Full text: Sitzungsberichte / Akademie der Wissenschaften in Wien, Philosophisch-Historische Klasse Sitzungsberichte der Philosophisch-Historischen Classe der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften, Wien, 61. Band, (Jahrgang 1869)

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schwer nicht zu erfüllen — sei es ja leichter, Dinge, gegen welche 
die menschliche Schwäche sich sträube, auf Befehl eines andern als 
aus eigener Selbstbestimmung zu thun, und wenn das Gelübde des 
Besitzes entkleide, so enthebe es auch der Sorge des Erwerbes 
— tlieils nicht für alle passend und nicht für alle nothwendig: denn 
gebe es eine Tugend des Gehorsams, so gebe es auch eine Tugend 
weiser Herrschaft, und gebe es eine Tugend der Armuth, so auch 
eine Tugend besonnenen Gebrauches des Reichthums, und der 
Tugend der Keuschheit trete die Tugend der Ehe an die Seite. 
Nachdem Valla in dieser Weise durch Zergliederung der ein 
zelnen Tugenden den darauf gegründeten Anspruch eines liöhern 
Verdienstes entkräftet hat, lässt er zum Schluss das Gelübde noch 
einmal als Ganzes ins Auge und gibt jetzt auch die früher abgelehnte 
Antwort auf die von dem Mitunterredner entgegengehaltene Gefahr 
des Eidbruchs, in die sich die dem Ordensgelübde unterworfenen 
begehen. Wohl, entgegnet er, setzen sie sich der Gefahr des Eid 
bruchs aus, aber dies beweist eben, dass, wen das Gelübde bindet, 
durch den Zwang des Gebotes, nicht durch freie Selbstbestimmung, 
aus Furcht vor der Strafe, nicht aus Liebe zum Guten den Weg der 
Tugend wandte: doch wisse er wohl, setzt er beschwichtigend hinzu, 
dass es auch im Orden Männer gehe, welche nicht in dem Gebot, 
sondern im freien Wollen, nicht in der Furcht, sondern in der Liebe 
die Triebfeder ihres sittlichen Lebens fänden, und bahnt sich so den 
Weg zu einer peroratio, in welcher er das Lob der Ordensbrüder 
verkündet, wofern sie nur so wären, wie sie nach der Intention 
ihrer Stifter sein sollten. 
Der Mitunterredner erklärt sich durch Valla's Einwendungen 
nicht besiegt, doch wolle er der Sache sorgfältiger nachdenken, und 
dann den Streit von neuem aufnehmen. 
Valla hat den Dialog, dessen Gang ich in den äussersten Um 
rissen zu skizziren versucht habe, in einer von starkem Selbstgefühl 
getragenen Widmung dem Baptista Platamon zugeeignet, einem 
Manne, der am Hofe des Königs Alphons von Aragonien und Sicilien 
eine einflussreiche Stellung einnahm und dem Könige persönlich 
nahe stand 2 ). Die Abfassung der Schrift fällt sonach in Valla's Nea- 
2 ) Siehe den zweiten Excurs.
	        
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