Beiträge zur Diplomatik VI. 429 der alten Verbindung- mit den andern Theilen des Quadrivium auf, sondern erscheint als mit der Dichtkunst verschwistert. 1 AVohl ist in unsern Quellen häufig genug vom Studium der mathematischen Disciplinen auch vor dem Ausgang des 10. Jahrhunderts die Rede. Aber in welchem Sinne wird davon berichtet? Ein Abacus oder ein liber de mnltiplicatione et divisione numerorum konnten doch nur dadurch Aufsehen er- regen, dass sie blos wenigen Ausenvählten zugänglich und ver ständlich waren. Ebenso folgere ich dai-aus, dass z. B. die Vita Johannis Gorziensis mehrere Männer als des Rechnens kundig rühmt, dass dies auch unter den in damaliger Bildung hervorleuchtenden Lothringern etwas besonderes gewesen sein muss. 2 Wenn vollends von Johann von Görz ausdi-ücklich er zählt wird, 3 dass er unter anderm von dem berühmten Bernei-us regulas supputationum temporalium gelernt habe, so ist dai-aus gleichfalls zu schliessen, dass das Quadrivium damals nicht mehr in dem gewöhnlichen Lehrplane der Stiftsschulen er schien. Wie sollte also die Menge derer, welche lesen und schreiben lernten, auch dazu gekommen sein, die Elemente der Arithmetik und des Computus zu kennen ? • Auch aus der Beschaffenheit unserer historischen Quellen lässt sich gleiches entnehmen. Die Ostertafeln sind zumeist reich an Fehlern; aus Versehen wii-d etwa einer Zahl ein Einer zu viel gegeben, aber das Versehen wiedei-holt sich dann durch eine ganze Reihe, ohne vom Schreiber oder einem späteren Leser bemerkt und bei-iohtigt zu werden. 4 Bezeichnender er scheint mir die Eintragung geschichtlicher Notizen zu unrich tigen Jahren, wie wir sie z. B. im 10. Jahrhundert in den Originalhandschriften der Annales s. Galli oder der Annales 1 Vgl. Dümmler über Ekkehart IV. in Haupts Zeitschrift N. F. 2, 3 und 23, wo auch alle Stellen angeführt sind, in denen Ekkehart die Geo metrie und Arithmetik erwähnt. 2 Vgl. Pechenard De schola Remensi decimo saeculo. — Obgleich diese Schrift viel zu wünschen übrig lässt, geht doch der Verfasser meist nicht einmal auf die ersten Quellen zurück, so sind in ihr doch die Nach richten über das Schulwesen in Reims und über den Verkehr mit anderen Bildungsstätten ziemlich vollständig und übersichtlich zusammengestellt. 3 SS. 4, 342. 4 Z. B. im Cod. Casinensis 47. s. Biblioth. Cas. 2, 22.