Full text: Sitzungsberichte / Akademie der Wissenschaften in Wien, Philosophisch-Historische Klasse Sitzungsberichte der Philosophisch-Historischen Classe der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften, Wien, 168. Band, (Jahrgang 1911)

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V. Abhandlung: v. Wiesner. 
Die hier vorgeführte Hypothese über eine Vorstufe der 
Hadernpapiererzeugung steht insoferne auf schwachen Füßen, 
als das Papier, welches uns hier so sehr beschäftigt hat, ein 
Unikum ist. Die anderen in demselben Wachtturm gefundenen, 
wie ich annehme jüngeren Papiere, zeigten die bezeichneten 
Charaktereigenschaften nicht. Wohl wurde an einzelnen der 
selben eine Streifung beobachtet, die aber, wie ich weiter unten 
zeigen werde, auf ganz andere Weise zustande kam, da in diesen 
letzten Papieren keine Garnfäden mehr nachgewiesen werden 
konnten. 
Wenn nun auch die ganze hier vorgeführte Hypothese 
sich als unhaltbar heraussteilen sollte, so lehren meine an 
diesem unzweifelhaften Pflanzenfaserpapier Angestell 
ten Untersuchungen doch mit aller Bestimmtheit, daß 
schon in der ersten Zeit der chinesischen Papiererzeu 
gung ein ausschließlich aus Hadern erzeugtes Papier 
existiert hat. 
In bezug auf die Art der Pflanzenfasern, aus welchen das 
Papier T XII a ii 1“ besteht, habe ich folgendes zu berichten. 
Es ist nicht leicht, sich über die Art dieser Pflanzenfasern ein 
Urteil zu bilden, weil durch das Stamjifen die Fasern sehr 
gelitten haben. Die mikrochemischen Reaktionen ergaben zu 
nächst, daß diese Pflanzenfaser gänzlich unverholzt ist und direkt 
die bekannten Reaktionen auf Zellulose gibt. Baumwolle ist 
vollkommen ausgeschlossen. Die Fasern sind eben Bastzellen. 
Lein- und Hanffasern (von Canabis sativa) sind gleichfalls mit 
Sicherheit auszuschließen. Einzelne, bis 2 cm lange, ziemlich intakt 
gebliebene Fasernfragmente deuten nach Bau und nach den Di 
mensionen auf eine ostasiatische Nesselfaser (Boehmeria, Urtica) 
hin und es ist sehr wahrscheinlich, daß diese Faser dem chi 
nesischen Hanf (Boehmeria nivea) entspricht, welcher seit uralter 
Zeit in China kultiviert wird und auch heute noch dort als 
tschou-ma in Verwendung steht, übrigens gegenwärtig in vielen 
wärmeren Ländern gewonnen und als ,Chinagras', ,Ramie' etc. 
auch für die europäische Industrie von Wichtigkeit geworden 
ist. 1 Die Papiermasse unserer Probe besteht, wie schon oben 
1 S. hierüber Wiesner, Rohstoffe des Pflanzenreiches, 2. Auf!., Leipzig, 
Engelmann. Bd. II (1903), p. 318 ffd.
	        
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