Ueber die Mafoor’sehe und einige andere Papüa-Sprachen.
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Weniger leben. Nie ist man mir auf die Frage nach dem Na
men einer Sache eine Antwort schuldig geblieben. Neben die
sem in ihrer Natur liegenden Bestreben aber, die Dinge posi
tiv zu bezeichnen und dadurch von einander zu unterscheiden,
und neben ihrer Fähigkeit Bezeichnungen zu erfinden, muss,
glaube ich, in der Sprache selbst eine gewisse Leichtigkeit
zur Wortbildung gegeben sein.
Ihre Lust sich mitzutheilen ist sehr gross. Ich hörte sie 1
oft lange Zeit aufs Lebhafteste über etwas reden, ohne dass
ich das Object ihrer Unterhaltung wahrnehmen konnte, und
doch gewahrte, dass sie ein solches vor Augen hatten. So z. B.
auf dem Meere in einem kleinen Boote konnten sie zur Er
müdung über einen Fisch reden, den sie im Wasser gesehen
und nach dem Einer vielleicht mit der Lanze geworfen oder
mit dem Pfeile geschossen hatte. Ueber das fragliche Ge
schlecht eines Thieres unterhalten sie sich stundenlang, möchte
ich sagen, und ganze Nächte durchplaudern sie bei ihren Festen.
Dass dieses viele Sprechen zur Neubildung von Wörtern bei
trägt ist wohl zweifellos, und dass sich aus diesen inneren
Gründen ein Theil der Verschiedenheit der räumlich streng
von einander gesonderten Dialekte erklären dürfte, halte ich
für möglich oder wahrscheinlich.
Dass ferner der Mangel einer Schrift wesentlich dazu
beiträgt eine Sprache flüssiger zu erhalten, bedarf, wie ich
glaube, keiner Begründung; es eigneten sich die Sprachen
des ostindischen Archipels 2 besonders dazu um zu unter
suchen wie verschieden sich bei jenen Völkerschaften, welche
eine Schrift und bei jenen, welche keine besitzen, die
Sprachen entwickelt haben. Ich bemerke bei dieser Gelegen-
1 Ich halte es für nöthig zu erwähnen, (lass ich, wenn ich im Allgemeinen
von Papuas spreche, stricte nur jene meine, welche ich selbst kennen
gelernt habe, d. h. dass ich nur für diese die Angaben vertreten kann.
(Siehe auch: Bericht über meine Reise nach Neu-Guinea. Vortrag in der
geographischen Gesellschaft zu Wien 1873.)
2 Wie ich ihn nach altem Brauche lieber nenne als ,Malayischer Archipel*,
nach Wa 11ace, da man unter letzterer Bezeichnung wenig Grund hatte,
z. B. Neu-Guinea mitzurechnen. Die von den Holländern versuchte Ein
führung des Namens ,Insulinde‘, ist wohl nur zu localem Gebrauche be
stimmt.
Sitzungsber. d. phil.-liistor. CI. LXXVII. ßd. II. Hft. 20