Full text: Sitzungsberichte / Akademie der Wissenschaften in Wien, Philosophisch-Historische Klasse Sitzungsberichte der Philosophisch-Historischen Classe der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften, Wien, 51. Band, (Jahrgang 1865)

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B r u n n e r 
Zeugenbeweis sieb in das Verfahren einfügt, ist eine Vorfrage zu 
erledigen. Der germanische Grundsatz, dass die Beweisrolle den Be 
klagten treffe, erleidet im langobardischen Gerichtsverfahren dieser 
Zeit noch keine Einschränkung. Es ist unrichtig, wenn Walter 
R. G. §. 685 sagt: „Bei den Langobarden wurde durch den Grund 
satz, dass alle Beweislast auf dem Kläger, nicht auf dem Beklagten 
ruhe, in die Procedur (bei Klagen um ein Grundstück) der feste 
Gang gebracht, wodurch sich die langobardischen Formeln vor den 
deutschen vortheilhaft auszeichnen“. HlotliarL Cap. Lang. 835, 
c. 5, auf das er sich beruft i), gehört, wie Boretius S. 183 nach 
gewiesen, nicht einem Capitular an, sondern ist Privatarbeit eines 
späteren Juristen. Was die Formeln betrifft, so vermag ich in den 
selben das von Walter angegebene Princip ebenso wenig zu finden 
wie in den Urkunden. 
In den letzteren wird es geradezu als Sache des Beklagten be 
zeichnet, ut rationem ponat, d. h. dass er durch Angabe und Beweis 
der causa possessionis der Klage gegenüber Rechenschaft gehe. 
Ponitis mihi rationem pro quid vos eas (res) obere voletis fordert 
in Memorie di Lucca IV b , 27, a. 822 der Kläger den Beklagten auf. 
Ecce nos parati ab isto E. ut nobis rationem mittat de casis et rebus 
quas ei mustravimus erklären Mem. d. L. IW, 65 -), a. 884 die 
Kläger, nachdem sie dem Beklagten den Gegenstand der Klage an 
Ort und Stelle gewiesen hatten. In den Processformeln des Über legis 
Langobar darum ist diese Aufforderung in Frageform gekleidet. (Mar 
tinas .) Petre te appellat Martinas quod tu tenes sibi terram malo 
ordine in tali loco. (Petrus:) Jpsa terra mea propria est. (Mar- 
tinus:) Quid tibi pertinet 3 ) ? 
1 ) P. 371: „Qui possessor ad iudicium venit, non est cogendus dicere unde teilet nee pro- 
bationis neccssitas ei debet imponi sed hoc officium magis est petitoris, ut rem 
guam repetit ad se doceat pcrtinere u . Die Beweisregel ist von einem Romanisten 
vielleicht in bewusstem Gegensatz gegen das germanische Beweisprincip abgefass^ 
worden. 
2 ) Dazu die Nachträge Vb, 569. 
3 ) Der Beklagte ist nicht gehalten dieser Aufforderung sogleich zu entsprechen; er 
kann Frist begehren, um privatim nähere Erkundigung einzuziehen und diese 
Erkundigung wird inquisitio genannt. M. d. L. IV b , 6& erwiedel't der Beklagte : 
„casis et rebus ipsis, quas mihi mustrastis } abet et detinet pars ccclcsic . . . tarnen 
volo iscire et inquirere . . . pro quit abet et detinet, si abet exindc monimen aut
	        
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