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schwer nicht zu erfüllen — sei es ja leichter, Dinge, gegen welche
die menschliche Schwäche sich sträube, auf Befehl eines andern als
aus eigener Selbstbestimmung zu thun, und wenn das Gelübde des
Besitzes entkleide, so enthebe es auch der Sorge des Erwerbes
— tlieils nicht für alle passend und nicht für alle nothwendig: denn
gebe es eine Tugend des Gehorsams, so gebe es auch eine Tugend
weiser Herrschaft, und gebe es eine Tugend der Armuth, so auch
eine Tugend besonnenen Gebrauches des Reichthums, und der
Tugend der Keuschheit trete die Tugend der Ehe an die Seite.
Nachdem Valla in dieser Weise durch Zergliederung der ein
zelnen Tugenden den darauf gegründeten Anspruch eines liöhern
Verdienstes entkräftet hat, lässt er zum Schluss das Gelübde noch
einmal als Ganzes ins Auge und gibt jetzt auch die früher abgelehnte
Antwort auf die von dem Mitunterredner entgegengehaltene Gefahr
des Eidbruchs, in die sich die dem Ordensgelübde unterworfenen
begehen. Wohl, entgegnet er, setzen sie sich der Gefahr des Eid
bruchs aus, aber dies beweist eben, dass, wen das Gelübde bindet,
durch den Zwang des Gebotes, nicht durch freie Selbstbestimmung,
aus Furcht vor der Strafe, nicht aus Liebe zum Guten den Weg der
Tugend wandte: doch wisse er wohl, setzt er beschwichtigend hinzu,
dass es auch im Orden Männer gehe, welche nicht in dem Gebot,
sondern im freien Wollen, nicht in der Furcht, sondern in der Liebe
die Triebfeder ihres sittlichen Lebens fänden, und bahnt sich so den
Weg zu einer peroratio, in welcher er das Lob der Ordensbrüder
verkündet, wofern sie nur so wären, wie sie nach der Intention
ihrer Stifter sein sollten.
Der Mitunterredner erklärt sich durch Valla's Einwendungen
nicht besiegt, doch wolle er der Sache sorgfältiger nachdenken, und
dann den Streit von neuem aufnehmen.
Valla hat den Dialog, dessen Gang ich in den äussersten Um
rissen zu skizziren versucht habe, in einer von starkem Selbstgefühl
getragenen Widmung dem Baptista Platamon zugeeignet, einem
Manne, der am Hofe des Königs Alphons von Aragonien und Sicilien
eine einflussreiche Stellung einnahm und dem Könige persönlich
nahe stand 2 ). Die Abfassung der Schrift fällt sonach in Valla's Nea-
2 ) Siehe den zweiten Excurs.