Full text: Sitzungsberichte / Akademie der Wissenschaften in Wien, Philosophisch-Historische Klasse Sitzungsberichte der Philosophisch-Historischen Classe der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften, Wien, 88. Band, (Jahrgang 1877)

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Bus so n. 
Erblichkeit oder ganz freier Wahl vollzog. In Frankreich wie 
in England hat sich die Wagschale bald entschieden zu Gunsten 
des Erbreichs gesenkt, aber auch in Deutschland schien die 
frühere Gestaltung der Dinge dahin zu führen. Unter den 
sächsischen und fränkischen Kaisern, wie später unter den 
Staufern, war es doch durchaus zur Kegel geworden, ohne 
zwingende Noth bei der formell stattfindenden Wahl vom Erb 
recht nicht abzuweichen. 1 Das war die Praxis und nur Theorie 
ist es, wenn Otto von Freising sagt, dass nicht die Abstam 
mung von königlichem Geblüt, sondern auserlesen zu sein durch 
die Wahl der Fürsten die Spitze des römischen Reichsrechts 
bilde. 2 
Es ist bekannt, wie Heinrich VI. den Versuch machte, 
im Interesse seiner Pläne auf Weltherrschaft das, was bisher 
Gewohnheit war, zum Gesetz zu erheben, die Verfassung des 
Reichs eingreifend umzugestalten, Deutschland und Italien, 
eng verbunden zu einem einheitlichen Staatskörper, zu einem 
Erbreich zu machen. Der Plan ist nicht gelungen, Heinrich 
selbst hat auf die Durchführung verzichtet gegenüber dem 
Widerstand, den er fand, und sich damit begnügt, dass die 
Fürsten ihm bei seinen Lebzeiten in seinem unmündigen Söhn 
lein den Nachfolger wählten. Als der Kaiser vorzeitig ins 
Grab sank, brach jener Gegensatz zwischen Erblichkeit und 
freier Wahl um so verderblicher hervor, als auch die Vertreter 
der Erblichkeit bei der Üntüchtigkeit des königlichen Kindes 
nur am Geschlecht festhielten, des schon Gewählten Recht nicht 
durchfechten konnten. Seidem vollzieht sich die Entwickelung 
in Deutschland immer mein- zu Gunsten der ganz freien Wahl. 
Besonders deshalb, weil in den Kämpfen, die mit Philipps und 
Ottos Doppelwahl beginnen, die Curie ihre Rechnung dabei 
fand, das Recht der Fürsten, durch ihre Wahl über die Krone 
zu verfügen, möglichst scharf zu betonen. Das hat besonders 
Innocenz III. wiederholt gethan in Aussprüchen wie: Es sind 
viele Fürsten im Reich gleich edel und mächtig und zu ihrem 
1 S. P icker d. Kgthm. u. Kaisthm. S. 95, Toeche Heinrich VI. S. 396 ff. 
2 Gesta II, i : iiam id iuris Romani imperii apex, videlicet non per san 
guinis propaginem descendere, sed per priucipum electionem reges creare 
sibi tanquam ex singulari vendieat praerogativa.
	        
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