Full text: Sitzungsberichte / Akademie der Wissenschaften in Wien, Philosophisch-Historische Klasse Sitzungsberichte der Philosophisch-Historischen Classe der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften, Wien, 172. Band, (Jahrgang 1913)

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VI. Abhandlung: Gam i 11 sch eg. 
noch auf der iberischen Halbinsel der aus dem lat. Ind. Plusqu. 
entstandene Konditionalis als abhängiges Futurum verwendet; 
und gerade hier wäre es ohne weiteres verständlich gewesen, 
wenn der neue Konditionalis die Funktionen des konkurrieren 
den alten Konditionalis insgesamt übernommen hätte. 
302. Auch der umgekehrte Weg, d. h. der Übergang der 
Bedeutung eines abhängigen Futurums zu der eines Konditio 
nalis läßt sich nicht belegen. Das Französische ist auf dem 
Wege, sein organisches Futurum zu verlieren und dafür Um 
schreibungen eintreten zu lassen. Die Schriftsprache hat die 
Formel je vais venir als sogenanntes unmittelbares oder näheres 
Futurum übernommen; die Umgangssprache verwendet aber 
je vais venir, hzw. je dois venir ganz allgemein für das unter 
gehende Futurum. Wird nun in der Umgangssprache das ab 
hängige Futurum gesetzt, so wird aus einem je vais, dois venir 
ein il disait qu’il allait, devait venir; viendrait ist der Um 
gangssprache in dieser Verwendung bereits entfremdet. 
Niemals aber würde es jemandem einfallen zu sagen *s’il 
faisait beau, j’ allais partir. 
Wir sehen also, daß sich das abhängige Futur stets in 
Anlehnung an das direkte Futurum entwickelt und vom Kon 
ditionalis lostrennt, wenn das selbständige Futurum eine Sonder 
entwicklung nimmt. 
Dieselben Vorgänge können wir in Ober- und Unteritalien, 
beobachten. Dort, wo bei der Futurbildung Hilfsverbum und 
Hauptverbum getrennt sind, zeigt ersteres in der Abhängigkeit 
die Form der Abhängigkeit und nicht die des Konditionalis. 
So hatte man im Lombardischen für das abhängige Futurum 
avesse cantare neben einem avi cantare als Konditionalis, in 
Süditalien avesse a cantare zu aj’ a cantare als Futurum (§§ 234, 
232), während als Konditionalis cantasse gebraucht ist. 
303. Auch das Vulgärlateinische scheidet streng zwischen 
Konditionalis und Konj. Futuri. Thielmann hat klargelegt, daß 
der Typus cantare habebam dadurch in den Konditionalsatz 
kam, daß er eine aus stilistischen Gründen geschaffene Form 
cantaturus eram in der Volkssprache ersetzte (§ 24). Aber schon 
damals war cantaturus eram weder ein Futurum, denn es hatte 
die volle Bedeutung des ,Sollens‘, noch ein Präteritum, denn
	        
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