Full text: Sitzungsberichte / Akademie der Wissenschaften in Wien, Philosophisch-Historische Klasse Sitzungsberichte der Philosophisch-Historischen Classe der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften, Wien, 85. Band, (Jahrgang 1877)

Beiträge zur Diplomatik VI. 
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der alten Verbindung- mit den andern Theilen des Quadrivium 
auf, sondern erscheint als mit der Dichtkunst verschwistert. 1 
AVohl ist in unsern Quellen häufig genug vom Studium 
der mathematischen Disciplinen auch vor dem Ausgang des 
10. Jahrhunderts die Rede. Aber in welchem Sinne wird davon 
berichtet? Ein Abacus oder ein liber de mnltiplicatione et 
divisione numerorum konnten doch nur dadurch Aufsehen er- 
regen, dass sie blos wenigen Ausenvählten zugänglich und ver 
ständlich waren. Ebenso folgere ich dai-aus, dass z. B. die 
Vita Johannis Gorziensis mehrere Männer als des Rechnens 
kundig rühmt, dass dies auch unter den in damaliger Bildung 
hervorleuchtenden Lothringern etwas besonderes gewesen sein 
muss. 2 Wenn vollends von Johann von Görz ausdi-ücklich er 
zählt wird, 3 dass er unter anderm von dem berühmten Bernei-us 
regulas supputationum temporalium gelernt habe, so ist dai-aus 
gleichfalls zu schliessen, dass das Quadrivium damals nicht 
mehr in dem gewöhnlichen Lehrplane der Stiftsschulen er 
schien. Wie sollte also die Menge derer, welche lesen und 
schreiben lernten, auch dazu gekommen sein, die Elemente der 
Arithmetik und des Computus zu kennen ? 
• 
Auch aus der Beschaffenheit unserer historischen Quellen 
lässt sich gleiches entnehmen. Die Ostertafeln sind zumeist 
reich an Fehlern; aus Versehen wii-d etwa einer Zahl ein Einer 
zu viel gegeben, aber das Versehen wiedei-holt sich dann durch 
eine ganze Reihe, ohne vom Schreiber oder einem späteren 
Leser bemerkt und bei-iohtigt zu werden. 4 Bezeichnender er 
scheint mir die Eintragung geschichtlicher Notizen zu unrich 
tigen Jahren, wie wir sie z. B. im 10. Jahrhundert in den 
Originalhandschriften der Annales s. Galli oder der Annales 
1 Vgl. Dümmler über Ekkehart IV. in Haupts Zeitschrift N. F. 2, 3 und 
23, wo auch alle Stellen angeführt sind, in denen Ekkehart die Geo 
metrie und Arithmetik erwähnt. 
2 Vgl. Pechenard De schola Remensi decimo saeculo. — Obgleich diese 
Schrift viel zu wünschen übrig lässt, geht doch der Verfasser meist 
nicht einmal auf die ersten Quellen zurück, so sind in ihr doch die Nach 
richten über das Schulwesen in Reims und über den Verkehr mit anderen 
Bildungsstätten ziemlich vollständig und übersichtlich zusammengestellt. 
3 SS. 4, 342. 
4 Z. B. im Cod. Casinensis 47. s. Biblioth. Cas. 2, 22.
	        
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