Full text: Sitzungsberichte / Akademie der Wissenschaften in Wien, Philosophisch-Historische Klasse Sitzungsberichte der Philosophisch-Historischen Classe der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften, Wien, 51. Band, (Jahrgang 1865)

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ß r u n n e r 
Der Tenor des Zeugnisses wird nicht in den Eid aufgenommen, 
sondern die Wahrheit der bereits abgelegten Aussage eidlich be 
kräftigt. Die Aussage ist die Hauptsache, die eidliche firmatio, wie 
wir oben gesehen, nicht einmal ein wesentliches Glied des Zeugen- 
verfahrens. Gerade diese accessorische Natur des Zeugeneides unter 
scheidet das langobardische Verfahren von dem der übrigen Stammes 
rechte. Der Eid der Zeugen ist übrigens •— das müssen wir mit 
Rücksicht auf den Inquisitionsbeweis registrieren — ein Versiche 
rungseid. 
Das westgothische Recht hat vom Verhandlungsprincip 
und damit auch vom Formalismus des altdeutschen Gerichtsverfahrens 
am meisten eingebüsst. Das richterliche Ermessen hat bereits ver- 
hältnissmässig weiten Spielraum. Die Beweisrolle der Partei wird 
nicht mehr mit Strenge festgehalten. Beide Parteien können Zeugen 
producieren; auf Grund des Verhörs entscheidet der Richter, wessen 
Zeugen zum Schwure zugelassen werden sollen i). Dennoch trägt 
auch hier der Zeugenbeweis formale Momente an sich, durch die er 
sich scharf und deutlich vom Inquisitionsbeweise abhebt. 
Aus den Urkunden bei Va i s s e t e 2 ), B a 1 u z e 3 ) und M a r c a 4 ) 
fügt sich ein ziemlich vollständiges Bild des westgothischen Zeugen 
beweises in karolingischer Zeit zusammen. Die Art und Weise, in 
der ich die Urkunden wechselseitig ergänze, trägt ihre Rechtferti 
gung in sich selbst. 
Die klagende Partei bittet das Gericht etwa folgendermassen um 
rechtliches Gehör. „Jubete me auclire cum isto Milone, qui tales 
villas ... de causa ecclesiarum . . . retinet mulum ordinem 
injuste . . . hoc adprobabo 5 ) per series condiciones, quod 
iste Milo comes retinet ipsas villas malum ordinem injuste, 
*) „Discussa prius veritate verborum, quibus magis debeat crcdi, iudieis aestimabit 
elcctio“. L. Wisigoth. L. II, tit. IV §.2. „Judex corum testirnonium rccipcre debet, 
quos meliores atque pluriores esse jtroviderit“. L. V, tit. VII, §. 8. Ich citiere nach 
Walter’s C. J. G. 
2 ) Histoire de Langue doe I, II. 
3 ) Capitularia II. 
4 ) Marca Ilispanica. 
5 ) So ist das sinnwidrige adprobavi zu einen dieren.
	        
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