcav-o p.ayr ( TaiXLV232IX
Hom. dp.ßp6<7tat 3’ dpa yattat exeppwaavto A
529 IY
sp;p i Y «: espa-rte spptYflat y.ai ot(itY«va)v cTpatroq aväpwv XXXVI159II
Hom. oepa Ttc xat otbr'övuv avOpwxwv
T 353 II
epptCcoos: st yivoQ eppt'^was te’ov xpartoexopos ’Iw III 360 II
Ä«i«68a? sppt'^wcsv - dvay.potitov osy.spata; XXXVI311II
y.at xöca; eppt'^waev 6[ao£uyswv sXsoavTuv XXXVI366II
Tt? oxoxeäou; avdetps y.at Eppt^uas BaXatrcv] XL 425 IV
Hom. y.at eppt^wosv Ivep0sv v 163 IV
y.at süatc sppt^oito "t0Y)VY]Tctpa y^vsOXv)«; VII 4 II
<pap|xay.ov eppt'i^wxo ßtoaxöov • oupavtov VII 56 II
y.at 90tbv sppt^wxo z'o Seikspov • djxtpi 3s Y al fi XXV520II
Hom. äXuv) ipp’Züizat r t 122 V
Ippt'tlavTo: MatväSe? sppt^avxo XaOt'spova AÜtjaav ir^-yj.q XLVII
741 II
Hom. sppt<|;ev nur in Thesi, z. B. T 130 in
2. Thesis.
d x o p p t x to): xoAXat 3’ auxovtüXtoxov axEppitiavTo xovtv) XX 331 IV
yjsptot? sp-ov otaxpov äxoppttpetai; äftrai? XVI 164 IV
aviuya 3’ aaTcpoiotxov dxopp.td/etev ’OXtip.rcou II 262 IV
y.ai’y.sv axoppit[/a? xaAtvaYps'rov 2-f/.ovaxetAifeXXIV6011
y.at {j.tv axoppttlav-ta p.tatsovov otsxpov 'Evuoüc XXVI6II
’IvS'ov dxcpptcjja? sp.bv ouvop.a AuS'o? dy,oöaw XXXIII
256 II
06pcrov axoppitl/avta • xavi«rXoxd[A(i>v 3s yuvabtöv XXXVI
155 II'
Bäy.yo? axopptt^a? axaAcypca SobtTuXa xoupr,s XLVIII
128 II
ystpt Ss SevSpi^saaav dxoppttpaca yaXuxxpyjv II 554 IV
av0opsv ip.tp^svto? dxoppOjiac xrspbv uxvou V 535 IV
ueEtdv otvoxa Oipcrov, axoppttla? Sb 0'jsXXatc XV 126 IV
xoXXoi3’svxpoyo^atv dxoppttiavtss axtir/.^vXXII372IV
dop sbv YÜp-vtüsev, dxoppttla? 3e yiTöiva XXIII 61 IV
y.at p.tTOV y)p.iTsXe(rcov axoppttlaca ytxtovoc XXIV 322 IV
Arjp.vtäc dy.p-oSqj.vo; • dxoppt^ac 3s xupctYpirjv XXVII
122 IV
818
Rz&ch.
dxopptxxw: p^xo-re ouqjievscaciv axoppiipavTa ßoEtrjv XXX 189 IV
K.aoy.d<rou ev y.opucprj(j!V dxoppitlaq xrepov üxvou XXXV
263 IV
aXXd ttsyjv dvövrjTOv axoppitpaua <pap£TpY)v XXXVI 75IV
Bdy.yot 3’ sx.poTaXi£ov dxcppi'iavTsc gvuti) XL 215 IV
y.at KAoy.dp.wv dx,6p,i<rvov axoppttj/aaa y.aXuxxpY)v XLV
50 IV
p.vrjoocv oXyjv Trjpvjo? axoppidiaoa OusXXai? XLVII33IV
p.vqcrxiv oXyjv Orjarjos otTcoppi^aoa GaXdaav) XLVII454IV
Hom. oüx. av iywye os p.qviv dxoppM/avxa xsXoi'p.Y]v
I 517 IV
Siappi'itTti): y.up.ßaXa B’q^gVTa Biappitpavxe? dvjxa«; XLIV 139 IV
Hom. oiappi-'aoy.sv iicrcsv t 575 IV
sppüovTo: y.ai 36p,ov sppuovro x£pixpc-/ov stxova ■/öap.oj XLI 281 II
ouBs p.'.v EppuaavTo Atbp TajpwxiSei; suvai XXVII 81 II
Bei Homer findet sich sppiiaaTo mit der ersten
Silbe in der 3. Senkung: dXXa xic aüxE Oswv
sppuaaTO xai eadwaev 0 290, vgl. Y 194 a 6
I\
ä pp a ytt) 5 '■ dppaY££? gtoi-/y)Bov £xupYtl)0r ( aav gptxvat II 373 I
d p pa Y £ 0 £ p.Ü0OlG OC90) OTr ( pt££TS 0£0p.<j> XIII 486 I
dppaY£££ y^ioxwe? £ooyjj.o)0^oav dy.ovxwv XVII 348 I
dpp«Y£wv dttvay.TO? dX'jy.TOXESyjat xerijXwv XXI 56 I
dppaYec, euxoirjTOV euxXümoiot 0£p.£0Xot? XXVI 59 I
dppaY£££ y.vr ( p.'tosc uxexXGovto x.oGopvot<; XXX 29 I
ippayieq xaXdp.Yiotv ep.'-p(Jj0r ( oav lp.dvTS? XXXIV 225 I
dppaYs? w? ody.oc sXyz • xat ''Ap-rsp-ii; dAXov ii1 dXXw
XXXVI 32 I
äppaY^ 0 ? A’oooTo ' y.at ob xoaov sXy.d3a xov-ou XXXVI
367 I
äppaYso? y.X(i)GT-i)pot; dy.ap.XEa vqp.axa Moipy;c XL 2 I
äppoeykg qpixg "££/:; ep.rjt; yöovcc • al’Gs y.ai a'jxqv XL 2001
d p p a y £ £ ? xtaöpiaaiv ep.txp<I)0Y]aav d^-a'.c XLI 280 I
äppaysAiv dvExoxxE xaXiXXuxov bXy.bv tp.dvxo)v XLV 276 I
•/dXv.sov dppayEOc y.ssaAf^ cr/.sxac, dXXa y.ap^voo XIV
233 II
Epy.sc.v dppaYseaauv dvaotiXXouotv dXwai XXII 174 II
apeo? äppays? Ipxsc, dXs^rijpa ßeXEpvtov XXIII 62 II
Studien zur Technik des nacliliomerischen heroischen Verses.
819
ppaYij?: ’Äpsa o’ äppaYsecci v aXimoxdSiijot xsSvfcw XXXV 293 II
Si|/eat a.ppa'fie.cGi') ip.cXc eniovxa y.oÖöpvotc XLVII 640 II
ac%{<u y.ai £i<psscat y.ai appaYsecat isenfiXot? XXVII146IV
ay/.t Tupou xapä xovxov • ex’ äppayisctji §e xexpat? XL
533 IV
Vgl. Hora, äpp-qy.xoq N 37 I 0 20 II 4> 447
IV, Dion. Per. xei^sotv appaYsscGt 1006 II Anthol.
äppavea; y.opoöac IX 323. 2 IV
isppvjyvuv-o: üopr)Xat? vsffleXflot otspp^Yvuvxo y.oXwvat II 474 IV
Hom. epp^ijavxo M 291 II
ri gxoxsXw Xotpoevxt, Siappv^ete Ss yr^Acäq XLIII
113 IV
Hom. avappi^ete Y 63 II
Y«ta os xexpvjsvxa Stappvjijaoa y_tx<5va II 637 IV
xsvöaXeov y/ijpuy.a Stappv^aoa ytxwva IX 254 IV
vrjaov SXvjv xpcoSovxt Etappe a? ’EvooiyOwv XVIII
37 IV
aXXo? aXllJdivotO oiapp-fäaq päytv ioöp.oö XLVIII
37 IV
Hom. Seop.bv axoppvjija? Z 507 II, vgl. Theo-
gnis Stappiji*aaa ’/aXtvöv 259 IV
xspp^yvuv-o: y.iovs? üSaxösvxei; sxspp-?yvuVxo y.apvjvot? II 428 IV
Quintus: aisv exeppijYvyvxo XIV 518 II
spptpaivw: -/stpt xspippaivwv oSuviJipaxov iy.p.aoa Ba/./cu XVII
372 II
äwpia xepippatvovxs? aXs^iy-ay-oiai pssOpot? XLV 350II
uSaot Tapxapiotot xsptppaivovxe? apoüpa? XIV 48 IV
xatSoYovto paOdp.iYY' xeptppaivwv xxüyjx p/qpoö XXV
317 IV
aip.aXsY) paÖdp.tYYi xsptppaivouca xovnjv XXVII'195IV
olvov äXsi;v)xi;pa xspippaivwv ‘Ypsvaiw XXIX 156 IV
eXy.si tpoiv^svxt xeptppaivwv xop.a Xr,voü XXIX 272 IV
y.ai xpop.o? ei? y/Jcva xtxxe, xsptppaivwv os xovir;v
XXX 144 - IV
dßpoyov 68ax6evxt x s p t p p a i v w v yOöva xapoü XLII444IV
atp.axtcpo!vr ( svxt xeptppaivooaa y.oXwvacXLVIII688IV
tbv sytovvjsvxa xspcppat'vovxo y.oXwvat I 509 IV
oiiluYsc svÖa y.ai ev6a xsptppaivovxo y.spalai V 7 IV
ota ßos? y.ai pjXa, xsptppaivovxo os ßwpoi XX 178 IV
Sitzungsber d. phil.-hist. CI. XCV. Bd. III. Hit. 53
820
Rzach.
Bei Homer nur die Formen sppäSax’ M 431 I
sppdoaxat o 354 II; vgl. OaXXS Ixtppodvstv bei
Theokr. Id. XIX 98 II
SoX o pp txtfri q: oü8’ sXaOsc, Ativucrs, SoXoppassoi; ® Oovov "Hpv)? XX
182 IV
xai xpuftuv afopsus SoXoppatpswv X6y_ov ’IvSwv XXII
122 IV
pwcfjw“ xE^Vfjevxo; ooXoppatpsoe Atovüaou XL 60 IV
sppsxs p,ot, vsa xexva SoXoppatpso? -fsvsxYjpo? XLVIII
896 IV
Hom. Euppapeeoct Sopolctv ß 354 IV Oppian.
Kil. ooXoppassswv Xtva xöXxwv Hai. III 84 IV
Xivoppa®^?: *«1 ßuöbj? °' M 0I8« Xtvoppa<j>£o<; S6XovaYpv)?XX 377IV
svSäxtovc/.dcioqdys. Xivoppa<p£wv äXwjwvXXIII1311V
Vgl. das Vorangehende.
woXuppa®-^?: ä;avOä xoXuppa<pswv ävsXioaxo Ssap.ä xeSiXwv XXIII
199 II
auxogaxY) xsXs p.ala xoXoppa<p£o? xoy.exoto IX 6 IV
Bay^ov Ixt xvst’ovxa xol^uppaoeoq xoxsxoTo XIV 149IV
Vgl. Inc. Id. xcXiippaxxov xe ®apexpY]v Id. IX
265 IV. Nach dem homerischen suppafife und
z.c/:/.oppa<f{r l 0 16 p. 26 ß 236 gestattet sich Nonnos
Doppelung der Liquida auch im Verbum:
ixippatla?: xr/ri-v 0 app.ay.öeooav sxippctij;a? AtoviSa« XXXVI352IV
Vgl. Epigr. Gr. ed. Kaibel svsppätj/avxo Nr. 1046.
28 IV
IxEppoiipsv: SsSapevoc Aiovucov Exsppaipsv ä’pasvt [xvjptp IX 3 IV
äXXa ooXw S6Xov äXXov sxsppaipsv Elpaoi&vqq XLII
315 IV
a-uvsppaissv: Sexxo Xaßtov, p,Yjpw 8e auvsppa^sv • ävxi Ss y.apxoo
VII 152 IV
s6pp«si;: 8>q eixiov e<; ’OXup.xcv eüppaxi? Ijtsv ‘Epp% IV I IV
Atjxmyjv 8’ sxi B-qptv süppaxiq IjXuOev ‘Epp-ijs XXXVI
11 IV
Hom. 'Epy.do.c -/pucoppaxtc y. 277 IV
ävxtppoxo?: ÄpY.ou SatSaXsv]? ävxtppoxov skova p,op®v)<; XXXIII
70 IV
vuaoYjc XaivEYj? ävxtppoxov, laov exeivw XXXVII
112 IV
Studien zur Technik des nachhomerischen heroischen Verses.
821
dvxi'ppoxo?: v.cd Aio? Acrßuoxao verjv avxippoxov öp.<p-r ( v III 292 Y
oi Se xavuxpaipwv eXa^wv ävxippoxov aaxpov XIV
133 V
xep,xeT«i op0ptVY]ot ßoXai? avxippoxo? vjou? XXVI209 V
’HeXfou aeXo§|£e ßoXai? avxippoxo? attykr, XXVII
18 V
Zell? -/66vto?, StepSxvj? Se verjv avxippoxov d'jXryt
XXVII 93 V
Xeuxbv epeuQtöwaa, ßoXai? S’ avxippoxo? iijou? XLII
422 V
Hom. exippexY) E 99 IV, vgl. Epigr. Gr.
ed. Kaibel ävxippo[xa Osvxe? Nr. 21 11 V =
C. I. A. 442
icöppoxo?: ijirnj o’ äp^oxepoiaiv tcoppoxo? Yjev evuil) II 475 IV
aXXnjv od/ixeXeoxov Eoöppoxov etSev evuii XXV 25 IV
ei? e'piv d[A^pioxov ioöppoxov ei/e xopeiyjv XXXVII
250 IV
vuy.xa xaXavxeüouaav ioöppoxov ■qpije.'/drj XXXVIII
271 IV
Hom. vgl. das vorangehende avxippoxo?; vgl.
ioöppoxov dXXYjXotoiv Sibyll. Orak. IV 85 IV
öeöppnjxo?: yXexxopivn)? ■ aiei Se Oeoppijxwv xepi pAöwv XXXVIII
53 IV
Hom. xapappr)xoi x’ exeeooiv I 526 IV, vgl.
Anthol. Geopprjxw xivi pixpcp IX 505. 13 IV
eveppil^wae: xa 1 axax'ov daxinpeXiy.TOV eveppii^woev avctyxY) XIII
495 IV
x.6p.aotv äoxucpeXaxov eveppii^woev AxöXXwv XXXIII
340 IV
xapöevty.vjv S’Eoßoiav eveppi^tooe OaXdoov] XLII411IV
Hom. eppii^woe v 163 IV
eveppi^wxo: ä'XXo? eveppi^wxo oeSuy.öxo? uypi yeveiou XXIII 43 II
dx.pep.6ve? ßXdoxijoav, eveppii^wvxo Se xapooi XII178 IV
Hom. eppitwxai y; 122 V; darnach
dveppii^woe: xai ‘bXeyöa? oxe xavxa? aveppi^woe OaXdoov] XVIII
36 IV
exeppi^wae: Saip.oviai? Xißaoeooiv exeppi^woe OaXdoay] XL 532 IV
(/.exeppi^iöcre: vepxepiiov y.euöp.wva p,exeppi£a>oev evauXwv XXI
104 IV
53*
822
E z a c li.
pETspptüioGE: ■/.?.! Bpuaq etiyipstöio pe-teppt^wcev äpoupv)? XXXII
142 IV
Sämmtlich nach Homer IppitwcE v 163 IV
sppoißSijaev: SsgxeXov sppotß5i)(jev sxoc iptXwreu8£t Bdy.y<o XXXVIII
104 II
dsyoxov eppoißSujcs pepiijvoTi yeiAEi (ptovi^v XLV 7 II
Hom. avgppotßorjcs p 236 II
äxeppoi'ßSvj<7£: toTov äxeppoißBTjtrev ißrjXrjpov' com) XV256II
towv ditsppoißSvjcev ay/jvopa püöov 'Ayy.xr,c XXXVII
422 II
op'.y.tbv äiteppoißSujcev eico?xoXupep<pet cwv^XLlOII
xoiov äxsppo(ßBr ( <jEV Ito? XuaadtSeVXatpw XLVI 9H
toTgv aiteppoißSiQcrsv &coq Xuaa&3eT Xaipw XL VT
220 n
Zr,vc; axEiX/jiretpav axeppotßByjGEV thrfjv II 257 IV
nat povetov ayaXtvav äxEppcißSifjGev twTjv XXI132IV
y.at ot dxEtXyj'K'pav dxeppotßSujGSV t&yijv XXX 40 IV
xäl Gxo'j.yr.ijr) dyaXtvov dxsppoißBrjcev tanjv XXXIH
117 IV
xoBtowv o’ dyaXivov dxsppotßByjaev iuiqv XXXIV
195 IV
SyiXptc äxEsXvjxeipav äxsppot'ßBrjacv hafyi XXXVH
306 IV
dspoyflpoti; GiopdiscGtv äxsppoi'ßoTjGev twiijv XLVI
161 IV
Hom. dveppGtßoYjGs p 431 II und XapußSt;
ccvappotßScT psXav uoup p 104 IV
Guveppeov: xävrec evi gxeüBcvti suveppeov rjfspoviji XHI 231 IV
OpYjixti;; cs Sapoto ouveppeov aoxtStü-at XIII 393 IV
gou Bs xisCopEvoto tiuvsppsov irit xaXpw XXXVII
602 IV
Hom. z. B. ixippsov I0vsa xsaöv A 724 IV
äxoppuTO?: T.Cii Be auvaxiopivi} xai axoppuioc äpasn xjggco IV
282 IV
Hom. xsptppu-oc t 173 IV; äxcppu-cc zuerst
bei Hesiod E. 595 IV
•/. a t i p p u x o c: ei xiXiv spßpov lysus y.ä d p p u x ov -lixiz: Zsüc II 537 IV
yötov cte xeÜOeto r.izy v.yxdppuxGc, dypa Bs xetst;;
HI 206 IV
Studien zur Technik des nachhomerischen heroischen Verses.
823
cappuxoc: Yjßrjxrjv sSirjvs y.ax x pp'jxoc 'y.p.ac ssptjyjc XI 163 IV
foxoTS -;äp -(Q'ibzGGa. y.axappuxo? äpsevt X66pq> XIII
439 IV
opßpw Say.puosvxi y.axcEppoxo? • ä/v’jp.srr; 3s XVI
345 IV
FcrXa -/.sXaivtswxa y.axappoxoc atpaxoc sXy.<j) XXII
274 IV
T/pi [i.iüz'j fftspvoto y.axapp'jxox, 3? 3s Staivwv XXIII
47 IV
5C!p.aXsij paOapuYYt Aaxdppijxa Xetyava •xopoYji; XXV
45 IV
sxsXXsxxt suöSjxow. Xaxäppuxoc j3xsi FxYT'i? XXVII
163 IV
qctvöa Skhjx'Xous« y.^xappüxa vösa y.ovsv;; XXVIII
130 IV
xipwcstv ^Xtßä'oict ‘/.axappuxov r,spx vtsuv XXXII
155 IV
svvsxsv • oryopivG) 3s y.axippuxx •/sup.crea Xatpup
XXXIV 247 IV
sv0ov x-s“j2vxx y.axappuxov ävöspswvoc XXXVII
666 IV
app-axs? oupav’Io'.s y.axxppuxs; • x'y.px 3s '(y.ir^ XXXVIII
22 IV
rfix3a tosvxov ztm-s. xaxappuxov aTp.axi Nrjps'jc XXXIX
296 IV (II p. 209 K.)
Hom. xspippuxcc x 173 IV, xaratppuxo; svöx xat
svOx Dion. Per. 1124 IV
.{ppuxo?: y.al 7ioxap.bc y.sXxp'j'Cs jisXippuxa /_sj;j.xxx xjpcov XIV
414 IV
xsp'Vvsw paÖiptYYt p.sXipp-jxsv (2-pwv) s-i&pv;; XIX
'20 IV
SsyBpsx yfaix^svxa jicXippoxov, w; xxb sipßXwv XXVI
186 IV
p r-
Aapsxsprjv oi|xßXo!C psA'pp'jxsv i;—js swvijy XLI251IV
so Y^P äv«ßX6£oa« psAipp'jxa •/s’jjaxxx stjy« 1 ' XLVII
81 IV
’IXwjou 3s pssQpa ptsAtppjxx Br/./j; sasa: XLVII
265 IV ‘
ixaxpüKp y-spxsxjx vssppuxx yj.y j ucza xoa-u II 144 IV
824
Kzacli.
vsöppu-coi;: xopipup£Y]<; aveprjvs VEoppuxov c-fy.ov cmopYjs XII 200 IV
«XXä Katt? tboi’ßoio veoppuxa /süpsexa oi'pßXwv XIII
259 IV
y.al /.spaca? y.pr]T7jpt vsöppuxov apdSa Xyjvou XVII 72 IV
QapoaXsai • y.xapdvwv os vsippuxov aipa Fr/a-mov XLIII
134 IV
TopYÖvo? äpxtipövoio vsoppuxov aipa Ms8o6mgq XLIV
275 IV
yeCkeai yr\%iuypm vsöppuxov aips^s OrjXnjv XLV 302 IV
Xuöpov sp£u0opsvoio vsöppuxov avOspsuvos XLVII159IV
Anthol. vsöppuxa xdXXsa x/rjpou IX 363. 15 IV
ouvsppwovxo: s!xs xai ei? pöOov aipxo ■ cuv = ppwovxo 3s Xaot
XXXIX 74 IV
Hom. EXSppWOVTO -fJ'/CfA'AOC u 107 IV
II.
Xixöppivos: Yupvcuca? oXa yuia Xtxoppi'voto vopvjoc; I 44 IV
Hom. xupt Ss pivot pivö0ouGiv p 46 IV; Xixöpptvos
begegnet schon bei Nikandros: -JJv 3s Xtxopplvoio
xoxov SucdXuxxov ictipr; Alex. 537 II, aber es ist
dort anders zusammengesetzt, St. Xreo fett, also
mit fettglänzender Haut, wogegen es bei Nonnos
mit dem St. Xwro von W. Xix lassen (also ,ohne
Haut') zusammenhängt; vgl. auch XtOoppfvwv bei
Empedokles 301 IV
xavippivo?: dy.poxdxYjv xp'ya xocpvE xavuppi'voto y.ap^vou V 10 IV
Die Ueberlieferung von M hat xavuppnjvoto,
xavuppivoio nach Falkenburg’s Emend. Graefe;
wogegen Koechly nach Graefe’s Vermuthung
xavuy.pai'poio. Hom. atnbwc 3’ duXb? avä ptva? xor/uc
tjXOev / 18 IV; vgl. Oppian. Syr. suppi'vowi yüvscciv
Kyneg. I 463 IV
Eppo(£y](js: Xat'Xaxss sppol^rjcav, sxoqsüovxo 3s Xo^o! I 248 II
y.at ßsXos sppoi'^YjcEV, ex’ opopaXösvxt oe •/UixXtp V 44 II
Xat'Xaxss sppoi'^Tjcav ay.oipv;xoto psplpvYjs V 590 II
Bazy.id? lppo£?7)cE oi’ -qs'pos ’iyyzoq cd/p-p XXX 308 II
Hom. xoXXij 3s poftpo i 315 II, Oppian. Kil.
eov vöpov hcpoilrpo Hai. I 563 V
dvsppol^Yjcav: vjspöOsv xxEpösvxss avsppoi^rjcav otcxolXXIX289IV
Studien zur Technik des nachhomerischen heroischen Verses.
825
o iep po i'Cy] o s: v^eptrjv aitiSa Sisppo^Yjos itsSiXw XLI 276 IV
STceppoi^Yjae: st? evctxyjv osXa-fi^ov • IrcEppoi^YjaE 3e xupaw I 226 IV
o^uiepYjv [i,y.sv.'(Gc S7teppo!£r)oav iwvjv XXXVII288IV
Doch wird wol in diesem Verse mit Lud wich
(Beiträge zur Kritik des Nonnos 88) axEppoißovjoav
zu schreiben sein.
zai 06X0? YjEptYjGtv sit.eppo£|Y)oev aeXXat? XXXVII
688 IV
zai Sövazs? y^aäzeq eTCEppoi^^cav oigxoi XLVIII
940 IV
zaxsppoii^os: xocüpcov Xsuy.oc XluaSvoc zocxsppoi'£7)as OsaiVY]? 1217IV
0-()pov6p.l;) päoXlfl ZOCXSppo!|Y)G£ Bopvjo? VI 116 IV
£Xtppot£o?: zai Sazsoov VYjoaÜov dcXcppoiCoto Qo%6vou XIII 322 IV
EupüaXo? o’ aXdXa^sv^ dXippoi|(j> 8s zuSoipw XXXIX
220 IV (II p. 207 K.)
yspGodvjv p.sxd Sijpiv, äXippot£a> 3’ aXaXr)x<j> XXXIX
223 IV (II p. 202 K.)
/spot SaXacGovopotctv, äXippoi|w oe zuSoip.u XXXIX
370 IV (II p. 206 K.)
zai Zocxüpou? eSiwzsv. äXippoii^w 31 zuSotpö) XLIII
213 IV
Hom. TroXX-fj os poiuo i 315 II, vgl. Oppian.
Syr. xocvopoi^rjoiv dxwzai? Kyn. IV 195 IV, Quint.
zoXuppoi'lwv avep.wv I 156 II
HD.
IXXa'/s: sXXaysv — r/Ouösv yap v/it. 3ep,a? — avxl 3s yupvfjt; I
101 I
s'XXa/sv ouvop.a xoüxo • Ospaoxvatou 8s zai aüxou XI 259 I
s'XXajrsv ’Azxaiwv ■ 6 3e (pepxaxo? si? 3pöp.ov soxy; XXXVII
234 I
eAXa/sv eSpccvoc xauxa xsij? oAsxstpa xszoicnrj? XLV1I 604 I
ob? Ttoti? e'AAays itfvxov, epb? xozo? aiOepa voa'tov X 134 II
ttjXi'zov IXXays zaXXo? 6 ßouzoAo?, Sv ob xpaxei^) X 312 II
3? xögov IXXays zaXXo?, S p,-i) ßpoxo? lAXajcsv avrjp XI
386 II
ty)X(zov eXXoc/ev etSo?, soxst vu ol äpyi xpoowixw XLI 261II
ob? orat? sAAoc^s Xszxpa, xa pw) Xdjfsv *Qxo? äy^vwp XLIV
304 II
826
Rza ch.
s XX a •/ £: et Aio? IXXa/ec aTjjws, [xeTepx e0 *üxXov ’0X6p,TOu XLVI
42 II
et Atbc £XXa-/e; atp.a, tsy)v dvcbatvs ^eveOX^v XLVII
598 II
towv Ixottpew)? fipocg iXXa/jq- ob ab Auatou XI 119 IV
otci jxtvj iroXuov, 5>v eXXaxov, ly^uoiXt^et XLI 327 IV
ob Oavev ’Ay.xatwv, oux eXXa/e Ovjpoq owomjv XLIV 287 IV
ü>p.oi eij.s5 07] ovjos, Sv eXXay sv avepa <J>atSpr; XLVIII
536 IV
e’^ate not • ZeneXr, -j-ap e'ov toocv eXXa/e jjiouvyj IX 235 V
3? tooov zXXuye -iWtXXoq, S pt.->j ßpoxoq sXXa/sv avijp XI
386 V
•/.a't oxoictäc ’Oavoto y.at o't pocv IXXax 0V ”Epnou XIII
471 V
’IvS'ov axeitp^vt^ev, oOev -{b/oc, sXXa/ov ’lvSot XVIII 271 V
y.at <E>ae0toV ouov £’jy_oc ouepxepov IXXaye My)vyj? XXV
103 V
axvupivv) • y.o6pY]v 3e noYOoröy.ov iXXays Avjxtö XLI 413 V
vj y*I j,(5V dyvciGaoutja ico0£v '(Xd'(oq IXXa/e p,a£o3; XLVIII
833 V
Hom. Hymn. V 86 I, V 87 IV; Theokrit.
Id. XVI 46 V; Dorotheos oy.xw 3’ iXXcr/j. xäc
Txptoxa? p.otpac KvOepeta 26 II
Scheindler schrieb Quaest. Norm. I 9 auch
sXXtixe? ev n s Y s ‘P 0Wtv «rcstpvynjv xoy.exoto XL 114 I
Allein die Ueberlieferung lautet y.dXXtTtec; der Umstand,
dass dies Hemistichion dem homerischen Xewcet? ev neYapotot
12 726 (den vorausgehenden Vers XL 113 nahm Nonnos ganz
aus 0 725) nachgebildet ist, lässt noch nicht darauf schliessen,
dass eXXtTtec und nicht y.dXXtTte? dastand.
IIP.
euppaOap.tY?: xptöxoi; euppa0an'-YY o S aXefcpaxoc eupev eepoyjv V
258 II
Xapov suppa0ap.tYYo? dp.eXyeao vey.xap öxuipv)? XII
320 II
b|xßpu e’jppa0dp.tYY'- voov xepxovxec otiwpy); XIII
266 II
AI 10g AXX «“%? Ao^xiddsA» a»o»jl »gpY? <S Sieitw.
AI g9 AIXX AsJjatjddsAjp iccor/dy; 5»o‘/odai. •.»■/.
AI 692 IIIAX Ao^i^iddsA» Acr/.ivsoirx aI^oy
AI 692 IIIAX < ? (Vl ? AsJJ^iddsA» SeiSAalndre SoAcdjf ;»■/.
AI 1L9 AIX ASJmiddsA» ixjcyrby.cyi iz=-/.T/jir :
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II 891 IIX
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II 091
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II 19
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128
*B8SJ0^ ueqosiojeq ueqosuenioqqoTJu sap qmqoax Jnz uaipnis
828
Rzacli.
ävspp:xt£e: xXox[J.ou<; ßoxpuoevTag ävspplxtcov dr/rai XXXIV308 IV
xupy.awjv flofoeotjav dveppixt'Cev d^xy)*; XXXVII
78 IV '
sTcepp'Trt^sv: y.at otBup,atq crcpaTiY)criv Exepplxi^ev evuw XXX
187 IV
jj.exspptxtcov: doDpaciv avxtxipowt pLe-teppCiui^ov ärjvxi II 408 IV
2. Metabole des Johannes-Evangeliums.
I a .
xoXüXXtxoc: xepxioXvj xexeXeox« xoXüXXtxoc ■ «YX !V£ ?4 [aev r 148 IV
y.ai Oeov aixvfcvjTe xoXiXXtxov • fjjjwsTt xelvw II 97 IV
Ilom. xoXüXXigtov oe er’ ly.dvw e 445 IV; Kallim.
KapveTe xoXüAX'xs IV 316 IV
dp.jj.opoc: djj.jj.opo'. djj,xAawY)s y.aOapot vöov scxe y.a: aijtoi N 48 I
acxopoc xyprf'.GToq dvvjpoxop dfj.jj.opo? apxvjc M 97 V
Hom. 11 773 IV
dppvjy.xo?: xtoxioc dppYjy.xo:civ üxexXIvovxo Xexdovo:? 0 76 II
Hom. 0 20 II
dpprjxoc: dypovo? i)v, dv.r/rpoc, ev dpp^xw Xöyo? dp/yj A 1 IV
oiWfovoq TCpoyEVEÖXoc, ev dpp^xo) x:vt Osojj.« A 40 IV
Hom. dppvjxov c 466 in 4. Thesis, vgl. Timon
123 IV Proklos Hymn. Helios 14 IV Anthol.
I 19. 10 IV
Eppes: jjwpfo? eppee jJ.ü9c? docy^xtov dxo Xec.jj.öW II 40 II
oü /&p\') avxtowv xoXli? eppeev exjj.bc öSixvjc M 78 IV
Hom. A 140 II abxtxa 8’ sppsev alp.a II 110
IV xavxoOev ex p.eXewv xoXbc eppesv
Exeppee: Xäa? s^uv caoxXijxa? exEppee Xab? a'ffy/wp 0 188 IV
Tyjoouv 8e oepovxe? exeppeov dcxtctwTai 69 IV
s? §s[j.ov abyijsvxo? exeppeov yj ! jfe|j.ovi)o? T 163 IV
Hom. xa o’ exeppeov e'9vea xeEöv A 724 IV
Exeppwovxo: xövxov e? i.yy<:/.D.vJk'> exepp&ovxo jjaOrpczi Z 63 IV
Hom. ‘ u 107 IV
dxoppt'tia?: oaoot Xiiooav dxtaxov dxopptAavxs; d/jXaic P 64 IV
Hom. dxoppt6avxa I 517 IV
I 1 '.
d p p ar, c: ippayeoq <fiXi7]? dXixco Suvwoaxe 9eo|J.w 0 119 I
xwxto? dppayeoc or ( [j.7,tov ■ dXX’ oxs ysfxuv A 167 II
Studien zur Technik des nachhomeriscken heroischen Verses.
829
dpp ay^c: rcfenos appaysscmv sxupYtoaavxo 0epe0Xoi<; A 183 II
Hom. appvjwo? N 37 I 0 20 II, äppayiecai
Dion. Per. 1006 II, vgl. auch Nonn. Dion. XIII
486 I, XIV 232 II
xspippaivw: opßpw Saxpuoevxi xsptppaivovxo xapstai A 120 IV
■{eko'iG- cdy.aAch xspippavOevxoc espuy) 4> 54 IV
Hom. eppäBaxat u 354 II, vgl. Nonn. Dion.
I 509 IV
äppaoo?: appaooc vpv iicfavxb? äx’ au^EVO? eiq cipopa X^ywv T 121 I
SoXoppaf^;: epya SoXoppatpeo? peveoivexe xaxpbc 'jcaiveiv 0 112 II
xXnjOut y.rjpuSstE SoXcppatsEtov «haptcafwv A 236 IV
xoXuppafvj?: tpatopa x c X u p p a <p £ « v xpocxxu!;axo xapcra xsoi’Xwv
' I 174 II
Hom. euppaipseavi Sopolow ß 354 IV, vgl. übri
gens unter Nonn. Dion.
0Eoppr ( xo?: YpaxTo: 0£opp-r,xo>v pasxsüexE 0£(7<paxa ßtßXwv E 154 II
ei Ss Oeopprfto) ps aotfö) -fivwGy.Exe p60w S 25 II
Vgl. unter Dionysiaka.
opippvjxoc: sopopev, Sv cupxavxe? Spoppv^xw xtv; püOw A 180 IV
Hom. appr ( xov q 466 in der 4. Thesis; vgl.
0e6ppr)xo?.
evsppt^toxo: oiixw yap y.pot£r)civ svsppi^wxo pevotvai? II 152 IV
Hom. epp{£a>xai v; 122 V, vgl. Nonn. Dion.
XII 178 IV
ixEppo!ߧY)ce: xai 11 f/.äxoc ßapöpvjvtv äxsppotßorjcsv !wr ( v T45IV
Hom. äveppotßSvjffe p 236 II ävappoißSsl p 104
IV, vgl. Nonn. dxeppoi’ßSvjcev Dion. II 257 IV
s uveppEov: eüxev öt'/aq • Xaot oe cuveppeov • sy. Soexscou C£ K 108 IV
Hom. Ixeppsov A 724 IV, ouveppeov Nonn.
Dion. XIII 231 IV
0£oppuxoc: 'f/Mccqc aevdoio Osöppuxsv opßpov iaXXwv 0 10 IV
Oppian. Kil. Hai. V 9 IV
psXi'ppuTo?: iXo/jc xvtdo’.o peXfppuxa /eup.axa p.uötov Z 217 IV
aiöspo? ä'pxov oxai^e peXi'ppuxov siXaxtvd^etv Z 133 IV
Hom. xcpippuTo; x 173 IV, vgl. Nonn. Dion.
psXcßpuxa ysüpsxa xöpwv XIV 414 IV, peXtppuxov
v;xue owvijv XLI 251 IV
830
Hz ach.
III».
iX'Kay s.: xevxe yap i\\<xys.q avSpa; ajwißaSbv aXXov Ix’ aXXw A
84 II
lOJAEV 0X1 ßpOTO? O'JXCX; Ö? eXXa/EV Gp.p,aXOC al'YXYJV I 100 IV
£<i)r]v aOavaxrjv, xyjv sXXaxs c6vopo|jio; attbv M 198 IV
vuv xät? ävOpwxou fpaEctpißpoxov 'iXXy.yz xipjv N 128 V
•(p.EXEpo; ü'in’^uYov IXXyyz v.y.ryt 0 31 V
Horn. Hyrnn. V 87 IV, Dorotli. 26 II (Nonn.
Dion. XLVI 42 II), Theokr. Id. XVI 46 V
(Nonn. Dion. IX 235 V).
ävaXXsljas: xat puv avaXXel;«vxoc egot ßaXXouxt y.apivou 0 24 II
Hesiod. ’ApupxXoYla? xe Th. 229 V, Manethon
osca 3’ siixXs^wai Qsot III 233 II
IIP.
suppa0äp.'Y^: cu yap EoppaOi|jUYYo<; E/Et-/uatv vjSso; oivoii B 20 II
Vgl. Nonn. Dion. XII 320 II
avspptxt^e: y&pov ävspptxti^Ev, 3xv) xaXaspY'o? ’loro^o T 220 II
Y«lav £'X!(i’JX°'' | Ts? avsppt'xi^ov ärjxat 2 88 IV
Vgl. Nonn. Dion. III 149 II und XIV 139IV
Triphiodoros.
I».
appYi'/.xoc: appijxxot? y.öp60£crst, y.ai äcxfct y.üxXaxravxEc 623 I
p.acxay.a 3’ appvp.xctGtv aXuy.xoxsöY];:; p.s|j,apxü)s 480 II
Horn. N 37 I 0 20 II, Nonn. Dion. XXII
258 I, I 141 II
£ppeev: y.at Siä [Auxxvjptov tpuaitoGq sppssv ch^p 77 V
ot 5’ sxspot yXaipup^q axo -j-axxepoc sppsov Txxoo 533 V
Horn. z. B. V 688 V Nonn. Dion. IV 365 V
sxsppss: iXxecrt xoivjxbiatv exeppss yqyuxov *V a 229 IV
Hom. sxsppEov A 724 IV Nonn. Dion. XIV
52 IV
xaxsppeov: Xüsxo y.aptxiXa xoä;a • y.axsppsov (Irzssc tot 13 IV
Hom. xaxappsov A 149 IV Nonn. Dion. VIII
259 IV
P.
Stappijijat: vüy.xa Stappij^aaa puatoövov, txxixt? ’Hw; 670 II
Vj£ y.at äpupixcpiotai Stappyj-at xsXsy.Eactv 254 IV
Stndien znr Technik des nachhomerischen heroischen Verses.
831
otappvjijat: Y)0cXev Iv OaXdpoiut • SiappY^aca 8’ byr t aq 359 IV
Hom. axsppv^cac Z 507 II, wo auch die Var.
Stappi^a; bestand. Nonn. oiappv^ac ’EvootyOwv Dion.
XVIII 37 IV
ßooppatcTYj?: yivrpov dvexrotY;a£ ßooppatc-ao püwxop 361 IV
Hom. axoppaTaai ot'Xov rjTop x 428 IV
sxtppai'vw: ^avöw xoppupoxsi^av IxtppYjvac rp£ya ypuctp 66 IV
Hom. eppaSarai u 354 II, Theokr. Ixippaivetv
Id. XIX 98 II, Nonn. xepippawwv yöova Tapcw
Dion. XLII 444 IV
Kolluthos.
I*.
£xeppd>ovTo: ^ofnjTijpes "Eptois? exsppuovTo xiö^vr) 100 IV
Hom. u 107 IV Nonn. Dion.'l 158 IV
dxopp{J»«q: y«uXov axoppitba; xal xoisa y.aXa jj-eöi^cocc 127 II
'EppiovY) o’ ävspotatv axoppuia:a y.aXixTpr,v 326 IV
Hom. axoppitj/avc« I 517 IV, Nonn. ’IvSov
axcppeiac Dion. XXXIII 256 II, äxopofyatja x.aXu-
xtprjv Dion. II 554 IV
III“.
IWctyz: Y) psv xroXixopOov aeOXtov eXXays popst)? 190 V
Hom. Hymn. V 87 IV; Theokr. Id. XVI
46 V Nonn. sXXays poüvY] Dion. IX 235 V
0
Musaios.
I tt -
xoXuXXtcToq: papTupiYjv Xuyvoio xoXuXXiotoio Soxsuwv 236 IV
Conjectur von Dilthey für das überlieferte
aber unpassende xoXuy.XaÜTOio; Hom. xoXuXXkjtov
3e a r/dvü) £ 445 IV
äppopop: oüy. sOsXsc i^tbsiv xepr/.aXXfo? appopo? 'Hpoup 89 V
Hom. Z 408 IV Nonn. d’ppopoc rjoüi; Dion.
XLV 118 V
ypuaoppax!?: fix: 0patfuv 'HpaxXYja, Osb; ypoacppaxic 'Epp^p 150 V
Hom. 'Eppeia? ypuccppaxt? •/. 277 IV Hom.
Hymn. ypuabppaxt; 'Eppij? XXIX 13 V Nonn.
dieselbe Formel Dion. VII 104 V
832
Rzach.
eppss: toXXyj S’ auxipaxo? zyc.c, öSfifuo? EppEs Xatpw 327 V
Hom. V 688 V Nonn. Dion. z. B. X 372 V
aYappoo?: Vr^opat 'EXX^ptcovtov dvdppoov ■ oi% sy.aGsv yotp 208 IV
Hom. ocaou; 'EXX^oicovto? ä-pappooc svxb? s^py£t
B 845 IV, vgl. M 30.
Christodoros.
I\
appopcx;: dp popsv, oüxs väou y.Eyprjpsvov, <xXX’ dpa pouvrjc 312 I
Hom. z. B. £2 773 IV; Nonn. VII 10 I
äppy;y,Toc: Etpucsv dppr ( y.x(>> tcksSyjpsvov appaxt Ntvojc 402 II
Hom. 6 20 II Nonn. Dion. I 141 II
Xpuoöppa'KK;: vjv Ss xai 'Eppsiap -/puacppaxti; • icxap.evoc Se 297 IV
Hom. Formel ‘Epp,st'a? •/puxöppa~tp y. 277 IV,
Nonn. -/puxcppaTrtc 'Eppvj? Dion. VII 104 V
appyjxo?: Aüsovi? dpp-r)xou tjotptYjt; sGpäiaxo Setpyjv 305 II
Hom. appyjxov c 466 in 4. Thesis; Nonn.
Metaphr. A 1 IV
Eoppetwv: ©stntsXov uia MeXyjto; suppslovxot; oiw 408 IV
Hom. Arpwxov luppgixTjv aöpscGa c 257 IV
Nonn. "Eppo; süppEixr)? Dion. XI 40 II
Paulos Silentiarios.
ävvE(p£Xo<;: wp S’ oxav dvvjipsAoto St’ ^spo? dvSpsq öStxat Ekphr.
Meg. Ekkl. II 479 II
Hom. xtraxaxat avExsXop £ 45 II Nonn. ü)c S’
bxrsx’ awstpeXoto St’ atGspo? ocpjp 58i'xr,p Dion. XLII 6II
aTropptb^: ewxb? dya/XyiEVTO?, 80sv TtoXüupvoc axoppwi; Ekphr. Meg.
Ekkl. II 18 VI
Hom. z. B. t 359 VI
Eppt^tocE: xuQpsvac sppt^uce psuou y.opuc dpßpoxo; ot'y.ou Ekphr.
Meg. Ekkl. I 271 II
■xuGpevac Eppt^woav • EipESp^asouat 8s yaty Ekphr. Meg.
Ekkl. II 143 II
Hom. spp'Xwc-Ev v 163 IV Nonn. y.at soSa;
eppi^totiEv Dion. XXXVI 311 II
a'KOpptipaq: Ssüpö pot äyXuieuum aTOO'ppttj/avxs? dvtnjv Ekphr. Meg.
Ekkl. I 35 IV
Studien zur Technik des nachhoraerischen heroischen Verses.
833
Hom. dzoppüpavxa I 517 IV, Norm. z. ß.
azopptoavxEc dy.uy.13v Dion. XXII 372 IV
zspippuxcg: ffiEYysaiv eÜYAYjvotci zEpt'ppuxov ’HpiYevsbjg Ekphr.
Meg. Ekkl. II 200 IV
Hom. x 173 IV
P.
äppaY^)?: zexpaig dppaYssaaiv dpijpoxEg, uv Stä pi<j(Jou Ekphr. Meg.
Ekkl. II 38 II
zpdcösv, ezt zXeupag o.s y.ai äppayeoi; zsp: vuxcu Ekphr.
Meg. Ekkl. II 35 IV
Hom. y.pprf/.-Gc 0 20 II $ 447 IV; Nonn.
Epy.sciv äppaYäöcctv Dion. XXII 174 II und ez’
appayieuGt Bs zsxpatg Dion. XL 533 IV
zsp'. p pa Y^j?: cxyjOsaiv v;p.sxspoiai zspippaY^? iXzog dvtG-yst Ekphr.
Meg. Ekkl. I 90 IV
Vgl. das vorausgehende appccfr^ und Quint.
zcpippY)YViJV-£g dsXXag VIII 61 IV
suvsppsov: e^aztvv)? 3’ Ey.dxepös cuvsppsov dXXoOev aXXoi Ekphr.
Meg. Ekkl. I 129 IV
Hom. EZEppsov A 724 IV Nonn. auvEppsov z. B.
Dion. XIII 231 IV
ezJppuxog: uc y.Ev Ep.stg xsxiecaiv szippuxov SXßov opsqu Ekphr.
Meg. Ekkl. I 101 IV
zoxap.cppuxog: sy.yyxov sy. zaXdpwjg zoxap.öppuxov sXßov izdguv
Ekphr. Meg. Ekkl. II 597 IV
Die Vulgata war vor Graefe zoxap/(jppuxov;
dagegen ist wol kaum zoxap.oppuSov mit Be
ziehung auf czd£uv zu schreiben, wie Graefe
auch vermuthete.
XpUCTÖppuxog: uv azo p,ap|j.a'!pouoa yuBvjv ypucroppuxog d'/.xtg Ekphr.
Meg. Ekkl. II 253 V ’
Hom. zsptppuxog x 173 IV
dXtppöOtog: dXX’ dpa piäXXov eotxev dXippoötu xivt yairj Ekphr.
Ambon. 205 IV
Hom. zaXippöÖtov s 430 IV, Orph. Argon.
dXtppoOtoio OaXdaaijg 1296 IV
Joannes Gazaeos.
I“.
avvecpeXoq: 0spp.c? ewv, üitoüxo, v.a). dvveipsXwv uxsp töjj.oiv Ekphr.
Kosm. Pin. II 315 IY
Hom. Z, 45 II, Nonnos dvvscpEXwv sxi Xenxpiov
VII 347 IV
appY)70c: app^xou coairfi voepöv EiXov sp.spovo? o^ou I 310 I
Hom. E 466 in 4. Thesis; Nonnos Metab.
A 140 IV
e p p! u oj c s: y.ai <pucriv sppt^uas y.al av§pop.£Y]V xsy.s <p6xXn)v II 341 II
Hom. epp&woe v 163 IV Nonnos y.ai icsSai;
eppitü)G£v Dion. XXXVI 311 II, vgl. auch xal ouaic
eppi&oxo Dion. VII 4 II
axopplxxw: xccp.ov äxoppixxouca )'ap,ai<p0ip.evoio xsxvfAou II 291 II
Hom. I 517 IV, Nonnos Oupcov äxopptyavxa
Dion. XXXVI 155 II
avappotßSsw: op.ßpY]pY)V xsAdysGOiv dveppoi'ß8r)<rev separjv I 297 IV
Hom. Setvov aveppoißSYjas p. 236 II, vgl. Nonnos
xolov dxsppolßSYjcsv Ixcc z. B. Dion. XV 256 II
wepfppoto?: I^woyövu 3xiv09;pc xsptppuxa, xdvxce (puXcfoaet I 129 IV
Hom. x 173 IV, vgl. Paulos Silent. Ekphr.
Meg. Ekkl. II 200 IV
P.
Giypp-^xac: r< 8e poto mppivcwvx! Stapp^Eac« /p.xwvac II 127 IV
Hom. axopp^a? Z 507 II Nonnos Stapp-ffyusa
Xixöva Dion. II 637 IV und IX 254 IV
xoAoppaorjC: cüxs xoXuppaiysoi; p,s0ex£! oxelpijp.a /vzrnoc, II 152 II
Hom. £uppaG££GGi Sopowtv ß 354 IV, Nonnos
Eav0& xoXuppaqjEWv avsXüuaxo §£cp.a xeo!Xü)v Dion.
XXIII 199 II
0£oppv;xoc: p.aTa 0£oppv;x(üv xap.p.stXi/o? süsxcauv I 75 II
Hom. x«pappYjxot I 526 IV Nonnos YP aST “
0£oppr ( x(ov p.acx£'j£xe Oeaoaxa ßißXaiv Metab. E 154 II
laoppoxoc: y.al xaXdp.ac tjxXwgev luoppoxoc, oxxt Siy.a;o:c I 64 IV
ä'Euv dsxuoeXty.xs?, sGcppcxoc, ipOic oäeöuv I 110 IV
cx/.tjXgc, cv xaXsouGtv leippoxov I|*p,£Vat äXXtüv 1165IV
Studien zur Technik des nachhomerischen heroischen Verses.
835
Hom. Ixtppsxfl E 99 IV Nonnos iooppoxoi;
Dion. II 475 IV, XXV 25 IV, XXXVII 250
IV, XXXVIII 271 IV
ercfpputos: üypbv Ssop.bv i/p'ns.q sxippuxov • wv axo yui'wv II 115 IV
Hom. wepfppuTos t 173 IV, vgl. Paulos Silent,
sxtppuxov oXßov Ekphr. Meg. Ekkl. I 101 IV
HD.
xoXuppaOap.f]-?: 2c 8s xoXuppa6äp,tYYOc cxtxsuwv /6onv 3p,ßpou
II 41 II
Nonnos arocra xoXuppa0dp.tY-pi SsSsupiva oäpEa
Auöpw Dion. VII 174 II
avspptxt^s: y.at vscswv -/.XoveoVts? ävspptxt^ov ivaiXcuc II 139 IV
Nonnos z. ß. vsiGoopivwv xTEpösvrsi; ävspptxt^ov
äijTai Dion. XIV 139 IV
sTCEppiTüi^sv: voucraXsv)? xcaivqxoi; EXEppixti^sv ar t zac II 294 IV
Nonnos xa’t otSupati; axpaTiflciv sxspptxt^EV eviiw
Dion. XXX 187 IV, vgl. dvspp£xi£sv ä-pTYjc Vers-
schluss Dion. XIV 347 XXIV 63 XXXVII 78
Exippöca:?: Ijuv'ov sxippiboac XEtfuXafiasvov air/sva y.oap.o'J I 172 II
Vgl. Arat. Ippwcrsv Phaen. 335 II Porphyr.
Orakel dvappfficat XdXov c[j.g^v 296 IV
Apollinarios.
I“.
dX -p y.- o c: dX^y-xw xpaSwj ßaaiXsu te'ov aivov dsicw Hymn. IX 1 I
dXijx'M xpaSbj cs ptaxap xavuxIpTaTS piXibw Hymn.LXXXV
21 I
aXvjaxoii; dyaOoict asOsv y.axaOupua pE^st CII 9 I
aX^zTot? ßactXvjoc sv suippocuvYjct ^opstioM CIH 74 I
äX^y.xw xpaStyj ßactXsu te'ov aivov asicu CX 1 I
dXvp/.Tco y.paSn) XitÖ|«)V ßaotXijo? cxwxijc CXVHI r t 2 I
äXr ( '/.TM y.paäirj ßactXsu tecv aivov dsiati) CXXXVII 1 I
äXvjy.TU y.paBtyj cs p.ay.äpTaTS spya ßo^cs! CXLIV 21 I
Bei Homer in II. Arsis B 452, in I. bei
Kallimach. Hymn. HI 149 Apollon. Rhod. T 805
Quintus V 107
evöev cp.ou y.ai ExstTa y.at dX^y-Totct y£vs0Xat; XL1V42 IV
aivsTov ouvop.a Osiov ex’ äXtqy.Toia; ysvE’OXat? LXXI 35 IV
Sitzungsber. d. phil.-hist. CI. XCV. ßd. III. Hft. 54
886
Rzach.
aXvjxxo?: x«i trptot [xtofj.ov eStoxev ex’ dXvjy.xottn feveOXr)? LXXVII
148 IV
app: päy.ap ysvou epy.cq in' dXrjxxotai vevsOXato LXXXIX
1 IV
xoüxo pot Ist’ avaxaupa pex’ aX^xxotcri fevsOXat? CXXXI
28 IV
ex YSVE'Ö? '{i'nrp/is. pex’ dX^xxotat '(i'/dika'.c CXLIV45 IV
Hom. crot 8’ dXXvpaöv xe y.ay.ov xe I 636 IV
a x o X X nj | e t a v: xapxav «!toXXvji;eiav dxaaÖaXtYj? üxoovjxat CIII 75 II
oü^ ol axoXXvjljeie Söpcov detpevo? xe xat eü^o? CXI5 II
oüxox’ axoXXvjljeie xeij? üxepv^pevov IopY)c CXXXI
25 II
Hom. o'jxsx’ axoXX^Ijet? x 166 II
xoXüXXtxo?: aOctvaxov ßaaiX^a xoXüXXtxov upvoxoXeuaat Praef.
108 IV bei Ludwich im Herrn. XIII 341
eüepy.xvj ßacrtXiji xoXüXXtxov üpvov xetoto XII 12 IV
XTjv pex’ i'krfidrf) pe xoXüXXtxov Yj'/epoveüotc XXIV
8 IV
vjpexepvjv 8’ üxeSey.xo xoXüXXtxov oüotctv eu/^v XXXIX
2 IV
dvxa 0ecü SivaovSe xoXüXXtxov oioac azoüot LXVH
23 IV
sy. 8’ ’Apaßuv Saßiwv xs xoXüXXtxa Swpa «pepecöw
LXXI 20 IV
oiivopa 8’ au Stcovt xoXüXXtxov e^avasvjvr] CI 41 IV
aOavaxcv peXilaipt xoXüXXtxov, etoöxev epxw CIII
72 IV
aOavdxou 8’ exdXcaxa xoXüXXtxov ouvop.’ avay.xoc
CXIV 7 IV
ei? 8’ eX0o>v ßaatXvjt xoXüXXtxov üpvov deica) CXVII
37 IV
üpviqoti) ßax'.Xvja xoXüXXtxov etooxev epxto CXLV 2 IV
Homer bietet die Form xoXuXXioxov 3e c' ty.dvti)
e 445 IV; Kallimacb. Kapvele xoXüXXtxe Hymn.
IV 316 IV; Nonnos Metab. y.al öebv atxr)0Y]xe
xoXüXXtxov II 97 IV
appopo?: -yivöpevoi • ootpbjc ydp dyxy.Xeo: appopot' eiat XXXI 19 V
Hom. 0 773 IV, Norm. Dion. z. B. I 433 V,
Metab. M 97 V
Studien zur Technik des nachhomerischen heroischen Verses.
837
äppYjXTcx;: app-^y.Tov ßtoToio y.spac y.ai ixEpp.ayoi; aXx.15 XVII 4 I
Hom. N 37 I Nonn. Dion. XXII 258 I
ävapp^ijai;: ü? xots StyOa ÖaXaacav ävappv^a? äye Xaoüq LXXVII
32 IV
Hom. H 461 II, avappr^aip.i os xixpou Nonn.
Dion. XI 268 IV
eppatcöv): Sixtoov sppaiG0r), ^uyojaev S’ axpijxTOV äva-pMjv CXXIII
12 n
Hom. <pacyavov IppaiuOr, II 339 II
axoppaicjEts: Euceßso? o’ äp,a xarta; axoppaiGscs xsXs'jöou II 24 IV
xaixoXEWV xara •yaiav axoppaiGEis y.aprjva CIX 13 IV
Hom. axoppalcat ipt’Xov ^xop x 428 IV
xaxoppaf(v): «psSys xaxoppaipi'iqv, ayaOßv S’ avaipatvso textiov
XXXIII 27 II
^suyE y.ay.oppaotijv, ayaOwv S’ Ejxxä^eo spywv
XXXVI 57 II
sx te xaxoppafivj? oXoüv xaxöxi()TO? Epi'Siov CXL
22 II
avspo? si; oXooto xay-oppaffiiY)? p.£ GaciGot; XVII
106 IV
p.rßs p,sx’ spyaTiVYjoi xaxoppaoiv)? p.s capaEcrrjcXXVII
7 IV
OGGa y.aTEsÖEYcav'o y.axoppaqurjv ocjioto XXX 42 IV
y.ai tsov (bi ßeßptOs xaxoppaspirj Gröp.a Xäßpov
XLIX 39 IV
<xXXa yap ouo’ sxi tolct y.ay.oppa^£r,c eXgiGovto
LXXVII 74 IV
xavtoiY]? avap.Eaxe xay.oppaci’y;? EXortrjpa CII 5 IV
p.YjOS sXs-f/^EGGa XaXOppaqUK) p.S XEOY5G7) CXVIII
i'C 10 IV
Hom. nur in IV y.ay.oppa®6j<; aXsysiv?;:: 0 16
(vgl. ß 236 p. 26), vgl. Nonnos suppafswv Dion.
XXXIV 311 II
Hieher gehört auch das zugehörige Adjectiv
(das sich selbst bei Hom. nicht findet):
y. ay.o p p a <s yj q: p.(op.r ( Tbv ßaGiXvjt y.ay.oppacs^ sxXero guXov XIV 8 IV
y.a'sppEov: xa£ p,oo svöay.ai EVÖa xatsppsov i'yv.a ~z.Cy t q LXXII 3 IV
Hom. y.atappscv sH wtsiXX; ^ 149 IV, vgl.
Nonn. Dion. XIV 242 IV
838
ßz ach.
xsptppsw: ei; ETEpouo’ §rcp6v ys Treptppeet. foitetov uSup CXLIII32 IV
Hom. tov S’ d'.'.sa, xspt'ppse t 388 IV
dtj*6ppoo<;: swöxev eoyaTir;v äiloppiou wxsavoTo Praef. 82 IV bei
Ludwich, Hermes XIII 339.
Homer. Hemistichion 2 399 IV
ßaOüppoot;: djj.pt p.s y.uy.Xwouat ßa06ppoov old xsp üSwp LXXXVII
37 IV
dvitßi'oui; sxdXutpe ßaOuppoov olSp.a Oalaoo^g CV 23 IV
Hom. «I» 8 IV Nonn. Dion. XX 378 IV
suppst^?: y.supia p.E-f’ sSavsYjy.sv suppeto? xoTap.ow CVI 66 IV
Homer. Hemistichion Z 508 IV
yst jjdppooi;: xat ctfeag euppoaiVY)? ayavoc ystp.appoo? a’pSot XXXV
18 V
ola votou TTVoäj cripEOEtai y£tp,dppoo? oävog CXXV 9 V
Hom. N 138 V
sxtppd^io: Syj tot’ extppEijoüat tem ptöayoup orepl ßtojtw L 38 II
Hom. Ewpps^scxov oSaat p 211 IV
£ppJ^(ooe: y£tp osOev waek p5Xa xat sppt^toas yov^a; XLIII 4 IV
Hom. sppt'Cwasv £V£p0£v v 163 IV Nonn. Dion.
XL 425 IV
xat p.£ äf()V£y.£to; asu EVwxaSbv sppti^waai; XL 25 V
ippi^wOev: oupavot sppi'^wÖEV EpY]p.ot:uvr) ßaaiXijos XXXII 11 II
Vgl. Nonn. pap|j,axov lpp!£u)T0 Dion. VII 56 II
f ( C S’ UWO0r ( |/.O5UVT)5!V dy.ap.7ü£0tv Spp(£(l)0EV CXLVIII 11V
Hom. spptyinat Ti 122 V
axoppttlEts: ouxot’ aoroppttbets ptXov xat svrjEa Xaöv XCIV 7 II
(jw$ p.£ te5)<; dirdvsuGEV axoppiipeiai; oiuwiriji; L 21 IV
ob yap kf,g xote Xaov dxoppiTpsisv Srooxijt; XCIII 26 IV
Hom. dxoppüiavTa I 517 IV Nonn. axoppttjisiev
Dion. II 262 IV
£7ctppo0o?: v.g xopot ex, 2twvo? exi'ppoOov ’lapanjXou XIII 15 IV
atsv dXs^TYjp xat sxt'ppoöoi; sxXsu eptsto XVIII 32
(nach Ludwich’s Herstellung des Hymn., Herrn.
XIII 346, Gallandius Vers 30) IV
ouS’ sxtoEuop.svw [j.ot sxippoOog d'XXo; sTiyOv; XXI 21IV
■de xöpot ex Siöivo? sxt'ppo0ov ’lcpavjXou LII 19 IV
S?y0ov!xouXußoxsfpY] ExtppoOov wxaa£p.u0ovCXLVII7IV
staattov p.’ sXdqosv aval; xai ExtppoOo? Sotvj XXIX 17 V
Hom. A 390 IV
Studien zur Technik des nacbliomerischen heroischen Verses.
839
P.
vcapäXVsv cio'ta’/ßlc t’ eviaurol TtapaXvpfouci ßiwvy)<; XXX 23
Metrisch corrupt, ich vermuthe: ev atova^aiq
ßicToio (ßioToq vgl. V. 719) TCapaXvfyoua’ Ivt«uto{,
wenn nicht vielleicht der Vers eine Interpolation
ist. Hilberg, Silbenwägung, p. 12 d<pap Xvfyouci.
Für ^apaX-^Youui ist z. B. homerisches p.£TaXXv;<;avTi
-/o/.o'.o I 157 IV eine Parallele.
•/.ay.o p psy.tr, c: TMtre xaxdppexTV)? epeOei Öebv aiev sövto IX 68 II
ceio y. ao p p s ■/. ~ a ’ xeSaaav 'Cwapxea Oeopov CXVIII
t?' 12 II
7rXei;dp.evoi 7taXdpY)<Ji xaxoppexTol? dOepu-a L VII4IV
Hom. sTcppssssy.ov p 211 IV; vgl. Apoll.
Rhod. xdkbppexTvjGTV otc^Soüc F 595 IV
Ttsp ippatvu : üaijWTrcp y.aöapov p.s xepippaivwv ToXwteüaei; L 13 IV
Hom. eppdoocxat o 354 II Nonn. z. B. ^epip-
palvwv T.~’jya pyjpoü Dion. XXV 317 IV
Gregorios von Nazianz.
P.
iXy.Tsc: y.al Cuvjc xaÖapijs ts xai dXv)xToio TÜ/otp 1 . II 2. 4. 83 IV
Hom. I 636 IV Apollin. z' B. XLIV 42 IV
outjctp popo?: r ( p.eQ’ sxl c/eonflot Sooappopot • ouo’ oXi^ac Tssp II 2. 3.
149 IV *
TiXslov eV •)) to ratpo lOs o u a a p. p, o p o c ai ev ioeüwv 12.9.62IV
Hom. X 458 IV
Iüvvvjto?: ooaovIuvv^tuv^at'veö’üxey. cpapeuvII 1.45.248(Pentam.)II
Hom. v.oa Iuw^tou? X 596 IV
ditoppv;fvupt: xpvjpvou d'jtoppv)l;ac peoctTau; evi xdßßaXe Sivaic II
1. 1. 535 II
auöi? d:roppvjä;ei<; dOpoov exrcpopecei II 1. 34. 144 II
peoaYjfü trr^oavTep drcoppv^wpev d'vaxTa I 1. 2. 25 IV
pv) po-po?ap.<pltexscoiv dicoppvj^e'.eToy-yjacII2. 5. 26 IV
ocppa y.e pv; Opaaoq ocivov diiopp^ijeiev eXef/oc II. 2. 3.
309 IV
w? oTpaPov ex ßacnXvjoc «Topp^a? Ttc aXiTpo? I 1. 7.
70 IV
Hom. Z 507 II Quintus I 697 IV
840
R z a c h.
i-oppo)5: uveupa, tb Sr, 0£3ty;to? dsiolsc isxiv axoppt&l- I 2. 1. 95
VI und I 1. 8. 73 VI (wiederkehrend),
xat Slpoc? ■ to plv 0£sxv)xo^ ä^oppu; I 1. 4. 32 VI
Hom. z. B. t 359 IV
81 appa to>: ij psYstXvjV Gpavpolo SsappatiOevts; äXtoifiv II1.1.189 IV
Hom. Q 355 IV Apollon. S'.appatd)Evxac I’ 702 IV
xaxoppa<p(kj: ojc tSov atouXa spya xaxoppaipt'vjv x’ dXsYecwjv II 1. 17.
43 IV
’ßptsc, ou vdp eyu x^cSs y.ay.oppasiv;? I 2. 29. 142
(Pentam.) V
Hom. 0 16 IV, vgl. Apollinarios z. B. XVII
106 IV
£x ip p o 0 o 5: sici y.aXou, xat pu0ov IwippoOov s-rfjq e^ovxe?12.2. 644 IV
ewippoiro?: toXXoi Y«pxacpolciv svxt'ppoicov vjxop IjptwcvII1.43.91IV
Hom. vjp.lv a!xrj; SXsdpsg ixtppsxc-yj = 99 IV
l'pptva: dvxoXiv) xwipoto, xbv ippiyasi paXioxa II 1. 1. 310 IV
Hom. ocxsporfac. v1eg0at ß 52 IV
dzoppizxü): ysTpcv ctirspptyavxo, Atxvj 3’ lOv.a xxpizvg II 2. 4. 167 II
ou piv ixsppl'liy.c, ouxc 31 /spot olpwv II 1. 50. 30 II
Hom. (Krapp «jiavxa y.sXotpvjv I 517 IV
2 p p £ £ v: aüxäp Ipot oxopxxwv Tpcic Ipp££v rj [iovotJCTxa; II1. 16. 29 IV
Hom. n 110 IV
TCEpippuxs?: uxeovouxdXvrowtvt£ptppuxov. w; Slxäzdvxa 12.1.75IV
Hom. x 173 IV
Eppdicravxo: vouvaxa 3’ Ipptboavxo xat aSpowtr,c XsXdOovxo II 2. 1.
238 II
Homer. Hemistichion 4 3 II
I h .
ippaYvjc ; zlxpvj? äppaylo? yeviTrjg xXvpSa Xa/cvxo; I 2. 1 489 II
Nonn. mtTxto? xppor'iog Metab. A 167 II
xppoxog: xppsxov, dxXorov, «jov, aotStpov. dXXa olptoxE II 2. 2. 7 I
Vgl. toöppcnrec Sib. Orak. IV 85 IV Nonn.
Dion. II 475 IV
0EÖppuxcc: Xptcxou cwxoSsxao 0£cppuxo<; u>? xev x/Jjgxg I 1. 9. 93 IV
Vgl. Nonnos 0£oppuxov opßpcv tdXXwv Metab.
0 10 IV
III 1 ’.
iuXaXo?: vXwtoxv 1/wv ä3dpacrrov luXaXov, vj p.£ xiootac II1. 34. 177
IV Doch ist wohl astXaXov zu schreiben.
i
Studien zur Technik des nachhomerischen heroischen Verses.
841
Eudokia.
I a .
s'XXaßsv: xXX’ ots [Syj] auy.aßac TeXo? eXXaßev, eXXays 0wxov I
306 IV
Hom. 0 371 IV
icoXuXXttoi;: ya£ojj.evoc • Xpioxoc cs koX6XXito? oure catocei II
" 462 IV
Hom. zoXOXXictov os c’ ’.y.ävu) s 445 IV, Kallim.
Kapvsis xoXöXXixs Hymn. IV 316 IV
sp.jj.a0ov: vu'/.t! yap ätpsxwjv T7jo’ s;j.(J.aOcv s-/„ eso zaoav I 210 IV
Hom. aXV fest ouv er, s'pya *»’ sjj.jj.aOsv, ouy.
lOsX-ijcst p 226 IV (vgl. c 362)
y.ay.oppaotv;: ~?,c'. y.zy.oppaoiTjC'.v • eyib y.oupTj? zoOov oüoa II 355 II
Hom. s'posw s'pya ßtsea y.ay.oppacir,e! vooio ß 236
IV, Apollinarios z. B. CXL 22 II
•jjvzsp äy'oc y.assXscs y.ay.sppaoi-jjc üzoO^jj.uv II 210 IV
Hom. y.ay.oppap!r,p dcXsysivijc 0 16 IV Apolli
narios xazoppaotrjc eXaOovre LXXVII 74 IV
P.
sntveuw: xrxpOsvov ouy, sOeXoucav s-ivsucx: ötXänjTt I 20 IV
• Hom. y.paxl zarävsutdv t 490 II
y.azopp oipos y.ay.oppsy.syjc Saipwov • xoy.sso 8’ ap’ sxstvt)<; II
374 II
Hom. Travrsc sirtppe^sozov p 211 IV Apoll.
Rhod. y.ay.oppsy.xY)ctv izrr,oo6c T 595 IV, vgl. auch
Apollinarios xfcrs %axoppäcn)g spsOs: 0sov IX 68 II
IIP.
s X X a/s: aXX’ oxs [er,] Xuy.aßa; xsXo; sXXxßsv, sXXa/s Owyov I
306 V
Hom. Hymn. V 87 IV Theokr. Id. XVI 46 V
IXXctcs: aXXct y’ sjj.<ö ysvsxvjpt 'xswOjJ.svoe, eXX’V avay.xa I 32 V
Apoll. Rhod. sXXrcsv aüpr, B 1032 V
Anekdota Paris, ed. Cramer vol. IV.
In den dem Joannes Geometres zuzuzählenden Gedichten
begegnen zunächst folgende Fälle:
P.
üxsppiyr,: vuv jj.sv zai -oXuottoo: j-sppäyvj j5,.sxox z'.0f,p p.349.6 IV
842
Rzach.
Hdschr. ist dtweppct-pj überliefert, allein es ist
’j7Leppd'fr l herzustellen nach Hom. II 300 xat vaxat,
oöpavo0ev 8’ ap’ ’jxsppäyri äoxexoc «tfi-rjp (vgl. 0 558);
in der gleich zu erwähnenden Stelle p. 335. 28 ist
ÜTisppo'j'Y) in den Anekd. richtig bewahrt.
ix£ppayr/: oi)pav60ev 8’ ap’ üxep’paYv] ex ceo daxexoc ai0y)p p. 335.
28 III
An dieser Stelle hat der Verfasser mit Ver
kennung der über den Gebrauch der Doppel
liquida aus der griechischen Poesie sich ergebenden
Normen ungeschickter Weise in den oben citirten
homerischen Vers ein'!-/, ceo eingeschoben, so dass
die Silbe mit der Doppelliquida in die III. Arsis
gerieth.
Eppss: za: ydpiq ex axop.dxa)v eppee Tp-.aSt p. 317. 27 (Pentam.) IV
Hom. n 110 IV
■/.cd oOövoc ob-/, ihi/cc eppeov ex cxGgotxwv p. 317. 33 (Pent.) IV
Hom. x 343 IV
P.
Stappataxtjp: xxTjp-axa 8’ex<popeouc'. 8tappatcx^pe:; ävxYxr] p. 351.
13 IV
Hom. S'.appalcai p.sp.aMxsc B 473 • IV, vgl.
aA'.ppaiaxvjv x£ cpdxovxa Oppian. Ther. 828 IV
IIP.
i A A a -/ e: oi>81v tluyvjc ßeXxepov oiipavoc eAXaye xijp ar t c p. 310. 25 V
oXßioc ouxo; o yöpoc, 8? ai0epoc; e a a x-/e xpwxa p. 311. 2 V
Vgl. (ausser Hom. Hymn. V 87 IV) Theo-
kritos Idyll. XVI 46 V
Aus den übrigen Gedichten ist zu erwähnen:
IIP.
£ A a :x 3 v : 008’ xSi'xwc eStxaoe Stxvj. v. yäp sXAtxov aTav p. 340. 29 V
Apoll. Rhod. 5~b xveya? IXXtxev aupr, B 1032 IV
Joannes Tzetzes.
P.
eppeov: I0vea 8’ l’ppeov ’IvSöv -/.a: ’Apxßwv p,£Ya0üp.(i>v Posthorn.
252 II
Hom. x 393 IV
Studien zur Technik des nachhomerischen heroischen Verses.
843
II.
v.u-dpp’.q: Necrcwp o’ aü piya? yjss y.aväppt?, YXauy6ip0aXp,O(;
Posthorn. 658 IV
Aemäq, 7.7rXou0p[£ t]3s y.avapptv yXauytoaiv xs Posthorn.
673 IV
p.a■/.pipp:: Xeuxoi;, ro'vOoy.öp.^c, p.aypoppiv, siosi' Xstttöc Posthorn.
374 IV
■JjTot p.£V Up'.j.[j.oc c’jvoopu^ jj.svac v)oe p,axpöppt<;
Posthorn. 363 VI
sinjXii;, suaiyjiqv, Xsoy.bc sy)v, p.ay.pipp’.c Posthorn.
478 VI
Hom. crdijs xata ptvöv T 39 II; vgl. Apollo-
nios AccOpyj euppivtov ts y.ovöiv B 125 II Oppian Syr.
cbv soppivscci yüvscctv Kyneg. IV 357 IV. Die
Stellung der gelängten Silbe in der VI. Arsis
bei [j.r/.psppt; Posthorn. 478, dessen erster Wort-
bestandtheil einen Trochäus repräsentirt, wider
streitet dem oberwähnten Gesetze. Sie ist natür
lich auf Rechnung der kläglichen Verskunst des
Tzetzes zu setzen. Im Verse Posthorn. 363 da
gegen stellt in demselben Worte das erste Glied
einen Pyrrhichius dar, vjBs ij.xy.psppic, so dass hier
keine Störung der Norm vorliegt.
Indem wir die Ergebnisse überblicken, erhalten wir fol
gendes Gesammtbild:
I\
Den homerischen Gedichten unmittelbar entnommene
Fälle von Doppelungen der Liquida im Inlaute:
1. Stämme mit dem Anlaute X.
Xaß: sXXaßsv recipirt von Hesiodos, Hom. Hymn., Ilias mikra,
Minyas, Theokritos, Apollonios, Theodotos, Quintus,
Orphische Argon., Sibyllin. Orakel, Anthologie, Epigr.
ed. Kaibel, Nonnos, Eudokia.
Xt)v: iXXvy/.-cc Ivallimachos, Apollonios, Manethon, Quintus,
Orphische Lithika, Proklos, Anthologie, Apollinarios,
Gregor, von Naz.
844
Rzach.
X r t y: ’AXyjxtü) Orphische Argon., Orphische Hymn.
(xzoXXyjyü) Theokritos, Apollonios, Oppianos Kil., Apolli-
narios.
jj.ExaXXvjyio Horn. Hymn., Apollonios.
Xcx: eXXixdveus Nikandros, Sibyll. Orakel.
sXXwcovxo Oppian. Syr.
sXXwd|j.Y)v Orphische Argon.
toXüXXisto; Hom. Hymn., Orphische Hymn., Proklos’ Hymn.,
Musaios (durch Conjectur).
ffioXüXXiTOs Kallimachos, Manethon, Orphische Hymn., Non
nos, Apollinarios, Eudokia.
xptXX'.cTo? Dionysios Perieg., Anthologie.
X o <p: aXXooo; Anthologie.
2. Stämme mit dem Anlaute jj,.
jj. a 0: Ejj.jj.a09V Eudokia.
jj. & X o ;: ot£Z|j.sXeVax! Manethon, Quintus, Orphische Lithika.
jj. sX {y; : eujj.jj.£X'!y;<; Hesiodos, Apollonios, Oppian. Syr., Quintus,
Orphische Argon., Anthologie, Epigr. ed Kaibel,
Nonnos.
jj. siSdw: ©iXojj.jj.siSYfe Hesiodos, Hom. Hymn., Ilias mikra, Orphi
sche Hymn., Anthologie, Nonnos.
|j.op: 8iajj.jj.otpv)8d Apollonios.
dp.jj.opoi; Hom. Hymn., Quintus, Orphische Argon., Nonnos,
Musaios, Christodoros, Apollinarios.
Suodjj.jj.opoi; Apollonios, Quintus, Gregor, von Naz.
3. Stämme mit dem Anlaute v.
v£<p: dvvepsXc; Aratos, Dionysios Perieg., Quintus, Anthologie,
Nonnos, Paulos Silent., Joannes von Gaza,
ve: euvvyjxo; Manethon, Orphische Argon., Gregor, von Naz.
v t <p: ayduviooc Hom. Hymn.
4. Stämme mit dem Anlaute p.
p a y: Epprjcja eppdyr; u. ä. Apollonios, Parthenios, Anthol., Anekd. Par.
xpprp/.zo: Hesiod., Theokrit., Incert. Idyll., Apollonios, Mane
thon, Oppian. Kil., Quintus, Orphische Argon., Orphi
sche Lithika, Orph. Hymn., Sibyll. Orakel, Orakel des
Porphyr., Anthologie, Epigr. ed Kaibel, Nonnos, Tri-
phiodoros, Christodoros, Apollinarios.
Studien zur Technik des nachhomerischen heroischen Verses.
845
pay: avappv'vu;j.t (und Deriv.) Theokrit, Aratos, Apollonios, Ni-
kandros, Gigantomachie, Quintus, Anthologie, Nonnos,
Apollinarios.
axoppvfyvu[/,t (und Deriv.) Theognis, Gigantomachie, Oppian.
Syr., Oppian. Kil., Quintus, Sibyll. Orakel, Epigr. ed.
Kaibel, Gregor, v. Naz.
axopptoi; Aratos, Kallimachos, Apollonios, Nikandros, Quintus,
Orphische Argon., Orpli. Fragm., Anthologie, Paulos
Silentiar., Gregor, v. Naz.
pa!w: ippaiGdr, Apollonios, Manethon, Anthologie, Apollinarios.
dwroppai'w Hesiodos, Empedokles, Quintus, Apollinarios.
Siappaiw Apollonios, Oppian. Kil., Markellos Sideta,
Quintus, Orph. Argon., Nonnos, Gregor, von Naz.
p a t v (i): eppava Anthologie.
pax: suppaor,; Dionysios Perieg., Anthologie, Nonnos.
■/.av.oppaai-q Theodotos, Apollinarios (zazoppaipijq), Gregor, von
Naz., Eudokia.
p e (urspr. Fep, Fps): appv]To; Hesiod., Timon, Aratos, Apollonios,
Manethon, Oppianos Syr., Orph. Argon., Orph. Hymn.,
Proldos, Porphyrios’ Orakel, Anthologie, Epigr. ed. Kaibel,
Nonnos, Christodoros, Joannes von Gaza.
pey: t'ppscav Anthologie.
sxippsijo Theokritos, Anthologie, Apollinarios.
avexipps/xo? Hesiodos.
p sx: Ixippsxa) Theognis, Maximos (durch Conjectur), Oppian. Kil.,
Gregor, von Naz. (exippoxo?).
Xpuaoppaxi? Horn. Hymn., Orph. Argon., Orph. Lith., Nonnos,
Musaios, Christodoros.
TisptppYjä^?: (W. FpaS?) Apollonios.
pr;v: xoX6ppv)v (xokupp-^vop) Plesiod., Naupaktia, Aristeas, Aischylos,
Incert. Idyll., Apollonios, Dionys. Perieg., Quintus,
Orph. Argon., Anthologie.
sx'.pp^cc«: Aratos, Maximos, Oppian. Kil., Nonnos.
p t y: Sppiya Kleanthes, Apollonios, Rhianos, Oppian. Syr., Quintus,
Nonnos, Gregor, von Naz.
pti^a: (und Deriv.) Ipp^was u. ä. Kallimachos, Apollonios, Nume-
nios, Dionysios Perieg., Oppian. Syr., Oppian. Kil.,
Quintus, Orph. Argon., Epigr. ed. Kaibel, Nonnos,
Paulos Silent., Joannes von Gaza, Apollinarios.
846
Rzach.
pt£oc: (und Deriv.) xpopp'Ioq Gigantomachie, Anthologie,
p i~: Ippt^e u. ä. Oppian. Syr., Sibyll. Orak., Orakel ed.
Hendess, Anthologie, Nonnos.
avappfiTOo u. dgl. Sibyll. Orak., Anthologie.
ÖKopptCTW Resiod., Apollon., Quintus, Anthologie, Nonnos,
Kolluthos, Paulos Silent., Joannes von Gaza, Apolli-
narios, Gregor von Naz.
eztpsi—w Qnintus, Anthologie.
ps©: sra'ppoOoc Hesiod., Apollonios, Quintus, Orph. Argon, (ewppo-
0£w), Anthologie, Apollinarios, Gregor von Naz.
TOtXippoOto«; Aratos, Anthologie.
poißSo?: ävappsißäsw Joannes von Gaza,
pu: eppiovvo Nonnos.
pu(apu): ippss Hesiod., Timon, Theokrit., Kallimach., Apollon.,
Quintus, Anthologie, Nonnos, Triphiodoros, Musaios,
Gregor von Naz., Anekd. Par. ed. Cramer, Tzetzes.
imppiio Theokrit., Apollonios (smppcnQ, Dionys. Perieg.,
Nonnos, Triphiod.
xazappiia Theokrit., Bion, Kallimach., Dionys. Perieg.,
Oppian. Kil., Quintus, Nonnos, Triphiod. Apollinarios.
Ttäp'.ppeto Oppian. Kil., Apollinarios.
i-fäppocc Hom. Hymn., Dionys. Perieg., Quintus, Anthol.,
Musaios.
zy.xXdtppoog Orph. Argon.
cbwtAappemqc Orph. Argon.
i'i/ippoog Hesiod., Apollinarios.
ßaOüppoo; Dionys. Perieg., Quintus, Orph. Hymn., Sibyll.
Orak., Nonnos, Apollinar.
ßaO'jpps’TTji: Hesiod.
ßaOuppsicov Apollonios.
süppssq Aratos, Apollon., Quintus, Anthol., Epigr. ed. Kaibel.
eupp£V)5 Danais, Apollinarios.
euppcforje Hesiod., Dionys. Perieg., Oppian. Syr., Quintus,
Orph. Argon., Orakel ed. Hendess, Anthol., Nonnos.
suppsuov Christodoros.
y.oikXippooc Hesiod., Hom. Hymn., Dionys. Perieg., Quin
tus, Orph. Fragm., Anthol.
xeplppura; Hesiod. Euphorion, Epigr. ed. Kaibel, Paulos
Silent., Joannes Gaz. Gregor, von Naz.,
Studien zur Technik des nachhomerischen heroischen Verses.
847
i u (<jpu): zj.i[j.xpps:; Apollinarios.
ipptiovro u. ä. Hesiod., Hom. Hymn., Quintus, Orph.
Argon., Nonnos, Gregor von Naz.
sTisppwov-o u. ä. Hesiod., Apollonios, Anthol., Nonnos,
Kolluthos.
Im Ganzen 30 Stämme mit 72 verschiedenen Wörtern.
P.
Die inlautende Doppelung findet sich zwar bei Homer
bei denselben Stämmen, doch ist der erste Wortbestandtheil
ein anderer.
1. Bei Stämmen mit dem Anlaute X.
Ar,y: =XXr ( cs Anthol.
xapäXvjvu Apollinarios.
Xct: oXXtcroi; Euphorion.
äXXtiavsuToc Anthol.
2. Bei Stämmen mit dem Anlaute p..
;j. £ X o c: 5wcTäp.£XsVon' Aratos.
jxoipoc: dni|xoipä<70at Pseudophokylidea.
3. Bei Stämmen mit dem Anlaute v.
v s 6 o>: £7ctVcu(o Eudokia.
4. Bei Stämmen mit dem Anlaute p.
pay: xppzyrjc: Dionys. Perieg., Anthol., Nonnos, Paulos Silent.,
Gregor von Naz.
xA'.ppx'ri-c Anthol.
x/J.pprp/r.zc Anthol.
Stappiyj-v’jjM Theognis, Orph. Hymn., Anthol., Nonnos, Tri-
phiodor., Joannes von Gaza.
B'.stppw; Oppianos Kil.
£^ippr ( yv'jp.t Quintus, Nonnos.
(Xeffoppa^c Oppianos Kil.
zepippijyvujx! Quintus.
~sp'.ppx-rf,c Paul. Silent.
KoSopporpAnthol.
-cX'jppayr,; Nikandros.
o’.Xoppo); Anthol.
y_p’jczppxfr t c Kallimach.
848
Rzach.
p a y: (iuy w oppayswv Apollonios.
ßaOüppor/jj.ot; Quintus.
p a i o): aXtppai'oTK]? Nikandros.
ßooppattrojs Triphiodor.
Swppator^p Anekd. Par. ed. Cramer.
XuxoppafaxY)? Anthol.
xoXuppai'cxY]? Oppianos Kil.
p a {v (o: appavTcc Aratos.
dXippanog Anthol.
axoppatoü) Oppianos Kil.
sxtppaivto Theokr., Triphiodor.
p,upoppavTo? Anthol.
xepippatvw Nonnos, Apollinarios.
pdxxw: äppafog Nonnos.
Siy.oppacfiv; Manethon.
§oXoppa<pvfe Oppianos Kil., Anthol. (SoXoppaipw]), Nonnos.
Iveppdiparo Epigr. ed. Kaibel.
exeppacpsv (imppMag) Nonnos.
Xivoppacpifc Nonnos.
IMTOppatp-ijg Anthol.
xoXuppafi^ Nonnos, Joannes Gaz.
xoXüppaxros Incert. Idyll.
p s (Fep): a.Ksppr-.oc Anonym, xepi ßoxocv., Orakel des Porphyr.
0£Öppv)Toc Anthol., Nonnos, Joannes von Gaza.
öp.&ppri'zog Nonnos.
Siapp^Svjv Hom. Hymn.
sxtppY^OYjv Aratos, Apollonios.
p e y : äxoppei^w Anthol.
y.axappe^w Kallimach., Apollonios, Oppianos Kil.
■/.azoppsy.TV)? Apollonios, Apollinarios, Eudokia; y.azoppsxrapa
Sibyll. Orakel,
pex: sippaxt? Nonnos.
ävrippoxo? Epigr. ed. Kaibel, Nonnos.
appoxop Gregor, von Naz.
Ixspoppoxo? Rhianos.
icoppexvfe resp. icoppoxo? Nikandros, Eudemos (Ther.), Ano-
nymos xspt ßcxäv., Manethon, Sibyll. Orakel, Anthol.,
Nonnos, Joannes von Gaza; EccppoxEyj Orph. Hymn.
zaxappex^c Kallimach., Apollon., Oppianos Kil.
Studien zur Technik des nachhomerischen heroischen Verses.
849
pYjv: appvjv/jc Incert. Idyll.
eippyjvoi; Apollon., Anthol.
p t y : appiypioc Anthol.
pt'£a (und Deriv.): ecvsppfijöas Nonnos.
svsppfi^wffs Nonnos.
£7cspp(?(i)(je Nonnos.
[AETEppi^was Nonnos.
ßaG6ppi'£o<; Apollon., Quintus, Anthol.
EÜpuppt^oc Nikandros.
t«vüppi^o? Hesiod.
piu: XÄT0£ppt7UT£ü) Manethon.
TCapapptxtw Anthol.
liepippfetw Quintus.
psQ: aXippoGo? Moschos, äXippiOio? Orph. Argon., Orph. Hymn.,
Anthol., Paulos Silent.
op.oppoöo? Theokrit., (op.oppoGsto) Orph. Argon., (op.oppoGtoq)
Anthol.
icoXuppoOioi; Quintus.
poißBoi;: sppoi'ßoyjcs Nonnos.
äz£ppoißSY)c£ Nonnos.
TiaXi'ppotßoop Oppianos Kil.
icoXuppoißSvjTOi; Anthol.
pu(opu): onroppEco Theokrit., Nikandr., Manethon, Andromachos
(Ther.), Quintus.
Siappstü Oppianos Kil.
s^eppss Quintus.
cuv£ppEEV Nonnos, Paulos Silent.
wsppss Quintus.
ä.'f/Jppooq Apollonios.
mpoppooq Nikandros (aiij.oppötc, ders.).
ctXi'ppUTO? Anthol.
dp.st'ppuTO^ Hesiod.
aiuoppov^ Empedokh, Manethon, Orph. Lith.
etTOppuxo? Plesiod., Nonnos.
auTÖppuTO? Anthol.
sXiy.6ppoo? Orakel ed. Hendess.
iitfppuro? Paulos Silent., Joannes von Gaza.
Gsoppuxo? Oppianos Kil., Nonnos, Gregor, von Naz.
'/.■y.zdpp'jzoc Dionys. Perieg., Nonnos.
i
850
Rzach.
p u (apu): •/.Xstln'ppuTO? Kallimachos.
[j.sAtppuTO? Nonnos.
vsoppuToq Anthol., Nonnos.
xaXippsta Oppianos Kil.
xoXippoop Orakel ed. Hendess.
XYjyoppuTO? Orph. Hymn.
OT-atpippuTo; Paulos Silent,
xponoppuioc Oppianos Syr.
•/p’jGÖppj'o: Paulos Silent.
ävappc&cacGai Orph. Argon,
auveppiiovto Nonnos.
xoBoppupr; Kallimachos.
Im Ganzen 19 Stämme mit 104 verschiedenen Wörtern.
II.-
Doppelte Liquida steht im Inlaute eines Compositums,
während bei Homer nur vor dem Anlaute des zweiten Wort
gliedes Längung begegnet.
1. Stämme mit dem Anlaute X.
Xstßw: axoXsißw Hesiod.
emXXe(ßü) Apollonios.
XiOo?: xoXüXXtOoi; Anthol.
X o) t 6 :: p.sX!XXo)Toc Nikandros.
2. Stämme mit dem Anlaute p..
p. d p xt ü): 7.a~x\j.äpbac Theognis.
pevo?: eüp.sv£Tr ( c Epigr. ed. Kaibel.
3. Stämme mit dem Anlaute v
gehören keine in diese Gruppe.
4. Stämme mit dem Anlaute p.
piv: süpptv Apollonios, Alexander Ephes., Oppian. Syr.; euppivop
(mit guter Nase) Oppian. Syr.
/.xTappts Tzetzes.
p.ay.pcpp!c Tzetzes.
Tavippivo? (mit vorgestreckter Nase) Nonnos.
p t v o: (Haut) äjppivo; Apollonios.
XtOippivocHom. Hymn. (durch Conjectur), Empedokl.
Xixöppivo? Nikandr., Nonnos.
xoXüppivo? Apollonios.
Studien zur Technik des nachhomerischen heroischen Verses.
851
poT£o?: eppoü'rjcre Oppian. Kil., AnthoL, Nonnos.
dveppoi'^cav Nonnos.
Stsppo^vjas Nonnos.
Ixtppoi^ew Aratos, Quintus, Nonnos.
XOTsppofi^ce Nonnos.
aXippoi^o? Nonnos.
iroXippot^o? Quintus.
■va'/'jppc.'Ccq Oppian. Syr.
h o y 0 s o): dvappoyO^w Orph. Argon.
puTt: appuxtro? Nikandros.
aTOppüzTeoOat Empedokl., Andromachos (Ther.), Orph. Argon.
(durch Conjectur).
tcptppuTOq Krates.
p o t ($: äppuTiäwto«; Anthol.
Im Ganzen 11 Stämme mit 27 verschiedenen Wörtern.
IIP 1 und b .
Die Doppelung der Liquida erfolgt im Inlaute bei Stämmen,
die bei Homer'weder Längung im Anlaute, noch auch im In
laute Doppelsetzung der Liquida aufweisen.
1. Stämme mit anlautendem X.
X a 0 : IXXaOe Theodotos.
XaXo: siXaXo? Gregor, von Naz.(?)
Xay: eXXaye Hom. Hymn., Linos, Theokrit., Incert. Idyll., Kalli-
machos, Apollonios, Dorotheos, Alexandros Ephes., Bassa-
rika, Philon, Philetas, Dionys. Perieg., Oppianos Syr.,
Oppianos Kil., Quintus, Sibyllin. Ox-akel, Anthologie,
Epigr. ed. Kaibel, Nonnos, Kolluthos, Eudokia, Anek-
dota Paris.
X £ : ’Ap.ipüoYtat Plesiod.
avaXXs^a? Nonnos (Metab.).
extXe^wai Manethon.
Xitc: eXXwre Kallimach. ? Apollonios, Parthenios (durch Con
jectur), Anthologie, Epigr. ed. Kaibel, Nonnos, Eudokia,
Anekd. Par.
ivsXXtxe A.pollonios.
Xy : TOpiXi/iravo Incert. Idyll.
X o u : VcoXXouto? Hom. Hymn.
X ü ’C ox: s7uXX6^w Nikandros.
Sitzungsber. d. phil.-liist. CI. XCV. Bd. III. Hft.
ö5
852
Rzacli.
X u •/. o : p.ov5Xux.o<; Aratos.
Xu: IXXuovto Sibyllin. Orakel.
öXXuto? Oppian. Kil., Anthologie.
2. Stämme mit dem Anlaute p„
p.-r]8: «piXopp/niSife Hesiod. (durch eine etymologische Spielerei
veranlasst).
pv) X o : TOXugrjXo? Orak. Sibyll.
p.uw: iv’ij.’jüj Incert. Idyll., Oppian. Syr., Oppian. Kil.
3. Stämme mit dem Anlaute v
linden sich in dieser Gruppe keine.
4. Stämme mit dem Anlaute p.
p 7.0 y. v c c: vcXuppaOavcc Oppian. Syr., Oppian. Kil.
cuvsppaÖäyYjasv Nikandros.
paöap,ifl;: suppaöip.iy^ Nonnos.
p.cXippaOap.iY? Nonnos.
TOXuppaöäpuY^ Nonnos, Joann. Gaz.
p d/o? (pv)X°?) : siippiQX 0 ? Nikandros.
pi7ct£w: eppiTci^e Nonnos.
ävsppfxi^e Nonnos, Joann. Gaz.
sTOpptxt'Cs Nonnos, Joann. Gaz.
gexepptra^ov Nonnos.
puöpio: s6ppu0p.op Manethon.
|A£Tappu0pi^ü) Anthologie.
pwOwv: otXoppwOwv Anthologie,
p d> v v u p. t: sppoxiev Aratos.
appwaxoc Anthol.
avappßaat Porphyr. Orakel,
srappoira? Joann. Gaz.
Im Ganzen 20 Stämme mit 34 verschiedenen Wörtern mit
bei Homer nicht vorhandener Längung. Auf diesem Gebiete
finden wir die meisten Neubildungen bei Nonnos; von älteren
Dichtern sind (ausser den Ilom. Hymnen) besonders Aratos,
Nikandros und Manethon nebst den beiden Oppianen zu
nennen. Dagegen tritt Apollonios merklich zurück, und sein
Nachahmer Quintus, der doch auch zahlreiche Fälle bei den
Längungen vor Liquiden im Anlaute neu einführt, ist diesmal
mit keiner einzigen Neubildung betheiligt.
Studien zur Technik des nachhomerisclien heroischen Verses.
853
B. Doppelte Liquida im Inlaute in der Thesis.
Die Zahl der unter diese Gruppe einzubeziehenden Fälle
ist eine verhältnissmässig nicht bedeutende. Gewisse Wort
stämme zeigen sich besonders fähig die Doppelung der Liquida
im Inlaute auch in der Thesis festzuhalten, während sonst in
diesem Falle der einfache Consonant erscheint, z. B. bei Homer
sppe?e I 536 in der 2. Thesis, aber s'f>s|e B 400 in 2. Thesis.
Wie früher auseinander gesetzt ward, kann nur bei einer ge
wissen rhythmischen Form der Zusammensetzung (wenn das
erste Wortglied einsilbig, oder aber ein Pyrrhichius, Trochäus
oder Amphibrachys ist) die Längung in der Thesis erscheinen.
Besonders zahlreich treten die augmentirten Verbalformen hervor.
Auch hier können wir die Beobachtung machen, dass die ein
zelnen Dichter zunächst an Homer anknüpfen und die homeri
schen Muster annehmen, dann aber selbständig neue Gebilde
einführen. Wir werden hauptsächlich drei Gruppen von Fällen
unterscheiden können: 1. Homerische Bildungen 2. anderen Voi’-
gängern entnommene, 3. selbständig geschaffene Gebilde. Die
archaischen Dichtungen (Hesiodos, Homer. Hymnen, Batracho-
myomachie) halten sich streng an Homer, die Neuschöpfungen
beginnen mit den Alexandrinern, vor allem mit Apollonios.
Hesiodos.
Homerische Fälle:
eppyj^e: our’gpp-^e ßaXwv oup eOXace, 0aupa iSeaSat A. 140 l.Thes.
ou8’ eppy]?£v yaXy.cv ■ spuro 8s Soipa Oeoto A. 415 1. Thes.
(wohl interpolirt)
Hom. ouo’ sppyj^ev yct/.y.cv T 348 u. s. 1. Thes.
Die Stellung der betreffenden Silbe in der 1. Thes.
ist also homerische Reminiscenz.
Epputs: EGdupivto; vjp.vjce, xdX:v 3’ eppi^e cpEpscrGai Th. 181 4. Thes.
Hom. Xaßfov Eppiiie 06po£s p 254 4. Thes.
Homerische Hymnen.
Homerische Fälle:
sppttyev: cävSaXa 8’ am sppuliev exi (Wp.a0oi? dcXbjtnv III 79
2. Thes. (Conjectur Schneidewins).
Hom. aaatpav sxeit’ E’ppi'is 'C 115 2. Thes.
55*
854
Bz ach.
Bedenklich ist der Vers
v.od t’ Ippucato \aov iövTa te vicaop.svov ts XI 4 1. Thes.
Die erste Silbe von sppbaaxo steht hier in
der 1. Tlies., wogegen dies bei demselben Worte
in den homer. Gedichten nur in der 3. Thes.
der Fall ist (0 290 Y 194 a 6). Der Vers ist
jedoch zweifelsohne eine Interpolation, denn er
steht mit den vorausgehenden drei Versen des
Hymnus in keinem Zusammenhang, zudem wäre
die Satzconstruction und Satzverbindung eine
ganz wunderliche.
Batrachomyomaehie.
Homerische F ä 1 le.
eppr ( ijs: oho Eppr,i;£ caxoc, cyiio o’ aircou coupo? cbuoy.v] 254 1. Thes.
Hom. ouo’ eppv;^EV yaXy.cv 1’ 348 1. Thes.
spptita?: ei? uowp p.’ I'ppiijia?. i/v. Osb? Iy.oiy.ov op.p.a 97 2. Thes.
Hom. ojc eittuv EppctEv ax’ oupavoü T 130 2. Thes.
Timon.
Offenbar unrichtig überliefert:
o? pa Aitovöaou äppu9p.ox6-tac ezezoxte 63 3. Thes.
Ich schlage vor zu schreiben: Aiwvügoio apoOp-oxsTa?. Der
Hiatus ist durch die trochäische Cäsur entschuldigt.
Theokritos.
Homerische Fälle.
e!jeppY)i;s: ’Ivu o’ s<;spp7j<;s guv wp.oxhäira p,sYav wp.ov Id. XXI
22 2. Thes.
Hom. vsupv o’ £§Epp^?Ev 0 469 2. Thes.
Eppt^av: e? xotXvjv spputav, avsppvjijav S’ apa -ofyou? Id. XX 12
2. Thes.
Hom. oaaov ti? t’ sppujjs •/. 485 2. Thes.
Ineertorum Idyllia.
Neue Bildung.
sppsocrs: p.iXwv oby. Ippsoas y.aX'ov ybd-p?, ob piXi atpßXuv I 33
2. Thes.
Studien zur Technik des nachhomerischen heroischen Verses.
855
Kallimachos.
Homerische Fälle.
xpi'XXtaxos: iXaöf p.oi xpt'XXtoxs |*4ya y.pslo'aa Osectov Hymn. VI
139 2. Thes.
Hom. anxcaafv) xptXXioxoi; ETnjXuOs vui; spEßsvvv)
0 488 2. Thes.
appkjto?: emvetuec;. r) o’ appvjxov «Xu)? avETOciaaxo Xuyp% IV 205
2. Thes.
So lese ich mit Schneider (Callim. I 208).
Hom. oxcsp x’ appYjxov ap,sivov E; 466 4. Thes.
Apollonios Rhodios.
Homerische Fälle.
aXX'rjy.To:: sy. xopo^ij? aXX'^y.xov. 5I»]<jovfo)V o’ sv£ro>uaiv A 1148
2. Thes.
vurcl o’ sireix’ äXXvjy.xov siuTxpöxspwije 04ovre$ B 940
2. Thes.
Hom. p.ijva 3s mzvx’ äXX^y.xo? av) Noxo?, ouoe xtq
aXXoc p. 325 2. Thes.
Apollonios lässt die erste Silbe von äXXrp/.xo?
auch in 4. Thes. zu:
Xaixpa ßtrjuapsvoc avspou aXXyjyxov twvjv A 1299 4. Thes.
eppe^ev: tspa x' sü sppsijsv sv oüpsciv aaxspt y.sivu B 523 2. Thes.
XOV (JLEV ETXSlx’ EppsijsV £«1? 'J7Lo0Y)p,OojVY)OtV B 1146 2. Thes.
Hom. oh) 3’ oüy. sppEijs Ato? y.oipr) p-syceXoto I 536
2. Thes., ebenso K 49.
Neue Bildungen.
eXX7)Pav: dWsxos, ou 3’ sXXY)i;av sraoxaobv ouxä^ovxs? B 84 2. Thes.
Ausgegangen ist der Dichter bei dieser Neu
bildung offenbar von aXXvjy.xoc, das bei Homer
die erste Silbe in 2. Thesis zeigt (p. 325); hiezu
kam noch, dass er im archaischen Epos auch
sppycsv F 348 1. Thes. und iSJppr^sv 0 469
2. Thes. vorfand, so dass er auch bei sXX^av
Doppelung der Liquida nach dem Augmente
sich gestatten konnte, obzwar die Silbe in die
Senkung kam.
856
R z a c h.
äppg-xiog: äXX’ äppY]xiog a-x.ap.OTOg ecüoeio veioöt fatrjg A 63 1. Thes.
Die Anlehnung' an das homerische oüS’ eppij^ev
yaXy.ov F 348 1. Thes. ist nicht zu verkennen.
yaXxeog -gS’ appg-xiog ■ bxal oe oi Ixnts tevoviog Ä 1646
2. Thes.
Eine Parallele bietet das homerische veupgv
3’ elgeppigige 0 469 2. Thes.
Äp,g>ippwi;: xeipag ä;j.o:ppco-gag depid^ovTEg eßaXXov A 995 2. Thes.
Bei Homer die betreffende Silbe des einzigen
derartigen Compositums (draopchg) nur in der II.
(axial aOTppöys? v 98) oder VI. Hebung.
eppatoav: ohc o!ov obv i^otv eobg eppatoav axoiiag A 617 4. Thes.
Homer nur eppataög II 339 in II. Arsis.
Nikandros.
Homerische Fälle.
= g e p p -g g e : op.©aXbv eceop-gge. -/er) o’ tnuepa/Oea gcpiov Ther. 342
2. Thes.
Hom. veopgv S’ egeopgge veooipoipov 0 469 2. Thes.
Manethon.
Homerische Fälle.
äXXrjXTog: eg -fgpag, nevcr) Se y.ay.-g aXXgy.ia poysbotv IH 2064. Thes.
Hom. p.rjva oe racvi aXXtgy.iog d-g Noiog p. 325
2. Thes. Apoll. Rhod. äXXgxiov iwgv A 1299
4. Thes.
dppgiog: icb og i6v§e je p.56ov lycov app-giov ixcut VI 737 4. Thes.
Hom. -xa£ v. lieg nposgxsv o orep i dppgiov
ap-etvov g 466 4. Thes.
£ p p £ E £: p-gtSioK eppeige, p.tvuv6äStöv ie /povototv I 248 2. Thes.
aXXoiptwv sppeEe y.al dciepp.oug 0eio is-xvtov II 185 2. Thes.
Hom. I 536 K 49 2. Thes.
Sonstige Nachahmung.
Eppatcev: näp/üav vgrad/oic, y.X-gpöv i’ eppatoev äüncog III 28
4. Thes.
cop.oioy.otg tbStot yovgv fppaisav onraaav VI 245 4. Thes.
Apollon. Rhod. oby. olov, obv -rgotv eobg eppatoav
dy.otiag A 617 4. Thes.
Stadien zur Technik des nachhomerischen heroischen Verses.
857
Oppianos Syros.
Homerische Fälle.
epptd>sv: y.ai peXeWt rap,ev, vez.ua? 3’ epptdev Ipa£s Kyneg. IV 281
4. Thes.
Ilom. Xaßwv eppide Qupaile p. 254 4. Thes.
Neue Bildungen.
auTÖppez-co;: ßevÖeaiv auToppey.xa fiei y.ai ap^-topa ©OXa Kyneg. II
567 2. Thes.
Zum Muster nahm sich Oppianos offenbar
das hom. oh] 3’ oiix. eppeqe I 536 2. Thes.
vgl. K 49.
xpcppiqog: ©oivtxwv TCpoppti^a xaxa yOsvb? eije-avuccev Kyneg. II
534 2. Thes.
Hom. hat 'xpoppi&q mit der ersten Silbe in
1. Arsis A 157 S 415.
Oppianos Kilix.
Homerische Fälle.
eppTjljav: wteiXrjV sppv)?av, ä-oiriüsu!;'. 3’ axwx^v Hai. III. 137
2. Thes.
Hom. veupvjv 3’ i:ippr,qs 0 469 in 2. Thes.
(vgl. ouo’ Ippr^iv) yaXxov V 348 in 1. Thes.).
eppcde: xavra? öp.wc r { Xaav eXü)v epptde xaO’ uowp Hai. III 264
4. Thes.
Hom. Xaßwv epptde 66pa£e p. 254 4. Thes.
Nichthomerisch.
aütoppexxo?: tizTerat auxoreXecna xat ab-tcppex-ta ylveOXa Hai. I
763 4. Thes.
Vgl. Oppian. Syr. Kyneg. II 567 in 2. Thes.,
nach dem Muster des hom. sppebe in Thesi I
536 K 49 2. Thes.-
y.'j-:pp i'Ccc: cpötov, aiivoppt^ov, ay.ayp.evov oiw atS^pou Hai. II
465 2. Thes.
Vgl. Oppian. Syr. Kyneg. II 534 ©oivtxwv
xpoppt'£a in 2. Thes.
858
Rz a ch.
•/.sXaivoptvo?: 0yjpa y„eXaivöpivov uxepßtov a/Goc ävayy.Yj Hai. V
18 2. Thes.
Bei Homer findet sich überhaupt kein Com
positum von diesem Stamme. Das erste
sicher bezeugte bietet Empedokles XiOoppi'vuv
xe -/eXwvwv 301 in IV. Arsis (Homer. Hymn.
III 48 ist laOoppJvoto Conjectur von Pierson).
Andromachos Theriaka.
Ohne Vorbild.
Corrupt ist offenbar:
a\y.6ppoog, xot'w Sap.vapivYj TOp.axt 18 1. Thes.
Das Wort steht an dieser Stelle in der Be
deutung ,Giftschlange'. In 1. Thesis darf ohne
directe homerische Nachahmung die Silbe vor
der Doppelliquida nie stehen, es ist daher zu
emendiren alpipooi;, vgl. Maximos 198 alp.opixötuiv
und besonders Nikandros Ther. 321 aip-opcco 321
aIp.öpooi 318 alp.opoi't; 315; ausserdem Philon
Antidot. Xüyya xe y.otl zaxäpouv 10 (Bussemaker).
Quintus Smyrnaeus.
Homerische Fälle.
aXXr,y.xoc: Mupp.iäövsc 3’ aXXr;y.xov dtveoxevd^ovx’ ’A/iXrja III 422
2. Thes.
p.upop.svwv aXXyjy.xov äxapßsa ü-rjXslwva III 513 2. Thes.
o<|ie ixep 1 oi 3’ aXAnjxxov ob’ epzeop aircetvolo VII 144
2. Thes.
<i)C pap.svvji; aXXrp/.xa xaxa ßXeoapouv ejfuvxo (Say.poa)
XIV 302 2. Thes.
’Apyctoi 3’ aXXrjy.xov evt tppeo-t y.ay/aXiwvxsp XIV 403
2. Thes.
xoXuppot^wv ävspiwv äXAyjxxov !w/)v I 156 4. Thes.
y.at poop AiofjTOto . yöo? 3’ aXXvjy.xo? opoipst II 606
4. Thes.
3s!3te ~;ap 3rj Zy)voc aSrjv aXXvp/.xov IvMnjv III 662
4. Thes.
Studien zur Technik des nachhomerischen heroischen Verses.
859
«XXvjy.xoi;: &6evev, äXX’ axavsuGs Gswv ä'XXv)y.xov lovxwv III 132
4. Thes.
au|j,e>£p£'c’ äXjeai paXXov, Iy_et o’ deXXvjxtov otipiv XIV
431 4. Thes.
Hom. pvjva oe xdvx’ aWrp.toq arj Noxo<; p 325
2. Thes.; für die 4. Thes. lag für Quintus das
Muster bei Apollonios vor: Xatxpa ßwjaajj.evoi avlpou
dD.XTjy.Tov twvjv A 1299, welchen Vers er direct
nachahmt I 156.
’i p p v) <; £: ßpu/oplvv) aXe^eivä • ßtvj 3’ l'p ptr) S; e xoXwvvjv XIV 484 4. Thes.
Hom. T 348 H 259 P 44 in 1. Thes., i&ppfc
0 469 in 2. Thes.
sppitts: aayaXcwv 3’ sppttie ßeXoc • xc 3’ dp’ x!tj/a xtouoai III 86
2. Thes.
Hom. ooatpav Ixetx’ sppttis c 115 2. Thes.
Nach anderweitigem Vor bilde.
äppY)5tTo?: y.at -pdp t’ vjXtßaxov xsxprjv dppvjxxov eoucav V 243
4. Thes.
Das Muster hiefür bot Apoll. Rhod., dem
Quintus so viel’ nachgebildet hat: /d\-/.eoc f ( 3’
appvjy.io? • öxal ce ot ecv.e xevovxoc A 1646 2. Thes.
Orphika.
1. Argonautika.
Homerische Fälle.
appr,xo?: evGa y.at opyta tppr/.xa Gswv, dppvjxa ßpoxoloiv 469 4. Thes.
Hom. y.at xt exo? xpoe^y.ev oxsp x’ äppvjxov apstvov
? 466 4. Thes.
üppige: xapGevfyv eppttls, ydpwv *’ sü^vopa Gecpov 888 2. Thes.
Hom. «palpav sxetx’ spptthe £ 115 2. Thes.
Nach anderem Muster.
xpoppt^o;: yat p’ a’t psv xpcppt^ot Ix’ aöXtov sppwovxo 437 2. Thes.
Vgl. Oppian. Syr. <potv(y.wv xpoppt^a Kyneg.
II 534 2. Thes.
860
lizach.
Ganz entfällt V. 125, der vor Gessner und G. Hermann
in der Fassung äyj'oupo? Xaotci qwxeaaippeiöpov apetßsv geduldet, von
Hermann aber nach Gessner’s Vorgang in der Form XaoXq
Siffidsac pelöpov d'peißev hergestellt ward.
2. Lithika.
Homerische Fälle.
öipp-qxoq: xotfpa Be x.ixX^ozeiv pax.apwv ä'ppy)Tov exdirtwv 719 4. Thes.
Hom. i; 466 4. Thes.
Nach anderem Muster.
appY]y.tos: y.ai wjtuwv äppr/V.TCV opemuooio y.dpvjvov 139 2. Thes.
Apollon. Rliod. yßky.toq r ( 3' äppypy/toq A 1646
2. Thes.
3. Orphische Hymnen.
Homerisch.
äpp-qxoq: ayvvjv t’ einepöv ts Mi<jy)v appyj-cov dvaacav LXII 3 4.Thes.
Hom. § 466 4. Thes.
Sibyllinische Orakel.
Homerisehe Fälle.
eppei;e: tob? ‘EXXdc t’ eppei;e ßowv -tabpwv t’ spip.6x.wv III 564
2. Thes.
Hom. 8<jg’ "Ey.Ttop sppsEe K. 49 2. Thes.
eppitle: öup.wOsii; B’ eppule v.axoi'xp-q'ieXq siti yatav V 529 2. Thes.
Hom. &q einebv eppuj/e o 299 2. Thes.
Orakel des Porphyrios.
Homerisch.
xpp-qxoq: dOavaTwv äpp-^te ract^p, aiwvte p.üaw 145 2. Thes.
Hom. i; 466 4. Thes., vgl. Kallim. swene?.
■q ä’ appypov cD:qc dtteitaiccno Xu^pv)? Hymn. IV
205 2. Thes.
Zoroastris oraeula magica.
Schlechter Vers:
e p p 6 yj <;: cwpast Q-q-ieucac, stti tdäpv d^p’ 7 qq s p p 6 yj q 2 5. Thes.
Studien zur Technik des nachhomerischen heroischen Verses.
861
Griechische Anthologie.
Homerische Fälle.
äWr t Y.xoq: oiSa yap üq aXXvjy.xov i\j.r t c iopßxt peptpvrji; IV 3. 111
2. Thes. Agathias Scholast.
Hom. p 325 2. Thes.
s p p yj § e: Säy.pua o’ oüy, eppyj^’ iit\ lisvöemv äXXa xöo’ eutev VII 434.
3 2. Thes. Dioskorides.
Hom. vsupvjv o’ sEsppvjSsv 0 469 2. Thes., vgl.
ouo’ sppijijev yaXy.sv F 348 I. Thes.
eppijljaxo: oü pev pYjiSi«? sppyjijaxo «XX’ äiroxijXe VIII 182 3. Thes.
Gregor von Nazianz.
Der Gebrauch der Silbe mit Doppelliquida
in 3. Thes. erklärt sich durch ein directes ho
merisches Muster: lxxo4 os rcpoxövouq sppyj^’ avepoto
OusXXa p 409 3. Thes.
spptt^sv: Ssijtxsprp o’ Ipputsv erci yöova y.ai Xföov fp/.sv IX 159. 3
2. Thes. Unbekannt.
Hom. z. B. W 842 2. Thes. Darnach ist
auch gebildet
eäva yotjj.(dv eppnrxs?, v) apßoXfyv xayjjxvjxcc XVI 144. 1
2. Thes. Arabios Scholast.
Der corrupte Vers
iikV spptxxxai yapai Tuavxox’ szatpipEvo? XI 109. 2 ist
am besten von Jacobs hergestellt worden: eppixxxa:
oe yapai y.xX.
sppucraxo: oü8e xe ce y.xeavwv eppüaaxo • tpeu eXseive VII 286. 5
3. Thes. Antipatros von Thessalonike.
sppucrao: st 8’ ü? ey. TieXotyout; sppüxao Aaptv avaacra VI 231. 7
3. Thes. Philippos.
Die Stellung der durch die Liquidadoppelung
ausgezeichneten Silbe in der dritten Thesis ist
auch hier durch die Reminiscenz an die homer.
Fälle 0 290 Y 194 a 6, wo sppücaxo mit der
Anfangssilbe in der 3. Thes. steht, zu erklären:
z. B. 0 290 äXXoc xiq auxs Qswv eppuaaxo y.ai eaätocev.
Nicht direct aus Homer entnommen, aber doch mit An
lehnung an einen homerischen Fall gebildet ist
862
Rz ach.
aXXitrxoi;: 'qp-acac^ d> aXXtox’ ’AtSvj • x£ upowpov e^irjc VII 643. 3
2. Thes. Krinagoras.
Salmasius vcrmutliete aXtaax’ i. e. äp.sxäxpe-s,
doch vgl. VII 483 ’AfSr, aXXcxäveuxe, worauf auch
bei Dübner mit Recht verwiesen wird. Die
homerische Vorlage ist TplXXcaro;: aroaafo) xp!X-
Xiaxoc £7ürjXu0£ vb| Ipsßsvvij 0 488 2. Thes.
Gleichfalls an ein homerisches Muster würde sich an-
schliessen
irp6ppr)<jis: -m\ ps xbv fyxpbv xpopp-^ctog stvexsv scöXyjc XI 382.
21 3. Thes. Agathias Scholast.
Es liesse sich nämlich auf appqxov J; 466
4. Thes. hinweisen, aber die erste Silbe von
Tcpoppifctöq steht in der 3. Thes. Wir werden
daher eine Corruptel annehmen müssen. Ver
mutlich stand •xpo-j'VMdoi; ursprünglich da, ein
Ausdruck, der als der technische hier im Munde
des Arztes vorzüglich angezeigt ist, zumal ihn
der Verfasser des Epigrammes selbst zweimal
vorher schon braucht in V. 7 und 13.
Nach anderem Muster.
«p<? ip p«i>!j: xXwßoi? x’ ap.fcppÖYac dvocaxacxoii; xs ospay/^aq VI
109. 3 2. Thes. Antipatros.
Apoll. Rhod. Tisxpag dp.q>tppwYas A 995 2. Thes.
oxxappi^o?: örjxxu aaupwv/jpt ■ xd 8’ öxxotppi^a p.excjj'xtov VI 110. 3
4. Thes. Leonidas oder Mnasalkas.
Oppian. Kil. op0iov, auxoppt^ov, av.r/jj.ivsv Hai.
II 465 2. Thes.; vgl. Oppian. Syr. (poivauv
wpöppt£a Kyneg. II 534 2. Thes. Orph. Argon.
'/.cd p’ di piv xpöppt'Cot 437 2. Thes.
s^sppsucaq: xyjv /dpiv i^ippeuccec otxvjv sysc ' oux. äxb mjYij? XI
374. 5 2. Thes. Makedonios Hypatos.
Incert. Idyll. pdXwv ouy. Ippeuas y.aXbv yXayog
I 33 2. Thes.
Schlechte Bildungen.
Es sind nur zwei Composita eines Stammes zu ver
zeichnen, die aber bemerkenswertb sind.
Stadion zur Technik des nachhomorischen heroischen Verses
wuy.voppaä;: Teopoipecv xe ßoTpuv p.e0um8ay.a xuy.voppa-j-a VI 22. 3
5. Thes. Unbekannt.
Cod. ituxvoppwY« Suidas Ttuy-voppaya Plan, -uy.-
voppÜYOv.
^EVTappayoc: y.euot'vou GT<Kp'jX?j? £/' amcxdoa rcevxctppaYov VI
300. 5 5. Thes. Leonidas.
Beide angeführten Fälle verstossen gegen
das oben aufgestellte Gesetz, indem die Silbe
mit der Doppelliquida in der fünften Thesis
erscheint. Dennoch ist keineswegs eine Cor-
ruptel anzunehmen, da die beiden Fälle ein
ander vortrefflich stützen und auch der Sinn
ganz passend ist. Vielmehr liegt diesmal
die Schuld an den Verfassern, welche die
im Laufe der Zeit entstandenen Normen
nicht genau beachteten.
Nonnos. 1
I. Dionysiaka.
Homerische Fälle.
eppY]ä;e: "/tdopivr] 5’ epprjEe — e’kaxe MoSoai XXI 73
2. Thes.
/aXy.öv eywv epprjEs X'.voyXafvwv <r«ya roipyoiv XXVI 58
2. Thes.
Hom. vsupvjv o’ sEepprjEs 0 649 2. Thes.
xai VAoy.ap.ou? iSai^ev, oXov o’ eppvjEe yiTcova V 375 4. Thes.
Vgl. neben Hom. eppr]?e p. 409 3. Thes. auch
Quint. Smyrn. ß(y) 8’ epprfee y.oXcivijv XIV 484
4. Thes. Darnach ist auch gebildet
ave« Aio? • ^oXXtj 3e Xaywv epp^yvuTo yair)? II 390 4. Thes.
eqepp-^Ee: pioyp.o? eyjv ßaÖ’öy.oXiro?, ov eEeppvjEe yeXeuSou XXXVH
397 4. Thes.
Hom. veupyp S’ e^eppyj^e 0 469 2. Thes.
äppYjTOi;: y.at CaOewv appvjeov ap.eXY6p.evo? Y“^ a ßfßXcov IV 267
2. Thes.
Hom. E 466 4. Thes.
i
I
863
1 Vgl. Scheindler, Quaest. Noun. I 9 sqq.
864
Rzach.
Hieher gehört auch der Eigenname ’ÄpprjToq:
ouSe vepuv v AppY]io<; IXeficertf AijpiaS^oi; XXVI 250
2. Thes.
-a:csYovo'.c"A ppy-coc by.Ckcpac upevatot? XXVI265 2. Thes.
eppuiev: oupavi'vjv epptd/ev eq dsntiya ~<5Xov aXv^Trjv I 210 2. Thes.
EOTaSfrjv eppt^s potytv -/.upToip.evo? auyvjv VII 26 2. Thes.
to^ov ”Epu; sppit^e zal opy.wv wpcse ßofarjv XV 383 2. Thes.
jAuSaXeTj; 8’ eppii^ev evjc TeXajjuöva ßoewjc XXXV 157
2. Thes.
y.at Xaat'oui; eppuiev ctoco arepvoio yixwva; XLVI 277
2. Thes.
/.at cy.o'itirjv sp ptd» ev avouvifrou Atovicou XLVIII 75 2. Thes.
Hom. z. B. cnpalpav exet-’ eppupe l 115 2. Thes.
'Eppjc pctßSov eÖTiy.s, Xöpyjv 8’ eppuiev ’AitöXXwv II 218
4. Thes.
TOVitos ’EvvoaiYaioc evjv eppuiev ay.wy.rjv VI 290 4. Thes.
SeiXalou KaXapoto xo0oui; sppttpaq dvfcau; XI 445 4. Thes.
evvexe -/.uStöcov, ^po-epa.; 8’ epp nie p.£ptp.vae XII 290 4. Thes.
pq-eSavvjv ävepotav eyjv eppnte ipapdtpvjv XV 74 4. Thes.
apyiipeov y.pvjxvjpa Xaßwv eppujje peeOpoic XIX 296 4. Thes.
•/.at Oeo? dp.xeXoei? TtpoTep«? epp nie p.ep!p,vai; XXI 285
4. Thes.
yctXy.eov ety.oafx^yu, ireSw 8’ eppttj/e ßoeiyjv XXVIII 215
4. Thes.
y.at coXov euStvY|Tov eXuv eppnie MeXiccreuc XXXVII 679
4. Thes.
ei? etpoyoa? azoptaeov er,v gppttpe ipapeipvjv XLVIII 932
4. Thes.
Hom. XntapTjv eppiite y.aXuzTpYjv X 406 4. Thes.
eppiaaTo: aXXd tözov Sep-eX^c cpXoyepwv eppuaato itupsuv XXXI
45 4. Thes.
övjaeo? ipeipoucav ev)V eppiaaTO v6p.a?r)v XLVII 515
4. Thes.
oii ae Ter)? ITappivjc eppuuato vjp.<pw<; ’Apvj? XXXII 214
3. Thes.
Zweimal erscheint also die erste Silbe des
Wortes in der 4., einmal aber auch in der
3. Thesis, welches überhaupt der einzige Fall
unter den vielen Beispielen bei Nonnos ist.
Studien zur Technik des nachhomerischen heroischen Verses.
865
Dennoch ist nicht wol eine Verderbnis der
Stelle anzunehmen, da Nonnos direct den ho
merischen Gebrauch nachgeahmt hat; in den
homerischen Gedichten steht nämlich ippuuaro,
wie schon früher erwähnt worden, dreimal mit
der ersten Silbe in der 3. Thesis:
aXXa Tic auT£ Oswv eppucaco z.al ecdwcsv 0 290
vjYov ■ aTap c£ Zelic eppücaTO y.al Osoi aXXoi T 194
aXX’ oüS’ io? sxapou; sppücaTO isp.£vcc x£p a 6
Obzwar Nonnos selbst auch sppöcaTo dreimal
in den Dionysiaka verwendet, so wagte er doch
nicht, es immer mit der ersten Silbe in die
3. Thesis zu setzen, sondexm nur ein einziges
Mal, ein Beweis, wie abnorm ihm diese Stellung
im Verse erscheinen musste.
Nach anderen Mustern.
appY]y.Toc: y.i<j<jov r/ojv appr)7TOV s'ov oepu • 7«t p.iv eXwowv XVII
17 2. Thes.
Satpiovivj? ap p vj 7t o v s/iov ßXäcrn)p.a v.epcdr t c XVII 241
2. Thes.
dxffdjjwjv appr ( 7TOv avaa/iaoai 7£VSü>va XXX 35 2. Thes.
7«t vs®£Xr ( v appr,7Tov oXr,v Exöza'Xv iccroT? XXXVI
35 2. Thes.
dpoxöxwv !p p7j7ca Si4t|j-ays xw£a p^Xwv XLV 291
2. Thes.
Apoll. Rhod. ’/aXzEcc v;o’ apprp/.To? A 1646 2. Thes.
aÜToppi^op: 7«: xiTU^ aÜTÖppi^o? s7£7Xito yeiTovt xsixyj XXI 102 c
2. Thes.
Einer der drei neuen Verse, die L allein
bietet, vgl. Ludwich, Hermes XII 284.
aoraTcv auToppii^cv uro xvodjaiv öoovtuv XXV 475
2. Thes.
fjXszoi; aÜToppt^ov ö|a5£uyov spvoc 4Xa(n)<; XL 470
2. Thes.
Xpup.vc6sv aÜTOppi^OV £706(plff£ 0ä|J.VOV IXaiY]? XLV 201
2. Thes.
866
Rzach.
auTÖppi^oc: xpup.v66ev aüxcppti^ov ävetriraas SsvSpov ’Aya6yj XLYI
185 2. Thes.
Oppian. Kil. opöiov, auToppi^ov ’a/.a/pivov Hai.
II 465 2. Thes.
Tipoppt^oc: Oap.vov SXov 7cp6ppt£ov, o Ss Tiprjwvop apatjas XXX
228 2. Thes.
Oppian. Syr. fotvi'xwv rcpoppi^a Kyneg. II 534
2. Thes., vgl. Orph. Argon, y.ai' p’ ai piv xpop-
pi^oi 437 2. Thes.
■/.£X« ivöppivo?: Oyjpa /.eXatvopptvov opecxidc ^XacE Bay./Y) XV
158 2. Thes.
Oppian. Kil. övjpa y.sAaivöptvov üxepßiov äyßoq
Hai. V 18 2. Thes.
Neue Bildungen.
gppatvev: aipaXey)? sppatvsv sy.r;ßoAec cAy.cc espcYjq XXVIII 137
2. Thes.
y.ai ayoTtdjv sppatvov EpYjp.doa it(Say,e<; iou XXXII 106
2. Thes.
ai|AOTi y.öXxov eSsuae, ^ovw S’ eppalvsxo xoipy; VII 168
4. Thes.
^avövjv Xuottovoio. p.EÖYip sppatVEv EEpGYjv XXV 283 4. Thes.
fontstyjv ij/ap-dGotctv oXtjv eppatvsv ötoIiotjv XXXVI 225
4. Thes.
[AuSaXsw 8’ lopw'it yyvip sppatvs y.ovi^v XXXVII 598
4. Thes.
y.ai yßovi'y] paSdp.c-pfi o6p.su? Eppatvsv Ayaurjc XLIV 263
4. Thes.
Bei Homer finden sich nur die Perfectformen
eppaSaxat u 354 eppdSaxo M 431 in der II., resp.
I. Arsis des Verses.
sppatlaxo: otti p.tv eu<*>8tvt Tia-yjp eppdtjiaxo p.yjpw IX 24 4. Thes.
öXy.oic p.rpysSayotai yspwv eppatlaxo Tsy.Twv XXIV 248
4. Thes.
Homer hat Doppelung der Liquida nur in
den Compositis euppatpife (ß 354. 380) und y.ay.op-
patpt'r, (0 16 ß 236 p, 26) in der Arsis. Das
augmentirte Verbum erscheint nur mit einer
Studien zur Technik des nachhomerischen heroischen Verses.
867
Liquida in der Thesis: ouvgy.a ol tpovov aiifov ipcnruo-
|j.cv oüS’ ex.tyrjp.sv r. 379.
2. Metabole des Johannes-Evangeliums.
Nach einem epischen (niehtho me rischen) Muster.
abxippi^oq: svStov «ÜToppi^ov opecaosuXoto (j.eXctöpoo A 64 2. Thes.
or;p.a tmp’ aiitöppii^ov, äp.äp-upov ep-pov ücpatvoiv T 224
2. Thes.
Oppian. Kil. opötov, a’uxoppi^ov axaypivov Hai.
II 465 2. Thes.
Triphiodoros.
Homerisch:
aAXrjxToc: 'irf/iGO 8’ aipa-t -pala • ßor, 8’ aXArjXTOi; opwpsi 542
4. Thes.
Hom. [Avjva 8e tm')x aW-q-AXOc arj Nsto? \j. 325
2. Thes., Apollon. Rhod. avep.ou <xXXy]xtov iw^v A
1299 4. Thes., so öfter bei Q.uintus z. B. -fcoc,
8’ äXXrjxioq optbpst II 606, was neben dem homeri
schen ßor) 8’ daßscio? optbpst z. B. A 500 unserem
Dichter wohl vorschwebte.
Kolluthos.
Homerisch:
epprjlje: iruxva 3’ ettXXe y.öp.rjv, -/puosrjv 3’ ipp-q^e xaXörrcprjv 389
4. Thes.
Hom. T 348 in 1. Thes. Nonnos oaov 8’ äpprße
yittova Dion. V 375 4. Thes.
eppt^s: ;c OaXirjv Eppi^s, yopov 8’ öpive Gsauv 63 2. Thes.
Hom. z. B. T 130 &q etxwv eppujtev 2. Thes.
Nonnos z. B. xai axoirfrjv Ipprisv Dion. XLVIII
75 2. Thes.
Musaios.
Homerisch:
Eppi^s: -qtovo? 8’ E^tbpxo, bsp-ac 8’ eppttle GaXacror) 253 4. Thes.
Hom. Xtiraprjv sppi^s xaXÖ7rrpr)v X 406 4. Thes.
Nonnos z. B. sr;v Ippi^s tpapEvprjv Dion. XLVIII
932 4. Thes.
Sitzungsber. d. phil.-hist. CI XCV. Bd. III. Hft.
56
868
Rz ach.
Paulos Silentiarios.
Homerisch:
Tpi'XXtcTO?: 'jp.£T£p?i? alo'nct Geßa?, TptXXtGxs, vaX^wjc Ekphr.
Meg. Ekkl. II 570 4. Thes.
Hom. aaTcamq Tpt'XXtcToq 0 488 2. Thes., vgl.
Kallimach. iXaOi p.ot TplXXwrcs Hymn. VI239 2.Thes.
Apollinarios.
Homerisch:
epp’^a?: vwtTspa? eppyj^a? dXuwrerceSas tyj.E'fendq CXV 10 2. Thes.
Hom. oüo’ eppY)^sv /jxkyjäv F 348 1. Thes. vgl.
Nonnos ywopivy] 3’ sppv^s Dion. XXI 73 2. Thes.
eppüeao: y.a( c®sa? sXxopivou? cTUYspwv sppicao p.öyOoiv XXI 7
4. Thes.
yjYov sw ß'aaiXvjt, 0soc 8’ eppucaxo p.oyOwv LX Argum.
6 4. Thes.
Hom. z. B. Yjyov • axap cs Zeh? sppbcaTO T 194
3. Thes. Nonnos z. B. 0y]gsoc ip.eipoucav sy]v sppi-
caco vip.ipY)v Dion. XLVII 515 4. Thes.
Nicht selbst begegnet bei Homer das Compositum
äp.®eppsi;a: Gsir,v äp.<psppsl;a Ouo^ x.Xiawjv aXaXd^uv XXVI 15
2. Thes.
Doch ist es unmittelbar dem homerischen
o”y| 8’ ouy. eppscjs I 536 2. Thes. (K 49 2. Thes.)
nachgebildet.
Nach nonnischem Muster.
üppYjx'co?: Tcüpyov «cs! c’ appvjÄTOv ael xsipoßvipisvoc supsv CXLII
24 2. Thes.
su 3’ ävaTcswcdcOoiv tcuXswv dppvjxTot cyijsc XXIII 15
4. Thes.
Derselbe Vers kehrt wieder XXIII 21
auxb? seiet ßlvjv Xaol? dppv)y,Tov oitd^ot XXVIII 22
4 Thes. i
Nonnos z. B. xiroov sywv dppv)y."ov sov obpu
Dion. XVII 17 2. Thes., für die 4. Thes. vgl.
Quintus iiSTpY)v appvjx/cov soucav V 243 4. Thes.
Bei Gallandius ist liier >.«015 im griechischen Text ausgefallen.
Studien zur Technik des nachhouierißchen heroischen Verses.
869
■ ippa<J»ev: 05 y.ayov ou Tey.TY]V£v, Iw 0’ sppa'iev Haipw XIV 6 4. Thes.
Nonnos rMvqp ippufycno pvjpw Dion. IX 24
4. Thes.
Joannes Tzetzes.
Ohne Vorbilder.
|jt,aKp6ppt(;: p.ay.pcppic, p.eWyqpuc;, y.oüprjt; 0’ slyv/ cTaoxa? Posthorn.
472 1. Thes.
atpeßXoppiv: Xeux.6<;, GTpsßXbppiv, euTuiywv, supupsTWTCOi; Posthorn.
663 2. Thes.
Joannes Tzetzes geht, wie sonst, auch
hier seine eigenen Wege, ohne sich an die
früheren Normen zu halten.
Bei allen nicht eigens angeführten Dichtern fehlen Län
gungen im Inlaute in der Thesis.
Fassen wir die dargestellten Fälle übersichtlich zusammen,
so ergibt sich folgendes Resultat:
I. Homerische Fälle
(mit Angabe der Nachahmungen).
aXXyjxros recipirt von Apollonios, Manethon, Quintus, Antho
logie, Triphiodoros.
TpOAtoro? Kallimachos, Paulos Silentiarios.
Ippyj^e Hesiodos, Batrachomyomachie, Oppianos Kil., Quintus,
Anthologie, Nonnos, Kolluthos, Apollinarios.
£^£pp-^^£ Theokritos, Nikandros, Nonnos.
appyjto? Kallimachos, Manethon, Orphische Argon., Orphische
Lithika, Orph. Hymnen, Porphyrios’ Orakel, Nonnos.
epps§£ Apollonios, Manethon, Sibyllinische Orakel.
Ippuk Plesiodos, Homer. Hymn., Batrachomyomachie, Theo
kritos, Oppianos Syr., Oppianos Kil., Quintus, Orphische
Argon., Sibyllin. Orakel, Anthologie, Nonnos, Kolluthos,
Musaios.
sppücaTO Anthologie, Nonnos, Apollinarios.
II. Mit Anlehnung an Homer.
d'XAtcjTOc; Anthologie (Homer TpiXkicro;).
äp.®£pp£^a Apollinarios (Homer eppe^a).
fe6*
870
Rzach.
III. Neue Bildungen.
eXXrjljav Apollonios.
appYjy.TG? Apollonios, Quintus, Orphische Lithika, Nonnos, Apolli-
narios.
dp.'pippuq Apollonios, Anthologie.
Ippaimtv Apollonios, Manethon.
Ippaivev Nonnos.
Ippd’iaTG Nonnos, Apollinarios (eppa^s)-
aiiTOppixTOs Oppianos Syr., Oppianos Kil.
sppsuus Incert. Idyll.
EGGppä’Jcac Anthologie,
ipp'j’^c Zorastris Orac. mag.
auToppiLoc Oppianos Kil., Nonnos.
oy.~.dpp'Zoc Anthologie.
■xpcppiloc, Oppianos Syr., Orphische Argon., Nonnos.
•/.eXatvGpptvo; Oppianos Kil., Nonnos.
p.av.p6ppiq Tzetzes.
GTpeßXöppsv Tzetzes.
Hieran sind die oben naher charakterisirten zwei Fälle
aus der Anthologie wzvoppdt; und xevcctppayoq anzufügen.
Absichtlich weggelassen ward ■ydp.ixppoc, dessen zweite
Silbe öfter in Thesi erscheint (so Apoll, f 71 Quintus VII 547
XIV 5. 643 u. s. in 1. Thesi), da dies Wort nicht mehr als
Compositum gefühlt ward.
Auch in der Verwendung der Doppelsetzung der Liquida
in der Thesis zeigen sich also die späteren Dichter nicht zurück
haltend. Während sie den homerischen Gedichten 8 Fälle (bei
7 Stämmen) entnehmen, lassen sie in 16 neuen (bei 10 ver
schiedenen Stämmen) Doppelung in der Thesis zu (iwxvoppa5
und xcvtappayoi; eingerechnet). Hiebei sind die zwei an homeri
sche Vorbilder sich anlehnenden Wörter öOAigtgc und ap.<fippsB,a
nicht gezählt. Bei 6 von diesen 10 Stämmen erscheint die
Liquidadoppelung in der Thesis bei Homer noch gar nicht,
während wir sie von den übrigen 4 in der hom. Poesie vor
finden, jedoch in anderen Ableitungen. Als Schöpfer neuer
einschlägiger Bildungen steht auch hier Apollonios im Vorder
gründe, neben ihm sind zu nennen die beiden Oppiane und
Nonnos.
I
Studien zur Technik des nackhomerischen heroischen Verses. 871
Was die Stellung der Doppelliquida in den einzelnen
Verssenkungen betrifft, so kommen auf die 2. Thesis 73, auf
die 4. 52 Fälle. Ausserdem begegnen an illegitimen Stellen
einzelne Beispiele, und zwar in der 1. Thesis zunächst einige,
die sich als directe homerische Nachbildungen erweisen: eppr,5s
« Hesiod. A. 140. 415 Batrachomyom. 254 (also in archaischen
Dichtungen), wornach auch äppr^.ioc Apollon. A 63 gebildet ist.
Die sonstigen Stellen (epptthe Hom. Hymn. XI 4 Mij.ippouq
Androm. Ther. 18 eppmzai Anthol. XI 109. 2) sind schlecht
überliefert. Endlich ist der Stümper Tzetzes mit einem Bei
spiel |jur/.pspp!? Posthorn. 472 betheiligt. Auch in der 3. Thesis
finden sich einzelne homerische Reminiscenzen ippi^aro Anthol.
VIII 182. 3 IppüjavG Anthol. VII 286. 5 Nonnos XXXII 214
Eppiaai Anthol. VI 231. 7. Die noch übrigen 2 Fälle sind corrupt
(Timon 63 Anthol. XI 382. 21). Die 5. Thesis endlich ist mit
3 Beispielen vertreten, die alle stümperhaften Versen angehören,
Truv.vsppa^ Anthol. VI 22. 3 -sviappavoc Anthol. VI 300. 5 eppirjq
Zoroast. Or. mag. 2.
Berichtigung.
Der Artikel paotvo's auf Seite 695 steht fälschlich in der Bubrik ,1. nach
homerischen Mustern 1 , da das Vorbild hiezu eigentlich nur Hesiod. Th. 195 ist.
4
872
Kzach. Studien zur Technik des uachhomerischen heroischen Verses,
Index criticus.
Seite
Audromach. Ther. 18 858
Anekd. Par. ed. Cramer vol. IV p. 294, 18 741
p. 349. 6 841
Anthol. Pal. IX 147. 3 735
XI 109. 2 861
XI 382. 21 862
Apollinarios XXX 23 839
Apollonios Khod. B 1229 703
T 848 707
A 1159 700
A 1735 704
Dionysios Perieg. 51 714
Eratosthenes Fr. VII (Düntzer) 712
Eudokia I 306 740
Gregorios von Naz. II 1. 34. 177 840
II 1. 43. 10 739
II 2. 3. 68 740
Homer. Hymn. XI 4 854
Kallimachos Hymn. I 16 698
Nikandros Alex. 155 708
Orphische Hymn. XLIV 9 725
Quintus Smyrn. XI 34 718
Sibyllin. Orakel VIII 258 728
IX 118 727
IX 2 729
IX 259 729
Simmias Fragm. des Apoll. 5 712
Timon 63 854
Tzetzes Hom. 88 744
Hom. 372 743
Hom. 431 743
Hom. 483 743
Posthorn. 344 744
Posthorn. 393 744
Posthorn. 492 744
XXIV. SITZUNG VOM 19. NOVEMBER 1879.
Herr M. Kitter von Becker, Hofrath und Director der
k. k. Familienfideicommiss-Bibliothek, übersendet das dritte Heft
der von ihm bearbeiteten ,Topographie von Niederösterreich'.
Herr Dr. Johann IIueiner, Gymnasial-Professor in Wien,
erstattet Bericht über die Durchforschung- von Handschriften
lateinischer Kirchenväter in Bibliotheken der Schweiz und
Süddeutschlands.
Von dem w. M. Herrn Hofrath Dr. C. Ritter von Höfler in
Prag werden für die Sitzungsberichte zwei weitere Nummern
der ,Abhandlungen aus dem Gebiete der slavischen Geschichte'
eingesendet.
Herr Raphael Pavel, Stifts-Capitular und Bibliothekar
des Stiftes Hokenfurth legt einen druckfertigen ,Handschriften-
Katalog der Hohenfurther Stiftsbibliothek' mit dem Ersuchen
um seine Veröffentlichung in den Schriften der historischen
Commission vor.
An Druckschriften wurden vorgelegt:
Akademija Umiejetnosci w Krakowie: Zbior Wiadomosci do Antropologii
Krokowdj Tom. III. Krakow, 1879; 8*1 — Rocznik zarzadu. Rok. 1878.
W Krakowie, 1879; 8°. — Katalog Rekopisou Biblioteki Universitetu
Jagielloiiskiego. Zeszyt 4. Krakow, 1879; 8°. — Literarische Mittheilungen
874
und bibliographische Berichte über die Puhlicatiouen. Januar, Februar,
März 1789. Krakau; 4°. — Sprawozdania Komisyi do badania Historyi
sztuki w Polsce. Zeszyt III. Krakow, 1879; 4°. — Kozprawy i Sprawoz-
dauia z posiedzeii wydzialu historyczuo-filosoficznego Tom. X. W Kra-
kowie. 1879; 8°.
Becker, M. A.: Topographie von Niederösterreich. II. Band. 6. Heft.
Der alphabetischen Reihenfolge der Ortschaften III. Heft. Wien, 1879; 4 Ü .
Bureau, königl. statistisch-topographisches: Württembergische Jahrbücher
für Statistik und Landeskunde. Jahrgang 1879. I. Band, 1. Hälfte und
II. Band, 1. Hälfte. Stuttgart, 1879; 4°.
Gesellschaft, k. k. geographische, in Wien: Mittheilungen. Band XXII.
(N. F. XII.) Nr. 10. Wien, 1879; 4».
— kurländische für Literatur und Kunst: Sitzungsberichte aus dem Jahre
1878. Mitau, 1879; 80.
Istituto di Corrispondenza archeologica: Annali. Volume L Roma, 1878; 8°.
— Bullettino per l’anno 1878. Roma, 1878; 8°.
— archeologieo-germanico: Storia 1829—1879. Roma, 1879; 8°. — Monumenti
inediti per l’anno 1879. Volume X. Roma, 1874 — 1878; Folio.
Kasan, Universität: Sitzungsberichte und Denkschriften. 1878. Nr. 1—6.
Kasan, 1878; 4°.
Museum, British: A Catalogue of the Greek Coins. Macedonia, etc. London,
1879; 8°.
Remembrancia preserved among the Archives of the City of London.
A. D. 1579—1664. Analytical Index. London, 1878; 8°.
,Revue politique et litteraire 1 et ,Revue scientifique de la France et de
l’Etranger 1 . IX e Annee, 2 C Serie. Nr. 20. Paris, 1879; 4°.
Society, the American geographical: Bulletin. 1878, Nr. 6. New York,
1879; 8°.
— the royal of Victoria: Transactions and Proceedings. Vol. XV. Melbourne,
1879; 8°.
Statistisches Departement im k. k. Handelsministerium: Nachrichten von
den österreichisch-ungarischen Eisenbahnen für das Betriebsjahr 1876.
Wien, 1879; Folio.
Upsala, Universität: Arsskrift 1877. Upsala; 8°. Festskriften 1877. Upsala;
8°. — Universitätsschriften pro 1877/78. 12 Stücke, 8°.
Wissenschaftlicher Club: Monatsblätter. I. Jahrgang, Nr. 1 und 2.
Wien, 1879; 4«.
Höfler. Abhandlungen aus dem Gebiete der slavischen Geschichte. II. 875
Abhandlungen aus dem Gebiete der slavischen
Geschichte.
Von
Constantin R. von Höfler,
wirkl. Mitglieds der kais. Akademie der Wissenschaften.
II.
Der Streit der Polen und der Deutschen vor dem
Constanzer Concil.
Der Streit zwischen den Czechen und den Deutschen,
welcher sich am Ende des XIV. Jahrhunderts aus einem Uni
versitätszwiste in Prag entzündete, steht in der Geschichte der
zahlreichen Misshelligkeiten zwischen Slawen und Deutschen
nicht vereinzelt da. Viel heftiger als an der Moldau wüthete
an dem östlichen Winkel des deutschen Meeres der Kampf
der Deutschherren mit den Polen und den Litthauern, das
Gegenstück zum Streite der Hanseaten mit den Skandinaviern.
Mit scharfem Blicke hatte Kaiser Karl in den letzten Jahren
seiner Regierung sich der Anordnung Niederdeutschlands zu
gewendet, als fühle er heraus, dass der Schwerpunkt mittel
europäischer Geschichte von dem oberdeutschen Centrum nach
der Peripherie verlegt werde. Seine Massregeln, wie überhaupt
das Auftreten der Luxemburger in Böhmen, hatten die Fort
schritte Polens nach der deutschen Seite zu aufgehalten,
Brandenburg und die nordöstlichen Marken gegen die polnische
Uebermacht sichergestellt. Es war dieses um so bedeutender,
als die freilich nur kurze Zeit andauernde Vereinigung der
Kronen von Ungarn und Polen 1370 erfolgte, und als sie sich
nach König Ludwigs Tode (1382) löste, die engen Beziehungen
(
876 Höfler.
Litthauens mit Polen an ihre Stelle traten. Es mag den Ver
tretern der slavischen Sache keine geringe Freude bereitet haben,
als gerade unter dem (zweiten) Rectorate des Johann von Husi-
netz die Nachricht von dem grossen Siege der Polen und Lit-
thauer über den Deutschherrenorden bei Tanneberg 15. Juli
1410 anlangte. Böhmische Ritter hatten angeblich den Aus- <
schlag gegeben. Ihrem unvermutheten Anprall war der Hoch
meister Ulrich von Jungingen erlegen, ein Tatare hatte ihn ge-
tödtet. Von diesem Tage, der hunderttausend Menschen das
Leben gekostet haben soll, richteten die slavischen Partei
häupter ihre Augen auf Wladislaus Jagello, auf den von Wla-
dislaus eingesetzten Grossfürsten von Litthauen, Witold, auf
die Dynastie der Jagellonen, die durch den Frieden von Thorn
1. Februar 1411 das Uebergewicht Polens über den deutschen
Orden besiegelte, unter den Slaven einen ebenso hohen Ruhm
erntete, als sie den Deutschen verhasst war. Schon im Juli
1414 war es zu einem neuen Kriege zwischen dem Polenkünige
und dem Orden gekommen, und als nun Ende 1414 das Concil
von Constanz eröffnet wurde, rief einerseits der Orden dasselbe
gegen den Polenkönig auf, andererseits zog der Führer der
czechischen Nationalpartei gleichfalls dahin, sich vor dem Concil
zu vertheidigen und dessen Urtheil zu vernehmen. Zu den
religiösen Streitigkeiten des XV. Jahrhunderts war somit noch
eine gewaltige nationale gekommen und Hessen die ersten keine
Vereinigung zu, so war diese von einem Streite, der schon auf
den blutigsten Schlachtfeldern geführt worden war und wobei
jede Nachgiebigkeit die Preisgebung des eigenen Interesses,
ja des socialen Daseins in sich schloss, noch viel weniger zu
erwarten. Der Angriff erfolgte diesmal von Seite der Deutschen,
und zwar durch eine Schrift, die an nationaler Gehässigkeit
Alles überbot, was die mittelalterliche Literatur bisher auf
diesem Gebiete geleistet hatte.
Der Ankläger der Polen, Johann von Falkenberg, ein
Dominikaner, hatte sich schon dadurch bemerklich gemacht,
dass er die extremen Sätze des Jean le petit (Johannes parvus) <
vertheidigte, der im Anschluss an die auf offener Strasse von
Paris erfolgte Ermordung des Herzogs Ludwig von Orleans,
jüngeren Bruders König Karls VI. von Frankreich, durch den
Herzog Johann von Orleans (1407) die Rechtmässigkeit des
Abhandlungen ans dem Gebiete der slavischen Geschichte. II.
877
Tyrannenmordes in gewissen Fällen ausgesprochen hatte. 1
Falkenberg trug kein Bedenken, einen ähnlichen Satz gegen
die ganze ,verpestete polnische Nation' auszusprechen und die
Verpflichtung der weltlichen Fürsten zu betonen, ohne Unter
schied alle Polen oder doch die Mehrzahl derselben mit ihrem
Könige zu vertilgen oder doch ihre Fürsten und alle ihre Ade
ligen an Galgen, die der Sonne zugewendet sind, aufzuhängen ; 2
das Todesurtheil sei aber ganz besonders an dem Könige Jaghel
zu vollstrecken. Ja alle weltliche Fürsten, die den Verbrechen
der Polen beipflichteten, seien des ewigen Todes würdig. Es
sei verdienstlicher, die Polen und ihren König Jaghel im Treffen
zu tödten, als Heiden zu erschlagen. Die weltlichen Fürsten,
welche für Gott die Polen und ihren König Jaghel erschlügen,
verrichteten ein gutes Werk, verdienten sich dadurch das ewige
Leben, ja nicht blos die Fürsten, sondern auch alle von unter
geordnetem Range. 3 Die masslose Erbitterung der Deutschen
gegen die Polen konnte keinen stärkeren Ausdruck finden.
Wie sich später, als die Sache zur Austragung vor das
Concil gekommen war, herausstellte, hatte Falkenberg seine
Schrift nicht blos in Preussen verfasst, sondern auch dem
Hochmeister Heinrich von Plauen vorgelegt. 4 Dieser übergab
sie dem Propste zu Braunsberg zur Beurtheilung; allein der
Propst rieth, sie nicht anzunehmen, weil sie scandalöse und un-
juriöse Sätze enthalte. Auf dieses habe der Hochmeister dem
1 Unicuique licitum est honestum et meritorium oceidere et faei oecidere —
tyrannum. Opp. Gersoni V, p. 31, Schwab, Joh. Gerson S. 665.
2 Starodawne prawa polskiego pomniki. T. V. Monumenta literaria ed. Mi
chael Bobrzynski p. 151. Herr Bobrzynski hat sich durch Herausgabe
des tractatus de potestate Papae et Imperatoris respectu infidelium nee
non de ordine cruciferorum et de bello Polonorum contra dietos fratres
traditi occumenico Constantiensi concilio (Magistri Pauli Wladimiri), dann
des Liber de doetrina potestatis papae et imperatoris editus contra Paulum
Wladimiri per Johannem Falkenberg (Cracoviae 1878) ein grosses Verdienst
erworben.
3 Nach ,T. Voigt, der die Schrift nur aus Dlugoss kannte, kam es im Winter
1417 zu einer Correspondenz über Falkenbergs Schrift zwischen dem
Könige von Polen und dem Hochmeister, der beweisen konnte, dass die
selbe ungefähr Ende 1416 bekannt geworden war. Bd. VII, Note 5. Sie
war aber, wie sich herausstellt, schon früher erschienen.
4 Voigt VH, S. 32.
878
Höf ler.
Verfasser geboten, mit seiner Schrift das Land zu meiden,
Falkenberg aber habe sich nun nach Paris gewendet und die
Schrift den dortigen Magistern vorgelegt; von diesen hätte sie
der Erzbischof von Gnesen, Nicolaus Traba, erhalten 1 und
hierauf dem Concil übergeben.
Sie war jedenfalls ein Beweis des tiefen und schreck
lichen Hasses, der die Preussen von den Polen schied; 2 wenn
auch der Hochmeister sich nicht berufen fühlte, sich mit den
Argumentationen des Predigermönches zu identificiren, so
nahmen die Tractate Falkenbergs dennoch den Anschein von
Staatsschriften an und wollte der König von Polen wissen, der
Verfasser habe für seine Schrift vom Orden Geld erhalten,
wenn auch dieser den Vorwurf von sich ab wies. Er mag wohl
nicht ohne Grund erhoben worden sein!
Der literarische Streit hatte in seiner gehässigsten Art
begonnen. Der König von Polen, das Haus der Jagellonen, die
ganze polnische Nation waren angegriffen, waren vor dem
Concil geschmäht, vor dem höchsten christlichen Tribunal
moralisch gebrandmarkt worden; die polnischen Bischöfe bei
dem Concil befanden sich in der grössten Aufregung, sie
theilte sich der jagellonischen Universität, dem polnischen Adel
mit, der Kampf war unausbleiblich.
Der erste, welcher für die polnische Nation in die
Schranken trat, war Paul Wladimiri, Doctor der Decrete,
Custos und Canonicus der Kirche von Krakau, Rector des
dortigen Generalstudiums und Botschafter des Königs Wladis-
laus Jagello. Er übergab dem Constanzer Concil unter dem
Titel: Tractat über die Macht des Papstes und des Kaisers in
Betreff der Ungläubigen, eine Schrift, in welcher die Politik
des deutschen Ordens einer scharfen Kritik unterzogen wurde.
Als die heidnischen Preussen so sehr gegen die Polen wüthe-
ten, hätten die polnischen Fürsten den Orden zu ihrer Hülfe
1 Bei Gelegenheit eines Symposions, das der Erzbischof der Pariser Uni
versität gab.
2 Nach Caro, der sich hiebei auf Wiszniewski, hist. lit. Pols. III, 134,
Anm. 91, beruft, war das Werk Falkenbergs im Wesentlichen aus der
Feder des Wormser Bischofs Matthäus von Krakau geflossen. Gesell.
Polens III, S. 465. Welches Werk des berühmten Bischofs hiebei gemeint
war, ist nicht angegeben. Das Wiszniewski’s steht mir nicht zu Gebot.
Abhandlungen ans dem Gebiete der slavischen Geschichte. II.
879
aufgenommen und ihm Besitzungen eingeräumt, der Orden aber
habe sich allmälig eine grosse und gewaltige Macht geschaffen
und nun nicht blos mit blutdürstigen Heiden, sondern, nach
dem die heidnische Grausamkeit aufgehört, mit ruhigen und
sanften Völkern Kriege geführt. Zwei Male im Jahre, auf
Maria Himmelfahrt (15. August) und Maria Heimsuchung, 1
träten die Ritter ihre resas, ihre Kriegsfahrt an, mordeten und
bereicherten sich auf Kosten von Christen und Heiden. Sie
verschafften sich päpstliche und kaiserliche Briefe, durch
welche die eroberten Länder ihnen zugeschlagen wurden. Nun
hätten sich aber die Verhältnisse durch die Bekehrung der
Litthauer und dass einer der Jagellonen Polen regiere, der
andere Schismatiker und Heiden beherrsche, haufenweise die
Bekehrung derer erfolge, die früher Polen, Preussen und
Livland Furcht und Entsetzen eingejagt, von Grund aus ver
ändert. Das sei jetzt dem Orden sehr unangenehm, da er nicht
mehr sich nach Gefallen ausdehnen könne; um so wüthender
fielen die Deutschherren diese Länder an, mordeten Priester
und Neubekehrte, griffen den König von Polen an und er
laubten sich die grössten Frevelthaten, so dass es fortwährend
zum blutigen Kampfe zwischen dem Orden und den Polen
komme. Der Rector von Krakau spricht eigentlich ziemlich
unverholen den Satz aus, dass der Orden sich überlebt habe, 2
indem kein Grund für weitere Kämpfe vorhanden sei und es
sich nur noch darum handeln könne, ob päpstliche oder kaiser
liche Erlässe den Orden ermächtigen könnten, alle Länder
von Ungläubigen, die sie erobern oder deren sie sich be
mächtigen würden, auch zu behalten. Nun habe sich der Geist
Gottes des Dienstes der Polen bedient, die einst mächtigsten
Heidenfürsten zu bekehren; der Orden aber zwinge Polen zum
Widerstande und so erfolge Kampf auf Kampf, Blutvergiessen
auf Blutvergiessen.
Der Tractat, in ermüdender scholastischer Form gehalten,
zerfiel in zwei Theile, indem in dem einen die Macht des
Papstes in Betreff der Ungläubigen und ihrer Güter und Be
sitzungen erörtert wurde, und in dem anderen dieselbe Frage
' Das wäre 2. Juli, zweifelsohne ist der 2. Februar gemeint.
2 Cessavit dudum in illis partibus eorundem Hospitaliorum pugnandi officium.
880
HU fl er.
in Betreff des Kaisers aufgeworfen wurde. Er trat der präten-
dirten Weltmacht des letzteren entgegen, da ja auch der König
von Frankreich den Kaiser nicht als seinen Herrn anerkenne,
limitirte aber auch die des Papstes und stützte sich hiebei
auf Dante, wie auf Marsilius von Padua; im Ganzen aber
stellt er das päpstliche Ansehen weit über das der Kaiser.
Er bekämpft die dem Orden günstigen Erlässe des Kaisers
durch die Macht des Papstes, bestreitet die Rechtmässigkeit
der Kriegführung des Ordens mit friedfertigen Ungläubigen.
Er tritt der Meinung gewaltsamer Bekehrungen entschieden
entgegen, nennt es eine neue und unerhörte Predigt, welche
den Glauben mit Schlägen vertritt, und beruft sich hiebei auf
das allgemeine Concil von Toledo. Diejenigen, welche Beistand
leisteten zur Bekämpfung Friedfertiger, befänden sich im
Stande einer Todsünde, während der Krieg mit den Saracenen,
der Kampf um das heilige Land erlaubt sei. Aus der Erör
terung, wann ein Krieg erlaubt sei, folgert er, dass ,die Resas‘
der Kreuzherren, die sie zwei Male im Jahre unternähmen,
höchst unerlaubt seien. Seine Anschauungen weiter zu er
härten, stellte endlich am 6. Juli 1415 Paulus Wladimiri, zwar
nicht in seiner Eigenschaft als Botschafter des Königs von
Polen, aber wohl als Doctor der Decrete, 52 Propositionen auf, 1
die er übrigens dem Urtheile des Concils unterwarf. 2 Es war
dies an demselben Tage, an welchem der Czeche Johannes Hus
dem Holzstosse übergeben wurde, so dass somit gerade an
diesem verhängnissvollen Tage der Streit zwischen den Polen
und den Deutschherren in Constanz auf das Heftigste ent
brannte. Er verwarf den Satz, dass man Türken und anderen
1 Am 5. Juli concipirte er sie, am 6. übergab er sie in convocatione pu
blica una cum conclusionibus de quibus sit mentio in uno sexterno.
p. 187.
2 Caro (Gesell. Polens Bd. III), dem das Concil zu Constanz nur ,die
zuchtlose Versammlung zu Constanz 4 ist, die .jedes frischen Geistes baar,
in einer blossen Restauration des erwiesen unmöglichen scholastisch roman
tischen Kirchenthums sich versuchte, auf Unbefangene diesen abschrecken
den Eindruck machen musste, 4 S. 444 — kennt nur die demonstratio in-
fidelium terras praetextu conversionis non esse occupandas, theilweise
abgedruckt bei v. d. Hardt III, p. II, 9. Sie dürfe jedoch nicht mit der
eigentlichen Anklageschrift verwechselt werden.
■
Abhandlungen aus dem Gebiete der slavischen Geschichte. II.
881
Ungläubigen ihre Habe (dominia) nehmen dürfe. 1 Er behauptete,
dass dem Papste die Jurisdiction über Christen und Nicht
christen zustehe, aber nur aus besonderen Gründen 2 dürfe
er Nichtchristen ihrer Besitzungen berauben; die Ungläubigen
dürften nicht zum Glauben gezwungen werden, und nur dem
Papste stehe es zu, ihnen Krieg anzukündigen. Päpstliche
Briefe, die gestatteten, Ungläubigen das Ihrige wegzunehmen,
seien als falsch und rechtlos zu betrachten. Dem Papste komme
die weltliche und geistliche Jurisdiction zu, der Kaiser aber
habe kein Recht, anderen zu gestatten, die Länder denen weg
zunehmen, die sein Kaiserthum nicht anerkennen. Es sei ein
unerträglicher Irrthum, den Kreuzherren in ihrem Kampfe mit
ruhigen Ungläubigen zu Hilfe zu kommen, und diejenigen,
welche in diesem Kampfe ohne Busse ihr Leben verlören,
seien mit Recht den Verdammten zuzugesellen, ihre Unter-
thanen, die an den resas sich betheiligten, von der Sünde
nicht frei zu sprechen. Die mit Gewalt abgenommenen Dinge
dürften nicht behalten werden; es sei gottlos und absurd, zu
behaupten, dass die Ungläubigen keine Jurisdiction, keine Ehre,
keine Macht, keine Herrschaft besitzen könnten. 3
Der Angriff gegen die Deutschherren und ihre Doctrin
war stark genug, um eine Entgegnung herauszufordern. Sie
erfolgte aufs Neue von dem Predigermönche Johann Falken
berg, und zwar indem dem einen der zwei Tractate, der mit:
veteres relegentes historias anfing, ein anderer, der mit: accipe
gladium begann, beigesellt wurde. Beide hatten aber im We
sentlichen denselben Inhalt. Der Dominikaner begann mit einer
heftigen Anklage gegen die Polen, die zwei Male den Glauben
verläugnet hätten, einmal als sie dem litthauisehen Könige
Mindova 4 den Weg bis zur Oder (gegen die Sachsen) eröffneten,
1 V. Krasinsky, Hist, religieu.se des peuples slaves, Paris 1853, p. 116, 117,
scheint den Tractat P. Wladimiris nur ganz oberflächlich gekannt zu
haben. Er citirt nur den Satz: que les ehretiens etaient en droit de con-
vertir les infideles par la force des armes et que les terres des infidfeles
appartenaient legalement aux ehretiens, als Hauptpunkt der Controverse.
2 nisi magna causa hoc exigat, n. 56.
3 nec infidelitas repugnat dominio.
4 Er war bereits vom apostolischen Stuhle als König anerkannt. Als er,
wie es in dem Schreiben Papst Clemens IV. au König Ottokar II. von
Böhmen ddo. III cal. Feb. 1268 liiess, von Verräthern des Glaubens
882
Hofier.
das andere Mal, als sie unter König Kasimir den Deutsch
herrenorden mitten unter seinen Kämpfen überfielen. Das dritte
Mal geschehe dieses aber jetzt, da Paul Wladimiri behaupte,
dass ein christlicher Fürst mit Hilfe von Ungläubigen die Ge
biete der Gläubigen verwüsten dürfe. Aus seinen Folgerungen
gehe hervor, dass derselbe Mensch Papst und Kaiser sei. Der
Kaiser sei der allgemeine Stellvertreter Gottes im Welt
lichen 1 und habe statt Gottes das Recht, den ganzen Erdkreis
im Weltlichen zu richten. Er könne denjenigen ihre Länder weg
nehmen, die dieselben unrechtmässig besässen, mit Recht die
jenigen Ungläubigen, die ruhig lebten, mit Krieg überziehen. 2
Es sei ein unerträglicher Irrthum Pauls, zu behaupten, dass
die Ungläubigen ihrem freien Ermessen überlassen bleiben
sollten, da daraus nur hervorgehe, es sollen ihnen Frieden ge
währt werden, damit, durch ihn gestärkt, der König und die
Herzoge von Polen die Kirche aufs Neue desto ärger und
sicher verwüsten könnten. Man verdiene sich den Himmel,
wenn man zum Schutze des Glaubens aus Carität gegen die
Ungläubigen kämpfe. Kaiser Ludwig IV. habe den Orden als
kaiserliche Pflanzung und kaiserliches Werk bezeichnet; 3 er
sei gebaut zum Kampfe gegen die Ungläubigen und werde
ewig dem deutschen Reiche treu bleiben. 4 Die Deutsch
herren seien eigentlich die Wohlthäter der Polen, da sie für
dieselben ihr Leben in die Schanze geschlagen; niemals aber
hätten die Polen sich ihnen als Geber erwiesen. Wenn die
Deutschherren wahre Christen unter der Tyrannei der Un
gläubigen fänden, so befreiten sie sie wohl aus ihren Schweine
reien, tödteten aber Niemanden von ihnen. Da aber die ruthe-
nischen Priester, offene Häretiker, Verdientermassen getödtet
grausam ermordet worden war, gestattete der Papst dem Böhmenkönige,
über das Königreicli (regni solium) zu verfügen und einen ihm beliebigen
König einzusetzen. J. Voigt, cod. diplom. Pruss. I, p. 162, n. CLVI.
1 Imperator est generalis vicarius Dei in temporalibus, p. 204; super omnia
temporalia dispensata a Deo institutus est.
2 debellare.
3 imperatoris plantula et factura.
4 in aevum permanebunt devoti sacro imperio?!
5 dotatores.
6 de spurcitiis eruunt.
Abhandlungen aus dem Gebiete der slavisclien Geschichte, lt.
888
werden könnten, so gut wie die Heiden, seien auch solche in
Litthanen und Russland getödtet worden; die Polen aber setzten
ihre Hoffnung auf die Hülfe der Ruthenen und anderer Un
gläubigen. Paulus dulde auch dieses Morden nicht und werfe es
dem Orden nicht aus Carität, sondern aus Neid vor, dass die
Ritter weder das Alter noch den Stand verschonten. 1 Eben des
halb könnten die Ordensbrüder mit Recht die Polen bekämpfen,
da diese die Kirche mehr verwüsteten als die Ungläubigen,
somit der Kirche zur Geissei gereichten, beständig den Un
gläubigen Rath und Hülfe gewährten, während der Orden sich
auf die wahren Christen stütze und mit vollem Rechte die
falschen Christen, d. h. die Herzoge und den König von Polen
bekämpfe. Letzterer sei ein Abgefallener, Verfolger der Kirche
und Thor, der sich für einen wahren Christen halte. Man wisse
ja ohnehin, dass Wladislaus Jägello nicht früher Christ ge
worden sei, als nachdem er der Erlangung der polnischen
Krone sicher geworden; er und die Heiden, die ihm folgten,
seien nur falsche Christen. Wenn es ihm gefalle, würden die
Litthauer in den Fluss oder in einen Teich getrieben (zur
Taufe), haufenweise, wie das Vieh, ohne allen Unterricht, 2 und
so würden sie Christen und wüthende Bundesgenossen des
Königs im Kampfe gegen die Kirche. Wenn Paulus sich be
klage, dass man ihre Kirchen verbrenne, frage er, wie man
Hütten (casae), mit welchen man die Christen täusche, als Kirchen
ansehen könne? Als der Teufel gewahrte, dass der Norden sich
bekehre, habe er den König und Witold bewogen, das christ
liche Volk zu morden. Sie verrichteten somit Werke des
Teufels. Die Christen aber, die dem Orden Unterstützung ge
währten, verdienten sich das ewige Leben; ihr Krieg sei ge
recht und erlaubt. Wer bestreite, dass der Kaiser dem Orden
Ländereien zum ewigen Besitze geben könne, sei Feind und
Schmäler der kaiserlichen Freiheit. Wenn die Brüder in ihren
(gerechten) Kriegen, die sie führten, um den Ungläubigen ihre
Länder zu eutreissen, Menschen tödten, so begehen sie keinen
Mord. 3 Wenn sie auf dem Feste der Reinigung aufbrechen, so
1 S. 214.
2 Nach russischem Vorbilde.
3 non tarnen committant homicidium. S. 222.
Sitzuugsber. d. phil.-hist. CI. XCV. Bd. III. Hft.
57
884
Höfler.
geschehe es, weil dann die Wasser zugefroren sind und einen
leichten Zugang zu den Feinden gewähren. Krieg führen und
die eroberten Länder zu behalten, 1 sei für die Brüder ein
geistliches Werk und keine Sabathschändung, wohl aber hätten
die Polen am Frauentage 2 viele tausende von Christen ge-
tödtet, noch mehrere von den Pferden zertreten lassen, fünf
hundert Ritter erschlagen, Priester ermordet, geistliche Gefässe
zu profanem Gebrauche verwendet, Kirchen verbrannt, Re
liquien zertreten, die Eucharistie in den Koth geworfen. Ihre
christlichen Bundesgenossen hätten sich der ewigen Verdammniss
würdig gemacht, seien in einer Todsünde gestorben, der König
und die Herzoge verdienten deshalb ihre Krone zu
verlieren, ja sie verdienten von Rechtswegen die Todes
strafe. Bereits sei durch die Verbindung der Polen mit ihren
(ungläubigen) Bundesgenossen die Sache dahin gekommen, dass
die Eroberung des Ordenslandes nicht mehr genüge. Witold,
dessen Ahnherr ein Schuster gewesen, sei durch die Besiegung
des Ordens zu solchem Uebermuthe gekommen, dass er geprahlt
habe, er wolle sein Pferd im Rheine tränken. 3 Man möge bei
Zeiten Vorbeugen und den Polen, ihrem Könige und ihren
Herzogen die Strafe zu Theil werden lassen, die sie für ihr
Verbrechen verdienten.
So dreist und herausfordernd, rücksichtslos und keck die
Anklagen lauteten, die Schrift konnte eine grosse Wirkung
nicht verfehlen. Sie war in ihrer Art ganz klug verfasst. Sie
liess den nationalen Antagonismus kaum durchblicken, ver-
theidigte nur die Sache der Christenheit, zog Papst und Kaiser
auf ihre Seite, indem sie ihre Prärogativen, und zwar in sehr
excentrischer Auffassung geltend machte, statt der deutschen
Nationalität wurden das Reich und die Kaiserrechte in den
Vordergrund gestellt, die Sache des Ordens war die Sache der
ganzen Christenheit, seine Feinde die der Kirche und des
Kaiserthnms, die Schwäche des Ordens erzeugte die Schwäche
des Reiches, und der litthauische Fürst, der die Burgen des
Ordens brach, vermass sich, sein Pferd im Rheine tränken
1 sub Romana ecclesia et monarchia sacri imperii.
2 15. Juli (?) 1410.
3 sese in Reno equum snum adaquatarum.
Abhandlungen aus dem Gebiete der slavischen Geschichte. II.
885
lassen zu wollen! Die Gefahr vor den falschen Christen, vor
den Ungläubigen war somit dringend. Sie drohte nicht sowohl
von den Hussiten, den Czechen, als vielmehr von den Polen
und ihren Bundesgenossen, den nur zum Scheine bekehrten Lit-
thauern, und wenn das Concil sich nachher gegen die Czechen
kehrte, eher Massregeln gegen diese nothwendig erschienen,
waren im Interesse des Reiches und der Kirche vor Allem Mass
regeln gegen die Polen nothwendig! Es mag, da auf den Tod
des Johannes Hus der Process des Hieronymus von Prag
folgte, auf dessen Tod aber die Berathung über die Massregeln
gegen die Anhänger beider, die Anklageschrift gegen die Polen
nicht gleich durchgedrungen sein. Allein die Polen waren da
durch auf das Tiefste verletzt, sie waren vor dem öcumenischen
Concil, vor den Vertretern der ganzen Christenheit als falsche
Christen, als Begünstiger der Häresie und des Unglaubens, als
in Todsünde begriffen und des Todes würdig dargestellt worden.
Man konnte gar nicht weiter gehen. Die Ehre der Nation, des
Königs, der Herzoge, des Episcopates, das solches duldete, war
verletzt, mit Füssen getreten! Dagegen trat das Zerwürfniss
mit den Czechen in den Hintergrund; das bezog sich vorder
hand nur auf zwei Persönlichkeiten. Dort war die ganze Nation
angeklagt.
Wie lange Paul Wladimiri mit seiner Entgegnung warten
liess, ist uns nicht bekannt, da sie kein Datum trägt. Allein
der Umfang der Anklageschrift Falkenbergs und dann der des
Tractates Paul Wladimiris über den Kreuzherrenorden und den
Krieg der Polen gegen die erwähnten Brüder, um die Schrift
des Johann von Bamberg 1 (Johann Falkenberg) zu widerlegen,
lässt schliessen, dass die letzterwähnte Entgegnung frühestens
in das Jahr 1416 zu setzen ist. Auch Paulus gebraucht die
scolastische Form, nämlich der polemischen Erörterung, um die
eigentliche Entscheidung dem Concil zu überlassen. Er ging
hiebei von der Thatsache aus, dass der König Wladislaus von
Polen und der Orden ihren Streit bereits vor König Sigmund
gebracht und sich hiebei der Orden auf die Schenkungsurkunde
Kaiser Friedrichs II. in Betreff Preussens, Kurlands und
1 Johannes de Bomberga wird er regelmässig im Context genannt; viel
leicht nur ein Druckfehler. Nach Dlugoss war er Predigermönch von Kamin.
57*
886
Hofier.
Litthauens, dann Litthauens, Samagitiens und Russlands stützte,
endlich auf die Schenkungen Alexanders IV. und Clemens IV.,
welche aber das Eigenthum der zu erobernden Länder der
römischen Kirche vorbehielten. Es sollte dadurch der christ
liche Glaube ausgebreitet werden; die Schenkung sei aber
den Hospitalitern vom deutschen Hause der heiligen Maria in
Jerusalem geschehen, während von den jetzigen Kreuzherren
Niemand wisse, dass sie sich mit einem Hospital abgäben;
endlich behaupteten sie, alle Feinde Christi bekämpfen und
ihre Länder sich aneignen zu dürfen; der Krieg mit den Un
gläubigen aber und ihre Vertreibung sei ihre eigentliche Auf
gabe. 1 Paul wandte sich deshalb der Erörterung zu, ob die
erhaltenen Schenkungsbriefe rechtliche Giltigkeit besässen, ob
die Brüder ein Recht besässen, fremdes Eigentlmm (dominium)
zu erwerben; ob überhaupt der Orden als ein religiöser zu
betrachten sei und von der Kirche bestätigt werden könne.
Es handelte sich somit um nichts Geringeres, als dem
Orden den rechtlichen Bestand abzusprechen, die kaiserlichen
und päpstlichen Urkunden als nichtig darzustellen, die Ordens
kriege als ungerecht, ihre Besitznahme von Kurland, Livland,
Samagitiens, wie von Preussen als nichtig, die Herausgabe
dieser Länder zu verlangen, ihnen die Schuld des vergossenen
Blutes zuzuschreiben, jedes Recht eines dominium ihnen zu
bestreiten, jede Schenkung, jeden Vertrag mit ihnen für nichtig
zu erklären, nicht minder die Verpfändung der Neumarkt, ihr
Recht auf Pommern, Chulm und Michalow; die ihnen geleisteten
Gelübde von Clerikern und Laien als ungiltig, ja den ganzen
Orden, der nur einen Zweck in Bezug auf das heilige Land
habe, als zwecklos und gegen den Glauben gerichtet zu be
zeichnen. 2 Die vorgebrachten Urkunden beruhten selbst auf
Häresie, die ganze Miliz widerstreite den göttlichen Gesetzen,
und der Orden müsse deshalb verhalten werden, Alles, was
er für sich genommen, herauszugeben.
Wir erfahren nun aus der Einleitung in den zweiten
Tractat Pauls, dass der eine Tractat Johanns von Falkenberg
damals bereits von dem Concil verurtheilt worden war und in
1 Thema.
2 S. 263.
Abbandlungou aus dem Gebiete der slavisoben Geschichte. II.
887
Betreff eines andern das Urtlieil erwartet wurde, auch in
Form von Rathschlägen den vier Nationen des Concils ein
Reformationsplan des Ordens übergeben worden war. 1 Dies
veranlasste Paul, den neuen Tractat zu schreiben, um sich zu
rechtfertigen, als wenn der seine die päpstliche oder kaiser
liche Autorität benachteiligen wollte. Man erfährt, dass auch
der bekannte Magister Mauritius von Prag 2 sich an dem Streite
betheiligte, und zwar auf Seite der Polen, indem er dem Papste
den Besitz der beiden Schwerter, des geistlichen und des
weltlichen, zuerkannte und namentlich das Bündniss des Königs
mit Ungläubigen als einen Act der Nothwendigkeit darzustellen
suchte. Die Brüder seien der angreifende Theil gewesen, von
ihnen die offenen Briefe ausgegangen, sie hatten Schlösser,
Dörfer uud Städte verbrannt, das Herzogthum Dobrin einge
nommen, den König, dessen Reich sie umzustürzen beabsich
tigten, zum Kampfe gezwungen, und während er selbst noch den
Frieden unterhandelte, ihm und seinem Bruder zwei Schwerter
mit der Aufforderung geschickt, eine Wahlstatt zu bestimmen,
worauf sie den Angriff begonnen hätten.
Die Sache hatte bereits eine eigenthümliche Wendung
genommen. Der Erzbischof von Gnesen hatte, da Johann von
Falkenberg sich früher als Vertheidiger der Sätze des Jean
le Petit gegen die Pariser Doctoren bemerkbar gemacht hatte, 3
einen Theil der Franzosen für sich. Der Erzbischof brachte
die Sache vor König Sigismund und das Concil und der Do
minikaner, welcher sich für die Unfehlbarkeit der Aus
sprüche des Papstes in Glaubenssachen erklärt hatte, 1 sah sich
in die unangenehme Lage versetzt, dass seine Schutzschrift fin
den Orden als verdammenswerth erkannt wurde.
Die Verwirrung der Begriffe war im Steigen. Der Streit
hatte eine Menge von Fragen in die Debatte gezogen, die
eigentlich dem Gegenstände fern lagen, wohl aber nicht blos
die Rechte des Königs von Polen oder des Deutsehherrenordens,
sondern auch die des Papstes und des Kaisers betrafen. Es
> S. 267.
2 S. 268.
3 Joh. Gerson, opera V. (2. p. 1014).
4 Schwab, Johannes Gerson S. 665.
888
Höflev.
war jedenfalls sehr eigentümlich, wenn das Concil eine Schrift
als häretisch bezeichnen würde, die sich für die Unfehlbarkeit
des Papstes in Glaubenssachen ausgesprochen hatte. 1 Es war
natürlich, dass der Dominikaner bei den Berathungen über
seine Schrift auch Personen fand, die nicht unbedingt für ihre
Bezeichnung als häretisch waren, wenn andererseits auch, so
bald eine derartige Untersuchung begonnen hatte, die Ver
haftung des Verfassers erfolgte. Bei der Heftigkeit der An
klagen gegen eine ganze Nation, der im Augenblicke der
Zerwürfnisse mit den Czechen die schärfste Anklage in das
Gesicht geschleudert, ja der rechtliche Bestand abgesprochen
wurde, konnten sich die Polen mit halben Massregeln nicht
zufrieden geben. In ihrem Interesse lag es, dass ein Exempel
statuirt werde, und so lag denn die Möglichkeit gar nicht ferne,
dass, nachdem die eifrigen Slaven, Johannes Hus und Hie
ronymus von Prag, als Häretiker auf dem Ilolzstosse geendet,
ihnen der übereifrige Deutsche Johann Falkenberg nachge
sendet werde. Sicher hatten die Polen gegen eine solche Pro-
cedur nichts einzuwenden. Es konnte ihnen aber zu diesem
Zwecke nicht genügen, dass Falkenbergs Schriften als scandalös
und irrthümlich bezeichnet wurden; er selbst musste als Häre
tiker verurtheilt werden, was nur geschehen konnte, wenn
Falkenbergs literarisches Auftreten durchwegs als mit Häresie
erfüllt dargethan wurde. Allein der Urtheilsspruch der Ver-
ordneten der Nationen auf dem Concil vom 7. Juni 1417 lautete
wohl dahin, dass seine Schrift gegen den Glauben und die
gute Sitte verstosse, schändlich, aufrührerisch und grausam sei, 2
jedoch nicht häretisch, worauf es vor Allem ankam, und das
Urtheil selbst war nur mit Majorität gefasst, aber nicht der
Ausspruch sämmtlicher Richter. 3 Die Polen waren jedoch ent
schlossen, die Sache bis zum Aeussersten zu treiben; dem sla-
vischen Häretiker sollte ein deutscher an die Seite gestellt,
Falkenberg als Irrlehrer und Ketzer verurtheilt werden. Aber
auch die Cardinäle, geschweige P. Martin, waren nicht für
diese Ansicht zu gewinnen, was den polnischen Bischöfen
1 Schwab, Johannes Gerson S. 663.
2 Caro III, S. 455, n. 3.
3 Von der Hardt IV, S. 1552.
Abhandlungen aus dem Gebiete der slavischen Geschichte. II.
889
Anlass gab, sich am 19. Februar 1418 darüber zu beklagen, dass
die Cardinäle die Sache zu lau behandelten. Noch unange
nehmer gestaltete sich die Sache, als auch die polnischen In
quisitoren keinen Auftrag erhielten, gegen Falkenberg besonders
einzuschreiten. Mochte seinerseits der Papst das Mögliche auf
bieten, den Polen die kirchliche Anerkennung zu gewähren,
die (vom Papst Johann XXIII. datirte) Ernennung des Königs
Wladislaus Jagello und des Grossfürsten Witold zu Vicaren
der römischen Kirche in den Ländern Pskow, Nowgorod und
Samagitien erneuern, Witold zum Schutzherrn des Bisthums
Dorpat ernennen, 1 es genügte alles den Polen nicht, die, ihren
Vortheil erkennend, noch weiter gehen und einen feierlichen
Beschluss des Concils gegen die Doctrinen Falkenbergs ver
anlassen wollten. Das hiess aber nichts Geringeres, als einen
neuen Conflict herbeiführen, und insbesondere den unter der
Decke glimmenden Nationalitätenhader zur Sache des Concils
machen. Dieses hatte aber, wenn in der Angelegenheit des
Johannes Hus der Prager Universitätsstreit, diese Quintessenz
des Nationalitätenhaders, berührt worden war, schnell über
ihn hinwegzugleiten gestrebt. Es stand zu viel aut dem
Spiele, als dass Papst Martin V., bereits nach Entfernung von
drei Päpsten einziges rechtmässiges Haupt der Christenheit,
nicht sein ganzes Ansehen hätte aufbieten sollen, die Sache
nicht auf das Aeusserste kommen zu lassen. Die französischen
Doctoren, welche Falkenberg grollten, weil er sich an ihre
französischen Gegner angeschlossen, machten in dem Ordens
streite gemeinsame Sache mit den Polen. Beide verlangten
eine Entscheidung wegen Ausrottung der Häresie, und unter
Häretikern konnte man jetzt nicht nur die Husiten, sondern,
je nachdem man sich auf den Standpunkt Falkenbergs oder
Paul Wladimiri’s stellte, den Deutschherrenorden oder den
König von Polen verstehen. Das war zu viel und Papst
Martin hatte daher vollkommen Recht, als er am 10. März 1418
verlangte, man habe sich in Glaubenssachen seiner Ent
scheidung zu unterwerfen und nicht, wie Polen und Franzosen
wollten, an ein künftiges allgemeines Coricil zu appelliren, 2
1 Caro S. 471, 472.
2 Hefele, Conciliengeschichte, VII, 1.
890
Hofier.
wenn die Entscheidung- nicht nach Wunsch ausfiel. Dadurch
war es um so leichter, aber auch um so gebotener, gegen die
Häresie in Böhmen aufzutreten. Es geschah dieses durch die
24 Artikel des Concils, in welchen unter Andern auch die
Nothwendigkeit ausgesprochen war, die Universität Prag zu
reformiren und die Wiclefiten, die sich nach dem Abzüge der
Deutschen in den Besitz derselben gesetzt, zu entfernen. Papst
Martin erliess schon am 22. Februar 1418 nicht blos die Bulle
inter cunctas, welche sich gegen die Häresie in Böhmen richtete,
sondern stellte auch 39 Fragen auf, die an die der Häresie
des Hus und Wicliff Verdächtigen gerichtet werden sollten,
um herauszubringen, in wieferne Jemand dieser zugethan sei.
Er bestätigte die Sentenzen des Concils, das nun zur Veröffent
lichung der (7) Reformdebrete schritt (21. März 1418). Je unum
wundener aber das Concil gegen Häresie, Häresiarehen, Begünsti
ger und Theilnehmer der Häresie einschritt, desto unangenehmer
musste es dem Könige von Polen und den Polen überhaupt
fallen, dass sie in der den vier Nationen übergebenen An
klageschrift Johanns von Falkenberg der Häresie beschuldigt
worden waren, und wenn dieselbe auch zurückgewiesen und
zum Feuer verurtlieilt worden war, so war das Urtheil weder
einstimmig erfolgt, noch feierlich von dem Concil bestätigt
worden. Es blieb noch immer der Vorwurf auf den Polen,
sich mit den Czeclien in einer, wenn auch nicht gleichen,
doch ähnlichen Stellung zu befinden, und es war sehr natürlich,
dass von Seiten der Polen alles aufgeboten wurde, den öffent
lich ausgesprochenen Verdacht durch das Concil abzuwenden
und dieses zu einem ihnen günstigen Beschlüsse zu vermögen.
Bereits hatte am 22. April 1418 die fünfundvierzigste
allgemeine Sitzung des Concils begonnen. Sie war die letzte
und sollte mit dem Friedensgebete schliessen. Bereits hatte im
Aufträge des Concils und Papstes der Cardinaldiaoon die
Worte: gehet nun in Frieden, gesprochen, die Versammlung
' mit Amen geantwortet, der Bischof von Catania sich erhoben,
die Schlussrede zu halten, als sich Caspar von Perugia, Advocat
des Concils, die Gesandten von Polen und Litthauen erhoben
und verlangten, dass, nachdem alle Cardinäle, auch Papst
Martin, als Oddo Colonna, und die ,fünf‘ Nationen sich gegen
die Schrift Johanns von Falkenberg erklärt, die feierliche
Abhandlungen aus dem Gebiete der alavischen Geschichte. II.
891
Yerurtheilung derselben durch das Concil erfolge. Geschehe
dieses nicht, nachdem doch das Concil zur Ausrottung der Hä
resie versammelt sei, so müssten die Botschafter Protest ein-
legen und an ein künftiges Concil appelliren. Das öcumenische
Concil schien sich in ein gefährliches Schisma aufzulösen. Die
Botschafter Calixtus, Sancius, Peter Boieste und Paul Wladimiri 1
standen dafür ein, während Johann, Patriarch von Constantinopel,
Johann, Patriarch von Antiochia aus der französischen Nation,
und ein spanischer Dominikanermönch die behauptete Ein
stimmigkeit des Beschlusses der fünf Nationen läugneten. Es
konnte aber nicht geläugnet werden, dass die Verurtheilung
der Anklageschrift im Juni 1417 erfolgt war, wenn auch in
Folge dieser Verurtheilung Johann von Falkenberg nicht dem
selben Schicksale wie Hus verfallen, aber der Häresie an
geklagt, wie dieser gefangen gesetzt worden war. 2 Aber auch
die Behauptung der Patriarchen stiess auf Widerspruch, und
zwar durch einen spanischen und einen italienischen Procurator,
Simon von Teramo und Augustinus de Lance von Pisa. Der
Streit erhitzte sich, als nun auch Peter Wladimiri das Wort
verlangte, ein Papier herauszog und erklärte, da der Procu
rator, der im Namen Polens und Litthauens gesprochen, nicht
Alles gesagt habe, bitte er deshalb um die Erlaubniss, das
Fehlende ergänzen zu dürfen. Er fing nun an, seinen Tractat
vorzulesen, als ihm Papst Martin, mit Recht die Auflösung
des Concils in Hader und' Streit besorgend, Schweigen gebot
und nun selbst erklärte, er wolle alles, was von dem Concil
in dessen Versammlungen (conciliariter) in Glaubenssachen be
schlossen worden, unverletzlich halten. Dieselbe Erklärung liess
er auch durch den Consistorialadvocaten Augustin von Pisa
abgeben, als sich Paul Wladimiri nochmal erhob, um in seiner
Entgegnung im Namen der Botschafter fortzufahren; der Papst
aber liess ihm bei Strafe der Excommunication durch den Pro-
1 Lenfant, hist, du coucile de Constance, Amsterdam 1714. 4°. II, p. 579.
2 captum et super haeresi delatum. V. d. Hardt, rerum eoncilii Constan-
tiensis Actorum T. IV, p. 1552. Joh. Dlugossi, hist. Polonica, Francof.
1711. F. II, 375. Man ersieht daraus, dass das Concil bei der Verhaftung
des Hus nicht nach Willkür sondern nach Reelitsprincipien verfahren
war, da auf die Anklage in Betreff der Häresie die Personalhaft erfolgte.
892
Höfl er.
curator Augustin befehlen, zu schweigen. 1 Nichts desto weniger
übergab Paul im Namen der Abgesandten von Polen und Lit-
thauen einen Protest, 2 da das Concil gerade die grausamsten
Häresien (crudelissimae haereses) des Johann von Falkenberg
nicht verurtheilt habe. Erst nach dieser peinlichen Scene,
nach Beendigung eines Tumultes, der in Gegenwart des Papstes
entstanden war, und nachdem Peter Wladimiri in seinem Eifer
so weit gegangen war, 3 dem Concil gegenüber zu behaupten,
man müsse Gott mehr gehorchen, als den Menschen und, damit
der Papst und das Concil sich nicht mit Unwissenheit ent
schuldigen könnten, jetzt der Protest und die Appellation an
ein neues Concil erfolge, nachdem man selbst zur Verhaftung
der Renitenten geschritten war, konnte endlich das Constanzer
Concil geschlossen werden.
Es war von äusserster Bedeutung, dass die Massregeln,
welche es getroffen, die husitische Häresie zu bewältigen, die
Folge hatten, dass der böhmische Adel jetzt auf das Ent
schiedenste Partei nahm für die von dem Concil geächtete
Sache. Das andere slavische Königreich aber befand sich in
Aufregung, weil das Concil nicht weit genug gegangen war,
die Rechtgläubigkeit Polens und Litthauens zu constatiren.
Aus ganz entgegengesetzten Ursachen in Böhmen wie in Polen
die grösste Unzufriedenheit mit dem Vorgehen des Concils,
die slavische Welt somit in grösster Erregung!
Mag man nun das Verfahren Papst Martins in der pol
nischen Angelegenheit dogmatischen Bedenken zuschreiben,
die sich auf seine Stellung zum Concil bezogen, so ist doch
anderseits klar, dass er Alles vermeiden musste, was zu den
vorhandenen Streitigkeiten neue und wohl unabsehbare Wirren
hinzufügen konnte. In den Klagen der Polen gegen die Deutsch
herren, der letzteren gegen die Polen stellte sich doch wohl
1 Lenfant II, p. 610.
■ Im Proteste (V. d. Hardt IV, p. 1556) heisst es: Nic.olaus Arcliiepiscopus
Gnesnensis, Jacobus Episcopus Clocensis, Petrus Boioste Protonotarius
apostolicus, praepositus ecclesiae II. M. Lacatensis, Gnesu. dioces., Paulus
Wladimiri eanonicus et custos ecclesiae Craeoviensis, Joliaimes de Tol-
lisehove castellanus Calisiensis et Zavisius Niger de Sturliaso capitaneus
Gnesiensis milites, oratores et ambasciatores. Siehe auch Voigt, Gesell.
Preussens, VII, S. 320.
3 Lenfant II, p. 610.
Abhandlungen aus dem Gebiete der slavischen Geschichte. II.
893
heraus, dass Recht und Unrecht auf beiden Seiten lagen. Der
Streit hatte aber durch die Parteischriften eine Wendung ge
nommen, dass es sich um die Giltigkeit päpstlicher Bullen und
kaiserlicher Urkunden handelte, wie um das ganze bisher einge
schlagene System in Betreff des Ordens. Fragen von ganz
ungemeiner Tragweite waren aufgeworfen worden, die denen,
welche sich auf Böhmen bezogen, an Wichtigkeit nicht nach
standen. König Sigmund war hiebei nicht weniger betheiligt
als der Papst selbst und kein Verständiger, scheint es mir,
kann es Martin V. verübeln, wenn er die heikele und unan
genehme Angelegenheit, die die Gemüther aufs Aeusserste
erregt hatte, dem Concil zu entziehen suchte, das bei einem
weiteren Eingehen in den Streit noch die längste Zeit hätte
versammelt bleiben müssen, um zuletzt doch im grössten Hader
auseinander zu gehen. Papst Martin suchte eben deshalb wie der
römische König ausserhalb des Concils die Sachen beizulegen.
Er nahm auch den Urheber des Streites, Johann von Falken
berg, mit nach Rom, um durch seine Entfernung den Hader
niederzuhalten, nachdem derselbe, wie Dlugoss behauptet, von
dem Concil zur ewigen Haft verurtheilt worden war, 1 einem
Schicksale, das Johann von Husinetz bevorstand, und dem er
sich durch seine Erklärung: volo mori, ich will sterben, entzog.
Die späteren Schicksale Johannes von Falkenberg, welcher
nach einiger Zeit aus Rom nach Deutschland zurückkehrte,
endlich selbst mit dem Deutschherrenörden in Zerwürfniss
gerietli, bieten kein weiteres Interesse für uns dar. Wichtiger
zur Kenntnissnahme des inneren Verlaufes der Dinge ist, dass,
während in Böhmen die Dinge sich immer mehr zum Bürger
kriege, zur Auflösung aller kirchlichen und politischen Ver
hältnisse anliessen, in Polen der Erzbischof Nicolaus (II. Traba)
von Gnesen bereits 1420 eine grosse Nationalsynode erst in
Vielau, dann in Kalisch mit seinen Suffraganen von Krakau,
Plocz, Posen, Wilna, Breslau und Lublin hielt, um im Ange
sichte der aus Böhmen drohenden Gefahr eine Consolidirung
der Verhältnisse zu erwirken, und zwar auf Grundlage der
von dem Constanzer Concil eingeleiteten Reform. 2 Die Ver-
1 Dlugossus p. 377.
2 Statuta toti provinciae Gnesneusi valentia coudita praeside Nicolao II.
Traba Arcliiepiscopo Gnesnensi in synondo provineiali Vielano-Calisiensi
894
HSflor.
urtheilung des Wicliff, des Johannes Hus, ihrer Anhänger, sowie
des Satzes von der Nothwendigkeit des Laienkelches wurden
an die Spitze gestellt; die Synode regelte die Wahlen der
Prälaten, das Verhältniss zu den weltlichen Gerichten, gab ge
naue Vorschriften in Betreff des Lebens der Geistlichen, ihrer
Kleidung, ihres Zusammenlebens mit Frauenspersonen, über Kauf
und Verkauf, Testamente und Begräbniss, Zehenten und Pa
tronatsrechte, Immunitäten, Fernehaltung der Cleriker und
Mönche von Einmischung in weltliche Geschäfte, Streitigkeiten
und Vergnügungen. Sie regelte die ehelichen Verhältnisse,
trat der Simonie und dem Judenwucher entgegen, wie der
Häresie, wobei namentlich Böhmen in das Auge gefasst wurde, 1
dem Raube, dem Wucher, der Zauberei, und gab so dem Clerus
ein Gesetzbuch, an das er sich in schweren Zeiten halten
konnte. Schon 1423 folgte Bischof Albert Jastrzabiec von
Krakau mit einer Synode nach, 2 welche insbesondere Wesen
und Bedeutung der Sacramente und von diesen in ausführ
licher, der böhmischen Anschauung entgegengestellter Ausein
andersetzung, das Wesen der Eucharistie betonte. Die Synode
regelte das Predigtamt, trat hiebei den Laienpredigten ent
gegen und legte selbst den Grund zu dem weiteren Vorgehen
des berühmten Bischofs Sbigneus Oiesnicki von Krakau und
der Oppositionsstellung, die Polen dem hussitischen Böhmen
gegenüber einnahm.
Polen und Böhmen traten im wichtigsten Momente der
slavischen Geschichte einander feindlich gegenüber und nur
darin fand eine Vereinigung der orthodoxen Polen und schis
matischen Czechen statt, dass sie beide eine Verfolgung der
deutschen Sprache und des deutschen Elementes in Scene
setzten. 3 Das aber war für jeden Tlieil gleich schlimm, da
a° 1420 (Wydawuictwa Komisyi historyczuej akademii umiejetnosei w
Krakowie. K. 6. 1875), Editionem curavit Prof. Dr. Udalrieus Heyzmann.
1 Heyzmann S. 241.
2 Heyzmann S. 60.
3 Jetzt erscheinen Cirulus et Metudus eonfessores als patroni et apostoli
hujus regni (Poloniae) 1436. Heyzmann S. 32. Von grossem Interesse
sind noch die concordata dominorum laicorum cum praelatis ccclesiae
a. 1440 (Ed. Heyzmann S. 53) und der tractatus de natura jurium et
bonorum regis et de reformatione regni ac ejus reipublicae regimine,
ed. M. Bobrzynski (C'racoviae 1877), sowie des clarissimi Baronis Joannis
Abhandlungen aus dem Gebiete der slavischen Geschichte. II.
895
hiedurch ein natürlicher Process in seiner Entwicklung aufge
halten wurde, den die früheren Jahrhunderte eingeleitet hatten,
als die Colonisation der Niederdeutschen nach den Slaven-
ländern durch die der Oberdeutschen einen eigenthümlichen
Gegenhalt erlangte. Flamänder mit niederdeutschem Rechte,
Franken mit oberdeutschem stürzten sich über Böhmen und
Mähren, wie über das Königreich Polen. Vor dem Jahre 1197
ist das deutsche Recht in den böhmischen und mährischen
Territorien ungewohnt und unbekannt. Zweihundert Jahre
reichen hin, es einzubürgern. Das Magdebm’ger Recht, wie
der Schwabenspiegel gewinnen Boden, der Weinbau wird nach
deutscher Sitte gepflegt, nach deutschem Rechte, Purkrecht,
werden Dörfer angelegt. Wo es sich um volkswirthschaftliche
Besserung handelt, werden Deutsche berufen und ihnen ihr
Recht gewährleistet. Die Verwüstungen im Gefolge des Mon
goleneinfalles 1241 begünstigen die deutsche Colonisation in
Ungarn wie in Polen. Die Macht des deutschen Kaiserthums
sinkt seit der Mitte des XIII. JahrhundeHes, aber die Aus
breitung des deutschen Volkes ist im Osten im steten Wachs
thum begriffen. 1 Zu den königlichen Städten in Böhmen ge
sellen sich die befestigten Marktflecken der grossen Herren,
welche die Landleute, die sich dahin begeben, mit grossen
Ostrorog juris ntriusque doetoris monumentum pro comit.iis generalibus
regni snb rege Casimiro pro reipublicae ordinatione congestnm (1477),
gleichfalls von Michael Bobrzynski 1877 herausgegeben. Ich führe zum
Schlüsse aus diesem (§. XXII) eine Stelle an. De concionibus (in) lingua
Alemanorum. O rem indignam, Omnibus Polonis ignominiosam! In
templis nostris lingua Theutonica raultis in locls praedicatur et quod
iniquius in loco suggesto ac digniori, ubi una tantum anus duaeve auscul-
tant, plurimis Polonis in angulo quopiam cum suo concionatore con-
strictis. Qnoniam autem sicut inter quaedam alia fit, ita inter bas duas
linguas natura veluti quandam perpetuam discordiam odiumque
inseruit naturale, hortor ne inPolonia sermo iste praedicetur. Discant Polone
loqui si qui Polonium hahitare contendunt,, nisi adeo stupidi esse volumns
nt vel ab ipsis Alemanis de nostro idiomate idem fieri non pereipiamus.
Quod si utique advenarum gratia tali opus sit concione, id aliquo in
privat.o fiat loco, ubi Polonorum dignitati non officiat. p. 126.
1 Der Codex diplomaticils Poloniae von Rzyszc.zewsky und Muczkowski
(Varsaviae 1848) enthält die zahlreichsten Beispiele über Verleihung des
deutschen Rechtes an die villae teutonicales (II, 1, n. 106. 144. 150.
256. 271, 272 etc. Wuttke, Städtebuch des Landes Posen. I, 186.
896
Hüfler.
Freiheiten begaben. Die geistlichen Orden erwirken für ihre
Städte die Freiheiten des deutschen Rechtes. In Polen be
förderten gerade sie die deutschen Ansiedlungen. Dörfer mit
ganz polnischen Namen erhalten (1223) durch Ziemomysl,
Herzog von Cujavien, das Privilegium des deutschen Rechtes.
Die Könige von Polen wie die von Böhmen verleihen den
Städten das deutsche Recht. Wenn König Casimir 1347 eine
villa bessern will, wandelt er das polnische Recht in das deutsche
um. 1 Krakau, Sendomir, Neumarkt, Korsyn, Plock, Posen, Po-
biedziska, Zdunkow, Sandomirz, Miechow, Sieradz, Kalisch,
Lublin, Slupca, Gneseu, Nakel, Mosyna, Inowraclaw, Brzesc,
Radziezewo genossen schon im XIII. Jahrhunderte die Frei
heiten des deutschen Rechtes. 2 Das Land bedeckte sich mit
dem kleinen flämischen Besitzthum. 3 Ueberall tritt der deutsche
Scultetus auf, dem mit seinen Nachkommen auf ewige Zeiten
gewisse Güter 4 gegeben werden. Das polnische Recht, welches
das deutsche verwirren könnte, wird durch königlichen Be
schluss entfernt. 5 Alle Citationen, wie polnische Palatine, Ca-
stellane, Richter, Unterrichter und ihre Ministerialen werden
dadurch abgethan, der Schultheiss ist der deutsche Richter,
der vor seinem Herrn, oder wenn dieser nachlässig ist in
Ausübung der Gerechtigkeit, vor dem Könige sich zu verant
worten hat. 0
Es ist nun bekannt, welchen Riegel der Ausbreitung pol
nischer Herrschaft nach dem Westen die Erwerbung der Mark
Brandenburg durch Kaiser Karl, wie überhaupt dessen Mass-
regeln in Niederdeutschland, vorschoben. Die Stellung Polens
1 cupientes villas nostri regni meliorare et uberitis locare, villam nostram
dictam Smilovicze de jure polonico in jus teutomcum quod Mägdebur-
gense dicitur quo civitas Brestensis est locata transferert.es perpetuo
duraturum. Cod. dipl. Polon. II, 1, n. 279.
2 Roepel, Gesell. Polens, I, Beilage XIX.
3 agri flamingiti, mansi parvi flamingici, zu 2 Mausen, selbst zu einem.
4 ratione locationis.
5 removentes omnia jura polonicalia modos et consuetudines quae ipsum
jus teutonicum perturbare consueverunt. Urk. König Casimirs für die
villa Orszewice.
6 Die officiales dürfen eine derartige villa gar nicht betreten. Cod. dipl.
n. 319 u. 1378. n. 338 u. 1399.
Abhandlungen aus dem Gebiete der slavischen Geschichte, ir. 897
wird allmälig eine andere. Im Innern aber gehen auch mannig
fache Veränderungen vor. Gegen das Ende des XIV. Jahr-
• hundertes werden die Scultetiae verkauft. 1 Es muss bestimmt
werden, dass die Sculteti im Dorfe wohnen, drei Male im Jahre
ein allgemeines Colloquium (Sprache) halten müssen. Die alten
Privilegien gehen durch die Kriege im Anfänge des XV. Jahr-
hundei'tes allmälig verloren. Der Grundbesitz wechselt durch
Pfand oder Verkauf. Es wird nothwendig, das privilegium
scultetiae zu reformiren. Da findet man in den alten Urkunden
nichts davon, sondern nur, dass die villa begründet worden;
das andere verstand sich von selbst. Platte das Dorf (a pri-
maeva locacione) 41 Mansos an Ackerland, so erhielt der scul-
tetus davon 4 feine Mausen mit einem Theile des See’s. Daraus
scheint eine Art Herrschaft entstanden zu sein, vor welcher
die ursprüngliche Verpflichtung schwand. Doch gewährte noch
immer die Verleihung des deutschen Rechtes Vortheile, die
man durch das polnische nicht erlangte. Als 1412 die Stadt
Grabow gegründet wurde, erhielt sie mit Ausschluss des pol
nischen Rechtes das Magdeburger. Ebenso 1425 Drzowa. 2
Es war aber immer bemerkenswert!), dass das Bürger
thum, wie der freie Bauernstand, dessen Eigenthum und Person
durch Rechtsverleihungen gesichert waren, durch eine fremde
Nationalität getragen war, somit nicht blos etwas Fremdartiges,
Importirtes war und blieb, sondern auch den Fluctuationen
verfiel, die im politischen Leben entstanden. Das Königreich
Polen konnte nicht mit den Deutschherren einen Kampf auf
Leben und Tod bestehen, ohne dass im Innern ein Rückschlag
gegen das Deutschthum erfolgt wäre. Nur erfolgte derselbe,
als die Polen Sieger im Kampfe blieben, nicht in der grellen
Weise, wie dies in Böhmen geschah, wo auf einmal die deutsche
Bevölkerung, in Prag von Haus und Hof vertrieben, zu ver
schwinden beginnt, weil, um das eigene Besitzthum, Habe und
Gut nicht zu verlieren, nur der eine Ausweg übrig blieb, sich
zu czechisiren.
Es war unter diesen Verhältnissen keine Kleinigkeit, dass
die polnischen Bischöfe und Grossen von dem Constanze! -
1 Cod. dipl. n. 323. 1380.
2 Cod. dipl. n. 355. 371. 416. Cod, dipl. civit. Cracov. T. I. n. 88, 91 etc.
898
Hofier.
Concil, welches die Nationen vereinigen sollte, mit dem Stachel
im Herzen nach Hanse kehrten. Der ganze nationale Antago
nismus war zum Vorschein gekommen und wenn in nächster
Zeit eine Partei sich an den Hussitismus — die Erhebung des
exclusiv slavischen Elementes in Böhmen — anschloss, durfte
man, um den Grund dieser Erscheinung sich klar zu machen,
nicht lange Umfrage halten. Es ist eine grosse und bemerkens-
werthe Thatsache, diese Oppositionsstellung, die das slavische
Element am Schlüsse des grossen allgemeinen Reichstages, den
man das Constanzer Concil nennt, in Polen und in Böhmen
einnahm, und dass die grosse kirchliche Versammlung am
schwäbischen Meere wohl eine Annäherung zwischen Romanen
und Germanen anbahnte, aber den Streit zwischen Slaven und
Deutschen, welcher durch did Germanisirung Niederdeutsch
lands beendet schien, jetzt erst in ein deutsches Reichsland
trug, das im XIV. Jahrhunderte die Basis des Kaiserthums
gewesen war, nun aber die Polen auf die Seite der Czechen
zu treiben, sich die Aufgabe zu stellen schien.
Gerade das Concil, welches sich die Pacification der
christlichen Welt zur Aufgabe gestellt hatte, wurde der Aus
gangspunkt des heftigsten Streites zweier christlicher Völker,
die bisher in kirchlichen Dingen auf das Innigste vereinigt
waren.
Abhandlungen aus dem Gebiete der slavischen Geschichte. III.
899
III.
Die Schlacht am Zizkaberge yor Prag.
14. Juli 1420.
Mit Benützung eines bisher unbekannten gleichzeitigen Berichtes.
Das Verdienst, auf die hohe Bedeutung des hussitischen
Geschichtschreibers Laurentius von Brezina hingewiesen und
die Forscher wenigstens mit einem Theile der für die ersten
Kämpfe der Hussiten wichtigen Chronik bekannt gemacht zu
haben, gebührt einem Deutschen, Ludewig, welcher in den re-
liquiis manuscriptorum c. VI, p. 124. 21G einen Theil der
selben, und zwar in einer wenig brauchbaren Weise abdrucken
Hess. Als Palacky seine Würdigung der alten böhmischen
Geschichtschreiber herausgab, erwähnte er eines Papiercodex
als der wichtigsten Handschrift, von welcher andere Abschriften,
die er (Palacky) eingesehen, in späterer Zeit genommen waren.
Von einem in Breslau befindlichen Exemplare habe er nur
mündliche Nachricht, Dobner eine alte Pergamenthandschrift
gekannt. Das ganze Werk, soweit wir es nämlich besitzen, sei
bis auf den heutigen Tag noch nirgends gedruckt worden.
(S. 204—209.)
Da Palacky bei seiner Benützung des Laurentius dem
Codex Univ. Prag. I, S. 10, die von ihm erwähnte Papier
handschrift zu Grunde legte, glaubte ich bei der Herausgabe
des Laurentius dasselbe thun zu müssen. Ich benützte ferner
die in der fürstlich Lobkowitz’schen Bibliothek zu Prag be
findliche Handschrift: magistri Laurentii Brezina chronica Bo-
hemiae ex antiquissimo manuscripto desumtum (Bibi. Principum
de Lobkow. n. 363), wobei man an Dobner’s Pergament
handschrift denken mag, die sich aber noch nicht auffinden
Hess und schwerlich je gefunden wird. Von dem Breslauer
Codex verschaffte ich mir durch Herrn Professor Gindely
Kenntniss und aus ihm stammt das in den Geschichtschreibern
der hussitischen Bewegung B. I, S. 303 abgedruckte prooemium,
wobei der Autor als Laurentius de Brezina bezeichnet wurde.
Sitzungster. d. phil.-hist. 01. XCV. Bd. III. Hft. 58
900
Ho fler.
Nur muss man gänzlich dahingestellt lassen, ob diejenige
Handschrift des Laurentius, welche Palacky für die reichhal
tigste hielt, es auch wirklich ist, wenn auch nicht gezweifelt
werden kann, dass sie von den bisher aufgefundenen die am
besten erhaltene ist. Daneben hat sich aber in der Prager
Universitätsbibliothek noch eine andere gefunden, die, wie ich
nachwies, Vieles enthält, was der bisher benützte Universitäts
codex nicht enthält, somit wirklich die reichhaltigste, leider
auch die am meisten verstümmelte ist. Sie folgt auf eine
andere Chronik, in der es heisst: obiit Serenissimus rex La
dislaus 1457, est clarn suffocatus. Da im Zeugenverhör über
König Ladislaus’ Tod dieser Chronik nicht gedacht wurde, ist
wohl anzunehmen, dass sie Palacky überhaupt nicht kannte.
Freilich hat er auch die Rosenbergische Chronik darin nicht
erwähnt, in der es heisst: intoxicatus (Ladislaus) per Girzi-
konem de Podiebrad gubernatorem regni, worauf noch in Betreff
der neuen Königswahl gesagt wurde: et alii Baron es oportebant
assentire coacti habuitque (Girziko) in praetorio tres tortores
aptos astantes. (Cod. Univ. Prag. XI. D. 8.)
Ob er aber diese Handschrift, ehe ich davon Gebrauch
machte, kannte oder nicht, mir wurde dadurch klar, warum
Franticek Palacky gar so übler Laune wurde, als ich den
Codex XI. D. 8 benützte, während ich mir eher darüber einen
Vorwurf mache, dass ich nicht alle Varianten mittheilte. Pa
lacky selbst hat uns den Laurentius in der Würdigung als
einen ehrlichen Ultracalixtiner vorgeführt, an dem nichts aus
zusetzen ist, als seine Abneigung gegen — die Taboriten. Er
trage, heisst es in der Würdigung, einen nicht geringen Theil
an der Schuld, dass an die Namen der Taboriten und eines
Zizka’s alle Gräuel menschlicher Vorstellungskraft sich an
knüpfen, während es nichts Geschichtswidrigeres gebe (S. 244).
Andere Personen werden sagen, dass Laurentius, der die
Taboriten entstehen sah, ihr Treiben persönlich gewahrte und
wie jede edlere Natur von diesem mit Eckel und Widerwillen
erfüllt wurde, ein zwar sehr lebhaftes, aber auch sehr treues
Bild von ihnen entwarf. Doch davon soll hier nicht weiter die
Rede sein, wohl aber von einer Schlacht, bei welcher wir uns
ganz besonders auf Laurentius stützen müssen und die selbst
zu einem grossen Ereignisse künstlich aufgebauscht wurde. Es
Abhandlungen ans dem Gebiete der slavischen Geschichte. III.
901
ist die Schlacht am Zizkaberge vor Prag, 14. Juli 1420, welche
wir durch einen gleichzeitigen Bericht zu ergänzen vermögen,
der bisher allen Forschern unbekannt war und den ich Herrn
Professor Dr. Pauli in Göttingen verdanke. Ich bringe nun zuerst
auf der einen Seite den Bericht des Laurentius, auf der andern
die Darstellung Franticek Palacky’s und führe nur an, dass
nach dem eigentlichen Kriegsplane erst das Vorwerk auf dem
Galgenberge, das Zizka erbaut hatte, angegriffen und ge
nommen werden sollte, dann aber sollte Prag selbst von dem
Wissehrad im Süden, im Westen von dem Hradschin, und
endlich vom Osten, dem Spitalfelde, somit von drei Seiten an
gegriffen werden, wobei immer noch die Frage blieb, in wie
ferne eine Reiterarmee, und König Sigmunds Heer, das auf
dem linken Moldauufer stand, war nach der schlechten Art
der damaligen Zeit vorzugsweise aus Cavallerie zusammen
gefügt, gegen eine durch Mauern, Thürme, Gräben, Ver
schanzungen aller Art wohlgeschützte und zur Vertheidigung
entschlossene Bevölkerung irgend etwas Nachdrückliches aus
zurichten im Stande war.
Laurentius p. 377. 378.
1. Misnenses vero cum
suis et sibi VII aut VIII milli-
bus junctis equestribus montem
ascendunt cum impetu et tubici-
nis praetactum ligneum inva-
dunt propugnaculum fossatum et
turrim vineae obtinentes et cum
murum ex terra et lapidibus
factum vellent ascendere duae
mulieres cum una virgine et
XXVI forte viris qui pro tune
in propugnando remanserunt
viriliter lapidibus (et cuspidi-
bus. Cod. XI. D. 8) resistentes
defendebant, telis enim et pixi-
dum pulvere carentes. Una
igitur ex praetactis mulieribus
licet inermis virorum vincebat
Palacky.
Als nun die Deutschen
mit einigen tausend Reitern den
Berg von allen Seiten unter
Trompetenklang und grossem
Lärm umringten und sich dort
im Weinberge eines festen
Thurmes im Sturme bemäch
tigten, liess sie Zizka ohne
grossen Widerstand zu dem
neuen Bollwerke herankommen,
in welchem sich 26 Männer,
2 Frauen und ein Mädchen
mannhaft wehrten. Auch Zizka
schwebte zu dieser Zeit in
solcher Gefahr, dass ihn seine
Krieger nur mühsam mit
Dreschflegeln aus den Händen
der Feinde herausschlugen. In
902
Höfler.
animum nolens a loco suo pedem
retrahere, antichristo, inqnit,
non licet Christiano cedere et
sic animose pugnans interfecta
spiritum exhalavit.
2. Ziska quoque veniens
et ipse prostratus esset nisi sui
cum trituris eum de hostium
manibus eruissent. Et cum jam
tota fere civitas de perdi-
tione sua formidaret, orationes
et lacrimas cum parvulis fundens
solum auxilium de coelo prae-
stolabatur.
3. Advenit interim pres-
byter cum corporis Christi sa-
cramento et post eum 50 forte
sagittarii et ceteri rustici in-
ermes cum trituris
4. et statim inimici viso
sacramento et audito campa-
nulae sono magnoque populi
clamore vebementi timore pro-
strati terga vertunt citius fu-
gientes alter alterum cupiens
in cursu praevenire.
5. Quo impetu se conti-
nere non valentes multi de rupe
alta decidentes colla confrin-
gunt plurimis per insequentes
caesis, sic quod spatio unius ho-
rae trecenti fuere interempti
(Cod. XI. D. 8 trecenta) aliis,
letabiliter vulneratis et ab-
ductis.
dem hitzigsten Zeitpunkte, als
schon fast die ganze Stadt an
der Behauptung des B e r g e s (!)
zu verzweifeln begann, stürzte
aus ihren Thoren hinter
einem Priester, der in der Hand
das Allerheiligste trug, eine
Schaar beherzter Krieger und
drang durch die Feinde bis zu
dem Berge, wo sie sich mit
Zizka verband, die Deutschen
angriff, die alsbald in Ver
wirrung gebracht wurden, und
mit solcher Heftigkeit auf sie
losschlug, dass über fünfhun
dert Todte auf dem Schlacht
felde blieben; andere wieder
flüchtend vom Abhange des
Berges sammt ihren Pferden
über einander kollerten, so
dass ihrer eine grosse An
zahl zu Grunde ging.
Der bisher unbekannte Brief, die einzige Mittheilung, die
wir königlicher Seits von der Schlacht haben, lautet in genauer
Wiedergabe:
Abhandlungen aus dem Gebiete der slavischen Geschichte. III.
903
(London, Record office. Gleichzeitige Abschrift.) Copie
d’une lettre envoie a monseigneur de Baviere faite de tyois
en fransoiz depar le Marquis de Misse.
Nostre amiable serwice precedent Hault prince chier
Cousin nous vous fusons savoir pour nouvellez qui cest van-
redy passe sont oncourrues cest assavoir que monseigneur le
roy dez romains envoya les hungrez ver lez heritez lez praga
enpiez les chartreurs et les (des?) dits heritez en occirent plus de
cent, et prirent CLVI. fernes qui avoient rog'niez leur cheveux
come homes et avoient ceinstez espees et pierres en leur mains
et hoseaidz chassiez entre icelles partie furent aize (?) 1
Apres le sainbedy ensuyvant notre dit signeur le roy en-
voia de cez gens ver les diz heritez et illuec furent occis plus
de cinquante ausy lez dis herites ont enfosciez vnne montaigne
les präge et font dez bollewerg et y sont logiez, a quoy mon
seigneur le roy laissa asaillir les gens dautres princez et lez
nostrez et passerent nous gens dens de lour fosseiz et entre-
prirent de gaignier le tier fossei donkez ysserent tant dez
heritez hors de la eite de präge qui adoient ceulz de la mon
taigne, quil covint retraire nous gens et furent fort blissiez et
perderent belcop de lor chevaulz. Et le duc Loys de Brige ait
gaigniet unne tours en la m . . . e 2 eite de Präge et en icelle
priz plus de Cent heritez auctres certaines novelles ne sont
avenues et si aucune autrez sorvenoient nous le vous escriprons
tout le plesir que nous vous porrons faire tous dis le ferons
de boin euer. Escript a chaves devant präge le diemenge apres
saint arnoul.
Ich wende mich, ehe ich das Muster, wie eine Schlacht
nicht beschrieben werden darf, näher untersuche, und vorder
hand nur bemerkend, dass Franticek Palacky die Erschlagenen
gegen den Text und auf eigene Faust von dreihundert über
fünfhundert erhöhte und diesen dann noch, wieder auf dem Wege
der Inspiration, eine grosse Anzahl nachschickte, der gemein
samen Quelle, dem ehrlichen Utraquisten Laurentius zu.
Das kurze Gefecht, denn von einer Schlacht kann ja doch
keine Rede sein, hatte mehrere Momente.
1 arze, verbrannt?
2 Mineure?
904
H ö fler.
Es handelte sieh zunächst darum, das Blockhaus auf dem
Zizkaberge zu erobern. Dieser selbst ist das Gegenstück zum
Hradschin, dem Ausläufer des weissen Berges; er ragt über
die eigentliche Stadt empor, die der Krümmung der Moldau
folgend, zu seinen Füssen liegt, wie die Kleinseite zu den
Füssen des Hradschin. Der Zizkaberg fällt gegen die Moldau
steil ab, lässt zwar nach dem Flusse hin für eine kleine Ebene
Raum, ist aber in seiner Längenstreckung nach dieser Seite
unnahbar, für Reiter geradezu, für Fussgänger nur auf dem
Wege des Kletterns zu erklimmen. Gegen das östliche Thor
der Altstadt senkt sich der Berg etwas und von dieser Seite
allein wird er bestiegen und konnte er bestiegen werden.
Von einer Umringung des Berges, welcher selbst der Aus
läufer eines Höhenzuges ist, kann vernünftiger Weise gar
keine Rede sein. Ein derartiges Unternehmen wäre nicht nur
sinnlos, sondern auch geradezu unmöglich, da es die ganze
Lage und Natur des Berges gar nicht gestattet. Das Blockhaus
war wohl da angelegt, wo noch heute das alterthümliche Ge
bäude steht, mit Mauern und dreifachem Erdwalle versehen
und somit gegen einen Handstreich, der im Angesichte der
Stadt geschehen sollte, wohl verwahrt.
Das erste Gefechtsmoment bestand also darin, einen Theil
des königlichen Heeres von dem linken Moldauufer auf das
rechte zu bringen, wenn das nicht schon geschehen war, und
dasselbe, Meissner — Palacky sagt, wie natürlich, wo es sich
um etwas den Deutschen Nachtheiliges handelt, — Deutsche —
in der Art den Berg erklimmen zu lassen, dass sie hiebei der
Stadt den Rücken kehrten und somit nicht gewahr wurden,
was daselbst vor sich ging. Jetzt erfolgte der Sturm auf das
Blockhaus und, wofern die Reiter nicht ahstiegen und Graben
für Graben stürmten, im blossen Anlauf und durch Reiter
zumal konnte es nicht genommen werden, wohl aber konnte
es eine handvoll Leute gegen die Ritter auf hohen Rossen
vertheidigen. Das ist wohl in der Kriegsgeschichte schon öfter
vorgekominen. Je mehr aber die Ritter in ihren Massen den
langsam sich nach Osten erhebenden Berg hinanstürmten,
desto mehr trennten sie sich von ihrer Rückzugslinie und be
fanden sie sich endlich wie auf einer Erdzunge, von welcher
weder nach rechts noch nach links ein Entweichen möglich
Abhaudlungcm ans dem Gebiete der slavischen Geschichte. III.
905
war 5 vor ihnen auf der Höhe war das Blockhaus, hinter ihnen
die Stadt, seitwärts der steile Abhang, ihre Lage somit der einer
Sackgasse sehr ähnlich. Drängte nun in diesem Augenblicke
aus der Stadt in Folge eines gut geleiteten Ausfalles eine
Masse nach, die den Zugang von der Stadt zu dem Berge
besetzte, so waren die Ritter, welche hinaufgestiegen waren,
wie in einem Sacke gefangen und es blieb ihnen dann kein
anderer Ausweg übrig, als den halsbrecherischen Pfad gegen
das jetzige Karolinenthal herunter zu rasen und zu sehen, wie
sie an dem Anstieg wieder ankamen.
2. In der That erschien jetzt Zizka, um den Seinen auf dem
Berge zu Hülfe zu eilen und das Blockhaus zu retten. Hier
ist Laurentius ungemein kurz. Wir erfahren nur, dass Zizka
selbst umgekommen wäre, hätten ihn nicht die Seinen, d. h. die
taboritischen Bauern, mit ihren eisenbeschlagenen Dreschflegeln
herausgehaut. Das Gefecht ging schief und die Stadt hielt sich
bereits für verloren, nicht die Stadt den Berg.
3. Jetzt trat die Wendung ein. Zizka erhielt aus der Stadt
Unterstützung, und zwar indem die übrigen Bauern — Palacky
sagt, wenn von Zizka’s Schaaren die Rede ist, Krieger —
ceteri rustici, ihrem Führer nacheilten, der offenbar in seinem
kriegerischen Ungestüm mit zu wenig ,Kriegern' den ersten
Ausfall gewagt hatte. Die ceteri rustici sind aber nicht etwa
einige wenige, sondern der ganze Schlachthaufen, über welchen
Zizka verfügte und mit dem er in die Stadt gedrungen war, an
ihrer Vertheidigung Antheil zu nehmen. Inermes waren sie, in
wie ferne sie keine Schutzwaffen hatten, zum Angriffe aber
trugen sie die gefürchteten Dreschflegel, mit welchen sie die
Ritter vom Pferde schlugen, eine Kampfweise, auf die der
Ritter nicht eingerichtet war und mit der er sich nicht abzu
geben verstand. Dazu kamen aber noch, was Palacky aus
lässt, an fünfzig Bogenschützen, die von Weitem ihre tod
bringenden Geschosse auf die Ritter sandten, die verloren
waren, wenn ihre Pferde, verwundet oder getödtet den Reiter
abwarfen, und endlich der Leiter des Ganzen, einer der un
genannten Geistlichen, mit dem Allerheiligsten, wie Palacky
sagt, wobei man sich nur wundern muss, dass diessmal nicht,
wie gewöhnlich, wenn es sich um Blutvergiessen handelte, der
Kelch vorgetragen wurde. Die Krieger stürzten aber nicht
906
Höflor.
dem Priester aus den Thoren der Stadt nach, was ja ge
radezu einen Unsinn in sich schloss, sondern der Ausfall
konnte nur von dem gegen den Berg gerichteten Thore statt
finden. Ausfallende, welche noch dazu ein bestimmtes Kampf
object zu retten haben, pflegen nicht einen weiten Umweg zu
machen, sondern den kürzesten Weg einzuschlagen und auch
dieser beträgt vom östlichen Thore (dem Pulverthurme) bis
zum Zizkaberge eine gute Viertelstunde; in einer Stunde war
aber das ganze Gefecht in seinen verschiedenen Momenten
vorüber.
Augenscheinlich war jetzt der Zeitpunkt zum combinirten
Angriffe auf die Kleinseite, auf die Neustadt, wie auf die Alt
stadt gekommen. In Prag fühlte man die Gefahr, welche
drohte, vollkommen; alle Glocken ertönten. Nicht ein Taborit,
der mit dem Kelche gekommen wäre, ein presbyter cum cor
poris Christi sacramento, ein czechischer Geistlicher hatte
sich an die Spitze des Ausfalles gestellt und als nun die gegen
das Blockhaus vorrückenden Ritter rückwärts blickten, das
ungeheuere Getöse, den Glockensturm vernahmen, musste sich
bei ihnen die gerechte Besorgniss einstellen, durch den Ausfall,
an welchem die ganze Stadt Theil zu nehmen schien, die
einzige Rückzugslinie verlegt zu sehen. Wäre damals ein
ordentlicher Feldhauptmann an der Spitze der Meissner ge
standen, so hätte er einen Theil seiner verfügbaren Streit
kräfte dem Ausfall gegenüber gestellt und in dichten Reihen
aufreitend ihn zurückgeworfen und in die Stadt getrieben. So
aber ohne gehörige Führung und als auch der combinirte
Angriff auf die verschiedenen Stadttheile nicht stattfand, trat
ein, was bei kopflosen Unternehmungen einzutreten pflegt,
panischer Schrecken, verwirrte Flucht, das sauve qui peut, um
so rasch als möglich über den Berg herunter zu kommen und
dem Sacke zu entrinnen, ehe derselbe zusammen geschnürt
wurde. Das war freilich ein wunderbarer Triumph (facto mi-
raculoso de hostium triumpho), zugleich aber auch etwas un
endlich Einfaches und Natürliches.
Damit vergleiche man nun das Bild, das Franticek Pa-
lacky enthüllt. Als die Deutschen angriffen, umringten sie den
Berg von allen Seiten, was geradezu komisch ist, unter Trom
petenklang und grossem Lärm; als die Prager ausfalleu, machen
Abbaudlungen aus dem Gebiete der slavischen Geschichte. III.
907
sie keinen, man hört nicht einmal das Stürmen der Glocken,
noch viel weniger das grosse Geschrei des Volkes, das heraus
stürmt; das audito campanulae sono magnoque populi clamore,
welches Verwirrung und Schrecken unter die Kitter trägt, ist
für Palacky nicht vorhanden. Eine Schaar beherzter Krieger
drängt durch die Feinde bis zu dem Berge, wo sie sich
mit Zizka verband, die Deutschen angriff — nachdem sie
durch die Feinde, nämlich die Deutschen gedrungen sind,
greifen sie dieselben an; alsbald werden diese in Verwirrung
gebracht. Die Schaar beherzter Krieger schlug aber mit solcher
Heftigkeit auf die Deutschen, dass über fünfhundert Todte auf
dem Schlachtfelde blieben — Laurentius sagt CCC, d. h. drei
hundert. Es genügt aber Palacky nicht aus den dreihundert,
fünfhundert zu machen, jetzt kollern erst noch Pferde und
Reiter übereinander, so dass ihrer eine grosse Anzahl zu
Grunde ging.
Das ist wirklich weniger Zizka’s als Palacky’s Schlacht
und der Berg, an oder auf welchem diese stattfand, trägt sehr
uneigentlich Zizka’s Namen! Dieser war jedoch klug genug,
am andern Tage, offenbar eine Erneuerung des Angriffes
füx-chtend, das Blockhaus mit neuen Befestigungen zu ver
sehen, es uneinnehmbar zu machen. Die Masse aber erfreute
sich an dem Gedanken, dass ein Bauernsieg erfochten worden
sei. Nicht Krieger, wie Palacky darstellt, hatten mit den Rittern
gefochten, sondern die rusticana gens, wie Laurentius aus
drücklich hervorhebt, und die armen Bauern in der Umgebung
Prags mussten es jetzt schwer büssen, dass Bauern mit Rittern
gekämpft und diese zurückgeworfen hatten. Trägt denn doch
die liussitische Bewegung durch und durch das Gepräge einer
socialen Erhebung, der czechischen Handwerker in der Neustadt
gegen den vermöglichen (deutschen) Bürger der Altstadt, der
Bauern gegen den Adel, der Bürger und des Adels gegen den
besitzenden Clerus. Sie ist nur ein Glied im grossen Ganzen der
von Westeuropa, Frankreich, England und den Niederlanden
ausgehenden Erhebung der niederen Stände gegen die höheren,
Wat Tylers, der Jacquerie, der Artevelde. An die Jacquerie
schloss sich die Praguerie an, wie Commines die Sache nennt,
freilich in einem Sinne, der so ziemlich dem Shakespeare’schen
,Viel Lärmen um Nichts' gleich kommt, während die umfassende
908
Hö fl er.
Säcularisation der Kirchen- und Klostergüter und die syste
matische Beraubung der deutschen Bürger in Prag, denen man
ihre Häuser, Keller, Weinberge, Felder wegnahm, ein eigen-
thümliches Licht auf die civilisatorische Idee warfen, für
welche angeblich die Hussiten kämpften.
Es ist nun zu bemerken, dass in Bezug auf die Schlacht
am Zizkaberge bisher nur der Bericht eines Utraquisten vor
lag, aus welchem in mehr als seltsamer Weise eine Schlacht
zusammengestellt wurde, während es sich um ein Gefecht
handelt, das nur deshalb von Bedeutung wurde, weil in Folge
desselben die Unmöglichkeit eintrat, Prag von der Seite zu
nehmen, von welcher es einst König Heinrich III. genommen,
von seiner schwächsten Seite.
Es kömmt nun das Schreiben aus dem deutschen Lager
in Betracht, das von dem Markgrafen von Meissen an den
Herzog von Baiern gerichtet und aus dem Deutschen in das
Französische übersetzt nach England geschickt wurde. Es lautet:
Unsern freundlichen Dienst zuvor. Hochgeborner Fürst,
lieber Oheim. Wir thun euch zu wissen die Neuigkeiten, die
seit letztem Freitag sich zugetragen haben (12. Juli), zu wissen,
dass unser Herr, der römische König, die Ungarn gegen die
Häretiker nach Prag bei der Karthause (entbot), und die ge
nannten Hussen, 1 sie tödteten von ihnen mehr als 100 und fingen
156 Weiber, die ihr Haar wie die Männer rund abgeschnitten,
Schwerter umgehängt und Steine in ihren Händen hatten, Hosen
und Männerstiefel, von diesen wurde ein Theil (verbrannt?!).
Nach dem folgenden Samstag sandte unser genannter
Herr der König von diesen Leuten gegen die Häretiker und
wurden mehr als 50 getödtet. Auch haben die Häretiker einen
Berg (bei) Prag befestigt und machen Bollwerg und setzen
sich dort fest, 2 weshalb sie unser Herr, der König, durch die
Leute der andern Fürsten und die unsern angreifen liess und
diese Leute drangen in einige Gräben und versuchten den
dritten Graben zu nehmen, da kamen so viele Häretiker aus
der Stadt Prag, die denen auf dem Berge halfen, dass sich
1 Ich möchte nicht zweifeln, dass es eigentlich heissen soll: und sie (die
Ungarn) tödteten von den erwähnten Häretikern.
2 Auch mit dem Sinn: unter Zelten campiren, wie mir Herr Prof. Cornu
mittheilt, der so freundlich war, die Uebersetzung zu revidiren.
Abhandlungen aus dem Gebiete der slavischen Geschichte. III
909
unsere Leute zurückziehen mussten und wurden schwer ver
wundet und verloren viele von ihren Pferden. Und der
Herzog' Ludwig von Burg gewann einen Thurm in (???) 1 von
Prag und in diesem fing er mehr als 100 Häretiker. Andere
Neuigkeiten sind nicht vorgekommen, und wenn einige Vor
kommen, so werden wir sie euch schreiben, um des Ver
gnügens, das wir euch machen und das thun wir ymer gerne.
Geschrieben in Chaves (?) vor Prag, Sonntag nach Sanct
Arnulf (21. Juli 1420).
Offenbar legte man deutscher Seits dem Gefechte als
solchem wenig Bedeutung zu. Strategisch war es aber von
Wichtigkeit, dass der Verkehr Prags nach dem Osten nicht
gehemmt, die Einschliessung somit nicht vollständig wurde.
Dass unter dem von dem Herzoge von Brieg genomme
nen Thurm der Thurm des Bollwerkes zu verstehen sei und
hundert Vertheidiger dabei gefangen wurden, wird wohl nicht
angenommen werden dürfen. Hingegen ist es von Wichtigkeit,
zu erfahren, dass die Stürmenden bereits bis zum dritten
Graben vorgedrungen waren, als das Gefecht in ihrem Rücken
begann und sie zur Flucht genöthigt wurden. Dadurch werden
die Angaben des Laurentius eigenthümlich commentirt. Er
hat offenbar Mehreres verschwiegen. An die Stelle der drei
hundert erschlagenen Deutschen tritt jetzt eine bedeutende
Zahl getödteter Rosse, von denen wohl eine Anzahl den von
Palacky vergessenen Bogenschützen erlag und der grössere Theil
bei dem Heruntersetzen über den steilen Abhang zu Grunde
ging. Abgesehen davon war es in jenen Tagen Tactik, vor Allem
den Pferden der schwergewappneten Ritter zu Leibe zu gehen,
und waren einmal jene getödtet, so war der Ritter wehrlos
gemacht und die Schlacht verloren. Das war der Kunstgriff
gewesen, dessen sich schon 1322 die Baiern bei Ampfing gegen
die Oesterreicher bedient hatten. Die grossen Siege der
Engländer über die Franzosen wurden aber wesentlich durch
die englischen Bogenschützen gewonnen, die aus gedeckter
Stellung, namentlich Wagenburgen, ihre tödtlichen Geschosse
entsandten. Auch diese fehlten hiebei nicht.
inineure, majeure ? ?
910
Höflor.
Das Gefecht auf der Witkowaren 1 war nur in seiner
Wirkung- von Bedeutung, da es als Teutonicorum inopinata
strag-es galt, 2 und dann, weil König Sigmund durch Nicht
einnahme des Blockhauses auf dem rechten Moldauufer keinen
festen Stützpunkt gegen Prag- besass, den entlegenen Wissehrad
ausgenommen. Wurde aber das,Bollwerk* erobert, dann war Prag
von drei Seiten bedroht, dem Falle nahe und auch das blutige
Gericht nahe, das König Sigmund damals im Falle seines
Sieges über die Häretiker zu verhängen gedachte. Statt dessen
erfolgte in Prag am 22. Juli der Epilog des Dramas vom 14.
Die Taboriten drangen in Verbindung mit den Pragern in das
Magistratsgebäude und verlangten Auslieferung der Gefangenen,
um sie zu verbrennen. Bereits hatten sich diese — ihr Leben
zu retten — dem Utraquismus, den man in Prag als ,die
Wahrheit' bezeichnete, zugewendet. Die von den Leitern der
Stadt widerwillig ausgelieferten, sechzehn an der Zahl, wurden
vor die Stadt geführt, im Angesichte des deutschen Heeres
in Fässer gesteckt, in diesen verbrannt. Es ist bezeichnend,
dass Palacky bei der Erzählung dieser Gräuelthat verschweigt,
dass die Unglücklichen bereits übergetreten waren: ad veri-
tatem accesserant. 3 Sie konnten dadurch ihr Leben nicht retten.
1 Laurentius p. 375.
2 1. c. p. 380.
3 Laurentius gibt S. 366 bei der Union der Prager mit den benachbarten
Städten die Grundlage der nachherigen vier Prager Artikel. Hiebei
verpflichten sich diese: simoniam avaritiam dotationem pompamque et
alias cleri ipsius deordinationes zu zerstören. Palacky hielt es nicht für
nothwendig, der Abschaffung der Dotation, gerade das Wichtigste, zu
erwähnen. Wo er auf die vier Artikel zu sprechen kommt und es in dem
Texte heisst: quod verbum Dei per regnum Boliemiae libere et sine im-
pedimento Ordinate a sacerdotibus Domini praedicetur, lässt er das Or
dinate aus, was, wie natürlich, der Stelle einen ganz anderen Sinn
gibt. Im zweiten Punkt heisst: Omnibus Christi fidelibus nicht allen
getreuen Christen, sondern allen Christgläubigen. Den dritten Artikel
gibt Palacky so: Da viele Priester und Mönche in weltlicher Weise
über vieles irdisches Gut herrschten, gegen Christi Gebot und zum Ab
bruche ihres heiligen Amtes, sowie zum Nachtheile der weltlichen Stände,
dass solchen Priestern diese ordnungswidrige Herrschaft genommen und
eingestellt werde, und dass sie gemäss der heiligen Schrift muster
haft leben und zum Wandel Christi. — Bei Laurentius lautet er: quod
dominium saeculare super divitiis et bonis temporalibus, quod contra
Abhandlungen ans dem Gebiete der slavisclien Geschichte. III.
911
Bereits hatten sich die Revolution, die Plünderung der Kirchen
und der Privatwohnungen, Mord und Schreckensscenen mit
der kirchlichen Reform verbunden, war diese dadurch alles
ethischen Grundes beraubt, ehe sie in das Leben trat, schon
gehaltlos geworden. Was nützten da die vier Prager Artikel
von geordneter Predigt, von Aufhebung des kirchlichen Domi-
niums? Gleich anfänglich war die Spaltung zwischen den
Pragern und den Taboriten eingetreten und hatte somit die
sogenannte hussitische Bewegung einen Riss erhalten, der mit
jedem Jahre mehr klaffte. Und als nun dazu die Bekämpfung
von Aussen sich gesellte, Böhmen in der nächsten Zeit um
sein Dasein kämpfte, aus der Defensive in die mit Mord und
Brand erfüllte Offensive überging, war von einer Reform
vollends keine Rede. Man hing sich mit aller Gewalt an den
Utraquismus und als er errungen war, zeigte sich erst, dass
man nicht wusste, was man mit ihm anfangen sollte. Man hatte
die Deutschen vertrieben, dafür aber die schlimmste innere
Spaltung geerntet, ganz Böhmen — Cechia — zerfiel in zwei
Theile, die sich grimmig hassten, die sub una und sub utraque.
Der nationale Dualismus hatte einem anderen noch schlimmem
Platz gemacht, der dann zuletzt doch zur Rückkehr der Deut
schen und selbst zur Beseitigung des dominium saeculare des
einheimischen Adels führte. Es ist ein Kreislauf in dieser
czechischen Bewegung! Was im fünfzehnten Jahrhunderte
gegen den Clerus und gegen die Deutschen gebraut worden
war, kehrte sich im siebenzehnten gegen den Adel, der von
praeceptum Christi clerus occupat, in praejudicium sui officii et damnum
brachii saecularis, ab ipsis aufferatur et tollatur et ipse clerus ad re-
gulam evangelicam et vitam apostolicam qua Christus vixit cum apostolis
reducatur. — Die Uebersetzung Palacky’s entstellt den Sinn geradezu,
der Artikel enthielt ein Einlenken in die Anschauungen des XIV. Jahr
hunderts und der Fratricellen und bezog sich nicht auf viele Priester
und Mönche, sondern auf den ganzen Clerus und dessen Besitzthum,
respective Eigenthum. Er ist eine Erläuterung des obenangeführten
Beschlusses der Wegnahme der dotatio. Palacky hat somit weder die
Tragweite noch den Sinn dieses Artikels verstanden, somit gerade das,
was im Hussitismus das Bezeichnende ist, missverstanden und demselben
somit eine ganz andere Bedeutung untergebreitet. Seinen deutschen
Nachbetern aber, ist es nicht eingefallen, einen willkürlichen Text mit
dem Original zu vergleichen und die Worte in ihrem historisch ge
gebenen Sinne aufzufassen.
912 Ilöfler, Abhandlungen ans dem Gebiete der slaviscben Geschichte. III.
der Bewegung der Massen nur Vorth eile für sich gezogen,
jene im Standesinteresse ausgebeutet hatte. Alles war ihm
dienstbar geworden. Er verfügte über das Königthum nach
Belieben, setzte Einen der Seinigen 1457 ein, schloss die
Habsburger aus, setzte Rudolf H. ab, beseitigte Ferdinand II.
und erhob Friedrich von der Pfalz. Er that, was er wollte,
bis das Geschick auch ihn erreichte, freilich dann auch das
czechische Volk, das ihm blindlings verfallen war.
XXV. SITZUNG VOM 3. DECEMBER, 1879.
Herr Dr. Franz Martin Mayer in Graz sendet Unter
suchungen über die österreichische Chronik des Matthäus oder
Gregor Hagen' ein.
Die Abhandlung wird der historischen Commission über
geben.
Herr Johann Freiberger in Messern überschickt eine
Abhandlung unter dem Titel: ,Der Nachfolger des Papstes
Gregor VH. Victor III.‘ mit dem Ersuchen um ihre Veröffent
lichung in den akademischen Schriften.
Die Vorlage wird einer Commission zur Begutachtung
überwiesen.
An Druckschriften wurden vorgelegt:
Academie royale des Sciences, des Lettres et des Beaux-Arts de Belgique:
Bulletin. 48 c Annee, 2 e Serie. Tome 48. Nrs. 9 et 10. Bruxelles, 1879; 8°.
Akademie der Wissenschaften, k. bairische zu München: Sitzungsberichte
der philosophisch-philologischen und historischen Classe. 1879. Heft IV.
München; 8°.
Biker, Julio Firmino Judice: Supplemento ä Colleci;ao dos Tratados, Con-
ven^oes, Contratos e Actos publicos celebrados entre a Coroa de Portugal
e as mais potencias desde 1840. Tomo XIV, XV, XVI et XVIII. Lisboa,
1878/79; 8°. — Memoria sobre o Estabelecimento de Macau. Lisboa,
1879; 8°. — Documentos ineditos para subsidio h Historia ecclesiastica
de Portugal. Lisboa, 1875; 4°.
Sitznngsber. d. pkil.-hjst. CI. XCV. Pd. IV. Oft. 59
916
Central-Cominission, k. k. statistische: Statistisches Jahrbuch für das
Jahr 1876. III. und IV. Heft. Wien, 1879; 8».
Institute, the Anthropological, of Great Britain and Ireland: The Journal
Vol. IX. Nr. 1. London, 1879; 8°.
Mittheilungen aus Justus Perthes’ geographischer Anstalt von Dr. A. Peter
mann. 25. Band, 1879. XI. Gotha, 1879; 4°.
,Revue politique et litteraire 1 et ,Revue scientifique de la France et de
l’Btranger 1 . IX e Annee, 2 C Serie. Nr. 21 et 22. Paris, 1879; 4°.
Societe des Sciences de Nancy: Bulletin. Serie II. Tome IV. Fascicule VIII.
XP Annee. 1878. Paris, 1878; 8».
Society, the royal geographical: The Journal. Vol. XLVIII. 1878. London; 8°.
— and monthly Record of Geography: Proceedings. Vol. I. Nr. 11. Novem
ber, 1879. London; 8°.
— the American philosophical: Proceedings. Vol. XVIII. Nr. 102. July to
December 1878. Philadelphia, 1878; 8°.
Verein, militär-wissenschaftlicher, in Wien: Organ. XIX. Band. 4. Heft.
1879, Wien; 8».
XXVI. SITZUNG VOM 10. DECEMBEß 1879.
Von dem Geheimrath und Reichsarchiv-Director Herrn
Dr. Franz von Löher in München wird der IV. Band seiner
,Archivalischen Zeitschrift' ein gesendet.
Von dem w. M. Herrn Dr. Pfizmaier wird eine für
die Sitzungsberichte bestimmte Abhandlung: /Die Sammelhäuser
der Lehenkönige China’s' vorgelegt.
An Druckschriften wurden vorgelegt:
Academie imperiale des Sciences de St.-Petersbourg: Memoires (Zapiski).
Tome XXXII. Nr. 1 et 2. St. Petersbourg, 1878; 8°. Tome XXXIII et
XXXIV. St.-Petersbourg, 1879; 8°. — Concilium Constantiense MCDXIV—
MCDXVIII. St.-Pdtersbourg, 1874; gr. 4°.
Aeeademia, E. della Crnsea: Atti. Adunanza publica del 7 die Settembre
1879. In Firenze; 8°.
Akademie der Wissenschaften, königlich preussische, zu Berlin: Monats
bericht. Juli und August 1879. Berlin; 8°.
Gesellschaft, antiquarische, in Zürich: Mittheilungen. Band XX. Abthei
lung I, Heft 2. Zürich, 1879; 4°.
— deutsche, für Natur- und Völkerkunde Ost-Asiens: Mittheilungen. 12. und
18. Heft. Yokohama, 1877-1879; 4°.
— allgemeine geschichtforschende, der Schweiz: Jahrbuch für Schweizerische
Geschichte. IV. Band. Zürich, 1879; 8°.
59*
918
Heidelberg, Universität: Akademische Schriften pro 1878/79. 12 Stiiek 8°u. 4°.
Henry, James: Aeneidea, or critical, exegetical and aesthetical remarks on
the Aeneis. Vol. II. Dublin, 1879; 8°.
Yuynboll, A. W. T.: Jus Shafiitieum. At-Tanbih auetore Abu Ishäk As-
Shiräzi. Lugduni Batavorum, 1879; 8°.
Mittheilungen, archäologisch-epigraphische, aus Oesterreich, Jahrgang III,
Heft 2. Wien, 1879; 8«.
,Revue politique et litteraire 1 et ,Revue seientifique de la France et de
l’Etranger 1 . IX e Annee. 2 e Serie. Nr. 23. Paris, 1879; 4°.
Rivet-Carnac, J. II. Esq.: Archaeological Notes on ancient sculpturings
on rocks in Kumaon, India similar to those found on Monoliths and Rocks
in Europe. Calcutta, 1879; 8°. Rougli Notes on the Snake Symbol in
India in Connection with the worship of Siva. Calcutta, 1879; 8°. Pre-
historic remains in Central-India. Calcutta, 1879; 8°.
Society, the Asiatic of Japan: Transactions. Vol. VI, part III. Yokohama,
Shanghai, London, New-York, 1878; 8°. Vol. VII, parts 1—3. Yokohama,
Shanghai, London, New-York, 1879; 8“.
Zeitschrift, archivalische, von Dr. Franz von Löher. IV. Band. Stuttgart,
1879; 8».
Pfizmaier. Die Sammelhäuser der Lehenkönige China’s.
919
Die Sammelliäuser der Lelienkönige Cliina’s.
Von
Dr. A. Pfizmaier,
wirkl. Mitgliede der k. Akademie der Wissenschaften.
A m Schlüsse der in dem Buche der Thang enthaltenen
Nachrichten von den zahlreichen damals bestandenen Aemtern
findet sich als Ergänzung noch ein Buch, welches von den
Aemtern der Sammelhäuser der Könige und von den äusseren
Aemtern handelt.
Die Könige (A. wang), von welchen seit den Zeiten der
Han die Rede ist, sind eigentlich Lehenkönige und beinahe
ausschliesslich Verwandte, Brüder oder Söhne des Himmels
sohnes, wobei auch die in Lehen eingesetzten Kaisertöchter
mitgezählt werden.
,Sammelhaus' fu) ist der Ort, an welchem die Schriften
und Urkunden eines Reiches oder eines Landstriches gesammelt
und aufbewahrt werden. Es ist der Hauptsitz der Verwaltung
der Lehen oder Landstriche.
Die äusseren Aemter sind die nicht zu dem Hofe ge
hörenden, sondern für die Landstriche besonders geschaffenen
Aemter. Dieselben werden mit Angabe der im Laufe der
Zeiten vorkommendenVeränderungen, der bisweilen wechselnden
Namen und der betreffenden Verrichtungen ausführlich dargelegt.
Nebst der Wichtigkeit des Gegenstandes selbst hatte der
Verfasser die seit den Büchern der späteren Han ohne alle
Erklärungen veröffentlichten Geschichtsschreiber, in welchen
die hier verzeichneten Namen überall eingemengt sind und
Dunkelheit, selbst Unverständlichkeit verursachen, im Auge,
wodurch, wie in zwei früheren Arbeiten, zur Lösung von
Schwierigkeiten dieser Art wesentlich beigetragen sein dürfte.
920
Pfizmaier.
Für die gewöhnlich sehr zusammengesetzten und eigen
tümlichen Namen wurde, wie bereits an einem Orte gesagt
worden, nicht die Aufstellung allenfalls gleichartiger, in Europa
gebräuchlicher Namen versucht, sondern, zum Theil auf Grund
der Vorgefundenen näheren Andeutungen, eine möglichst genaue
Uebersetzung des chinesischen Ausdrucks geliefert.
Die öfters beobachteten Wiederholungen beziehen sich
zwar auf Angestellte derselben Benennung, aber aus verschie
denen Abtheilungen, mit verschiedenen Verrichtungen, in ver
schiedener Anzahl und von verschiedenen Rangclassen.
Die Obrigkeiten der Samiuelkäuser der Könige.
(EE ifj Wcmg -fu-kuan.)
Fu ,der Hinzugegebene'. Derselbe ist ein Einziger
und gehört zu der nachfolgenden dritten Classe.
Dieser Würdenträger befasst sich mit der Stützung, mit
der Berichtigung der Fehler und Irrthümer.
Thse-i thsan-kiün s-se ,der fragende
und berathende an den Sachen des Kriegsheeres Theilnehmende'.
Derselbe ist ein Einziger und gehört zu dem oberen Theile der
richtigen fünften Classe.
Dieser Würdenträger befasst sich mit den grossen Ent
würfen und den Sachen der Berathung.
Yen ,der Freund'. Derselbe ist ein Einziger und ge
hört zu dem unteren Theile der nachfolgenden fünften Classe.
Dieser Würdenträger befasst sich mit Aufwarten an den
Orten der Wanderungen, mit Bemessen und Belehren über das
Angemessene des Weges.
Sse-tö ,Aufwartende für das Lesen!. Dieselben
sind von keiner bestimmten Zahl.
Wen-hiÖ ,der Angestellte des Lernens des Schrift
schmucks'. Derselbe ist ein Einziger und gehört zu dem oberen
Theile der nachfolgenden sechsten Classe.
Dieser Würdenträger befasst sich mit der Vergleichung
der Vorbilder und Schrifttafeln, mit Aufwarten und Begleiten.
Die Sammelhäuser der Lehenkönige China’s.
921
X I M 55 (Fl + j ^ yjSj Wen-tschang tung-si-
ko tsi-thsieu ,der Opferer des Weines von dem östlichen und
westlichen kleinen Thore des Schriftschmucks'. Derselbe ist
je Einer und gehört zu dem oberen Theile der nachfolgenden
siebenten Classe.
Dieser Angestellte befasst sich mit der ehrenvollen Be
handlung der weisen und vortrefflichen Männer und mit der
Führung der Gäste.
Die Aemter von dem Opferer des Weines (tsi-thsieu) auf
wärts sind königliche Aemter.
In dem Zeiträume Wu-te (618 bis 626 n. Chr.) wurden
eingesetzt:
m Sse ,der Lehrmeister'. Derselbe war ein Einziger.
Tschang-sse beständige Aufwartende' zwei.
nm Sse-lang ,aufwartende Leibwächter' vier.
& A Sclie-jin ,Hausgenossen' vier.
Ngö-tsche ,zum Besuche Anmeldende' zwei.
Sche-jin ,Hausgenossen' nochmals zwei.
Der fragende und berathende an den Sachen des Kriegs
heeres Theilnehmende (thse-i thsan-kiün-sse) und der Freund (yeu)
gehörten beide zu dem unteren Theile der richtigen fünften Classe.
Die Angestellten des Lernens des Schriftschmucks (wen-
hio) und der Opferer des Weines (tsi-thsieu) gehörten zu dem
unteren Theile der richtigen sechsten Classe.
Zu den Zeiten der Kaiser Kao-tsung und Tschung-tsung
war der älteste Vermerker (tschang-sse) des Sammelhauses des
Königs von >|jj Siang bei dem Vorgesetzten und Gehilfen (tsai-
siang mit inbegriffen.
Die Sammelhäuser der Könige von ||| Wei, ||| Yung
und Wei waren in dem Amte des obersten Buchführers
(schang-schu) mit inbegriffen.
Die Könige von Siü und Han waren stechende
Vermerker (thse-sse). Die Aemter ihres Sammelhauses waren
den äusseren Aemtern gleich. Ihre Ausgaben und Aussichten
wurden immer geringer.
Vor dem Zeiträume Yung-tschün (682 n. Chr.) wurde,
wenn der König noch nicht aus dem kleinen Thore getreten
war, kein Sammelhaus eröffnet.
922
Pfizmaier.
Im zweiten Jahre des Zeitraumes Thien-scheu (691 n. Chr.)
setzte man Obrigkeiten des Sammelhauses des kaiserlichen
Enkels ein.
Die Söhne des Kaisers Hiuen-tsung traten häufig nicht
aus dem kleinen Thoi'e. Die königlichen Aemter wurden immer
unbedeutender und ihre Zahl wurde auch verringert.
Im zweiten Jahre des Zeitraumes King-yün (711 n. Chr.)
veränderte man den Namen sse ,Lehrmeister' zu fu ,Hinzu
gegebener'. Im zweiten Jahre des Zeitraumes Ivhai-yuen (714
n. Chr.) schaffte man diesen Würdenträger ab. Unvermuthet
setzte man ihn wieder ein. Man schaffte die beständigen Auf
wartenden (tschang-sse), die aufwartenden Leibwächter (sse-lang),
die zum Besuche Anmeldenden (Ichie-tsche) und die Hausge
nossen (sche-jin) ah.
Im ersten Jahre des Zeitraumes Khai-tsch’ing (836 n. Chr.)
veränderte man den Namen ,der Aufwartende für das Lesen
der Könige' (tscliil-wang sse-tö) zu ^ fung
tschü-ivang Jciang-tÖ ,der den Königen die Erklärung des Lesens
Darbietende'. Im Anfänge des Zeitraumes Ta-tschung (847
n. Chr.) kehrte man wieder zu der alten Benennung zurück.
j£* Tschang-sse ,der älteste Yermerker'. Derselbe ist
ein Einziger und gehört zu dem oberen Theile der nachfolgenden
vierten Classe.
H) J§ Sse-ma ,der Vorsteher der Pferde'. Derselbe ist
ein Einziger und gehört zu dem unteren Theile der nach
folgenden vierten Classe.
Diese Würdenträger befassen sich mit der Leitung der
Genossen des Sammelhauses und der Anordnung der Ver
richtungen und Bestrebungen.
( ~^t) Tuen .der Zugesellte'. Derselbe ist ein Ein
ziger und befasst sich mit der durchgängigen Beurtheilung der
Sachen des Richters der Verdienste (# w kung-thsao), des
Richters der Scheunen ^ thsang-thsuo) und des Richters
der Thüren (J3 ^ hu-tksao).
Schö ,der Zugetheilte'. Derselbe ist ein Einziger.
Die obigen Angestellten gehören zu dem oberen Theile der
Die Samraelhäuser der Lelienkönige China’«.
923
cles Richters der Vorschrift (8?
der vorzüglichen Männer (± 1
richtigen sechsten Classe. Sie befassen sich mit der durch
gängigen Beurtheilung der Sachen des Richters der Waffen
( JL ping-tlisao), des Richters der Reiter (^ TR) khi-thsao)',
p fä-thsao) und des Richters
sse-thsao).
i Tschü-pu ,der Vorgesetzte der Register'. Derselbe
ist ein Einziger und befasst sich mit der Untersuchung der
Bücher der verschlossenen Abtheilung und mit den belehrenden
V erzeichnungen.
grj* -jf ^ jja J|j. Ki-schl thsan-kiün-sse ,die das innere
Haus berechnenden und an den Sachen des Kriegsheeres Theil-
nehmenden'. Dieselben sind zwei und befassen sich mit Denk
schriften, eröffnenden Büchern und weiteren Erklärungen.
]J|. ijf Lö-sse thsan-kiünsse ,der die Sachen
Verzeichnende und an den Sachen des Kriegsheeres Theilneh-
mende'. Derselbe ist ein Einziger.
Die obigen Angestellten gehören zu dem oberen Theile
der nachfolgenden sechsten Classe. Sie befassen sich mit der
Hinzufügung der Sachen und mit der vorläufigen Untersuchung
der Aufzeichnungen der verschlossenen Abtheilungen.
1^. Lö-sse ,der die Sachen Verzeichnende'. Derselbe
ist ein Einziger und gehört zu dem unteren Theile der nach
folgenden neunten Classe.
Xjj ßf j|f i|j. Rung-thsao thsan-kiün-sse ,der Richter
der Verdienste und an den Sachen des Kriegsheeres Theil-
nehmende'. Derselbe befasst sich mit den Registern und Büchern
der Obrigkeiten der Schrift, mit Untersuchen, Prüfen und
Hinstellen.
Thsang-thsao thsan-kiün-sse ,der Richter der Scheunen
und an den Sachen des Kriegsheeres Theilnehmende'. Der
selbe befasst sich mit Verleihungen des Gehaltes, mit der
Küche und den Speisen, mit Herauskommen und Hereinbringen,
mit Tauschhandel auf dem Markte, mit Feldbau, Fischfang,
Futtergras und Stroh.
J=T Hu-thsao thsan-kiün-sse .der Richter der Thüren und
mit den Sachen des Kriegsheeres sich Befassende'. Derselbe
befasst sich mit den Knechten der zu einem Lehen gehörenden
Thüren des Volkes und den Orten, zu welchen mit Wurf
pfeilen und jagend gegangen wird.
924
Pfizmaier.
Ping-ihsao thsan-kiün-sse ,der Richter der Waffen und
an den Sachen des Kriegsheeres Theilnehmende*. Derselbe
befasst sich mit den Registern und Büchern der Obrigkeiten
des Krieges, mit Untersuchen, Prüfen und den vorläufigen
Abgesandten der angemessenen Leibwache.
|p| Khi-thsao thsan-kiün-sse ,der Richter der Reiter und
an den Sachen des Kriegsheeres Theilnehmende*. Derselbe
befasst sich mit den Ställen, Hirten, Reitern, Gespannen, mit
geschmückten Sachen, Geräthschaften und Waffen.
Fä-thsao thsan-kiün-sse ,der Richter der Vorschrift
und an den Sachen des Kriegsheeres Theilnehmende*. Derselbe
befasst sich mit der Untersuchung, Befragung und mit der
Entscheidung über die Strafe.
± Sse-thsao thsan-kiün-sse ,der Richter der vorzüglichen
Männer und an den Sachen des Kriegsheeres Theilnehmende 1 .
Derselbe befasst sich mit den Verdiensten um den Boden und
mit den öffentlichen Gebäuden.
Diese Angestellten, von dem Richter der Verdienste (kung-
thsao) angefangen, sind je Einer und gehören zu dem oberen
Theile der richtigen siebenten Classe.
j§|[ Ip}. Thsan-kiün-sse ,an den Sachen des Kriegs
heeres Theilnehmende*. Dieselben sind zwei und gehören zu
dem unteren Theile der richtigen achten Classe.
Hang thsan-kiün-sse ,die an den Sachen des Kriegs
heeres Theilnehmenden des Gangbaren*. Dieselben sind vier
und gehören zu dem oberen Theile der nachfolgenden achten
Classe.
Die obigen Angestellten befassen sich mit dem Aussenden
von Abgesandten und mit vermischten Prüfungen und Ver
gleichungen.
JÖL ägjjj Tien-thsien ,die der Bestätigung Vorgesetzten*.
Dieselben sind zwei und gehören zu dem unteren Theile der
nachfolgenden achten Classe. Sie befassen sich mit der Ver
breitung und Ueberlieferung der Lehre der Bücher.
In dem Zeiträume Wu-te (618 bis 626 n. Chr.) veränderte
man die Namen von dem Richter der Verdienste (kung-tlisao)
angefangen und sagte bei mik schu-tso ,Gehilfe der Schrift*,
fä-thsao ,Richter der Vorschrift*, hang-schu-tso ,Gehilfe der
gangbaren Schrift*, sse-thsao ,Richter der vorzüglichen Männer*
Die Sammelhäuser der Lehenkönige China’s.
925
für ik tso ,Gehilfe' überall thsan-kiün-sse .der an den Sachen
des Kriegsheeres Theilnehmende'. Man bezog beständig den
Gehilfen der gangbaren Schrift (hang-schu-tso) in den Kamen
0- ^ hang-thsdn-kiün ,der dem Kriegsheere Zugetheilte
des Gangbaren'. Man schaffte die Stelle tsch’ing-khio
thsan-kiün-tsse ,der an den Sachen des Kriegsheeres Theil-
nehmende von dem Gemache der Feste' ab. Ferner gab es:
Khai-tlisao thsan-kiün-sse ,Richter der Panzer und an
den Sachen des Kriegsheeres Theilnehmende'. Dieselben waren
zwei und befassten sich mit den Waffen der angemessenen
Leibwache.
(1) Thien-thsao tJisan-kittn-Sse ,der Richter der Felder und
an den Sachen des Kriegsheeres Theilnehmende.' Derselbe
war ein Einziger und befasste sich mit den öffentlichen Fel
dern, den Verrichtungen auf den Feldern, Schiessen mit Wurf
pfeilen und Jagen.
* Schui-thsao thsan-kiün-sse ,die Richter der Gewässer
und an den Sachen des Kriegsheeres Theilnehmende'. Dieselben
waren zwei und befassten sich mit den Schiffen, mit Fischfang,
Futtergras und Pflanzen.
Die obigen Angestellten gehörten zu dem unteren Theile
der richtigen siebenten Classe.
Kia-li ,Angestellte des Hauses'. Dieselben
waren zwei.
W R) 56 ^ Pe-sse wen-sse ngö-tsche ,der in
Sachen der Anfragen der hundert Vorsteher zum Besuche
Anmeldende'. Derselbe war ein Einziger und gehörte zu dem
unteren Theile der richtigen siebenten Classe.
gf| ( ^ ) Sse-hö ,der Vorsteher des kleinen Thores'.
Derselbe war ein Einziger und gehörte zu dem unteren Theile
der richtigen neunten Classe.
In dem Zeiträume Tsching-kuan (627 bis 649 n. Chr.)
schaffte man den Richter der Panzer (khai-tlisao), den Richter
der Felder (thien-thsao) und den Richter der Gewässer (schui-
thsao) ab.
Zu den Zeiten der Kaiserin von dem Geschlechte Wu
wurden die Angestellten von den Angestellten des Hauses
(kia-li) abwärts abgeschafft.
Tschü-pu ,der den Registern Vorgesetzte'.
926
Pf i zm ai er.
Ki-schi ,die das innere Haus Berechnenden'. Es gab
ferner:
jjl Sse ,Vermerker‘ zwei.
Lo-sse ,die Sachen Verzeichnende'.
Kung-thsao ,Richter der Verdienste'.
Thsang-tJisäo ,Richter der Scheunen'.
Ping-thsao ,Richter der Waffen'.
Khi-thsao ,Richter der Reiter'.
Fä-thsao ,Richter der Vorschrift'.
Sse-thsao ,Richter der vorzüglichen Männer'.
Die obigen Angestellten waren in jedem Sammelhause zwei.
Hvrthsao-fu sse ,Vermerker der Sammelhäuser der Richter
der Thüren' je zwei.
Die Angestellten von den der Bestätigung Vorgesetzten
(tien-thsien) aufwärts sind Obrigkeiten der Sammelhäuser.
Bei den Königen der Landschaften (kiün-iuang) und den
Königen der Nachfolge ( ^jjj sse-wang) wurden keine ältesten
Vermerker (tschang-sse) eingesetzt.
Ü ¥ fö & M Thsin-sse-fu tien-kiün ,die dem Kriegs
heere Vorgesetzten des Sammelhauses der Sachen der Ver
wandten'. Dieselben sind zwei und gehören zu dem oberen
Theile der richtigen fünften Classe.
pjlj ^ Feu-tien-kiün ,die zugetheilten dem Kriegs
heere Vorgesetzten'. Dieselben sind zwei und gehören zu dem
oberen Theile der nachfolgenden fünften Classe.
Dieses Amt befasst sich mit den Angestellten von dem
vergleichenden Beruhiger (hiao-wd) abwärts, mit der bewah
renden Leibwache, mit Nachfolgen und Anschliessen. Zugleich
besorgt es die gesattelten Pferde.
Jjkj" Hiao-icei vergleichende Beruhiger'. Dieselben
sind fünf und gehören zu dem oberen Theile der nachfolgenden
sechsten Classe.
[j||] Liü-sb , Vorderste der Scharen'. Dieselben ge
hören zu dem unteren Theile der nachfolgenden siebenten Classe.
m je Tui-tsching ,Richtige der Reihen'. Dieselben ge
hören zu dem unteren Theile der nachfolgenden achten Classe.
Die Sammelhänser der Lehenkönige China’s.
927
g|J Tui-feu ,Zug-etlieilte der Reihen'. Dieselben
gehören zu dem unteren Theile der nachfolgenden neunten
Classe.
Die obigen Angestellten befassen sich mit der Leitung der
Sachen innerhalb der Zelte, mit Nachfolgen und Anschliessen.
Die Angestellten von den Vordersten der Scharen (liü-sÖ)
abwärts sahen die Anzahl der Geschäfte der Verwandten (thsin-
sse). Man errichtete jetzt ein Sammelhaus innerhalb der Zelte
Oü ft fö tsch’ang-nei-fu). Die Angestellten sind:
JäL j|T Tien-kiün ,dem Kriegsheere Vorgesetzte'. Die
selben sind zwei und gehören zu dem oberen Theile der rich
tigen fünften Classe.
pj|J JÖL j|f Feu-tien-lciün ,zugetheilte dem Kriegsheere
Vorgesetzte'. Dieselben sind zwei und gehören zu dem oberen
Theile der nachfolgenden fünften Classe.
Von den vergleichenden Beruhigern (hiao-wei) abwärts
sind die Zahl und die Classen wie bei dem Sämmelhause der
Sachen der Verwandten (ihsin-sse-fu).
Anfänglich nahm man die dem Kriegsheere Vorgesetzten
(tien-kiün) aus der Zahl der Obrigkeiten des Krieges und der
Menschen von fremder Abstammung (* lieu-wai). Sie
leiteten die Waffenträger m it tsdil-Uch'ang), die Ange
stellten des Inneren der Zelte (tsch’ang-nei) und Andere.
In den Sammelhäusern des Königs von Thsin und des
Königs von Thsi wurden in den sechs Sammelhäusern der das
Kriegsheer Beschützenden (hu-kiün-fu) zur Linken und Rechten,
in dem Sammelhause des nahestehenden Kriegsheeres (jjj jjVp
thsin-kiün-fu) zur Linken und Rechten, und in dem Sammel
hause innerhalb der Zelte (tsch’ang-nei-fu) zur Linken und
Rechten, in einem Sammelhause der das Kriegsheer Beschützen
den (hu-kiün-fu) zur Linken und in einem zur Rechten ein
gesetzt :
j|i| j|f Hu-kiün ,der das Kriegsheer Beschützende'. Der
selbe war je Einer.
pj|j sfi j|f Feu-hu-kiün ,zugetheilte das Kriegsbeer Be
schützende' je zwei.
Tschang-sse ,der älteste Vermerker'.
Lö-sse thsan-kiün-sse ,der die Sachen Verzeichnende und
an den Sachen des Kriegsheeres Theilnehmende'.
928
Pfizmaier.
Thsang-thsao, der Richter der Scheunen'.
Ping-thsao ,der Richter der Waffen'.
Khai-thsao thsan-kiün-sse ,der Richter der Panzer und an
den Sachen des Kriegsheeres Theilnehmende'. Die obigen An
gestellten sind je Einer.
Thung-Mün ,das Kriegsheer Leitende' je fünf.
m m Pie-tsiang ,der besonders Anführende' je Einer.
In zwei Sammelhäusern der das Kriegsheer Beschützenden
(hu-Jciün-fu) zur Linken und in zweien zur Rechten, dann in
drei Sammelhäusern der das Kriegsheer Beschützenden (hu-
läün-fu) zur Linken und in dreien zur Rechten wurde die Zahl
der das Kriegsheer Leitenden (thung-kiün) vermindert. Dieselben
waren jetzt drei.
Die besonders Anführenden (pie-tsiang) waren jetzt sechs.
In dem Sammelhause des nahestehenden Kriegsheeres
(B ihsin-kiün-fu) zur Linken und Rechten waren
angestellt:
Tliung-kiün ,der das Kriegsheer Leitende' je Einer.
Tscliang-sse ,der älteste Vermerker' je Einer.
Lö-sse thsan-kiün-sse ,der die Sachen Verzeichnende und
an den Sachen des Kriegsheeres Theilnehmende'.
Ping-thsao ,der Richter der Waffen'.
Khai-thsao thsan-kiün-sse ,der Richter der Panzer und an
den Sachen des Kriegsheeres Theilnehmende'.
± Tso-pie-tsiang ,der besonders Anführende zur
Linken'.
# m m Yeu-pie-tsiang ,der besonders Anführende zur
Rechten. Die obigen Angestellten waren je Einer.
Die Verrichtungen und die Zahl der Angestellten des
Sammelhauses innerhalb der Zelte (tsch’ang-nei-fu) sind die
selben wie diejenigen des Sammelhauses der das Kriegsheer
Beschützenden (hu-kiim-fu).
Ferner gab es die Angestellten:
JÜ|[ jj Khu-tsch’i ,Gerade der Rüstkammer'. Dieselben
waren dem Sammelhause der Sachen der Verwandten (thsin-
sse-fu) zugesellt.
Iflil PJI iS (Khiü-tschi-tsclii) ,im Nachjagen innehaltende
Gerade'. Dieselben waren dem Sammelhause innerhalb der
Die Sammelhäuser der Lehenkönige China’s.
929
Zelte (tschang-nei-fu) zugesellt. Man wählte zu diesen Stellen
die Begabten und Muthigen.
In dem Zeiträume Tsching-kuan (627 bis 649 n. Chr.)
schaffte man die Geraden der Rüstkammer (khu-tschi) und die
nächsten Angestellten ab.
In dem Sammelhause der Sachen der Verwandten (thsin-
sse-fu) waren:
Fu ,der Angestellte des Sammelhauses'. Derselbe war
ein Einziger.
dl Sse ,Vermerker' zwei.
ft M ♦ Tsch'i-tsch’ang thsin-sse ,die Waffen fest
haltende Angestellte der Sachen der Verwandten 1 sechzehn.
m 3 ft a * » * Tsch’i- Idung -tseh’ang tsch’i-
sching thsin-sse ,die Bogen und Waffen festhaltende, die Ge
spanne festhaltende Angestellte der Sachen der Verwandten'
sechzehn. Diese Angestellten befassen sich mit dem Anbieten
von Reitern und Gespannen.
^ l||. Thsin-sse , Angestellte der Sachen der Verwandten,
dreihundert dreissig.
In dem Sammelhause innerhalb der Zelte (tsch’ang-nei-fu)
waren:
Fu ,der Angestellte des Sammelhauses' Einer.
Sse ,Vermerker' Einer.
lü ft Tschang-nei Angestellte innerhalb der Zelte' sechs
hundert sieben und sechzig.
■ u I 10 Thsin-wang-kue ling ,der Gebietende der
Reiche der verwandten Könige'. Derselbe ist ein Einziger und
gehört zu dem unteren Theile der nachfolgenden siebenten
Classe.
Ä Jt Ta-nung ,der Angestellte des grossen Ackerbaues'.
Derselbe ist ein Einziger und gehört zu dem unteren Theile
der nachfolgenden achten Classe. Er befasst sich mit der
Beurtheilung der Vorsteher des Reiches (kue-sse).
j=hf Wei ,der Beruhiger'. Derselbe ist ein Einziger und
gehört zu dem unteren Theile der richtigen neunten Classe.
930
Pfizra aier.
?ft, Sching ,der Gehilfe'. Derselbe ist ein Einziger und
gehört zu dem unteren Theile der nachfolgenden neunten Classe.
Hiö-kuan tscliang .der Aelteste der Obrigkeiten
des Lernens'.
dttl Sching ,der Gehilfe'. Diese zwei Angestellten sind
je Einer. Sie befassen sich mit der Belehrung und dem Unter
richte der Menschen des Inneren.
Schi-lcuan tscliang ,der Aelteste der Obrig
keiten der Speisen'.
Sching ,der Gehilfe'. Diese zwei Angestellten sind je Einer.
Sie befassen sich mit der Herstellung der Speisetafeln und
Speisen.
Khieu-mö tscliang ,der Aelteste der Ställe und
der Hirten'.
Sching ,der Gehilfe'. Diese zwei Angestellten sind je
zwei. Sie befassen sich mit den Haussieren und Hirten.
Tien-fu tscliang ,der Aelteste der dem Sammel
hause Vorgesetzten'.
Sching ,der Gehilfe'. Diese zwei Angestellten sind je
zwei. Sie befassen sich mit vermischten Sachen innerhalb des
Sammelhauses.
Die hier verzeichneten Aeltesten (tscliang) gehören zu
dem unteren Theile der richtigen neunten Classe. Die Ge
hilfen (sching) gehören zu dem unteren Theile der nachfol
genden neunten Classe.
Zu diesem Amte werden noch gezählt:
Tien-wei ,der Leibwache Vorgesetzte' acht. Die
selben befassen sich mit der bewachenden Leibwache
scheu-wei), mit Nachfolgen und Anschlüssen.
£ A Sche-jin ,Hausgenossen' vier.
Lö-sse ,der die Sachen Verzeichnende'«Einer.
Fu .Angestellte des Sammelhauses' vier.
Äse , Vermerker' acht.
± a ö] ^ Kung-tschü-yi sse-ling ,der Vorsteher
der Gebote der Lehenstadt der Kaisertöchter'. Derselbe ist
ein Einziger und gehöx-t zu dem unteren Theile der nachfol
genden siebenten Classe.
Die Saromelhäuser der Lelienkönige China’s.
931
Ffi Sching ,der Gehilfe'. Derselbe ist ein Einziger und
gehört zu dem unteren Theile der nachfolgenden achten Classe.
Diese Angestellten befassen sich mit den Gütern, Waaren,
Aufspeicherungen, Feldern und Gärten der Kaisertöchter.
^ Tschü-pu ,der den Registern Vorgesetzte'. Der
selbe ist ein Einziger und gehört zu dem unteren Theile der
richtigen neunten Classe.
^jjj Ip*. Lö-sse ,der die Sachen Verzeichnende'. Derselbe
ist ein Einziger und gehört zu dem unteren Theile der nach
folgenden neunten Classe.
Diese Angestellten beaufsichtigen die Abgaben der Lehen
und sind dem Herauskommen und Hereinkommen der Güter
und Waaren der Häuser vorgesetzt.
Bei diesem Amte werden noch verzeichnet:
Sse ,Vermerker‘ acht.
=||| 5j|j Ngo-tsche ,zum Besuche Anmeldende' zwei.
Sche-jin ,Hausgenossen' zwei.
^ Kin-li ,Angestellte des Hauses' zwei.
Die äusseren Aemter.
Gl t wai - kuan.)
% T Ä 7C ßl|J Thien-hia ping-ma yuen-sö ,der
ursprüngliche Vorderste der Waffen und Pferde der Welt'.
UlJ 7C ßl|) Feu-yuen-sö ,der zugetheilte ursprüngliche
V orderste'.
y^ Tu-ihung ,der allgemeine Leitende'.
S!) «5 m Feu-tu-tung ,der zugesellte allgemeine Lei
tende'.
fr
,der älteste Ver-
Hang-kiün tschang-sse
merker des wandernden Kriegsheeres'.
ff %. Ü M Hang-kiün sse-ma ,der Vorsteher der
Pferde bei dem wandernden Kriegsheere'.
ff % ± ^ Hang-kiün tso-sse-ma ,der Vorsteher
der Pferde zur Linken von dem wandernden Kriegsheere'.
ft Mt nin Hang-kiün yeu-sse-ma ,der Vorsteher
der Pferde zur Rechten von dem wandernden Kriegsheere'.
Sitztmgsber. d. phil.-hist. CI. XCV. Bd. IV. Hft. 60
932
Pfi zm aier.
m w Puan-kuan /ler beurtheilende Amtsführer'.
Diese Würdenträger befassen sich mit den Verzeichnungen
der Bücher und der Theilnahme an den Berathungen des wan
dernden Kriegsheeres.
tt t & -n m Thsien-lciün ping-ma sse ,der Ab
gesandte für die Waffen und Pferde des vorderen Kriegsheeres'.
4» M & -Ü Tschung-kiün ping-ma sse ,der Ab
gesandte für die Waffen und Pferde des mittleren Kriegsheeres'.
i 1 ^ -I i Heu-kiün ping-ma sse ,der Abgesandte
für die Waffen und Pferde des rückwärtigen Kriegsheeres'.
4» ¥ E fl Tschung-kiün tu-yü-heu ,der allge
meine Bemessende und Erspähende des mittleren Kriegsheeres'.
7C Wü Yuen-sb ,der ursprüngliche Vorderste'.
Tu-thung ,der allgemeine Leitende'.
m w® Tschao-thao sse ,der herbeirufende und Strafe
verhängende Abgesandte'.
Diese Würdenträger befassen sich mit Eroberungszügen
und Angriffen. Wenn die Kriegsmacht aufgelöst wird, so
werden sie an Zahl verringert. Der allgemeine Leitende (tu-
thung) leitet die Waffen und Pferde sämmtlicher Wege. Ihm
werden keine Fahnen und Abschnittsröhre verliehen.
Als Kaiser Kao-tsu zu den Waffen griff, wurden eingesetzt:
Tso-yeu tjp ling-Jdün ,der das Kriegsheer Leitende'
zur Linken und Rechten.
*
Ta-tu-tö ,der grosse allgemeine Beaufsichtiger'.
Diese Angestellten leiteten je die drei Kriegsheere.
Als man die Mutterstadt beruhigt hatte, wurden eingesetzt:
Tso-yeu ^||j yuen-so ,der ursprüngliche Vorderste' zur
Linken und Rechten.
* M M ff ¥ 4c m Thai-yuen-tao hang-kiün yuen-sb
,der ursprüngliche Vorderste des auf den Wegen von Thai-
yuen wandelnden Kriegsheeres'.
ߧ 14 TG ill) Si-tliao yuen-sb ,der im Westen Strafe
verhängende ursprüngliche Vorderste'.
Diese Würdenträger wurden von den verwandten Königen
geleitet.
Gegen das Ende des Zeitraumes Thien-pao (755 n. Chr.)
wurden eingesetzt:
Die Sammelhauser der Lelienkönige China’s.
933
Tliien-hia ping-ma yuen-sö ,der ursprüngliche Vorderste
der Waffen und Pferde der Welt'.
Tu-thung ,der allgemeine Leitende'.
Sö-fang lio-tung ho-pe 2p pi n g lu Mi tsie-
tu-sse ,bemessende Abgesandte des Abschnittsrohres für Sö-
fang, lio-tung, Ho-pe, die Landstriche Ping und Lu'.
Die Namen tschao-thao ,der Herbeirufende und Strafe
Verhängende' und tu-thung ,der allgemeine Leitende' stammen
aus dieser Zeit.
Im achten Jahre des Zeitraumes Ta-li (773 n. Chr.) wurde
der ursprüngliche Vorderste der Waffen und Pferde der Welt
(jthien-hia ping-ma yuen-sö) entlassen.
Im vierten Jahre des Zeitraumes Kien-tschung (783 n. Chr.)
wurde aus Anlass der Empörung ^ ^|J Li-hi-lie’s ein
gesetzt :
ff m
® 7C ^lll tschü-ldiin hang-ying
ping-ma tu-yuen-sö ,der allgemeine ursprüngliche Vorderste der
Waffen und Pferde der wandelnden Lager der Kriegsheere'.
Im ersten Jahre des Zeitraumes Hing-yuen (784 n. Chr.)
setzte man den zugesellten allgemeinen Leitenden (feu-tu-
thung) ein.
In dem Zeiträume Hoei-tschang (841 bis 846 n. Chr.)
setzte man einen ursprünglichen Vordersten (yuen-sö) der sechs
Wege der Landstriche ||| Ling und j(3 Hia ein.
Bei dem Unglück durch den Empörer Jj| Hoang-
tlisao setzte man allgemeine Leitende (tu-thung) der wandelnden
Lager sämmtlicher Wege (tschü-tao hang-ying) ein.
Im zweiten Jahre des Zeitraumes Thien-fö (902 n. Chr.)
setzte man einen ursprünglichen Vordersten der Waffen und der
Pferde sämmtlicher Wege (tschü-tao ping-ma yuen-sö) ein. Un-
vermuthet veränderte man wieder den Namen und sagte tliien-
hia ping-ma yuen-sö ,der ursprüngliche Vorderste der Waffen
und Pferde der Welt'.
fr
5] il| Iiang-kiün sse-ma ,der Vorsteher der
Pferde von dem wandelnden Kriegsheere'. Derselbe befasst
sich mit der Einrichtung der Bogen winden und Waffen. Wenn
man an einem Orte weilt, veranstaltet er Einübungen in der
60*
934
P f i z m a i e r.
Jagd. Wenn man Dienstleistungen hat, legt er die Vorschriften
für Kampf und Vertlieidigung dar. Gerätschaften, Mundvor-
räthe, Schrifttafeln des Kriegsheeres, Geschenke und Gaben
gehören ausschliesslich in sein Bereich.
Im ersten Jahre des Zeitraumes Wu-te (618 n. Chr.) ver
änderte man den bisher üblichen Namen fjp '/p tsan-tsclii
,der die Einrichtung Dai’reichende' zu 7a tschi-tschung ,der
Mittlere der Einrichtung.
Als Kaiser Kao-tsung zu seiner Stufe gelangte, sagte man
sse-ma ,Vorsteher der Pferde'. Ein solcher wurde auch in den
unteren Landstrichen eingesetzt.
Im zweiten Jahre des Zeitraumes Hien-khing (657 n. Chr.)
setzte man einen Vorsteher der Pferde (sse-ma) für Lö
tscheu ein.
Zu den Zeiten der Kaiserin von dem Geschlechte Wu,
im ersten Jahre des Zeitraumes Ta-tsö (701 n. Chr.) setzte
man in der östlichen Hauptstadt (tung-tu), in der nördlichen
Hauptstadt (pe-tu) und in den Landstrichen Yung, King, Yang
und Yi Vorsteher der Pferde (sse-ma) zur Linken und Rechten
ein. Im zweiten Jahre des Zeitraumes Schin-lung (706 n. Chr.)
verminderte man sie.
Im ersten Jahre des Zeitraumes Thai-ki (712 n. Chr.)
vermehrte man in den vier Sammelhäusern der grossen allge
meinen Beaufsichtiger "^jlf ta-tu-to) in den Landstrichen
^|| Yung und Lö die Vorsteher der Pferde (sse-ma) um
Einen. Man theilte sie auch in solche zur Linken und Rechten.
fy* =jl Tschang-schu-ki ,der mit den Verzeichnungen
der Bücher sich Befassende'. Derselbe befasst sich mit dem
Erscheinen an dem Hofe, mit Erkundigung, Fragen, Trösten, mit
dem Texte des Opfergebetes und mit der Sache der Erlässe,
des Aufsteigens und der Zurücksetzung.
ify j§pf 0<. =jj|l Hang-kiün thsan-meu ,der an den Be-
rathuugen des wandernden Kriegsheeres Theilnehmende'. Der
selbe verschliesst und bereitet das Geheime der Triebwerke in
dem Kriegsheere vor.
Im ersten Jahre des Zeitraumes King-lung (707 n. Chr.)
setzte man einen mit den Verzeichnungen der Bücher sich Be
fassenden (tschang-schu-ki) ein.
Die Sammelhäuser der Lehenkönige China’.s.
935
Im zwölften Jahre des Zeitraumes Khai-yuen (724 n. Chr.)
schaffte man den an den Berathungen des wandelnden Kriegs
heeres Theilnehmenden (liang-kiün tlisan-meu) ab. Plötzlich
setzte man einen solchen wieder ein.
w mm Tsie-tu-sse ,der bemessende Abgesandte des
Abschnittsrohres'.
M A W. Feu-ta-sse ,der zugetheilte grosse Abgesandte',
iw fp Ä • Tscli.i tsie-tu sse ,der den Sachen des Be-
messenden des Abschnittsrohres Vorgesetzte'.
tr W- ^ ^ Hang-kiün sse-ma ,der Vorsteher der
Pferde von dem wandelnden Kriegsheere.
H|J / 0|5 Feu-sse ,der zugetheilte Abgesandte'.
fjJ t Puan-kuan ,der beurtheilende Amtsführer',
üp Jj|; §E Tschang-schu-ki,der mit den Verzeichnungen
der Bücher sich Befassende'.
m w Tui-kuan ,der darbietende Amtsführer'.
Siün-kuan ,der umherwandelnde Amtsführer',
fr m Ya-tui ,der Darbietende des hohen Wohnsitzes'.
Die obigen Würdenträger sind je Einer.
@ ft S i ® Thung-tsie-tu feu-sse ,mit dem Be-
messenden des Abschnittsrohres gleichstehende zugetheilte Ab
gesandte. Dieselben sind zehn.
Jlff ü§| ^ Kuan-yi siün-kuan ,umherziehende Amts
führer der Gebäude und Posten'. Dieselben sind vier.
jfjj- 'je*‘ Fu-yuen fä tscli’i-kuan ,gerade Amts
führer der Vorschrift der Sammelhäuser und Gebäude'.
^ Hl Yao-tsi ,die Schrifttafeln Untersuchende'.
^ |p}. Tsch’ö-yao thsin-sse ,wetteifernd die Sache
der Verwandten Untersuchende'.
Die obigen Würdenträger sind je Einer.
[irf W Sui-Jciün ,dem Kriegsheere Nachfolgende'. Die
selben sind vier.
Wenn der bemessende Abgesandte des Abschnittsrohres
(tsie-tu-sse) die Könige der Landschaften in ihr Lehen einsetzt,
so ist dabei der Würdenträger:
936
Pfizm ai e r.
IE Tseu-ki ,der an dem Hofe Meldende und Ver
zeichnende'. Derselbe ist ein Einziger. Zugleich mit diesem
ist dabei:
§1 ^ Kuan-tsch’ä-sse ,der beobachtende und unter
suchende Abgesandte'. Ferner sind dabei:
Puan-kuan ,der beurtheilende Amtsführer'.
Tscli’i-sse ,der bemessende Abgesandte'.
Tui-kuan ,der darbietende Amtsführer'.
m w Siün-kuan ,der umherziehende Amtsführer'.
ffif Ya-tui ,der Darbietende des hohen Wohnsitzes'.
Diese Würdenträger sind je Einer. Ferner ist dabei:
£ # ffi Ngan-fu-sse ,der beruhigende Abgesandte'.
Bei demselben sind dann:
Feu-sse ,der zugetheilte Abgesandte'.
Puan-kuan ,der beurtheilende Amtsführer'. Diese Würden
träger sind je Einer.
Hinzugegeben werden noch:
jjjr Tsch’i-tu ,der bemessende Abgesandte'.
*§§•■ (5 Ying-thien ,der die Felder bauende Abgesandte'.
Tschao-thao ,der herbeirufende und Strafe vex - -
hängende Abgesandte'.
* m m King-liö-sse ,der vorbeigehende und durch
streifende Abgesandte'.
Zu diesen Würdenträgern gehören dann:
Feu-sse ,der zugetheilte Abgesandte'.
Puan-kuan ,der beui-theilende Amtsführer'. Diese zwei
Angestellten sind je Einer.
Zu dem bemessenden Abgesandten (tsch’i-tu-sse) gehören
wieder:
Khien-yün puan-kuan
,der beurtheilende Amts
führer des Vei-sendens'.
Siün-kuan ,der umherziehende Amtsführer'. Dieselben
sind je Einer.
Der bemessende Abgesandte des Abschnittsrohres (tsie-
tu-sse) befasst sich mit der Leitung der Schaaren des Kriegs
heeres und ausschliesslichem Hinrichten und Tödten. Er über
gibt anfänglich die Geräthe, fasst die Waffen zusammen, erscheint
Die Sammelhäuser der Lehenkönige China’s.
937
zum Besuche in der Abtheilung der Waffen ('ping-pu) und
verabschiedet sich. Wenn er den beobachtenden und unter
suchenden Abgesandten (kucm-tsch’ä-sse) besucht, ist es eben
falls so. An dem Tage, wo er sich verabschiedet, schenkt man
ihm ein Paar Fahnen und ein Paar Abschnittsröhre.
Wenn er auf der Reise ist, stellt er ein Abschnittsrohr
auf und pflanzt sechs Federnfahnen. Die Obrigkeiten, die er
trifft, begleiten ihn nach der Vorschrift zu der Haltstelle einer
Post und bringen es sofort nach oben zu Ohren.
Wenn er eine Gränze überschreitet, bauen die Landstriche
und Kreise einen Söller des Abschnittsrohres und ziehen ihm
mit Trommeln und Hörnern entgegen. Die Waffen des hohen
Wohnsitzes befinden sich vor ihm. Fahnen und Wimpeln be
finden sich in der Mitte. Cymbeln von Agatgold (IpJ ^ JcJio-
kin), welche der grossen Anführer ertönen lässt, Trommeln
und Hörner befinden sich rückwärts. Die Landstriche und
Kreise beschenken ihn mit Siegeln und empfangen ihn zur
Linken des Weges.
An dem Tage, wo er die Sachen betrachtet, stellt man
ehrende Bänke (jjj® ^ li-ngan), welche einen Schuh zwei
Zoll Höhe und acht Schuh im Umfange haben, und drei Bänke
der Beurtheilung auf. Der bemessende Abgesandte des Ab
schnittsrohres (tsie-tu-sse) beurtheilt die Vorgesetzten und Reichs
gehilfen (tsai-siang). Der beobachtende und untersuchende
Abgesandte (kuan-tsch’co-sse) beurtheilt den bemessenden Ab
gesandten des Abschnittsrohres (tsie-tu-sse). Der ausschliesslich
läuternde Abgesandte (||j ^ tuan-lien-sse) beurtheilt
den beobachtenden und untersuchenden Abgesandten (kuan-
tsch'ä-sse). Am dritten Tage wäscht man das Siegel und sieht,
ob es zerschnitten oder eingebrochen ist.
Im ersten Monate jedes Jahres untersucht man, ob Ein
richtungen getroffen wurden oder nicht. Waffen giessen ist
Gegenstand der oberen Untersuchung. Hinreichende Nahrungs
mittel ist Gegenstand der mittleren Untersuchung. Verdienste
an den Gränzen ist Gegenstand der unteren Untersuchung.
Der beobachtende und untersuchende Abgesandte (knau
tsch’ä-sse) macht Ueberfluss und Reife des Getreides zum
Gegenstände der oberen Untersuchung. Die Verringerung der
Strafen macht er zum Gegenstände der mittleren Untersuchung.
Die Unterscheidung der Abgaben macht er zum Gegenstände
der unteren Untersuchung.
Der ausschliesslich läuternde Abgesandte (tuan-lien-sse)
macht die Zufriedenstellung des Volkes zum Gegenstände der
oberen Untersuchung. Die Warnung vor Ränken macht er
zum Gegenstände der mittleren Untersuchung. Die Gewinnung
der Neigung macht er zum Gegenstände der unteren Unter
suchung.
Der ab wehrende und vertheidigende Abgesandte (^Jj
"Q? faiig-yü-sse) macht das Unvermuthete zum Gegenstände
der oberen Untersuchung. Die Klärung des Ungemachs macht
er zum Gegenstände der mittleren Untersuchung. Die Voll
endung der Lenkung macht er zum Gegenstände der unteren
Untersuchung.
Der vorbeigehende und durchstreifende Abgesandte (king-
liö-sse) macht Berechnung und Bemessung zum Gegenstände
der oberen Untersuchung. Die gesammelten Sachen macht er
zum Gegenstände der mittleren Untersuchung. Uebung der Be
gründung macht er zum Gegenstände der unteren Untersuchung.
Wenn man von den Verrichtungen ablässt, so kommt
man in dem Gerichtshause zusammen. Das Siegel des be-
messenden Abgesandten des Abschnittsrohres (tsie-tu-sse) behält
man nach Umständen zurück. Dem Siegel des beobachtenden
und untersuchenden Abgesandten (kuan-tsch'a-sse), des die
Felder Bauenden (ying-thien) nnd Anderer, lässt man die
Obrigkeiten der Leibwächter (lang-kuan) vorgesetzt sein. Man
legt ein Schloss an den Söller der Abschnittsröhre (tsie-leu), an
die Halle der Abschnittsröhre (tsie-thang) und lässt ihnen den
Abgesandten des Gebäudes der Abschnittsröhre (J|jf |S|5
tsie-yuen-sse) vorgesetzt sein.
Der Darbietende des Opfers ]&[ tsi-thien) tritt recht
zeitig bei dem Hofe ein. Wenn er noch nicht erschienen, tritt
er nicht in das eigene Wohnhaus ein.
Die Landpfleger ( 'ffi mo) des Kreises der Mutterstadt
und von Ho-nan, der grosse allgemeine Beaufsiehtiger (ta-tu-
tö) und der grosse allgemeine Beschützende |||$ ||| ta-
tu-liu) sind verwandte Könige. Sie lenken in der Ferne die
beiden Sammelhäuser. Man lässt ihnen den Richtigen ( ^L yün)
vorgesetzt sein.
■
m
Die Sammelhäuser der Lehenkönige China’s.
939
Der Lenkung des Sammelhauses des grossen allgemeinen
Beaufsichtigers (ta-tu-tö) lässt man den ältesten Vermerker
(tschang-sse) vorgesetzt sein.
Der Lenkung des grossen allgemeinen Beschützenden (ta-
tu-hu) lässt man den zugetheilten grossen allgemeinen Be
schützenden (feu-ta-tu-hu) vorgesetzt sein. Der zugetheilte
grosse allgemeine Beschützende ist zugleich ältester Vermerker
(tschang-sse) des Sammelhauses der Könige.
Später werden unter den Würdenträgern genannt:
$E Tsch’i-tsie ,der das Abschnittsrohr Erfassende'.
Es ist der Bemessende des Abschnittsrohres m ä tsie-tu).
Der zugetheilte grosse Abgesandte (feu-ta-sse) und der
den Sachen des Bemessenden des Abschnittsrohres Vorgesetzte
(tschi tsie-tu sse) sind richtige Bemessende des Abschnitts
rohres oe n m tsching-tsie-tu).
Die Könige, welche zu grossen Abgesandten der Be
messung des Abschnittsrohres (tsie-tu ta-sse) ernannt werden,
bleiben in der Mutterstadt zurück.
Ein Einziger ist:
Der beobachtende und untersuchende Abgesandte (kuan-
tscli’ä-sse).
Je Einer sind ferner die zu dessen Amte Gehörenden:
Feu-sse ,der zugetheilte Abgesandte'.
Tsch’i-sse ,der bemessende Abgesandte'.
Puan-Jcuan ,der beurtheilende Amtsführer'.
Tschang-schu-ki ,der mit den Verzeichnungen der Bücher
sich Befassende'.
Tui-kuan ,der darbietende Amtsführer'.
Siün-kuan ,der umharziehende Amtsführer'.
Ya-tui ,der Darbietende des hohen Wohnsitzes'.
Sui-kiün ,der dem Kriegsheere Nachfolgende'.
Yao-tsi ,der die Schrifttafeln Untersuchende'.
mmt Tsin-tseu-kuan ,der darreichende und an dem
Hofe meldende Amtsführer'.
Ein Einziger ist:
Der ausschliesslich läuternde Abgesandte (tuan-lien-sse).
Je Einer sind ferner die zu dessen Amte Gehörenden:
940
Pfizmaier.
Feu-sse ,der zugesellte Abgesandte'.
Puan-kuan ,der beurtheilende Amtsführer'.
Tui-kuan ,der darbietende Amtsführer'.
Siün-kuan ,der umherziehende Amtsführer'.
Ya-tui ,der Darbietende des hohen Wohnsitzes'.
Fang-yü-sse ,der abwehrende und vertheidi-
gende Abgesandte'.
tdl] Feu-sse ,der zugetheilte Abgesandte'.
;j3|] ^ Puan-kuan ,der beurtheilende Amtsführer'.
m w Tui-kuan ,der darbietende Amtsführer'.
St W Sün-kuan ,der umherziehende Amtsführer'.
Die obigen Würdenträger sind je Einer.
7^ JH
..... w. Kaan-tsch’ä tsch’u-tsch’i sse beobach
tende und untersuchende Abgesandte des Verbleibens und der
Einsetzung'. Diese Würdenträger befassen sich mit der Unter
suchung des Guten und Schlechten der Eingesetzten und erheben
die grosse Leitung. Was sie an dem Hofe melden und um
was sie bitten, gehört zu den Landstrichen.
Im Anfänge des Zeitraumes Tsching-kuan (627 n. Ohr.)
schickte man dreizehn grosse Abgesandte (ta-sse) aus. Die
selben durchzogen und untersuchten sämmtliche Landstriche
der Welt. Wenn Wassersnoth oder Dürre war, schickte man
Abgesandte, welche die Namen ^ ^ siiin-tsch’ä ,Umher
ziehende und Untersuchende', ^ ngan-fu ,Beruhigende',
Hjf. tsün-fu ,Erhaltende und Beruhigende' führten.
Im zweiten Jahre des Zeitraumes Schin-lung (706 n. Chr.)
machte man zwanzig Menschen von der fünften Classe auf
wärts zu umherziehenden und untersuchenden Abgesandten
der zehn Wege (+ g m m m schi-tao siün-tscFci-sse).
Dieselben untersuchten die Landstriche und Kreise, reisten
zweimal umher und wechselten dann.
Im zweiten Jahre des Zeitraumes King-yün (711 n. Chr.)
setzte man ein:
^ Tu-to ,allgemeine Beaufsichtige!-'. Dieselben waren
vier und zwanzig und untersuchten das Gute und Schlechte
der Würdenträger von dem stechenden Vermerken (thse-sse)
abwärts. Ferner setzte man ein:
Die Sammelhänser der Lebenkönige China 1 ».
941
n & # m Sse-khiü tsung-sse ,der Erhebung Vor
stehende, den Geschäften sich Anschliessende 1 . Dieselben waren
zwei und im Range den kaiserlichen Vermerkern (yü-sse) gleich.
Für die vier Landstriche Yang, Yi, Ping und King er
nannte man grosse allgemeine Beaufsichtige!- (ta-tu-to).
Für die zehn Landstriche Pien, Yuen, Wei, Ki, P’u, Mien,
Thsin, Hung, Jiin und Yue ernannte man mittlere allgemeine
Beaufsichtiger (tschung-tu-tö). Diese und die grossen allgemeinen
Beaufsichtiger gehörten zu der richtigen dritten Classe.
Für die zehn Landstriche Thsi, Lö, King, Siang, Ngan,
Tan, Sui, Thung, Liang und Wei ernannte man untere allge
meine Beaufsichtiger (hia-tu-tö). Dieselben gehörten zu der
nachfolgenden dritten Classe.
Um diese Zeit hielt man dafür, dass Macht und Ansehen
schwer zu beschränken seien, und man schaffte diese Beauf
sichtiger ab. Bloss die vier Sammelhäuser der grossen allge
meinen Beaufsichtiger (ta-tu-to) blieben wie früher.
Ferner setzte man ein:
+ m. # m m Sclii-tao ngan-tsch’ä sse ,untersuchende
Abgesandte der zehn Wege 1 . Dieselben waren für jeden Weg Einer.
Im zweiten Jahre des Zeitraumes Khai-yuen (714 n. Ohr.)
sagte man “p |f? Jj| M 'S* schi-tao ngan-
tsch’ä thsai-fang tsch’u-tsch’i sse ,untersuchende, erfassende und
befragende Abgesandte des Verbleibens und der Einsetzung
für die zehn Wege 1 . Im vierten Jahre desselben Zeitraumes
(716 n. Chr.) schaffte man sie ab.
Im achten Jahre des Zeitraumes Khai-yuen (720 n. Chr.)
setzte man wieder ein:
ScTii-tao ngan-tsch’ä sse ,untersuchende
Abgesandte der zehn Wege 1 . Dieselben durchzogen und be
sichtigten im Herbst und Winter die Landstriche und Kreise.
Im zehnten Jahre desselben Zeitraumes (722 n. Chr.) schaffte
man sie ebenfalls ab.
Im siebzehnten Jahre des Zeitraumes Khai-yuen (729
n. Chr.) setzte man wieder ein:
“f iE M Pfä H ^ 'S! Schi-tao king-tu
liang-khi ngan-tsch’ä sse ,die untersuchenden Abgesandten der
zehn Wege und der beiden Gränzgebiete der Mutterstadt und
der Hauptstadt 1 .
942
P fizinaier.
Im zwanzigsten Jahre des Zeitraumes Khai-yuen (732
n. Chr.) sagte man:
i# m M Ä ffi Thsai-fang tscli’i-tsch’u sse ,die er
fassenden und befragenden Abgesandten der Einsetzung und
des Verbleibens*. Man vertheilte sie auf fünfzehn Wege.
Gegen das Ende des Zeitraumes Thien-pao (755 n. Chr.)
war wieder zugleich Entsetzung und Beförderung.
Im ersten Jahre des Zeitraumes Khien-yuen (758 n. Chr.)
veränderte man den Namen zu kuan-tsch’ä tsch’u-tsch’i sse ,be
obachtende und untersuchende Abgesandte des Verbleibens und
der Einsetz
ung‘
® » JR » * » * Si-tu tung-tu pe-tu mo ,die
Landpfleger der westlichen Hauptstadt, der östlichen Haupt
stadt, der nördlichen Hauptstadt*. Dieselben sind je Einer und
gehören zu der nachfolgenden zweiten Classe.
Si-tu tung-tu pe-tu fung-tsiang tsch'ing-tu ho-tschung kiang-
ling hing-yuen te-hing jjy- fu yün ,die Richtigen der Sammel
häuser der westlichen Hauptstadt, der östlichen Hauptstadt, der
nördlichen Hauptstadt, von Fung-tsiang, Tscli’ing-tu, Ho-tschung,
Kiang-ling, Hing-yuen und Te-hing*. Dieselben sind je Einer
und gehören zu der nachfolgenden dritten Classe.
Diese Würdenträger befassen sich mit den Umgestaltungen
durch die Tugend. Sie ziehen alljährlich in den abhängigen
Kreisen umher, beobachten Sitten und Gewohnheiten, ver
zeichnen die Gefangenen und kümmern sich um Witwer und
Witwen. Wenn verwandte Könige den Landstrichen vorge
setzt sind, so machen sie alljährlich die Meldung nach oben
und stehen bei dem Umherziehen in den Kreisen zur Seite.
Im ersten Jahre des Zeitraumes Wu-te (618 n. Chr.) setzte
man in ^|| Yung-tscheu einen Landpfleger (mo) ein. Man er
nannte zu diesem Amte einen verwandten König. Gewöhnlich
liess man jedoch durch einen besonders Fahrenden (»I ®
pie-kia) die Sachen des Landstriches leiten.
In dem Zeiträume Yung-hoei (650 bis 655 n. Chr.) ver
änderte man den Namen Yün ,Richtiger* zu tschang-sse ,ältester
Vermerker*.
Als Kaiser Thai-tsung den Angriff auf Kao-li unternahm,
setzte er einen zurückbleibenden Wächter der Feste der Mutter-
Die Sammelbäuser der Lehenkönige China’s.
943
stadt ( fjf m m ^ king-tsch’ing lim-scheu) ein. Als später
Wagen und Gespanne sich nicht in der Hauptstadt befanden,
setzte man einen zurückbleibenden Wächter (H 3* lieu-scheu)
ein und machte den grossen Heerführer des ^ Kin-ngu
zur Rechten zum zugesellten zurückbleibenden Wächter (feu-
lieu-scheu).
Im ersten Jahre des Zeitraumes Khai-yuen (713 n. Chr.)
veränderte man für die Sammelhäuser des Kreises der Mutter
stadt und von Ho-Dan den Namen tschang-sse ,ältester Ver
merken wieder zu yün ,Richtiger'. Derselbe beurtheilte
durchgängig die Bestrebungen des Sammelhauses. Wenn die
Stelle des Landpflegers (mo) leer war, führte er dessen Geschäfte.
Im eilften Jahre des Zeitraumes Khai-yuen (723 n. Chr.)
setzte man in dem Sammelhause von Thai-yuen ebenfalls einen
Richtigen (yün) und einen kleinen Richtigen (schao-yün) ein.
Man machte den Richtigen (yün) zum verbleibenden Wächter
(lieu-scheu). Den kleinen Richtigen (schao-yün) machte man
zum zugetheilten zurückbleibenden Wächter (feit-lieu-scheu). Man
nannte sie die zurückbleibenden Wächter der drei Hauptstädte.
In den drei Hauptstädten (san-tu) gehören zu dem Sammel
hause des grossen allgemeinen Beaufsichtigers (ta-tu-to) die
Angestellten:
JäL |g]|( Tien-yÖ ,den Gefängnissen Vorgesetzte' achtzehn.
Plj Ip. Wen-sse ,nach den Sachen Fragende' zwölf.
Ö Ä Pe-tsch’i ,die meldenden Geraden' vier und zwanzig.
Unter diesen Angestellten verschliesst und bewacht der
den Gefängnissen Vorgesetzte (tien-yö) die Gefangenen. Der
nach den Sachen Fragende (wen-sse) vollzieht die kleinen Strafen.
Im mittleren Sammelhause (tschung-fu) gehören zu den
oberen Landstrichen (schang-tscheu) die Angestellten:
Tien-yö ,den Gefängnissen Vorgesetzte' vierzehn.
Wen-sse ,nach den Sachen Fragende' acht.
Pe-tsclii ,die meldenden Geraden' zwanzig.
In dein, unteren Sammelhause (hia-fu) gehören zu den
mittleren Landstrichen (tschung-tscheu) die Angestellten:
Tien-yö ,den Gefängnissen Vorgesetzte' zwölf.
Wen-sse ,nach den Sachen Fragende' sechs.
Pe-tsclii ,die meldenden Geraden' sechzehn.
944
Pfizmaier.
Zu den unteren Landstrichen gehören die Angestellten:
Tien-yö ,den Gefängnissen Vorgesetzte' acht.
Wen-sse ,nach den Sachen Fragende' vier.
Pe-tsch’i ,die meldenden Geraden' sechzehn.
In allen Aemtern, von denjenigen der drei Hauptstädte
(san-tu) abwärts, gibt es:
ft 7) Tsch’i-tao ,das Schwert Ergreifende'. Dieselben
sind fünfzehn.
•jjf* Scliao-yün ,die kleinen Richtigen'. Dieselben sind
zwei und gehören zu dem unteren Theile der nachfolgenden
vierten Classe.
Diese Würdenträger befassen sich als Zweite mit den
Sachen der Sammelhäuser und der Landstriche. Am Ende des
Jahres bringen sie in abwechselnder Ordnung die Rechnungen ein.
Sse-lö thsan-kiün-sse ,die den Ver
zeichnissen Vorstehenden und an den Sachen des Kriegsheeres
Theilnehmenden'. Dieselben sind zwei und gehören zu dem
oberen Theile der richtigen siebenten Classe.
1^3- Lö-sse ,die Sachen Verzeichnende'. Dieselben sind
vier und gehören zu dem oberen Theile der nachfolgenden
neunten Classe.
Kung-thsao thsang-thsao hu-thsao thien-thsao ping-thsao fä-
thsao sse-tlisao thsan-kiün-sse ,Richter der Verdienste, Richter der
Scheunen, Richter der Thüren des Volkes, Richter der Felder,
Richter der Waffen, Richter der Vorschriften, Richter der vor
züglichen Männer und an den Sachen des Kriegsheeres Theil-
nehmende'. Dieselben sind je zwei und gehören sämmtlich zu
dem unteren Theile der richtigen siebenten Classe.
Thsan-kiün-sse, ,an den Sachen des Kriegs
heeres Theilnehmende'. Dieselben sind sechs und gehören zu
dem unteren Theile der richtigen achten Classe.
In den sechs Sammelhäusern wurden die Angestellten,
von dem die Sachen Verzeichnenden und an den Sachen des
Die Sammelhäuser der Lehenkönige China's.
945
Kriegsheeres Theilnehmenden (lö-sse thsan-kiün-sse) 1 abwärts,
um Einen vermindert.
Lö-sse thsan-kiün-sse ,der die Sachen
Verzeichnende und an den Sachen des Kriegsheeres Theil-
nehmende“. Derselbe befasst sich mit der Berichtigung der
Gegensätze und Versehen. Er überwacht die Abschnittsröhre
und Siegel.
Im Anfänge des Zeiti-aumes Wu-te (618 n. Chr.) ver
änderte man den Namen ( ijr tscheu-tschü-pu) ,Vor
gesetzter der Register der Landstriche“ zu lö-sse tlisan-kiün-sse
,der die Sachen Verzeichnende und an den Sachen des Kriegs
heeres Theilnehmende“. Im ersten Jahre des Zeitraumes Khai-
yuen (713 n. Chr.) veränderte man den Namen zu fj] ^ sse-lö
,der den Verzeichnissen Vorstehende“. Zu dem Amte gehören
zehn Vermerker (sse).
Zu dem Sammelhause des grossen allgemeinen Beauf-
sichtigers (ta-tu-to) gehören vier Vermerker.
Das mittlere Sammelhaus (tschung-fu) hat drei Vermerker.
In dem unteren Sammelhause (hia-fu) und in dem Sammel
hause des allgemeinen Beschützers (* =H tu-hu) haben die
oberen Landstriche (schang-tscheu), die mittleren Landstriche
(tschung-tscheu) und die unteren Landstriche (hia-tscheu) je
zwei Vermerker.
W ^ Kung-thsao sse-kung thsan-kiün-sse ,der
Richter der Verdienste, der den Verdiensten Vorstehende und
an den Sachen des Kriegsheeres Theilnehmende“. Derselbe
befasst sich mit Untersuchen und Prüfen, mit den vorläufigen
Abgesandten, mit den Opfern, Gebräuchen und Musik, mit
den Gebäuden des Lernens, mit Denkschriften und Schriften
der weiteren Erklärungen, mit der Eröffnung der glücklichen
Vorbedeutungen und des Seltsamen bei Gehalten, mit Aerzten,
Arzneien, Wahrsagen und stellt Trauer und Bestattung her.
Im Anfänge des Zeitraumes Wu-te (618 n. Chr.) hiessen
die bisher üblichen Namen sse-kung sse-thsang sse-hu sse-ping
1 Dieser Angestellte ist derselbe wie der oben genannte ,den Verzeich
nissen Vorstehende und an den Sachen des Kriegsheeres Theilnehmende 4
(sse-lö thsan-kiün-sse).
946
Pfizmaicr.
sse-fä sse-sse schu-tso ,der den Verdiensten vorstehende,
der den Scheunen vorstehende, der den Thüren des Volkes
vorstehende, der den Waffen vorstehende, der den Vorschriften
vorstehende, der den vorzüglichen Männern vorstehende Gfehilfe
der Bücher' sämmtlich sse-Jcung thsan-kiün-sse ,der den Ver
diensten Vorstehende und an den Sachen des Ki’iegsheeres
Theilnehmende' sse-thsang thsan-kiün-sse ,der den Scheunen
Vorstehende und an den Sachen des Ki’iegsheeres Theilneh
mende' u. s. w.
In diesem Amte gibt es:
jjVp Fu ,Angestellte des Sammelhauses' vier.
jjl Sse jVermerker' zehn.
In dem Sammelhause des grossen allgemeinen Beauf-
sichtigers (ta-tu-tö) gibt es:
Fu ,Angestellte des Sammelhauses' drei.
Sse ,Vermerker' sechs.
In dem mittleren Sammelhause (tschung-fu) gibt es:
Fu ,Angestellte des Sammelhauses' zwei.
Sse ,Vermei’ker' drei.
Zu dem unteren Sammelhause (hia-fu) gehören:
Fu ,der Angestellte des Sammelhauses'. Derselbe ist ein
Einziger.
Sse ,Vermei - ker' drei.
Zu dem Sammelhause des grossen allgemeinen Beschützers
(ta-tu-hu) gehören:
Fu ,der Angestellte des Sammelhauses'. Derselbe ist ein
Einzigei’.
Sse ,Vermerker‘ zwei.
In dem oberen Sammelhause (schang-fu) gibt es:
Fu ,Angestellte des Sammelhauses'.
Sse ,Vei’mei’ker'. Diese zwei Angestellten sind je zwei.
In den obei’en Landstrichen (schang-tsclieu) gibt es:
4ä Tso ,Gehilfen' zwei.
Sse ,Vermei’ker' fünf.
In den mittleren Landstrichen (tschung-tscheu) sind zwei
Vermerker (sse) weniger.
*
Die Sammelhäuser der Lelienkönige Cliina’s
^ fjj ^ Thsang-thsao sse-thsang thsan-kiün-sse
,der Richter der Scheunen, der den Scheunen Vorstehende und
au den Sachen des Kriegsheeres Theilnehmende 1 . Derselbe
befasst sich mit der Einrichtung der Abgaben, mit den öffent
lichen Feldern, mit den Küchen, Scheunen, Rüstkammern und
den Buden der Märkte.
Bei diesem Amte gibt es:
Fu ,Angestellte des Sammelhauses 1 fünf.
Sse jVermerker 1 dreizehn.
In dem Sammelhause des grossen allgemeinen Beauf-
sichtigers (ta-tu-to) sind:
Fu ,Angestellte des Sammelhauses 1 vier.
Sse jVermerker 1 sechs.
In dem mittleren Sammelhause (tschung - fu) und dem
unteren Sammelhause (hia-fu) sind je:
Fu Angestellte des Sammelhauses 1 drei.
Sse jVermerker 1 fünf.
In dem Sammelhause des grossen allgemeinen Beschützers
(ta-tu-hu) sind:
Fu Angestellte des Sammelhauses 1 .
Sse jVermerker 1 . Dieser und der obige Angestellte sind je zwei.
In den oberen Landstrichen (schang-tscheu) gibt es:
ik Tso ,Gehilfen 1 zwei.
Sse jVermerker 1 fünf.
In den mittleren Landstrichen (tschung-tscheu) und in den
unteren Landstrichen (hia-tscheu) sind zwei Vermerker weniger.
P W ^ P Hu-thsao sse-hu thsan-kiün-sse ,der
Richter der Thüren des Volkes, der den Thüren des Volkes
Vorstehende und an den Sachen des Kriegsheeres Theilneh-
mende 1 . Derselbe befasst sich mit den Schrifttafeln für die
Thüren des Volkes, den Rechnungen, mit den beim Vorüber
gehen auf den Wegen ins Licht gestellten Abschnittsröhren,
mit den bei vermischten Dienstleistungen Entlaufenden und
Widerspänstigen, mit den Vortreff liehen und Gemeinen, mit
Futtergras und Stroh, mit den entgegenziehenden Schaaren,
Sitzungsber. d. phil.-hist. CI. XCV. Bd. IV. Hft. 61
947
948
Pfizraaier.
mit Heiraten, mit Streitigkeiten um die Felder, mit Erkennen
und Unterscheiden der Kindlichkeit und Brüderlichkeit.
Zu diesem Amte gehören:
jfrf- Fu ,Angestellte des Sammelhauses' acht.
jjl Sse ,Vermerken' sechzehn.
jfe Tsch’ang-sse ,Vermerken der Rechnungen' zwei.
Dieselben sind den Schrifttafeln vorgesetzt, untersuchen die
Rechnungen und fassen die Gelder zusammen.
In dem Sammelhause des grossen allgemeinen Beaufsich
tigen (ta-tu-to) sind:
Fit, ,Angestellte des Sammelhauses' vier.
Sse , Vermerk er' sieben.
Tsch’ang-sse ,Vermerken der Rechnungen' zwei.
In dem mittleren Sammelhause (tschung-fu) sind:
Fu ,Angestellte des Sammelhauses' drei.
Sse ,Vermerken' fünf.
Tsch’ang-sse ,der Vermerken der Rechnungen' Einer.
In dem unteren Sammelhause (hia-fu) sind:
Fu ,Angestellte des Sammelhauses' zwei.
Sse ,Vermerken' fünf.
Tsch’ang-sse ,der Vermerker der Rechnungen'. Derselbe
ist ein Einziger.
In den oberen Landstrichen (schang-tscheu) sind:
Tso ,Gehilfen' vier.
Sse ,Vermerken' sechs.
Tscha’ng-sse ,der Vermerker der Rechnungen'. Derselbe
ist ein Einziger.
In den mittleren Landstrichen (tschung-tscheu) sind:
ik Tso ,Gehilfen' drei.
Sse , Vermerk er' fünf.
Tsch’ang-sse ,der Vermerker der Rechnungen'. Derselbe
ist ein Einziger.
In den unteren Landstrichen (hia-tsclieu) sind:
Tso ,Gehilfen' zwei.
Sse ,Vermerker' vier.
Tsch’ang-sse ,der Vermerker der Rechnungen'. Derselbe
ist ein Einziger.
Die Samraelhäuser der Lehenkönige China’s.
949
In dem Sammelhause des grossen allgemeinen Beschützers
(ta-tu-hu) sind:
Fu ,Angestellte des Sammelhauses 4 .
Sse ,Vermerker 4 . Diese zwei Angestellten sind je zwei.
Tsch’ang-sse ,der Vermerker der Rechnungen 4 . Derselbe
ist ein Einziger.
ffl W s] ffl Thien-iksao sse-thim thsan-Mün-sse ,der
Richter der Felder, der den Feldern Vorstehende und an den
Sachen des Kriegsheeres Theilnehmende 4 . Derselbe befasst sich
mit den Gärten und Wohnhäusern. Er vertheilt unter die Ein
wohner die zu beständiger Beschäftigung dienenden und die
schattigen Felder.
Im dritten Jahre des Zeiti’aumes King-lung (709 n. Chr.)
setzte man zum ersten Male einen den Feldern Vorstehenden
und an den Sachen des Kriegsheeres Theilnehmenden (sse-thien
thsan-Mün-sse) ein. Im ersten Jahre des Zeitraumes Thang-
lung (710 n. Chr.) 1 Hess man ihn weg. Im zweiten Jahre des
Zeitraumes Schang-yuen (761 n. Chr.) setzte man einen solchen
wieder ein.
Zu dem Amte gehören:
Fu ,Angestellte des Sammelhauses 4 vier.
Sse ,Vermerker 4 zehn.
Zu dem Sammelhause des grossen allgemeinen Beauf-
sichtigers (ta-tu-tö) gehören:
Fu ,Angestellte des Sammelhauses 4 zwei.
Sse ,Vermerker 4 sechs.
Zu dem mittleren Sammelhause (tschimg-fu) gehören:
Fu Angestellte des Sammelhauses 4 .
Sse ,Vermerker 4 . Diese zwei Angestellten sind je zwei.
Zu dem unteren Sammelhause (hia-fu) gehören:
Fu ,der Angestellte des Sammelhauses 4 Einer.
Sse ,Vermerker 4 zwei.
Zu den oberen Landstrichen (schang-tscheu) gehören:
ik Tso ,Gehilfen 4 zwei.
Sse ,Vermerker' fünf.
1 Dieser Zeitraum heisst sonst gewöhnlich King-yün.
61*
950
Pfizmaier.
In den mittleren Landstrichen (tscliung-tscheu) und den
unteren Landstrichen (hia-tscheu) sind zwei Vermerken (sse)
weniger.
-Ei 101 ff] TL Ping-thsao sse-ping thsan-kiün-sse ,der
Richter der Waffen, der den Waffen Vorstehende und an den
Sachen des Kriegsheeres Theilnehmende'. Derselbe befasst sich
mit den Obrigkeiten des Krieges, mit der Wahl der Waffen,
Panzer und Geräthe, mit dem Verbieten der Schlüssel bei den
Thoren, dem Verwehren der Leuchtfeuer und Späher bei dem
Kriegsheere, mit den Posten und mit den Jagden.
Bei diesem Amte gibt es:
Fn ,Angestellte des Sammelhauses' sechs.
Sse ,Vermerken' vierzehn.
Bei dem grossen allgemeinen Beaufsichtigen (ta-tu-to)
gibt es:
Fu ,Angestellte des Sammelhauses' vier.
Sse ,Vermerken' acht.
In dem mittleren Sammelhause (tschung-fu) gibt es:
Fu ,Angestellte des Sammelhauses' drei.
Sse ,Vermerken' sechs.
In dem unteren Sammelhause (hia-fu) gibt es:
Fu ,Angestellte des Sammelhauses' zwei.
Sse ,Vermerken' fünf.
In dem Sammelhause des allgemeinen Beschützenden (tu-ku)
gibt es:
Fu ,Angestellte des Sammelhauses' drei.
Sse ,Vermerken' vier.
In den oberen Landstrichen (schang-tsclieu) gibt es:
Tso ,Gehilfen' zwei.
Sse , Vermerk er' fünf.
In den mittleren Landstrichen (tscliung-tscheu) sind zwei
Vermerken (sse) weniger.
& f n & Fä-tlisao sse-fä thsan-kiün-sse ,der Richter
der Vorschriften, der den Vorschriften Vorstehende und an den
Sachen des Kriegsheeres Theilnehmende'. Derselbe befasst sich
Die Sammelhäuser der Lelienkonige China’s.
951
mit der Beendigung der Streitigkeiten, mit der Anwendung der
Vorschriften und der Beaufsichtigung der Diebe und Räuber.
Er kennt die versteckten Güter und zieht sie ein.
Zu diesem Amte gehören:
Fu ,Angestellte des Sammelhauses' sechs.
Sse , Vermerk er' vierzehn.
Zu dem grossen allgemeinen Beaufsichtige!' (ta-tu-tö)
gehören:
Fu ,Angestellte des Sammelhauses' drei.
Sse ,Vermerker' acht.
Zu dem mittleren Sammelhause (tschung-fu) gehören:
Fu ,Angestellte des Sammelhauses' drei.
Sse ,Vermerker' sechs.
Zu dem unteren Sammelhause (hia-fu) gehören:
Fu ,Angestellte des Sammelhauses' zwei.
Sse ,Vermerker' fünf.
Zu den oberen Landstrichen (schang-tscheu) gehören:
ß Tso , Gehilfen' vier.
Sse ,Vermerker' sieben.
Zu den mittleren Landstrichen (tschung-tscheu) gehören :
Tso ,der Gehilfe'. Derselbe ist ein Einziger.
Sse ,Vermerker' vier.
Zu den unteren Landstrichen (hia-tscheu) gehören:
Tso ,der Gehilfe'. Derselbe ist ein Einziger.
Sse ,Vermerker' drei.
± | Ö] ± Sse-thscio sse-sse than-kiün-sse ,der Richter
der vorzüglichen Männer, der den vorzüglichen Männern Vor
stehende und an den Sachen des Kriegsheeres Thcilnehmende'.
Derselbe befasst sich mit den Ueberfahrten, Brücken, Schiffen,
Wegen, Hütten, Wohnhäusern, Handwerken und Künsten.
Bei diesem Amte gibt es:
Fu ,Angestellte des Sammelhauses' fünf.
Sse , Vermerker' eilf.
In dem Sammelhause des grossen allgemeinen Beaufsich-
tigers (ta-tu-tö) gibt es:
Fu ,Angestellte des Sammelhauses' vier.
Sse ,Vermerker' acht.
952
Pfizmaier.
In dem mittleren Sammelhause (tschung -fu) und dem
unteren Sammelhause (hia-fu) gibt es:
Fu ,Angestellte des Sammelhauses' drei.
Sse ,Vermerker' sechs.
In den oberen Landstrichen (schang-tscheu) gibt es:
Tso ,Gehilfen' zwei.
Sse ,Vermerker' fünf.
Zu den mittleren Landstrichen (tscliung-tscheu) gehören:
Tso ,der Gehilfe'. Derselbe ist ein Einziger.
Sse ,Vermerker' vier.
^ jpf |||. Thsan-kiiin-sse ,der an den Sachen des
Kriegsheeres Theilnehmende'. Derselbe befasst sich mit dem
Geleite der ausziehenden Abgesandten.
Im Anfänge des Zeitraumes Wu-te (618 n. Chr.) ver
änderte man den bisher üblichen Kamen ft # ik hcing-
schu-tso ,der ausübende Gehilfe der Bücher' zu ft # M-
hang-thsan-Jciün ,der ausübende dem Kriegsheere Zugesellte'.
Plötzlich veränderte man den Namen wieder zu thsan-kiiin-sse
,der an den Sachen des Kriegsheeres Theilnehmende'.
Anfänglich hatte man:
ItU 13} Ki~ sse >schnelle Abgesandte'. Dieselben waren
fünfzehn. Später liess man sie weg.
Wen-MÖ ,der Angestellte des Lernens der Schrift'.
Derselbe ist ein Einziger und gehört zu dem oberen Theile
der nachfolgenden achten Classe.
Dieser Angestellte befasst sich mit dem Unterrichte der
Schüler in den fünf mustergiltigen Büchern. In den Kreisen
helfen die Landstriche aus. In den Landstrichen unterrichtet
er die Abtheilung der Angestellten ( j|? ^ li-pu). Gleich
wohl besitzt er nicht die Sachen seines Amtes. Seiner Kleider
und Mützen schämt er sich.
Im Anfänge des Zeitraumes Wu-te (618 n. Chr.) wurden
zum ersten Male eingesetzt:
Die Sammelhäuser der Lehenkönige China’s.
953
^ ^ jlfj /L King-hiö pö-sse ,der vielseitige Gelehrte
des Lernens der mustergiltigen Bücher'.
lp) Tsu-kiao ,bei der Belehrung Helfende'.
m £ Hiö-seng ,Beflissene des Lernens'.
Als Kaiser Te-tsung zu seiner Stufe gelangte, veränderte
er po-sse vielseitiger Gelehrter' zu wen-hiö Angestellter des
Lernens der Schrift'.
Im sechsten Jahre des Zeitraumes Yuen-ho (811 n. Chr.)
schaffte man in den mittleren Landstrichen (tschung-tscheu) und
in den unteren Landstrichen (hia-tscheu) den Angestellten des
Lernens der Schrift (wen-hiö) ab. Ferner hatte man in den drei
Sammelhäusern des Kreises der Mutterstadt und anderer Orte:
Tsu-kiao ,bei der Belehrung Helfende' zwei.
Hiö-seng ,Beflissene des Lernens' achtzig.
In dem Sammelhause des grossen allgemeinen Beaufsichtigers
(ta-tu-to) und in den oberen Landstrichen (schang-ischeu) jederseits:
Tsu-kiao ,bei der Belehrung Helfende' Einen.
In dem Sammelhause des mittleren allgemeinen Beauf
sichtigers (tschung-tu-to):
Hiö-seng ,Beflissene des Lernens' fünfzig.
In dem unteren Sammelhause (hia-fu) und in den unteren
Landstrichen (hia-tscheu) jederseits:
Hio-seng ,Beflissene des Lernens' vierzig.
»Jp: |f| pö-sse /lei' vielseitige Gelehrte des
Lernens der Aerzte'. Derselbe ist ein Einziger und gehört zu
dem oberen Theile der nachfolgenden neunten Classe. Er be
fasst sich mit der Heilung der Krankheiten des Volkes.
Im dritten Jahre des Zeitraumes Tsching-kuan (629 n. Chr.)
setzte man Angestellte des Lernens der Aerzte (i-hiö) ein.
Man hatte vielseitige Gelehrte der Arzneien der Aerzte
i-yö pö-sse) und Beflissene des Lernens (hiö-seng).
Im ersten Jahre des Zeitraumes Khai-yuen (713 n. Chr.)
veränderte man den Namen i-yö pö-sse vielseitiger Gelehrter
der Arzneien der Aerzte' zu i-hiö pö-sse vielseitiger Gelehrter
des Lernens der Aerzte'. In den Landstrichen setzte man ,bei
der Belehrung Helfende' (tsu-kiao) ein und liess hundert und
954
P f izmaier.
eine Sammlung von Pflanzenbiichern abschreiben. Die erprobten
Heilmittel verwahrte man. Nach nicht langer Zeit wurden der
vielseitige Gelehrte des Lernens der Aerzte (i-hiö po-sse) und
die Beflissenen des Lernens (kiö-seng) weggelassen. In den ab
seits gelegenen Landstrichen waren wie früher wenige Aerzte
und Arzneien.
Im sieben und zwanzigsten Jahre des Zeitraumes Khai-
yuen (739 n. Chr.) setzte man wieder Beflissene des Lernens
der Aerzte (i-hio-seng) ein. Dieselben befassten sich damit,
an den Gränzen der Landstriche umherzuziehen und Krank
heiten zu heilen.
Im ersten Jahre des Zeitraumes Yung-thai (765 n. Chr.)
setzte man wieder den vielseitigen Gelehrten des Lernens der
Aerzte (i-hiö pö-sse) ein.
In den drei Hauptstädten (= « san - tu), in dem
Sammelhause des allgemeinen Beaufsichtigers (tu-tö), in den
oberen Landstrichen (schang-tsclieu) und in den mittleren Land
strichen (tschung-tsclieu) war jederseits:
IJ/j ^ Tsu-lciao ,der bei der Belehrung Helfende'. Der
selbe war ein Einziger.
In den drei Hauptstädten (san-tu) waren:
# £ Hiö-seng ,Beflissene des Lernens' zwanzig.
In dem Sammelhause des allgemeinen Beaufsichtigers
(tu-tö), in den oberen Landstrichen waren deren zwanzig.
In den mittleren Landstrichen (tschung-tscheu) und den
unteren Landstrichen (hia-tscheu) waren deren zehn.
* 115 ff * W Ta-tu-tö-fu tu-tö ,der allgemeine
Beaufsichtiger des Sammelhauses des grossen allgemeinen Beauf
sichtigers'. Derselbe ist ein Einziger und gehört zu der nach
folgenden zweiten Classe.
Tschang-sse ,der älteste Vermerker'. Derselbe ist
ein Einziger und gehört zu der nachfolgenden dritten Classe.
H] Sse-ma ,Vorsteher der Pferde'. Dieselben sind
zwei und gehören zu dem unteren Theile der nachfolgenden
vierten Classe.
nende und an
Lo-sse thsan-Jiiün-sse ,der die Sachen Verzeich-
den Sachen des Kriegsheeres Theilnehmende'.
Die Sammelhäuser der Lehenkönige China’s.
955
Derselbe ist ein Einziger und gehört zu dem oberen Theile
der richtigen siebenten Classe.
i|p Lö-sse ,die Sachen Verzeichnende'. Dieselben
sind zwei und gehören zu dem oberen Theile der nachfolgenden
neunten Classe.
# w Kung-thsao thsan-kiün-sse ,der Richter der Ver
dienste und an den Sachen des Kriegsheeres Theilnehmende'.
^§1 Thsang-thsao thsan-kiün-sse ,der Richter der
Scheunen und an den Sachen des Kriegsheeres Theilnehmende“".
P w Hu-thsao thsan-kiün-sse ,der Richter der Thüren
des Volkes und an den Sachen des Kriegsheeres Theilnehmende'.
UJ Thien-thsao thsan-kiün-sse ,der Richter der Felder
und an den Sachen des Kriegsheeres Theilnehmende'.
Sx. Ping-thsao thsan-kiün-sse ,der Richter der Waffen
und an den Sachen des Kriegsheeres Theilnehmende'.
^ Fä-thsao thsan-kiün-sse ,der Richter der Vor
schriften und an den Sachen des Kriegsheeres Theilnehmende'.
± W Sse-thsao thsan-kiün-sse .der Richter der vorzüglichen
Männer und an den Sachen des Kriegsheeres Theilnehmende'.
Die oben verzeichneten sieben Würdenträger sind je Einer
und gehören zu dem untei’en Theile der richtigen siebenten Classe.
^ j|f Thsan-kiün-sse ,an den Sachen des Kriegs
heeres Theilnehmende.' Dieselben sind fünf und gehören zu
dem unteren Theile der richtigen achten Classe.
rfj Schi-ling ,der Gebietende des Marktes'. Der
selbe ist ein Einziger und gehört zu dem oberen Theile der
nachfolgenden neunten Classe.
Jp. Wen-hiö ,der Angestellte des Lernens der Schrift'.
Derselbe ist ein Einziger und gehört zu dem unteren Theile
der richtigen achten Classe.
Jp jfjjj I-hio pö-sse ,der vielseitige Gelehrte
des Lernens der Aerzte'. Derselbe ist ein Einziger und gehört
zu dem oberen Theile der nachfolgenden achten Classe.
* «s ® » ® * Tschung-tu-to-fu tu-tö ,der allge
meine Beaufsichtiger des Sammelhauses des mittleren allge
meinen Beaufsichtigers'. Derselbe ist ein Einziger und gehört
zu der richtigen dritten Classe.
956
Pf i zm ai er.
m i Pie-kia ,der besonders Fahrende'. Derselbe ist
ein Einziger und gehört zu dem unteren Theile der richtigen
vierten Classe.
iS Tscliang-sse ,der älteste Vermerker'. Derselbe
ist ein Einziger und gehört zu dem oberen Theile der richtigen
fünften Classe.
n 4 Sse-ma ,der Vorsteher der Pferde'. Derselbe ist
ein Einziger und gehört zu dem unteren Theile der richtigen
fünften Classe. ,
Ipf- Lö-sse thsan-kiün-sse ,der die Sachen Verzeich
nende und an den Sachen des Kriegshecres Theilnehmende'.
Derselbe ist ein Einziger und gehört zu dem unteren Theile
der richtigen siebenten Classe.
^ Lö-sse, die Sachen Verzeichnende'. Dieselben
sind zwei und gehören zu dem oberen Theile der nachfolgenden
neunten Classe.
Kung-thsao thsan-kiün-sse ,der Richter der Verdienste und
an den Sachen des Kriegsheeres Theilnehmende'.
Thsang-thsao thsan-kiün-sse ,der Richter der Scheunen und
an den Sachen des Kriegsheeres Theilnehmende'.
Hu-thsao thsan-kiün-sse ; der Richter der Thüren des
Volkes und an den Sachen des Kriegsheeres Theilnehmende'.
Thien-thsao tlisan-kiün-sse ,der Richter der Felder und an
den Sachen des Kriegsheeres Theilnehmende'.
Ping-thsao thsan-kiün-sse ,der Richter der Waffen und an
den Sachen des Kriegsheeres Theilnehmende'.
Fä-tlisao thsan-kiün-sse ,der Richter der Vorschriften und
an den Sachen des Kriegsheeres Theilnehmende'.
Sse-thsao thsan-kiün-sse ,der Richter der vorzüglichen
Männer und an den Sachen des Kriegsheeres Theilnehmende'.
Die oben verzeichneten sieben Würdenträger sind je ein
Einziger und gehören zu dem oberen Theile der nachfolgenden
siebenten Classe.
^ Epf l||. Thsan-kiün-sse ,an den Sachen des Kriegs
heeres Theilnehmende'. Dieselben sind vier und gehören zu
dem oberen Theile der nachfolgenden achten Classe'.
7(7 -4^ Schi-ling ,der Gebietende des Marktes'. Derselbe
ist ein Einziger und gehört zu dem oberen Theile der nach
folgenden neunten Classe.
Die Sammelkäuser der Lehenkönige China’s.
957
'jjr Wen-hiö ,der Angestellte des Lernens der Schrift'.
Derselbe ist ein Einziger und gehört zu dem oberen Theile
der nachfolgenden achten Classe.
I-hiÖ pö-sse ,der vielseitige Gelehrte des Lernens der Aerzte'.
Derselbe ist Einziger und gehört zu dem oberen Theile der
richtigen neunten Classe.
T * « m » ff Hia-tu-tÖ-fu tu-to ,der allge
meine Beaufsichtiger des Sammelhauses des unteren allgemeinen
Beaufsichtigers'. Derselbe ist ein Einziger und gehört zu der
nachfolgenden dritten Classe.
SIJ
iS
Pie-ldä ,der besonders Fahrende'. Derselbe ist
ein Einziger und gehört zu dem unteren Theile der nachfol
genden vierten Classe.
Tschang-sse ,der älteste Vermerker'. Derselbe
ist ein Einziger und gehört zu dem oberen Theile der nach
folgenden fünften Classe.
il| Sse-ma ,der Vorsteher der Pferde'. Derselbe
ist ein Einziger und gehört zu dem unteren Theile der nach
folgenden fünften Classe.
LÖ-sse thsan-kiün-sse ,der die Sachen Verzeichnende und
an den Sachen des Kriegsheeres Theilnehmende'. Derselbe
ist ein Einziger und gehört zu dem oberen Theile der nach
folgenden siebenten Classe.
Lö-sse ,die Sachen Verzeichnende'. Dieselben sind zwei
und gehören zu dem oberen Theile der nachfolgenden neunten
Classe.
Kung-tlisao thsan-kiün-sse ,der Richter der Verdienste und
an den Sachen des Kriegsheeres Theilnehmende'.
Tlisang-thsao thsan-kiün-sse ,der Richter der Scheunen und
an den Sachen des Kriegsheeres Theilnehmende'.
Hu-thsao thsan-kiün-sse ,der Richter der Thüren des
Volkes und an den Sachen des Kriegsheeres Theilnehmende'.
Thien-thsao thsan-kiün-sse ,der Richter der Felder und an
den Sachen des Kriegsheeres Theilnehmende'.
Ping-thsao thsan-kiün-sse /ler Richter der Waffen und an
den Sachen des Kriegsheeres Theilnehmende'.
958
Pfizmaier.
Fä-thsao thsan-kiiin-sse .der Richter der Vorschriften und
an den Sachen des Kriegsheeres Theilnehmende'.
Sse-thsao thsan-kiiin-sse ,der Richter der vorzüglichen
Männer und an den Sachen des Kriegsheeres Theilnehmende'.
Die oben verzeichneten sieben Würdenträger sind je Einer
und gehören zu dem unteren Theile der nachfolgenden siebenten
Classe.
Thsan-kiiin-sse ,an den Sachen des Kriegsheeres Theil
nehmende'. Dieselben sind drei und gehören zu dem unteren
Theile der nachfolgenden achten Classe.
Wen-hiö ,der Angestellte des Lernens der Schrift'. Der
selbe ist ein Einziger und gehört zu dem unteren Theile der
nachfolgenden achten Classe.
I-hiö pö-sse ,der vielseitige Gelehrte des Lernens der
Aerzte'. Derselbe ist ein Einziger und gehört zu dem oberen
Theile der richtigen neunten Classe.
Der allgemeine Beaufsichtige!- (tu-tö) befasst sich mit
der Beaufsichtigung der Waffen, Pferde, Panzer, der Festungs
gräben, der Niederhaltungen (tsch’in), Besatzungen (
schii), der Mundvorräthe und Reiskammern in den Landstrichen.
Er leitet und beurtheilt die Sachen des Sammelhauses.
1$ ü ifj jK Ü Ta-tu-hu-fu ta-tu-hu ,der
grosse allgemeine Beschützer des Sammelhauses des grossen
allgemeinen Beschützers'. Derselbe ist ein Einziger und gehört
zu der nachfolgenden zweiten Classe.
# Feu-ta-tu-hu ,die zugetheilten grossen
allgemeinen Beschützer'. Dieselben sind zwei und gehören zu
der nachfolgenden dritten Classe.
n * Feu-tu-hu ,die zugetheilten allgemeinen Be
schützer'. Dieselben sind zwei und gehören zu dem oberen
Theile der richtigen vierten Classe.
jjt Tschang-sse ,der älteste Vermerker'. Derselbe
ist ein Einziger und gehört zu dem oberen Theile der richtigen
fünften Classe.
Sse-ma ,der Vorsteher der Pferde'. Derselbe
ist ein Einziger und gehört zu dem unteren Theile der rich
tigen fünften Classe.
Die Sammelliäuser der Lclienkönige Cliina’ß.
959
Lö-sse thsan-kiün-sse ,der die Sachen Verzeichnende und
an den Sachen des Kriegsheeres Theilnehmende'. Derselbe ist
ein Einziger und gehört zu dem oberen Theile der richtigen
siebenten Classe.
LÖ-sse ,die Sachen Verzeichnende'. Dieselben sind zwei
und gehören zu dem oberen Theile der nachfolgenden neunten
Classe.
Kung-thsao thsan-kiün-sse ,der Richter der Verdienste und
an den Sachen des Kriegsheeres Theilnehmende'.
Thsang-thsao thsan-kiün-sse ,der Richter der Scheunen und
an den Sachen des Kriegsheeres Theilnehmende ! .
Hu-thsao thsan-kiün-sse ,der Richter der Thüren des Volkes
und an den Sachen des Kriegsheeres Theilnehmende'.
Ping-thsao thsan-kiün-sse ,der Richter der Waffen und an
den Sachen des Kriegsheeres Theilnehmende'.
Fä-thsäo thsan-kiün-sse ,der Richter der Vorschriften und
an den Sachen des Kriegsheeres Theilnehmende'.
Die oben verzeichneten sechs Würdenträger sind je Einer
und gehören zu dem unteren Theile der richtigen siebenten
Classe.
Thsan-kiün-sse ,an den Sachen des Kriegsheeres Theil
nehmende'. Dieselben sind drei und gehören zu dem unteren
Theile der richtigen achten Classe.
_t 15 H| Schang-tu-hu ,der obere allgemeine Beschützer'.
Derselbe ist ein Einziger und gehört zu der richtigen dritten
Classe.
g|J Feu-tu-hu ,die zugetheilten allgemeinen Be
schützer'. Dieselben sind zwei und gehören zu dem oberen
Theile der nachfolgenden vierten Classe.
Tschang-sse ; der älteste Vermerker'. Derselbe
ist ein Einziger und gehört zu dem oberen Theile der richtigen
fünften Classe.
Sse-ma ,der Vorsteher der Pferde'. Derselbe
ist ein Einziger und gehört zu dem unteren Theile der rich
tigen fünften Classe'.
LÖ-sse thsan-kiün-sse ,der die Sachen Verzeichnende und
an den Sachen des Kriegsheeres Theilnehmende'. Derselbe ist
960
Pfizmaier.
ein Einziger und gehört zu dem unteren Theile der richtigen
siebenten Classe.
Kung-thsao thsan-kiün-sse ,der Richter der Verdienste und
an den Sachen des Kriegsheeres Theilnehmende'.
Thsang-thsao thsan-kiün-sse ,der Richter der Scheunen
und an den Sachen des Kriegsheeres Theilnehmende'.
Hu-ihsao thsan-kiün-sse ,der Richter der Thüren des Volkes
und an den Sachen des Kriegsheeres Theilnehmende'.
Ping-thsao thsan-kiün-sse ,der Richter der Waffen und an
den Sachen des Kriegsheeres Theilnehmende'.
Die oben verzeichneten vier Würdenträger sind je Einer
und gehören zu dem oberen Theile der nachfolgenden siebenten
Classe'.
Thsan-kiün-sse ,an den Sachen des Kriegsheeres Theil
nehmende'. Dieselben sind drei und gehören zu dem oberen
Theile der nachfolgenden achten Classe.
Der allgemeine Beschützer (tu-hu) befasst sich mit der
Leitung der Gelinge, mit Beruhigen und Trösten, mit Erobe
rungszügen und Zügen zur Verhängung von Strafe, mit An
ordnung der Verdienste und Bestrafung der Fehler. Er leitet
und beurtheilt die Sachen des Sammelhauses.
± JN M Schang-tscheu thse-sse ,der stechende Ver-
merker der oberen Landstriche'. Derselbe ist ein Einziger
und gehört zu der nachfolgenden dritten Classe. Seine Amts
verrichtung ist mit derjenigen des Landpflegers ( mö) und
des Richtigen yiln) gleich.
Pie-kia ,der besonders Fahrende'. Derselbe ist
ein Einziger und gehört zu dem unteren Theile der nachfol
genden vierten Classe.
Im ersten Jahre des Zeitraumes Wu-te (618 n. Chr.) ver
änderte man den Namen thai-sclieu , Statthalter' zu
thse-sse ,stechender Vermerker'. Man fügte hierzu die Stelle
eines als Abgesandter das Abschnittsrohr Haltenden ^ |?jj
sse-tsch’i-tsie).
Für sching ,Gehilfe' sagte man pie-kia ,besonders Fah
render'.
Die Sammelhäuser der Lehenkönige China’s.
961
Im zehnten Jahre des Zeitraumes Wu-te (627 n. Chr.)
veränderte man den Namen yung-tscheu pie-kia ,der besonders
Fahrende' von Yung-tscheu zu -J^ tschang-sse ,ältester
Vermerker'. Als Kaiser Kao-tsung zu seiner Stufe gelangte,
veränderte er überall den Namen pie-kia ,besonders Fahrender'
zu tscliang-sse ,ältester Vermerker'.
Im zweiten Jahre des Zeitraumes Schang-yuen (675
n. Chr.) setzte man in allen Landstrichen wieder ,besonders
Fahrende' (pie-kia) ein. Man ernannte zu solchen die Königs
söhne. Im ersten Jahre des Zeitraumes Yung-lung (680 n. Chr.)
liess man diese Würdenträger weg. Im ersten Jahre des Zeit
raumes Yung-tschün (682 n. Chr.) setzte man sie wieder ein.
Im zweiten Jahre des Zeitraumes King-yün (711 n. Chr.) be
gann man, dazwischen gemeine Geschlechter zu verwenden.
Im ersten Jahre des Zeitraumes Thien-pao (742 n. Chr.)
veränderte man den Namen thse-sse ,stechender Vermerker' zu
* ^ thai-scheu ,Statthalter'.
-||| Tschang-sse ,der älteste Vermerker'. Derselbe
ist ein Einziger und gehört zu dem oberen Theile der nach
folgenden fünften Classe.
Sse-ma ,der Vorsteher der Pferde'. Derselbe ist
ein Einziger und gehört zu dem unteren Theile der nachfol
genden fünften Classe.
Lö-sse thsan-kiün-sse ,der die Sachen Verzeichnende und
an den Sachen des Kriegsheeres Theilnehmende'. Derselbe ist
ein Einziger und gehört zu dem oberen Theile der nachfol
genden siebenten Classe.
Lö-sse ,die Sachen Verzeichnende'. Dieselben sind zwei
und gehören zu dem unteren Theile der nachfolgenden neunten
Classe.
fil ?(r Sse-kung thsan-kiün-sse ,der den Verdiensten Vor
stehende und an den Sachen des Kriegsheeres ^Theilnehmende.'
Derselbe ist ein Einziger.
yf] 'H' Sse-thsang thsan-kiün-sse ,der den Scheunen Vor
stehende und an den Sachen des Kriegsheeres Theilnehmende'.
Derselbe ist ein Einziger.
962
Pfizmaier.
Hl p See-liu thsan-kiün-sse ,der den Tliüren des Volkes
Vorstellende und an den Sachen des Kriegsheeres Theilneh-
mende 1 . Derselbe ist ein Einziger.
n eg /Sse-thien thsan-kiün-sse ,der den Feldern Vor
stehende und an den Sachen des Kriegsheeres Theilnehmende'.
Derselbe ist ein Einziger.
fjj -Ei Sse-ping thsan-kiün-sse ,der den Waffen Vor
stehende und an den Sachen des Kriegsheeres Theilnehmende'.
Derselbe ist ein Einziger.
n & Sse-fä thsan-kiiin-sse ,der den Vorschriften Vor
stehende und an den Sachen des Kriegsheeres Theilnehmende'.
Derselbe ist ein Einziger.
^ ± Sse-sse thsan-kiün-sse ,der den vorzüglichen Män
nern Vorstehende und an den Sachen des Kriegsheeres Theil
nehmende'. Derselbe ist ein Einziger.
Die oben verzeichneten sieben Würdenträger gehören zu
dem unteren Theile der nachfolgenden siebenten Classe.
Thsan-kiün-sse ,die an den Sachen des Kriegsheeres Theil-
nehmenden'. Dieselben sind vier und gehören zu dem unteren
Theile der nachfolgenden achten Classe.
jjj Schi-lmg ,der Gebietende des Marktes'. Derselbe
ist ein Einziger und gehört zu dem oberen Theile der nach
folgenden neunten Classe.
Sching ; der Gehilfe'. Derselbe ist ein Einziger und
gehört zu dem unteren Theile der nachfolgenden neunten Classe.
Jp. Wen-hiö ,der Angestellte des Lernens der Schrift'.
Derselbe ist ein Einziger und gehört zu dem unteren Theile
der nachfolgenden achten Classe.
|||! itp* I-hiö pö-sse ,dcr vielseitige Gelehrte des Lernens
der Aerzte'. Derselbe ist ein Einziger und gehört zu dem
unteren Theile der nachfolgenden neunten Classe.
* jh m j£ Tschung-tscheu thse-sse ,der stehende Ver-
merker der mittleren Landstriche'. Derselbe ist ein Einziger
und gehört zu dem unteren Theile der richtigen vierten Classe.
Lu-sse thsan-kiün-sse ,der die Sachen Verzeichnende und
an den Sachen des Kriegsheeres Theilnehmende'. Derselbe ist
Die Sammelhäuser der Lehenkönige China's.
963
ein Einziger und gehört zu dem oberen Theile der richtigen
achten Classe.
Lo-sse ; der die Sachen Verzeichnende'. Derselbe ist ein
Einziger und gehört zu dem oberen Theile der richtigen neunten
Classe.
f}J 'Jijfj Sse-kung thsan-kiün-sse ,dor den Verdiensten Vor
stehende und an den Sachen des Kriegsheeres Theilnehmende'.
ff] Sse-thsang thsan-kiün-sse ,der den Scheunen Vor
stehende und an den Sachen des Kriegsheeres Theilnehmende'.
% P Sse-hu thsan-kiün-sse ,der den Thiiren des Volkes
Vorstehende und an den Sachen des Kriegsheeres Theilnehmende.
n m Sse-thien thsan-kiün-sse ,der den Feldern Vor
stehende und an den Sachen des Kriegsheeres Theilnehmende'.
ff] _Ee Sse-ping thsan-kiün-sse ,der den Waffen Vorste
hende und an den Sachen des Kriegsheeres Theilnehmende'.
n ft Sse-fä thsan-kiün-sse ,der den Vorschriften Vor
stehende und an den Sachen des Kriegsheeres Theilnehmende'.
Äj ± Sse-sse thsan-kiün-sse ,der den vorzüglichen Män
nern Vorstehende und an den Sachen des Kx’iegsheeres Theil
nehmende'.
Die oben verzeichneten sieben Angestellten sind je Einer
und gehören zu dem unteren Theile der richtigen achten Classe.
Thsan-kiün-sse ,die an den Sachen des Kriegsheeres Tlieil-
nehmenden'. Dieselben sind drei und gehören zu dem unteren
Theile der richtigen neunten Classe.
1-hiö pö-sse ; der vielseitige Gelehrte des Lernens der Aerzte'.
Derselbe ist ein Einziger und gehört zu dem unteren Theile
der nachfolgenden neunten Classe.
T ttl * ife Hia-tscheu thse-sse ,der stechende Ver-
merker der unteren Landstriche'. Derselbe ist ein Einziger
und gehört zu dem unteren Theile der richtigen vierten Classe.
jj|] Pie-kia ,der besonders Fahrende'. Derselbe ist
ein Einziger und gehört zu dem oberen Theile der nachfolgenden
fünften Classe.
Sse-ma ,der Vorsteher der Pferde'. Derselbe ist ein
Einziger und gehört zu dem oberen Theile der nachfolgenden
sechsten Classe.
Sitzungsber. d. phil.-hist. CI. XCV. Bd. IV. Hft.
62
964
Pfizmaier.
LÖ-sse thsan-kiün-sse ,der die Sachen Verzeichnende und
an den Sachen des Kriegsheeres Theilnehmende'. Derselbe ist
ein Einziger und gehört zu dem unteren Theile der nach
folgenden neunten Classe.
Sse-ihsang thsan-kiün-sse ,der den Scheunen Vorstehende
und an den Sachen des Kriegsheeres Theilnehmende'.
Sse-hu thsan-kiün-sse /ler den Thüren des Volkes Vor
gesetzte und an den Sachen des Kriegsheeres Theilnehmende'.
Sse-thien thsan-kiün-sse ,der den Feldern Vorstehende und
an den Sachen des Kriegsheeres Theilnehmende'.
Sse-fä thsan-kiün-sse ,der den Vorschriften Vorstehende
und an den Sachen des Kriegsheeres Theilnehmende'.
Die oben verzeichneten Angestellten sind je Einer und
gehören zu dem unteren Theile der nachfolgenden achten Classe.
Thsan-kiün-sse ,an den Sachen des Kriegsheeres Theil
nehmende'. Dieselben sind zwei und gehören zu dem unteren
Theile der nachfolgenden neunten Classe.
1-hiö pö-sse ,der vielseitige G-elehrte des Lernens der
Aerzte'. Derselbe ist ein Einziger und gehört zu dem unteren
Theile der nachfolgenden neunten Classe.
Im sämmtlichen Kriegsheeren wurde je eingesetzt:
Sse ,der Abgesandte'. Derselbe ist ein Einziger.
Für fünftausend Menschen und darüber ist:
Mti W. Feu-sse ,der zugetheilte Abgesandte'. Derselbe
ist ein Einziger.
Für zehntausend Menschen und darüber ist:
H EB @U ® Ying-thien feu-sse ,der die Felder hauende
zugetheilte Abgesandte'. Derselbe ist ein Einziger.
In allen Kriegsheeren gibt es drei Richter, diejenigen der
Scheunen, der Waffen und der Panzer (thsang, ping, tsch’eu)
und an den Sachen des Kriegsheeres Theilnehmende (thsan-
kiün-sse).
Wenn der stechende Vermerker (thse-sse) den Abgesandten
(sse) leitet, werden eingesetzt:
Feu-sse ,der zugetheilte Abgesandte'.
m w Tui-küan ,der darbietende Amtsführer'.
fnj W Ya-kuan ,der Amtsführer des hohen Wohnsitzes'.
Die Sammelhäusor der Lehenkönige China’s.
965
JH ü ¥ Tscheu-ya tui-läün ,der für den hohen
Wohnsitz der Landstriche das Kriegsheer Darbietende 1 .
fnj Ya-tui ; der Darbietende des hohen Wohnsitzes'.
Jjt j|yf. ^ Kmg-hien-ling ,der Befehlhaber der Kreise der
Mutterstadt'. Derselbe ist je Einer und gehört zu dem oberen
Theile der richtigen fünften Classe.
Tfc Scliiny , Gehilfen'. Dieselben sind zwei und gehören
zu dem oberen Theile der nachfolgenden siebenten Classe.
ip m Tschü-pu ,den Registern Vorgesetzte', Dieselben
sind zwei und gehören zu dem oberen Theile der nachfolgen
den achten Classe.
i||. Lö-sse ,die Sachen Verzeichnende'. Dieselben
sind zwei und gehören zu dem unteren Theile der nachfolgen
den neunten Classe.
Jjhj' Wei ,Beruhig'er'. Dieselben sind sechs und gehören
zu dem unteren Theile der nachfolgenden achten Classe.
tlH /üft ^ Khi-hien-ling ,der Befehlshaber der Kreise
des Umkreises der Mutterstadt'. Derselbe ist je Einer und
gehört zu dem oberen Theile der richtigen sechsten Classe.
Sching ,der Gehilfe'. Derselbe ist ein Einziger und
gehört zu dem unteren Theile der richtigen achten Classe.
Tschü-pu ,der den Registern Vorgesetzte'. Derselbe ist
ein Einziger und gehört zu dem oberen Theile der richtigen
neunten Classe.
Jjbj' Wei ,Beruhiget - '. Dieselben sind zwei und gehören
zu dem unteren Theile der richtigen neunten Classe.
± Üt ^ Schang- hien-ling , der Befehlshaber des
oberen Kreises'. Derselbe ist ein Einziger und gehört zu dem
oberen Theile der nachfolgenden sechsten Classe.
Sching ,der Gehilfe'. Derselbe ist ein Einziger und ge
hört zu dem unteren Theile der nachfolgenden achten Classe.
62*
966
P fizmaier.
Tschü-pu ,der den Registern Vorgesetzte'. Derselbe ist
ein Einziger und gehört zu dem unteren Tlieile der richtigen
neunten Classe.
Wei ,Beruhiger'. Dieselben sind zwei und gehören zu
dem oberen Theile der nachfolgenden neunten Classe.
5+1 Tsclmng - Men - ling ,der Befehlshaber des
mittleren Kreises'. Derselbe ist ein Einziger und gehört zu
dem oberen Theile der richtigen siebenten Classe.
Sching ,der Gehilfe'. Derselbe ist ein Einziger und ge
hört zu dem unteren Theile der nachfolgenden achten Classe.
Tschü-pu ,der den Registern Vorgesetzte'. Derselbe ist
ein Einziger und gehört zu dem oberen Theile der nachfolgen
den neunten Classe.
Wei ,der Beruhiger'. Derselbe ist ein Einziger und ge
hört zu dem unteren Theile der nachfolgenden neunten Classe.
t m Tschung-hia-hien-ling ,der Befehlshaber
des mittleren unteren Kreises'. Derselbe ist ein Einziger und
gehört zu dem oberen Theile der nachfolgenden siebenten Classe.
Sching ,Gehilfen'. Dieselben sind zwei und gehören zu
dem oberen Theile der richtigen neunten Classe.
Tschü-pu ,der Vorgesetzte der Register'. Derselbe ist
ein Einziger und gehört zu dem oberen Theile der nachfolgen
den neunten Classe.
Wei ,der Gehilfe'. Derselbe ist ein Einziger und gehört
zu dem unteren Theile der nachfolgenden neunten Classe.
~F /Hf; Hia-hien-ling ,der Befehlshaber des unteren
Kreises'. Derselbe ist ein Einziger und gehört zu dem unteren
Theile der nachfolgenden siebenten Classe.
Sching ,der Gehilfe'. Derselbe ist ein Einziger und ge
hört zu dem unteren Theile der richtigen neunten Classe.
Tscliü-pu ,der den Registern Vorgesetzte'. Derselbe ist
ein Einziger und gehört zu dem oberen Theile der nachfolgen
den neunten Classe.
Die Sammelhäuser der Lelienlconige China’s.
967
Wei ,c!er Beruhiger'. Derselbe ist ein Einziger und ge
hört zu dem unteren Theile der nachfolgenden neunten Classe.
Der Befehlshaber des Kreises (hien-ling) befasst sich mit
der Leitung der Sitten und Gewohnheiten, er untersucht die
Anschuldigungen und Aufhaltungen, hört die Streitigkeiten.
Alles, was auf den Feldern des Volkes gesammelt und über
geben wird, verleiht der Befehlshaber des Kreises. In jedem
Jahre, im letzten Monate des Winters, übt er die Gebräuche
des Weintrinkens in den Bezirken. Obgleich es für die Schrift
tafeln und Rechnungen, für die Posten, die Scheunen, die Rüst
kammern, für Diebe und Räuber, für Dämme und Wege aus
schliessliche Obrigkeiten gibt, wird dieses alles durchgängig
dem Kreise zur Kenntniss gebracht. Der Gehilfe (selling) steht
dabei als Zweiter zur Seite. Die Beruhiger (wei) des Kreises
vertheilen sich und beurtheilen die Gesammtheit der Richter
(thsao). Sie fassen zusammen und gehen bei den Prüfungen
und Einrichtungen voran.
Im ersten Jahre des Zeitraumes Wu-te (618 n. Chr.) ver
änderte man den bisher üblichen Namen schu - tso
,Gehilfe der Bücher' zu lp| hien-wei , Beruhiger des
Kreises'. Plötzlich veränderte man ihn zu IE tscliing ,Rich
tiger'. In sämmtlichen Kreisen setzte man den Registern Vor
gesetzte (tschü-pu) ein. Man wählte sie aus der Zahl der
nach aussen Verbannten lieu-wai).
Die Gehilfen (sching) der Kreise der Mutterstadt (king-
hien) und der oberen Kreise (schang-liien.) waren überall ein
Einziger. Die Richtigen (tscliing) der Kreise des Umkreises
der Mutterstadt (ltln-liien) und der oberen Kreise waren überall
vier. Im siebenten Jahre des Zeitraumes Wu-te (624 n. Chr.)
veränderte man den Namen hien-tsching ,Richtiger des Kreises'
wieder zu m wei ,Beruhiger'.
Im Anfänge des Zeitraumes Tsching-kuan (627 n. Chr.)
setzte man in sämmtlichen Kreisen ,die Sachen Verzeichnende'
(lö-sse) ein.
In dem Zeiträume Khai-yuen (713 bis 741 n. Chr.) ver
mehrte man, wenn in den oberen Kreisen (schang-hien) zehn
tausend Thüren des Volkes, in den mittleren Kreisen (tsclmng-
hien) viertausend Thüren des Volkes waren, die Zahl der Beruhiger
(wei) um Einen. In dem Kreise der Mutterstadt und in dem
968
Pfizmaier.
Sammelhause von Ho-nan setzte man in sämmtlichen Kreisen,
wenn die Thüren des Volkes dreitausend und darüber waren,
einen Gebietenden des Marktes (rfr schi-ling) ein.
Wenn die Thüren des Volkes zehntausend und darüber
waren, wurden eingesetzt:
iÜI yit 'pf I-thsang-tö ,Beaufsichtiger der angemessenen
Scheunen'. Dieselben waren drei. Wenn später in den Kreisen
des Umkreises der Mutterstadt (khi-kien) die Zahl der Thüren
des Volkes nicht viertausend erreichte, setzte man ebenfalls
zwei Beruhiger (wei) ein. Waren es zehntausend Thüren des
Volkes, so gab man einen Beruhiger (wei) hinzu.
In den Kreisen gab es:
$ iä S.se-kung-tso , Gehilfen des den Verdiensten
Vorstehenden'.
n £ ft Sse-thsang-tso ,Gehilfen des den Scheunen
Vorstehenden'.
n P See-hu-tso ,Gehilfen des den Thüren des
Volkes Vorstehenden'.
si ä ft Sse-ping-tso ,Gehilfen des den Waffen Vor
stehenden'.
Bl ft ft Sse-fä-tso ,Gehilfen des den Vorschriften
Vorstehenden'.
n ± jk Sse-sse-tso ,Gehilfen des den vorzüglichen
Männern Vorstehenden'.
Dieselben waren den Sachen des Thores des Gefängnisses
und Anderem vorgesetzt.
In den Kreisen des Umkreises der Mutterstadt (khi-hien)
Hess man den ,den Waffen Vorstehenden' (sse-ping) weg.
In den oberen Kreisen (schang-hien) gab es bloss einen
den Thüren des Volkes Vorstehenden (sse-hu) und einen den
Vorschriften Vorstehenden (sse-fä).
In allen Kreisen waren angestellt:
& # tf ± King-liio pu-sse ,der vielseitige Gelehrte
der mustergiltigen Bücher'.
|j/j Tsu-Jdao ,der bei den Belehrungen Helfende'.
Diese zwei Angestellten waren je Einer.
Die Sammolhäuser der Lehenkonige China’s.
969
In den Kreisen der Mutterstadt (king-hien) gab es:
£ & HiÖ-seng ,Beflissene des Lernens'. Dieselben
waren fünfzig. In den Kreisen des Umkreises der Mutterstadt
(khi-hien) waren es je vierzig. Von den mittleren Kreisen
(tscliung-hien) abwärts waren es fünf und zwanzig.
Schang-tschin-tsiang ,der Anführer der oberen
Niederhaltungen'. Derselbe ist ein Einziger und gehört zu dem
unteren Theile der richtigen sechsten Classe.
pj|j Tschin-feu ,Zugetheilte der Niederhaltungen'.
Dieselben sind zwei und gehören zu dem unteren Theile der
richtigen siebenten Classe.
Thsang-thscio thsan-Mün-sse .der Richter der Scheunen und
an den Sachen des Kriegsheeres Theilnehmende'.
Ping-thsao thsan-lciiin-sse ,der Richter der Waffen und an
den Sachen des Kriegsheeres Theilnehmende'.
Die obigen zwei Angestellten sind je Einer und gehören
zu dem unteren Theile der nachfolgenden achten Classe.
tj^. Tschung - tschin - tsiang ,der Anführer der
mittleren Niederhaltungen'. Derselbe ist ein Einziger und ge
hört zu dem oberen Theile der richtigen siebenten Classe.
m mij Tscliin-feu ,der Zugetheilte der Niederhaltungen'.
Derselbe ist ein Einziger und gehört zu dem oberen Theile der
nachfolgenden siebenten Classe.
Ping-thsao thsan-kiün-sse ,der Richter der Waffen und an
den Sachen des Kriegsheeres Theilnehmende'. Derselbe ist
ein Einziger und gehört zu dem unteren Theile der richtigen
neunten Classe.
I /J V ^ —
Niederhaltungen'. Derselbe ist ein Einziger und gehört zu dem
unteren Theile der richtigen siebenten Classe.
tj^. Hia-tschin-tsiang ,der Anführer der unteren
Derselbe ist ein Einziger und gehört zu dem unteren 1 heile
der nachfolgenden siebenten Classe.
g|J Tschin-feu ,der Zugetheilte der Niederhaltungen'.
970
P f i z m a i e r.
Ping-tlisao thsan-kiün-sse ,der Richter der Waffen und an
den Sachen des Kriegsheeres Theilnehmende'. Derselbe ist
ein Einziger und gehört zu dem unteren Tlieile der nachfol
genden neunten Classe.
Bei jeder Niederhaltung (tscliin) sind angestellt:
m Sse ,der Abgesandte'. Derselbe ist ein Einziger.
pjlj Feu-sse ,der zugetheilte Abgesandte'. Derselbe ist
ein Einziger.
Bei allen Niederhaltungen des Kriegsheeres (Idün-tschin)
wird, wenn es zweimals zehntausend Menschen oder mehr sind,
ferner eingesetzt:
Sse-ma ,der Vorsteher der Pferde'. Derselbe ist
ein Einziger und gehört zu dem oberen Theile der richtigen
sechsten Classe.
Man vermehrt die Angestellten um den Richter der
Scheunen, den Richter der Waffen, und an den Sachen des
Kriegsheeres Theilnehmenden (thsang-thsao, ping-tlisao thsan-
kiün-sse). Dieselben sind je Einer und gehören zu dem unteren
Theile der nachfolgenden siebenten Classe.
Wenn die Zahl zwei Zehntausende nicht erreicht, gehört
der Vorsteher der Pferde (sse-ma) zu dem oberen Theile der
nachfolgenden sechsten Classe. Der Richter der Scheunen,
der Richter der Waffen und an den Sachen des Kriegsheeres
Theilnelimende (thsang-tlisao, ping-tlisao, thsan-kiün-sse) gehören
zu dem oberen Theile der richtigen achten Classe.
zp Schang-schü-tschü ,der Vorgesetzte der oberen
Besatzungen'. Derselbe ist ein Einziger und gehört zu dem
unteren Theile der richtigen achten Classe.
& MÜ Schü-feu ,der Zugetheilte der Besatzungen'. Der
selbe ist ein Einziger und gehört zu dem unteren Theile der
nachfolgenden achten Classe.
* $ ± Tschung-schü-tschü ,der Vorgesetzte der mitt
leren Besatzungen'. Derselbe ist ein Einziger und gehört zu
dem unteren Theile der nachfolgenden achten Classe.
Hia-schü-tschü ,der Vorgesetzte der unteren
Besatzungen'. Derselbe ist ein Einziger und gehört zu dem
unteren Theile der richtigen neunten Classe.
Die Sammelhäuser der Lehenkönige China’s.
971
Der Anführer der Niederhaltungen (tschin-tsiang), die Zu-
getheilten der Niederhaltungen (tschin-feu), der Vorgesetzte der
Besatzungen (schü-tschil) und der Zugetheilte der Besatzungen
(schü-feu) befassen sich mit Abwehren, Bewachen und Ver-
theidigen.
Die oberen Niederhaltungen (schang-tscliin) sind zwanzig.
Die mittleren Niederhaltungen (tschung-tscMn) sind neunzig.
Die unteren Niederhaltungen (hia-tschin) sind einhundert
fünf und dreissig.
Die oberen Besatzungen (schang-schü) sind eilf.
Die mittleren Besatzungen (tschung-schü) sind sechs und
achtzig.
Die unteren Besatzungen (hia-schil) sind zweihundert fünf
und vierzig.
D er Richter der Scheunen und an den Sachen des Kriegs
heeres Theilnehmende (thsang-thsao thsan-kiün-sse) befasst sich
mit den angemessenen Mustern, mit den Scheunen, Rüst
kammern, mit Getränken, Speisen und den Arzneien der Aerzte.
Wenn er die Sachen nahe bringt, untersucht er vorläufig die
Aufzeichnungen der verschlossenen Abtheilungen. Er beauf
sichtigt die Siegel, reicht Papier und Pinsel und marktet und
treibt Tauschhandel auf den öffentlichen Feldern.
Bei den Niederhaltungen (tschin) befasst sich damit zu
gleich der Richter der Waffen (ping-thsao). Der Richter der
Waffen und an den Sachen des Kriegsheeres Theilnehmende
(ping-thsao thsan-kiün-sse) befasst sich mit der Abschliessung
der namhaften Rechnungen der Menschen, mit den Kriegs-
geräthen, Schlüsseln, Pferden und Eseln, mit Erde, Holz und
mit der Sache der Verweise und leichten Strafen.
Zu den oberen Niederhaltungen (schang-tscliin) gehören
die Angestellten:
Lo-sse ,der die Sachen Verzeichnende* Einer.
Sse ,Vermerker‘ Einer.
Thsang-thsao-tso ,der Gehilfe des Richters
der Scheunen*. Derselbe ist ein Einziger. Zu ihm gehören noch:
Sse ,Vernaerker* zwei.
Ping-thsan-tso ,der Gehilfe des Richters der
Waffen*.
972
Pfizmaier.
^ Sse ,Vermerker'. Dieser und der vorher genannte
Angestellte sind je zwei.
^ ^ Thsang-tÖ ,der Beaufsichtiger der Scheunen'. Der
selbe ist ein Einziger. Zu ihm gehören noch:
Sse ,Vermerk er' zwei.
Zu den mittleren Niederhaltungen (tschung-tschin) gehören
die Angestellten:
LÖ-sse ,der die Sachen Verzeichnende' Einer.
Ping-thsao-tso ,der Gehilfe des Richters der Waffen' Einer.
Zu ihm gehören noch:
Sse , Vermerker' vier.
Thsang-tö ,der Beaufsichtiger der Scheunen' Einer. Zu
ihm gehören noch:
Sse ,Vermerker' zwei.
Zu den unteren Niederhaltungen (Ma-tschin) gehören die
Angestellten:
Lö-sse ,der die Sachen Verzeichnende' Einer.
Ping-thsao-tso ,der Gehilfe des Richters der Waffen' Einer.
Sse ,Vermerk er' zwei.
Thsang-tö ,der Beaufsichtiger der Scheunen' Einer. Zu
ihm gehört noch:
Sse ,der Vermerker' Einer.
In allen Niederhaltungen des Kriegsheeres (kiün-tschin)
befindet sich bei fünfhundert Menschen:
tf t Kiä-kuan ? der niederdrückende Amtsführer'. Der
selbe ist ein Einziger.
Bei tausend Menschen befindet sich:
~^T *§* Tse-tsung-kuan ,der als Sohn Leitende und
Besorgende'. Derselbe ist ein Einziger.
Bei fünftausend Menschen befinden sich ferner:
Fu ,Angestellte des Sammelhauses' drei.
Sse ,Vermerker' vier.
_t Jjfe Schang-schü-tso ,der Gehilfe der oberen Be
satzung. Derselbe ist ein Einziger. Zu ihm gehören:
Sse ,Vermerker' zwei.
4» $ £ Tschung-schii-sse ,Vermerker der mittleren Be
satzung. Dieselben sind zwei.
Die Sammelliäuser der Lehenkönige China’s.
973
t m ä Hia-schii-sse ,der Vermerk er der unteren Be
satzung'. Derselbe ist ein Einziger.
Tkang schaffte die Söhne der Besatzung ( -^r* schii-
tse) 1 ab.
Fünfhundert Menschen, welche Vertheidiger m a fang-
jin)- sind, bilden eine obere Niederhaltung (schang-tsckin).
Zweihundert Menschen bilden eine mittlere Niederhaltung
(tschung-tschin).
Die Menschen, welche den letzteren an Zahl nicht gleich
kommen, bilden eine untere Niederhaltung (hia-tsclän).
Fünfzig Menschen bilden eine obere Besatzung (schang-
schü).
Dreissig Menschen bilden eine mittlere Besatzung (tschung-
schii).
Die Menschen, welche den letzteren an Zahl nicht gleich
kommen, bilden eine untere Besatzung (liia-scliü).
Im fünfzehnten Jahre des Zeitraumes Khai-yuen (727
n. Chr.) setzte man in den fünf Festen von Sö-fang je einen
Richter der Felder und an den Sachen des Kriegsheeres Theil-
nehmenden (thien-thsao ihsan-kiün-sse) ein. Dessen Rangclasse
war mit derjenigen des beurtheilenden Vorstehers (=jj] jjJ
puan-sse) sämmtlicher Kriegsheere gleich. Er beaufsichtigte
ausschliesslich den Bau der Felder.
Nach dem Zeiträume Yung-thai (665 n. Ch.) vermehrte
und verminderte man ziemlich die Aemter sämmtlicher Nieder
haltungen im Verhältnisse zu der alten Einrichtung des Zeit
raumes Khai-yuen.
£ & H * 4 sse-tö ling ,die Gebietenden
der fünf Berghöhen, der vier Ausflüsse'. Dieselben sind je
Einer und gehören zu dem oberen Theile der richtigen neunten
Classe. Sie befassen sich mit den Opfern.
1 ,Söhne der Besatzung 1 wurden früher nicht erwähnt. Es ist hiermit das
obige tse-tmncj-kuan ,der als Sohn Leitende und Besorgende“ zu ver
gleichen.
974
Pfizmaier.
Bei diesem Amte gibt es:
jjf|J jjp Sse-sse ,Vermerker des Opfers' drei.
5^" Tschai-lang ,Leib Wächter der Verehrung 1 . Die
selben sind je dreizehn.
p [||] ^ Schang-Jcuan-ling ,der Befehlshaber des
oberen Gränzpasses 1 . Derselbe ist ein Einziger und gehört zu
dem unteren Theile der nachfolgenden achten Classe.
Sch.ing ,Gehilfen 1 . Dieselben sind zwei und gehören
zu dem unteren Theile der richtigen neunten Classe.
*
4
Tsclmng-huan-ling ,der Befehlshaber des
mittleren Gränzpasses 1 . Derselbe ist ein Einziger und gehört
zu dem unteren Theile der richtigen neunten Classe.
Scliing ,der Gehilfe 1 . Derselbe ist ein Einziger und
gehört zu dem unteren Theile der nachfolgenden neunten Classe.
T
Hia-kuan-ling ,der Befehlshaber des unter*
en
Gränzpasses 1 . Derselbe ist ein Einziger und gehört ebenfalls
zu dem unteren Theile der nachfolgenden neunten Classe.
Diese Angestellten befassen sich mit dem Verbieten des
Umherwandeins in der Ferne, mit Untersuchung der List und
Heimtücke. Wenn Wagen und Pferde der Reisenden heraus
kommen und hereinkommen, halten sich diese Angestellten an
den Ort, wo man vorübergeht und bilden Zeitabschnitte für
das Gehen und Kommen.
Die Gränzpässe sind sechs und zwanzig. Die Gränzpässe
an den vier Seiten der Mutterstadt, wo es Wege der Posten
gibt, sind die oberen Gränzpässe (schcmg-kuan).
Diejenigen, bei welchen es keine Wege der Posten gibt,
sind mittlere Gränzpässe (tschung-huan). Die übrigen sind
untere Gränzpässe (hia-kuan).
Der Gehilfe scliing) befasst sich mit der Anbringung
der Sachen, mit vorläufiger Untersuchung der Siegel und der
Aufzeichnungen der verschlossenen Abtheilungen. Er beurtheilt
durchgängig die Sachen des Gränzpasses.
Zu den oberen Engpässen (schang-kuan) gehören:
^ 3||. Lö-sse ,der die Sachen Verzeichnende 1 . Derselbe
ist ein Einziger.
Die Sammelhäuser der Leheukönige C'hina’s.
975
jjl Sse ,Vermerker 4 vier.
JjttL i||. Tien-sse ,den Sachen Vorgesetzte 4 sechs.
Zu den mittleren Engpässen (tschung-kuan) gehören:
Lo-sse ,der die Sachen Verzeichnende 4 . Derselbe ist ein
Einziger.
Fu ,der Angestellte des Sammelhauses 4 . Derselbe
ist ein Einziger.
Sse ,Vermerker 4 zwei.
Tien-sse ,den Sachen Voi'gesetzte 4 vier.
Zu den unteren Engpässen (hia-kuan) gehören:
Fu ,der Angestellte des Sammelhauses 4 . Derselbe ist ein
Einziger.
Sse ,Vermerker 4 .
Tien-sse .den Sachen Vorgesetzte 4 . Dieser und der obige
Angestellte sind je zwei.
Der den Sachen Vorgesetzte (tien-sse) befasst sich mit
Ausreutungen im Umherwandeln und vermischten Obliegen
heiten.
Anfänglich setzte man in sämmtlichen Gränzpässen all
gemeine Beruhiger CR tu-wei) ein. Es gab auch andere
Obrigkeiten, welche zur Beaufsichtigung ermahnten.
In den oberen Ueberfahrten (± m scliang-tsin) wurden
eingesetzt:
Wei ,der Beruhiger 4 . Derselbe war ein Einziger und
befasste sich mit den Sachen der Schiffe und Brücken.
Fu ,der Angestellte des Sammelhauses 4 . Derselbe war
ein Einziger.
* Sse ,Vermerker 4 zwei.
eingesetzt:
Jl.f Wei ,der Beruhiger 4 . Derselbe war ein Einziger.
Jff Fu ,der Angestellte des Sammelhauses 4 . Derselbe
war ein Einziger.
^ Sse , Vermerker 4 zwei.
Tsin-tscTiang ,Aelteste der Ueberfahrt 4 zwei.
In dem Zeiträume Yung-hoei (650 bis 655 n. Chr.) schaffte
man den Beruhiger (wei) der Ueberfahrt ab.
976
Pfizmaier. Die Sammelhüuser der Lelienkönigc China’s.
In dem oberen Gränzpasse (schang-kuan) setzte man ein:
'/^t Tsin-li ,Angestellte der Ueberfahrt' acht.
Im ersten Jahre des Zeitraumes Yung-thai (765 n. Chr.)
wurden in dem mittleren Gränzpasse (Tschung-kuan) eingesetzt:
(Jj Tsin-li ,Angestellte der Ueberfahrt' sechs. In
dem unteren Gränzpasse (Ma-kuan) waren es vier. Wo sich
keine Ueberfahrt befand, wurden sie nicht eingesetzt.
XXVII. SITZUNG VOM 17. DECEMBER 1879.
Das k. k. Ministerium für Cultus und Unterricht über
mittelt mehrere Abhandlungen des Chefs des indischen Agri-
cultur- und Commerz-Departements Herrn Rivett-Carnac,
welche in der Zeitschrift der asiatischen Gesellschaft von Bengal
erschienen sind und von dem Herrn Verfasser eingesendet
wurden.
Der Bibliothekar und Archivar des Stiftes Reichersberg,
Herr Konrad Mein dl, legt: , Bartholomaei Hoyer, dicti Schirmer,
cellerarii (1462—1469) registrum procurationis rei domesticae
pro familia Reichersperg“ unter dem Ersuchen um Veröffent
lichung in dem Archiv vor.
An Druckschriften wurden vorgelegt:
Akademie der Wissenschaften, königl. schwedische: Ofvcrsigt af Förhand-
lingar. 36 lc Arg. Nr. 1—6. Stockholm, 1879; 8°.
Breslau, Universität: Akademische Schriften pro 1878/79. 4° und 8°.
Central-Commission, k. k. statistische: Statistisches Jahrbuch für das
Jahr 1877. XI. Heft. Wien, 1879; 8°. Ausweise über den auswärtigen
Handel der österreichisch-ungarischen Monarchie im Sonnenjahr 1878.
XXXIX. Jahrgang, 111. Abtheilung. Wien, 1879; 4°. Nachrichten über
Industrie, Handel uud Verkehr. XVII. Band. 1. und II. Heft. Wien,
1879; 8°.
978
Gesellschaft, archäologische, zu Berlin: Thanatos. XXXIX. Programm
zum Winckelmannsfeste von Carl Robert. Berlin, 1879; 4°.
Martens, F. Professor: Recueil des Traites et Conventions conclus par la
Russie avec les puissanees etrangeres. Tome II. Traites avec l’Autriche
1772—1808. St.-Petersbourg, 1875; 4°. Tome III, 1808 —1815. St.-Peters-
bourg, 1876; 4°. Tome IV, l re Partie, 1815—1849. St.-Petersbourg, 1878;
4°. Tome IV, 2° Partie, 1849 — 1878. St.-Petersbourg, 1878; 4°.
,Revue politique et litteraire“ et ,Revue seientifique de la France et de
l’Etranger“. IX' Annee, 2 e Serie, Nr. 24. Paris, 1879; 4°.
Society, the royal geographical: Proceedings and Monthly Record of Geo
graphie. Vol. I. Nr. 12. December 1879, London; 8°.