Full text: Sitzungsberichte / Akademie der Wissenschaften in Wien, Philosophisch-Historische Klasse Sitzungsberichte der Philosophisch-Historischen Classe der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften, Wien, 61. Band, (Jahrgang 1869)

Laurentii Vallae opuscula tria. I. 
11 
den geringsten Tadel verdiene, und umgekehrt wo die verfehlte Aus 
führung der schärfste Tadel treffe, die gelungene nur ein geringes 
Verdienst sein könne, und indem er hiervon Anwendung auf das 
Ordensgeliibde macht, bringt er seinen Mitunterredner schier zur 
Verzweiflung, die kaum erheblich gemildert wird durch Valla’s 
wiederholte Versicherung, er kämpfe nicht gegen das Gelübde als 
solches, sondern nur gegen den von dem Gegner seihst geltend 
gemachten Grund. 
Da dieser sich als beweiskräftig nicht erwiesen hat, so hält der 
Ordensbruder das zu dem Gelübde hinzutretende voium entgegen, 
das vermöge seiner Unverbrüchlichkeit dem Gelübde selbst ein 
höheres Verdienst vindicieren müsse. 
ValIa ergreift auch hier vorab die Gelegenheit darzuthun, dass 
diese Anwendung des Ausdrucks votum, das ein unter der Bedingung 
einer Gegenleistung gegebenes Versprechen bezeichne, unstatthaft 
sei und eine unrichtige Vorstellung in sich scldiesse: das zu dem 
Versprechen (professio, promissioj hinzu tretende Moment sei viel 
mehr ein Eidschwur (ein iuramentum oder imiurandum), dieser 
aber könne, wenn anders das Versprechen an sich Kraft und Be 
deutung habe, seinen Werth nicht erhöhen und Anspruch auf ein 
grösseres Verdienst verleihen, zumal es fraglich bleibe, oh ein Gott 
geleistetes Versprechen überhaupt eine eidliche Bekräftigung vertrage. 
Die von dem Ordensbruder betonte Gefahr des Eidbruchs, der 
sich im Falle eines Vergehens die durch das Gelübde gebundenen 
aussetzen, will Valla an dieser Stelle nicht in Erwägung ziehen, 
sondern wendet sich zu dem dritten Punkt, dem Gelübde selbst: 
denn wenn die hinzutretende Bekräftigung durch den Eid das bean 
spruchte grössere Verdienst nicht begründen kann, so muss es, wenn 
anders das Gelübde wirklich einen hohem Lohn zusichert, in dem 
Inhalte des Gelübdes selbst liegen; dieses umfasst die früher ge 
nannten drei Tugenden des Gehorsams, der Armuth und der Keusch 
heit, die. demnach in dieser Abfolge einer genauem Prüfung unter 
worfen werden. 
Vor allem kommt es hierbei auf scharfe Umgrenzung des Inhaltes 
einer jeden derselben an, da einiges von dem Mitunterredner in den Um 
kreis derselben gezogene sich vielmehr als allgemeines für alle Menschen 
geltendes Sittengebot darstellt: was aber als specitischer Inhalt jener 
klösterlichen Tugenden übrig bleibe, das sei, meint Valla, theils so
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.