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SITZUNGSBERICHTE
DER KAISERLICHEN
PHILOSOPHISCH-HISTORISCHE C'LASSE.
SIEBENUNDSIEBZIGSTER BAND.
WIEN, 1874.
IN COMMISSION BEI KARL GEROLD’S SOHN
.BUCHHÄNDLER DER KAIS. AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN.
*»
SITZUNGSBERICHTE
DE 11
PHILOSOPHISCH-HISTORISCHEN CLASSE
0
DER KAISERLICHEN
AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN.
w'msr.
Druck von Adolf Holzliansen in Wien
k. k. Uxiiversitftts-liuclidruckeroi.
Seite
3
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803
1W>
INHAL T.
X. Sitzung: vom 15. April 1874
i lc 1 o s i c h: Das Imperfect in den slavischen Sprachen . . . .
, Zimmermann: Kant und die positive Philosophie
XI. Sitzung vom 22. April 1874
Wolf: Briefe von Hoffraann von Fallersleben und Moriz Haupt
L
an Ferdinand Wolf
XII. Sitzung vom 29. April 1874
Kaufmann: Die Theologie des Baehja ihn Pakuda
XIII. Sitzung vom 13. Mai 1874
,Vahlcn: Wo stand die verlorene Abhandlung des Aristoteles über
die Wirkung der Tragödie?
.Meyer: lieber die Mafoor’sche und einige andere Papua-Sprachen
auf Neu-Guinea t ,
XIV. Sitzung vom 20. Mai 1874
Müller: Bemerkungen über die schwache Verbalflexiou des Neu-
persischen
jjlirschfeld: Kpigraphische Nachlese zum Corpus Inscriptionum
Latinarum vol. 111. aus Dacien und Moesien
XV. Sitzung vom 10. Juni 1874
XVI. Sitzung vom 17. Juni 1874
/Scherer: Deutsche Studien H
XVII. Sitzung vom 24. Juni 1874
^Zeissberg: Johannes Laski, Erzbischof von Gnesen (1510 —1531)
und sein Testament
XVIII. Sitzung vom 8. Juli 1874
Werner: Zur Metaphysik des Schönen
/Miklosieh; Beiträge zur Kenntniss der Zigeunennundarten
XIX. Sitzung vom 15. Juli 1874
^Ficker: lieber die Entstehungszeit des Schwabenspiegels . . .
XX, Sitzung vom 22. Juli 1874
SITZUNGSBERICHTE
DER
KAISERLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN
PHILOSOPHISCH-HISTORISCHE CLASSE.
LXXVII. BAND. I. HEFT.
JAHRGANG 1874. — APRIL.
Sitzungsber. d. phil.-Uist. CI. LXXVII. Bd. I. Ht't.
/
1
X. SITZUNG VOM 15. A PRIL.
Der Secretär legt an die Akademie eingesendete Manu-
scripte vor
von Herrn Oberlandesgerichtsrath Dr. Josef Beck in
Brünn ,übcr die Geschichtsbücher der Mährischen Wiedertäufer',
von Herrn Dr. W. Foerster ,Richars li biaus, nach
der einzigen Turiner Handschrift herausgegeben'.
Beide Verfasser ersuchen um eine Subvention zur Druck
legung ihrer Werke.
Sodann legt das wirkl. Mitgl. Herr Professor von Miklo-
sich eine Abhandlung vor, betreffend einen zweifelhaften Punkt
der slavischcn Grammatik.
Das wirkl. Mitgl. Herr Hofratli Robert Zimmermann
hält einen Vortrag über ,Kant und die positive Philosophie'.
Das c. M. Herr Prof. Dr. Theodor Gomperz legt
eine für die Sitzungsberichte bestimmte Abhandlung vor: ,über
die cyprische Silbenschrift und die in ihr erhaltenen Denkmale'.
An Druckschriften wurden vorgelegt:
Aeadfimie Royale de Copenliague: Memoires (Skrifter.) 5 rae Serie. Claase des
Sciences. Vol. X, Nrs. 3—0. Copenliague, 1873; 4°. — Bulletin. (Over-
sigt). 1873, Nr. 1. Kjobenhaven; S°.
Aeeademia, Realo, delle Seienze di Torino: Memorie. Serie II da . Tumo
XXVII. Torino, 1873; 4°. — Bollettino meteorologico ed astronomico del
osservatorio dell’ Universita di Torino. Anno VII. 1873. Torino; 4°.
Akademie der Wissenschaften, kgl. bayer., zu München: Sitzungsberichte.
Philos.-philolog. und histor. Classe. 1873. Tieft 4--5. — Mathem.-physik.
Classe. 1873. lieft 2. München; 8°.
1*
4
Akademie, Koninkl., van Wetenschappen te Amsterdam: Verhandelingen.
XIII. Deel. Amsterdam, 1873; 4°. — Verslagen en Mededeelingen. Afd.
Letterkunde. II. Recks. III. Deel.; Afd. Natuurkunde. VII. Deel. Amster
dam, 1873; 8 Ü . — Jaarboek. 1872. Amsterdam; 8°. — Processen Verbaal.
1872/3. 8°.
— Esseiva, Petrus, Oauilia domestica. Amsteladami, 1873; S°.
Anzeiger für Kunde der Deutschen Vorzeit. N. F. XX. Jahrgang. 1873.
Nürnberg; 4°.
Gesellschaft, k. k., geographische, in Wien: Mittheilungen. Band XVII.
(neuer Folge VII.), Nr. 3. Wien, 1874; 8°.
— für Geschichte der Ilerzogthiimer Schleswig, Holstein und Lauenburg:
Zeitschrift. IV. Band, 1. Heft. Kiel, 1873; 8°.
Harz-Verein für Geschichte und Alterthumskunde: Zeitschrift. VI. Jahr
gang. 1873. 3. u. 4. Heft. Wernigerode; 8°.
Lassen, Christian, Indische Alterthumskunde. II. Band. Zweite vermehrte
und verbesserte Auflage. Leipzig und London, 1874; gr. 8°.
Luscliin, Arnold, Vorschläge und Erfordernisse für eine Geschichte der
Preise in Oesterreich. Wien, 1874; 8°.
,Revue politique et litteraire 1 et ,Revue scientifique de la France et de
l’etranger* IH C Annee, 2 m0 Serie. Nrs. 39—41. Paris, 1874; 4°.
Verein, historischer, für Schwaben und Neuburg. XXXVI. Jahresbericht
1871 u. 1872. Augsburg, 1873; 4».
Miklosich. Das Imperfect in den slavischen Sprachen.
5
Das Imperfect in den slavischen Sprachen. 1
Von
Fr. Miklosich,
wirklichem Mitgliede der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften.
Ein wie das altindische Imperfect gebildetes Praeteritum
findet sich nur im Griechischen. Die indoeuropäischen Sprachen,
die ein besonderes Praeteritum mit der Bedeutung des griechi
schen Imperfects besitzen, haben dafür Neubildungen aufzu
weisen; diess tritt ein im Lateinischen und im Slavischen.
Diese Neubildungen setzen der Erklärung mannigfache, noch
nicht vollkommen überwundene Schwierigkeiten entgegen. Die
folgenden Blätter haben die Erklärung des slavischen Imperfects
zum Gegenstände. Ich will vor allem die Ansicht darlegen,
die mir gegenwärtig die richtige scheint, um dann die Er
klärungen der Mitforscher mitzuteilen. Die Abhandlung zer
fällt demnach in zwei Theile.
I. Entstehung des Imperfects.
Den Ausgang hat die Untersuchung über die Entstehung
des Imperfects zu nehmen von Formen wie plcteln,: die Rich
tigkeit dieses Ausgangspunktes wird die ganze Untersuchung
darthun. Es werden ferners Formen wie pletealn. zu erklären
sein; während pletohi, auf dem Praesensthema plete beruht,
pletealn, eine durch Analogie hervorgerufene Erweiterung von
pleteln, ist, muss gorealrn auf den Intinitivstamm göre zur.ück-
1 Diese Abhandlung schliesst sieh an die LVII1. 133 abgedruekte, über
die zusammengesetzte Declinatiun an und an die über die Genitivendung
go LXII. 48.
6
Miklosich.
geführt werden. Die Frage über den Bindevocal zwischen
dem Imperfectstamm und den Personalendungen ta und te
wird den Schluss dieses Teiles der Abhandlung bilden.
1. Entstehung der Form ploteln^.
Dass das h des Imperfects denselben Ursprung hat wie das
des Aorists, darüber herrscht keine Meinungsverschiedenheit.
Es ist dieses h der Stellvertreter dos dem Verbum substanti-
vum jes angehörenden s. Darüber gibt uns der Aorist Ge
wissheit, der neben h in den älteren Denkmälern s bietet:
vizest und vizelm sustuli von vxzbin. Die Personalendung
der ersten Singularperson m ist mit dem Bindevocal o zu a
zusammengeschmolzen, das zu u. geschwächt worden. Da plct
der Verbalstamm ist, so ist nur e zu erklären. Um dieses zu
begreifen, muss vom Praesensthema ausgegangen werden,
welches bei dem Verbalstamm plet aus diesem und dem früher
fälschlich als Bindevocal angesehenen, von Curtius als thematisch
bezeichnetoll und auch so genannten e besteht. 111. Vergl. gramm.
Seite 105. Von c, nicht von o ist auszugehen; jenes geht in
dieses über in der I. Sing, und in der III. Plur.: plcto-mi
(pleta), pleto-ntb (pletatb). Diese Steigerung des e zu o kennt
das griech. vor m und n der Personalendungen; das aind. hat
ä für a vor m und v der Personalendungen. Das Imperfect-
thema nun ist das Praesensthema plete, nachdem dessen schlies-
sendes e zu e gesteigert und daran h gefügt worden. Vergl.
Danicic, Istorija oblika srbskoga ili hrvatskoga jezika. U Bio-
gradu. 1874. Seite 299. Der Zusammenhang des Imperfects
mit dem Praesens ist im Organismus des indoeuropäischen
Verbum begründet; aind. Praesensthema: bödha, Imperfeet
abödham: dagegen Aor. abudham; griech. cpsu-fe, apeufov, gtfirfov;
lat. scinde, scindebam, scidi. Bopp, Vergl. Gramm. II, Seite 390.
Hinsichtlich des Grundes der Steigerung des e zu c wolle man
sich erinnern, dass das e der primären Vcrbalthcmen in e
übergeht, so oft aus einem Verbum perfectivum durch das
Suffix a ein Verbum iterativem gebildet werden soll: s r i,plet
(sxplesti) und s r tpleta (s r i>pletati). Diese Ansicht von der Ent
stehung des e soll nun dadurch als richtig erwiesen werden,
dass man darthut, dass die in den Quollen vorkonnnenden Im-
Das Imperfecfc in den slavischen Sprachen.
7
perfectformen nach der in derselben enthaltenen Regel gebildet
sind. Diess wird an den verschiedenen Verbalclassen unter
sucht, wobei jene Verba als besonders beweisend anzusehen
sind, deren Praesensthema sich vom Infinitiv-(Verbal-)theina
noch anders als durch den Vocal e unterscheidet. Bevor jedoch
zum Detail übergegangen wird, ist darauf aufmerksam zu
machen, dass das hier zu behandelnde e zu denjenigen e ge
hört, vor denen im asl. ein Guttural k, g, h nicht in einen Si
bilanten, c, z (dz) s, sondern in einen Palatal, c, z (dz), s ver
wandelt wird, und dass jeder Palatal, daher auch j den Übergang
des folgenden e in ja, a bewirkt. Wenn gegen diese Theorie ein
gewandt wird, dass, während in -pletati die Dauer der Handlung an
dem Wurzelvocal bezeichnet werde, dieselbe in pleteha, an dem
thematischen Vocal o zum Ausdruck gelange, so ist zu be
denken, dass auch die ursprünglich temporale, durative Func
tion des Gonjunctivs durch die Verlängerung des thematischen
Vocals ausgedrückt wird: aind. patäti eadat neben patati cadit
und griach. <peprj aus yip’qti neben cpspsi aus «pepsti; tpepYjTS neben
(pipcts. Vergl. Curtius, Zur Chronologie der indogermanischen
Sprachforschung, Seite 229—235.
A. Verba erster C1 a s s e.
asl. a. klein, ibam ov.-ochrid. 77. ziveha, vivebam apost.-
ochrid. 116. slepc. jadcln, odebam sup. ziveha,. ideha,, proidelib.
cdelrb sav.-kn. vedclib ducebam sis. 88. vezeln. veliebam. gre-
dehi, ibam. dadehi, dabam. edylm für klein -qpyoirq') io. 6. 17.
act. 27. 18. rastyhb crescebam für rastein,, edeln odebam hval.
budeln. lam. 1. 159. b. mozaha, poteram cloz I. mozaha, sav.-
kn. mozahb. strbzahb custodiebam. tecahb currebam nie. vlccalii,
trahebam. mozahb. strezahi, sis. c. va,pbcln, clamabam. pi>6ha,
bibebam. zogr. poelia, canebam Cloz 1. 354. va.picha, bog-or.
pljucha, assem. bijaha, feriebam. pijaha. sup. bijaha,. znajaha,
nosccbam sav.-kn. poehb canebam pat.-mih. 92. 118. poüijaln
quiescebam lam. 1. 10. pojalm. cujähb sontiebam sis. myelrn se
lavabar io. 5. 4. ziahb vivebam io. 1. 39.-nie. bijahb proh-
mih. bijaha, ostrom. va.piaha, naz. pijaha, psalt. saec. XI. vost. 69.
ziveha, entsteht aus zive-ha,; mozaha, aus möge, moze-hn;
bijaha, aus bije-ha,. in aja kann j ausfallen: znaahb sis. aja
kann zu a, ca zu e zusammengezogen werden: znahn, sciebam
8
Miklosich.
cloz I. nie. STjinelrL audebam sav.-kn. 154. smehi. hval: mogahb
hval. ist aus dem serb. eingedrungen.
nsl. a. uvedehu (vxvedeha, nach Vostokovu. VT>vedjaha,
nach Kopitar vxvedeha, beides gleich falsch) introducebant
fris. 2. 52. vom Praesensthema vede. tepechu (tepeha) verbe-
rabant 2. 98. von tepe. natrovuechu (natroveha nach Kopitar,
nicht natrovjacha) cibabant 2. 46. von trove. b. pecsachu
(pecaha) torrebant 2. 100. von pece. c. obuiaclm (obujaha)
calceabant 2. 47 von obuje. Hieher ziehe ich auch zigreachu
(sigreaha) calefaciebant 2. 51. von s r bgreje inf. sxgreti. odeachu
(odeaha) vestiebant 2. 48. von odeje inf. odeti. Statt tnachu
(ttnaha) decollabant 2. 101. erwartet man tnelia asl. * tbneha
von tsne inf. teti, wenn nicht-eher ein Verbum tnati anzu
nehmen ist, von dessen Thema nsl. tnalo Platz zum Holzhacken
abgeleitet wird. Vergl. gramm. III. Seite 198.
bulg. a. bodeh pungebam. ideh. zemeh sumebam. poceteh
paulum legebam. b. vraseh triturabam. mozeh. strizeh tonde-
bam. seceh secabam. c. pijali. Hieher gehört b r bdeh r b eram asl.
badealrb. Vergl. gramm. III. Seite 232—235. Man füge hinzu:
a. vezese vehebat milad. 458. idese 166. dojdese 110. k r blnese
iurabat 156. metese verrebat 22. moldzese mulgebat 361. asl. :i!
mlxzese pletese 4. predese nebat 458. skubese vellebat 138. tre-
sese agitabat 247. jadese 344. c. biese feriebat 22. nad Sto-
jana se vielrb volabaut 200. vet r tr veese flabat 302. zna'ef für
znaeh 63. piese 276. peese canebat 319. a. bodclrj, prica 14. gre-
deln. 16. gadelrb iidibus canebam 18. idch r b 14. 16. vbzemelrb
16. rastelrb 12. 14. b. recaln, dicebam 18. tocah'b 12. c. viahu.
14. znaalrb 24. smealrb 24. cjualrb 14.
serb. a. bodih pungebam. vedih ducebam. vezih vehebam.
grizih mordebam. gredih. idih, pridih. otmih sumebam asl.
* otbmeh'ii. kladili ponebam. kunih iurabam. lizili repebam. metih
verrebam. nesih ferebam. padih cadebam. pasih, napasih. plo-
vih asl. * ploveh r t. predih. rastih. skubih. slovih asl. * slovelrh.
cvatih asl. * cvbtehi. poenih asl. * pocbneh r r>. jidih asl. * jadehu..
Ebenso budih, dobudili asl. * badeh'L. Ferners dadih dabam. zna-
dih sciebam. imadih habebam. mnjadih putabam von den Prae-
sensthemen dade, znade, imade, mnjade. b. i aus e steht auch nach
Gutturalen, die in Sibilanten übergehen: vueih trahebam asl.
* vl'bceh'b. vrzih iaciebam. zezih urebam für zezih. peeih assa-
Das Imperfect iu den slaviscken Sprachen.
9
tarn, recih riiccbam. sicih, sijecih secabam. tecib currebam. e wird
durch ije, selten durch e ersetzt: a. bodijeh. grizijeh. gredijeh.
idijeh. vazmijeh asl. * vT.ztmöhx. kladijeh. kunijeh. kradijeh.
pletijeh. pasijeh. plovijeh. rastijeh. skubijeh. slovijeh. caftijeh
florebam. jedijeh edebam und budijeh eram. Ebenso b. reeijeh
dicebam. teeijeh currebam neben kladeh und kladeh pone-
bam. c. statt e tritt auch hier a nach j ein: vapijah aus
asl. vu.pijcln,. pijali. smijah audebam. trujah. cujali. znah ist
durch Zusammenziehung erklärbar, b. auch nacli den anderen
Palatalen findet sich a: vrsah triturabam. zezah urebam.
tecali currebam. mogah poteram verdankt seine Form wol dem
Einflüsse der Verba fünfter Classe. Diese Mannigfaltigkeit
der serbischen Imperfectformen ist ohne Zweifel dialektischen
Ursprungs und erklärt sich aus dem Vorhandensein des Kroa
tischen neben dem Serbischen und aus den zwischen beiden
bestehenden Übergangsstufen. Vergl. Danicic, Istorija Seite
299—317. Oblici passim. Kroatisch und Serbisch unterscheiden
sich unter anderem durch die Behandlung des hier eine grosse
Rolle spielenden asl. e, und um von kladih zu kladijeh, kladeh
zu gelangen, muss man vom Westen nach Osten wandern.
Man merke zerih vorabam asl. zreti, zra, serb. zderati,
zderem. sterih extendebam neben sterali asl. streti, stra serb.
sterati, sterem. meljih neben meljah molebam und pojih
neben pojali canebam. Danicic, Istorija Seite 303. 305. 300.
307. 308. Oblici 99. Man füge hinzu aus entschieden kroa
tischen Quellen: kladih luc. 105. slovih 38. tresih se 97.
mogah 6. pojali canebam 57. dobudih. pridih. padih. napasih.
poenih jerok
Sech. a. budjech eram. hfebjech sepeliebam. dadjech,
otdadjech, prodadjech, rozdadjech dabam u. s. w. uznjech nie-
tebam. jdjecli. kladjech. ktvjech florebam. metjech scopabain.
plovjech. rostjech. fevjech. slovjech. jedjech edebam. Saf.-
poeätk. 91. 92. 104. 107. Kvet 84. 88. 91. 105. 111. vfjech.
mrjech 88. 94. b. vzvlecjech Saf.-pocätk. 104. c. bijech. zna-
jecli. pijech, pjech bibebam. pejech canebam. rujech rugiebam.
cijech Saf.-pocätk. 94. 104. 107. Man füge hinzu a. vedjech
kat. 1634. 3252. jdjecli 2768. ktvjech 191. 2307. 2331. stkvjech
976. 2330. stvjech 1051 asl.* evttehu. florebam. Hieher gehört
10
Miklosich.
auch zapletjechu 2370. b. rocch 194. strezjecli 174. c. zna-
jech 138. 1042. neben znäch 99.
budjech. vleöjech. bijecli entsprechen asl. b^deht. vlecöh'b.
bi j ein., woraus nach asl. Lautgesetzen vlecalm. bijaln.: vleöjech
ist den anderen auf jech auslautenden Imperfectformen analog.
Wenn dem je ein älteres ja zu Grunde liegt, so ist auch dieses
auf asl. c zurückzuführen. Die Länge dos e in budjech be
ruht wohl auf demselben Principe wie in pekati aus pck.
oserb. a. Dem asl. e entspricht a mit Erweichung des vor
hergehenden Consonanten: budzach er am., woraus budzech, und
im Budissiner Dialekt budzicli. bodzech pungebam. vjedzech
asl.vedeln,. vjezech asl. * vezehx. dzech asl. :i: iflelri,. kladzech.
l'ezech repebam asl.* lezelrt. mjecech verrebam, premebam asl.
* metelrt und * meteh'L. liesech. pasech. plecech. psedzech nebam
asl. * predeh'L. roscech crescebam. tsaseeli agitabam asl. tr>§solrL.
kcech asl. * cviteln. praes. ktu asl. evtta. jödzech edebam asl.
jadohii. jedzc.ch vehebar seil. 87. schneid. 205. asl. jä'deln.. sinje-
dzach, smjedzich durfte ist wie serb. smjedijah gebildet. Vergl.
gramm. III. Seite 540. b. lecech praes. laku lege Schlingen asl.
leka. mözach. pjecech. c. bijach. vijach. vujacli heulte asl.
* vyjalri.. dujach. fejach asl.*grojah r L. zijach heilte, znajach. kry-
jach. pijach. rujacli brüllte, tyjach gedieh, öujach. Einige
bilden das Imperfect von einem Thema auf 6: dfejach zerrte
luc. 9. 42. asl. drati, dera. ml’ejach molebam: mied, mleju; da
neben mjelach, mjclech, mjelich schneid. 185. seil. 74. 81.
mfejach moriebar: mfec, mreju, ehedem mfech (mfese) luc.
8. 42. pfejach negabam: pfec, preju, ehedem pfecli (prjechu)
luc. 8. 45. tfejach tergebam: trec, treju. kcejach florebam:
lccec, keeju. Vergl. znijach demetebam volksl. klijach fluchte:
klec, kliju asl. kleti, kltna. pnyjach spannte: pnyc, pnyja asl.
peti, psna.
nserb. a. buzach eram asl. * b^deln.. vjezech asl. * vedeln..
zech ibam. klazech. mjesech, mjesach verrebam. nasech fere-
bam. pasech pascebam. psczach, psezech nebam. plesach, ple-
sech. l'oscach, roscech crescebam. tsesach, tsesech asl. * treselri.
kvisach asl. * cvbteh'L. jezech neben jeach edebam, jech edi. je
zech vehebar. b. lacech trahebam asl. * vleceln.. mozach und
mogach. pjacach, pjacech. secah secabam. c. bijach. vijach.
gnijach. grejach. dujach. zyjach heilte, znajach. ksyjach tego-
11
******ü^T——w
Das Imperfect der slavischen Sprachen.
beim, myjach. pijacli. ryjacli fodiebam. cujacb roch, syjacli
suebam. Man merke zejach demetebam: zes asl. z§ti, ztnjfj,.
ldejach fluchte: kies asl. kleti, ldunj, mlejach neben mjelach
molebam: ml’as. mrejach moriebar: mres.
B. Verba zweiter Classe.
asl. v^zbinehi, expergiscebar (vnzbbnesta pat.-mih. 139.
pomenelm recordabar (pomencsta 138.) ostanelrr. cessabam
(ostanese 153.)
ostanch'L entsteht aus ostane-ha,.
Inätj. gasneh (gasncsc milad. 22).
serb. brinih curabam. venih marcescebarn. ganih. dvignih
movebam. prionih adliaeroscebam. poinrznih. spomenih. panih.
rignili. stanib, pristanih. stinih. tonih. trnih. ije für e: venijeh.
greznijeh. ginijeh. sahnijeli. tonijeh. taknijeh. Danicic, Istorija
299—317. pristanih jerol.
Sech, vinjech. vlädnjech. vjednjech. kvitnjech. zamknjeeh.
zpomenjech. zaniknjeeh. stanjech. tisluijech. dotlcnjech. odfio-
cinjech. Öaf.-poeatk. 98. 104., blesknjech kat. 2374. vlädnjech 3.
lesknjech 2375. ostanjecli 2373. vytrhnjdch 2371. je ist bereits
erklärt worden.
oserb. vuknech discebam: asl. vyknqti. skhech siccabar:
asl. S’ihnjj.ti. cehhech trahobam: asl. tegnati.
nserb. segnech trahebaxn.
C. V o r b a dritter Classe.
Erster Gruppe.
asl. imcalvi habebam, cloz I. bogor. zelealri, cupiebam
bon. imealib sis. nie.
imcahi, beruht auf imeje-ln,. ea kann zu e zusämmen-
gezogen werden: imehu. zogr. imeliL hval. imehutb prol.-mih.
imeln, naz. inrjalri, vost. 68.
balg, umealri) intelligebam prica 20.
serb. zelijah, zelijoh. zolenijeh. umijeh, umih.
cech. jmejech, jmjech. rozumejech kat. 15. 72. 533.
jmjesta 999.
oserb. mjejach.
nserb. mjejach. lmmjejach: asl. umealri,. die Aor. lauten
mjech. humjech.
12
Mi kl o sich.
D. Verba vierter Classe.
asl. divlah’b s§. krbstalrb. slavleh r b zogr. nosahb, prinosahb
cloz I. krbmbjalrb. moljahi. myiljah r b, pomysljalrb. slävbjahb.
susahb. tvorjalrb. tombjah/b sup. divlehb se. kreplehb se. ljub-
ljehb 6. 69. molehb. taehb se 149. ucahb. hozdahb, ohozdahb
sav.-kn. vlbnehomb s§ ecp£pö|j.£0a strum. gonjahb. divljahb se.
mnozahb. moljahb. tvorjahb. ucahb sis. divlahb se. klanahb se.
kreplahb se. molalib. myslahb. iznosahb. slavlahb. tvorahb. hu-
lalib. celahb nie. vlacahutb prol.-mih. rasuehb aus rasuzdahb.
hoehb aus hozdahb hval. gluinclvi. se. napravlehb. hozdahb
bon. divlehb so. krotehb 308. tvorehb. ishodehb 303. cjuzdahb
se slepc. bei Srez. ponosahb. razarjahb. hozdahb ostrom. pro-
sahb naz. Abweichend gebildet sind ausser einigen bereits an
geführten Formen mli.vehb. mudehb sakv.-n. glumehb se bon.
ishodeh’b parem.-grig. 262. oejutese ^aösxo prol.-rad.: das slav.
Wort setzt vjaBävETO voraus, molise mxpacocXei luc. 8. 31.-nie. steht
für tnolese. Spät findet sich plodehb tichonr. 2. 441. Vergl.
gramm. III. Seite 147.
divljah’b entsteht aus divije-hb, wobei angenommen wird,
dass dem Imperfect ein auf e auslautendes Praesensthema zu
Grunde liegt, das thatsächlich nur in der I. Sing, vorkömmt.
nsl. vuesachu (vesah^) suspendebant fris. 2. 102: vesiti.
naboiachu (napojah^) potionabant 2. 46: napojiti.
bulg. valeh. krojah, krojese. noseh. praveh. sveteh cank.
budese milad. 85. vodeie 4. govorese 1. se zenese 23. kroese
143. molese 60. nosese 4. ucese 4. hodese 156. ezdis§ 123.
veselelrb se prica 18. govorelib 34. govorese 20. zenese se 14.
myslese 14. nosese 18. stroase 16. tvorese 30. stitese 26.
serb. i für asl. b: veselih. uhitih. cviiih. ije, e für
e: plodijeli. moleh. ja für e: vodjah. vozah. kupljah. lomljah.
ljubljah. mucah turbabam. slavljah u. s. w. Ohne die Erwei
chung: grozah. jezdah, die in govorali. tvorah notwendig unter
bleibt. Danicic, Istorija 299—317. Oblici 104. Man füge hinzu
cinjah lue. 105. und govorah 69; zorah 53 setzt ein Verbum
zoriti spectare voraus, prosah. jubjah. hojah aus Istrien.
cech. honjech. pokorjech humiliabam. mluvjech. tvorjech.
vychodjech; später mluvich. chodieh Saf.-pocätk. 104. bydlech
kat. 35. 83. zavadjeeh 2268. valeeh 699. dovefjech84. kalech 700.
kojech 2566. mütjech 264. mucjech 1207. norjech 2321. 2392.
Das Imperfect in den slavischen Sprachen.
13
2393. plodjech 741. pravjech 545. nerodjech 1178. vysadjecli
2269. snübjecln. 136. podstüpjech 1157. tvorjech 2320. träpjech
546. chodjech 748. vychodjdch 1177: vsadich ist ein Aor. 2418.
ebenso usadich 2429.
oserb. vabjach. vozach. rozach asl. grozaalrr minabar.
clieieh und chcijach asl. ki ,r Lstaah r E ) baptizabam. nosach. palacli
urebain. prajach aus pravjach. prosach. chvalaeh.
nserb. bavfach blaterabam. bluzack errabam. brojach con-
sumebam. bjelach. vabjach. varach. giiesach zerknitterte, gojach
sanabam. gofach irritabam. grozach plectebam asl. grazdaahu».
gi'ozaeli. dojacli nmlgebam. drobjach. dupjacli baptizabam. ka-
lach turbabam. kazach asl. kazdaalii.. licach numerabam. lo-
jach asl. lovljaaln.. lubjach. mlosach triturabam. molach machte
irre. mjesach knetete. musach asl. m^staaln>. chvalaeh.
chozach.
E. Verba fünfter Classe.
a. Erster Gruppe.
asl. sxbljudaah'ii. propovedaaha.. oHvestavaaln.. gledaalrm
si.nimaahi}, se. otametaaln. se. otresaaht. ST.tvarealrt. pre-
trtzaalrt. istezaaln. s§ zogr. hyvaahi. v r tzimaaln.. klaneaha. se.
domyslealri) se. padaalrt. obretaahi. otresaahi. ragaalrt sc.
pritekaahu. cloz 1. suibiraalrL. zelaah't bogor. prebyvaalrb. ras-
tvareehx sup. vtprasaaht. skrLztaahh. poslusaakt. istezaaht.
razumevaahr,. icelcvaalu. iis. poucaalrr. se hon. pobivaahu.. v r r,-
nimaahx. kfstaahi.. sim^staahTb slepc. byvaahrt. v r i>zgledaah r i>.
utesaah'f,. vt.cinjaaln, naz.
S'ibljudaaha, entsteht aus sa.bljudaje-lrs, STibljudaeha.. aje,
aja geht regelmässig in aa über. Ich ziehe diese "Erklärung
derjenigen vor, nach welcher aus aje unmittelbar aa so ent
stehen soll wie podobaata. aus podobajeti.. Vergl. gramm. I.
Seite 120. Die erstere Erklärung stützt sich auf die Formen
wie pleteha.. Noch weniger geht es an sabljudaaln, in eine
Kategorie zu stellen mit den hie und da auftauchenden For
men wie prodaasta. cloz I. 245. istozaav r i>. s’x.braav , x.sem r i>.
otvestaavise, neben denen man Pilaati. für Pilatx findet, aa kann
zu a zusammengezogen werden: byvalrr,, zabyvahx, prebyvalrr,.
propovedahu.. podobalrr,. vxziraha. priimäha. zakalahi. ot r r>sylalrr,
cloz I. prebyvaha.. poklanjalrt se. poslusalra. prctvarclrr, sup.
14
Miklosich.
rydaln sav.-kn. pobivalrt. vumimahu.. propovedaln.. raspyhahn.
se slepe. povclevaln.. podobaht. vtnimahi.. pokazaht. polagahb.
stezahb se siS. uzasahb se nie. uimahx. obretahu. nazJ
nsl. bozzekacho fris. 2. :)0. bozcekaclui 2. 55. (poseitahg)
visitabant: asl. poseatati. raztrgabu (rastru.gah^) lacerabant: ras-
trgati. utessahu (utesahq) consolabantur 2. 56: utesati.
hule/, badah. bivah eram. delah. nalagah. othazdah cank.
begase milad. 15. davase 145. 247. dumase 85. obladaba. priöa
24. gledalrr. 34. dzizdaln. 18 und zelaahu. 30. dzizdaahu. 18.
poznavaahu. 20. igraahu. 14. 16. polagaahu. 14. premagaahu. 14.
igraeha verk. 18.
• serb. pisah. cuvah sind durch den Accent von dem aus
denselben Elementen bestehenden Aorist unterschieden.
cech. vzyväch. prijimach. cakäch neben cliovajech Saf.-
poeatk. 104. Kvet 101. hledäch kat. 2452. vzdycMch 2398.
zelendch se 2312. klanjechu sö 16. hrajech 1041 und' tbajech
137: kazacli 1464. ukazach 184. rozmetali 3158 sind Aor.
oserb. vohach. davach. dzelach. mjesach. pytach.
nserb. gledach. zelach asl. delaahu.. kopacli. kivacli. py
tach. chowach.
b. Zweiter Gruppe.
asl. jemljahu. (ne jemljahu imi> very non credebant eis
luc. 24. 11.) ev. 1372. prejemljahb prol.-rad. placehi. (placehu
mrezu) ev.-mili. c. stenjahi. gemebam mladen. Psaltir s tuma-
cenjem Seite 5. skrtzestahu, act. 7. 54-slepc., wofür sis. skrtz-
taaht bietet, istahi. (narodi istah^ ego) lam. 1. 13. mazahn.
(mazase hrizmog) 1. 14. poriejaseta parem. 1271-vost. 69.
Häufiger sind jedoch die auf dem Infinitivthema beruhenden
Formen.
jemljahu. entsteht aus jemlje-hu..
bulg. isteh volebam. piseh scribebam. eeseh verk. 25.
Ilieher gehört wol auch obiceli amabam: asl. obycati, obyöq.
ticeh currebam: asl. -tecati, -teöfy oreln. arabam priöa 38. neben
orase milad. 372. briseha verk. 216. placese milad. 23. 259.
302. plaöehn. 123. skacese 191. suöese 461.
serb. koljach mactabam Danicic, Istorija Seite 307. Oblici
109. saljah neben saljih mittebam Istorija Seite 306. 308.
Ilieher gehört iscah: tu svakom gizdavom dvorkinje gizdave
iscahu zabavom da me zabave luc. 56. 2.
Das Imperfect in den ßlavisclien Sprachen.
15
oserb. lzach mentiebar, dagegen Aor. vobelhach seil 82.
porech. prech und nach schneid. 182. pröjach trennte: proc
asl. prati, porjip scelecli, scelich mittebam und sternebam seil.
81. schneid. 199: die Wurzeln srsl und stl sind hier ver
schmolzen.
nserb. scel’ech mittebam, sternebam: stlas. dgach (Igach)
mentiebar. klos und pros haben klojach, projach asl. klati,
kolja und prati, porja.
Manche hier angeführte Form sollte unter pletealn, stehen:
ich wollte jedoch die zu derselben Kategorie gehörenden Verba
nicht ohne Noth noch mehr auseinanderreissen.
c. Dritter Gruppe.
asl. zovehq vocabant act. 14. 11-slepc., wofür zvahu sis.
zovese. zoveseti, krmc.-mih.
d. Vierter Gruppe.
asl. daelrs zogr. deaha.. vsstaalri. cloz 1. darin,, predaalru.
seahx bogor. dcjahi,. prestajaht sis. vi.daehb nie. dajahutb prol.-
mih. spealiTi naz. dajaha. izv. 6. 36.
daeha, entsteht aus daje-ln,. Diese Formen können in-
dess auch vom Infinitivthema abgeleitet werden.
bulg. sease prica 38. leese milad. 143.
Sech, döjech kat. 1183 neben djecli 23. zdjech sö 192.
oserb. blujach vomebam: blec aus bljac asl. bltvati. zu
jach mandebam: zvac. plujach spuebam: plec aus pljac asl.
pltvati. scujach hetzte: scvac. Ebensohrajach, rajach ludebam.
krajach secabam. lijach, lejach fundebam: lec aus ljac asl.
lijati. psejach favebam: psec aus psjac asl. prijati, preja. So
smjejach ridebam: smjec aus smjac asl. smijati, smöm. sy-
jach seminabam: sye asl. sejati, sejtp Vergl. tkajach texebam:
tkac.
nserb. lejach. smjejach se. chvjejach. bajach schimpfte,
grajach. trajach dauerte, zujach: zus.
F. Verba sechster Classe.
asl. pokazuah r L assem. krasujalrr, sup. vluniijahq, se lam.
1. 5. Ijubocbstvuahu prol.-rad. beseduase. krasnuase se greg.-
16
M i kl o s i ch.
mon. likualrb. posleduahx. povinujaln. aus verschiedenen
Quellen. Vergl. gramm. III. Seite 160. Vergl. kupuvali% lam. 1.16.
krasujahu. entsteht aus krasuje-hx.
bulg. raduase se priöa 34.
2. Entstehung der Form pleteahx.
Die Form pleteahx verdankt ihren Ursprung der Analogie
jener sehr zahlreichen Imperfectformen, welche vor dein li die
Silben aa, ea bieten: byvaaln,. moljaahx. gorealix.
A. Verba erster Classe.
ash a. gredeahx. dadeahx. idealer,. edeahx üirij-fov vehehar
zogr. gredeali’L. ziveahx. ideahx assem. grf|deah’b apost.-ochrid.
270. edeahx ev.-bogor. 106. gnjdeebx. idealn,. kradealix. me-
tcalix. rasteehx. jadealix, jadeelix edebain. naci.neelrr, sup.
vezeahb. ziveahb. ideahb, idejahb. rastejähb. cbtejahb. ja-
deahb sis. vedeabx. gredeahb. dadeahb. ziveahb. ideahb. rasteahb
nie. vedeahb. idejahb. jadejahb mladen. ziveahx, zivjaahx.
ideahx, idjaahx. edealix, edjaah'b ostrom. hadealrr,. ve-
dejalrr, ^yov. dadjaahx naz. budjahx svjat.-op. 2. 2. 392. idjahx
parem. 1271. vost. 69. nacbnjaie izv. 608. b. mozaalrb cloz I.
ev.-bogor. teöaahx assem. mozaalrb. pecaahx sup. vlecaahb.
mozaahb. strezaahb sis. mozaalrb. tecaahx ostrom. c. vxpieahrr..
poznaahx. pbealn. zogr. vxpieaste assem. meljaahx sup. bi-
jaahq, ostrom. pojaahx avep/ekitov irm.
ideahb entsteht aus ide-ahx. Dem Imperfect von da liegt
dade zu Grunde, ea geht durch Assimilation in ee über.
serb. vezijah. grebijah. grizijah. gredijah neben dem fal
schen grejase aus grem. idijah. kunijah. kradijah. pasijah. ple-
tijah. predijah. rastijah. slovijah. tresijah. Ebenso dadijah.
znadijah. imadijah. mnidijah, mlidijah. smjedijah audebam. sca-
dijali volebam und obueijah vestiebam. zezijah für zezijah
urebam. peeijah. reeijah. strizijah. s’jecijah secabam. teeijah.
tueijah tundebam. i schwindet und es entsteht dann idjah.
imadjah. kunjah. jedjah und znadjah, und durch den Ausfall
des j nach Art der Verba fünfter Classe: grebah. dmah.
idali. pletah. plovali. tresah. jedah edebain und mogah. pe-
Das Jmperfect in den slavischen Sprachen.
17
kah. tukah so wie vrah. mrali und trah neben tr-ah. Vergl.
Danicic, Istorija Seite 299—317. Oblici passim.
oserb. znejech (ziiejese) Erben, eit. 89.
B. Verba zweiter Classe.
asl. uttknealri» se cloz I. zadbhneahb. ostaneahb, presta-
neelib. s'bhnealrb, isT.hneah'L sup. pomenbah’B slepc.
uteknealn, entsteht utxkne-abu..
bulg. bodneh. legneh.
serb. brinjah. venjah. ginjah. krenjah. tonjah. ceznjah.
Daniciö, Istorija Seite 299—317. Oblici 90.
C. Verba vierter Classe.
asl. blagovestaah'b. divleah'b se. krepleahu. se. razl^öaalrb.
mkbvlealn.. moleah'b. pomysleah'b. n^zdaalvr.. ponosaalrb, prino-
saah'b. slavlealrb. sluzaaln,. ostavlealrr, zogr. gotovleahu.. obli-
caahb. prosaaln,. tvorealn.. prehozdaahrb cloz I. moleah'b.
hozdaalrb. cjuzdaah'b se assem. moleah'b. ljubleah'b bogor. mo-
ljaah'b, moleah'b. mysljaalvb. izmeneah'b. pale’h'b für paleah'b.
tvorjaah'b, tvorjajalrb, tvoreah'b, tvorejah'b, tvoreeh'b sup. vo-
ljaahb. moljaahb. tvorjaalib. ucaahr, sis. vladaalrb. glumealn, se
371. prinosaah'b. tvorealrb bon. valealrb. krbscaah'b. krepljaah'b.
v'blazaali'b. ljubljaah'b. pomysljaah'b. V'bznosaah'b. pravljaatvb.
slavleah'L. tvorealn.. hozdah'b. celjaaln., celealrb ostrom. vo-
zdaali'L ■fj-fov. lenjaalrb se. ljubljaah'b, vbzljubljaah'b. nosaaln.
preStaah'b. v'bslezdaah'b. stavljaah'b. tvorjaah'b. tazaaln.. ce-
ljaalri naz.
prosaah'b entsteht aus prosije-aln>. Für prihodealn. sup.
450. 3. erwartet man prihozdaah'b.; für glumease se bon. 371.
— glumljaaSe se; für rubeahu (knezi rubeahu vbse i vbdovicu i
siroty mladen.) — rubljaahu. radeah'b curabam sup. 134. 17.
scheint bestimmt dem Doppelsinn auszuweichen: razdaah'b pa-
riebam. Vergl. Gramm. III. Seite 147: doch findet man ne-
rozdaalnj v]|j.eXouv naz.
bulg. braneah'b prica 36. svazdaahu. iungebam 14. pogu-
bleah’b 30. mysleah'B 16. hozdaaln. 14.
Sitzungsber. d. phil.-kiet. CI. LXXV1I. Bd. I. Hft.
2
18
Miklosicli.
D. Verba fünfter Classe.
a. Zweiter Gruppe.
asl. gybljaaln, peribam mladen. prijemljaah'L. mestaahi.
iaciebam. obrestaahu. inveniebam sup. dosezaahx (do zemle
dosezaase) dial.-saf. 215. prejemljaaln, prol.-rad. 150.
gybljaah r L entsteht aus gyblje-alrr,.
b. Dritter Gruppe.
asl. zeneahu, pellebam. zideah r i>, zi>deah r r> sup.
zenealrii entsteht aus zene-ahu..
bulg. berese milad. 107. 138. 247. zovese prica 12.
serb. berih, berijeh, berijäh neben berah und brah: asl.
brati, bersp dorenijeh adducebam: asl. gnati, zena, * zenelrL.
derih asl. drati 7 derg. zovih, zovijeh, zovijali neben zovah: asl.
zvati, zovtp perih, perijeh neben perah: asl. prati, per^: perijah
ist nicht nachgewiesen, rvih, rvijeh und rvah: asl. ri.vati, r r i.v;p
Danicic, Istorija Seite 301. 302. 304. 305. 306. Oblici 58. 111.
113. Man füge hinzu berise luc. 69. 27. verih se abscondebam
me luc. 56. 20: verati se, verem se. zovihu 58. 21. sterise
69. 27: sterati, sterem asl. streti, strtp dorenise jerol., das asl.
dozenese lauten würde. Zur Erklärung von berise, sterile hat
man ohne Noth die Inf. seriti, steriti aufgestellt.
oserb. bjefech sumebam, dagegen zebrach collegi: brac.
zefech vorabam, dagegen zezrach voravi: zrac. pjefech percu-
tiebam, dagegen sprach percussi: prac. serech cacabam: srac.
nserb. bjerach. pjerach; dagegen gnach, gnaso pellebam.
Einiges von dem hier angeführten könnte unter pletelrs
stehen.
3. Entstehung der Form goreahi.
Die Form goreahu, beruht auf dem Infinitivthema göre,
nicht auf dem Praesensthema gori. Der Grund des Eindrin
gens des Infinitivthema in das Gebiet des Praesens liegt in
der in zahlreichen Fällen hervortretenden Ähnlichkeit der Im-
perfect- mit den Aoristformen. Eine auf einem alten Praesensthema
beruhende Imperfectform eines Verbum der dritten Classe
zweiter Gruppe ist serb. gorah, das auch bei luc. 69 steht:
asl. goreahu>, gorelrt. drtzaaht könnte zwar auch mit dem
Praesensthema vermittelt werden, allein dadurch würde drtzaah'B
von stydealri,, hotealvf. losgerissen. Bei vielen Verba hat das
Daß Imperfect in (len slavisclien Sprachen.
19
Imperfect zwei Formen, von denen die eine, nach meiner An
sicht ältere, auf dem Praesens-, die andere auf dem Infinitiv
thema beruht.
A. Verba dritter Classe.
asl. boealn, s§. drr.zaalrr, se. zbreahb, zazbrealri.. lezaalrb.
mlbcaah'L zog 1 ! 1 . stydeah'b se. tastaahu. se. lioteah'b cloz I. bo-
lealn.. vedeah-b. nalezaalrb. sedeah’b. stoeah-b. hotealrb bogor.
stoeahx und boeh-b se assem. boleaha.. videeh'b. viseeh'b. dovbleeh'b.
vedeah'b, vedeeh'b. mbnealrj,, mi.neeh'b. trspeehu. sup. stoealrb
sav.-kn. mneah'b bon. videahb. mnSahb. preahb se. hoteahb
sis. hotyahb für hoteahb. vidiahb für vedeahi. hval. boleahb.
videahb. stydeahb se. sedeahb. hotealrb: in sedyehb für sediehb
ist e in i übergegangen nie. bolejahb. uvedejahb. prozrealib,
prozrejahb. mnejahb. hotejalib mladen. dovedejahb hom.-mih.
boleahb. lezaalrb. mhbcaalrb. slysaah'i. ostrom. imeahr. naz. ime-
jalvb ev. säec. XII. XIII. izv. 6. 36. t'bitaah'b se naz.
dr r bzaah r b beruht auf drbza-h'b. ea kann zu e zusammen
gezogen werden: boeh-b se. stoelrb. sedeh'b marc. 26. 58.-zogr.
stoelrb bogor. vedehb. stoeh-b cloz I. boleh'b. mbnehx. dosto-
jah r b. stydeln, se. lioteh'b: ebenso spalvi. sav.-kn. bojahb se.
prilezahb. prehi. se. stojahb. liotehb sis. bojalib se. vidyhb für
videhb. vedehb. mnehb. trbpyhb für trbpehb hval. videhb. drb-
zalii.. prehb se. sedehb; ebenso spaln, nie. hotehutb prol.-mih.
bojah'b se. dbrzahb bolelvb. zbreh'b. lioteh'b ostrom. boleh'b
£xafj.vov. jaa für ea, ja für e ist eine Eigenthümlichkeit russi
scher Quellen: zbrjaah'b. hotjaalrb ostrom. nibnjaah'b. hotjaah'b
naz. gledjah'b izv. 539. veljaaliove vost. 68. Dass hoteste
ostrom. für hoteaste stehe, ist falsch. si.paase zogr.
An das Praesensthema lehnen sich an spese dormiebat in einer
bulg. Quelle cod. stamat. bei Srez. 49. 159 (bulg. spese) und
hostaase lam. 1. 26.
bulg. gorese milad. 343. d'brzese 95. stoese 60. sedese
211. boase se prica 30. velese 16. lezase 36. lezahtj 34. mlb-
case 20. stoase 12. sedese 34. liotese 28. 36. hoteha 16.
serb. vidijah. gorijah, goreah. grmijah. zelijah. zivijali.
mnijah. sjedijah. trpijah. hotijah, htijah, stjjah, ktijah, tijah
für asl. hotealrb, lrbtealrb. Ähnlich ist vristijah, das auf ein altes
vriäteti zurückzuführen ist. Nach pletih asl. pletelrb lind et man
2*
20
Miklosich.
auch hier ih: velih. vidih. zelili. zivili. zrih maturescebam.
imih. mnih. sjedih. hotih, htih und sogar lezih aus einem ur
sprünglichen lezeti. ije aus e: vidijeh. zivijeh. letijeh. mnijeh.
trpijeh. hotijeh, htijeli. caftijeh, ctijeh. Auf ja aus ija gründen
sich: boljah. bdjah vigilabam. vidjah. grmljah. zeljah. zivljah.
lezah. lecah. mnjah, mljah putabam. sjedjah. trpljah. hocah,
hcah, scah, kcali. capcah, ccah florebam aus einem asl.
* evi)t&ti. Danicic, Istorija 299—317. Oblici 98. 100. 101. Man
füge hinzu: lezih jerol. htise und hotihu luc. 29. 105 neben
boljase 6. veljase 55. lezase 96 und htiahu 105.
Sech, bojech sje. bezech, vidjech. slysjech. sedjech. Saf.-
pocätk. 104. Kvet 96. bojech se kat. 2567. zavidjechu 56. ve-
djecli 226. 547. 1402. povedjech 548. otpovedjech 364. hledjech
1047. 3253. zrech 750. kficjech 1208. lezjech 1811. 2224.
mnjech 135. stach aus stojäch 219. 227. sedjech 21. 1632.
trpjech 2364. 2438. chtjech 1255. 2889.
oserh. vidzach. vjedzach sciebam. hofach ardebam. dzer-
zach. slysach. stojacli, stejach. cerpjach. chcych (asl. h’i.tfdi'i,)
und chcydzich. spac hat spach.
nserb. bolecli. bojach se. bjezach. vjezech. gorech. zarzach
asl. dr'tzaaln,. lazach. melcach tacebam. serpjach, serpjech.
B. Verba fünfter Classe.
a. Zweiter Gruppe.
asl. iskaalrr,. sukazaalrr, zogr. glagolaahi. iskaaln. assem.
iskaah'L. roptaahi. bogor. mazaahu. sup. glagolaahx. iskaahb sis.
iskalu. nie. iskaah'L. mazaahu ostrom. glagolaah'L. iskalrt. jjla-
kaaln.. naricaaln,. steiiah'L naz.
nsl. stradacho (stradahq,) patiebantur fris. 2. 98.
oserb. pisach.
nserb. dfemach. vorach arabam. pisach.
b. Dritter Gruppe.
asl. v'j.z'i.vaaln. zogr. zLvaahü> assem. z'Lvalri. sav.-kn.
zvaliL nie. z/Lvaaha, ostrom. hippol. 96.
serb. brah. zvah. Danicie, Rad 6. 135.
Sech, brach se kat. 76. priicli 2295.
21
Das Imperfect in den slavisclien Sprachen.
C. Verba sechster Classe.
asl. besedovalrb zog]'. nep r bstevaaln, bon. verovahb sis. be-
sedovahb nie. besydovahb hval. besedovalrb: besedovasta üpikouv
ostrom. besedovalrb. trebovahu. naz.
nepbstevaalrb entsteht aus neptsteva-ahu..
bulg. bodnuvab. kazuvah. kupuvah cank. veruvase milad.
30. kazuvaie 172. imenovase prica 12. napisovaaie 20.
serb. kupovah, nur durch den Accent vom Aorist ge
schieden.
cech. sje pokorjeväch humiliabar. obluboväch complace-
bam. minovach Saf.-pocätk. 105. kralovaeh kat. 32. litoväch
2294. milovach 92. 149. usiloväch 150.
oserb. kupovach. spytovach.
nserb. bjatovach betete, kupovach: fryjovach freite.
Anhang über beahi.
By hat im Imperfect beah r b, das, wie mir scheint, nach
der Analogie von pletealm gebildet ist, indem sich aus by-eaht
zunächst bvealri. und daraus bealm entwickelt hat, wie aus
obviti, obv§zati notwendig obiti, obezati entsteht; daher bealn.,
bease, beahove u. s. w. Dabei wird ein Praes. mit themati
schem Vocal bv-e aus by-e vorausgesetzt; so wie nun neben
gorealrs, gorease, goreahove u. s. w. ein Aorist gorelrr, göre,
gorehove u. s. w. besteht, so ist nach diesem Yorbilde ein
beh r i>, be, beliove u. s. w. entstanden, das eine Aoristform eines
imperfectiven Verbum ist. be wurde nun als Wurzel ange
sehen und erzeugte die allerdings nur in späten Quellen vorkom
menden und daher verdächtigen Participia beje qui erat (syj,
beje i gredyj qui est, erat et erit) und bese futurus. Eine an
dere Erklärung läge in folgender Betrachtung. Verba perfec-
tiva gehen um durativ zu werden in die dritte Classe über:
leg: lesti pft. lezati ipft.; sed: sesti pft. sedeti ipft.; ebenso
im: j§ti pft. imeti ipft. Da nun by pft. ist, so bestand neben
byti pft. ein bveti, beti ipft. Dieser Deutung ist der Umstand
entgegen zu stellen, dass, dieselbe als richtig angenommen,
bej§ notwendig ,qui esP, nicht ,qui eraP bedeuten würde, wie
imeje ,habens‘ bedeutet. Die Bedeutung bringt beje in un
mittelbaren Zusammenhang mit dem Imperfect; dass Ähn
liches auch sonst vorkömmt, ist leicht nachzuweisen. Der serb.
22
Mi klosich.
Aorist donijeh (asl. *doneh r t) attuli, neben dem donesoh gesagt
wird, ist die Grundlage des Inf. donijeti neben donesti: eine Wurzel
ne gibt es nicht. Der Aorist asl. rein, gab Veranlassung zur
Entstehung des Inf. serb. rijeti, kroat. riti, neben reci: eine
Wurzel re ist unnachweisbar. Auch cech. findet sich rech pass.,
und wenn serb. gesagt wird: obrim, obrih von der asl. Wurzel
ret (obret), so liegt der Erklärungsgrund im Aor. asl. obrefrt.
Vergl. gramm. III. Seite 102. 260. 262. 270. Danicic, Oblici
Seite 68. 74. Istorija 320. 321, wenn man es nicht vielmehr
für eine Bildung ohne thematischen Vocal zu erklären hat, in
welchem Fall sich obrim zu obret ebenso verhielte wie asl.
dann, zu dad. Auch serb. napa für napade und sme für smete
erkläre ich aus asl. * napatrt, * suunehi,. Vergl. gramm. III. Seite
256. Hieher ziehe ich auch bulg. raznel und donel in folgen
den Versen: tia frtknale tri orli, ta na tri strtni raznelo, i
se vo usta donele, ta ponudile mlad Stojan inilad. 200. 201.
Wer vom Praes. by-e, bv-e, b-e ausgeht, kann behrt wie
pleteh'L aus plet-e und bealrt wie pletealrt erklären, und für
die II. und III. Sing, be annehmen, es sei dieser Form der
Bindevocal schon in alter Zeit abhanden gekommen, denn be
aus be-s-t unterscheidet sich von bese aus be-h-e-t gerade so,
wie bea-s-te von bea-s-e-te. Allerdings fehlt der Bindevocal
in der II. und III. Sing, so selten, dass die Sache verdächtig
wird: bea erat lam. 1. 21. 28. imea habebat: imea oselt, i
umrett imt na p^ti pat.-mih. 58. 6.
asl. besaht zogr. assem. bon. sis. nie. ostpom. naz. bejaht
sis. mladen. beeilt sup. beh r t ochrid. sav.-kn. ostrom. beht sis.
nie. bjaah'F, naz. bulg. beh cank. prica 12. serb. bijah, bih
(bihu) lud. 58. Sech, bejech. bjech kat. 2. 55. 643. 673.
oserb. bjech. nserb. bjech.
Bindevocal vor den Personalendungen ta, te.
Nach den ältesten Quellen ist die Personalendung der
II. Dual, ta, die der III. mit geringen Ausnahmen te; im zogr.
habe ich für die III. nur sechsmal die Endung ta gefunden. Das
Genus des Subjectes hat keinen Einfluss auf die Endung. Im cloz I.
findet sich die III. Dual, nur zweimal: d r bve zrttve deasete se
847. gredete 955. im sup. lauten beide Endungen gleich: ta; in
Das Iraperfect in den slavisehen Sprachen.
23
sav.-kn. finden wir in der II. Dual, stets ta, in der III. neben
ta auch te, letzteres nicht nur, wenn das Subject fern., sondern
auch dann, wenn es masc. generis ist: dve na desete godine
este V7> dne duodecim liorae sunt in die 69 und: pred’i. nimb
idete Ijakov r i> i Ioan r L, syna zevedeova ante eum iverunt u. s. w.
68; im Ostrom, lautet die Personalendung der II. Dual, stets
ta, die der III. Dual, ta neben te, und bei einem Subject fern,
generis te neben te, neutr. te, wol nur zufällig nicht auch te. So
viel zum Verständniss des Nachfolgenden, da dieser Gegenstand
in meinem Buche nicht nach den erst in den letzten Jahren ge
nauer bekannt gewordenen ältesten Denkmälern dargestellt ist.
Die Personalendungen der II. und III. Dual, ta und te,
so wie die der II. Plur. te werden in den ältesten glagoliti
schen Quellen mittelst des Bindevocals e, in einigen serbischen
Denkmälern, vornehmlich, wie es scheint, in jenen, welche aus
den westlichen — eigentlich kroatischen Theilen des serbischen
Sprachgebietes stammen, auch mittelst des Bindevocals o an
den Imperfectstamm gefügt, so dass das Imperfect, abweichend
vom Aorist, in allen Formen den Bindevocal hat. Dadurch
wird eine Gleichheit des Imperfects und Aorist in der II. und
III. Dual, und in der II. Plur. auch dann vermieden, w r enn dem
h im Imperfect nur ein a vorhergeht.
Imperfect.
iskaah-o-m
iskaas-e-s
iskaas-e-t
iskaah-o-ve
iskaas-e-ta
iskaas-e-te
iskaah-o-nvb
iskaas-e-te
iskaah-o-nt.
Aorist.
iskah-o-m
iskas-s
iskas-t
iskah-o-ve
iskas-ta
iskas-te
iskah-o-nn,
iskas-te
iskah-nt.
om geht in ^ und dieses in -b über: iskaahi>. iskaln>. s,
t und ss und st fallen ab : iskaase. iska. ont wird in $ ver
wandelt: iskaahtp nt geht in § über, wie auch dadetb aus da-
dnt'i. entsteht, daher iskase aus iskah-nt.
24
Miklosich.
Glagolitische Denkmäler.
zogr.: besedovaasete. boeasete se. beasete. drazaasete se.
poznaasete. zbreasete. ideasete. iskaasete. pomysleasete. pono-
Saasete. ntj,zdaasete. otresaasete. razlq.caas.ete. hozdaasete. cloz I.:
deasete. assem.: boesete se. beasete. ideasete. iskaasete. te-
caasete. hozdaasete. bogor.: v r tpiesete srez 105. ev. ochrid.:
idesete. nqzdasete srez. 77.
Cyrillische Denkmäler.
Sup.: prebyvaasta. idcasta. poklanjasta s§. mozaasta. mo-
ljaasta. pecaasta se u. s. w.; dajasete 339. 22. ideaseta 359. 9.
neben ideasta 151. 7. 358. 2. pomysljaaseta 360. 23. nosaa-
seta. sbbiraaseta 360. 10. slepS.: teöasete gal. 5. 7, im sis. te-
caasto. zivesete. pat.-mih.: ein einziges Mal strelbsete statt
streljasete III. Dual. 39. lival.: vedyasete 1. coi’. 12. 2 für ve-
deasete. mozasete 1. cor. 3. 2. tecaseta gal. 5. 1, der daneben
-hota, -hote bietet, meist jedoch den cyrillischen Quellen folgt.
mladen.: bolejaseta. ostrom.: besedovasta wjj.iXouv. bojasta .sc
scpoßouvxo. ideasta. pomysljaaste oieXoytQuOs. ponosasta wveiSi^ov
u. s. w. naz.: nosaasete neben nosaasta. Bei vost. 69: vozdaa-
sete. glagolasete. idjasete. imeasete. pijasete. proricjaseta. ja-
djaasete.
Der Codex Hankonsteinianus bietet besedovaaseta. pove-
daseta. idjaseta. nuzaseta. oci dbrzaseta sja Dobrovsky, Insti-
tutt., Seite 680. 681, und zeigt dadurch, dass er entweder aus
einer älteren Quelle stammt oder das Alte treuer bewahrt hat
als der Ostromir.
Die kroatisch-glagolitischen Quellen bieten neben e den
Bindevocal o, daher II. III. Dual, iskaahota, II. Flur, iskaahote:
glagolahota (bplXouv. nujahota novak. Kopitar, Glagolita Clozia-
nus XLIX. neben povedaseta. ideseta und ohne Bindevocal:
oci eju drbzasta se oi o^OaAp.o! atußv Izpatouvio. Den Bindevocal
o finden wir im sis. vedehote 88. 1. cor. 12. 2. Im nie.: bese-
dovahota wpiXo’jv luc. 24. 14. zvahota expa^ov matth. 20. 31.
ideahota luc. 24. 28. Im hval. povedahota act. 15. 12. pro-
povedahota act. 13. 5. gredyahota act. 8. 36 für gredeahota.
ziviahota act. 15. 35. zivyahote col. 3. 7 für -veahota, -vea
hote. poehota act. 16. 25. Vergl. gramm. III. Seite 97.
Das Imperfect in den slavischen Sprachen.
25
serb. bijahote. bjehote. vijahote videbatis. vodjabote du-
cebatis. znahote. imahote. iskahotc. mogahote. piskahote. po-
grdjevabote. ucahote. cekahote u. s. w. — bjehota. duzahota.
Auch in der I. Plur. findet man bijahomo neben bijasmo, bje-
homo neben bjesmo u. s. w. Danicic, Istorija Seite 301—317.
veljahote. vapjahole. grdjaliote. drzahote. kazahote. sudjahote
gund. bijahote mik. znahote. iskahote pist. Vergl. grainm. III.
Seite 256. 258.
II. Zur Geschichte.
Dobrovsky, Institutt. Seite 386, nennt das Imperfect nicht
ganz passend — praeteritum iterativum. Regelmässige Formen
sind ihm bljudjahi, bljudjase custodiebam; rastjahi, rastjase
crescebam; vidjahi, vidjase videbam u. s. w., die, altsloveni-
schen Lautgesetzen widersprechend, nur in russischen Denk
mälern Vorkommen. Zur Charakterisirung des Standpunktes,
den Dobrovsky einnahm, will ich seine, die III. Sing. Impft,
und die Formen aahi betreffende Bemerkung mittheilen: verba
in ati, rpiorum praeteritum alri., a iterativi vices supplet,
saltem in tertia persona pro a amant ase: pitase pro pita. so-
lent autem etiam hörum ut et aliorum verborum praeterita am-
plius augeri assumto altero a, ita ut ahi (jahi) prolongetur in
aahi (jaahi) et ase (jase) in aase (jaase) Seite 387.
Ivopitar, der scharfsinnig die Irrtümer anderer aufdeckte
und den Weg, das Wahre zu finden, andern wies, selbst je
doch diesen Weg nicht betrat, liess es bei den Feststellungen
seines Lehrers bewenden; auch er findet Formen wie bjahi,
bljudjahi, rastjahi unbedenklich. Glagolita Clozianus Seite 62. 63.
Ich will gleich hier bemerken, dass der hochverdiente
A. Vostokov sich in eine Erklärung des Imperfects in der
Grammatik der kirchenslavischen Sprache gar nicht einlässt,
was nicht überrascht; dass er jedoch auf der Tafel zu Seite 72
nur in russ. Quellen vorkommende Formen anführt, darf wol
Wunder nehmen: für stanjaahi haben die echten Denkmäler
staneahi, staneehi, stanehi. Formen wie plovjaahi, grebjaahi,
tn.pjaahi, dimjaahi; pasjaahi, vezjaahi; letjaahi, vidjaahi
sind altslovenisch unmöglich, sie lauten: ploveahi, grebeahi,
tripeahi, dimeahi; paseahi u. s. w. Man sieht hieraus, wie
26
Miklosich.
notwendig es ist sieh vor allem die Frage vorzulegen, aus
welchen Quellen die Kenntniss des Altslovenischen zu schöpfen
sei. Im Ostromir steht ideasta neben idjaasta.
In meiner Formenlehre der altslovenischen Sprache, Wien
1850, Seite 35, und in der Vergleichenden Grammatik, Wien.
1856. III. Seite 91, meinte ich, dass die im Imperfect dem hu.
vorhergehenden und dieses vom Aorist scharf absondernden
Silben ee, §a, aa, e, a bestimmt seien, durch ihre Schwere
die Dauer der Handlung nachdrucksvoller zu bezeichnen, eine
Meinung, die ich jetzt nicht mehr hege. An einer anderen
Stelle, Lautlehre, Seite 33. Vergleichende Grammatik I. Seite
120, glaubte ich byvaah r L u. s. w. auf byvajeh r i> zurückführen
zu sollen, jeh dem Verbum substantivum jes gleichstellend.
Sehleicher’s Formenlehre der kirchenslavischen Sprache, Bonn
1852, Seite 371. Compendium Seite 839. Auch diese Ansicht
glaube ich zu Gunsten, der auf den vorhergehenden Blättern
entwickelten aufgeben zu sollen (auch Daniöic, Istorija, Seite
299, stimmt derselben bei), nicht als ob sich aus meiner
älteren Ansicht, nach welcher byvaahu. aus byva-jehn. entsteht,
die Formen nicht erklären Hessen (Vergleichende Grammatik I.
Seite 120), sondern weil es mir nicht gelingen will den Grund
aufzufinden, warum das Verbum substantivum im Aorist in
einer anderen Form, nämlich als s, h, eintreten soll als im Im
perfect, wo jeh aus jes angefügt wird: oder liegt dieser Grund
doch vielleicht in dem Unterschiede der Tempora, von denen
das eine den Eintritt, das andere die Dauer der Handlung in
der Vergangenheit bezeichnet? So viel ist mir jedoch klar, dass
eine von beiden Erklärungen die richtige ist. Schleicher hat
wenigstens ,vor der Hand' die Erklärung durch jeh, jes an
genommen. Nach dieser Theorie muss jedoch aus nese-jeh r i>
zunächst nesehrt (vergl. nesti aus ne jestb), nicht, was Schlei
cher als möglich hinstellt, neseelri. hervorgegangen sein, so
dass auch bei dieser Deutung neseh'i, sich als das Ursprüng
liche darstellt.
Nach Bopp, Vergleich. Grammatik II. Seite 399, ,ergibt
sich das slavische Imperfect als ein Compositum des Themas
des Hauptverbums mit dem aus dem isolirten Gebrauch ent
wichenen Imperfect der sanskritischen Wurzel as, deren a sich
in dieser slavischen Zusammensetzung durch alle Personen der
Das Irnperfect in den slavischen Sprachen.
27
drei Zahlen unverändert behauptet hat, vielleicht in Verwach
sung mit dem Augment.' — ,Gewiss ist/ sagt Bopp, ,dass das
Hilfsverbum des altslavischen Imperfects in einigen Personen,
namentlich in denjenigen, deren Endung mit einem t anfängt,
dem sanskritischen Irnperfect der Wurzel as überraschend
gleicht, indem z. B. in der zweiten Person Plur. aste dem
sanskritischen ästa und griech. r^s. gegenübersteht/ Nach
Bopp’s Theorie wäre der Voigang dieser: an das Thema des
Hauptverbum pisa ist alri> aus aind. äsam getreten: daher
pisaab/ij. Darauf, dass mit ase in der II. und III. Sing, das
aind. äsis, äslt nicht stimmt, will ich kein Gewicht legen, wol
aber muss ich zu bedenken gehen, ob, wenn das aind. Im-
perfect äsam, in der II. und III. Dual, und in der II. Plur.
ästam, ästäm und ästa, mit pisa verbunden wurden, die älteren
Formen wie pisaaseta, pisaasete möglich sind, welche ich als
die echten Imperfectformen glaube ansehen zu sollen. Dass in
neseahu. das dem alio, vorhergehende e hiemit nicht erklärt ist,
ist klar. Bopp fährt daher Seite 400 so fort: ,ich halte überall
das e oder a, welches dem a des Hilfsverbum vorangeht, fin
den Charakter der sanskritischen zehnten Classe, und nehme
an, dass die Verba, welche nicht schon an und für sich zu
derselben gehören, im Irnperfect zu derselben übergehen. Ich
glaube daher z. B. das e von vezealn. ich fuhr mit dem von
Formen wie goreahu., Aor. goreh r j>, und das erste a von bijaah-i.
mit dem ersten a von rydaalrs identificiren zu müssen. Das
Verhältniss des Imperfects hvaljaalrn zum Aorist hvaleh-t ist
so zu fassen, dass im Irnperfect der sanskritische Charakter
aja seine Schlusssilbe bewahrt, deren a in den allgemeinen
Formen stets unterdrückt wird; das e (aus ai) von hvalehx
vertritt das sanskritische aj der allgemeinen Tempora der
gleichsam präkritisch-lateinischen Zusammenziehung zu e. Bei
Verben, welche auf die sanskritische neunte Classe sich stützen,
tritt an den Charakter dieser Classe noch der Charakter der
zehnten hinzu, daher z. B. gybneah'L ich ging zu Grund. Es
verhält sich hiermit ungefähr so, als wenn im Sanskrit aus
kri-nä-mi ein derivatives Verbum knnajämi entspränge, und
wie im Griechischen wirklich ttspvdw aus Ttepv^j.i entsprungen
ist. Besondere Beachtung verdienen im altslavischen Imper-
fect die Verba, welche im Praesens die Personalendungen
28
Miklosich.
unmittelbar mit der Wurzel verbinden; unter diesen bildet vemi
ich weiss, mit Ausnahme des Imperativs und der vom Prae-
sensstamm entspringenden Participien alles Übrige aus dem
durch den sanskritischen Charakter der zehnten Classe erwei
terten Stamm, mit der slavischen Zusammenziehung von aja
zu e, und es liegt am Tage, dass das zweite e des Imperfects
ved-e-ahx ich wusste identisch ist mit dem des Aorists ved-
e-hx, des Part, praet. act. I. ved-e-vx, II. ved-e-lx, des Inf.
ved-ö-ti und Sup. ved-etx. Die übrigen Verba der classen-
vocallosen Conjugation zeigen den Charakter der sanskritischen
zehnten Classe in Gestalt von e nur im Imperfect, nicht aber
ausserhalb der sanskritischen Specialtempora, daher z. B. jad-
e-ahx edebam, gegenüber dem sanskritischen Imperfect des
Causale äd-aja-m, aber im Aorist jad-o-hx (o als Bindevocal),
Inf. jas-ti, Sup. jas-txh Nach Bopp ist also neseahx ferebam
so zu erklären, dass nes, Inf. nes-ti, vor allem in die dritte
Classe, natürlich zweiter Gruppe übergeht: nese, woraus durch
Anfügung von ahx — neseahx entsteht. Es ist nun richtig,
dass es Verba der ersten Classe gibt, die in die dritte Classe
übergehen; die mit dieser Veränderung der Form verbundene
Veränderung der Bedeutung würde zu Bopp’s Erklärung in
so ferne ganz gut passen, als dadurch Verba perfectiva durativ
werden; allein da das e stets an das Infinitiv- (Verbal-), nicht
an das Praesensthema gefügt wird, so lässt uns die Erklärung
bei Formen wie bereahx im Stiche, da wir neben lezati aus
lezeti (Praesensthema lege), neben sedeti (Praesensthema sede)
ein bereti nicht annehmen können, und diess um so weniger
als ber^, brati kein perfectives Verbum ist. Weniger lässt
sich gegen bija mit dem Inf. bijati einwenden, da a-Formen
regelmässig von den Themen aller Verba abgeleitet werden
können, obgleich aus bi-e gleichfalls bija entsteht. Was hval-
ja-ahx anlangt, so muss von hval-e-hx abgesehen werden, da
der Aorist hval-i-hx lautet; es ist ausserdem schwer einzu
sehen, wie der Charakter der zehnten Classe, aja, der mit dem
Charakter der Causalform identisch ist, temporale Function
annehmen könne. Bopp hätte auch hier wie bei bi zu einer
a-Form seine Zuflucht nehmen können, die vom praefixix-ten
hvali sehr häufig vorkommt: hvalja-ahx.
Das Imperfect in den slavischen Sprachen.
29
Herr Prof. Friedrich Müller, Sitzungsberichte LXIV, Seite
448, führt, das Litauische und Armenische heranziehend, ea
auf aja zurück. Da auch Bopp, Seite 400, vom Charakter
aja spricht, so fällt lautlich Herrn Müller’s Theorie mit Bopp’s
Erklärung zusammen. Ein Begreifen des Wortes, eine Ein
sicht, warum der so entstandenen Form diese bestimmte Be
deutung zukömmt, wird durch keine von beiden Deutungen
begründet: man kömmt nicht über das hinaus, was augen
scheinlich vorliegt, es wird im besten Falle nur das erreicht,
dass man wisse, dass eine ebenso unbegreifliche Form auch im
Litauischen und im Armenischen vorkömmt. Ich möchte glau
ben, dass die Vergleichung von pletöln. mit pletati uns in der
That das Verständniss der Form erschliesst, wobei es gestattet
sei noch darauf aufmerksam zu machen, dass eine dem Slavi
schen eigentümliche Verbalform mit einer in dieser conse-
quenten Durchführung nur den slavischen Sprachen bekannten
Erscheinung in Zusammenhang gebracht wird, dass Beide aus
einem Principe erklärt werden. Die Laute betreffend ist zu
bemerken, dass lit. aja im slav. entweder eje, aja oder oje
lauten müsste, und dass das erste e, das zweite aja oder a er
geben, das dritte asl. unverändert bleiben würde, da asl. oje
nicht in e zusammengezogen wird; ea ist aus lit. aja nicht
erklärbar.
Ich will hinzufügen, dass noch eine Erklärung des Im-
perfects möglich ist, die sich einigermassen an Bopp’s Theorie
anschliesst. Es linden sich nämlich im Bulgarischen Verba,
die das das Imperfect auszeichnende e auch ausserhalb dieses
Tempus zeigen: bodeki, S'im pupugi asl. boh, cank. 8G. bxdel
s r Lin (* bqdeh,) fui 91. raspletel: i kosi si ona raspletela
sie flocht ihr Haupthaar auf milad. 250: asl. rasplela. slezel: i ot
konja ono je slezelo er stieg vom Pferde 251: asl. sudezlo. posecel:
’si te gi je poseöela hieb sie alle nieder 259. Man könnte nun
sagen, aus dem Thema bod entstehe zunächst bode, und dieses
liege dem Imperfect zu Grunde. Diese dem Bulgarischen
eigentümliche, den anderen slavischen Sprachen in alten wie
in neuen Denkmälern ganz unbekannte, mir räthselhafte Form
scheint eher selbst auf dem Imperfect zu beruhen, als dem
selben zur Erklärung zu dienen: bodel ist aus dem Imperfect
bödelri. ebenso hervorgegangen, wie sich reti, serb. rijeti, aus
30
Miklosicli. Das Imperfect in den slavischen Sprachen.
dem Aorist rehi. entwickelt hat. Wie reti in der Bedeutung 1
als perfectives Verbum zum Aorist passt, so mag- auch bodel
mit bodelri. in dieser Beziehung übereinstimmen.
Die in dieser Abhandlung versuchte Erklärung des sla
vischen Imperfects ist nicht einfach. Dass sie den Vorzug der
Einfachheit entbehrt, hat seinen Grund darin, dass zwei Schich
ten von Imperfectbildungen vorliegen, die auf dem Prae-
sensthema beruhende ältere und die mit dem Infinitivthema
zusammenhängende jüngere: zovcalrn und zi.vaalri.. Die verwir
rende Mannigfaltigkeit der Formen ist, abgesehen von dialekti
schen Verschiedenheiten, Folge teils der Analogie: pletelvi. und
pletealri), teils der Lautgesetze: bejahe, bealri, und beirr..
Einiges kann in einer von meinen Aufstellungen abweichenden
Weise gedeutet werden: divlaln, se aus divlaaln, se; v'Lzb'i.nelri.
aus V'hzb'i.nealrr. u. s. w.
Zur Vervollständigung des im zweiten Theile Gesagten
ist nachzutragen, dass P. J. Safarfk, Sebrane spisy III. Seite
601—604, das asl. Imperfect zum Gegenstände einer Abhand
lung gemacht hat. Von Interesse sind darin die aus russischen
Quellen angeführten bindevocalischen Imperfectformen. Safarik
beabsichtigte den Charakter des Imperfects ja zugleich mit va
(wohl das va in davati) zu erörtern: ihm scheint demnach ja
in bijahb, bijaaht und va in ubivati identisch gewesen zu sein.
Hinsichtlich der Abkürzungen verweise ich auf meine
Schriften, namentlich auf die Altslovenische Formenlehre in
Paradigmen. Wien 1874. Seite 95, 96; auf die Vergleichende
Syntax. Wien. 1868—74. Seite 881 — 896 und auf das Lexicon
Vindobonae. 1862—65. Seite V—XXI. Hier sind nur folgende
Abkürzungen zu erklären: — Bogor. Ev.-bogor. Altslovenische
Formenlehre Seite 14. 3. — Ev. 1372. Ein serb.-slov. Evan
gelium, von dem mir Auszüge vorliegen. — Ev.-ochrid. I. I.
Sreznevskij, Drevnie glagoliceskie pamjatniki Seite 74. —
Novak d. i. Missale-novak. — Erica d. i. Bellum troianum. —
Srez. Drevnie slavjanskie pamjatniki jusovago pisr.ina. S. Peter
burg. 1868.
Zimmer mann. Kant und die positive Philosophie.
31
Kant und die positive Philosophie.
Von
Robert Zimmermann,
wirkl. Mitglied der k. Akademie der Wissenschaften.
itimile Littre, der Biograph des Urhebers der sogenannten
positiven Philosophie, hat seiner Lebensbeschreibung Auguste
Comte’s ein Capitel einverleibt, in dem er unter dem Namen
der G-eschichte der philosophie positive eine Reihe von Ge
danken schildert, die seit der Mitte des 18. Jahrhunderts auf
getreten, mit dieser gleichartig, Vorläufer und Vorboten der
selben darstellen. Dass er unter denselben neben Turgot’s
und Condorcet’s Schriften auch ein Werkchen von Kant nennt,
dasselbe sogar, um die innere Uebereinstimmung der französi
schen Lesewelt nahe zu legen, in ausführlicher Uebersetzung
in den Text aufnimmt, muss die Aufmerksamkeit auch des
deutschen Lesers erwecken. Bei der Bedeutung, welche die
positive Philosophie mehr noch als in Frankreich, wo ihr die
Schule Cousin’s feindselig entgegentrat, durch die Bemühungen
und Schriften J. St. Mill’s, Buckle’s, Lewes’, Tylor’s und
Anderer in England und Italien gewonnen hat, ist der Ver
such, Kant selbst für dieselbe Zeugniss ablegen zu lassen, für
Deutschland von nicht zu unterschätzender Wichtigkeit. Comte’s
Biograph legt Werth darauf, dass dieser Vorgänger gehabt
habe. Zwar gebühre ihm allein der Ruhm, Stifter der positiven
Philosophie zu sein; aber weit entfernt, dass die Untersuchung
des Ursprungs derselben diesen zu schmälern drohe, könne sie
dessen Verdienst und Bedeutung nur erhöhen. Es komme
wenig darauf an, ist seine Meinung, oh Comte selbst seine
Vorläufer gekannt oder nicht gekannt habe. Die Aufzeigung
32
Zimm ermann.
solcher habe weniger den Zweck, darzuthun, wer auf seine
eigene Lehre bildenden Einfluss geübt habe, als vielmehr an
schaulich zu machen, ,connnent les esprits superieurs pressen-
taient et preparaient l’avenir philosophiqueh
Es ist für den Deutschen immer angenehm, unter diesen
esprits superieurs seinen Kant mitgenannt zu sehen; für ihn
liegt darin ein neuer Beweis von der erstaunlichen Vielseitig
keit, die erst die neuere Zeit an Kant wieder entdeckt, seit
dem sie gelernt hat, ihn nicht bloss als Verfasser der Kritik
der reinen Vernunft anzusehen. Physiologen und Astronomen
haben seitdem zu ihrer Verwunderung in dem gemiedenen
Philosophen fruchtbare Ideen in ungeahnter Fülle erspäht;
dürfen wir dem Herausgeber des ,Cours de philosophie posi
tive' Glauben schenken, so hat auch die jüngste Gestalt der
Geschichtswissenschaft, die physique sociale oder Sociologie
ihren ,precurseur' in Kant.
Zwar die Schrift Kant’s, um die es sich handelt, ist dem
Urheber der positiven Philosophie erst bekannt geworden, als
sein System bereits in seinen Grundzügen fertig stand. Die
ungewöhnliche Frühreife seines Geistes, welche einen seiner Be
wunderer bewog, ihn und Kant, obgleich bei letzterem gerade das
Gegentheil stattfand, als die beiden Mustertypen philosophischer
Organisation zu bezeichnen (vgl. Th. Wechniakoff: Rech, anthr.
III. sect. p. 122. Par. 1873), war Ursache, dass Comte’s Philoso
phie, nach seinen eigenen Aussprüchen im Wesentlichen (vgl.
Littre, p. 155) als er im Alter von kaum zwanzig Jahren stand,
vollendet war. Die erste Schrift, die im Druck erschien, der im
April 1822 publicirte Plan ,des travaux necessaires pour re-
organiser la societe', enthielt bereits jene sociologischen Gesetze,
die er als seine eigenthümlichste und folgenreichste Erfindung
betrachtete. Ursprünglich in der beschränkten Zahl von nur
100 Exemplaren abgezogen und unentgeltlich vertheilt, wurde
dieselbe im Jahre 1824 abermals unter dem neuen Titel:
Systeme de politique positive und zum erstenmal unter dem
Namen ihres Verfassers veröffentlicht. Erst nach dieser Wieder
herausgabe erhielt Comte Kenntniss von dem Schriftchen Kant’s
und zwar, wie man aus einem Briefe an seinen Freund und
anfänglichen Schüler, den späteren standhaften Jünger St. Simon’s,
Gustav v. Eichthal (vom 10. December 1824, Littre p. 155),
Kant und die positive, Philosophie.
33
sieht, durch diesen, der ihm aus Berlin, wo er sich damals
aufhielt, eine Uebersetzung desselben gesandt hatte. Von einer
directen Einflussnahme Kant’s auf die positive Philosophie
kann daher keine Rede sein; auch hat Comte, wie Littre an-
fiilirt, niemals einen anderen philosophischen Vorläufer als
solchen anerkannt, als Condorcet. Nicht einmal Turgot, dessen
Verwandtschaft, wie Littre nachgewiesen hat, mit Comte’s
Ideen so bedeutend ist, dass sogar das sociologische Gesetz
des letzteren bei jenem, obgleich nur als eine ,idee a mediter',
auftritt, ist von ihm als solcher genannt worden. Nichtsdesto
weniger gehört Kant’s Schrift, wenn nicht in die Reihe'der
jenigen, durch welche, nach Littre’s Ausdruck, Comte selbst
hindurchgegangen, doch unter diejenigen, ,par oü a passe la
Philosophie positive“'. Er findet in ihr ,un des plus importants
prodrömes, un de ceux, qui annoneaient le mieux l’oeuvre de
Comte encore enfermee dans l’avenir' (p. 39).
Welches ist nun diese Schrift? Dieselbe ist wie Comte’s
Biograph sagt, ,inconnu en France'; in Deutschland dagegen ist
sie zwar nicht unbekannt, aber zu wenig gekannt. Aus der
Uebersetzung des Titels ,Idee d’une histoire universelle au
point de vue de l’humanite' wird nur ein Kenner des Origi
nals zu ei’rathen im Stande sein, dass die im Jahre 1784 er
schienene Abhandlung: ,Tdee zu einer allgemeinen Geschichte
in weltbürgerlicher Absicht' gemeint sei. Dieselbe war zuerst
in der Berliner Monatschrift (1784, Nov. S. 380—411) ab
gedruckt, vier Jahre vor dem Erscheinen der praktischen Ver
nunft (1788) und sechs vor jenem der Kritik der (teleologischen
und ästhetischen) Urtheilskraft (1790) abgefasst. Sie verdankt,
wie eine von Kant selbst beigefügte Bemerkung uns lehrt,
ihren Ursprung einer ,ohne Zweifel einer Unterredung mit
einem durchreisenden Gelehrten entnommenen' Aeusserung
Kant’s, die in der Gothaischen Gelehrten-Zeitung (1784, S. 95)
sich findet, und von dem Herausgeber der Werke desselben,
G. Hartenstein, in der Vorrede zum 4. Bande p. XI. wieder
abgedruckt worden ist. Sie lautet: ,Eine Lieblingsidee des
Herrn Prof. Kant ist, dass der Endzweck des Menschen
geschlechts die Erreichung der vollkommensten Staatsverfassung
sei, und er wünscht, dass ein philosophischer Geschichtschreiber
es unternehmen möchte, uns in dieser Rücksicht eine Geschichte
Sitzungsber. d. phil.-kist. CI. LXXVII. Bd. I. Hft. 3
■iiinu«w iiw
■j
34 z Immermaun.
der Menschheit zu liefern, um zu zeigen, wie weit die Mensch
heit in den verschiedenen Zeiten diesem Endzweck sich ge
nähert oder von demselben entfernt habe, und was zur Er
reichung desselben noch zu thun sek.
Kant verfasste die Schrift, weil, wie er sagt, obige Aeusse-
rung ihm ,eine Erläuterung abnöthige, ohne die jene keinen
begreiflichen Sinn haben würde*. Comte findet sie (vgl. lettre
ä Gf. d’Eichthal du 10 dec. 1824, p. 155) ,prodigieux pour
l’epoque* und fügt hinzu, wenn er dieselbe sechs bis sieben
Jahre früher gekannt hätte, so würde sie ihm viel Mühe er
spart haben. Seine Bewunderung geht so weit, dass er sich
selbst, nach dieser Lectüre, kein anderes Verdienst zuspricht,
,que d’avoir systemise et arrete la conception ebauchee par
Kant*, und er schreibt dasselbe vorzüglich seiner education
scientifique, d. i. seiner an der polytechnischen Schule empfange
nen exacten Bildung zu. Der einzige positive und unterschei
dende Schritt, den er über Kant hinaus gemacht habe, scheint
ihm seine Entdeckung des Gesetzes ,du passage des idees
Immaines par les trois etats theologique, metaphysique et scienti
fique* zu sein, ,loi, qui me semble etre la base du travail, dont
Kant a conseille l’execution*. Und mit einer den Franzosen
ehrenden Aufwallung der Anerkennung deutschen Verdienstes
setzt er hinzu, er fühle einige Dankbarkeit gegen seinen
Mangel an Erudition; denn wäre seiner Arbeit, so wie sie jetzt
sei, die Kenntniss der Schrift Kant’s bei ihm vorangegangen,
so hätte jene sicher viel von ihrem Verdienst verloren.
Der Untersuchung dieser Beziehungen Kant’s zu Comte’s
positiver Philosophie und der Darstellung des Verhältnisses des
Standpunkts und der Methode der letzteren zu jener der kri
tischen Philosophie überhaupt ist diese Abhandlung gewidmet.
I.
Comte’s positive Philosophie ist, was die Grundlagen be
trifft, kein originelles Werk; die Wurzeln derselben sind in
England zu suchen. Ihre Voraussetzungen sind die gemein
samen der empiristisehen Philosophie; ihre Abneigung gegen
Theologie und Metaphysik stammt aus denselben Quellen. Dass
der äussere Sinn die einzige natürliche Erkenntnissquelle des
Kant und die positive Philosophie.
35
Menschen sei, gilt ihr wie jener als ausgemacht; die Grenzen
des Sinnes sind ihr auch jene des Erkennens. Was sich nicht
durch die Beobachtung verificiren lässt, ist überhaupt nicht
verificirbar. Das Uebersinnliche, es sei nun persönlich oder
unpersönlich, ein Gott oder eine blosse Idee, ist kein Gegen
stand der Erkenntniss, sondern der Einbildungskraft. Wissen
schaften vom Uebersinnlichen, Theologie wie Metaphysik, sind
nur Scheinwissenschaften.
Mit klaren Worten hat Bacon, das Vorbild Comte’s, das
Nämliche ausgesprochen. Alle gesunden Köpfe (tous les bons
esprits), heisst es (Cours de philos. Par. 18641. p. 12), wiederholen
seit ihm, dass jede wirkliche Erkenntniss sich nur auf Thatsachen
der Beobachtung gründen kann. Gott, Natur und Mensch sind
nach Bacon die Objecte der Philosophie. Sofern die Erkenntniss
des ersten aus der Offenbarung fliesst, ist sie ein Glauben, sofern
sie aus der natürlichen Erkenntniss stammt, kein Wissen. Wäh
rend die äussere Natur (der Inbegriff alles Sinnen fälligen) den
Intellect im geraden Strahle (radio directo) trifft, berührt die
(übersinnliche) Gottheit denselben wegen der ,Unangemessenheit
des Mittels' (propter medium inaequale, der Sinnlichkeit) nur
im zurückgeworfenen (radio tantum refracto). Ebensowenig
ist der dem Menschen eingehauchte (übersinnliche) Geist (spira-
culum) wissenschaftlich erkennbar; nur die physische Seele,
ein dünner, warmer Körper, ist ein Object wissenschaftlicher
Erkenntniss. Beides Uebersinnliche ausgeschieden, bleibt als
einziger Gegenstand der (durchaus sinnlichen) Erkenntniss das
Sinnliche, die Natur mit Einschluss der physischen Seele,
d. i. der Inbegriff aller sinnlichen Erscheinungen übrig.
Hobbes, Locke und deren französische Nachahmer haben
auf diesem Grunde fortgebaut. Die speculative Naturphilo
sophie hat nach Bacon die Erkenntniss, die operative die An
wendung der Naturgesetze, die philosophische Anthropologie
(philosopliia humana) den Menschen als Einzelnen, die Politik
(philosophia civilis) denselben als Glied der Gesellschaft zum
Gegenstand. Während er noch die Anthropologie in eine Lehre
vom Leibe und eine von der Seele und demgemäss Bewegungen
und Empfindungen unterscheidet, hebt Hobbes diesen Unter
schied auf. Gegenstand der Philosophie sind nur Körper;
unkörperliche Substanzen ein Unding. Alle realen Vorgänge,
3*
—
36 Zimmermann.
die Empfindungen inbegriffen, sind blosse Bewegungen. Auch
die bürgerliche Gesellschaft, insoferne sie Gegenstand der mit
der Körperlehre (Physik) identischen Philosophie ist, muss als
Körper betrachtet werden, dessen einziger Unterschied von den
gewöhnlich sogenannten darin besteht, dass er ein künst
licher ist, während diese (leblos oder lebendig) natürliche sind.
Seelenlehre (Psychologie) und Staatslehre (Politik) verwandeln
sich in Physik, jene des menschlichen, diese des Staatskörpers.
Die vollständige Homogeneität aller sinnenfälligen Erschei
nungen ist damit erreicht, dass sie sämmtlich als körperlich
angesehen werden. Zwar die Philosophie wird von Hobbes in
eine natural and civil philosophy eingetheilt, aber der Gegen
stand der letzteren, der politische Körper, ist ebensogut Natur
gesetzen unterworfen, wie der physische. Aufgabe der Physik
des Staats-, wie jener des natürlichen Körpers ist es, die Gesetze
zu entdecken, welche deren Entwicklung beherrschen.
Zur Auffindung derselben führt nur der Erfahrungsweg.
Bacon warnt vor Idolen, d. i. falschen Vorstellungen, die nicht
aus der Natur der zu erkennenden Objecte, sondern aus des
Subjectes eigener geflossen sind. Die Interpretation der Natur
soll alles aus derselben herausnehmen, aber nichts in dieselbe
hineinlegen. Er unterscheidet die in der allgemein mensch
lichen Natur begründeten trügerischen Auffassungen (idola tribus)
von jenen, die nur in der speciellen Eigenthümlichkeit eines
Einzelnen ihren Grund haben (idola specus). Ebenso die durch
den menschlichen Verkehr mittelst der Sprache verursachten
(idola fori) von den auf Ueberlieferung beruhenden (idola
theatri). Zu den erstgenannten rechnet er die Anthropomor
phismen, die aus der allgemein menschlichen Neigung ent
springen, die Vorgänge in der Natur nach der Analogie durch
Menschen bewirkter Veränderungen anzusehen. Als eine solche
betrachtet Bacon die Ersetzung der wirkenden Ursachen in
der Physik durch Zweckursachen. Zwar weist er letztere nicht
ganz aus der speculativen Naturphilosophie, sondern nur aus
der Physik heraus und einem andern Tlieil derselben, der von
den Zwecken handelt und den er Metaphysik nennt, zu; aber
dass der Verstand, um zur Naturerkenntniss zu gelangen,
von den Idolen gereinigt werden muss, lässt eben nicht auf über
mässiges Vertrauen zu der teleologischen Erkenntniss schliessen.
37
Kant und die positive Philosophie.
Auch entspricht in der operativen Naturphilosophie der Physik
die Mechanik, der Metaphysik dagegen die ,natürliche Magie'.
Der Anthropomorphismus der teleologischen Naturbetrach
tung ist nicht die einzige Uebersclireibung des durch die Er
fahrung wirklich Gegebenen von Seite des Subjects. Jener
beweist, dass wir kein durch die Erfahrung verliehenes Recht
haben, die Natur nach Analogie menschlicher Kunstthätigkeit
anzusehen d. h. derselben die Endabsicht einer nach Einsicht
und mit Willen handelnden Intelligenz unterzulegen. Auch
dann nicht, wenn diese Unterschiebung einer allgemeinen,
in der Natur jedes Einzelnen kraft seines menschlichen Naturells
gelegenen Neigung entspricht und demgemäss allgemein von
allen vollzogen zu werden pflegt. Die Allgemeinheit, ja Un-
willkürlichkeit der irrthümlichen Auffassung hebt deren Irr-
thümlichk'eit nicht auf. Ueberweg (G. d. Ph. III. S. 40) hat
mit Recht darauf aufmerksam gemacht, dass Bacon’s Lehre
von den idola tribus ,in gewissem Masse' den Grundgedanken
von Kant’s ,Kritik der reinen Vernunft' antecipirt; obiger
Anthropomorphismus der Zweckursachen vielleicht noch ent
schiedener die Grundidee der Kritik der teleologischen Urtheils-
kraft.
Es ist Loclce’s Verdienst, die Scheidung dessen, was wirk
lich, und dessen, was nur scheinbar in der Erfahrung liegt,
durch seinen Versuch über den menschlichen Verstand weiter
geführt zu haben. Durch den Nachweis, dass die sogenannten
secundären Eigenschaften der Körper, wie Farbe, Klang u. a.,
wie schon Hobbes bemerkt hatte, als Empfindungsqualitäten
nur in dem empfindenden Wesen vorhanden seien, machte er
der Täuschung ein Ende, als ob die Erfahrung das Ansicli
der Dinge selbst kennen zu lehren vermöchte.
Berkeley ist bekanntlich noch einen Schritt weiter ge
gangen und hat auch die primären Qualitäten der Dinge, ja die
reale Existenz dieser selbst in Frage gestellt. An den Er-
kenntnisskanon Bacon’s, dass die Wissenschaft das Abbild der
Wirklichkeit sei (scientia veritatis imago), trat der Zweifel
heran, wie die mit den realen Dingen unvergleichbaren Empfin
dungsqualitäten ein Spiegelbild der ersteren darzustellen ver
möchten. Berkeley’s Idealismus gerieth auf den Ausweg, die
Erfahrung, da die Realität der Dinge sich in blossen Schein auf-
38
Zimmermann.
gelöst zu haben schien , für ein Work der Gottheit im Geiste
des Menschen zu erklären. Dieser verwandelt die ganze, jener
wenigstens die phänomenale Aussenseite der objectiven Welt
in bloss subjectiven Schein.
Auch die Uebertragung der subjectiven Empfindungs-
qualität auf die objective Welt müsste strenggenommeu ein
,Anthropomorphismus' heissen. Die Härte desselben wird nur
scheinbar gemildert, wenn man, wie Hobbes, die Empfindung
als einen körperlichen Vorgang, aber sie tritt in voller Schärfe
hervor, wenn man wie Locke und Berkeley dieselbe als eine
,einfache Idee' d. h. als etwas Unausgedehntes, also Unkörper
liches betrachtet. Bacon schreibt die Sinnes -Empfindungen
der ,physischen' Seele zu, Hobbes bezeichnet sie ausdrücklich
als materielle Bewegungen. Dass Ausgedehntes, wie es die
äussere Körperwelt ist, in Ausgedehntem, wie es nach beiden
die psychischen Vorgänge sind, sich abbilde, scheint weniger
Schwierigkeit darzubieten, als dass dasselbe in Unausgedehntem,
wie es nach Locke und Berkeley die Empfindungen sind, treu
abgespiegelt werde. Die qualitative Identität des Objectiven
und Subjectiven macht die imago veritatis, die Wissenschaft,
möglich; die qualitative Verschiedenheit beider hebt sie auf. Der
materialistische Monismus eines Bacon und Hobbes, der die
Empfindung in Bewegung, wie der spiritualistische Monismus
eines Leibnitz, der auch die materielle Welt in blosse Vor
stellung geistiger Wesen verwandelt, wählen den ersteren
Weg; der Dualismus eines Descartes und Locke, der die
Empfindung als einfachen der Bewegung als ausgedehntem Vor
gang entgegenstellt, geht den letztem. Mit der idealistischen
Leugnung der objectiven Welt entfällt auch der Grund jenes
Anthropomorphismus.
Bacon warnte davor, in die Erfahrung Endursachen hin
einzutragen; gegen die erfahrungsmässige Auffassung der Er
scheinungen als wirkender Ursachen hat er nichts einzuwenden.
Es ist Hume’s Verdienst, gezeigt zu haben, dass auch von
den letztem nichts in der Erfahrung gelegen sei. Alles was
wir beobachten ist, dass eine gewisse Erscheinung auf die
andere folgt; dass sie aus derselben folge, lehrt keine Erfah
rung. Nur die subjective Gewöhnung, eine gewisse Erschei
nung stets nach einer gewissen andern eintreten zu sehen, ver-
Kant und die positive Philosophie.
39
aiilasst uns, eine objective Verknüpfung zwischen beiden
Erscheinungen vorauszusetzen. Der causale Zusammenhang
äusserer Phänomene auf Grund innerer Nöthigung dieselben
nacheinander zu erwarten, ist kein minderer ,Anthropomorphis
mus' als die Subreption, welche in der Uebertragung subjectiver
Empfindungsqualitäten auf die objective Welt und im Ersatz
wirkender durch Finalursachen liegt.
Der von ,Idolen' gereinigte Verstand müsste, um zur
Naturerkenntniss zu gelangen, von der Fiction wirkender Ur
sachen nicht weniger wie von jener der Endursachen, aber
auch von der Uebertragung subjectiver Empfindungsinhalte auf
die objective Welt frei sein. Beide erstgenannten Forderungen
sind gegen Metaphysik und Theologie, letztgenannte dagegen
ist gegen den Inhalt der sinnlichen Erfahrung selbst gerichtet.
Weder wirkende Ursache, noch Zweckursachen der wirklichen
Welt sind durch die Erfahrung gegeben; aber auch die Be
schaffenheit der objectivcn Welt ist durch den durchaus sub-
jectiven Gehalt der Erfahrung- nicht gegeben. Der anthropo-
morphistische Charakter der Zweck- und wirkenden Ursachen
stellt die Erkenntniss einer hinter der sinnlichen verborgenen
übersinnlichen Welt, jener der sinnlichen Erfahrung- auch jene
der sinnlichen Welt wohlbegründetem Zweifel bloss. Die Skepsis
der Erfahrungsphilosophie wendet sich gegen die theologisch
metaphysiche Dogmatik der Religion und speculativen Philo
sophie, jene der (Locke-llume’sclien) Theorie des Erkenntnisver
mögens gegen den Dogmatismus der Erfahrungsphilosophie
selbst.
An jenen Punkt hat die positive Philosophie Comte’s, an
diesen die kritische Eant’s angeknüpft. Jene bedient sich der
Empirie, um an ihrer Hand Theologie und Metaphysik, diese
des Subjectivismus der Erfahrungserkenntniss, um die Möglich
keit der Erfahrung selbst in Frage zu stellen. Gegenstand
der ersten ist die objective (obgleich nur die sinnenfällige)
Welt, der letztem das Subject als Träger der Erfahrung. Jene
geht auf eine mittelst Erfahrung zu erreichende systematische
Erkenntniss alles Erfahrbaren, diese vor aller wie immer
beschaffenen Erfahrung auf eine Theorie der Erfahrung aus.
Eine gewisse Verwandtschaft ist beiden nicht abzusprechen.
Die Resultate der kritischen sind der Theologie und Meta-
40
Zimmer ma n n.
physik so wenig günstig, wie jene der positiven Philosophie.
Beide stimmen darin überein, der Erkenntniss Grenzen zu
setzen. Beide betrachten dasjenige, was jenseits der Erfahrung
liegt, als unzugänglich für die Erkenntniss; beide schränken
das wirklich Erkennbare auf das Gebiet blosser Erscheinungen
ein, während das hinter demselben Gelegene, wenn ein solches
überhaupt vorhanden, doch seiner Wesenheit nach völlig unbe
kannt bleibt. Uebersinnliche Gegenstände, wie Gott, Seele u. a.
sind nach der einen, wie nach der andern von der Erkennt
niss (nach Kant wenigstens der theoretischen) ausgeschlossen.
Dagegen besteht zwischen beiden der durchgreifende Unter
schied, dass die positive Philosophie die sinnenfälligen Objecte
der Erfahrung realistisch als Erscheinungen ausser, die kri
tische dagegen idealistisch als solche in dem Subjecte fasst,
welcher letzteren Ucbereinstimmung oder Nichtübereinstimmung
mit der wirklichen Welt (wenn eine solche existirt) dahin
gestellt bleibt.
Letztere Wendung zum Idealismus, welche durch Locke
eingeleitet, durch Berkeley und die kritische Philosophie voll
endet worden ist, hat die positive Philosophie nicht mitgemacht.
Das kritische Problem, wie des subjectiven Charakters der
Erscheinung ungeachtet eine gemeinsame Erfahrung zu Stande
zu kommen vermöge, ist für sie nicht vorhanden. Die Ein
heit des gemeinsamen Objects aller Erfahrung bildet für sie
wie für die gesammte empiristische Richtung seit Bacon den
Ausgangspunkt, auf welchem die Einheit und Gemeinsamkeit
aller auf dem Wege wissenschaftlicher Methode gewonnenen
Erfahrung fusst. Wir sollen nach Bacon weder, wie die Spinnen
ihre Fäden aus sich ziehen, bloss aus uns unsere Gedanken
schöpfen, noch wie die Ameisen bloss sammeln, sondern wie
die Bienen sammeln und verarbeiten. Die wissenschaftliche
Methode ist die Induction, die von der Erkenntniss der That-
sachen zu jener der Gesetze fortschreitet. Während auf ersterem
Wege blosse Gedankencombinationen zu Stande kommen,
welche, solange sie nicht durch die Erfahrung verificirt werden,
nicht über den Werth willkürlicher Einfälle und speculativer
Träume sich erheben, fördert der zweite lediglich die Anhäufung
von Thatsachen ohne Zusammenhang und Uebersicht. Nur
auf dem letztgenannten Wege der Combination und Vor-
Kant und die positive Philosophie.
41
arbeitung der Thatsachen kommt wirkliche Wissenschaft zu
Stande.
Es ist nicht schwer, in obiger Stelle den Keim dessen
zu linden, was der Urheber der positiven Philosophie als sub-
jective und objective Methode bezeichnet hat. Jene verfährt
unabhängig von den Thatsachen der Erfahrung a priori, diese im
engsten Anschluss an dieselben a posteriori. Wenn die erstere
nur aus sich selbst statt aus der Erfahrung schöpfend, aus
unbewiesenen Voraussetzungen deducirt, aber auf diesem Wege
auch nur willkürliche Gebilde, Einbildungen statt Erkenntnisse
zu Stande bringt, so genügt der letzteren die bloss gelehrte
Ansammlung vereinzelter Thatsachen nicht, ihr Streben geht
dahin, allgemeine Gesetze aus diesen zu induciren. Wissen
schaften, deren Objecto übersinnliche und so der Erfahrung
unzugänglich sind, können nur nach apriorischer, solche, deren
Objecte sinnliche, also der Beobachtung zugänglich sind, sollen
nur nach aposteriorischer Methode behandelt werden.
Die Möglichkeit, auch nach apriorischer Methode behan
delt werden zu können, ist dadurch nicht ausgeschlossen. Der
logische Normalzustand der Wissenschaften vom Sinnlichen ist
die Behandlung derselben nach streng aposteriorischer Methode.
Der logisch anormale Zustand derselben ist die Behandlung des
Sinnlichen nach der für das Uebersinnliche ausschliesslich
passenden Methode d. i. der apriorischen. Dieser verglichen
mit jenem ist als ein unvollkommener anzusehen, den die
logische Forderung in jenen umzuwandeln gebietet. Derselbe
wird aber naturgemäss in der Geschichte der Wissenschaft als
der frühere auftreten, da sich der vollkommene Zustand aus
dem unvollkommenen herausbildet.
Dieser Gedanke enthält das Neue der positiven Philo
sophie. Dasselbe liegt nicht darin, dass die aposteriorische Be
handlung der Wissenschaften vom Sinnlichen als die logisch
vollkommenste gepriesen wird, was längst Bacon gethan hat.
Das Neue besteht darin, dass darauf hingewiesen wurde,
die Wissenschaft vom Sinnlichen habe diesen normalen Zu
stand, wenn überhaupt, nicht plötzlich, sondern alhnälig und
nach einer Reihe von Vorstufen, die unvollkommenere Phasen
derselben darstellen, erreicht. Die positive Philosophie fasst
die Geschichte der Wissenschaft vom Sinnlichen, oder besser
42
Z i m m e r m a u n.
gesagt, da vom Uebersinnliclien jnittelst der einzigen Erkeunt-
nissquelle, der Erfahrung, kein Wissen möglich ist, der Wissen
schaft überhaupt als einen nothwendigen Entwicklungsprocess
von niederer zur höheren Stufe auf. Von dem (Bacon’schen)
Gedanken ausgehend, dass nur das auf inductivem Wege ge
wonnene Wissen wirkliches Wissen sei, macht sie es sich zur
Aufgabe, zu entdecken, welche andere Behandlungsformen der
Form des Erfahrungswissens vorangingen.
Gegenstand der positiven Philosophie ist die logische
Metamorphose der Wissenschaft. Ursprünglich apriorisch (sub-
jectiv) wird sie im Laufe der Zeiten nothwcndig aposteriorisch
(objectiv). Diese beschränkt sich auf das Erfahrbare; jene
begreift auch das Unerfahrbarc; die eine ist das Product der
Erfahrung, die andere der Imagination; diese Geistes-, jene
Naturwissenschaft.
Hobbes hat es ausgesprochen, dass alle wirkliche Wissen
schaft (von der Natur wie vom Staate) Physik sei. Die posi
tive Philosophie führt aus, dass sic daher nothwendig nachein
ander Theologie und Metaphysik gewesen sei. Wissenschaft
als Naturwissenschaft ist zwar der endgiltige (l’etat definitif),
keineswegs aber der anfängliche Zustand dos Wissens. Der
Gang des menschlichen Geistes im Ganzen betrachtet, bietet
das Schauspiel eines Fortschritts (marche progressive) dar,
welcher als solcher selbst wieder Gesetzen unterworfen sein
muss. Wer das Gesetz dieses Fortschritts entdeckte, hätte
damit das Gesetz der Culturentwicklung der Menschheit selbst
aufgefunden.
Die Entdeckung desselben ist das originelle Verdienst,
das Comte sich selbst zuschreibt. ,Indem ich die Gesammt-
entwicklung der menschlichen Intelligenz in ihren verschiedenen
Gebieten, von ihrem ersten Auftauchen bis auf unsere Tage, stu-
dirte, sagt er (a. a. 0.1. p. 8), glaube ich ein grosses Grundgesetz
(grande loi fundamentale) entdeckt zu haben, welchem dieselbe
infolge unwandelbarer Nothwendigkeit unterworfen ist. Das
selbe besteht darin, dass jeder unserer Ilauptbegriffe (concep-
tions priucipales), jeder Zweig unserer Erkenntniss nach ein
ander (süccessivement) drei verschiedene theoretische Zustände
(etats theoriques) durchläuft: den theologischen Zustand oder
den der Dichtung (fictif); den metaphysischen oder den der
Kant und die positive Philosophie.
43
Abstraction (abstrait); den naturwissenschaftlichen (sciontilique)
oder den positiven (positif).' Die Uebersetzung des Ausdruckes
,scientifique' durch ,naturwissenschaftlich' entspricht nicht nur
dem von Comte eingenommenen empiristischen Standpunkt,
sondern auch dem französischen Sprachgebrauch, nach welchem
unter ,Sciences' die sogenannten exacten d. i. die Naturwissen
schaften verstanden werden. Aus der Gleichsetzung des Aus
druckes ,positif' mit jenem ersieht man, dass mit demselben
der Zustand der Verwandlung- der Wissenschaft in Natur
wissenschaft' gemeint und dieser als einer, der sich auf That-
saclien stützt, dem theologischen, der sich auf Erdichtungen, dem
metaphysischen, der sich auf (leere) Abstractionen beruft, ent
gegengesetzt wird. Alle drei Zustände verhalten sich wie
ebenso viele wesentlich verschiedene einander von Grund aus
(radicalement) entgegengesetzte Methoden des Philosopliirens:
die theologische, die zuerst, die metaphysische, die hierauf,
und die ,positive', welche zuletzt kommt. Daher drei Arten
von Philosophie oder allgemein systematischer Auffassung des
Ganzen aller Erscheinungen (trois sortes de systemes generaux
de conceptions sur l’cnsemble des phenomenes), die sich unter
einander gegenseitig ausschliessen (qui s’excluent mutuellement):
die erste derselben bildet den nothwendigen Ausgangspunkt
menschlicher Intelligenz; die dritte deren bleibenden und end-
giltigen Zustand (son dtat fixe et definitif); die zweite ist
einzig zum Durchgangspunkt bestimmt.
Theologischer und positiver Zustand der Wissenschaft
sind, wie man sieht, die Hauptgegensätze, Anfang und Ende
der mensclilicheji Geistesentwicklung; der metaphysische ist
,im Grunde' nichts als eine ,einfache allgemeine Abänderung'
(une simple modifieation generale) des ersteren. Das Wesen
derselben wird dahin charakterisirt, dass die theologisironde
Wissenschaft die Erscheinungen durch übernatürliche Wesen,
die metaphysicirende durch abstracte Kräfte, die ,positive',
d. i. die empirische, durch Gesetze erklärt.
Im theologischen Zustand, heisst es (I. p. 9), richtet der
menschliche Geist seine Forschungen wesentlich auf die innere
(intime) Natur der Dinge, auf die ersten und Endursachen
(causes premieres et finales) aller der Wirkungen, die ihn be
rühren (frappent), mit einem Wort, auf absolute Erkenntnisse
44
Zimme r mann.
(connaissances absolues). Derselbe stellt sich clie Phänomene
vor als bewirkt durch directe und ununterbrochene Thätigkeit
(action directe et contiuue) übernatürlicher, handelnder Wesen
i agents surnaturels) in grösserer oder geringerer Anzahl, deren
willkürliche Dazwischenkunft (Intervention arbitraire) alle
scheinbaren Unregelmässigkeiten (anomalies apparentes) des
Universums erklärt.
Im metaphysischen Zustande, im Grunde (au fond) nur
einer einfachen allgemeinen Abänderung des theologischen,
werden die übernatürlichen handelnden Wesen durch abstracte
Kräfte ersetzt (remplaces), wahrhaftige Entitäten (veritables
entites) oder personificirte Abstractionen, die, den verschiedenen
Dingen der (Erscheinungs-) Welt innewohnend, als fähig an
gesehen werden, aus sich selbst alle beobachteten Phänomene
zu erzeugen, deren Erklärung sodann darin besteht, dass jedem
einzelnen seine entsprechende Entität (entite correspondance)
zugewiesen wird.
Endlich im ,positiven' Zustand — der Franzose hat nach
Goethe’s Bemerkung (Brief an Sternberg v. 19. Sept. 1826)
eine solche Vorliebe für das ,Positive', dass er es macht, wo
er dasselbe nicht vorfindet — kommt der menschliche Geist
zur Einsicht, dass absolute Erkenntnisse (notions absolues) un
möglich seien. Er verzichtet darauf, Ursprung und Bestimmung
(l’origine et la destination) des Weltalls aufzuspüren und die
inneren (intimes) Ursachen der Phänomene zu erkennen. Statt
dessen verlegt er sich einzig darauf, mittelst zweckmässiger Ver
bindung des Nachdenkens und der Beobachtung (du raisonne-
ment et de l’observation) die wirklichen Gesetze derselben zu
entdecken, d. i. deren unveränderliche (invariables) Beziehungen
der Aufeinanderfolge und der Aehnlichkeit. Was man Er
klärung der Thatsachen nennt, auf seine natürlichen Grenzen
(termes reels) zurückgeführt, ist seitdem nichts weiter, als die
zwischen verschiedenen besonderen Erscheinungen hergestellte
Verbindung (liaison etablie) nebst einigen allgemeinen That
sachen (faits generaux), deren Zahl die Fortschritte der (Er-
fahrungs-) Wissenschaft (science) mehr und mehr zu vermindern
trachtet.
Es bedarf der Erwähnung kaum, dass der Ausdruck
,absolute Erkenntniss', ,absoluter Begriff nicht im Sinn deutscher
Kant und die positive Philosophie.
45
speculativer Philosophie zu nehmen sei. Wie man aus der Gleich
setzung- des Ausdruckes ,connaissances absolues £ mit solchen
Erkenntnissen, welche die ,nature intime' der Erscheinungen,
deren ,causes premieres et finales' zum Gegenstände haben,
zur Genüge gewahrt, werden mit jenem Namen alle Erkennt
nisse belegt, welche sich statt auf die Phänomene selbst, auf
die denselben zu Grunde liegenden Ursachen, und statt auf
die thatsächliche Aehnlichkeit und Succession derselben, auf
deren geheimes Warum und Wozu beziehen. Die Vergleichung
mit Bacon zeigt, dass wir es auch hier mit ,Idolen' zu thun
haben, allerdings solchen, welche, so lange der theologisirende
und metaphysicirende Zustand des menschlichen Geistes währt,
unvermeidlich sind. Einmal zum Positivismus gelangt, ist der
menschliche Geist von jenen befreit; er verzichtet darauf, in’s
Innere der Erscheinungswelt, ihre ersten Ursachen und letzten
Zwecke einzudringen; er hält sich an die gegebenen Erschei
nungen, ohne zu fragen, wodurch und wozu sie gegeben sind;
er begnügt sich, dieselben nach ihrer Aehnlichkeit zu ordnen,
nach ihrer beobachteten Aufeinanderfolge ihr künftiges Ein
treten vorherzusehen, mit einem Worte statt ihrer Ursachen
und Zwecke ihre Gesetze-aufzusuchen.
Dass diese letzteren unveränderlich seien, ist die nicht
bloss stillschweigende, sondern wie oben ausdrücklich gemachte
Voraussetzung des Positivismus. Was diesen Zustand der Wissen
schaft von dem theologisirenden durchgreifend unterscheidet,
ist, dass der erstere die Beziehungen zwischen den Phänomenen,
ihre Succession und Verwandtschaft als invariables ansieht,
während der andere dieselben von der willkürlichen Dazwischen-
kunft (Intervention arbitraire) übernatürlicher Wesen abhängig
macht. Der als fest gedachten Naturordnung entspricht eine
ebensolche Naturwissenschaft; launenhafte Unterbrechung macht
jeden geregelten Naturlauf und dadurch jeden Versuch der
Berechnung zukünftiger Thatsachen aus dem mittelst der früheren
erkannten Naturgesetze unmöglich.
Es ist eine andere Frage, welche Mittel dem Positivismus,
dessen einzige Erkenntnissquelle die Erfahrung, dessen Methode
die Induction ist, zu Gebote stehen, die UnVeränderlichkeit
der von ihm erkannten Naturgesetze zu erkennen. Denn
wenn nur diejenige Beziehung zwischen Erscheinungen, welche
*3*. ■■ t'
i
£!] • v
46 Zimmer mann.
unveränderlich ist, den Namen eines Naturgesetzes verdient, so
scheint nur zweierlei möglich: entweder die Wissenschaft muss
auf die Erkenntniss von ,Naturgesetzen' überhaupt verzichten,
oder es muss bei jeder als ein ,Naturgesetz' von ihr aufge
stellten Beziehung zwischen Erscheinungen die UnVeränder
lichkeit derselben besonders bewiesen sein.
Offenbar heisst diess nichts anderes, als dass die fragliche
Beziehung oder Succession gewisser Erscheinungen nicht bloss
in einzelnen Fällen, sondern jedesmal stattfinde d. i. dass
das Naturgesetz, welches in derselben sich ausdrückt, aus
nahmslos sei. Die positive wie jede inductive Philosophie
kann die Frage nicht umgehen, wie die Ausnahmslosigkeit
d. h. schlechthin allgemeine und nothwendige Giltigkeit, in
welcher das Wesen eines Naturgesetzes liegt, sich a posteriori
erweisen lasse. Die einfache Induction per enumerationem
simplicem reicht, wie selbst Bacon richtig erkannt hat, dazu
nicht aus. Abgesehen davon, dass die vollständige Aufzählung
im besten Falle nur bewiese, die fragliche Beziehung zwischen
gewissen Erscheinungen finde in allen Fällen statt, nicht aber
sie müsse stattfinden, in welch’ letzterem das Wesen des Natur
gesetzes enthalten ist, müsste die Vollständigkeit der Aufzählung
d. h. wieder die Ausnahmslosigkeit für sich erst erwiesen sein.
Aber auch die von Bacon sogenannte methodische Induction
bringt nur Wahrscheinlichkeit, die auf der Un wahrscheinlic h-
keit, nicht apodiktische Gewissheit, die auf der Unmöglich
keit des Gegentheils ruht, hervor. Das unveränderliche Natur
gesetz schliesst die letztere ein. Auch die durch Gewöhnung
entstandene subjective Unfähigkeit, das Gegentheil des bisher
Erfahrenen zu erwarten, schafft zwar den Schein der Unver
änderlichkeit, aber nicht diese selbst. Die Uebertragung dieses
(nur subjectiven) Scheins auf die objective Welt der Erschei
nungen ist nicht weniger Subreption, als jene der (nur sub
jectiven) Empfindungsqualitäten auf die dingliche Welt. Die
Un Veränderlichkeit der Naturgesetze kann nicht aus der Er
fahrung herausgelesen, sie kann nur — durch einen ,An
thropomorphismus' — in dieselbe hineingelegt werden.
Mit klaren Worten hat Kant, hierin der Antipode Comte’s, den
subjectiven Ursprung der Unveränderlichkeit aller Naturgesetze
eingestanden. Die Ausnahmslosigkeit einer gewissen allgemeinen
Kant und die positive Philosophie.
47
Form der Erfahrung (eines Naturgesetzes) ist nur durch den
Umstand zu rechtfertigen, dass dieselbe nicht aus der Er
scheinungswelt empfangen, sondern aus dem Innern des er
fahrenden Subjects als eine dem letzteren wesentliche und
eigenthümliche Auffassungsweise in jene hinaus projicirt worden
ist. So wenig das Subject die Einwirkung äusserer Reiz in
anderen Empfindungs-Qualitäten zu resoniren vermag, als sie
vor aller Reizung in der specifischen Energie der sensiblen
Nerven gleichsam vorgebildet liegen, ebensowenig vermag das
selbe die sich ihm darbietenden Erscheinungen in anderen
Formen zu denken, als sie vor aller Erfahrung (a priori) in
der specifischen Natur seines ErkenntnissVermögens als Anlagen
vorhanden sind. Die Ausnahmslosigkeit der letzteren hat die
Ausnahmslosigkeit der durch die Aufnahme in dieselben her
gestellten Beziehungen zwischen empirischen Erscheinungen zur
unausbleiblichen Folge.
Kant’s geistreiche Umkehrung des skeptischen Hume’schen
Causalbegriffs bietet das treffendste Beispiel. Der subjective
Ursprung der ursächlichen Beziehung gewisser Erscheinungen
auf einander hebt nach Hume das Vertrauen in die Ausnahms
losigkeit derselben auf; ebenderselbe stellt nach Kant die Zu
versicht auf dieselbe her. Der Unterschied liegt darin, dass
nach jenem die causale Beziehung zwischen gewissen Erschei
nungen in zufälliger Gewöhnung, nach diesem in der ihrer
Natur nach keine Ausnahme gestattenden apriorischen Causal-
form des Erkenntnissvermögens begründet ist.
Was einmal in der Causalform gedacht ist, kann nur als
ausnahmslos in Causalbeziehung stehend gedacht werden. Aus
nahmslosigkeit ist zwar ein ,Anthropomorphismus', aber, da sie
aus Formen entspringt, die dem Erkenntnissvermögen über
haupt, also dem erkennenden Menschen als Gattung eigen
sind, ein, so weit diese reicht d. h. im Umfange des ge
summten menschlichen Erkennens, allgemeiner und unvermeid
licher. Von einem anderen als dem menschlichen vermögen
wir uns keinen Begriff zu machen.
Die Einsicht, dass das schlechthin Allgemeine und Notli-
wendige in der Erfahrung nicht aus der Erfahrung, sondern
aus dem Subjecte stamme, ist der zweite entscheidende Punkt,
welcher die kritische von der positiven, sowie überhaupt, von
48
Zi mm ermann.
jeder blos inductiven Philosophie scheidet. Was Comte a priori
und subjective Methode nennt, hat mit dem Sprachgebrauch
Kant’s und dessen Wendung- vom Object zum Subject der Er
kenntnis nur den Namen gemein. Jener verbindet damit den
Begriff einer Erkenntnis, welche sich durch die Erfahrung
weder rechtfertigen lässt noch will; dieser dagegen einer
solchen, welche der letzteren nicht bedarf. Alle Erfahrung hebt
nach Kant’s Worten mit der Erfahrung an, aber darum ent
springt doch nicht eben alle aus der Erfahrung. Erkenntnis
a priori nun ist ihm diejenige, die schlechterdings von aller
Erfahrung unabhängig stattfindet. Dass dieselbe um ihrer
apriorischen Natur willen nicht von der Erfahrung bestätigt werden
könne (wie Comte will), ist so wenig der Fall, dass gerade das
Umgekehrte stattfindet und jede wirklich apriorische d. i. schlecht
hin allgemeine und nothwendige Erkenntniss nothwendig von
der Erfahrung bestätigt werden muss. Die unbestrittene All
gemeinheit und NothWendigkeit der mathematischen Erkennt
niss, die allerdings mit der Erfahrung stimmt, aber doch
nicht (wie die Anhänger der inductiven und positiven Philo
sophie sich zu behaupten gezwungen sehen) aus derselben
stammt, liefert das treffendste Beispiel.
Die positive Philosophie umgeht jene Frage. Die Unver
änderlichkeit der Naturgesetze scheint ihr durch die Erfahrung-
gegeben, oder was für sie dasselbe bedeutet, das durch die Er
fahrung Gegebene erscheint ihr als unveränderlich. Das von
ihr entdeckte Fundamentalgesetz menschlicher Geistesentwick
lung soll ein solches sein, dem die menschliche Natur mit ,un
veränderlicher Nothwendigkeit' (necessite invariable) unter
worfen ist. Dasselbe kann, wie es ihr scheint, ,fest begründet'
(solidoment etablie) werden, sei es durch ,Vernunftbeweise'
(preuves rationelles), sei es durch ^geschichtliche Thatsachen'
(verifications historiques). Was unter jenen verstanden wird,
geht aus der Angabe der Quelle: ,Kenntniss unserer Organi
sation' (connaissance de notre Organisation) hervor. Die Folge
zeigt, dass darunter lediglich die physische und zwar im Sinne
und an der Hand der Gall’schen Schädellehre gemeint ist. Die
Nothwendigkeit des Beginns aller menschlichen Cultur mit
dem theologisirenden, der Abschluss derselben mit dem positiven
Stadium soll aus der Organisation der Theile des Gehirns als
Kant und die positive Philosophie.
49
der Geburtsstätte der moralischen und intellectuellen Anlagen
der Menschheit erwiesen werden. Die historische Bestätigung
jenes Entwicklungsgesetzes fliesst aus ,aufmerksamer Prüfung
des Vergangenen' (examen attentif du passe). Es genügt, wie
es Comte scheint, ein solches Gesetz auszusprechen, um dessen
Richtigkeit (justesse) sofort unmittelbar (immediatement) von
allen bestätigt zu sehen, die eine tiefergehende Kenntniss
der allgemeinen Geschichte der Wissenschaften (sciences) be
sitzen. Unter denjenigen derselben, die heutzutage zur Stufe
der ,Positivität' (a l’etat positif) gelangt sind, ist nicht eine
einzige, die sich nicht jeder leicht in einer früheren Periode
ihrer Vergangenheit als wesentlich bestehend aus metaphy
sischen Abstractionen und noch früher als durch und durch
beherrscht von theologischen Begriffen, vorzustellen vermöchte.
Astronomie, fügt er an anderer Stelle hinzu, ist aus Astrologie,
die heutige wissenschaftliche Chemie aus Alchymie hervorge
wachsen. Um das Nämliche auch von denjenigen Wissen
schaften, welche (wie z. B. die Geschichte) noch nicht ,positiv'
geworden sind, bestätigt zu finden, scheint ihm nichts weiter
erforderlich, als dass sie zur ,Positivität' emporgehoben werden.
Zum Ueberfluss wird dasselbe ,zwar indirect, aber sehr nach
drücklich' (d’une maniere tres-sensible, quoique indirecte) dar-
gethan durch ,die Betrachtung des Entwicklungsganges des
individuellen Geistes' (en considerant le developpement de
l’intelligence individuelle). Der Ausgangspunkt der Erziehung
des Individuums kann von dem jener der Gattung nicht ver
schieden sein; die Hauptstadien der ersteren müssen die Haupt
epochen der letzteren darstellen. Fasse nun jeder von uns
seinen eigenen Entwicklungsgang in’s Auge. Wer erinnert sich
nicht, seiner Hauptansicht der Dinge nach, Theolog (theologien)
als Kind, Metaphysiker (metaphysicien) als Jüngling, Physiker
(physicien) als Mann gewesen zu sein? Diese Bestätigung ist
leicht, fügt er unwillkürlich einschränkend hinzu, für alle
Männer, die auf der ,Höhe ihres Jahrhunderts' (au niveau de
leur siecle) stehen.
Der inductive Weg, die Giltigkeit jenes Gesetzes für den
menschlichen Geist überhaupt nachzuweisen, besteht darin, die
selbe für jede einzelne seiner verschiedenen Kundgebungen
darzuthun. Dass unter diesen die Wissenschaft die erste, dass
Sitzunguber. d. phil.-liist. CI. LXXVII. Bd. I. Hft. 4
50
Ziramerman n.
sie zugleich diejenige sei, an deren Entwicklungsgang die Gel
tung jenes Gesetzes am klarsten zu Tage tritt, sieht die posi
tive Philosophie als eine einleuchtende Thatsache an. Dennoch
lässt sich dieselbe die Mühe nicht verdriessen, den Nachweis
derselben auf den Gebieten aller überhaupt vorhandenen Wissen
schaften anzutreten. Die Durchführung desselben bildet den
eigentlichen Kern des philosophischen Hauptwerkes Comte’s,
seines Cours de philosophie positive, welcher diesem zugleich
den encyclopädischen Anstrich einer räsonnirenden TJebersicht
des gesammten menschlichen Wissens verleiht.
Wessen es zu dem Ende vor allem bedarf, ist eine voll
ständige Aufzählung aller möglichen Wissenschaften. Auch
Bacon hat seinem Plan einer Umgestaltung der Wissenschaft
die allgemeine Umschreibung des ,globus intellectualis' voraus
geschickt. Hobbes theilt das gesammte Gebiet der Philosophie
in die früher angeführten zwei Haupt Wissenschaften: natural
und civil philosophy ein. Die Einleitung zu der französischen
Encyclopädie bildet die berühmte, von d’Alembert entworfene
Eintheilung des gesammten menschlichen Wissens in besondere
Wissenschaften. Folgerichtig legt auch der Cours de philosophie
positive seiner Beweisführung ein logisch gegliedertes System
aller Wissenschaften zu Grunde. Dasselbe weicht von den vor
angegangenen darin ab, dass es nicht blos eine Aufzählung,
sondern zugleich eine Rangordnung, oder wie Comte sie nennt,
Hierarchie der Wissenschaften enthalten soll. Der ehemalige
Freund und Jünger St. Simons, der wie dieser mit den Sym
bolen und Namen des katholischen Cultus zu spielen liebt,
legt auf die Originalität der von ihm erfundenen Rangliste der
Wissenschaften kein geringeres Gewicht, als auf die Ent
deckung seines Fundamentalgesetzes der geistigen Entwicklung.
Beide stehen untereinander im innigen Zusammenhang: wenn
sein System der logischen Ueberordnung der Wissenschaften
richtig und sein Gesetz für jede derselben giltig ist, dann ist
es für das menschliche Wissen überhaupt ohne Ausnahme giltig.
Comte macht den bestehenden Eintheilungen der Wissen
schaften — selbstverständlich der ,positiven' — den Vorwurf,
dass sie, ohne gerade ,willkürlich' (arbitraires) genannt werden
zu müssen, doch wesentlich ,künstlich' (artificielles) seien. Ein
Tadel, den man z. B. auch gegen Bacon’s bekannte Eintheilung
Kant und die positive Philosophie.
51
des Wissens in Geschichtskunde, die sich auf das Gedächtniss,
Poesie, die sich auf die Einbildungskraft, und Philosophie, die
sich auf den Verstand gründen soll, mit Fug aussprechen
könnte. In Wahrheit, bemerkt Comte, ist der Gegenstand aller
unserer Forschungen einer (un); wir theilen ihn aus keinem
anderen Grunde, als ,in der Absicht, dessen Schwierigkeiten zu
sondern, um sie leichter lösen zu können' (dans la vue de
separer les difficultes, pour les mieux resoudre). Von dieser
erreichen, wie er hinzufügt, unsere ,classisch' gewordenen Ein-
theilungen nicht selten das Gegentheil; es gibt wichtige Fragen,
deren Beantwortung eine bei der jetzigen Gliederung des ge
lehrten Stoffes unmögliche Vereinigung verschiedener beson
derer Gesichtspunkte erheischt. Sein Bemühen geht daher auf
die Herstellung eines ,natürlichen 1 Systems nach Art der neuesten
,philosophischen Arbeiten' der Botaniker und Zoologen (travaux
philosophiques des botanistes et des zoologistes), bei welchem
das Spätere durch das Frühere erklärt und die nachfolgende
Wissenschaft durch die nächst vorangegangene, wie die höhere
von der niederen gleichsam getragen wird. Jene, welche keine
weitere voraussetzt, stellt die Basis, jene, die durch alle übrigen
bedingt wird, das Kapital der wissenschaftlichen Säule dar,
zwischen welchen die übrigen Wissenschaften wie in bestimmter
Reihenfolge aufeinander getliürmte Säulentrommeln ruhen. Da
nach dem Grundsatz des ,positiven' Wissens dessen einziger
Gegenstand ,Erscheinungen‘ sind, so liegt es nahe, die Gliede
rung desselben in ,positive' Wissenschaften nach der Ver
schiedenheit dieser letzteren von und neben einander zu voll
ziehen. Jo nachdem die Phänomene organische oder unorganische,
letztere selbst chemische, physikalische, astronomische oder
,mathematische' sind, scheidet das positive Wissen sich in die
Wissenschaft Vom Organischen einer-, dem Unorganischen
andererseits, letztere wieder in Chemie, Physik, Astronomie
und Mathematik. Die Wissenschaft vom Organischen (Biologie)
umfasst alles Lebendige, Pflanze, Thier und Mensch, letzteren
nicht blos als Einzelnen, sondern als geselliges Ganzes, als
lebendige Menschheit, die als solche ihre besonderen Lebens
und Entwicklungsgesetze besitzt, welche das Object einer
Wissenschaft für sich, der Sociologie, ausmachen.
4*
52
Zimm ermann.
Im Allgemeinen ist, wie man sieht, die Bacon’sclie Ein-
theiluug, niclit des Wissens überhaupt, sondern der Philosophie
beibehalten. Nur dass von deren dreifachem Gegenstand (triplex
objectum), Gott, Mensch und Natur, der erste ganz, der zweite
nach seinem ,geistigen' Beständtheil für die ,positiv' gewordene
Philosophie nicht mehr vorhanden sind. Wie erwähnt, waren
beide schon für Bacon kein Gegenstand ,wissenschaftlicher'
Erkenntniss mehr. Die positive Philosophie lässt zwar einen
,theologischen' Zustand der Wissenschaft, aber keine Wissen
schaft der Theologie mehr zu. Der ,Geist', Bacon’s spiraculum,
gehört als jenseits der Erscheinung gelegene ,Entität der Meta
physik' einer von der ,positiv' gewordenen Philosophie zurück
gelegten niederen Entwicklungsstufe an, welche die Wissen
schaft von demselben, die Psychologie, illusorisch macht. Die
Unterscheidung psychischer als besonderer Gattung von den
physischen Phänomenen rechnet Comte zu den schlimmsten
Irrthümern des in anderer Hinsicht von ihm schon als Lands
mann bewunderten Descartes. Dieselbe scheint ihm nicht nur
unzulässig, weil sie einen Biss in der ,IIomogeneität' sämint-
lic.her Erscheinungen erzeugt, sondern auch weil das einzige
uns zur Beobachtung psychischer Phänomene zu Gebote stehende
Mittel, die Selbstbeobachtung, unanwendbar ist. Dieselbe tritt
dann ein, wenn ihr Gegenstand, der zu beobachtende Gemüths-
zustand, bereits aufgehört hat. Um die Gleichartigkeit der Welt
der Erscheinungen zu retten und zugleich die ,intellectuellen
und moralischen' Phänomene der Beobachtung und der Be
herrschung durch Naturgesetze fähig zu machen, ergreift die
,positive' Philosophie den Ausweg, dieselben unter die ,biolo
gischen' einzureihen.
Es genügt Comte nicht, durch die Eintheilung des ge
summten menschlichen Wissens in die sechs Wissenschaften
der Mathematik, Astronomie, Physik, Chemie, Biologie
und Sociologie eine ihm vollständig scheinende Aufzählung
geschaffen zu haben; er sucht diese Reihen- als noth-
wendige Rangfolge darzuthun. Die Gegenstände der ersten
fünf fallen mit Hobbes’ natural, jener der sechsten und
letzten trifft theilweise mit dessen civil pliilosophy zusammen.
Wenn nach ihm alle Wissenschaft von Körpern , so han
delt sie nach Comte nur von (körperlichen) Erscheinungen.
VSvmSßßss* lur*
Kaut und die positive Philosophie.
OO
Die Naturphilosophie des ersteren umfasst Physik (im weitestem
Sinne, sowohl die der vegetabilischen und animalischen als die
der unorganischen Natur) und Anthropologie; dessen Philosophie
des Gemeinwesens behandelt die Lehre vom Staat als ,künst
lichem Körper'. Comte zerlegt die Physik in jene der unor
ganischen und organischen Erscheinungen und nimmt unter
letztere den Menschen als Einzelnen und als Gesellschaft auf;
seine Sociologie oder physique sociale ist eine ,Physik der
Gesellschaft'. Hobbes reducirt alle realen Vorgänge, gleichviel
ob sie der leblosen oder lebendigen Welt angehören, auf blosse
Bewegungen und hebt nicht nur den Unterschied zwischen
geistigen und körperlichen, sondern auch den zwischen orga
nischen und unorganischen Phänomenen auf. Comte hält nicht
nur an der letzteren, sondern auch an der weiteren Unterab
theilung der unorganischen in chemische, physikalische, astro
nomische und mathematische, der organischen in vegetabilische,
animalische, anthropologische (cerebrale) und sociale fest, die
er zwar sämmtlich insofern als homogen ansieht, insofern sie
unveränderlichen Gesetzen unterworfen sind, dagegen insofern
als heterogen anerkennt, als jede Gattung derselben ausser den
ihr mit allen den übrigen gemeinsamen von gewissen ihr
specifisch eigenthümlichen Gesetzen beherrscht wird.
Diese Gesetze sind andere für die organische, andere für
die unorganische Welt; andere für die chemischen, astrono
mischen u. s. w., andere für die biologischen und für die
socialen Phänomene. Obgleich Comte das Ziel der positiven
Philosophie und die Vollkommenheit ihres Systems darin er
blickt, ihre beobachtbaren (observables) Erscheinungen als be
sondere Fälle (cas partieuliers) einer einzigen allgemeinen That-
saclie, z. B. der Gravitation, darstellen zu können, zweifelt er
doch, ob dasselbe jemals werde erreicht werden. Seiner innersten
Ueberzougung nach (dans sa profonde conviction personelle)
hält er alle Versuche, auch der grössten Geister (er nennt
Laplace), sämmtliche Phänomene der Erfahrung durch ein ein
ziges Gesetz zu erklären, für ,eminemment chimeriques'. Der
menschlichen Geisteskraft ist nicht blos in Bezug auf das Ueber-
sinnliche ein Mass (mesure) gesetzt; ihre Mittel sind zu schwach
und das Universum zu verwickelt (complique), als dass (auch
nur hinsichtlich des Sinnlichen) eine solche wissenschaftliche
54
Zimmermann.
Vollendung- (nne teile perfection scientifique) jemals für er
reichbar gelten dürfte. Sei die Einheit der Wissenschaft d. i.
die Deduction aller Erscheinungen aus einem einzigen Ge
setz auch noch ,so ersehnt* (si desiree) und die Annahme der
Newton’schen Gravitation als eines solchen jener auch noch
so günstig, wir sind noch zu fern (trop loin) von derselben,
als dass dergleichen Versuche schon jetzt ,am richtigen Ort*
(raisonn ables) wären.
Vorläufig bedeutet positive Philosophie die Betrachtung
sämmtlicher der Beobachtung zugänglicher Erscheinungen als
unter unveränderlichen Naturgesetzen stehend, keineswegs aber
die Ableitung aller, wie verschieden sie sonst seien, aus einem
einzigen Naturgesetz. Das Streben nach Einheit in der Gesetz
gebung der Natur geht auf durchgängige Gesetzlichkeit im
Reich der Erscheinungswelt, noch nicht auf die Herrschaft
eines einzigen Gesetzes. Die ,Homogeneität* aller sich der Beob
achtung darbietenden Erscheinungen in einer schliesst deren
,Heterogeneität* in anderen Beziehungen nicht aus. Es ist nicht
Comte’s Absicht, darzuthun, dass alle natürlichen Phänomene ,im
Grunde identisch* (au fond identiques) und nur den verschiede
nen Umständen entsprechend scheinbar verschieden seien. Die
positive Philosophie wäre zwar ,ohne Zweifel* vollkommener,
wenn es so wäre. Erforderlich aber ist eine solche Bedingung
zu ihrem systematischen Ausbaue keineswegs, ebensowenig
wie zur Erfüllung der ,grossen und günstigen Folgen* (grandes
et heureuses consequences), welche die positive Philosophie
von sich verheisst. Es gibt nur eine Einheit, welche dazu unent
behrlich ist, das ist die Einheit der Methode; diese ,kann und
soll* (peut et doit) existiren und sie existirt bereits in dem
grösseren Theile (en majeure partie) der Wissenschaften. Was
die Lehre' (doctrine) selbst betrifft, so ist nicht nöthig, dass sie
eine (une) sei; es genügt, wenn sie gleichartig* (homogene)
ist. Einheit der Methode und Gleichartigkeit der Lehre ist der
zweifache Gesichtspunkt, unter welchem der cours de philo-
sopliie positive die verschiedenen Gebiete positiver Theorien
in’s Auge fasst. Immer bestrebt, die Zahl der zur Erklärung
der Natur unentbehrlichen allgemeinen Gesetze auf ein Minimum
zu beschränken, was in der That das philosophische Ziel der
(Natur-) Wissenschaft (science) ausmacht, halten wir die
Kant und die positive Philosophie.
55
Hoffnung für vermessen (terneraire), dieselben, wenn auch in
noch so später Zukunft, auf ein einziges zurückzuführen
(I. p. 46).
Das natürliche Princip der Rangordnung der Wissen
schaften findet die positive Philosophie in dem höheren oder
niederen Grade der Zusammengesetztheit ihrer Phänomene.
Die einfachsten machen den Anfang, die am meisten verwickelten
den Schluss der Stufenfolge aus. Zu jenen gehören die mathe
matischen, zu diesen die socialen Erscheinungen. Dieses Princip
setzt voraus, dass die zu classificirenden Objecte statt nach
,Betrachtungen a priori 4 (par des considerations a priori), in
Oomte’s Sprachgebrauch soviel als willkürlich, zusammenge
würfelt, studirt, nach ihrer ,wirklichen Verwandtschaft 4 (affinites
reelles) und ihrer ,natürlichen Abfolge 4 (l’enchainement naturel)
zusammengeordnet werden. Folgerichtig muss die Classi
fication der verschiedenen positiven Wissenschaften nach ihrer
gegenseitigen Abhängigkeit 4 (dependance mutuelle) und diese
wieder, um ,sachlich 4 (reelle) zu sein, nach jener der correspon-
direnden Phänomene vor sich gehen. Da es nun ,a priori klar 4
ist, dass die einfachsten Erscheinungen auch die allgemeinsten
sein müssen, so besteht der ,methodische 4 Gang der Naturwissen
schaft (science naturelle) offenbar darin, mit den einfachsten
und allgemeinsten zu beginnen und allmälig zu den besondersten
und verwinkeltsten fortzuschreiten (I. p. 68).
Die positive Philosophie zieht daraus nicht nur den Schluss,
dass die Physik des Unorganischen (physique inorganique) jener
des Organischen (physique organique), sondern dass in jener
die ,Physik des Himmels 4 (physique celeste) jener der Erde
(physique terrestre), in dieser die organische Physik des Indivi
duums, die ,physiologie proprement dite 4 , jener der Gattung
(espece) insbesondere insofern sie gesellig (sociable) ist 4 , der
,Physik der Gesellschaft 4 (physique sociale) oder ,Sociologie 4
vorangehen müsse. Die terrestrische Physik zerfällt, je nachdem
sie die Körper vom mechanischen oder vom chemischen Ge
sichtspunkte aus betrachtet, in die ,eigentliche 4 Physik (physique
proprement dite) und die Chemie. Den astronomischen Phäno
menen aber vorher gehen die geometrischen und mechanischen
(phenomenes geometriques et mecaniques) als ,allgemeinste, ein
fachste, abstraeteste, nicht weiter zurückführbare und von allen
56
Zimmermann.
■ife
übrigen Erscheinungen unabhängige, deren Grundlage sie vielmehr
bilden' (les plus generaux, les plus simples, les plus abstraits, les
plus irreductibles, et les plus independants des tous les autres,
dont ils sont, au contraire, la base), während ihre eigene Basis
die ,mathematique abstraite £ oder der ,calcul' ausmacht.
Letztere wagt die Eintheilung nicht als ,phenomene £ , sie
griff vielmehr zu dem Ausweg, die ganze ,partie abstraite' der
Mathematik als ,purement instrumentale', lediglich als ,uner
messliche (immense) und bewundernswerthe Ausdehnung der
natürlichen Logik auf eine gewisse Gattung von Deductionen'
zu bezeichnen. Nachdem sie die fünf Classen natürlicher
Phänomene ebensovielen verschiedenen Naturwissenschaften,
Astronomie, Physik, Chemie, Physiologie (oder Biologie) und
Sociologie zugewiesen, wirft sie sich selbst die Frage auf, wo
in diesem Systeme der Wissenschaft die Mathematik einen
Platz finde? Obgleich Comte die Auslassung derselben in seinem
,encyclopädischen Schema' (formule encyclopedique) eine ,frei
willige' (emission volontaire) nennt, so verräth obige Frage
doch eine gewisse Verlegenheit. Die ,Homogeneität‘ aller posi
tiven' Wissenschaften erfordert, dass, da alle übrigen von der
Astronomie bis zur Sociologie von Phänomenen handeln, bei
der Mathematik dasselbe der Fall sein müsse. Während dies
aber bei den Erscheinungen am Himmel und auf der Erde,
sie mögen nun die leblose oder die lebendige Natur angehen,
insofern keine Schwierigkeit darbietet, als diese sämmtlich der
,Beobachtung' zugänglich sind, findet dies bei den Objecten
der Mathematik wenigstens nicht in demselben Sinne wie bei
jenen statt. Comte selbst macht die Bemerkung, ,bei dem gegen
wärtigen Stande unserer Kenntnisse' empfehle es sich (il
eonvient), die mathematische Wissenschaft ,weniger als einen
constituirenden Theil der Naturwissenschaft im eigentlichen
Sinne' (moins comme une partie Constituante de la philosophie
naturelle proprement dite), als vielmehr sie als die ,seit Des-
cartes und Newton anerkannte Basis der ganzen Philosophie
der Natur' anzusehen, obgleich sie, ,die Wahrheit zu sagen,
das eine wie das andere sei'. So .sachlich und kostbar' (tres-
reelles et tres-precieuses) die mathematische Erkenntniss sei, so
sei ,heutzutage' die Mathematik doch ,weniger' um deren selbst
willen, als aus dem Grunde wichtig, weil sie das ,mächtigste
Kaut uud die positive Philosophie.
57
Werkzeug (l’instrument le plus puissant) des menschlichen
Geistes hei Erforschung der Gesetze der natürlichen Er
scheinungen darstelle'.
Da es sich bei dem Entwurf des Systems aller Wissen
schaften nicht um den ,Nutzen', sondern um deren wissen
schaftlichen Charakter handelt, so kann die Herabsetzung der Ma
thematik zu einem blossen, Werkzeug', dessen Werth in seiner An
wendbarkeit besteht, über diesen nichts entscheiden. Umsoweniger,
da sie ja doch nach Comte’s eigener Beschränkung nicht blos
Instrument ist. Die positive Philosophie trennt daher das Ganze
der Mathematik in zwei grosse Wissenschaften ,wesentlich ver
schiedenen Gepräges' (dont le caractere est essentiellem ent
distinct), deren eine instrumentalen, die andere phänomenalen
Charakter hat. Erstere soll die abstracte Mathematik oder der
Calcul, letztere die concrete Geometrie und Mechanik sein.
Ungeachtet die Phänomene, welche den Gegenstand der beiden
letzteren ausmachen, der Raum und die Bewegung, in ganz
anderem Sinne dergleichen sind, als die materiellen Vorgänge
am Himmel und auf Erden, iu der leblosen wie in der leben
digen Körperwelt, nimmt die positive Philosophie keinen An
stand, dieselben ganz so wie die obengenannten als ,wirkliche
Naturwissenschaften' (vcritables Sciences naturelles) zu be
zeichnen. Dieselben sind, ,wie die anderen', auf ,Beobachtung'
(observation) gegründet, obgleich ,wegen der ausserordentlichen
Einfachheit ihrer Phänomene, sie einen unendlich höhern Grad
von Systematisation zulassen, der zuweilen die Verkennung des
experimentalen Charakters ihrer ersten Principien verschuldet
hat' (quoique, par l’extreme simplicite de leurs phenomenes,
elles comportent un degre infiaiment plus parfait de syste
matisation, qui a pu quelquefois faire meconnaitre le caractere
experimental de leurs premiers principes). Daraus geht hervor,
dass der positiven Philosophie Raum und Bewegung in dem
nämlichen Sinn als ,objective‘ Erscheinungen gelten, wie astro
nomische, physikalische, chemische, physiologische und sociale für
sie dergleichen sind. Der ,positive' Begriff (l’acception positive)
des ersteren besteht nach Comte darin, statt die Ausdehnung
in den Körpern selbst, sie in einem ,unbestimmten Mittel' (dans
un milieu indefini) uns vorzustellen, das ,alle Körper des Uni
versums in sich enthält' (contenant tous les corps de l’univers)-
58
Zi inmermann.
Er vergleicht ihn dem Eindruck (empreinte), den ein Körper
zurücklässt iu dem Fluidum, in das er gelegt worden ist, und
der vom geometrischen Gesichtspunkte aus (sous le rapport
geometrique) diesem selbst ohne Schaden substituirt werden
kann. Doch muss ihm selbst jener ,Eindruck', welcher genau'
genommen mehr die Abwesenheit eines Objectes als selbst ein
Object darstellt, nicht als passender Gegenstand einer Sinnes
wahrnehmung erschienen sein. Einen solchen kann nur ein
Physisches abgeben; soll die Geometrie eine ,Science physique'
d. i. eine auf Beobachtung gegründete Wissenschaft sein, so
bleibt nichts übrig, als dem Gegenstände derselben, dem geo
metrischen Raume, nicht nur ,Objectivität‘, sondern ,physische'
Natur beizulegen. Das ,unbestimmte Mittel', welches als Raum
(espace) alle Körper des Weltalls in sich umfasst, wird selbst
als ,körperlich' und zwar als ,analog dem wirklichen Mittel,
in dem wir leben, gedacht', so zwar, dass wenn dieses flüssig
wäre, statt dass es gasig ist, auch der geometrische Raum als
ein Fluidum vorgestellt würde (tellement, que, si ce milieu
etait liquide, au lieu d’etre gazeux, noti’e espace geometrique
serait sans donte concu aussi comme liquide).
Kant’s Warnung, den Raum nicht für einen empirischen
Begriff zu nehmen, der von äusseren Erfahrungen abgezogen
worden sei, ist der positiven Philosophie nicht zu Ohren ge
kommen; ebenso wenig die Kunde von seiner und Berlceley’s
Verwandlung desselben in ein subjectives Phänomen. Dennoch
erklärt Comte weiter die Vorstellung der Ausdehnung, abge
sondert von den Körpern, an denen sie uns offenbar wird'
(separement des corps, qui nous la manifestent), für eine blosse
,Hypothese', für ein fundamentales Bild' (image fondamentale)
und eine ,allgemeine Abstraction'. Wenn die obigen Ausdrücke
für eine ,objective' Existenz des Raumes sprechen, so scheinen
die letzteren auf eine solche nur ,in Gedanken' hinzudeuten.
Wollten wir also auch zugeben, dass derselbe ein Gegenstand
der Beobachtung, so Hesse sich doch nicht leugnen, dass er
als blosses ,Bild' von den realen Phänomenen der Astronomie,
Physik u. s. w. wesentlich unterschieden sei. Der Wahrnehmung
durch den äusseren Sinn (die einzige Erkenntnissquelle der
positiven Philosophie) ist eine ,Abstraction', ,Hypothese' oder
ein ,Bild‘ der Einbildungskraft sicher nicht zugänglich. Auch
Kant und die positive Philosophie.
59
Kant hat, als er den Raum (und die Zeit) zu Gegenständen der
,Anschauung“ stempelte, nicht die äussere (sinnliche), sondern
die ,reine“ Anschauung zu Hilfe genommen. Die positive Phi
losophie schwankt zwischen der Vorstellung des Raumes als
objectiver Wirklichkeit und eines blossen Productes subjec-
tiver Einbildungskraft unklar hin und her. Einerseits geneigt,
denselben, ,der alle Körper des Universums einschliesst“, selbst
als Körper, nur ohne jede Begrenzung, und zu dem Ende nicht
blos mit geometrischen, sondern mit physikalischen Eigenschaf
ten begabt, als Flüssigkeit oder als luftartig vorzustellen, gibt
sie doch andererseits diesen ,positiven Begriff“, der angeblich
aus der Beobachtung stammt, für eine blosse Annahme, eine
,Hypothese“, ein ,Bild“, eine ,Abstraction“ aus, die nur zum ge
naueren Studium der ,geometrischen Phänomene“ dienen soll.
Die ,Homogeneität“ der Phänomene, welche den Gegenstand
der verschiedenen positiven Wissenschaften bilden, ist durch
die geometrischen und mechanischen ,Erscheinungen“ gestört.
Raum und Bewegung sind nicht Gegenstände der sinnlichen
Wahrnehmung, wie die Weltkörper am Himmel; die organischen
und unorganischen auf Erden es sind. Beide haben zwar nicht
,übersinnliche“, aber ganz gewiss eine glicht sinnliche“ Natur
an sich. Wer den Raum ,nach Analogie des Mittels, in dem
wir leben“, als eine noch so verdünnte Luft oder als eine
flüssigste Flüssigkeit dächte, hätte damit immer noch nicht den
Raum, sondern eine diesen erfüllende feine Materie, d. i. einen
Körper im Raum gedacht. In gleichem Grade gilt dies von der
schlechterdings sinnlich (wie schon die Alten gewusst haben)
nicht wahrnehmbaren Bewegung. In dem Sinne, dass ihre
Phänomene, ,abgesehen von allen sie bei reellen Körpern, ohne
Einfluss auf sie zu üben, begleitenden Erscheinungen“ (abstrac-
tion faite de tous les untres phenomenes, qui les accompagnent
constamment dans les corps reels, sans cependant exercer sur
eux aucune influence), sinnlich wahrnehmbar wären, sind Geo
metrie und Mechanik keine Naturwissenschaften.
Von beiden Wissenschaften gilt, dass ihre Lehrsätze zwar
durch die Erfahrung bestätigt, aber nicht aus dieser ge
schöpft werden. Von der ,concreten“ Mathematik (wie Comte
sie nennt), ebenso wie von der ,abstracten“, von der er das
Gegentheil selbst nicht zu behaupten wagt, ist der obige Aus-
60
Z i m m e r m a n u.
spruch Kant’s l-iclitig-, dass es Erkenntnisse gebe, die zwar
mit der Erfahrung anheben, aber nicht aus derselben ent
springen. Letzteres schon desshalb, weil zwar das im Raume
ebenso wie das in Bewegung Befindliche, keineswegs aber der
Raum und die Bewegung als solche Object der Erfahrung sind.
Beide sind Formen des durch die Siune Gegebenen, aber
nicht selbst durch diese gegeben. Als solche finden sie sich
an allem durch die Beobachtung erkannten Räumlichen und
Bewegten wieder und was von ihnen als solchen gilt, erstreckt
sich von selbst auf das in ihnen Enthaltene. Weil das Er
fahrene räumlich und in Bewegung befindlich, also mit dem
Erfahrenen die Form seiner Räumlichkeit und seiner Bewegung
gegeben ist, so entsteht der Schein, als seien Raum und Be
wegung durch die Erfahrung gegeben.
Wenn aber Raum und Bewegung nicht Object der Er
fahrung sind, so folgt keineswegs, dass sie nicht unveränder
lichen d. i. Naturgesetzen unterworfen, d. h. dass die Wissen
schaften von beiden in diesem Sinne nicht Naturwissenschaften
seien. Vielmehr stammt gerade, was in anderen Naturwissen
schaften, z. B. Astronomie und Physik, wirklich unveränderlich
ist, aus der Anwendung der allgemeinen geometrischen und
mechanischen Gesetze auf concreto Naturkörper. Wenn es
wahr ist, was oben bemerkt wurde, dass ,Unveränderlichkeit 1
einer gewissen beobachteten Succession von Erscheinungen
selbst niemals beobachtet, also die streng ausnahmelose Be
schaffenheit eines angeblichen ,Naturgesetzes' niemals auf dem
Wege blosser Induction ausser Zweifel gesetzt werden kann,
so ist hervorzuheben, dass der Umstand, dass Raum und Be
wegung keine Gegenstände der sinnlichen Beobachtung sind,
dem Unternehmen günstig sei, die Unveränderlichkeit ihrer
Gesetze darzuthun. Da auf das sinnlich Unerfahrbare die Me
thode der Erfahrung (die Induction) keine Anwendung finden
kann, bleibt dasselbe zugleich von den Mängeln verschont, die
von dieser unzertrennlich sind. Der grösste derselben ist, dass
sich auf ihrem Wege zwar die höchste Wahrscheinlichkeit
(moralische Gewissheit), niemals das Bewusstsein apodiktischer
Nothwendigkeit erreichen lässt.
Letzteres aber ist, was kein Mathematiker in Abrede
stellen wird (am wenigsten der ,ancien eleve' der polytechnischen
Kant und die positive Philosophie.
61
Schule, Comte) das unterscheidende Merkmal mathematischer
Erkenntnisse, dasjenige, auf welchem deren Ueberlegenheit über
alle übrigen, die empirischen ciugeschlossen, beruht. AV ährend
das Gegentheil der letzteren im besten Falle unwahrscheinlich,
dünkt jenes der ersteren eben jedermann unmöglich. Und zwar
nicht desshalb, weil alle bisherige Erfahrung dieselben bestätigt
hat, sondern weil wir, auch ohne alle Erfahrung, überzeugt
sind, dass diese sie bestätigen muss.
Dieses hat Kant die ,wahre oder strenge*,' jenes dagegen
die ,blos angenommene oder comparative* Allgemeinheit ge
nannt. Wer mathematische Erkenntniss ebenso wie die em
pirischen für inductive hält, darf ihr nur komparative*, wer
ihr ,strenge* Allgemeinheit zugestehen will, muss sie für
,apriorische* anerkennen. Die ,positive* Philosophie sieht sie
für ,inductiv* und nichtsdestoweniger für ,streng allgemein* an.
Wie durch die Ausschliessung des Uebersinulichen (Gott,
Seele) einer-, die Verwandlung des Nicht-Sinnlichen (Raum,
Bewegung) in Objecte der sinnlichen Beobachtung andererseits
die ITomogeneität der Phänomene, so sucht die positive Philo
sophie durch die Ausschliessung jeder anderen als der Induc-
tion die Einheit der Methode sicherzustellen. Jenes nicht, ohne
dass ein sehr beträchtlicher Theil ,sehr reeller und sehr kost
barer* Erkenntnisse, jener der sogenannten ,abstracten Mathe
matik* oder des ,Calculs* übrig bleibt, denen zum Gegenstand
zu dienen sich schlechterdings keine ,Phänomene* mehr finden
lassen. Dieses nicht, ohne durch Vereinigung unvereinbarer
Merkmale evidente Gesetze der Logik zu verletzen. Mit Hilfe
beider gelingt es ihr, die ,Hierarchie* der positiven Wissen
schaften auszubauen. Ungeachtet die ,abstracte Mathematik*
ein ,blosses Werkzeug* (purement instrumental), eine blosse
,Ausdehnung der natürlichen Logik* ist, nimmt Comte keinen
Anstand, sie als die ,Grundlage* der concreten anzusehen, die
ihrerseits die ,directe Basis* der ganzen Naturphilosophie aus
macht. Dass sie als ,Werkzeug* formal blosser Erkenntniss-
grund wirklicher Erscheinungen, als ,Grundlage* real d. h. selbst
Inbegriff solcher sein soll, welche die ,Basis* anderer bilden,
also Realgrund sein müsste, hindert ihn nicht, sie beides zu
gleich sein zu lassen. Geometrie und Mechanik als concrete
machen mit dem Calcul zusammen die Mathematik als erste
62
Zimmer mann.
und allgemeinste Wissenschaft ,an der Spitze' (ä la tete) der
,encyclopädisehen Reihe' (serie encyclopedique) aus, welche
mit abnehmender Einfachheit und zunehmender Verwicklung-
der Erscheinungen ausser ihr Astronomie, Physik, Chemie,
Physiologie und Socialphysik umfasst. Unter der ,sehr grossen'
Zahl von Classificationen ist diese nach Comte’s Ueberzeugung
die einzige, die der ,natürlichen und unwandelbaren Hierarchie
der Phänomene' (hierarchie naturelle et invariable des pheno-
menes) logisch conform ist.
Zweck derselben war darzuthun, dass das von Comte pro-
clamirte Fundamentalgesetz des geistigen Entwicklungsganges in
der Wissenschaft Thatsache sei. Gelingt dies von jeder der sechs
Fundamentalwissenschaften zu erweisen, so ist es vom Umfang
des Wissens überhaupt erwiesen. Man muss nun erwarten,
dass von jeder derselben an der Hand ihrer Geschichte werde
dargethan werden, sie habe nacheinander den theologisirenden
und metaphysicirendcn Zustand durchgemacht, um schliesslich
zum Reife- d. i. zum positiven zu gelangen. Ihr Ergebniss
müsste ein Werk, ähnlich Whewell’s bekannter ,Geschichte der
induct.iven Wissenschaften' geworden sein, ausgedehnt auf den
Umfang des menschlichen Wissens überhaupt. Dass sich Comte
mit einer Idee dieser Art wirklich getragen hat, geht aus der
von seinem Biographen Littre angeführten Thatsache hervor,
dass er sich um eine zu gründende Lehrkanzel einer solchen
bewarb. Eine am 20. October 1832 an den damaligen Ministei
des öffentlichen Unterrichts gerichtete Denkschrift: Ueber die
Gründung einer Lehrkanzel der allgemeinen Geschichte der
mathematischen und Naturwissenschaften (chaire d’histoire gene
rale des Sciences physiques et matliematiques) am College de
France, wird von Littre (a. a. 0. p. 202) mitgetheilt. Comte
bezeichnet in dieser als Zweck einer solchen, ganz wie in
seinem Cours de philosophie positive, die ,Entdeckung der
Naturgesetze des grossen Phänomens der wissenschaftlichen
Entwicklung des Menschengeistes auf dem Wege der Beob
achtung'. Wer aber mit der Erwartung einer Geschichte der
Wissenschaften an Comte’s Werk herantritt, dem bereitet dessen
Lectüre keine geringe Enttäuschung. Was er in demselben
antrifft, ist nicht die Geschichte der positiven Wissenschaften,
sondern sind diese selbst. Zwar nicht als angewandte, aber als
Kant und die positive Philosophie.
63
reine (theories scientifiques, nullement leurs applications); als
allgemeine, ,abstracte*, deren Absehen auf die Gesetze der
Erscheinungen gerichtet, nicht als besondere, ,concrete* (be
schreibende), deren Aufgabe die Anwendung jener Gesetze auf
die verschiedenen existirenden Wesen ist: immerhin aber als
die Wissenschaft selbst, nicht als deren Entwicklungsgeschichte.
Mathematik, Astronomie, Physik, Chemie, und zuletzt auch
,Biologie* und ,Sociologie* werden nicht bloss in encyclopä-
discher Reihe, sondern selbst encyclopädisch ihrem Inhalte
nach nacheinander als ,positive* Wissenschaften abgehandelt.
Nur gelegentlich fällt bei den ersteren ein Seitenblick auf deren
Vorgeschichte, ihren theologisirenden und metaphysicirenden Em
bryonalzustand. So bei der Geometrie, deren in Comte’s Augen
unvollkommener Zustand der Einmischung sophistischer Rai-
sonnements und ebenso ,krauser* (creuses) als ,kindischer*
(pueriles) metaphysischer Streitigkeiten über die Natur des
Raumes Schuld gegeben wird. Bei Astronomie und Chemie,
bei welchen auf deren einstigen mystischen und schwärmerischen
Inhalt als Astrologie und Alchymie verwiesen wird. Endlich bei
demjenigen Theile der Biologie, der vom Menschen und dessen
moralischen und intellectuellen Fähigkeiten handelt, und wo
der Begriff einer ,Seele* als Ueberrest aus dem metaphysisch
theologischen Vorstadium der Wissenschaft verworfen und als
positive Form derjenigen Wissenschaft, welche einst ,Psycho
logie* hiess, die Schädellehre Gall’s und deren natürliche Tochter,
die ,Phrenologie* acceptirt wird. Der Leser wird das beklem
mende Gefühl nicht los, dass dem Autor das Buch unter
den Händen zu etwas ganz anderem geratlien sei, als er ur
sprünglich ankündigte. Aus einer Geschichte ist eine Ency-
clopädie der positiven Wissenschaften geworden.
Eine doppelte Tendenz geht durch die Anlage des Comte-
schen Werkes, verschuldet und entschuldigt den in demselben
herrschenden Mangel an Einheit. Die eine geht darauf aus,
mittelst des von ihm entdeckten Fundamentalgesetzes zu zeigen,
dass die Geschichte alles Wissens den unausbleiblichen Fort
gang vom theologischen durch das metaphysische zum positiven
Stadium kundgebe. Die andere fusst auf der gleichfalls von
ihm erfundenen ,Hierarchie* der Wissenschaften und will alles
überhaupt mögliche Wissen, sowohl dasjenige, was schon als
Z im m ermann.
64
,positiv' anerkannt, als dasjenige, das auf den ,positiven' Stand
punkt erst von ihm (Comte) selbst zu erheben ist, als posi
tives' darstellen. Jene Tendenz ist historisch, diese dogma
tisch. Erstere stellt das Gesetz auf, dem jeglicher Fortschritt
im menschlichen Wissen unterliegen soll; diese betrachtet das
selbe von Seite desselben Wissens als bereits erfüllt, die Gesammt-
lieit der Wissenschaften als in das oberste und letzte Stadium der
Vollkommenheit (durch Comte) eingetreten. Der Cours de
philosophie positive ist im Sinne seines Verfassers nicht sowohl
die Erzählung des allmäligen Werdens, als der Totalinbegriff
des positiv' gewordenen d. h. des allein wahren und wirk
lichen Wissens selbst, zwar nicht sofern es die einzelnen (natur
historischen und historischen) Erscheinungen, wohl aber, inso
fern es die auf die Gesammtlieit dieser letzteren, im Allge
meinen und ihren einzelnen Sphären nach, bezüglichen und
dieselben beherrschenden Naturgesetze betrifft.
Das bescheidene Ziel einer Geschichte der Wissenschaft
erweitert sich im Verlauf zur Darstellung der Wissenschaft
selbst. Nachdem er von Bacon die Methode und den Gedanken
einer Umschreibung des möglichen Umfanges des Wissens er
erbt, erübrigte nur noch das Werk, das dieser unvollendet ge
lassen, die encyclopädische Darstellung des Inhaltes desselben.
Mit dem Gelingen desselben war der stolze Plan der Instau
ratio magna, die Neugestaltung der Wissenschaft zur Verwirk
lichung gebracht.
Von diesem Gesichtspunkte aus hat Comte’s positive
Philosophie eine gewisse Aehnlichkeit mit den Unternehmungen
der deutschen speculativen Philosophie seit Kant. Im Gegensatz
gegen die vorsichtige Prüfung der Grenzen des Erkenntniss-
vermögens durch letztgenannten, war -das Absehen seiner Nach
folger auf das absolute System der Wissenschaft gerichtet.
Schelling’s Vorlesungen über die Methode des akademischen
Studiums und Hegel’s Encyclopädie enthielten den Entwurf
des gesummten Natur und Geschichte umfassenden Systems.
Wie jener in der Naturphilosophie die empirische Natur, so
stellte dieser in der Philosophie der Geschichte die empirische
Historik als allgemeinen und unveränderlichen Gesetzen unter
worfen dar. Beide wie Comte von der Voraussetzung ausgehend,
nicht nur, dass solche die objective Natur und objective
Kant und die positive Philosophie.
65
Geschichte beherrschende Gesetze an sich vorhanden, son
dern auch, dass dieselben d. h. das Ansich der objectiven
Welt dem denkenden Subjecte erkennbar seien.
In diesem Punkte machen beide, der naive Realismus
der empiristischen Richtung-, dem Comte, und der absolute
Idealismus der speculativen Philosophie, der Schelling und Hegel
angehören, Front gegen die kritische Philosophie, welche die
Qualität des Dinges an sich, folglich auch die Gesetze desselben
als unbekannt und unerkennbar ansieht. Nur darin besteht
ihre Verschiedenheit, dass jener als das Erkenntnissorgan des
objectiven Seins die sinnliche, die speculative Philosophie die
(angebliche) ,apriorische', d. i. intellectuelle Anschauung be
trachtet. Die objective Erkenntniss der ersteren ist daher
nothwendig inductiv (empirisch), jene der letzteren intuitiv
(apriorisch); der materialistische Realismus Comte’s aber hat
wie der Idealismus der speculativen Philosophie vor dem Dua
lismus der Locke’schen und der Cartesianischen Schule den
Vortheil voraus, dass beide (obgleich im entgegengesetzten
Sinne) monistisch sind. Jener identificirt (nach Hobbes’ Vor
gang) das Denken mit einer ,Bewegung' der Materie; dieser
erkennt im Denken das einzige wirkliche Sein; die Gleich
artigkeit des Gewussten (des Objects, Sein) mit dem Wissen
den (Subject, Denken) rechtfertigt die dogmatische Voraus
setzung der Möglichkeit des Wissens.
Die kritische Philosophie, die an die Skepsis, wie die
positive an die Dogmatik der Erfahrungsphilosophie anknüpft,
hebt diese Möglichkeit auf. Das Einzige, was ihrer Meinung
nach über das objective Sein, das Ding an sich, wirklich ge
wusst werden kann, ist, dass es sei, nicht was es sei. Die
angeblich aus der Erfahrung herausgelesenen Gesetze sind ihrer
Ansicht nach vielmehr in dieselbe hineingelegt. Dieselben sind
zwar, insofern sie ,apriorisch' d. i. reine Formen der Sinnlich
keit, des Verstandes, der Vernunft und Urtheilskraft sind, aller
dings ,unveränderlich', aber nicht weil das uns unbekannt
bleibende Object, sondern weil das dem Menschen allein be
kannte Subject der Erfahrung, sein Erkenntnissvermögen
(wenigstens innerhalb der Grenzen der Menschheit) unveränder
lich ist. Räumlichkeit und Zeitlichkeit, Substantialität und
Accidentalität, Causalität u. s. w. sind in ihren Augen zwar
Sitzungsber. d. phil.-hist. CI. LXXVII. Bd. I. Hft. 5
66
Zimm ermann.
nothwendige Formen der gesammten Erscheinungswelt, aber
nur weil sie notliwendige Formen unseres Erkenntnisvermögens
sind. Der Schluss, dass andere Formen der Erfahrung, z. B.
die Zweckmässigkeit, Intelligenz und bewusste Absichtlichkeit
der Natur oder Geschichte nicht wirkliche Erfahrung, sondern
durch anthropomorphistische Uebertragung subjectiver An-
schauungsfonnen auf die objective Welt verursachter Schein
einer solchen sein möchten, liegt von da nicht ferne.
Durch Bedenken der Art wird die glückliche Unbefan
genheit der positiven Philosophie nicht beunruhigt. Ihr dogma
tisches Vertrauen in die inductive ist so unbedingt, wie das
der speculativen Philosophie in die absolute Methode. Im Besitze
derselben scheint ihr die Biesenaufgabe, die unveränderlichen
Naturgesetze im Bereich aller leblosen wie lebendigen Erschei
nungen, die der Gesellschaft inbegriffen, zu entdecken, nicht
schwieriger als der letzteren der Ersatz alles empirischen
Wissens durch apriorische Construction an der Hand der dialek
tischen Methode. Als er durch seinen damaligen Freund,
Gust. v. Eichthal, der sich später von ihm trennte und zu
St. Simon überging, der ihn mit jener Schrift Kant’s bekannt
machte, von der sogleich die Rede sein wird, eine Notiz von
Hegel erhielt, fand er zwischen diesem und sich selbst ,eine
grosse Zahl von Berührungspunkten*, obwohl nicht (wie Eicli-
thal) eine ,Identität des Princips* (il-y-a entre lui et nous un
grand nombre de points de contact, quoique je ne croie pas,
comme vous, ä l’identite des principes, a. a. 0. p. 157). Er
nennt ihn einen ,esprit positif dans les details* und ,homme de
merite*, obgleich ,trop metaphysique*. Er liebt durchaus nicht
den ,Geist* (esprit), den Hegel eine so ,sonderbare Rolle* (un
role si singulier) spielen lasse. Dagegen lobt er seine Beob
achtungsgabe; dass die Welt nur zu einer Zeit, im 11. Jahr
hundert nämlich, wahrhaft christlich gewesen sei, habe er
richtig gesehen; eine ,Beobachtung von solchem Gewicht be
weise viel für ihn* (prouve beaucoup pour lui). Aus diesen
Bemerkungen spricht eine Abneigung gegen die Methode Hegels,
insofern sie ,metaphysisch*, keineswegs aber insofern sie von
dem Vertrauen auf objective Erkenntniss belebt ist. Das Talent
der ,Beobachtung*, das er in Hegel wahrzunehmen glaubt, lässt
ihn Annäherung wünschen und Verständigung hoffen, wenn
Kant und die positive Philosophie.
67
sich derselbe, schon jetzt ,positiv im Einzelnen', entschliessen
könnte, seine ,zu metaphysische' mit der ,positiven' Methode
zu vertauschen. Gegen die ,Pansophie' Ilegel’s hat der Uni
versal-Encyclopädik er alles positiven Wissens nichts einzu
wenden.
Wenn er an derselben Stelle Kant lobt, ja ihn über
Hegel stellt, den er ,moins fort' nennt, so ist es sicherlich nicht
wegen des skeptischen Ferments seiner Philosophie geschehen.
Vom Geiste der Skepsis ist in der positiven Philosophie zwar
der Theologie und Metaphysik, der eigenen dogmatischen Er
kenntnistheorie und inductiven Methode gegenüber aber gar
nichts zu merken. Auch Kant ist wie Hegel ein ,Metaphysiker',
aber derjenige, welcher der positiven Philosophie ,am nächsten
steht' (le metaphysicien le plus rapproche de la pliilosophie
positive). Von der Lecture jener Kant’schen Schrift, die er
durch Eichthal kennen gelernt, ist er völlig berauscht; er
verschiebt Hegel’s Besprechung auf ein andermal; die ,Ueber-
legenheit, (superiorite) der Kant’schen Abhandlung verschlingt
seine Aufmerksamkeit'.
Es ist das einzigemal, dass man bei Comte einer solchen
Lobpreisung Kant’s, überhaupt eines deutschen Philosophen
begegnet. Sein Misstrauen gegen die ,Metaphysiker', das auch
in obigem Briefe durchblickt, war zu gross, und seine eigene
,erudition‘ in der philosophischen Literatur, besonders des Aus
landes, wie er an demselben Orte bemerkt, nicht gross genug.
Umsomehr muss die fast rückhaltlose Bewunderung Kant’s in
Erstaunen setzen. Wenn seiner Arbeit, sagt er, wie sie jetzt
sei (der Cours de pliilosophie positive war damals [1824] noch
nicht geschrieben), das Studium jener Schrift Kant’s voran
gegangen wäre, so hätte sie in seinen Augen viel an ihrem
Werth eingebüsst. Wäre nicht die Entdeckung des Entwick
lungsgesetzes des menschlichen Geistes durch die drei Zu
stände: den theologischen, metaphysischen und positiven, Kant
hätte ihm kein anderes Verdienst übriggelassen, als seine
(Kant’s) Idee systematisirt und festgehalten zu haben.
Es ist kaum möglich ein Lob auszudenken, das bei dem
mehr als stark entwickelten Selbstgefühl des Urhebers der
positiven Philosophie ausschweifender lauten könnte. Auch
findet es dessen Biograph, dem das Verdienst gebührt, jenes
5*
Z i lrnn o r in a n n.
68
interessante Bekenntniss zuerst publicirt und auf diese Bezie-
hung zwisclien Conite und Kant aufmerksam gemaclit zu
haben, übertrieben. Er schreibt dessen Ueberschwänglichkeit
dem Eindrücke der ersten Lecture zu und sucht es durch
seine eigenen Bemerkungen, auf die wir zurückkommen, zu
schmälern. Dasselbe bezieht sich auf eine einzige, nicht um
fangreiche Abhandlung Kant’s, die wenig mehr als eine Ge
legenheitsschrift ist. Von dessen übrigen Werken hat Comte,
der kein Deutsch verstand, nie Kenntniss genommen. Die
Schrift betraf einen Gegenstand, der, in Deutschland längst
anerkannt und auf dem von Kant gewiesenen Wege durch die
speculative Schule weit über die von ihm gesetzten bescheide
nen Grenzen ausgedehnt, in Frankreich so gut wie neu und,
wie Comte sich rühmte, von ihm zuerst zum Rang einer posi
tiven' Wissenschaft erhoben worden war: die Philosophie der
Geschichte.
II.
Die positive Natur der Mathematik und der unorganischen
Naturwissenschaften unterlag in Comte’s wie seiner Zeitgenossen
Augen keinem Zweifel. Für die organischen stand, so weit es
sich um die vegetabilische und animalische Biologie handelte,
dieselbe gleichfalls fest; die positive Natur der Psychologie
oder der Lehre von den ,intellectuellen und moralischen Fähig
keiten' hielt Comte wenigstens durch die Lehre Gall’s und die
,Thatsachen' der phrenologischen Beobachtung für erwiesen.
Nur die Philosophie der Geschichte hatte (in Frankreich
wenigstens) das theologisirende und metaphysicirende Gewand
noch nicht abgestreift. Auch diese durch ihre Verwandlung in
,Sociologie' oder ,Socialphysik' positiv gemacht zu haben,
betrachten die Anhänger Comte’s und dieser selbst neben der
Entdeckung der ,drei Zustände' und der ,Hierarchie' der
Wissenschaften als dessen grösstes und originellstes Verdienst.
Als Beweis dienen die Stimmen, die sein Biograph ge
sammelt, und die Thatsache, dass er auf diesem Felde zahl
reiche Nachfolger gefunden hat. Von diesen ist Buckle berühm
ter geworden als Comte selbst, auf den die Aufmerksamkeit
erst durch jenen wieder zurückgelenkt worden ist. Ein un
genannter Berichterstatter in der British and foreign Review
Kant und die positive Philosophie.
69
(Littre p. 276) vergleicht Comte’s Werk mit Niebuhr’s. Letz
terem wirft er vor, in der Geschichte nur entweder (theologisch)
den ,Finger Gottes' oder (metaphysisch) die Idee des Schick
sals zu erblicken. Wenn die Grundlage des Comte’schen
Werkes, meint der Kritiker, richtig ist, so wird es das denk
würdigste des 19. Jahrhunderts sein. Eine Philosophie der
Geschichte ist eine Nothwendigkeit. Wenn Comte ihren
Schlüssel gefunden hat, wird er zu gleicher Zeit ,der Bacon
und der Newton der Geschichte' sein.
In der That, einen Newton hatte Kant ein halbes Jahr
hundert zuvor für die Geschichte ersehnt. In jener obenerwähnten
Abhandlung, die Comte’s Bewunderung erweckte, setzte er sich
vor, den Leitfaden zu einer allgemeinen Geschichte zu ent
decken. Einen Mann hervorzubringen, welcher nach diesem
im Stande wäre, sie abzufassen, überlässt er der schaffenden
Natur — ,ihr, die einen Kepler hervorbrachte, der die excen
trischen Bahnen der Planeten auf eine unerwartete Weise be
stimmten Gesetzen unterwarf, und einen Newton, der diese
aus einem allgemeinen Naturgesetze erklärte'. Comte’s Ent
zücken über Kant’s Schrift mag nicht zum geringen Theile
von der Ueberzeugung hergerührt haben, dieser Ersehnte zu
sein. Nicht nur habe er lediglich die Idee systematisch durch
geführt, die Kant ,ohne sein Wissen' (ä son insu) skizzirt hat,
sondern der, positivste und unterscheidendste Schritt' (le pas le
plus positif et le plus distinct), den er über Kant hinaus
gethan habe, besteht seiner Meinung nach nur in der Ent
deckung des Gesetzes der drei Zustände, eines Gesetzes, das
ihm ,die Grundlage der Arbeit scheint, deren Ausführung Kant
gerathen hat' (la base du travail, dont Kant a conseille l’ex-
ecution).
Wäre der Urheber der positiven, auf dem Boden des
empirischen Dogmatismus stehenden Philosophie in das Ver-
ständniss der Kant’schen Schrift schärfer eingedrungen, das
Verhältniss der eigenen zu Kant’s Auffassung der Philosophie
der Geschichte wäre ihm vielleicht in einem anderen Lichte
erschienen. Immerhin ist sein Ausspruch, die deutschen, mit
Kant’s Ideen vertrauten Denker würden an seinem Werke
nicht eben viel Neues entdecken, ein bedeutsames Zeugniss
für die von ihm anerkannte Priorität der deutschen Philosophie
70
Zimmermann.
auch auf diesem Gebiete der Wissenschaft. Unter den eigenen
Landsleuten liess Comte nur Condorcet für seinen Vorgänger
gelten und diesem wäre, meint er, wenn er, was nicht der
Fall gewesen zu sein scheine, Kant’s Schrift gekannt haben
sollte, ,wenig Verdienst* (bien peu de merite) übrig geblieben.
Littre, der überhaupt das Verdienst hat, auf Comte’s Vorläufer
hingewiesen zu haben, fügt Turgot hinzu, in dessen Histoire
des progres de l’esprit humain p. 294 sich auch bereits der
deutliche Keim des von Comte entdeckten Fundamentalgesetzes
der drei successiven Zustände der menschlichen Geistesent
wicklung vorfinde. Für deutsche Leser bietet die Beziehung
der positiven zur kritischen Philosophie der Geschichte das
nächste Interesse.
Erstere füllt unter dem Titel: Physique sociale die stär
kere Hälfte, drei Bände, des Cours de philosophie positive;
letztere ist in der Schrift: ,Ideen zu einer allgemeinen Ge
schichte in weltbürgerlicher Absicht* vom Jahre 1784 (S. W.
her. v. Hartenstein IV. S. 291—309) enthalten, die nur wenige
Seiten zählt. Diese Verschiedenheit erklärt sich, wenn man
die erstere als (sehr weitläufige) historische Durchführung,
letztere bloss als skizzirten Plan einer solchen erkennt. Dass
die Entwicklung des Menschengeschlechtes ein unveränderliches
Gesetz befolge, ist beiden gemeinschaftlich. Die positive Ge
schichtsphilosophie sieht dasselbe ihrem Principe gemäss als
die unabänderliche Reihenfolge der geschichtlichen Erschei
nungen an, ohne weiter nach einem ausserhalb dieser letzteren
gelegenen Grunde zu forschen. Die kritische verlegt den Ur
sprung desselben in eine ,Endabsicht der Natur*, nach welcher
der scheinbar widersinnige Gang der geschichtlichen Begeben
heiten als eine planmässige, vernünftige Entwicklung sich dar
stelle. Beiden gilt als Subject der geschichtlichen Entwicklung
nicht das Individuum, sondern die Menschheit als gesellige
Gattung. Nach beiden steuert der Gang der Geschichte auf
einen abschliessenden Endzustand los, der nach der Ansicht
Gomte’s durch die vorangegangenen nothwendig bedingt,
nach der Ansicht Kant’s aber in der ursprünglichen
,Endabsicht* der Natur gelegen ist. Die positive Philosophie
fasst diesen schliesslichen Zustand der Menschheit als Herr
schaft des ,Positivismus*, die kritische dagegen als denjenigen
Kant und die positive Philosophie.
71
Zustand, ,in welchem die Menschheit alle ihre Anlagen völlig
entwickeln kann', beide nach Kant’s eigenem treffenden Aus
druck als eine Art ,philosophischen Chiliasmus 4 auf. Jenem
sind nach der Lehre Comte’s ein metaphysischer und ein
theologischer Zustand der Menschheit, diesem ist nach jener
Kant’s ein Zustand des Krieges zwischen Individuen und
Staaten vorhergegangen. Ersterer wie letzterer stellen nur
Uebergangsstadien, aber als solche unvermeidliche Phasen dar,
durch welche die Menschheit, um zu jenem Ziele zu gelangen,
hindurchgehen muss, die sich nach Comte wie Kindheit und
Jugend als organische Vorstufen zur Mannbarkeit, nach Kant
wie von der Natur g’ewollte Mittel zu dem von derselben
beabsichtigten Zwecke verhalten.
Hierin liegt ein Grundunterschied beider Geschichts
philosophien. Beide Autoren sprechen von einem ,Naturgesetz 4
der Entwicklung der Menschheit; aber der eine versteht dar
unter ein lediglich physiologisches, der andere ein moralisches.
Comte spricht von einer ,evolution 4 , Kant von einer ,Bestim
mung 4 des Menschengeschlechtes. Jener überträgt das von ihm
entdeckte Fundamentalgesetz der Entwicklung der Wissen
schaft auf die Geschichte der Menschheit. Wie sich die
Wissenschaft durch die drei successiven Zustände, den theo
logischen, metaphysischen und positiven (Kindheit, Jugend,
Mannheit) hindurchzieht, so zerfällt die Geschichte der Mensch
heit in ein theologisches, metaphysisches und positives Zeit
alter. Die Kenntniss dieses Gesetzes stammt aus der Er
fahrung; woher es selbst stamme, ob es der Menschheit durch
einen übernatürlichen oder durch einen ,Naturwillen 4 auferlegt
sei, verbietet sich die positive Philosophie erforschen zu wollen.
Ersteres wäre ein Rückfall auf den ,theologischen 4 , dieses auf
den ,metaphysischen 4 Standpunkt der Geschichtswissenschaft.
Indem Kant der Natur eine ,Endabsicht 4 zuschreibt d. b. sie
selbst als mit Intelligenz und Willen begabt ansieht, hat er
nach Comte’s Ansicht den ,positiven 4 Standpunkt des Wissens
noch nicht erreicht, ist er noch immer ,trop metaphysique 4 ,
obgleich er demselben ,näher als jeder andere Metaphysiker 4
stehen soll.
Das Charakteristische einer ,naturgesetzlichen 4 Entwick
lung im Gegensatz einer künstlichen liegt darin, dass sie ,un-
72
Z immermann.
gewollt', ja selbst wider Willen sich vollzieht. In diesem Sinne
setzen beide, Kant wie Comte, einer Geschichtsconstruction
durch einen launenhaften, obersten Herrscherwillen eine Ent
wicklung der Dinge entgegen, die eines solchen nicht bedarf,
ja wenn ein solcher vorhanden wäre, seinen willkürlichen Ein
griffen zum Trotz nach unabänderlichen Gesetzen sich vollzöge.
Die positive Philosophie erkennt die Existenz einer leitenden
Intelligenz, ausser oder in der Natur, überhaupt nicht an. Die
,Endabsicht der Natur' ist der kritischen zufolge doch keine
beliebige, sondern zum mindesten eine solche, wie sie einer
,Intelligenz' (d. i. einer vernünftigen Natur) eben zugemuthet
werden darf. Der Gang der Geschichte ist ersterer zufolge
überhaupt (durch Comte’s Fundamentalgesetz) ,gebunden'; die
,Absicht' der Natur ist durch deren ,intelligente' Beschaffen
heit gebunden. Jene kann daher zu nichts anderem als zum
Positivismus führen; diese darf auf nichts anderes als die
vollkommenste Erreichung der Bestimmung der Menschheit
gerichtet sein. Wenn diese nicht erreicht würde, meint Kant,
so hätten wir nicht mehr eine gesetzmässige, sondern eine
zwecklos spielende Natur; das ,trostlose Ungefähr' träte an
die Stelle des Leitfadens der Vernunft.
Da nun eine intelligente d. i. vernünftige Natur die
Bestimmung der Menschheit wollen muss, so muss sie auch
alles dasjenige wollen, was zu deren Erreichung unerlässlich
ist. Die Bestimmung selbst aber kann keine andere sein, als
eine solche, die mit einem ,vernünftigen' Naturwillen verträglich
ist. Organe, die nicht gebraucht werden, Anordnungen, die
ihren Zweck nicht erfüllen, wären ein ,Widerspruch' gegen
eine ,teleologische Naturlehre'. Bei allen Thieren bestätige dies
sowohl die äussere als die innere Beobachtung. Daher müsse an
genommen werden, alle Naturanlagen eines Geschöpfes seien
bestimmt, sich einmal zweckmässig und vollständig auszubilden.
Wenn dies für den Menschen nur in der /bürgerlichen Gesell
schaft', und zwar desto vollkommener, je vollkommener diese
selbst ist, möglich sei •— eine Ansicht, in welcher beide
Philosophen einander begegnen — so sei die Errichtung einer
solchen (und zwar der möglichst vollkommenen), damit aber
auch die ,eines gesetzmässigen äusseren Staatenverhältnisses',
von dessen Bestand jene abhängt, das von der Menschheit als
Kant und die positive Philosophie.
73
Gattung in ihrem geschichtlichen Entwicklungsgänge der Ab
sicht und dem Willen der vernünftigen Natur gemäss zu
lösende Problem.
Scheinbar, aber auch nur dem Anscheine nach, ist dieses
Ziel beschränkter als der ,Positivismus' am Ende der Welt
geschichte. Dieser umfasst nicht nur den vollkommensten
politischen, sondern auch den eben solchen religiösen, ästheti
schen, moralischen und intellectuellen Zustand der Mensch
heit, eine ,positive' Kirche, Kunst, Sitte und Wissenschaft.
Der Ausführung desselben ist das zweite Hauptwerk Comte’s,
die ,politique positive' gewidmet, nach dessen Anleitung in
Frankreich, England und in den Vereinigten Staaten prak
tische Gründungsversuche einer positiven Gesellschaft, Kirche
und Schule mit massigem Erfolge gewagt worden sind. Genau
genommen umfasst Kant’s ,höchste Absicht der Natur', näm
lich ,die Entwicklung aller ihrer Anlagen in der Menschheit'
alle jene Aufgaben; die ,bürgerliche Gesellschaft', der Staat
imd das Staaten verhältniss ist nicht selbst jener Zweck,
sondern nur das Mittel dazu und nur aus diesem Grunde
(nicht um seiner selbst willen) ,Absicht' der Natur.
An der Herstellung dieses ,Mittels', wie an jener des
,positiven' Zustandes arbeiten nun, das ist beider Lehre, ohne,
ja gegen ihren Willen sogar die entschiedensten Gegner des
friedlichen Zusammenlebens der Menschen und Staaten auf
der einen, des ,positiven' Zustandes der Menschheit auf der
andern Seite mit. Es ist die ironische Dialektik der Welt
geschichte, dass die Natur gerade mit Hilfe derjenigen ihre
Zwecke durchsetze, welche dieselben vereiteln wollen, und dass'
der theologische Zustand der Menschheit den metaphysischen
und dieser beider gemeinsamen Feind und Erben, den positi
ven aus sich gebäre. ,Das Mittel, dessen die Natur sich bedient,
die Entwicklung aller ihrer Anlagen zu Stande zu bringen,
ist der Antagonismus derselben in der Gesellschaft, sofern
dieser doch am Ende die Ursache einer gesetzmässigen Ord
nung der Dinge wird' (a. a. 0. S. 297). Kant versteht dar
unter die ,ungesellige gesellige' Natur der Menschen d. i. den
Hang derselben in Gesellschaft zu treten, der doch mit einem
durchgängigen Widerstreit, welcher diese Gesellschaft beständig
zu trennen droht, verbunden ist. Dieser nur sei es, welcher
74
Zimmer mann.
,die ersten wahren Schritte aus der Rohheit zur Oultur, die
eigentlich in dem gesellschaftlichen Werthe des Menschen be
steht, herbeiführe' und ,mit der Zeit eine pathologisch
abgedrungene Zusammen Stimmung zu einer Gesellschaft end
lich in ein moralisches Ganze verwandeln kann'. Die ,Un
geselligkeit' der Menschen zwingt sie zum ,gemeinen Wesen'
und der ,Krieg der Staaten' dieselben zum friedlichen Völker
bunde'. Die Natur hat die ,Unvertragsamkeit' der Menschen
und Staatskörper zum Mittel gebraucht, ,um in dem unver
meidlichen Antagonismus derselben einen Zustand der Ruhe
und Sicherheit auszufinden d. h. ihren auf die Realisirung
ihrer Endabsicht gerichteten Willen durch die Einzelnen, obwohl
ohne, ja gegen den Willen der Einzelnen durchzusetzen'.
Der, Antagonismus' der Menschen und Staaten erscheint als
— — — — — — — — — — — — die Kraft,
Die stets das Böse will und stets das Gute schafft.
In ähnlicher unwillkürlicher Selbstzerstörung bereitet das theo
logische Weltalter in Comte’s Auffassung das metaphysische,
dieses das positive vor. Eingereiht in den unveränderlichen Gang
der Civilisation erfüllt jener selbstsüchtige Trieb zur Vereinzelung
und zum Kriege dort, wie das theologische und das metaphysische
Stufenalter der Menschheit hier eine weltgeschichtliche Mission.
Dem Auge des Geschichtsphilosophen, welcher dieselbe er
kennt, müssen sie nothwendig in einem anderen, milderen
Lichte erscheinen, als dem moralischen Kritiker, der nur den
unmoralischen Charakter des Krieges aller gegen alle, und dem
,positiven' Beürtheiler, der nur den illusorischen Charakter
der theologischen und metaphysischen Weltanschauung im Auge
hat. Demselben stellt sich das Ganze der Geschichte als ein
organischer Process, sei es als die Verwirklichung der Endab
sicht der Natur auf natürlichem Wege, sei es als das natür
liche Wachsthum der Menschheit durch Kindheit und Jugend
zum Mannesalter dar. In jenem darf kein Mittel entbehrt, in
diesem kann keine Altersstufe übersprungen werden. Im teleo
logischen Gange der Geschichte hat der an sich verwerfliche
Egoismus und Widerstand gegen die gesellige Eintracht, so
gut wie im physiologischen Gange der menschlichen-Culturent-
wicklung die an sich ,leere' theologische und metaphysische
Weltanschauung an ihrer Stelle Berechtigung.
Kant und die positive Philosophie.
75
Kant gelangt so wie Comte zu einer Art /Theodicee',
als Rechtfertigungsversuch der Existenz dessen, was beiden
an sich für durchaus verwerflich gilt. Kant findet die Un
geselligkeit durchaus nicht ,liebenswürdig'; aber ,die Natur
weiss besser, was für ihn gut ist; sie will Zwietracht'. Comte
schilt Theologie und Metaphysik ,Fiction'; aber ohne die theo
logische Weltbetrachtung fände sich die Menschheit beim Erwa
chen ihres Geistes in einen ,bösen Ring' (cercle vicieux) einge
schlossen, aus welchem nur jene einen Ausweg (issue) bietet
(a. a. O. I. p. 12). Alle Cultur und Kunst, sagt Kant, welche
die Menschheit ziert, die schönste gesellschaftliche Ordnung,
sind Früchte der Ungeselligkeit, die durch sich selbst genötliigt
wird, sich zu discipliniren (a. a. O. p. 299). Comte nennt die
spontane Entstehung der Gottesideen am Anfang der Mensch
heitsentwicklung ein glückliches Ereigniss, denn sie boten
derselben einen Vereinigungspunkt (point de ralliement) und
Nahrung für ihre Thätigkeit (aliment ä son activite). Die drei
Stufen des theologischen Weltalters, die durch die verschiedene
Gestaltung der Gottesidee charakterisirt werden, das Zeitalter
des Fetischismus, des Polytheismus und Monotheismus, stellen
eben so viele der sich erweiternden Socialität den Menschen
dar. Das letztere, welches den Höhepunkt des theologischen
Weltalters und zugleich den Beginn des Verfalls desselben
bezeichnet, umfasst in Comte’s Sinne das gesammte christliche
Mittelalter und gibt demselben Veranlassung zu einer mit der
üblichen Geringschätzung seiner ,Finsterniss' stark contrastiren-
den Würdigung der positiven Verdienste desselben um die
Grundlegung der neuen Zeit. An Hegel gefiel es ihm, dass er
bei ihm eine ähnliche wahrzunehmen glaubte. Aus diesem
Sinne für das Historische, der ihn den Leibnitz’schen Ausspruch,
dass das Gegenwärtige die schwangere Mutter des Zukünftigen
sei, preisen lässt, entspringt es, dass ihm der blos zerstörende
Charakter eines Zeitalters oder einer Lehre antipathisch ist*
Dass er das metaphysische Weltalter, das seiner Ansicht nach
schon im 12. Jahrhundert unserer Zeitrechnung beginnt, nur
in diesem &inne auffasst, steht nicht im Einklänge mit seiner
eigenen Definition des metaphysischen Zustandes. Derselbe ist
nicht bloss negirend, was die agents surnaturels der theolo
gischen Weltbetrachtung, sondern zugleich ponirend, was die
I
i 6 Zimmermann.
entites seiner eigenen Weltanschauung betrifft. Comte betrachtet
es lediglich als epoque critique ou äge de transition revolution-
naire, dessen Princip er im Protestantismus, dessen Höhepunkt
er im Terrorismus der französischen Revolution erblickt. Die
Zersplitterung des ersten in Secten, der antitheologischen Meta
physik in Schulen, ist in seinen Augen ein Mangel, mit welchem
verglichen die ungebrochene Einheit der mittelalterlich-kirch
lichen Weltanschauung ihm ein beneidenswerthes Vorbild der
künftigen Weltära des Positivismus scheint. Als Merkmal
der letzteren gilt ihm im Gegensätze zu dem theologischen und
militärischen Charakter des ersten und dem desorganisatori
schen des zweiten Weltaltex-s der organisatorische, die Ver
einigung der beiden Principien der Ordnung und des Fort
schritts (ordre et progres), während von den beiden sich in die
Herrschaft der Gegenwart theilenden Schulen die retrograde
nur das erste, die progressistische nur das zweite, die dritte,
die schlechteste aller Parteien, die stationäre, aller eigenen
Ideen baar, abwechselnd das eine und das andere will.
In dem Aufbau einer Organisation der Gesellschaft trifft
Comte mit St. Simon zusammen, dessen Versuch einer solchen
mittelst Auflösung der Familie und Abschaffung des Privat
eigenthums er grundsätzlich verwirft. Ebensowenig würde ihm
Kant’s Gründung einer Gesellschaft, in welcher Freiheit unter
äusseren Gesetzen im grösstmöglichen Grade mit unwider
stehlicher Gewalt verbunden angetroffen wird, wie diesem als
,höchste Aufgabe der Natur für die Menschengattung' genügt
haben. Vielmehr hat die Menschheit, zum Alter der Reife ge
langt, das in ihrer Kindheit mit unzureichenden Kräften unter
nommene Organisationswerk, welches das theologische Welt
alter geschaffen und das revolutionäre zertrümmert hat, von
neuem vorzunehmen. Dass beide Systematisationen eine ge
wisse Analogie zeigen werden, ist ebenso begreiflich, weil die
Menschennatur immer dieselbe ist, als dass sich beide von ein
ander wie Kindes- und Manneswerk unterscheiden werden.
Die Gründung einer neuen Religion im Zeitalter des Positivis
mus ist daher ebensowenig wie jene einer neuen Hierarchie
als Rückfall in’s Weltalter der Theologie anzusehen. Diesem
als in seiner Art gleichfalls organisatorischen, fühlt sich der
positive Philosoph immer noch näher verwandt, als dem von
Kant und die positive Philosophie.
77
ihm nur für ,destructiv' ausgegebenen der Metaphysik. Die
Trennung der geistlichen von der weltlichen Gewalt an der
Stelle der Cäsaropapie, sowie der freiwillige Gehorsam der
letzteren gegen die erstere an der Stelle der erzwungenen
Theokratie, entspricht seinen Wünschen für die positive Ge
sellschaft. Eine Art unfehlbaren Papstthums in des Stifters
eigener Person ist dieser so wenig, wie seiner Zeit dem
St. Simonismus erspart worden.
Das ,positivistische Weltalter' und der ,ewige Frieden'
bilden den Schlusspunkt von Comte’s und Kant’s Geschichts
philosophien. Einen Grundunterschied beider hat Comte und nach
ihm Littre richtig herausgefunden. Ersterer nennt jene Kant’s
,metaphysisch', letzterer eine ,intuition'. Wahr sei es, dass die
Geschichte ein Naturphänomen unter bestimmten Gesetzen sei;
wahr auch, dass Kant dies eingesehen habe; ebenso sicher
sei aber auch, dass die Basis seines Entwurfs gänzlich verfehlt
(tout ä fait ruineux) sei. Dieselbe sei nämlich keine andere,
als das metaphysische Princip: die Natur thut nichts umsonst.
Da nun die menschlichen Anlagen in dem Individuum, welches
ephemer ist, nicht zur Entfaltung gelangen können, so müssen
sie an der Gattung zu solcher kommen, welche beharrend ist.
Kennern der positiven Philosophie brauche man nicht erst zu
versichern, dass wir auf keine Weise zu wissen vermögen, ob
oder ob nicht die Natur irgend ein Ding umsonst wolle. Das sei
eine subjective Ansicht, unberechtigterweise übertragen auf das
objective Gebiet. Kant’s Idee ist eine ,intuition', keine
,demonstration'; letztere ist erst zu finden; Kant hat nur die
Aufgabe gestellt.
Die Bemerkung ist treffend, aber sie trifft nicht Kant.
Zu jener Zeit (1784) war die erst sechs Jahre später er
schienene Kritik der (teleologischen) Urtheilskraft noch nicht
geschrieben und Comte wenigstens (für Littre gilt diese Ent
schuldigung nicht) hat keine andere Schrift Kant’s als jene
Abhandlung zu Gesichte bekommen. In dieser äussert er
sich allerdings so, dass der Irrthum erklärlich wird. Sein
nächster Zweck ist, eine ,Absicht' der Natur im scheinbar
widersinnigen Lauf der menschlichen Begebenheiten nachzu
weisen ; dass dieselbe der Natur nicht objectiv innewohne,
sondern vom Subject in dieselbe hineingelegt, ihr angedichtet
78 Zimmermann.
sei, bleibt, obwohl für Tieferblickende hinreichend sichtbar, im
Hintergründe. Eine Analyse der Schrift mag deren Gedanken-
gang blosslegen.
Die Schrift hat den Zweck, in dem ,widersinnigen Gang
menschlicher Dinge eine Naturabsicht zu entdecken/. Da
nämlich die Menschen in ihren Bestrebungen nicht blos
instinctmässig, wie die Thiere, und doch auch nicht, wie ver
nünftige Weltbürger, nach einem verabredeten Plane im Ganzen
verfahren, so scheine auch keine planmässige Geschichte (wie
etwa von den Bären oder den Bibern) von ihnen möglich zu
sein. Dennoch seien, was man sich auch in metaphysischer
Absicht für einen Begriff von der Freiheit des Willens machen
möge, die Erscheinungen desselben, die menschlichen Hand
lungen, ebensowohl als jede andere Naturbegebenheit nach all
gemeinen Naturgesetzen bestimmt. Die Geschichte, welche sich
mit der Erzählung dieser Erscheinungen beschäftige, so tief
auch deren Ursachen verborgen sein möchten, lasse dennoch
von sich hoffen, dass, wenn sie das Spiel der Freiheit
des menschlichen Willens im Grossen betrachte, sie einen
regelmässigen Gang derselben entdecken könne, und dass auf
die Art, was an einzelnen Subjecten verwickelt und regellos
in die Augen falle, ,an der ganzen Gattung doch als
eine stetig fortgehende, obgleich langsame Entwick
lung der ursprünglichen Anlagen derselben werde er
kannt werden können*. Der Leser von heute erstaunt, wenn
er von Kant im Jahre 1784, ein halbes Jahrhundert vor
Quetelet, zum Beweise jenes Satzes die Stetigkeit gewisser
,scheinbar keiner Regel unterworfener* Zahlen, z. B. der Ehen,
Geburten und Todesfälle angeführt werden sieht, ,und doch
beweisen die jährlichen Tafeln derselben in grossen Ländern,
dass sie ebensowohl nach beständigen Naturgesetzen geschehen,
als die so unbeständigen Witterungen, deren Ereigniss man
einzeln nicht vorherbestimmen kann, die aber im Ganzen nicht
ermangeln, den Wachsthum der Pflanzen, den Lauf der Ströme
und andere Naturanstalten in einem gleichförmigen, ununter
brochenen Gange zu erhalten*. So denken, meint Kant, auch
einzelne Menschen, ja selbst ganze Völker wenig daran, dass,
indem sie, ein jedes nach seinem Sinne und einer oft wider
den andern, ihre eigene Absicht verfolgen, sie unbemerkt an
Kant und die positive Philosophie.
79
der Naturabsicht, die ihnen selbst unbekannt ist, als an einem
Leitfaden fortgehen, und an derselben Beförderung arbeiten, an
welcher, selbst wenn sie ihnen bekannt würde, ihnen doch
wenig gelegen sein würde.
Das Wort ,Naturabsicht', ,planmässige Geschichte', dessen
sich Kant bedient, und das auf das Dasein einer intelligenten
Natur, welcher die ,Absicht' und der ,Plan' zugeschrieben
wird, als Voraussetzung hinzudeuten scheint, führt einen
Nebengedanken mit sich, welcher nicht nothwendig mit der
Behauptung, dass die Geschichte nach ,allgemeinen Naturge
setzen' sich entwickle, verbunden sein muss. Es ist etwas ganz
anderes, anzunehmen, dass die scheinbar willkürlichen Hand
lungen der Menschen sich dem Zeugniss der Erfahrung gemäss
unter gewisse (innerhalb bestimmter Grenzen) unveränderliche
Gesetze bringen lassen, als zu behaupten, dass diese Gesetze
selbst von der Art seien, dass sie einer vernünftigen Intelligenz
als ,Absicht' und ,Plan', d. i. als Mittel zur Durchführung
eines derselben würdigen Endzweckes der Geschichte unter
gelegt werden könnten, .lenes würde auch dann der Fall sein,
wenn die auf dem Erfahrungswege gefundenen allgemeinen
Regeln (wie die Witterungsregeln) keinerlei andern Werth be~
sässen, als eben der Ausdruck einer gewissen beharrenden Be
schaffenheit scheinbar der Veränderlichkeit unterworfener Er
eignisse zu sein. Dieses dagegen scldiesst ein, dass die im
ersten Falle empirisch entdeckten ,Naturgesetze' sich aus
einem vorausgesetzten Weltendzweck, wie man ihn einer ver
nünftigen, weltbeherrschenden Intelligenz allenfalls Zutrauen
darf, apriorisch als Mittel zu dessen Realisirung deduciren
lassen.
Der Gegensatz- beider Fälle wird klar aus dem von Kant
angeführten Unterschied zwischen Kepler’s und Newton’s Ver
dienst um die Auffassung der gesetzlichen Ordnung der Himmels-
erscheinungen. Die Natur, sagt Kant, brachte einen Kepler
hervor, der die excentrischen Bahnen der Planeten auf eine
unerwartete Weise bestimmten Gesetzen unterwarf; und einen
Newton, der diese Gesetze aus einer allgemeinen Naturursache
erklärte. Während der eine die Gesetze entdeckt, welchen die
Erscheinungen, entdeckt der andere das Weltgesetz, aus dem
80
Zira m er in an n.
jene Gesetze selbst folgen. Dem aufsteigenden Gang- der Unter
suchung-, der bei dem ersten von den scheinbar regellosen Er
scheinungen zu den dieselben beherrschenden Gesetzen empor-,
setzt der andere den absteigenden entgegen, der von der
,allgemeinen Ursache* zu den untergeordneten herabführt.
Es ist keineswegs Kant’s Absicht, durch seine Schrift
den Beweis zu führen, dass Handlungen, wie die von ihm an
geführten, auf welche ,der freie Wille des Menschen so grossen
Einfluss hat*, nichtsdestoweniger einer ,Regel* unterworfen
seien. Vielmehr ,bewiesen* das schon ,die jährlichen Tafeln
derselben in grossen Ländern*. Kant beruft sich auf diese als
Dokumente, durch welche die Thatsache, dass zwar scheinbar
willkürliche Handlungen ,nach beständigen Naturgesetzen ge
schehen*, ausser Zweifel gestellt werde. Immerhin handelt es
sich noch darum, die Thatsache, dass scheinbar willkürliche
Handlungen nach beständigen Naturgesetzen erfolgen, selbst zu
erklären. Wenn man sich nach Kant’s Ausdruck eines gewissen
Unwillens nicht erwehren kann, sobald man der Menschen
Thun und Lassen auf der grossen Weltbühne ausgestellt und
bei hin und wieder anscheinender Weisheit im Einzelnen doch
endlich alles im Grossen aus Thorheit, kindischer Eitelkeit, oft
auch aus kindischer Bosheit und Zerstörungssucht zusammen
gewebt findet — so bliebe für den Philosophen keine andere
Auskunft, als dass, da er bei Menschen und ihrem Spiele im
Grossen gar keine vernünftige eigene Absicht voraussetzen
kann, er versuche, ob er nicht eine Naturabsicht entdecken
könne, aus welcher von Geschöpfen, die ohne eigenen Plan
verfahren, dennoch eine Geschichte nach einem bestimmten
Plane der Natur möglich sei.
Auf die Entdeckung einer solchen ist daher Kant’s, des
,Philosophen*, Absehen gerichtet. Er will sehen, wie er sagt,
ob es ihm gelingen werde, einen ,Leitfaden* zu einer solchen
Geschichte zu finden; den Mann hervorzubringen, der im
Stande sei, sie darnach abzufassen, will er der Natur über
lassen. Letzteren vergleicht er mit Newton, während er sich
selbst die bescheidenere Rolle zuweist, die verborgene End
absicht der Natur aufzuspüren, als deren planmässige Vollzie
hung die Geschichte sich ansehen lasse.
Kant, und die positive Philosophie.
81
Kant betrachtet als diese das zu Stande bringen ,einer
innerlich und zu diesem Zwecke auch äusserlich vollkommenen
Staatsverfassung-' (a. a. 0. S. 305). ,Eine solche', setzt er
hinzu, ,ist der einzige Zustand, in welchem die Natur alle ihre
Anlagen in der Menschheit völlig entwickeln kann.' Zur voll
ständigen und zweckmässigen Auswicklung sind aber ,alle
Anlagen eines Geschöpfes (also auch des Menschen) bestimmt'.
Bei allen Thieren bestätige dieses sowohl die äussere als innere
Beobachtung. Ein Organ, das nicht gebraucht werde, eine
Anordnung, die ihren Zweck nicht erreiche, sei ein Wider
spruch in der teleologischen Naturlehre. Gehen wir von jenem
Grundsätze ab, so ,haben wir nicht mehr eine gesetzmässige,
sondern eine zwecklos spielende Natur; und das trostlose Un
gefähr tritt an die Stelle dos Leitfadens der Vernunft'.
Grund der Zuversicht Kants, einen ,Leitfaden' für die
Geschichte zu entdecken, ist daher allerdings kein anderer,
als die Zuversicht, dass ein solcher in der Natur überhaupt
vorhanden sei. Die teleologische Naturlehre duldet keinen
,Widerspruch', also auch nicht, dass vorhandene Anlagen nicht
zur Entwicklung gelangen. Gibt es nun kein anderes Mittel,
die im Menschen schlummernden Anlagen zur vollen Entfal
tung zu bringen, als eine vollkommene Staatsverfassung,
so muss das Absehen der ,teleologischen' Natur, das unmit
telbar auf jene gerichtet ist, mittelbar auch auf diese gerich
tet sein.
Worauf beruht nun die Zuversicht, dass die Natur über
haupt teleologisch sei? Offenbar auf dem festen Glauben, dass
die Natur ,gesetzmässig' sei. Kant stellt in obiger Stelle ,gesetz
mässige' und ,zwecklos spielende Natur' als Gegensätze ein
ander gegenüber. Da nun das Gegentheil der ,zwecklos spie
lenden' die ,teleologische' Natur ist, so müssen Obigem zufolge
letztere und ,gesetzmässige' Natur im Sinne Kant’s gleich
bedeutend sein. Und von diesem Gesichtspunkte aus fallt ein
Licht auf den Werth, welchen die jährlichen Tafeln' der Ehen,
Geburten und Sterbefälle durch die sich in ihnen kundgebende
Gesetzmässigkeit für Kant’s Versuch - einer teleologischen Ge
schichtsansicht besitzen. Denn erfolgen jene ,nach beständigen
Naturgesetzen', ungeachtet ,der freie Wille des Menschen auf
Sitzungsber. d. pliil.-liist. CI. LXXVII. Bd. I. Hft. 6
82
Zimraermann.
sie so vielen Einfluss hat', so liefert dies einen Beweis, dass
die Natur, auch wo sie in der Gestalt scheinbar willkürlicher
menschlicher Handlungen auftritt, ,gesetzmässig', also nach
Obigem auch, dass sie ,teleologisch' sei.
Zwar zerfällt diese Beweisführung, wenn die von Kant
wie selbstverständlich angenommene Identität der Begriffe ,ge-
setzmässige' und ,teleologische Natur' sich als unhaltbar erweist.
Herbart schon (S. W. Bd. III. S. 150) hat dagegen Einsprache er
hoben, dass ,der rein theoretische (wo nicht vielmehr ungereimte)
Begriff einer Gesetzlichkeit des Zufälligen als die Definition
des Zweckmässigen aufgedrungen werde'. Aus dem letzteren
folgt zwar, dass eine solche gesetzmässig, aus dem ersteren
keineswegs, dass sie teleologisch sei. Eine zweckmässig ein
gerichtete Natur, die gesetzlos wäre, lässt sich nicht denken;
dagegen lässt sich sehr wohl eine ,zwecklos spielende' Natur
denken, deren Erscheinungen dennoch ,beständigen Gesetzen'
unterworfen sind.
Die teleologische Naturlehre einmal vorausgesetzt, bewegt
die Beweisführung Kant’s sich in streng logischer Folgerung.
Der erste, aus dem Begriffe derselben sich ergebende Satz ist
das Theorem: Alle Naturanlagen eines Geschöpfes sind bestimmt,
sich einmal vollständig und zweckmässig auszuwickeln. Das
Gegentheil wäre ,ein Widerspruch gegen die teleologische Natur
lehre'. In Bezug auf den Menschen ist die Erfüllung dieser
Bestimmung nur von der Länge oder Kürze seiner Lebens
dauer abhängig. Als des einzigen vernünftigen Geschöpfes auf
Erden, ist dessen zur vollständigen Entwicklung bestimmte
Naturanlage die Vernunft. Dieselbe, die als ein Vermögen, die
Kegeln und Absichten des Gebrauchs aller seiner Kräfte weit
über den Naturinstinct zu erweitern, keine Grenzen ihrer Ent
würfe kennt, wirkt seihst nicht instinctmässig, sondern bedarf
Versuche, Uebung und Unterricht, um von einer Stufe der
Einsicht zur anderen fortzuschreiten. Ein jeder Mensch würde
daher ,unmässig lange' leben müssen, oder, da seine Lebensfrist
kurz ist, es bedürfte einer ,unabsehlichen Reihe von Zeugungen',
deren eine der andern ,ihre Aufklärung' überliefert, um alle Keime
in der Menschengattung zu der ,der Naturabsicht angemessenen'
Entwicklungsstufe zu treiben. Daraus ergibt sich als zweiter
Kant und die positive Philosophie.
83
Satz, dass sich diejenigen Naturanlagen, welche aut den Ge
brauch der Vernunft abgezielt sind, am Menschen nur in der
Gattung, nicht im Individuum vollständig entwickeln sollen.
Aus dem Besitz der Vernunft und der ,darauf sich gründenden
Freiheit des Willens' folge aber nun weiter, es sei Absicht der
Natur, dass der Mensch nicht durch Instinct geleitet oder
durch anerschaffene Kenntniss versorgt und unterrichtet werden,
dass er vielmehr ,alles aus sich selbst herausbringen solle'.
Denn die Natur — selbstverständlich ist nur die ,teleologische
Natur' gemeint — thue nichts überflüssig und sei im Gebrauche
der Mittel zu ihren Zwecken nicht verschwenderisch. Die Gabe
der Vernunft nämlich sei ihm ein Ersatz für die ,knappe' thic-
rische Ausstattung' (wie sie ihm statt Hörner, Klauen, Gebiss
bloss ,Hände' gab); als hätte sie sich in diesem Betracht
,in ihrer höchsten Sparsamkeit selbst gefallen'. Als Mittel,
die Entwicklung aller Anlagen zu Stande zu bringen, gab
sie ihm die ,ungesellige Geselligkeit' (den ,Antagonismus in
der Gesellschaft/) d. i. ,den Hang in Gesellschaft zu treten,
verbunden mit einem durchgängigen Widerstande, welcher
dieselbe beständig zu trennen droht'. Nur wo diese vollständig,
aber nicht bei bevorzugten Einzelnen auf Kosten der Uebrigen,
sondern für jeden auf gleiche Weise besteht, d. h. in einer
Gesellschaft, welche ,die grösste Freiheit, mithin einen durch
gängigen Antagonismus ihrer Glieder und doch die genaueste
Bestimmung und Sicherung der Grenzen dieser Freiheit hat,
damit sie mit der Freiheit anderer bestehen könne', wird die
höchste Absicht der Natur, die Entwicklung aller ihrer Anlagen
in der Menschheit erreicht. Die Herstellung einer solchen
d. i. einer ,gerechten bürgerlichen Verfassung', muss daher das
von der Natur der Menschengattung gesteckte Ziel und,
da der Mensch alles, wozu er bestimmt ist, ,aus sich her
vorbringen soll', die Herstellung einer solchen durch die Men
schen selbst der Wille der Natur sein. Doch hilft es aber
nicht, an einer gesetzlichen bürgerlichen Verfassung unter ,ein
zelnen Menschen' zu arbeiten, so lange jedes solche ,Gemein
wesen' von anderen seines Gleichen (ein Staat vom andern)
dieselben Uebel erfahren muss, die den einzelnen Menschen
drückten und ihn zwangen (mit andern seines Gleichen) in
6*
84
Z im in erma n n.
einen gesetzmässigen bürgerlichen Zustand zu treten. Derselbe
Antagonismus, welcher der Absicht der Natur gemäss die Ein
zelnen zwingt, sich zu einem bürgerlichen Gemeinwesen, ist
es, welcher im Dienste derselben Naturabsicht die Staaten
nöthigt, sich allmälig zu einem ,grossen Völkerbünde' (foedus
Amphiktyonum) zu vereinigen. Als die Vollziehung dieses ver
borgenen Planes der Natur, um eine innerlich (d. i. innerhalb
des einzelnen Gemeinwesens) und zu diesem Zwecke auch
äusserlich (im Verhalten der einzelnen Gemeinwesen zu ein
ander) vollkommene Staatsverfassung als den einzigen Zustand,
in welchem sie alle ihre Anlagen in der Menschheit völlig
entwickeln kann, hervorzubringen, lässt sich nun die Geschichte
der Menschengattung im Grossen betrachten.
Allerdings nur, wenn wir voraussetzen, dass die Natur
überhaupt ,Absichten' habe. Unter Voraussetzung einer teleo
logischen Natur' mag obige Erwartung der Philosophie immer
hin, wie Kant sagt, ,Chiliasmus' heissen; derselbe ist mindestens
ebenso berechtigt, wie der theologische. In diesem Falle bedürfte
es nicht einmal der Bestätigung durch die Erfahrung, auf welche
Kant mit den Worten: Es kommt nur darauf an, ob die Er
fahrung etwas von einem solchen Gange der Naturabsicht ent
decke, Gewicht legt. Existirt überhaupt eine teleologische
Natur, so kann die Erfahrung keinen anderen als den Stempel
ihrer ,verborgenen' Absichten tragen d. h. die letztere muss
durch die Erfahrung ,offenbar' werden. Was daher die Er
fahrung in diesem Falle zu erweisen vermag, ist, dass die
Natur eine gewisse, im Gange der Dinge sich kundgebende,
nicht aber dass sie überhaupt eine Absicht habe, welches
letztere vielmehr schon vorausgesetzt wird. Auch ist, was Kant
durch Erfahrung zu erweisen sich anschickt, in der That nur
das erstere. Schon jetzt sind die Staaten, bemerkt er, in einem
so künstlichen Verhältniss zu einander, dass keiner in der
inneren Cultur nachlassen kann, ohne gegen die andern an
Macht und Einfluss zu verlieren; es ist also, wo nicht der
Fortschritt, doch die Erhaltung dieses ,Zweckes der Natur',
selbst durch die ehrsüchtigen Absichten derselben, ,ziemlich
gesichert'. Auch bürgerliche Freiheit' kann jetzt nicht mehr
wohl angetastet werden, ohne den Nachtheil davon in allen
1
Kant und die positive Philosophie.
85
Gewerben, namentlich dem Handel, dadurch aber auch die
Abnahme der Kräfte des Staates im äusseren Verhältniss zu
fühlen. Da nun diese Freiheit ,immer weiter geht', die per
sönliche Einschränkung im Thun und Lassen immer mehr auf
gehoben, die allgemeine Freiheit der Religion nachgegeben und
,mit unterlaufendem Wahn und Grillen' das ,grosse Gut', Auf
klärung: nach und nach bis zu den Thronen verbreitet und auf
deren Regierungsgrundsätze einflussreich wird, so lässt sich
hoffen, dass ,nach mancherlei Revolutionen der Umbildung'
endlich ,ein allgemeiner weltbürgerlicher Zustand als der
Schooss, worin alle ursprünglichen Anlagen der Menschheit ent
wickelt werden, dereinst einmal zu Stande kommen werde'.
Da nun, wenn letzteres wirklich die ,höchste Absicht' der
Natur wäre, jenes im natürlichen Laufe der teleologischen Natur
entwicklung sich wirklich so ereignen müsste, so lässt sich aus
dem Factum seines wirklichen Bestandes umgekehrt schliessen,
dass Obiges wirklich die ,verborgene' Absicht der Natur mit der
Menschengattung sei. Angenommen nämlich, die grösstmögliclie
Entwicklung aller im Menschen schlummernden Anlagen sei
die Absicht der Natur, welche nur in einem vollkommensten
Staatswesen möglich ist, so ist nichts anderes zu erwarten, als
dass der wirkliche Lauf der Begebenheiten eine stetige Ver
vollkommnung des letzteren aufweisen werde. Da nun dieses,
wie die Erfahrung (wenn auch nur ,in etwas Wenigem') zeigt,
wirklich der Fall ist, so ist damit auch bezeugt, dass jenes
wirklich die Absicht der Natur sei.
Man braucht nicht weit zu forschen, um dem Original
dieser Schlussweise, welche als ,transscendentale Dcduction' in
Kant’s Philosophie eine Hauptrolle spielt, auf die Spur zu
kommen. Der nächste Satz schon entdeckt die ursprüngliche
Quelle des Kant’schen Lieblingsverfahrens, durch das mit Vor
liebe angewendete Gleiclmiss der Himmelsbewegungen. Zwar
von dem Gange der Naturabsicht erschliesst die Erfahrung ,nur
etwas Weniges'; der Kreislauf derselben scheint so lange Zeit
zu erfordern, bis er sich schliesst, dass man aus dem kleinen
1 heil, den die Menschheit in dieser Absicht zurückgelegt, nur
unsicher die Gestalt ihrer Balm und das Verhältniss der Theile
zum Ganzen bestimmen kann. Doch aber nicht unsicherer, als
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86 Zimmerman n.
man aus allen bisherigen Beobachtungen des Himmels den
Lauf, den unsere Sonne sammt dem Heer ihrer Trabanten im
grossen Fixstern system nimmt, zu bestimmen vermag. Und
,aus dem allgemeinen Grunde der systematischen Verfassung
des Weltbaues' und aus dem Wenigen, was man beobachtet
hat, ,zuverlässig genug', um auf die Wirklichkeit eines solchen
Kreislaufes zu schliessen. Letzterer Satz enthält den Schlüssel
zu Kant’s Argumentation. Wird nämlich die systematische
Verfassung des Weltbaues' als allgemeiner Grund' (hypothe
tisch) vorausgesetzt, so lassen sich daraus bezüglich des Laufes
der Sonne und ihres Gefolges im ,grossen Fixsternsystem'
gewisse Folgerungen ableiten. Werden nun letztere, wenn auch
nur in einem mit ihrer Menge verglichen geringen Theile
durch wirkliche Beobachtung als Thatsachen erwiesen, so lässt
sich daraus ,zuverlässig genug' auf die Wahrheit der obigen
,Hypothese' d. i. der zu Grunde gelegten systematischen Ver
fassung des Weltbaues schliessen. Wenn daher, ist Kant’s
Schluss, die Erfahrung auch nur ,etwas Weniges', was aus der
Plypothese einer auf die vollkommenste Staatsverfassung gerich
teten Naturabsicht folgen müsste, als thatsächlich aufwiese,
so wäre dadurch die Wahrheit obiger Annahme ,zuverlässig
genug' erwiesen.
Allerdings nur dieser bestimmten, nicht des Vorhanden
seins einer Naturabsicht überhaupt. Wer aus gegebenen Beob
achtungen eines beweglichen Weltkörpers auf die Beschaffen
heit seiner Laufbahn schliesst, setzt überhaupt voraus, dass
sich derselbe in einer Kegelschnittscurve bewege, und es fragt
sich nun weiter: in welcher? Zu dieser Voraussetzung hat der
Astronom innerhalb seiner Wissenschaft ein unzweifelhaftes
Recht; das des ,Philosophen', der Natur ,Absicht' beizulegen,
ist erst zu erweisen. Ist der Begriff einer ,teleologischen
Natur' überhaupt ein Widerspruch, oder zum mindesten eine
unerwiesene Voraussetzung, so hilft es wenig, die Nothwendig-
keit einer dereinstigen vollkommenen Gestaltung der bürger
lichen Verfassung aus dem . Grunde darzuthun, weil die nur
auf diesem Wege erreichbare vollkommene Entwicklung der
Vernunft nicht ohne Widerspruch gegen die ,teleologische
Naturlehre' unmöglich gemacht werden könne.
Kaut und die positive Philosophie.
87
Der ganzen Ansicht Kant’s liegt die Abneigung der Ver
nunft zu Grunde, eine ,zwecklos spielende' d. h. eine ,absichts
los' thätige Natur zu denken. Den Gegensatz der geschicht
lichen und der blossen Naturereignisse macht es nicht aus,
dass die einen mit Absicht, die anderen zwecklos erfolgen.
Sein Streben geht dahin, den Begriff der teleologischen Natur
lehre' auch auf die Geschichte auszudehnen. An dem Vorhan
densein einer ,Naturabsicht' in dem ,widersinnigen' Gange
menschlicher Dinge zweifelt er dem Anscheine nach nicht; nur
eine eigene vernünftige Absicht kann der ,Philosoph' bei
Menschen und ihrem Spiele im Grossen nicht voraussetzen.
Das Eigenthümliche der geschichtlichen Handlungen liegt
darin, dass sie ohne, ja wider die Absicht der Handelnden
einer Naturabsicht dienen. Während die eigentliche Naturlehre
dasjenige umfasst, was nach der Absicht der Natur durch das
jenige geschieht, was selbst keiner Absicht fähig ist, nimmt
die Geschichte dasjenige auf, was nach der Absicht der Natur
absichtslos oder absichtlich durch diejenigen erfolgt, die als
vernünftige Geschöpfe fähig sind, mit Absicht zu handeln.
Sind die Objecte der ersteren, die eigentlichen Naturwesen,
des freien Handelns unfähig, so sind die letzteren, die freien
Vernunftwesen, obgleich der Freiheit fähig und sich derselben
bedienend, nichtsdestoweniger nicht frei, da was durch sie
geschieht, nur nach der Absicht der Natur geschieht.
So ist es auch im Sinne einer ,teleologischen Naturlehre'
wahr, dass die menschlichen Handlungen ,wie jede andere
Naturbegebenheit' nach ,allgemeinen Naturgesetzen' bestimmt
seien. Ein verborgener ,Plan‘, eine geheime ,Naturabsicht'
schreibt dem Entwicklungsgänge der Natur wie des Menschen
geschlechts seine ,Gesetze' vor. Allerdings was hier ,Gesetz'
heisst, setzt einen ,Gesetzgeber' voraus; eine anschauende
Intelligenz, welche die ganze zukünftige Entwicklung vor ihrer
Entfaltung im Geiste überschaut und will und die in Natur
und Menschheit gegebenen Bedingungen demgemäss zur Iteali-
sirung ihres Zweckes als Mittel verwendet. Wie in der staat
lichen Gesetzgebung vom Zwecke des Staates, so ist in der
Gesetzgebung der Natur und Geschichte planmässig lenkenden
Intelligenz der Inhalt der Gesetze von dem durch Natur und
88
Zimmerm ann.
Menschheit zu re'ailisirenden Endzwecke abhängig'. Eine von
Anfang- feststehende ,Bestimmung' zeichnet dem vernunftlosen
wie dem vernunftbegabten Geschöpf seine Entwicklung vor,
die in der vollständigen Auswicklung aller in demselben gele
genen Keime und Anlagen besteht. Zur Erreichung dieses
Zweckes, der die ,Naturabsicht' ausmacht, sind die Gesetze
der Natur und dieser gemäss die Erscheinungen geordnet.
Von der theologischen unterscheidet sich diese teleo
logische Ansicht der Natur und Weltgeschichte in zwei (aller
dings wesentlichen) Punkten. Dieselbe setzt an die Stelle der
göttlichen eine ,Naturabsicht' und lässt den Endzweck aller
Menschengeschichte, die vollkommene Entwicklung der Ver
nunftanlage nicht an den Individuen, die ,insgesammt sterben',
sondern an der ,unsterblichen' Gattung sich vollziehen. Dagegen
hat sie den Gegensatz gegen das ,trostlose Ungefähr' (a. a. 0.
S. 295) und den ,epikurischen Zusammenlauf wirkender Ursachen,
(a. a. 0. S. 302) mit jener gemein. Ersteres ist ihr so antipathisch,
dass sie für den ,Grundsatz': alle Naturanlagen eines Geschöpfes
sind bestimmt, sich einmal vollständig und zweckmässig aus
zuwickeln, kein schlagenderes Argument vorzubringen für nöthig
hält, als: wenn wir von ihm abgehen, so haben wir nicht mehr
eine gesetzmässige, sondern eine zwecklos spielende Natur,
und das trostlose Ungefähr tritt an die Stelle des Leitfadens
der Vernunft. Zwar der Möglichkeit, dass durch den ,un
gefähren Zusammenstoss' von Staaten wie von den ,kleinen
Stäubchen der Natur' unter allerlei versuchten Bildungen, die
durch neuen Anstoss wieder zerstört werden, auch ,von Unge
fähr' eine solche gelingt, ,die sich in ihrer Form erhalten kann',
vermag sich auch Kant nicht zu verscldiessen. Allein dies
nennt er ,einen Glücksfall, der sich wohl schwerlich (!) ereignen
wird'! Es scheint ihm ,vernünftiger', anzunehmen, ,die Natur
verfolge hier einen regelmässigen Gang, unsere Gattung von
der untern Stufe der Thierheit an allmälig bis zur höchsten
Stufe der Menschheit zu führen'. Letztere Annahme, da sie
dem ,trostlosen Ungefähr' entgegenstellt, hat demnach auch den
Anspruch, für ,trostvoller' zu gelten. Oder wolle man ,lieber',
dass aus allen diesen Wirkungen und Gegenwirkungen der
Menschen im Grossen überall nichts, wenigstens nichts Kluges
Kant und die positive Philosophie.
89
herauskomme, dass es bleiben werde, wie es von jeher gewesen
ist, und man daher nicht Voraussagen könne, ob nicht die
Zwietracht, die unserer Gattung so natürlich, am Ende für
uns eine Hölle von Uebeln in einem noch so gesitteten Zu
stande vorbereite, indem sie vielleicht diesen Zustand selbst
und alle bisherigen Fortschritte in der Cultur durch barbarische
Verwüstung wieder vernichten werde? Kant nennt dies ,ein
Schicksal, wofür man unter der Regierung des blinden Unge
fähr nicht stehen könne', das aber docli in dem von Kant
selbst vorher angedeuteten und als möglich zugelassenen
,Glücksfalle' wenigstens kaum sich ereignen kann, wenn, ob
gleich nur ,von Ungefähr', eine Bildung, die sich in ihrer Form
,erhalten kann', gelungen sein sollte. Der Gegensatz zwischen
der Annahme des ,blinden Ungefährs' und einer weisen ,Natur
absicht' laufe, sagt Kant, auf die Frage hinaus, ob es^ wohl
vernünftig sei, Zweckmässigkeit der Naturanstalt in Theilen
und doch Zwecklosigkeit im Ganzen anzunehmen? j Da bei
der ,Zweckmässigkeit in Theilen' gleichfalls von einer ,Natur
anstalt' d. i. von einer veranstaltenden Naturabsicht die Rede
ist, so drückt jener Gegensatz nicht sowohl das Verhältniss des
,blinden Ungefährs', das jede ,Naturabsicht' ausschliesst, zur
planmässigen Naturgestaltung, als vielmehr den Gegensatz
zwischen einer ,in den Theilen' klugen, aber im Ganzen
zwecklosen, und einer im Ganzen und in den Theilen einsichts
vollen ,Naturanstalt' aus. Dass letztere Annahme ,vernünftiger'
sei, wenn nur zwischen den zwei letztgenannten zu wählen
ist, leidet keinen Zweifel; in der angeführten Stelle aber
war von drei, statt bloss von den letzten beiden Fällen als
,möglichen' die Rede und so ist durch das obige Argument
der erste derselben, der ,Glücksfall des Ungefähr' nichts weniger
als ausgeschlossen.
Der Unterschied der drei von Kant aufgestellten Fälle
besteht in Folgendem. In Bezug auf den ersten handelt es sich
um die Frage, ob es ,vernünftiger' sei, in der Natur überhaupt
,Vernunft' oder ,blindes Ungefähr' anzunehmen. In Bezug auf
die andern beiden dagegen darum, ob, einen Plan der Natur
einmal vorausgesetzt, es ,vernünftiger' sei, denselben nur in
den Theilen oder auch im Ganzen vorauszusetzen. Der Schwer-
90 Z i m m e r in a n n.
punkt der Entscheidung liegt im Begriffe des ,Vernünftigen'.
Wird unter Vernünftigkeit in Bezug auf die Vorstellung der
Natur eben nichts anderes verstanden, als die Vorstellung, dass
dieselbe ,planmässig' vorgehe, so versteht es sieh von seihst,
dass die entgegengesetzte Vorstellung des ,blinden Ungefähr'
eben unvernünftig sei. Nach dieser Auffassung besteht die
,Vernünftigkeit' darin, auch der Natur ,Vernunft' und ,plan-
massiges Vorgehen' beizulegen d. h. die Vorgänge in derselben
so vorzustellen, wie sie sein müssten, wenn die Urheberin
derselben, die Natur, ein vernünftiges d. i. nach Plan und mit
Absicht handelndes Wesen wäre. Dies einmal zugegeben, wäre
die Annahme, die Natur handle nur ,in Theilen' zweckmässig,
im Ganzen aber ,zwecklos', allerdings ,unvernünftig'; die Natur
einmal als ,Vernunftwesen' gedacht, kann sie nur als sowohl im
Ganzen wie in den Theilen vernünftig gedacht werden. Jenem
zufolge wäre eine Vernunft, die die Natur nicht als ,Vernunft-
wesen', diesem zufolge eine Vernunft, die sie nur ,in Thei
len' (statt im Ganzen) als solches dächte, nicht werth ihres
Namens.
Dem Anscheine nach liefen nun alle drei Fälle auf
ein und dasselbe, auf den Begriff der Vernünftigkeit hinaus,
der das Vernunftwesen zwingt, die Natur als Vernunftwesen
zu denken. In Wirklichkeit aber verhält sich die Sache ganz
anders und hat der Begriff der Vernünftigkeit im ersten Falle
eine ganz andere Tragweite als in den beiden anderen Fällen.
Wird nämlich einmal die Natur als Vernunftwesen gedacht,
so ist damit schon gesagt, dass es ein Widerspruch wäre, wenn
dieselbe zwar in den Theilen, aber nicht im Ganzen als sol
ches gedacht würde. Letzterer Gedanke ist eine notkwendige
Consequenz des ersten Gedankens; wer den ersten denkt,
muss nothwendig den zweiten decken, wenn er folgerichtig
denkt.
Die Vernünftigkeit im ,Ganzen' ist eine nothwendige Folge
der Vernünftigkeit der Natur, die eben kein Vernunftwesen
wäre, wenn sie es bloss ,in Theilen' wäre. Der Gedanke einer
vernünftigen Natur steht mit dem Gedanken einer ,durchgehends'
vernünftigen Natur in so engem Zusammenhänge, dass der eine
nicht ohne den andern gedacht werden, und aus der Setzung
lvaut und die positive Philosophie.
91
des einen direct auf das Gesetztsein des andern geschlossen
werden kann. Wenn eine vernünftige Natur ist, lautet die
Forderung der Vernunft, so kann sie nur im Ganzen und
in den Theilen vernünftig sein.
Wird dageg'en vermöge einer unabweislichen Forderung
der Vernunft die Natur von dieser als ,Ver nunftwesen' gedacht,
so folgt daraus keineswegs, dass sie auch wirklich ein solches
sei. Jene Forderung der Vernunft gilt nur für diese selbst
d. i. für ein Denken, das Anspruch darauf macht, für ,ver
nünftig' zu gelten. Möglich wäre es immer, dass von der
Art, wie sie gedacht wird, ganz unabhängig die Natur als solche
,vernunftlos', ein ,epikurischer Zusammenlauf wirkender Ur
sachen' wäre. Dass auf diesem Wege des ,ungefähren Zusam-
menstosses' Bildungen zu Stande kämen, die sich ,in ihrer
Form erhalten könnten', wäre zwar nach Kant’s Ausdruck ein
,Glücksfall', der sich ,schwerlich' ereignen wird; wenn er sich
aber auch nur überhaupt ereignen kan n, so ist aller notli-
wendigen Annahme der Vernunft zum Trotz eine ,vernunftlose'
Natur keine Unmöglichkeit. Während daher der Gedanke einer
vernünftigen Natur den Gedanken einer dur chgeli ends ver
nünftigen Natur mit Nothwendigkeit nach sich zieht, zieht der
wenn auch unvermeidliche Gedanke einer vernünftigen Natur
die Existenz einer solchen keineswegs nach sich.
Möchte daher die Annahme einer ,vernunftlosen' Natur
immerhin wider die Vernunft, der vernünftige Gedanke einer
,Naturvernunft' muss darum nicht schon Erkenntniss sein.
Vielmehr bleibt nach dem Vorigen die Möglichkeit offen, dass
es, der unabweislichen Vernunftforderung ungeachtet, die Natur
als ,Vernunftwesen' zu denken, mit der Natur, die da ist,
auf ganz entgegengesetzte Weise sich verhalte. Die Verriunft-
annahme einer vernünftigen Natur kann ein unvermeidlicher
Schluss, aber nichtsdestoweniger ein Fehlschluss sein, wie es
der von Kant sogenannte Paralogismus der reinen Vernunft
bezüglich der Existenz eines für sich bestehenden Seelenwesens
ist. Die teleologische Natur, eine Ausgeburt der Vernunft,
sehliesst die Möglichkeit nicht aus, deren, obgleich unvermeid
liche Selbsttäuschung, ein ,Vernunftroman' zu sein, dem keine
Realität entspricht.
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92 Z immer mann.
Dass Kant nicht behauptet hat, eine Natur ohne Absicht
und Wille sei eine Unmöglichkeit, liegt nach Vorstehendem
auf der Hand. Ebenso, dass der Gedanke einer ,teleologischen
Natur' aus der Abneigung der (subjectiven) Vernunft entspringt,
eine ,zwecklos spielende' Natur, ein blindes Ungefähr zu den
ken. Mit klaren Worten spricht Kant dies von der natürlichen
Tochter der teleologischen Natur, von der teleologischen Ge
schichte, aus. Nachdem er in seinem neunten Satz (a. a. 0.
S. 307) einen philosophischen Versuch, die allgemeine Welt
geschichte nach einem Plane der Natur zu bearbeiten, der
auf die vollkommenste bürgerliche. Vereinigung abzielt, als
möglich und selbst für jene Naturabsicht als beförderlich er
klärt hat, fährt er fort: nach einer Idee, wie der Weltlauf
gehen müsste, wenn er gewissen vernünftigen Zwecken ent
sprechen sollte, eine Geschichte abzufassen, sei allerdings ein
befremdlicher und dem Anscheine nach ungereimter Anschlag;
es scheint, in einer solchen Weise könne nur ein Roman zu
Stande kommen! Zwar wenn man annehmen dürfe — dass
man es darf, sagt er nicht — dass die Natur selbst im Spiele
der menschlichen Freiheit nicht ohne Plan und Endabsicht
verfahre, so könnte diese ,Idee' immerhin brauchbar sein, aller
dings nur zum ,Leitfaden, ein sonst planloses Aggregat mensch
licher Handlungen, wenigstens im Grossen, als ein System
darzustellen'. Kant spricht von der teleologischen Auffassung
der Geschichte nicht wie von einer Thatsache, sondern wie
von einem Hilfsmittel zur systematischen Darstellung
derselben. Die Möglichkeit, dass das so Dargestellte d. i. der
Gang menschlicher Handlungen, als solches nichts weniger als
systematisch', nichts Besseres sei als ein ,planloses Aggregat', ist
so wenig ausgeschlossen, wie durch die ,vernünftige' Annahme
einer ,Endabsicht in der Natur' die Möglichkeit eines vernunft
losen ,Ungefähr'.
Deutlicher noch drückt sich Kant in der später verfassten
Kritik der Urtheilskraft aus. Schon die Kritik der reinen Ver
nunft hat nach dem bestätigenden Zeugniss eines scharfsinnigen
neueren Darstellers von Kant’s Teleologie (Stadler: Kant’s Teleo
logie Berl. 1874) zu dem Ergebniss geführt, dass der Naturzweck
nicht aus der Natur abgelesen werden kann. Nach der Kritik der
Kant und die positive Philosophie.
93
Urtheilskraft kann nickt nur nicht ansgemacht werden, ob Dinge
der Natur als Naturzwecke betrachtet, für ihre Erzeugung eine
Causalität von ganz besonderer Art (die nach Absichten) erfordern
oder nicht, sondern es kann auch nicht einmal gefragt werden, weil
der Begriff eines Naturzweckes seiner objectiven Realität
nach gar nicht erweisbar ist. (Vgl. Stadler a. a. 0. S. 120.)
Für ,vermessen' erklärt es Kant (Kr. d. U. ij. 75, VII. S. 277),
zu behaupten, dass in der Natur ein hinreichender Grund der
Möglichkeit organisirter Wesen, ohne ihrer Erzeugung eine
Absicht unterzulegen (also im blossen Mechanismus derselben),
gar nicht verborgen liegen könne, denn, sagt er mit denselben
Worten wie obenLittre: ,woherwollen wir das wissen?' Ueber
den Satz, ob ein nach Absichten handelndes Wesen den Natur
zwecken zu Grunde liege, lässt sich ,objectiv gar nicht,
weder bejahend noch verneinend urtlieilen'; wenn wir
demungeachtet nicht anders können, als ,ein verständiges Wesen
der Möglichkeit jener Naturzwecke zu Grunde zu legen', so
geschieht dies lediglich ,nacli dem, was uns einzusehen durch
uusere eigene Natur vergönnt ist, nach den Bedingungen und
Schranken unserer Vernunft', demnach schlechterdings sub-
j e c t i v!
Der ,anthropomorphistische' Charakter des teleologischen
Naturbegriffes, den die positive Philosophie der kritischen ab
spricht, kann nicht unverholener ausgedrückt werden. Derselbe
hat nach Stadler’s triftiger Bemerkung ,trotz seiner empirischen
Gelegenheitserzeugung' einen ,rein subjectiven Ursprung'. Auch
dieser (a. a. O. 127) nennt es eine ,allerdings natürliche Illu
sion der Vernunft', wenn sie den ,projicirten‘ Zweck im Laufe
des Naturmechanismus als Glied zu entdecken meint.
Der Vorwurf, welchen die positive Philosophie auf die
kritische wälzt, fällt auf sie selbst zurück. Diese hat niemals sich
ang’emasst, die Thatsächlichkeit einer intelligenten Natur,
aber ebensowenig die Thatsächlichkeit einer nicht intelli
genten erkennen zu wollen. Statt der Erfahrung als einziger
und untrüglicher Erkenntnissquelle zu vertrauen, hat sie in vor
sichtiger Zurückhaltung sich begütigt, die Bedingungen einer
solchen, vor dieser selbst, zum Gegenstände der Forschung zu
erheben. Das skeptische Facit derselben erschüttert die Grund-
5)4
Zi mm ermann. Kant und die positive Philosophie.
läge der positiven Philosophie. So bestechend durch Einheit
im Ganzen und Neuheit im Einzelnen ihre Ergebnisse aus-
fallen, den gerechten Tadel, dass ihr erkenntnisstheoretischer
Charakter unkritischer Dogmatismus sei, vermag sie so
wenig wie Bacon’s empiristische Richtung, aus der sie ent
sprang, von sich abzuwehren.
XI. SITZUNG VOM 22. APRIL.
Der Secretär verliest Dankschreiben des n. ö. Gewerbe
vereins und der deutschen Gesellschaft für Natur- und Völker
kunde Ostasiens für Ueberlassung der academ. Publicationen.
Herr Dr. Matthias P a n g c r 1 ersucht um Aufnahme
seiner Untersuchung über die Witigonen in die Schriften der
historischen Commission.
Die Aufnahme der von Herrn Custos Adolf Wolf ein
gesendeten Sammlung von Briefen von Hoffmann von Fallers
leben und Moriz Haupt an Ferdinand Wolf in die Sitzungs
berichte wird genehmigt.
An Druckschriften wurden vorgelegt:
Accademia Pontificia de’ nuovi Lincei: Atti. Anno XXVII. Sess. 2 ,in . Roma,
1874; 4«.
Akademie der Wissenschaften, Kgl. Preuss., zu Berlin: Monatsbericht.
Februar 1874. Berlin; 8°.
— — und Künste, Südslavische: Kad. ICnjiga XXVI. IT Zagrebu, 1874; 8°.
— — Starrae. ICnjiga V. U Zagrebu, 1873; 8°.
Bern, Universität: Akademische Gelegenheitschriften aus d. J. 1873. 4 U . u. 8°.
Gesellschaft der Wissenschaften, kgl. böhm.: Sitzungsberichte. 1874,
Nr. 1. Prag; 8°.
kgl. Sachs., zu Leipzig. Abhandlungen der philolog.-histor. Classe.
VI. Band, Nr. 5; VII. Band, Nr. 1. Leipzig, 1873; 4°. — Abhandlungen der
mathem.-phys. Classe. X. Band, Nr. 6. Leipzig, 1873; 4°. — Berichte der
philolog.-histor. Classe. XXIV. Band 1872. Leipzig, 1873; 8". — Berichte
der mathem.-phys. Classe. 1872, Heft 3 u. 4; 1873, Heft 1 u. 2; Leipzig,
1873; 8°. — Elemente des ersten Cometen vom Jahre 1830. Von L. ß.
Schulze. Leipzig, 1873; 8°.
96
Marburg, Universität: Akademische Gelegenheitsschriften seit November
1872. 4«. u. 8°.
Mittheilungen aus J. Perthes’ geographischer Anstalt. 20. Band. 1874.
Heft IV. Gotha; 4°.
Revista de Portugal e Brazil. Nr. 11 u. 12. Lisboa, 1874; 4°.
Revue politique et litteraire 1 et ,Revue scientifiqne de la France et de,
l’etranger“. III C Annee, 2° Serie, Nr. 42. Paris, 1874; 4°.
Societä Italiana di Antropologia e di Etnologia: Archivio. IV. Vol. Fase. I".
Firenze, 1874; 8°.
Society, The Royal Geographical, of London: Proceedings. Vol. XVIII.
Nr. 2. London, 1874; 8°.
Verein, histor., für das Grossherzogthum Hessen: Archiv für hessische Ge
schichte und Alterthumskunde. XIII. Band, 2. Heft. Darmstadt, 1S73; 8°.
— Register zu den zwölf ersten Bänden des Archivs für Hess. Gesell,
und Alterthumskunde. Darmstadt, 1873; 8°. — Die vormaligen geist
lichen Stifte im Grossherzogthum Hessen. I. Band. Von G. Willi. Justin
Wagner. Darmstadt, 1873; 8”.
/
Wolf. Briefe von Hoffmann von Fallersleben und Moriz Haupt an Ford. Wolf. 97
Briefe von Hoffmann von Fallersleben und
Moriz Haupt an Ferdinand Wolf.
Herausgegeben von
Adolf Wolf.
ln dem Nachlasse meines verewigten Vaters fanden sich
nebst einer geringen Zahl Briefe von Hoffmann von Fallers
leben (im Ganzen acht) dreissig Briefe, von Moriz Haupt an
denselben vor.
Im Sommer 1834 verweilten diese beiden, um die Wissen
schaft hochverdienten Männer, deren Tod so rasch nacli einander
erfolgte, 1 in Wien, wo sich ihr Freundschaftsbund untereinander
und mit Ferd. Wolf knüpfte, und aus dem Ende dieses Jahres
stammen die frühesten Briefe, welche Hoffmann und Haupt an
Wolf richteten.
Die Briefe Hoffmann’s gehen vom Jahre 1834 bis zum
Jahre 1839, ihnen scliliesst sich noch der letzte aus dem Jahre
1852 stammende Brief an. Die ungleich zahlreicheren und be
deutenderen Briefe Haupt’s reichen von 1834 bis 1850; nament
lich in den Jahren 1835 bis 1837 sind die Briefe Haupt’s häufig
und inhaltreich. Sie sind ein schönes Denkmal des reinen und
selbstlosen Eifers für die Wissenschaft, und der enthusiastischen
Hingebung an dieselbe, mit der die germanistischen und roma
nistischen Studien in den Jahren 1830—1840 betrieben wurden.
Bei dem Abdrucke dieser Briefe habe ich mich streng
an die Schreibweise der Briefsteller gehalten. Die Briefe
Hoffmann’s sind sämmtlich mit deutschen, die Haupt’s, mit Aus
nahme der beiden letzten, mit lateinischen Lettern und kleinen
Anfangsbuchstaben geschrieben.
1 Hoffmann von Fallersleben starb am 29. Jänner, Haupt am 5. Februar 1874.
Sitzungsber. d. phil.-hist. CI. LXXVII. Bd. I. Hft. 7
98
Wolf.
Die von dem Herausgeber herrührenden Anmerkungen
sollen nur die in den Briefen verkommenden Bezüge auf
manche, jetzt schon halb verschollene literarische Produkte
jener Jahre erläutern und werden vielleicht auch dem Fach
manne nicht ganz unwillkommen sein. Einige kurze biogra
phische Notizen durften ebenfalls nicht fehlen.
Wien, im März 1874.
Adolf Wolf.
I.
Briefe von Hoffmann von Fallersleben.
1.
Zittau, 31. Dec[ember] 1834.
Lieber Freund!
Spät, aber nicht minder herzlich muss ich Ihnen noch
meinen Dank sagen für die vielen freundlichen Beweise Ihrer
Theilnahme. Ihnen zunächst verdanke ich den heiteren und
erfolgreichen Aufenthalt zu Gräz. 1 Wenn Sie nächstens dahin
schreiben, so bitte ich mich bestens zu empfehlen und alle
meine Bekannten wissen zu lassen, dass icli noch oft und
gern in froher dankbarer Erinnerung mit ihnen in Gräz lebe.
Schade, dass ich nicht länger verweilen konnte! Es waren
schöne Tage.
So eben schreite ich zur Herausgabe des holl[ändischen]
Gedichtes von Floris ende Blancefloer door Diederic van As-
senede. 2 Es wäre mir sehr angenehm, wenn nun auch Sie sich
entschliessen -wollten, für das französische] Gedicht gleichen
Inhalts etwas zu thun. Uhland hat mir seine Abschrift einer
pariser Hs. abgetreten. Diese Hs. stimmt nur im Allgemeinen
1 Ferd. Wolf’s Stiefvater, Pr. Josepli Schwatnberger, war einer der ange
sehensten Advoeaten in Graz; an diesen war Hoffmann durch Wolf,
der einen grossen Theil seiner Jugendjahre in Graz zugebracht hatte,
empfohlen worden.
2 Wurde in den Horae Belgicae, Pars 3, abgedruckt.
Briefe von Hoffmann von Fallersleben und Moriz Haupt an Ferd. Wolf.
99
überein mit der im Romancero franc[ais] von P[aulin] Paris 1
p. 55. 599. beschriebenen.- Verschafften Sie sich nun davon
vollständige] Abschrift und nähmen die Uhlandsche dazu, so
hätten Sie so ziemlich was Sie brauchen. In Wien würden
Sie, oder in Leipzig, schon einen Verleger finden. | Es wäre
doch schön, wenn wir doch Einen poetischen Stoff des Mittel
alters, und namentlich diesen wunderlieblichen in allen Sprachen
vor uns hätten. Das Verhältnis der einzelnen Litteraturen
und die Art und Weise, wie jedes Volk so etwas behandelte,
würden lichter hervortreten als jetzt bei unserer beschränkten
Kenntniss möglich wird. Nun, schreiben Sie mir Ihre Meinung,
die Abschrift wartet auf Ihren Wink.
Kommen Sie nicht bald nach Gräz? Dort liegt eine
PgHs. einer Kaiserchronik aus späterer Zeit, worin gewiss
manches Eigenthümliche vorkommt. Ich bitte, selbige ein
zusehen. Ich konnte sie leider nicht benutzen. Wenn Sie
nächstes Jahr nach Dresden und Berlin gehen, so sprechen Sie
auch bei uns vor. Vielleicht könnte ich Sie dann bis ins Ge
birge oder nach Prag begleiten.
Vertreiben Sie Endlicher] die bösen Grillen! Er arbeitet
offenbar zu viel. Es wäre oft gescheidter, er läse statt des
Schi-King die Weinkarten und Speisezettel u. studirte die
Naturgeschichte der Schmarren und horchte auf die Töne des
Jägerhorns (Brauner Str[asse]?) * 3
Grüssen Sie die ganze Bibliothecam Palatinam freund-
lichst von
Ihrem
IJ. v. F.
lege meo periculo Dorotheenstrasse.
Iipt. *
2.
Breslau, 9. Januar 1835.
Lieber Freund!
Diesen Morgen V 2 6 Uhr bin ich yon meiner sächsischen
Reise fröhlich heimgekehrt. Ich habe viele Briefe vorgefunden,
1 Paris. 1833. 8°.
2 Siehe S. 114. Anm. 7.
3 Ein damals stark besuchtes Weinhaus.
4 Mit rotlier Tinte von Moriz Haupt geschrieben.
100
Wolf.
so auch den Ihrigen. Ich freue mich herzlich, dass Sie mir
Gelegenheit geben, Ihnen eine kleine Gefälligkeit zu erweisen.
Die begehrte v[on] d[er] Hagensche Schrift besitze ich selbst
und lasse sie Ihnen hiemit zukommen. Ich hoffe, Sie werden
dadurch ermuthigt werden, andere Wünsche mir zu offenbaren.
Sie dürfen überzeugt sein, dass ich gern bereit bin, mein
frohes Andenken an Sie und Ihre freundliche Theilnahme zu
erneuen. Die schlesische Zeitschrift liegt bereit, sagen Sie,
durch wen? und sie geht sogleich ab.
Uhland war sehr erfreut über Ihre Gabe, so auch Grimm. 1
Nur müssen Sie über diesen nicht zürnen, wenn er mit der
Rec[ension] zögert. Er giebt eben seine deutsche Mythologie
heraus und hat ganze Stösse | Bücher zum Recensieren liegen,
wozu er natürlich vor wirklich drückenden Amts- und anderen
Arbeiten nicht kommen kann.
Berücksichtigen Sie doch meinen Vorschlag in Betreff des
Flos. 2 Die Sache gefällt mir immer besser, weil sie mir immer
ausführbarer erscheint.
Mit den herzlichsten Grüssen
Ihr H.
3.
Breslau, 3. Juni 1835.
©
»o
La Rauschen, Lieb, la Rauschen, g
Ich acht nit, wie es geht — -g
'S
fl
fl
so mochtet Ihr wohl singen, Ihr Herren der k. k. Hofbiblio
thek, als Ihr den armen Rauschen zum 44male 3 in die Welt
schleudertet, in’s ungewisse Menschenloos, denn dieser Bruder
1 Möglicherweise das 1838 erschienene Buch F. Wolf’s ,Ueber die neuesten
Leistungen der Franzosen für die Herausgabe ihrer National-Helden
gedichte 1 , u. s. w.
2 Vgl. Brief 1.
3 Es wurde nur eine geringe Anzahl von Exemplaren von dem Büchlein
,Von Bruoder Rauschen 1 abgezogon; darauf bezieht sicli auch die Unter
schrift Hoffmann’s zu diesem Briefe.
Briefe von Hoffnuum von Fnllorsleben und Moriz Haupt an Fertl. Wolf. 101
R[ausch] ist mir erst vor wenigen Tagen aus Zittau zukommen.
Nun, er befindet sich wohl und munter und ich habe mir seine
tollen Streiche von ihm selbst erzählen lassen zu meinem be
sonderen Ergötzen, auch gerne vernommen, wie er so grund
gelehrt ist in allerlei Sprachen und Künsten. Man sollt’s nicht
glauben, wenn man’s nicht sähe. Sogar sinesisch! Das ist
diabolisch, oder mit Kopitar und Budik 1 zu reden, bestialisch.
Doch ich will nicht hyperbolisch werden, es ist die Möglich
keit geschehen. Ich wusste von dem Kerl so gut wie gar
nichts und habe doch etwas gewusst, was Sie mitsammt dem
gnädigen Herren 2 wissen konnten. Im Aufsessischen An
zeiger irgendwo gebe ich Nachricht Uber einen Druck des
Br[uder] R[ausch]. Ich kann die Stelle nicht | gleich finden
und schreibe lieber aus meinen Sammlungen den Titel ab:
,Von Bruder Rauschen, Was Wunders er getriben hat
in einem Kloster, darinn er Siben Jar sein zeit vertriben
hat, vnd gedient in eines Kochs gestalt, etc. (Holzschn|itt])h
8°. 15 Blätter. Am Ende: ,Gedruckt zu Nürnberg, durch
Friderich Gutknecht/ In der Kirchenbibliothek zu Zelle
an der Alter (zwischen Bremen und Fallersleben). 3 Friedrich
Gutknecht ist, glaube ich, ein Zeitgenosse von Val[entin]
Neuber, eher älter als jünger, so dass also dieser Druck nach
dem ersten angeführt werden musste. Und wie schön, wenn
ich auch ins Büchel gekommen wäre.
Was übrigens mein Rauschen anbetrifft, so geht es damit
sehr an. Ich trinke seit dem 2. April an 12 Flaschen Wein
und gehe selten zu Weine, und ein Geburtstagsgeschenk meines
Bruders, ein Anker Wein, ist schon */ 2 Jahr unterwegs. |
Uebrigens meinen herzlichen Dank und ich will darauf
St. Stephan’s und St. Ferdinand’s Minne trinken (cf. Horae
belg[icae] II, 46).
1 Beamter der k. k. Hofbibliothek, später Bibliothekar in Klagenfurt; siehe
über ihn Wurzbach, biograph. Lexikon des Kaiserthums Oesterreich,
Bd. II. 195 und die Nachträge in Bd. XI. 376.
2 Offenbar ist Endlicher gemeint, der mit Wolf den Bruoder Kauschen
herausgab, und in den späteren Briefen Hoffmann’s meist auf diese Art
bezeichnet wird.
3 Oie Notiz von Iloffmann steht im 2. Jahrgange des Anzeigers von
Aufsess, Sp. 75.
102
Wolf.
Endlich sehe ich Land bei meinem Wörterbuche zu Floris
ende Blancefloer. Sobald es vollendet, beginne ich die Vor
rede und dann stosse ich dies Schiff ab. Ich wollte Sie wären
hier, oder ich wäre dort, Sie hätten mir in Erklärung der
romfanischen] Wörter wesentlich nützen können. Was heisst:
Hi entrimeerde an een sant? 1
Wenn ich auch encrimeerde lese, kommt doch nichts
heraus, der Sinn ist wol: er ankerte. Wissen Sie kein roma
nisches] Wort, was ähnlich klingt?
Auf den 2. Theil der Fundgruben bin ich selbst sehr be
gierig. Wie es damit werden soll, weiss Gott. Der Stoff ist
kaum zu überwältigen und Amts- und andere Arbeiten treten
meist immer wieder störend dazwischen, wenn ich einmal im
Zuge bin. Ich muss ein neues Collegium ausarbeiten: Ency-
klopädie und Geschichte der deutschen Philologie. Diesmal
sollte ich es schon lesen, es hatten sich aber zu wenig ge
meldet, und das war Grund für mich, es aufzuschieben. | Ihr
Anerbieten in Bezug auf Gräz ist sehr freundlich. Ehe ich
Sie, lieber Freund, um bestimmte Dienstleistungen ersuche,
muss ich erst meine Papiere genau durchmustern. Uebrigens
schreiben wir uns ja noch vor Ihrer Abreise. Meine Monat
schrift soll mit der ersten Gelegenheit abgehen, ein Exfemplar]
für Sie, eines für den gnädigen] Herren.
Bewegen Sie doch E[ndlicher], dass er mir auf meine An
fragen antwortet. Er schreibt immer so hastig und beklagt sich,
dass er nicht wisse, was ich wünsche, und ich habe mir die
Seele schon ausgewunschen. Sollten auch 3 oder 4 Briefe ver
loren gegangen sein, so ist doch des Gewünschten noch so
viel, dass er mit dem Erfüllen alle Hände voll zu thun haben
kann. Nun ich ihm geschrieben habe, dass ich komme, 2 nun
wird er erst gar nicht schreiben. Sagen Sie ihm, ich läge tödt-
lich danieder an der Sehnsucht nach Wien und meine Schmerzen
könnten nur gelindert werden durch ein kleines Brieflein an
Ihren und seinen
der k. k. Hofbibl[iothek| verpflichteten
R. A. U. S. C. H. E. N. Nr. 44.
1 Siehe Horae Belgicae, p. III, Vers 97, und die Anm. zu diesem Verse.
2 Hoffmann kam aber erst 1839 wieder nach Wien.
Briefe von HofFnmnn von Fallersleben und Moriz Haupt an Ferd. Wolf. 103
Am Rande des Blattes:
Für Endlicher:
Was ist Tyrebijn (so im Reim) oder Turibim 1 für ein
Baum, Strauch? An Terebinthus wol nicht zu denken.
4.
Zittau, 19. April 1836.
Zu gemeinsamer freundlicher Erinnerung an unseren Wiener
Sommer habe ich Ihnen lieber Wolf, und.Haupt beiliegendes
Schriftchen gewidmet. 2 Möge es auch bei Ihnen seinen heiteren
Zweck erreichen und Sie zu einem Studium einladen, das Ihren
vielseitigen wissenschaftlichen Bestrebungen nicht fern liegt.
Floris und Blancefloer soll später erfolgen. Meine Monatschrift 3
schickte ich Ihnen schon im vorigen Sommer (4. Juli), habe
aber nie erfahren, ob sie in Ihre Hände gelangt ist; sie war
an die Rohrmannsche Buclihdl. gerichtet und ich Bitte dort nach
zufragen.
Zu meiner deutschen Philologie 4 schreibe ich eben die
Vorrede, wobei mir Haupt durch Rath und That den wesent
lichsten Dienst erweiset. Ich mache Sie auf das Buch auf
merksam, weil ich von Ihnen vielerlei dafür erwarte, was sich
von Ihnen eben nur erwarten lässt. Schon heute bitte ich um
Auskunft über Folgendes: |
Wann ist Matthias II öfer, 6 Pfarrer zu Kematen bei Linz, ge
storben? wann Jos. Georg Me inert 11 geboren, Tag und Jahr? und
so möchte ich auch Geburts-Ort, Jahr und Tag von Franz Ziska 7
1 Siehe Horae Belg. p. III. Vers 978. u. Anm. zu Vers 962.
2 Caerl ende Elegast. (Horae Belgicae P. 4.)
3 Monatschrift von nnd für Schlesien. Breslau. 1S29. 2 Bde. Die biblio
graphischen Angaben über Hoffmann’s Werke sind zum grössten Tlieil
aus J. M. Wagner’s Büchlein ,Hoffmann von Fallersleben 1818—1868.
Fünfzig Jahre dichterischen und gelehrten Wirkens“ (Wieu. 1869. 8°.)
geschöpft.
4 Die deutsche Philologie im Grundriss. Breslau. 1836, 8°.
5 S. über ihn Wurz hach, 1. c. IX. 99.
6 S. Wurzbach, XVII. 281.
1 S. österr. Nationalencyklopädie, Till. V. S. 431. Ziska ist den
15. November 1855 in Wien gestorben.
104
Wolf.
(jetzt Tschischka) wissen. Auch der Geburtstag von Castelli
fehlt mir und über Grünsteiner, 1 K. Meisl 2 und Raimund
habe ich nichts ermitteln können. Fragen Sie doch Zislca,
ob er mir nicht einen besonderen Abdruck (wenn es solchen
etwa giebt) von seinem Idiotikon in den Beiträgen zur Landes
kunde Oesterreichs unter der Enns verschaffen kann? u. suchen
Sie für mich zu erwerben: Maurus Lindermayer’s 3 Dich
tungen in ob der ennsischer Volksmundart. Linz. 1822. 8".
Wenn Sie mein Buch erst vor Augen haben, werden Sie
sehen, dass ich zu einer neuen Auflage Mancherlei bedarf,
was ich nur durch meine Wiener Freunde erhalten kann, und
wer könnte mir jetzt noch helfen, seit Endlicher in die
Farrenkräuter, Meerschnecken und andere Seeungeheuer hinein-
gerathen ist? |
Sollte es denn gar nicht möglich sein, eine Abschrift zu
erhalten von Cod. Vind. 2841 (früher Histjoria] ecclfesiastica]
68)? Ich habe mich deshalb nun schon so oft vergeblich an
Endlicher gewendet. Es ist eine Papierhdsehr. des 15. Jlirh.
111 Blätter in fol. und enthält die Evangelien in Versen frei
bearbeitet und also beginnend:
Got ainig ewig alles gut
Freilich möchte ich nicht gern, dass Goldhahn 1 nicht (sic!)
darüber käme, weil er von meinem Fund der ganzen Welt
gleich abschriebe; auch wissen Sie, dass ich Goldlmhn’s Schrift
nicht liebe und seine Preise noch weniger. Eben so wäre mir
eine Abschrift der niederdeutschen Gedichte in Nr. 2940 (früher
Hist[oria] prof[ana] 739) 5 höchst willkommen. Ich kann Ihnen
1 Dieser Name kommt bei Wurzbach und in der österr. Nationalencyklo-
pädie nicht vor; auch Gödecke, der im 4. Hefte des 3. Bandes seiues
Grundrisses den Antheil Oesterreichs an der dramatischen Dichtung im
Hl. Jh. mit grossem Fleisse und vieler Gründlichkeit zusammengestellt
hat, kennt diesen Namen nicht.
2 S. Wurzbach, XVII. 284.
3 Recte Lindemayer, s. Wurzbach, XV. 201.
4 Franz Goldhann, geh. in Wien 1782, gestorben in Baden 1856, ein be
kannter Alterthumsforscher, der auch mit Antiquitäten handelte, und ob
wohl vermöglich doch Copien deutscher Handschriften gegen Bezahlung
besorgte.
0 Oas Citat ist nicht richtig; denn die Hs. 2940 war früher Lunaelacensis,
Q. 151; gemeint ist Nr. 2940*.
Briefe von Hoffraann von Fallersleben unä Mom Haupt an
Herd. Wolf. 105
freilich nicht zumuthen, dass Sie sich einer so mühsamen Arbeit
unterziehen, aber unter Ihren Augen und Ihrer Anleitung würde
ein nur einigermassen gescheiter Abschreiber meinen Wünschen
genügen. Die Lambacher Hs. 1 ist wol noch immer nicht wieder
an’s Tageslicht gekommen? und wie mag es sich mit Seitried’s
Lucidarius 2 verhalten? Ich kenne von letzterem nur eine späte
schlechte Abschrift. [
Wir besprachen früher ein Wiedersehen in Breslau. Wollen
Sie nicht einmal einen Ausflug in’s Riesengebirge und über Breslau
nach Berlin und Dresden machen? Was Sie bei uns zu suchen
haben, lockt freilich nicht, aber eine Reise nach den beiden
letzten Orten lässt sich recht gut mit einem Abstecher nach
Breslau verbinden, wohin Sie auf Bett und Tisch und Unter
haltung meine Wenigkeit einladet.
Nur noch wenige Tage und ich eile nach Hause zurück,
wo mich neue Arbeiten erwarten. Den Sommer gedenke ich
die erste Abtheilung meines Iter Austriacum 3 herauszugeben.
Ich werde genöthigt sein, Ihre Güte dabei in Anspruch zu
nehmen, worauf ich Sie heute schon vorbereite. Gegen den
Herbst zu beabsichtige ich eine Reise nach Holland, Belgien
und Paris. Darüber später mehr.
Leben Sie recht wohl und bleiben Sie eingedenk
Ihres
H. v. F.
1 Gemeint ist höchst wahrscheinlich die Handschrift Nr. 46% (olim raona-
sterii Lambacensis) der k. k. Hofbibliothek, über deren Inhalt Ferdinand
Wolf im Bande der Altdeutschen Blätter, S. 311 — 316, berichtet.
Die bibliographischen Angaben über F. Wolf’s Schriften sind dem Schrift-
chen Mussafia’s ,Reihenfolge der Schriften Ferdinand Wolf’s 1 (Aus dem
Almanach der k. Akad. d. Wiss. XVI. Jahrg. 1866 besonders abgedruckt),
entnommen, was ich hier, um Wiederholungen zu vermeiden, ein für alle
Mal bemerke.
2 Die Gedichte, die unter Helbling’s Namen gehen, sind in der Wiener
Handschrift 2S87 (Philol. 50) enthalten und führen die Uebersehrift ,Der
deine Lucidarius 1 .
3 ,Iter Austriacum. Altdeutsche Gedichte aus österreichischen Bibliotheken. 1
Unter diesem Separattitel erschien bekanntlich 1837 der II. Band der
Fundgruben für Geschichte deutscher Sprache.
106
Wolf.
5.
Breslau, 12. Februar 1837.
Vor einigen Tagen empfing ich Floresta de rimas castella-
nas. 1 — Haben Sie tausend Dank, lieber Freund, für dies
schöne Geschenk und Ihr noch schöneres Andenken an einen
fernen Verlassenen! Vorläufig kann ich das gewiss vortreff
liche Werk nur hinstellen als ein Buch mit 7 Siegeln; es wird
aber die Zeit kommen, welche mir manchen verschlossenen
Genuss öffnen und meine Seele wunderbar stärken und laben
wird. Was haben wir nun zunächst von Ihnen zu erwarten? Sie
sitzen im Schosse der schönsten Hülfsmittel und an der Pforte
günstiger Gelegenheit.
Ihr seid glückliche Leute! Blicke ich auf meine Bres
lauer Armseligkeit, so weiss ich gar nicht, wie ich Euch be
neiden soll. [
Dass ich nach Wien binnen 2 Jahren komme, 2 möchte
ich als gewiss aussprechen. Schreiben Sie mir doch gefälligst
ganz ausführlich, wann die Wiener Bibliotheksferien sind.
Wenn ich einmal komme, will ich meine Zeit möglichst gut
anwenden. Ich habe in Wien noch viel, sehr viel zu arbeiten.
Vor allen Dingen muss ich meinen Katalog der Wiener IIss. 3
vollenden. Wie er jetzt ist, lässt er sich nicht veröffentlichen.
. Der 2. Th[eil] der Fundgruben wird emsig vorbereitet,
hoffentlich beginnt schon in künftiger Woche der Druck.
Schade, dass Endlicher so ein ganzer Naturmensch ge
worden ist!
Lassen Sie bald etwas hören
Ihren treuergebenen H. |
Sollte es denn gar nicht möglich sein, dass ich eine ge
naue deutliche Abschrift von Cod. Vind. 2841 (Hist. eccl. 68)
111 Bll. fol., beginnend Got ainig ewig alles gut etc. bekommen
könnte. 1
1 Der Titel lautet ,Floresta de rimas modernas castellanas* etc. Paris. 1837.
8». 2 Vol.
2 Hoffmann kam im März 1839 nach Wien und blieb daselbst, bis 10. Mai.
S. Mein Leben. Bd. 3. S. 57.
3 Erschien u. d. T.: Verzeichniss der altdeutschen Handschriften der k. k. Hof
bibliothek zu Wien. Leipzig. 1841. 8°.
4 S. auch Brief 4.
Briefe von Hoffmann von Fallersleben tmd Moriz Haupt an Ferd. Wolf. 107
6.
Breslau, 26. Dec[ember 18]37.
Lieber Freund!
So eben bin ich beschäftigt, eine Sammlung alt-nieder
ländischer Schauspiele zum Druck vorzubereiten: Horae bel-
gicae. Pars VI. 1 Es liegt mir sehr daran zu erfahren, in
welchem Verhältnisse selbige zur altfranzösischen Literatur
stehen. Ich bitte Sie also, mir baldigst zu melden, ob sich im
Altfranzfösischen] weltliche Spiele vorfinden, die von der ge
wöhnlichen Form der Mysterien abweichen: darum handelt es
sich nur. Meine vlaemschen Comödien sind schon Comödien im
modernen Sinne und eben deshalb, und weil sie noch überdies
dem Anffange] des 15. Jhrh. angehören, gewiss eine Erschei
nung im Gebiete der Litteratur des Mittelalters, die einzig in
ihrer Art ist. |
Sie erhalten anbei den Anfang eines kleineren Buches,
dessen Vollendung ich auf meiner letzten Reise nicht abwarten
konnte. Ich hoffe, dass Sie mit der Ihnen eigenen Gründlich
keit irgendwo, am besten in den Wiener Jahrbüchern darthun,
dass dies altfrz. Gedicht die älteste Poesie der Franzosen
ist 2 u. dgl.
Grüssen Sie Endlicher recht herzlich und schreiben Sie
mir genau, wann Ihre Frühlingsferien sind: 3 ich werde wahr
scheinlich zu Ostern nach Wien kommen. Wenn mich End
licher] zu sich einladet, nehme ich die Einladung herzlich
gerne an.
Vale faveque
T. T.
H. F.
Copitario S. V.
' Altniederländische Schaubühne. Abele Speien ende Sotternien. Breslau.
1836. 8°.
2 Gemeint ist: Elnonerisia. Monument des langues Romane et Teutonique.
Gand. 1837. 4°. Das altfranzösische Gedicht ist das Lied von der hei
ligen Eulalia.
3 Zu jener Zeit und bis in die zweite Hälfte der Vierziger Jahre war die
Hofbibliothek zu Ostern durch vierzehn Tage geschlossen.
7.
Breslau, 4. Febr[uar] 1839.
Lieber Freund!
Ueberbringer dieser Zeilen, der Quästor unserer Univer
sität, Herr Hofrath Cr oll hat eine Vergnügungsreise nach
Wien gemacht. Man kann nun zwar in einer so schönen und
grossen Stadt überall und zu jeder Jahreszeit Vergnügen finden,
doch entgeht einem Fremden sehr leicht manches und vieles.
Ich bitte Sie daher, dass Sie Hrn. Croll auf die Kunstschätze
der Hauptstadt aufmerksam machen, damit er auch in dieser
Beziehung befriedigt heimkehrt.
Endlichem habe ich meine nahe bevorstehende Ankunft
gemeldet. Mitte Aprils bin ich, so Gott will in Wien. 1
Ich freue mich sehr auf unsern wechselseitigen Verkehr,
auf Ihre romanischen Studien und Entdeckungen.
Veranlassen Sie E[ndlicher] mir zu schreiben, er ist doch
schrecklich faul in diesem Punkte.
Grüssen Sie die ganze Bibliothek und gedenken Sie, auch
brieflich, Ihres
sehnsüchtig harrenden
H. v. F.
8.
Neuwied, 12. December 1852.
Lieber Freund!
So oft ich Ihren Namen las, habe ich mich immer herz
lich, gefreut, denn seit so langer Zeit, dass wir uns nicht ge
sehen und geschrieben, erfuhr ich nur immer Gutes von Ihnen.
Wir werden uns wohl schwerlich je Wiedersehen, uns die alten
schönen Tage an der Donau zu erneuen. Es hat sich in un-
serm lieben Vaterlande Alles so gestaltet, dass unser einer
schon froh ist, wenn er in seinem vier Pfählen der Kunst und
den Wissenschaften und seiner Familie leben kann. Trotzdem
1 S. S. 106. Anm. 2.
Briefe von Holfmann von Fallersleben und Moriz Haupt an Ferd.Wolf. lO'.l
aber bleibt es uns ja unbenommen, uns über unsere persön
lichen Verhältnisse und wissenschaftlichen Studien auszu
sprechen. Und so mache ich denn heute schon den Anfang-.
Seit einigen Jahren lebe ich am Rhein (seit 1851 hier),
und in ganz angenehmen Verhältnissen. An litterarischen Ver
kehr ist wenig zu denken, dafür aber giebt uns der gesellige
und die schöne Natur Ersatz. Meine Frau ist sehr musicalisch,
singt und spielt und ertheilt sogar Unterricht im Clavier und
Singen. Ich treibe meine alten litt[erarischen] Liebhabereien,
| singe und dichte mitunter, spaziere, pflücke Blumen und —
hacke Holz. Die letzten Jahre war ich sehr littferarisch]
thätig: ich besorgte eine neue Auflfage] des Reineke, 1 einen
neuen Theil der Horae belgicae (die P. VIII) 2 und die 4. Auf
lage] meiner Gedichte. 3 Zu Neujahr erscheint mein Theo
philus, eine alte niederdeutsche] Comödie aus einer Trierer
Hs. 4 Seit vorigem Sommer beschäftige ich mich viel mit einer
neuen Auflage meiner ,Geschichte des deutschen Kirchen
liedes' 5 und einer grossen Sammlung] alter deutscher Volks
lieder. 0 Sobald jene vollendet ist, werde ich neue Auflagen
der P. I. u. II. meiner Horae belgicae in Angriff nehmen, die
P. I. ist schon seit Jahren vergriffen und von der P. II. sind
nur noch wenige Exemplare vorhanden. 7 Sie sehen ich habe
für jetzt und spätere Zeiten vollauf zu thun.
Sie würden mich sehr erfreuen, wenn auch Sie mir bald
einige Umrisse Ihres bisherigen Thun und Treibens zukommen
liessen. Meiner alten Liebe und Treue darf ich Sie ja nicht
erst versichern. |
1 Reineke Vos. 2. Ausg. Breslau. 1852. 8°.
2 Loverkens. Altniederländische Lieder. Göttingen. 1852. 8°.
3 Hannover. 1853. 16°.
4 Hannover. 1853. 8°.
5 Erschienen: Hannover. 1854. 8°.
c Diese erschien nie; H. gab aber eine Anzahl der beliebtesten heraus,
u. d. T.: ,Unsere volksthiimlichen Lieder 1 , zuerst erschienen im Weiinari
schen Jahrbuch, Band VI, Heft 1; die 2. Auflage kam 1859 und die 3.
1869 als selbstständiges Werk heraus.
7 Die neue Auflage der Pars I. der Horae belgicae führt den Separat
titel: Uebersicht der mittelniederländischen Dichtung. 2. Ausg. Hannover.
1857. 8°; die neue Auflage der Pars II. erschien u. d. T.: Nieder
ländische Volkslieder. 2. Ausg. Hannover. 1858. 8°.
110
Wolf.
Die Geschichte des Kirchenliedes nimmt mich sehr in
Anspruch. Ehe ich meine Arbeit abschliesse, will ich mich
an alle Freunde wenden, von denen ich Interesse dafür er
warten darf. Und so ergeht denn auch meine Bitte an Sie.
Haben Sie irgend Berichtigungen und Zusätze •— und nach
Ihren Studien über die Lais darf ich welche voraussetzen —
so theilen Sie mir selbige bald mit. Bitten Sie auch Herrn
von Karajan, der ja gern gefällig ist, und Herrn Weinhold,
mich mit Ihren Beiträgen zu unterstützen.
Leben Sie nun recht wohl und schreiben Sie recht bald
Ihrem H v F.
II.
Briefe von Moriz Haupt.
1.
Zittau, 3. December 1834.
Von Berlin zurückgekehrt eile ich mein Stillschweigen zu
brechen und Ihnen, mein verehrter freund, über die besorgung
Ihrer aufträge nachricht zu geben.
Lachmann dankt Ihnen freundlich für Ihr geschenk 1 und
lässt Sie bitten, sich wegen des herrn von Nagler gehörigen
prosaromans von Beuves de Hantonne an ihn zu wenden,
sobald er von Ihnen einen brief erhalten hat, auf den er sich
berufen kann, wird er den druck sich von herrn von Nagler
leihen und unter seiner aufsicht für Sie sorgfältig abschreiben
lassen, dieses freundliche anerbieten mag Ihnen zeigen, dass
Lachmann (gewiss ein strenger richter literarischer leistungen)
den werth Ihrer arbeiten vollkommen anerkennt.
An Agatlion Benary habe ich Ihr geschenk befördert;
gleich, nachdem ich von Wien heimgekehrt, auch an Wachs-
1 Höchst, wahrscheinlich ist hier so wie noch wiederholt in diesem Briefe
Wolfs Buch ,Ueber die neuesten Leistungen der Franzosen' etc. gemeint.
Briefe von TToifraann von Fallersleben und Moriz Haupt an Ferd. Wolf.
muth. auf meiner rückreise von Berlin habe ich diesen ge
sprochen. er ist über Ihr geschenk, und darüber dass Sie
seine culturgeschichte citiert, sehr erfreut und würde Ihnen
bereits gedankt haben, wenn er nicht jetzt rector wäre und
daher von geschaffen belastet.
Mit herrn von Henning 1 habe ich wegen Ihrer beabsich
tigten (und hoffentlich zur ausführung kommenden) recension
des Parthenopeus 2 leider nicht sprechen können.
Von ,den mir bezeichneten spanischen büchern sind auf
der königlichen bibliothek zu Berlin vorhanden: Be na, la lira
de la libertad, poesias patriöticas. Londres. 1813. 8°.
und der erste band von Ignacio de Meras, obras pöe-
ticas. Madrid. 1797. 8". bis Wien werden von Berlin
schwerlich bücher verliehen, abschriften sind wohl zu er
langen, z. b. durch Spiker’s besorgung, der sich Ihrer freund
lich erinnerte.
Sehr schmerzlich ist es mir, Ihnen melden zu müssen,
dass Brockhaus den verlag des Conde Lucanor und der Horae
hispanicae 3 aus furcht vor geringer | tkeilnahme des publicums
abgelehnt hat. meiner liebe zur Sache und der ergebenheit,
mit der ich Ihnen zugethan bin, trauen Sie es wohl zu, dass
ich mündlich und schriftlich ihm derb zugesetzt habe; ver
gebens. jetzt mache ich bei Barth hoffentlich glücklichere
versuche.
In Berlin habe ich mich sehr wohl befunden. Meusebach
ist ein ganz vortrefflicher mann und hat mir grosse güte erzeigt,
es gefiel mir in seinem hause so überaus wohl, dass ich fast
gar nicht ausgekommen bin. Lachmann kam fleissig hin und
ich habe ihn genau und von der besten seite kennen gelernt.
110 seiten französischer lieder 1 bringe ich schriftlich mit,
1 Wohl ohne Zweifel der am 5. October 1866 in Berlin gestorbene Pro
fessor der Philosophie, Leopold von Henning.
2 Diese Recension scheint nie erschienen zu sein; siehe Mussafia, Reihen
folge der Schriften Ferd. Wolfs. Wien 1866. 8°.
3 Der Plan meines Vaters, die Horae hispanicae und den Conde Lucanor
herauszugeben, kam nicht zur Ausführung.
4 Es ist bekannt, dass sich Moriz Haupt, durch lange Zeit, damit beschäftigt
hat, die altfranzösischen Lieder des XVI. Jahrh. zu sammeln. Leider ist
die Herausgabe dieser Sammlung unterblieben; die einzige Probe einer
112
Wolf.
darunter sind einige gute, auch sonst habe ich, seitdem ich
von Wien [zurück] bin, manche ausbeute für meine Sammlung
gemacht, unter andern habe ich den Recueil de plusieurs
chansons u. s. w. k Lyon, par Benoist Rigaud, & Jan
Saugrain. 1557. 12°. nun selbst erhalten, es ist also nun nicht
nöthig, dass dieses liederbuch in Wien für mich abgeschrieben
werde, hat die abschrift schon begonnen, so thun Sie ihr ge
fälligst einhalt.
Mein plan mit dem Ruodliep ist mir zu wasser geworden.
Schmeller hat in München mehr als 20 blätter gefunden, hofft
noch mehr zu erbeuten und will das gewonnene natürlich selbst
herausgeben. 1
Die blätter für spräche und literatur des mittelalters
machen mir viele mühe, erst im januar werde ich Ihnen das
erste lieft senden können, schicken Sie ja bald etwas für das
zweite, alles was von Ihnen kommt ist mir hochwillkommen.
WGrimms Freidank gefällt Ihnen gewiss; ich studiere ihn
eifrig; daneben den Dante.
An Wien denke ich mit Sehnsucht; ich hoffe nicht zum
letzten mahl dort gewesen zu sein, auf jeden fall lassen Sie
uns in | Verbindung bleiben. Lassen Sie sich durch diesen
brief, den ich in höchster eile schreibe, nicht abschrecken, mir
von Ihrem befinden und studieren, Ihrer floresta, kurz recht
viel zu schreiben. Sie sollen nicht lange auf antwort
warten müssen und ich will dann schon ordentlicher schreiben
als heute.
Meine ältern lassen sich Ihnen vielmahls ergebenst em
pfehlen. In treuer ergebenheit
der Ihrige
Hat Monin geschrieben?
Moriz Haupt.
solchen Sammlung;, die er 1835 veröffentlicht und dem Baron Meusebach
gewidmet hat (Six chansons nouvelles francjaises recueillies par M. FI.,
nur in 80 Ex. gedr.), lässt es sehr bedauern, dass er seinen Plan nicht
ausgefiihrt hat. Hoffentlich wird das in seinem Nachlasse vorfindliche
reiche Material der Oeffentlichkeit nicht vorenthalten bleiben. Siehe, was
Willi. Scherer in seinem Nekrologe über Moriz Haupt darüber sagt
(Deutsche Zeitung, Nr. 768. 21. Februar 1874).
1 Bekanntlich ist der Ruodliep in den Lat. Gedichten des X. und XI. ,1h.
von Schmeller herausgegeben worden.
Briefe von Hoffmann von FallersleTjen und Moriz Haupt an Ford. Wolf. 113
2.
Zittau, am letzten december 1834.
Empfangen Sie, mein verehrter freund, mit den herzlich
sten glückwünschen zum neuen Jahre meinen dank für Ihren
freundlichen hrief, der mich sehr erfreut und ganz in die
schönen tage zurückversetzt hat, in denen es mir vergönnt
war, die mannichfachste anregung und belehrung von Ihnen
zu erhalten. Die Wiederholung dieser für mich fruchtbaren
und unvergesslichen zeit liegt mir gewiss sehr am herzen; wie
bald ich sie verwirklichen kann weiss ich freilich nicht zu
sagen. Meines vaters Stimmung und befinden ist allerdings
sehr leidlich und die wiener reise hat offenbar die beste Wir
kung gehabt und insofern stünde einer reise nach Wien nichts
entgegen; aber sonst giebt es hindernisse genug. Ueberdiess,
was mich betrifft, so erkenne ich die nothwendigkeit meine
neigung, die freilich auf reisen gerichtet ist, zu zügeln und
mich zunächst so bald als möglich, in Leipzig oder anderswo
zu habilitieren und meinem leben auch äusserlich eine be
stimmte richtung zu geben. Dass meine thätigkeit durch be
stimmten beruf geregelt und gesteigert werde ist nothwendig.
Sollte es mir also auch nicht gegönnt sein im jahr 1835, das
schon in 3 stunden beginnt, nach Wien zu kommen, so lassen
Sie uns doch brieflich verbunden bleiben bis ich wieder zu
Ihnen komme. Sie selbst sollten aber einmal zu uns nach
Norddeutschland kommen. Der weg nach Dresden, Leipzig,
Berlin führt fast dicht an Zittau vorbei; ich hoffe und bitte
aber, dass er Sie nicht vorbei führe. Meine altern, die sich
Ihnen angelegentlich empfehlen lassen, und ich würden uns
unendlich freuen, Sie bei uns zu sehen und vielleicht reiste
ich mit Ihnen weiter. Sehr lebhaft versetzt mich des Fallers-
leber’s leider nur 8 tage dauernder besuch in die zeit zurück,
die mir durch Ihre und Eiullicher’s Freundschaft verschönt
wurde.
Ihre nachrichten von den neuen französischen] Erschei
nungen waren mir sehr willkommen. Das passende in den
nachtrag zu Ihrer schrift noch einzuschalten war mir nicht
mehr möglich, da die bogen unserer Blätter, die ihn enthalten,
Sitzungsber. d. phil.-hist. CI. LXXVII. Bd. I. Hft. 8
114
Wolf.
schon gedruckt sind. 1 Wenn Sie binnen 4 Wochen mir nocli
einige nachträge schicken, so können sie noch am ende des
ersten hefts nachträglich gedruckt wei’den; wo nicht, so kommen
sie ins zweite Heft. Für dieses schicken Sie uns ja auch
sonst noch etwas; ein auszug (nach Ihrer art bereichert) aus
Pluquets Contes populaires etc. 2 wäre uns höchst erfreulich.
Unsere blätter werden Ihnen behagen. In einer hs. der Leip
ziger Universitätsbibliothek 3 bin ich so glücklich gewesen einige
sehr merkwürdige prosaische märchen zu entdecken. Sie sind
im 15. jh. niedergeschrieben und eins davon steht | in der
grimrn’schen Sammlung nur aus mündlicher Ueberlieferung. Ein
herrliches zeugniss (wenn es dessen bedürfte) für das alter
unserer märchen.
Michels 4 Thätigkeit ist höchst erfreulich. Besser wäre
es aber noch, wenn er weniger und recht kritisch und genau
gäbe. Deswegen ist mein wünsch, meine bitte und ermahnung,
dass Sie, ohne auf Paris 5 (der ja die altfranz[ösischen] gedichte
auch nicht gepachtet hat), rücksicht zu nehmen, den Beuves
de Hantone 0 herausgeben. ,Befähigter' sind Sie ohne allen
Zweifel als er; was für schöne erläuterungen (wie Jakob zum
Reinhart und Willi. Grimm zum Freidank) könnten Sie geben!
Sie sollen und müssen den Franzosen zeigen, wie alte gedichte
herauszugeben sind. Die hs. des Flos und Blankflos, 7 die
Uhland abgeschrieben hat, leider ohne die nnmmer beizufügen,
1 Gemeint sind die ,Nachträge zu F. Wolfs Schrift über die Leistungen der
Franzosen für die Herausgabe ihrer Nationalheldengedichte'. Altdeutsche
Blätter. Band I. S. lö—29.
2 Pluequet, Fred., Contes populaires, prejuges, patois etc. de l’arrondisse-
ment de Bayeux. Rouen. 1834. 81 Eine Anzeige von Wolf über Plucquet
ist nicht erschienen.
3 Nr. 1279 der Leipziger Universitätsbibliothek. Abgedruckt sind die
Märchen im 1. Bande der Altdeutschen Blätter, S. 113—163.
4 Francisque Michel ist natürlich gemeint.
5 Pa ul in Paris.
0 Wolf hat jedoch diesen Wunsch Haupt’s nicht erfüllt.
7 Siehe den 1. Brief von Hoffinann an Wolf. Paulin Paris beschrieb eine
Handschrift von Flos et Blankflos im Roniancero framjais p. 65. Die
Hs., welche Uhland abschrieb, ist Nr. 6987 der Pariser Bibliothek; nach
dieser Abschrift hat Imm. Bekker den Roman heransgegeben. (Abhand
lungen der Aknd. d. Wiss. zu Berlin. Aus dem J. 1844.)
Briefe von Hoffmami von Fallersleben und Moriz Hanpl an Feld. Wolf. 115
ist höchst merkwürdig’, und enthält, wie mir scheint einen
älteren text als die, aus welcher die stelle im romancero (und in
unsern bll.) 1 genommen ist. Das gedieht ist wunderschön und
nicht sehr umfänglich, also zu bewältigen. Lassen Sie sich
die absehrift, die Uhland Hoffmami abgetreten, schicken, ver
schaffen Sie sich abschriften der anderen liss. aus Paris und
geben Sie den text mit dem des Beuves in Einem bande
heraus; ein zweiter band würde mit den erläuterungen auch
den kritischen apparat enthalten müssen, der bei der grossen
abweichung der hss. nicht unter dem texte angebracht wer
den kann.
Auf Ihre recensionen 2 freue ich mich sehr; nicht weniger
auf die floresta; doch bin ich auf diese insofern böse, als sie
Ihnen zeit raubt, die sie auf das mittelalter wenden sollten.
Haben Sie doch die güte, Schweigerd 3 zu sagen dass er
mir den zweiten theil des Garin le Loherain, sobald er ihn
erhält, durch buchhändlergelegenheit schicke. Den ersten, so
wie den romancero 4 und das dit du dieu d’amours 5 habe ich
richtig erhalten. Jubinals kenntnisse scheinen mir seicht. Da
von nächstens.
Auf das franz[ösische] lied von der Jews daughter 11 bin
ich begierig. Für meine französischen] lieder habe ich schöne
acquisitionen gemacht, durch Hoffmann (in Frft a / M ). Wenn
doch Monin etwas schickte.
Raynouard’s recension des Mone’scken Reinardus 7 kenne
ich nicht. Sie wird mir in meiner literarischen abgeschieden-
1 Band I. S. 19—27.
2 Gemeint sind vermuthlich die Anzeigen von dem Rapport ä M. le mi-
nistre de l’Instruction publique sur les anciens monumens etc. und von
den Chroniques anglo-normandes, die in dem 76. und 77. Bande der Wiener
Jahrbücher der Literatur erschienen; besonders abgedruckt u. d. T.:
Kritische Beiträge zur anglo-normandischen Geschichte. Wien. 1837. 8°.
3 Buchhändler in Wien. Garin le Loherain (von P. Paris hgg.) bildet
den 2. u. 3. Band der Romans de douze Pairs de France. Paris. 1832.
4 Von Paulin Paris.
5 Li Fablee du Dieu d’amours, pubUä par Arch. Jubinal. Paris. 1834. 8°.
6 Abgedruckt in ,Hugues de Lincoln. Reeueil de ballades anglo-nonnandes
et ecossaises rel. au meurtre de cet enfant etc. 1 Publie par Fr. Michel-
Paris. 1834. 8«. (p. 1 — 16.)
7 Sie steht im Journal des Savants, Ann. 1834, p. 405.
8*
116
Wolf.
heit schwerlich zu gesicht kommen. Jacob Grimm hat in Paris,
wo er diesen herbst war, einen lateinischen Reinardus abge
schrieben, der weit älter als der Isengrimus und als der bis
jetzt bekannte Reinardus ist. 1 In Berlin fand ich am ende
einer schlechten hs. (des Lactantius) excerpte aus dem Isen
grimus, etwa 600 verse; Lachmann hat sie sogleich | für Grimm
abgeschrieben.
Lachmann hat mir 3 herrliche, noch nicht in den bucli-
handel gekommene abhandlungen: über althochdeutsche inetrik,
über das Hildebrandslied und über Singen und Sagen ge
schenkt. 2 Die letztere zumahl würde Sie sehr interessiren.
Ich schicke sie Ihnen mit Freuden, wenn Sie befehlen. Käuf
lich wird (sic) sie vielleicht erst in einem Jahre, oder noch
später, in dem bande der Schriften- der berliner akademie, in
den sie gehören.
Ausser den Blättern, beschäftigt mich der Gratius, 3 der
mit einigen wiener anecdotis bald erscheinen soll, und das
deutsche gedieht (oder vielmehr die deutschen] gedichte) von
Salomon und Morolf. Davon nächstens, denn ich muss endlich
scldiessen.
Leben Sie wohl, mein theurer Freund, und behalten Sie
in gutem andenken
Ihren treu ergebenen
Moriz Haupt.
3.
Zittau, 17. apr[il] 1835.
Nur von Ihrer güte, mein verehrter freund, kann ich Ver
zeihung meines ungebührlichen Stillschweigens hoffen; ich selber
weiss es durch nichts zu entschuldigen, krankheit ist wohl
1 Diese Angabe scheint auf einem Irrthume H.’s zu beruhen; im September
1S34 entdeckte Jacob Grimm unter den Handschriften der burgundi-
schen Bibliothek zu Brüssel die Ecbasis cujusdam captivi etc., die in den
von ihm und Andr. Schmeller herausgogebenen lateinischen Gedichten
des X. u. XI. Jh. (Göttingen, 1838) abgedruckt wurde.
2 Erschienen in den Abhandl. der Berl. Akad. aus den J. 1832 u. 1833.
3 Bekanntlich 1838 erschienen: Ovidius. Halieutica. Gratii et Nemesiani
Cynegetica. Ex recensione M. Hauptii. Lipsiae. 1838. 8,
Briefe von Hoffmann von Fallersleben und Moriz Haupt an Ford. Wolf. 117
das einzige was ein so langes schweigen rechtfertigen könnte,
und krank bin ich nicht gewesen, ich hätte auf ihren freund
lichen, reichhaltigen uud erfreulichen brief unverzüglich ant
worten sollen, wenn auch der ganze inlialt meiner antwort nur
ein herzlicher dank für Ihre güte gewesen wäre, statt diesen
vernünftigen entschluss zu fassen hegte ich den eitlen wünsch,
Ihre mannichfache belehrung doch einmahl aus meinem winkel
heraus durch eine kleine notiz zu vergelten, ich schrieb näm
lich sogleich nach empfang Ihres briefs an hrn von Meusebach,
der antwort ziemlich gewiss, als nun diese antwort (deren
inhalt das beiliegende blatt enthält) 1 endlich eintraf verleitete
mich die hoffhung, in ganz kurzem unsere blätter fertig bei
fügen zu können, zu neuer zögerung, und die Vereitelung
dieser hoffnung hat mein Stillschweigen bis heute ausgedehnt,
wo ich reuig um Ihre Vergebung bitte und besserung ver
spreche.
Unsere altdeutschen blätter (bei diesem titel, der eine
denominatio a potiori ist, ist es geblieben, leichteres citierens
wegen) sind nun nach mancher verdriesslichen hemmung end
lich vom Stapel gelaufen und von Leipzig aus wahrscheinlich
schon an Sie abgegangen, ein exemplar für Sie, eins für End
licher, und, der abrede gemäss, eins für Depping und eins für
Michel. Ihre beiträge sind das beste am ersten heft, die mei-
nigen wohl das schlechteste; indessen habe ich bei der Aus
arbeitung derselben die mängel meines wissens deutlich | ein-
sehen lernen und das halte ich für einen grossen gewinn, im
ganzen aber, denke ich, brauchen unsere blätter die neuen
mone’schen quartalhefte 2 nicht zu scheuen, mit meiner cor-
rectur werden Sie zufrieden sein, wenn Sie bedenken, dass ich
sie ganz allein bestreiten musste, das zweite heft, dessen druck
gleich nach ostern beginnt, wird ausser märchen und sagen
1 Diese Beilage enthält den Bericht über den im Besitz des Freili. von
Meusebach befindlichen niederdeutschen Bruder Rausch, und wurde am
Schlüsse des von Wolf und Endlicher hgg. Bruoder Rauschen abgedruckt,
daher wir sie hier ausgelassen haben. Ein Wiederabdruck dieser nur in
50 Exemplaren erschienenen Ausgabe steht in dem von Scheible hgg.
Kloster, 2. Abthlg. des 11. Bandes, S. 1070—1118.
2 Vom J. 1835 gab Mone mit Aufsess den Anzeiger für Kunde des deutschen
Mittelalters heraus.
aus der leipziger hs., von der ich Ihnen schon geschrieben 1
wahrscheinlich das altholländische gedieht von Karl und Ele-
gast 2 enthalten, aus dem van Wijn in den avondstonden und
daraus Jac. Grimm im altdeutschen] museum, 3 einen auszug
gegeben haben, dass auch Sie zum zweiten lieft etwas bei
steuern, auf dass diese bll. immerdar unser bleiben, ist meine
dringende bitte, was Sie uns geben, -welches inhalts und Um
fangs es sein möge, wird mit grössten dank angenommen und
unverzüglich gedruckt; eigene abhandlungen, kleine notizen,
sprachquellen, auszüge und beurtheilungen fremder Schriften,
alles ist uns willkommen, ich lege Ihnen meine bitte dringend
ans herz, auch Endlicher wollte etwas beisteuern, 4 schweigt
aber schon lange gänzlich.
Für die reichen nachrichten Ihres briefes meinen besten
dank, sie haben mich aufs neue das trostlose meiner litera
rischen abgeschiedenheit sehr lebhaft empfinden lassen, wären
Sie nicht, so erführe ich vieles gar nicht, was ich freilich jetzt
nicht näher kennen lernen kann, aber dessen ich [mich] be
mächtigen werde sobald ich aus meinem hiesigen sumpfe auf
getaucht bin. ich hoffe zu Michaelis nach Leipzig zu gehen
und mich im Laufe des winters dort zu habilitieren; Gott gebe
dazu seinen segen. ich hoffe dann soll besserer muth in mich
kommen und die wenige kraft, die ich besitze, will | ich treu
lich gebrauchen, bisher war ich zwar unbeschränkter herr
meiner zeit, aber durch manches widrige erschlafft und von
hilfsmittein fast entblösst. Sie dagegen sitzen mitten in den
reichsten schätzen, w r enn auch, durch sonderbare einrichtungen
gefesselt, etwas tantalisch. schreiben Sie mir doch ja, ob zu
dem Beuves de Hantone hoffnung ist. im schlimmsten falle
geben Sie ihn doch in Paris heraus! dort findet sich wohl
leicht ein Verleger, wer könnte wohl besseres leisten, als Sie,
auch wenn sie nicht so schöne Verbindungen hätten, wäre ich
nur in Wien; ich schriebe die hs. des Beuves für Sie ab, denn
1 Siehe Brief 2 S. 114. und die bezügliche Anm. 3.
2 Erschien jedoch, wie schon oben, Anm. 2 zu Brief 4, von Hoffmann S. 103,
bemerkt wurde, als 4. Pars der Horae Belgicae.
3 Van Wijn, Avondstonden, I. 308—312.) Jac. Grimm über Karl und Ele-
gast im Museum für Altdeutsche Literatur und Kunst. II. 226—236.
4 Endlicher hat keine Beiträge zu den Altd.Bll. geliefert.
Briefe von Holtmann von Fallersleben und Moriz Haupt an Ferd.Wolf.
119
darin liegt wohl die hauptschwierigkeit. indessen wenn Ihre
zeit auf der bibliothek auch sehr beschränkt ist, nach und
nach lässt sich die copie doch wohl vollenden, zumahl da in
diesem sommer kein plauderer wie ich Sie stören wird; leider!
setze ich egoistisch hinzu. Zu dem endlichen Empfang der
noticias curiosas y originales 1 gratuliere ich, mir nicht weniger
als Ihnen, weil ich mich theils auf die floresta freue, theils
Ihre thätigkeit den neueren poesien nicht gönne sondern allein
dem mittelalter. möge denn das ende Ihrer halben abtrünnig-
keit bald gekommen sein. Für die schönen aussichten, die
mir ihre gütige empfehlung an Michel eröffnen, sage ich Ihnen
freudigen dank, aber das ,preciser ce que je desire‘ ist schwer,
wie soll ich die art von Volksliedern, nach denen ich strebe,
ihm characterisiren? wir Deutsche finden uns hierin ohne
weitere definition zurecht, vor der hand weiss ich meine bitte
um mündlich überlieferte lieder nicht bestimmter zu stellen
als indem ich Sie bitte, Michel bei gelegenheit zu melden,
dass ich, sehr dankbar für seine güte, jedes aus mündlicher
Überlieferung aufgesammelte lied mit freuden annehme, wenn
es kein Zeichen eines späteren ur- | Sprungs als aus den zeiten
Heinrich des 4. an sich trägt, auch nachweisungen alter ge
druckter lieder sind mir sehr willkommen, diess alles ist frei
lich sehr unbestimmt, aber ich weiss mir nicht anders zu helfen.
Sie kennen meinen plan genau und können deshalb vielleicht
meine absichten und wünsche Michel deutlicher machen, ein
gedanke ist mir hierbei, gekommen, den ich Ihnen zur prüfung
vorlege, wäre es nicht gut wenn ich ohne längere säumnis
einen band meiner französischen] liedersammlung herausgäbe?
jedermann, und besonders die franzosen sähen dann sogleich
factisch was gemeint sei und ich dürfte dann sicherer auf bei
trage hoffen als jetzt, aber gegen die vereinzelte herausgabe
des ersten bandes spricht auch wiederum vieles; eine gute
anordnung ist so gar nicht möglich; die lücken meines vor-
ratbs sind noch zu gross u. s. w. Michel ist übrigens ein
schätz für Sie, auch wegen der englischen Verbindungen die er
1 Bezieht sich vornehmlich auf die Mittheilungen, welche F. Wolf für seine
Floresta aus Spanien von Pedro Sainz de Baranda erhielt. S. Floresta,
tom. 1. S. VIII.
120
Wolf.
für Sie vermittelt hat. Thoms nachtrag zum Reinhart Fuchs 1
habe ich an Grimm berichtet, der bereits stell' zu einem zweiten
theile hat, vorerst aber die deutsche mythologie vollenden will,
an der fleissig gedruckt wird, meine hypothese über den Ruot-
liep 2 hat Grimms billigung.
Dass ich keiner abschrift des ,Recueil de plusieurs chan-
sons‘ (Lyon par Benoit Rigaud, & Jan Saugrain. 1557. 12)
bedarf 3 habe ich Ihnen schon geschrieben, die abschrift des
andern liederbüchleins wird mir willkommen sein, aber grosse
eile ist nicht nöthig.
Beweisen sie mir mein theuerer freund, durch einen bal
digen brief, dass Sie mir wegen meines Schweigens nicht zürnen,
und seien Sie unverzüglicher antwort gewärtig. Meine altern
empfehlen sich Ihnen angelegentlich. Grüssen Sie Endlicher
und empfehlen Sie mich kopitar und bleiben Sie gewogen
Ihrem treuergebenen
Moriz Haupt.
An den Band der Seite geschrieben :
Naglers bibliothek ist, wie Sie wissen, mit der königlichen
in Berlin nun vereinigt, um so leichter ist nun, durch Lach
mann, eine abschrift des prosaischen Beuves zu erlangen.
4.
Mein theuerster freund,
ich hatte mir vorgenommen nicht länger auf Meusebachs
antwort wegen des pfaffen von kahlenberg zu warten, sondern
Ihnen heute einen recht langen und ausführlichen brief zu
schreiben. Da kommt mir auf einmal eine Störung, die mich
1 Bezieht sich höchst wahrscheinlich auf eine Stelle in einem Briefe von
Thoms an meinen Vater ddto. 3. December 183t, in welcher er von
einer Thierfabel, der gemeinsamen Jagd des Löwen, Wolfes und Fuchses
und der Theilung der Beute berichtet, die er in einer lat. Hs. des 14. Jh.
gefunden habe.
2 Siehe Exempla poesis latinae mediae aevi. (Vindobonae. 1834. 8°.) S. 8 f.
und Brief 8. Beilage.
3 S. Brief 1. S. 112.
Briefe von Hoffmann von Pallerslelpen und Moriz Haupt an Ferd. Wolf.
121
zwingt, dies bis zur nächsten briefpost zu verschieben. Fiii
heute also sage ich Ihnen nur meinen herzlichsten dank für
Ihre manigfaltige giite und sende Ihnen eine ,bibliomanische
grille', die dem bruder Rausch freilich nicht das wasser reicht.
Ein exemplar ist für Monin, mit den beiden übrigen bedenken
Sie, wen Sie wollen, vielleicht Michel und Paris. 1
Ich lege Monins spasshaften aber liebenswürdigen brief
bei 2 und die bezahlung für die abschrift des geistlichen lieder-
buches, die meine wünsche vollkommen befriedigt. Den Über
schuss bitte ich mir zu reserviren; denn ich drohe Ihnen im
voraus mit einer neuen bitte.
Dem eigentlichen briefe, den diese zeilen nur ankündigen
sollen, werde ich einige zeilen für Monin beilegen.
Leben Sie wohl und gedenken Sie meiner freundlich.
Treu der Ihrige,
Zittau, jun[i] 25. 1835. Raunt.
5.
Zittau, jul[i] 1. 1835.
Spät, aber darum nicht weniger herzlich, sage ich Ihnen,
mein theuerster freund, meinen besten dank für die neuen be
weise Ihrer güte, die Sie mir gegeben haben, jeder brief, den
Sie mir schreiben, ist eigentlich eine aufopferung, denn nie-
mahls kann ich die mühe und Sorgfalt, die Sie daran wenden
mich auf das manigfaltigste zu belehren, durch irgend etwas
erwiedern, das Ihnen willkommen sein könnte, aber lassen Sie
mich nur erst aus meiner hiesigen literarischen einöde hervor
gekommen sein, dann soll es wenigstens an meinem bestreben,
zu dem schätze Ihres Wissens mein scherflein beizutragen, nicht
fehlen, bis dahin ermüden Sie ja nicht in Ihrer güte, die mich
auf alle weise fördert; jeder brief, der mir von Ihnen kommt,
er sei auf blaues oder rosenfarbenes papier geschrieben, bereitet
1 Es sind die ,Six unciennes chansons‘ etc. gemeint, von denen oben S. 111
Anm. 4 die Rede war. S. auch den folgenden Brief.
2 Der Brief Monin’s, von dem hier die Rede ist, ist am Schlüsse in einem
wirklich sehr ,spasshaften 1 Deutsch geschrieben, in dem Hanpt unter der
Bezeichnung der hochgelehrte Herr Dr. von Zittau 1 vorkommt.
mir einen festtag, und mehr noch als das reiche material der
notizen, die Sie mit freigebiger haud spenden, erfreut mich
das Wohlwollen, das Sie veranlasst mir zeit und mühe zu
opfern.
Ihr Rausch (hier zeigt es sich wie gut Zweideutigkeiten
verhütet werden, wenn man die grossen anfangsbuchstaben
spart) gefällt mir höchlich, und Ihre teuflische gelehrsamkeit
hat mich in erstaunen gesetzt, obwohl ich freilich wüste, wie
genau Sie wenigstens Robert den teufel aus vierzehnmaligen
anhören kennen, die art, wie Sie den mytlius behandelt haben,
scheint mir ganz untadelhaft, vergleichende mythologie, das
ist es worauf es ankommt bei allen mythologischen Unter
suchungen, so wie erst die wissenschaftliche Sprachvergleichung,
wie sie Grimm und Bopp geschaffen haben, zu bedeutenden
ergebnissen führt, während der blick des nur auf die sprachen
oder die mythen weniger Völker beschränkten forschers überall
durch Kicken, die niemand durch philosopheine a priori füllen
kann, gehemmt wird, ich habe neulich in einer recension des
rückert’schen Schi-king (in den brockhausischen blättern) 1 auf
die analogie des echten Sprachstudiums mit dem echten Studium
der volksmässigen poesie aufmerksam gemacht. Sie werden
in diesem aufsatze freilich nichts neues finden aber ich darf
hoffen, dass Sie in der ansicht, die ich ausgesprochen, mit mir
übereinstimmen, und es thut noth von zeit zu zeit dem grösse
ren publicum, das kaum begreift welchen werth und welches
ziel diese Studien haben, das Verständnis zu eröffnen.
Monins brief, der hoffentlich glücklich wieder in Ihre
liände gelangt ist, hat mich sehr erheitert, ich lege jetzt eine
antwort bei, die ich deutsch geschrieben habe, um nicht etwa
ein französisch zu producieren, dass (sic) seinem deutsch gleicht,
und um ihm gewissermassen ein compliment zu machen, ich
überlasse es nun Ihnen ob Sie (mit den hoffentlich wohl
behalten angelangten six chansons) ihm meinen brief schicken
wollen oder ihm bloss den inhalt in Ihrem briefe bekannt
machen, thun Sie das erstere, so lassen Sie einfliessen, dass
1 Die Recension steht in <len Nummern 160, 161 und 162 der Blätter für
literarische Unterhaltung, 9.—11. Juni 1835, und ist mit der Ziffer 45
unterzeichnet.
Briefe von Hoffmann von Fallersleben und Moriz Haupt an Ferd. Wolf.
123
ich künftig recht gern französisch an ihn schreiben will, | und
bitten Sie ihn, was ich zu thun vergessen habe, um die nähere
adresse von E. Souverte. 1 Ist die romanze vom grafen Ory
nicht köstlich ? 2
Ihre ermahnung, mit der herausgabe eines bandes meiner
Sammlung nicht über gebühr zu zögern, habe ich beherzigt.
Sie haben völlig recht, und so soll denn der erste band, so
Gott will, im künftigen Jahre erscheinen, da steht Ihnen aber
eine arge zumuthung bevor, ich lasse nämlich nichts drucken
bevor Sie das Ms. gesehen und beurtheilt haben, könnte ich
nur mündlich über so vieles mich mit Ihnen berathen, was
dabei zu bedenken ist! aber nach Wien komme ich heuer
wohl schwerlich, leider, es hatte lange Zeit den anschein, als
würde ich zu michaelis nach Leipzig gehen und mich dort
habilitieren; durch eine seltsame Fügung hat sich dies geändert
und ich werde erst im künftigen frühjahre dahin abgehen,
nun habe ich zwar eine leise hoffnung zu einer herbstreise,
die mich vielleicht auch nach Wien führen würde, wenn auch
nur auf kurze zeit; aber das liegt alles im weiten felde. da
gegen wird wohl der Fallersleber bruder Rausch zu Ihnen
kommen, den ich denn darum nicht wenig beneide.
1 Ohne Zweifel ist E. Souvestre gemeint, von dem Monin in seinem
schon (S. 121) erwähnten Briefe schreibt:
,Admettez-vous les patois du midi et de la Bretagne au nombre
de poesies ä recueillir: je pourrais aussi vous en procurer des premieres;
et je vous indiquerai pour les secondes M. E. Souvestre, auteur de deux
articles qui m’ont paru superieurs et qui font partie des derniers N <IS de
notre detestable (sic) revue des 2 Mondes/
2 Ueber diese Romanze schreibt Monin in dem mehrerw.ähnten Briefe:
5Je connaissais deux ou 3 Couplets du comte Ory que j’ai entendu
chanter tres souvent dans mon enfance. Ce n’est qu’hier que j’en ai
re$u enfin une copie complete. II est imprime, m’a-t-on dit, dans le
II. vol. des Pieces curieuses et int6ressantes p[ar] un anonyme. P.jesuite.
Je n’ai pu trouver ce livre ä Lyon. Cette edition doit presenter des
variantes. (J’ai marque les variantes qui, h ma connaissance, sont, pre-
ferables a la copie complete ci-jointe; Monsieur de Zittau d^cidera si j’ai
tort ou raison.) 4
Die ,copie ci-jointe 4 ist nicht mehr beim Briefe, sondern wurde
wahrscheinlich an Haupt geschickt.
124
Wolf.
beiläufig-, Iln-e etymologie des namens Rausch ist sicher
lich richtig, hat Grimm, der doch wohl längst geantwortet
hat, sie nicht gebilligt ? 1
Das sechste heft des Bulletin de la soeiete de l’hist[oireJ
de France werde ich mir von Leipzig her zu verschaffen suchen;
wenn dies vergeblich ist, so muss ich freilich Ihre güte mit
der bitte, mir abschriften der von Desnoyers mitgetheilten
lieder, 2 soweit sie der zeit nach in meine Sammlung gehören,
zu besorgen, in anspruch nehmen, die meisten habe ich frei
lich, aber aus andern quellen, und so verlangt meine scrupu-
löse philologische genauigkeit nach vollständiger Vergleichung,
dieselbe minutienkrämerei veranlasst mich zu der bitte, mir
eine vollständige abschrift des in der k. k. bibliothek befind
lichen ,Recueil de plusieurs chansons divise en trois parties.
A Lyon, par Benoist Rigaud & Jan Saugrain.‘ 1557. 12°. zu
verschallen, ich habe davon zwar neulich ein exemplar der
Stadtbibliothek zu Frankfurt am Main benutzt, aber es nicht
ganz abschreiben können. Die neulich von Ihnen mir gütigst
geschickte cojiie des französischen] geistlichen liedes entspricht
meinen wünschen durchaus, und wenn etwa für die abschrift,
um die ich jetzt bitte, der copist mehr verlangt, so verschlägt
das nichts, auch um copie des nach Ihrer nachweisung, von
Leber (sur l’etat reel de la presse etc.) 3 mitgetheilten Volks
liedes bitte ich.
Ihrem Wunsche gemäss erhalten Sie hiermit Verzeich
nisse 1 der bisher von mir benutzten (d. h. in der regel voll
ständig abgeschriebenen) liederbücher so wie deren, die ich
leider nur den titel nach kenne, die letzteren selbst zu er
langen, ist wohl keine hoffnung vorhanden, da dergleichen
1 Es findet sich unter den Briefen J. Grimm’s an meinen Vater keiner aus
jenem Jahre und mit Bezugnahme auf den'Br. Rausch.
2 Diese Lieder aus der Zeit der französischen Religionskriege stehen nicht
im 6. Hefte, sondern in der 2. Partie des 1. Bandes des Bulletin,
S. 165—169.
3 Leber. De l’etat reel de la presse et des pamphlets depuis Framjois I.
jusqu’k Louis XIV. Paris 1834. 8°. Welches Volkslied gemeint ist, ist
zweifelhaft; S. 80 ff. kommen mehrere volksthiimliche Lieder über den
Krieg der Ligue vor. ,
4 Diese Verzeichnisse finden sich nicht mehr vor.
Briefe von Holtmann von Fallereleljen and Maria Haupt an Ferd. Wolf.
125
Seltenheiten in Frankreich jetzt gewiss zn enormen, meine
kräfte übersteigenden preisen verkauft werden, und sie ge
liehen zu erhalten, dazu ist wohl eben so wenig aussicht.
aber schön wäre es, wenn Sie erfahren könnten zu welchen
preisen in Paris abschriften von der erforderlichen genauigkeit
(z. B. von den Beiles chansons nouvelles et fort joyeuses.
Par[is]. 1537) | zu erhalten wären, auch blosse titelangaben
mir unbekannt gebliebener liederbücher sind mir schon er
wünscht. vielleicht lasse ich später ein Verzeichnis der von
mir nicht benutzten auf einem blatte drucken und schicke es
an antiquare.
Dass das erste lieft unserer blätter Ihnen nicht ganz
missfällt freut mich sehr, für die nachweisung des französi
schen] Originals von Berhten mit der langen nase 1 bin ich
Ihnen sehr dankbar, diese notiz, sowie die bestätig-ung Ihrer
schon an sich völlig einleuchtenden conjectur ,Et de Quex‘ u. s.w.
kommt am Schlüsse des 4ten hefts in die nachträge. 2 haben
Sie ja die güte mir alles zu schicken was Ihnen bei der lecture
der bll. einfällt, die märchen, 3 weiche das zweite, hoffentlich
in 4 Wochen fertige lieft eröffnen, habe ich in meiner quellen-
armuth nur mit sehr dürftigen nachweisungen versehen können,
öffnen Sie also ihre vorrathskammern. diese märchen sind sehr
merkwürdig, zum tlieil aus den gestis Romanorum genommen,
zum theil neu. so kommt Odysseus abenteuer mit dem cyklopen
vor und schwerlich in directer abstammung aus der Odyssee.
Seinet in ,darumbe seinet man dir das swert' ist wohl
ohne zweifei segnet. 4 die contraction ist ganz gewöhnlich und
die conjectur, die ich in der anmerkung mittheile, soll nur
das versmass bessern.
Der Elegast 5 kommt erst in das dritte lieft, haben Sie
ja die güte, die stelle aus dem dänischen volksbuche von Karl
1 Bezieht sich auf das mhd. Gedicht von Berhten mit der langen Nase,
Altd. Bll. I. S. 105.
2 Diese Nachträge kommen weder am Schlüsse des 4. Heftes, noch sonst
wo in den Altd. Bll. vor.
3 S. oben den 2. Brief von Haupt, S. 114, Anm. 3
4 Bezieht sich auf das mhd. Gedicht .Spiegel der Tugende 1 , Altd. Bll. I
S. 90, Vers 38.
5 Siehe über Elegast und F. Wolf’s Abschrift aus dem dänischen Volks-
buche Brief 7.
126
dem gr[ossen] mir zu schicken; auch was Sie etwa sonst noch
über die sage beisteuern können, (den Albericus trium fon-
tium habe ich.)
Ueberhaupt wird uns alles was Sie schicken willkommen
sein, schlimm genug, dass im zweiten hefte Ihr name nur
in einem citate vorkommt. Eine analyse des Werks von la
Eue wäre sehr erwünscht, nur würde sie entweder nicht über
2—3 bogen füllen dürfen, oder in zwei hefte zerlegt werden
müssen, da ein ganzes lieft mit einem aufsatze zu füllen nicht
rathsam ist. aber sind die wiener jahrbücher nicht ein illustrer,
La Rue’s würdigerer ort? 1
Ganz besonders erwünscht wären mir kleine notizen, von
einigen Zeilen bis zu einigen seiten, dergleichen würden Ihnen
wenig zeit kosten und mir sehr willkommen sein, da es oft
mir mehr noth macht eine halbe Seite schicklich zu füllen, als
einen ganzen bogen.
Ihre geschäftsüberladung bedauere ich von herzen, auch
um des Beuves willen, den müssen sie aber auf keinen fall
aufgeben, zumahl da Robert den Floires & Blanchefleur 2 weg
genommen hat. wird denn an der floresta endlich gedruckt?
Gott gebe es! ich freue mich freilich auf sie, aber eigentlich
bin ich ihr doch gram, weil das mittelalter dabei zu kurz
kommt. Ilic Rhodus, hic salta! wahrlich, es tanzen Ihnen
wenige nach. [
Für die horae hispanicae und den Conde Lucanor 3 habe ich
noch keinen Verleger gefunden, politische dummheiten u. dg!.,
darnach schnappen unsere buchhändler und Verleger. Indessen
erscheinen doch anderwärts gute bücher, Wackernagel’s alt
deutsches lesebuch zum beispiel.
1 F. Wolf hat keine Anzeige über das bekannte Werk des Abbe de la Rue,
Essai sur les Bardes et les Trouväres anglonormands. Caen. 1834. 8°.
3 Vols. geschrieben.
2 A. C. M. Robert, der den Partenopeus de Blois herausgegeben hat (Paris.
1834. 8°. 2 Vol. Der auf dem Titel als Herausgeber genannte Crapelet
ist nur der Verleger), beschrieb in der Einleitung zu dieser Ausgabe die
Hs. 1830 der Pariser Bibliothek, welche eine unvollständige Version des
Romanz de Floire et de Blanche Flor enthält; die von ihm beabsichtigte
Herausgabe dieses Gedichtes ist nicht erschienen.
3 Siehe den 1. Brief von Haupt, S. 111 Anm. 3.
Briefe von Hoffraann von Fallersleben uncl Moriz Haupt an Ferd. Wolf.
127
An Meusebach habe ich wegen des Kahlenbergers 1 un
verzüglich geschrieben, aber noch hat er nicht geantwortet,
so wenig als über den Rausch oder meine chansons. Wie mir
seine Frau schreibt ist er gerade jetzt sehr mit amtsarbeiten
überhäuft.
Ich stecke jetzt bis über die obren im Gratias und den
wiener philologischen anecdotis; doch hält mich dies, wie Sie
sehen, nicht ab, lange und langweilige briefe zu schreiben.
Grüssen Sie Endlicher (dem ich nächstens etwas chine
sisches 2 zur ansicht schicken werde) und Kopitar.
Meine altern empfehlen sich Ihnen angelegentlich. Und
nun, mein verehrter freund, leben Sie wohl, lassen Sie sich’s
in Steiermark recht wohl sein und gedenken Sie meiner
freundlich.
Getreu der Ihrigste
Haupt-Lusato-von Zittau.
Für die sehr belehrenden blätter des archivs 3 meinen
herzlichsten dank.
6.
Zittau, 20. jul[i] 1835.
So eben, mein verehrter freund, erhalte ich von hn von
Meusebach den Kahlenberger, den ich sogleich Ihnen zu sen
den mich beeile, nur muss ich die bitte um möglichste be-
sc.hleunigung der benutzung beifügen, könnte der h[err] graf
von Auersperg die abschrift beeilen, so dass das original in
4 wochen wieder in meinen händen wäre, so würde mir dies
sehr lieb sein.
1 Es handelte sich um das Volksbuch von dem Pfaffen von Kahlenberge,
dessen Anastasius Grün (Graf Auersperg) zu seinem Gedichte ,Der Pfaff
vom Kahlenberg 1 , das aber erst 1850 erschien, bedurfte. Siehe übr. den
7. Brief, S. 128 Anm.
2 Vielleicht ist die früher erwähnte Recension des Schi-King gemeint.
3 Gemeint sind die ,Blätter für Lit., Kunst u. Kritik 1 (zur österr. Zeitschr.
für Geschieht.?- u. Staatskunde, hgg. von Kaltenbaeck) in denen gerade
damals mehrere Anzeigen meines Vaters erschienen waren. S. Mussafia,
1. c. S. 19 f. Die österr. Zeitschrift war die Fortsetzung des Hor-
luayer’sehen Archives.
128
Wolf.
noch eine bitte habe ich auf dem herzen, haben Sie und
Endlicher nicht noch ein exemplar Ihres bruder Rausch übrig’?
ein hr von Below in Danzig^ der solche Sachen eifrig- sammelt,
und für den Meusebach intercediert, würde sehr erfreut sein,
wenn ich ihm ein exemplar schicken könnte, er hat mir neu
lich ein altes französisches] liederbuch unaufgefordert raitge-
theilt. Scheuen Sie sich aber ja nicht, meine bitte abzuschlagen,
wenn Ihr vorrath an exempll. nur noch gering ist.
Seinen niederdeutschen Rausch wird Meusebach nächstens
schicken.
In gröster eile und mit steter treue
ganz der Ihrige
Haupt.
PS. Möge Ihnen der kalenberger nicht zuviel porto kosten;
Sie wissen, dass ich leider nur bis an die gränze frankieren kann.
7.
Zittau, 23. october 1835.
Schon zu anfang dieses monats bin ich von Berlin, wo
ich seit mitte august zum besuch gewesen war, zurückgekehrt
und habe bei meiner zurückkunft Ihre beiden briefe, mein
theuerster freund, vorgefunden, dass ich so spät antworte,
kommt daher dass ich herrn von Meusebachs entschliessung
hinsichtlich des (richtig angekommenen) pfaffen vom kahlenberg
vorher abwarten wollte, ich habe gleich an ihn geschrieben;
da er nun, nach seiner weise, mit der antwort zögert, so will
ich nicht länger anstehen Ihnen einmahl wieder ein lebens-
zeichen zu geben. Was nun den kahlenberger betrifft, so wird
es gut sein wenn Kuppitsch herrn von Meusebach’s erlaubnis
erwartet ehe er drucken lässt; 1 hat aber, wie ich fast ver-
muthe, der druck schon begonnen, so hoffe ich dass Kuppitsch
wenigstens so viel gefühl für Schicklichkeit haben wird, an
Meuseb[ach] ein exemplar seines abdrucks, und zwar auf per-
gament, wenn er solche exemplare abziehen lässt, zu senden.
1 Dieser Wiederabdruck des Pfaffen vom Kalilenberge, den Kuppitsch beab
sichtigt hat, ist nicht zu Stande gekommen. Siehe auch Brief 8.
Briefe von Hoffmann von Fallersleben und Moriz Hanpt an Ferd. Wolf. 129
Kuppitsch scheint wo es auf befriedigung eigener wünsche an-
kommt so schnell und rücksichtslos zu sein als er taubstumm
gegen fremde wünsche ist, wie ich im vorigen sonuner zur
genüge erfahren habe. |
Dass mein liederheftchen Ihnen nicht misfallen hat freut
mich sehr, bei meiner liedersammlung wird natürlich mit
grösserer und mehr philologischer genauigkeit verfahren wer
den. allerdings ist es meine absicht von den liedern den text
so rein als möglich zu geben und ihn in kurzen anmerkungen
zu beglaubigen; bei jenem einzelnen bogen, einem sehr beeilten
spasse, schien mir dies pedantisch, dass in n° VI moulure
anstatt des richtigen moulture steht bemerken Sie gewiss mit
recht und ich bin Ihnen für diese bemerkung um so dank
barer, da ich moulure für eine mundartliche form hielt, die
ich aber nicht nachweisen konnte, desto lieber ist es mir nun
durch Ihre bemerkung meinen zweifei behoben zu sehen und
es versteht sich dass ich in meinem buche moulture drucken
lasse. Dagegen kann ich Ihnen nicht einräumen dass statt
Pr ei an (im ersten liede) Paien zu setzen sei. ich will mich
bei der frage, ob da nicht wenigstens le oder un Paien
stehen müsste, nicht aufhalten; denn, um es kurz zu sagen ?
Pr ei an ist der name eines muhammedanischen Seeräubers, den
ich auch anderwärts (zufällig) gefunden habe. Der erste band
meiner Sammlung wird hoffentlich im künftigen frühjahre er
scheinen können; leider kann ich in diesem winter, da mich
andere arbeiten be- | sehäftigen, nicht daran arbeiten, auch
erwarte ich neue hilfsmittel: wenn auch nicht mehr aus Mün
chen; denn der sächsische geschäftsträger in München scheint
die Übernahme und Übersendung der dortigen franz[ösischen]
liederbücher, deren Verabfolgung mir bewilligt ist, absichtlich
zu unterlassen.
Für die abschrift der sage von Elegast aus dem däni
schen Carl Magnus sage ich Ihnen herzlich dank, ich habe
sie sogleich an Hoffmann geschickt, der den holländischen Ele
gast nicht in unsern blättern, sondern als akademische schrift,
einzeln abdrueken lässt.
Das zweite lieft der blätter werden Sie hoffentlich nun
erhalten haben und ich wünsche, dass es Sie interessiert haben
möge, der druck des dritten heftes hat noch nicht begonnen;
Sitzungsber. d. pbil.-bißt. CI. LXXVII. Bd. I. Hft. 9
130
Wolf.
herrlich wäre es, wenn Sie noch etwas dazu schicken könnten;
alles, grosses und kleines, ist willkommen, ich lege Ihnen
meine bitte an’s herz.
Ihre recension des Moro exposito ist wohl noch nicht ge
druckt, ' wenigstens habe ich sie noch nicht gesehen, dagegen
habe ich Ihren aufsatz über Hubers lesebuch 2 allerdings ge
lesen, und zwar mit grösstem interesse und Wohlgefallen, dass
Huber diese recension übel aufgenommen haben sollte kann
ich nicht denken, ich wünschte, wenn ich etwas schriebe, nie
anders, lob und tadel | haben Sie genau, einsichtig und mit
wohlwollender gesinnung ausgesprochen; mehr kann kein ver
ständiger verlangen und für die reiche belehrung, die Sie
spenden, muss jeder dankbar sein. Ihre floresta ist wohl nun
schon oder vielmehr endlich in Paris? wenigstens wünsche
ich es Ihnen von herzen, und auch mir, nicht bloss weil ich
für unsere blätter von Ihnen dann mehr hoffe, sondern über
haupt weil ich gern mehr mittelalterliches von Ihnen lesen
möchte, ich selber kann jetzt wenig mit mittelalterlichen
Studien mich abgeben, da bis Weihnachten mich mein Gra-
tius etc. noch in anspruch nimmt, auf dessen beendigung ich
mich sehr freue, zu Ostern gehe ich nach Leipzig und dann
wird hoffentlich ein neues leben für mich beginnen.
Grüssen Sie Endlicher, dem ich für seinen brief an Sa-
vigny danke und nächstens schreiben werde, und Kopitar.
vielleicht schicke ich in einigen wochen etwas für die wiener
jahrbücher. 3
Meine altern empfehlen sich Ihnen angelegentlich und
ich bin unwandelbar
Ihr getreuer
Haupt.
1 Die Anzeige des Gedichtes: ,E1 Moro exposito, ö Cordova y Burgos
en el siglo decimo. Leyenda por d. Angel de Saavedra. (Paris. 1834.
8°. 2 Vols.) erschien in den Jahrbüchern für wissenschaftliche Kritik.
Jahrg. 1835, II. S. 563 — 75.
2 Die Anzeige von Iluber’s Spanisches Lesebuch 1 (Bremen. 1832. 8°.)
erschien in den Wiener Jahrbüchern der Literatur, Band LXIX. S. 159
bis 193.
3 Wahrscheinlich die Recension von Kopitar’s Glagolita Clozianus, von der
im 10. Briefe, S. 138 die Rede ist.
Briefe von Hoft’mann von Fallersleben und Moriz Elaupt an Ferd. Wolf. 1 3 1
8.
Zittau, 4. janfuar] 1836.
Verzeihen Sie, mein theuerster freund, mein langes Still
schweigen, an dem hindernisse und verdriesslichkeiten aller
art, leider auch die Saumseligkeit die aus Verstimmung hervor
zugehen pflegt, kurz alles andere eher schuld war als ver
änderte gesinnung gegen Sie. trauen Sie meiner Versicherung
dass ich Ihnen mit treuer freundschaft ergeben bin und zweifeln
Sie niemahls an der beständigkeit meiner gesinnung. fast
scheint es mir als hätten Sie aus meinen aüsserungen über
Kuppitsch und den beabsichtigten abdruck des Kahlenbergers
eine misstimmung gegen Sie geschlossen, ich habe mich viel
leicht ungeschickt ausgedrückt, kann aber fest versichern, dass
mir kein gedanke gegen Sie in die seele gekommen ist. Kup
pitsch hatte mich mit seinem Vorsatz (für den Sie ja gar nichts
konnten) verstimmt weil ich des hn von Meusebach eigen-
thümlichkeit genau kenne, und weiss wie dinge, die den meisten
andern gleichgültig oder erfreulich sind, dieses selbstquälerische
gemüth aufs aüsserste verstimmen und peinigen, es ist un
möglich die gemüthsart dieses mannes ohne eigene anschauung
zu begreifen, und ein jammer, dass er des vollsten glückes und
reiner Zufriedenheit fähig, aus krankhafter Verstimmung wenig
heitere tage geniesst. um die tiefe und feinheit seines geistes
einigermassen kennen zu lernen, lesen Sie doch seine recension
der ,briefe Goethes an ein kind' im juliheft der hallisclien
literaturzeitung. 1 | die kuppitschiade ist durch die sorgliche
Weisheit der censurhofstelle abgethan, sie sei es auch unter
uns, und ich hoffe, es glimmt nach meiner ehrlichen Versiche
rung kein fiinkchen groll gegen mich in Ihnen.
Für unsere blätter schicken Sie ja bald etwas,
was es auch ist, alles ist willkommen; kurz oder lang, alles
findet raum, indem das dritte heft stärker wird als die beiden
früheren, da ich nach ostern nach Leipzig gehe und deshalb
der erste band in der hiesigen druckerei vollendet werden
muss, für Ihre bemerk[un]gen zu den märchen des 2ten heftes,
bei denen ich freilich im stillen auf den beifall, den Sie aus-
1 Nr. 115—120. S. 289—336.
9*
132
Wolf.
sprechen, gehofft hatte, mein[en] herzlichen dank, sie sollen
wie alles ähnliche zu nachträgen benutzt werden. — die floresta
ist doch wohl nun in den händen oder gar aus den liänden
der censur? also senden Sie etwas? höchst willkommen
wäre die vorgeschlagene anzeige von Jubinal’s jeu de Pierre
de la Broce und Serrure’s Jeu d’Esmoree. 1 machen Sie sie
so lang als möglich, desto mehr werden ich und die leser uns
freuen, auch Ihre anzeige von de la Rue’s werk fände nun
raumes vollauf.
Ihre recension des Moro expösito habe ich mit grösster
befriedigung gelesen und bin mit allem was Sie sagen einver
standen. die klarheit Ihrer auseinandersetzung hat mich be
sonders erfreut.
Die erwähnte neuaufgefundene 2 Eslite des chänsons
plus belles u. s. w. A Paris par Fleury Bourriquant etc.
haben Sie ja die güte mir abschreiben zu lassen, warten
kann ich auf diese abschrift, so wie auf die welche in arbeit
ist. indessen hoffe ich, soll dies jahr nicht vergehen ohne dass
ein anfang mit meinem Recueil gemacht ist d. h. im druck,
übermässiges zaudern fruchtet nichts und ich habe doch | schon
eine schöne menge schöner lieder. lassen Sie mich nur erst
nach Leipzig kommen! In der dortigen Stadtbibliothek giebt
es eine anzahl altfranzösischer hss., die will ich genau unter
suchen und ausbeuten. wer weiss ob nicht darunter manches
für Sie und Ihre französischen freunde darunter ist. wie steht
es denn mit dem Beuves d’PIantonne? über den liosenbliit
schreibe ich heute nichts, weil ich vor kurzem erfahren habe,
dass die leipziger Universitätsbibliothek seit kurzem einen hand
schriftlichen band von schwanken des Rosenblüt besitzt und
ich deshalb erst nähere nachricht abwarten will.
Was sagen Sie denn zu Endlichere 3 Versetzung? mir
thut sie leid, ich schreibe heute an ihn um ihm noch eine
1 Jubinal, La Complainte et le Jeu de Pierre de la Broce. Paris. 1835. 8°.
Le Jeu d’Esmoree, Als du roi de Sicile, drame du 13. siede, traduit du
flamand par Const. Phil. Serrure. Gand. s. a. 8". (Separatabdruck aus dem
Messager des Sciences et des Arts de la Belgique). Wolf lmt, den Vor
satz, diese Veröffentlichungen anzuzeigen, nicht ausgeführt.
2 Nämlich in der Wiener k. k. Hofbibliothek.
3 Endlicher wurde 183G Custos am k. k. Hofnaturalieneabinete.
Briefe von Hoffmann von Fallersleben und Moriz Haupt an Ferd. Wolf.
bitte in beziehung auf meinen Gratius u. s. w. vorzutragen, da
ich das Unglück gehabt habe, von meinem Ms. einige blätter
auf unerklärliche weise zu verlieren, kann Endlicher meine
bitte nicht erfüllen, so muss ich, mit gewohnter Unverschämt
heit, Ihre güte in anspruch nehmen.
Interessant wird Ihnen die mir von dem bibliothekar Böhmer
in Frankfurt am Main brieflich mitgetheilte nachricht sein, dass
er auf einer reise die er im verwichenen herbst mit Pertz durch
die Niederlande gemacht hat, einige blätter eines bisher ganz un
bekannten lateinischen gedichtes auf Karl des Gr[ossen| aquita-
nische Feldzüge gefunden hat, ein gemiseh von reminiscenzen
aus Virgil und Lucan und anklängen des echten deutschen epos. 1
Pertz will es herausgeben; ich bin höchst begierig darauf. |
An Jacob Grimms deutscher Mythologie (in den Brock-
hausischen blättern von einem esel recensiert 2 ) erfreuen Sie
sich wohl recht? welch ein schätz von belehrung!
Im intelligenzblatt der brockhausischen blätter haben Sie
doch Iloffmanns entgegnung auf den schändlichen angriff eines
verkappten canonicus Wolf (in der hall fischen] Lfiteratur-]
Zfcitung] gelesen? 3
Verzeihen Sie mein eiliges geschrcibe. es liegt mir jetzt
vieles dringende zur last; unter anderem muss ich meinem
vater hoi herausgabe einer alten zittauer chronik 1 helfen u[nd|
was dergleichen] mehr ist.
Schreiben und schicken Sie bald und bleiben Sic auch
im neuen jalire gewogen
Ihrem
getreuen
Lusato.
1 S. Pertz, Archiv, Band 7. S. 1000, Nr. 7.
2 Diese Reeensiou steht in den Nummern 330—342, 5.—8. December 1835;
sie ist mit der Ziffer 175 unterzeichnet.
3 Im Intelligenzblatt der Allg. Lit. Zeitung, September 1835, Sp. 400. Ab
gedruckt mit der Erwiederung Hoffmann’s (erschienen im Literarischen
Anzeiger von F. A. Brockhaus, 1835, Nr. XXXXIV.) in ,Mein Leben. Auf
zeichnungen und Erinnerungen von Hoffmann von Fallersleben/ Han
nover. 1868. Band 2. S. 277 ff.
4 Haupt s Vater, Ernst Friedrich Haupt, gab für die Sammlung der Serip-
tores rerum Lusaticarum die Jahrbücher des Zittauischen Stadtschreibers,
Johannes von Guben, heraus. (Görlitz 1837.)
134
Wolf.
Empfehlen Sie mich Kopitar.
Meine altern empfehlen sich bestens.
Wollten Sie wohl selbst die Gräte haben und nachsehen,
ob die k. k. bibliothek hss. von Censorinus de die natali und
vom rhetor 1f. Seneca hat? |
[Beilage.]
meine vermuthung über Ruotliep 1 wird durch folgende
Strophen des von Lassberg herausgegebenen Eggenliedes 2
bestätigt.
lxxx. Wan dat swert gesmidet wart,
Ain sahs hi es man es an der vart:
Ze hant wolt man es klaiden.
Die herren die berietent sich,
Wie sie dem swerte lobelich
geworchten aine schaiden.
Sie gewunnen ainen frömden muot
Vnd worchtens vsser golde.
Der vessel was ein porte guot,
Liecht als in tragen solde
Ain künic, dem dienten du getwerk;
Der buwt mit grossen eron
Lang ainen holen berk.
lxxxi. Dannoch was es niht vollebraht:
Die herren hattont gar gedaht,
Das wisset siccherliche,
Das si vs santont vir den berk:
Do fuortonz zwai wildü getwerk
Wol durh nun ktinecriche
Biz daz sü kament zuo der dral,
Die da ze troige rinnet. |
Das swert das was so lieht genial;
Reht sam ain rubin brinnet,
Sus luhten im die fessel sin.
Si hartenz in der drale,
Des wart es also fin.
1 Siehe S. 120.
2 ijggenliet, das ist der Wallere, von Heinrich von Linowe . . ans licht
gestellt durch meister Seppen von Eppishusen. (1832. 8°.)
Briefe von Hoffmann von Fallersleben und Moriz Haupt an Ferd. Wolf. 135
lxxxii. Das swert das was vil lank verholn;
Jedoch so wart es sit verstoln
Von ainem argen diebe;
Der kam geslichen in den berk,
Reht alsain ain wild getwerk.
NB. Dem künge Ruotliebe
Dem wart es sit ze handen braht;
Der kund es wol behalten;
Er hates der siten sin gedaht,
Der wart es nie verschalten,
Vnz daz sin sun wuchs ze ainem man;
* Der wart da mit ze ritter
Des rnenger not gewan.
9.
Zittau, 20 april 1836.
Hn Scriptor Wolf, Wohlgeb.
Ich bedarf sehr Ihrer nachsicht, mein theuerster freund.
Unwohlsein verzögerte anfänglich meine antwort auf Ihren vor
letzten brief (der letzte ist wie Sie durch unseren Endlicher
wissen -werden, unterwegs gestohlen worden), und, wie es zu
gehen pflegt, die einmahlige zögerung wirkte nach. Für die
altfranzösischen Tischregeln den schönsten dank; sie sind so
gleich abgedruckt worden. 1 das dritte heft unserer blätter ist
fertig gedruckt, kann aber erst in einigen wochen erscheinen,
weil wir uns vorher mit Brockhaus auseinandersetzen müssen,
um nicht allzu grossen Verlust zu erleiden, schlimmsten falls
geht der verlag an einen andern buchhändler über, denn ein-
gehen sollen die bll. wo irgend möglich nicht, das dritte heft ent
hält unter anderem einen bogen ,Mythologien/ von Jacob Grimm, 2
der mich durch diese mitwirkung sehr erfreut hat; sie bringt
den blättern ehre. Ihre versprochene anzeige des Jeu de Pierre
de la Broce & d’Esmoree mit rüclcsichtnahme auf die neuen
werke über das alte französische Theater schicken sie doch ja.
30—40 seiten im druck stehen Ihnen offen, auch noch mehr. |
1 Aid. Blätter. I. 266 — 276.
2 S. 287-297.
136
Wolf.
Mone’s anzeige des bruder Rausch ist von Mone; 1 darin liegt
alles, er ist unverbesserlich, was. für tolles zeug hat er neulich
(und wohlverstanden nach dem erscheinen von Grimms mytho-
logie) über die Anten 2 zu Tage gefördert! in jedem ententciche
stecken sie für ihn.
Hoffmanns dedication des Elegast hat mich auch deshalb
gefreut weil ich in ihr Ihnen beigesellt bin. Lassen Sie uns,
wie hier auf einem blatte, trotz der weiten entfernung in treuer
Verbindung bleiben, aus meiner hoffnung heuer nach Wien zu
kommen ist nichts geworden ich bin aufs neue auf unbestimmte
zeit hier festgebannt.
Ich hoffe doch dass Sie Ihren Vorsatz die mythologie für
Kaltenback 3 nicht zu recensiren aufgegeben haben, wer soll
sich denn an ein solches werk wagen, wenn Ihre Sachkenntnis
nicht ausreicht? die alberne anzeige in den brockhausischen
blättern 1 (von denen ich mich ganz losgesagt habe) haben Sie
wohl mit demselben Unwillen als ich gelesen.
Ich schreibe in grösster hast und eben rückt mir der
Fallersleben, der mich durch seinen besuch erfreut, auf das
zimmer. erwarten Sie also nächstens einen besseren brief von
mir und verzeihen [Sie] die Unordnung und leere des | gegen
wärtigen.
In der nähe von Baden bei Wien heisst, wenn ich nicht
irre, ein Berg das eiserne thor. es wäre mir sehr lieb zu er
fahren welchen grund diese benennung hat. ich glaube, es
steckt etwas mythisches dahinter. 5
Nächstens will ich den letzten Versuch machen die miin-
chener französischen Liederbücher doch endlich zu erhalten
1 Im Anzeiger, 1835, S. 330—332.
2 ,Ueber die Enten.“ Anzeiger f. Kunde der deutschen Vorzeit. Jahrg. 1836.
Sp. 1—5.
3 Kaltenback (nicht Kaltenback, wie Haupt schreibt) redigirte die Oester-
reiehische Zeitschrift für Geschieht»- und Staatsluindo; in den zu dieser
Zeitschrift gehörenden ,Blätter für Literatur, Kunst und Kritik“ hatte
F. Wolf, wie schon oben bemerkt, Anzeigen veröffentlicht.
4 Siehe Brief 8, S. 133.
0 Das eiserne Thor, westlich von Baden, ist einer der höchsten Berge in
der Nähe Wiens mit berühmter Aussicht. Die Benennung ,eisernes Thor“
ist eine moderne, die auf keinem mythischen Grunde beruht; das ganze
Mittelalter hindurch hiess dieser Berg der Lindkogel, welche Benennung
Briefe von Hoffmimn von Fallersleben und Mom Haupt an Ferd. Wolf.
137
und dann ernstlich ans werk gehen, im laufe dieses sommers
darf ich doch auf die beiden bestellten wiener abschriften
hoffen ?
In der revue europeenne, troisieme annee, Paris 1835 steht
ein aufsatz von dem abbe Dauphin, director des College du
Perron in Lyon, in welchem er von den erinnerungen seiner
kindheit und von den alten liedern, die in seiner heimath
(Crozet) noch gesungen werden, spricht. Vgl. literaturblatt zum
morgenblatte 183(5 N“ 23. wenn Sie einmal an Monin schreiben,
erkundigen Sie sich doch, ob dieser lieder mittheilung nicht
zu erlangen wäre, das wäre ein fund! |
Wie sehr solche notizen geeignet sind, immer neue wünsche
zu erregen kennen Sie gewis aus eigener erfahrung bei Ihrer
floresta, mit der ich übrigens meine liedersammlung in keiner
art werde vergleichen können, indessen was helfen die wünsche?
ich darf es nicht länger verschieben wenigstens einen band
herauszugeben. Freilich gehört zu ordentlicher ausführung
mehr zeit und mühe als dass ich hoffen dürfte in kurzem damit
zu stände zu kommen. Ihren ratli werde ich oft bedürfen.
Leben Sie wol, theuerster Freund und schicken Sie bald * das
für die blätter versprochene.
Getreu der Ihrigste
Haupt.
* d. h. vor dem hohen sommer.
10.
Zittau, 23. junfi] 1836.
Theuerster Freund,
Ihre beiden briefe und Ihre boilagen für Iloffmann und für
die altd[deutsohen] blätter erhielt ich mit grösster freude heute
vor acht tagen, 'dass ich erst heute antworte daran ist eine eben
so lange als elende recension von Kopitars glagolita schuld, die
auch jetzt wieder allgemeiner zu werden arifängt. Von Sagen, welche
sich an diesen Berg knüpfen und darauf hindeuten, dass derselbe eine
alte heidnische Culturstätte gewesen sei, ist nichts bekannt. Ich verdanke
diese Notiz der gütigen Mittheilung des k. k. Hofrathes und Vorstandes der
Familien- und Privat-Bibliothek Sr. M. des Kaisers, Herrn M A. Becker.
138
Wolf.
ich für die wiener jahrbücher 1 vollenden musste und aus der
niemand etwas lernen wird, obwohl ich freilich bei dieser
arbeit sehr viel gelernt habe und sie insofern nicht bereue.
Sie erhalten hiermit vom neuesten heft der altdeutschen] bll.
Ihre gewöhnlichen o exemplare und eines welches ich mit
bestem gruss an Endlicher abzugeben bitte, ich denke, wenig
stens Jac[ob] Grimms mythologica werden Ihnen gefallen, auch
für das 4. heft, an dem bereits gedruckt wird, hat Grimm bei
trage versprochen, 2 die ich täglich erwarte. Wackernagel hat
dazu schöne Sachen geschickt, z. b. sechshundert zeilen eines
bisher ganz unbekannten gediehtes aus der Dietrichssage. 3 wie
willkommen mir Wright’s theilnahme und Sendung 1 ist, können
Sie leicht denken, und da wir diese theilnahme zunächst Ihnen
vermöge Ihrer Verbindung mit Wright verdanken, so seien Sie
auch dafür zum schönsten bedankt, es versteht sich, dass
Wright ein exemplar der altdjeutschen| bll. gebührt, und ich
lasse sogleich eins an ihn abgehen, sobald Sie die
güte haben, mir seine genaue adresse mitzutheilen.
bleiben Sie aber nur ja nicht hinter dem Engländer zurück,
da die blätter ununterbrochen fortgehen, so kommt jeder bei
trag jederzeit zurecht, sei er gross oder klein. In der halli-
schen literaturzeitung 5 werden Sie gelesen haben, dass man
Ihre beitrüge nach gebühr schätzt, höchstwillkommen wäre
mir, nach Ihrem vorschlage, ein aufsatz über Tristan, nach
Michel’s buch; 6 verfahren Sie dabei ganz nach Ihrer bequeni-
lichkeit und geben Sie dabei so viel eigenes als möglich d. h.
sehr viel. |
Michel’s thätigkeit ist Staunenswerth, aber die verfluchte
französische] mode von den alten Sachen nur eine handvoll
1 Band LXXVI. S. 103—133.
2 Mythologica, S. 370—374.
3 Das ,Bruchstück eines unbekannten Gedichtes aus der Dietrichssage,
steht S. 329—34'2; dann folgen noch andere Beiträge von Wackernagel
bis zur S. 352.
4 The English Poem of Cocaygne, S. 396—401.
5 Nr. 82, S. 38—40 (Mai 1836) Anzeige der Altd. Bll., in der am Schlüsse
Wolf’s Beiträge als ,besonders schätzbar 1 hervorgehoben werden.
6 The poetical Romances of Tristan in French, in Anglo-Norman and in
Greek, ed. by Francisque Michel. London. 1835. 8°. 3 Vol. Einen Auf
satz über Tristan hat Wolf nicht geschrieben.
Briefe von Hoifrnann von .Fallersleben und Moriz Haupt an Ferd. Wolf. 139
exemplare drucken zu lassen hole der teufel. wie glücklich
sind Sie durch Ihre Verbindungen alles zu erhalten! auf Ihre
anzeige von Michel s chroniques anglo-normandes 1 freue ich
mich sehr. Michels und Jubinals brochuren, für deren mitthei-
lung ich herzlichst danke, werde ich Ihnen nächstens wieder
senden.
Was nun Ihren projectirten aufsatz über die dramatische
darstellung im Mfittel] A|lter] 2 betrifft, so bin ich ganz Ihrer
meinung die dahin gehörig'en angekündigten französischen bücher
erst abzuwarten, in nächster Woche schreibe ich nach Wolfen
büttel um die Histoire de la bible en poesie; 3 ich zweifle nicht
die hs. zu erhalten und Sie können sich dann darauf ver
lassen, dass ich Ihnen ganz genaue und vollständige ab-
schrift besorge, dies soll mir eine wahre lust sein, da Sie
natürlich auch deutsche und andere dramatische versuche be
rücksichtigen werden, so mache ich Sie darauf aufmerksam dass
das höchst interessante osterspiel in der wiener hs. 3007 (woraus
Wackernagel einiges giebt altdeutsches] Lesebuch 781) auch
böhmisch vorhanden ist (zwar nur als fragment) in Hanka’s
starobylä sklädänie. 4 wenn Sie niemand haben, der dies besser
vermöchte so erbiete ich mich zu wörtlicher Übersetzung des
böhmischen bruchstücks. — Jac[ob] Grimms andeutungen über
den beginn dramatischer Spiele (myth[ologie] 455) sind gewiss
sehr beherzigungswerth. — Vielleicht und hoffentlich wird aus
Ihrem aufsatze gar ein kleines buch, ich verbürge mich für
1 Ferd. Wolfs Anzeige der Chroniques anglo-normandes (Rouen. 1836. 8°.
Tome I.) erschien zugleich mit seiner Anzeige des Rapport ä Mr. le
ministre de lTnstruction publique, par Fr. Michel [Paris et Londres,
1835] in den Wiener .Jahrb. der Lit. Band LXXV1. und LXXVII.
S. oben. S. 115. Anm. 2.
2 Dieser Aufsatz ist nie erschienen.
3 Diese Handschrift, Blankenburg q., ist ini 16. Jahrh. geschrieben; sie
enthält Mysteres und Moralites. Siehe über dieselbe Ebert, Ueberlie-
ferungen zur Gesch. Lit. und Kunst der Vor- und Mitwelt. Dresden. 1826.
I. Band. 1. Stück, S. 178 ff.
4 Das in der Hs. 3007 enthaltene Osterspiel hat Hoffmann im 2. Bande
der Fundgruben (S. 296—336) abgedruckt: das böhmische Osterspiel führt
den Titel Mastiekar fSalbenkrämer) und ist zum Theile mitgetheilt im
5. Bande der Starobyla skladanie, (w Praze, 1823, S. 198-219). S. auch
Hanus. Die lateinisch-böhmischen Osterspiele des 14.—15. Jahrhun
derts. Prag. 1863. 8°.
140
Wolf.
einen Verleger, so wenig es mir auch mit dem Conde Lu-
canor und den Huris hispanicis geglückt ist.
Schönsten dank für die abschrift des Lyoner Recueil NB.
von 1557. nur haben Sie vergessen mir den preis zu melden,
die abschrift des noch rückständigen chansonnier wird mir sehr |
willkommen sein, eigentliche eile hat es nicht, vor dem winter
kann ich leider nicht ernstlich an meine liedersammlung
gehen, für die ich auch noch mehreres erwarte, (besten dank
für Ihre gütige Verwendung bei Michel.) jetzt bin ich in aller
hand philologischen arbeiten vertieft und auch das letzte aus-
bürsten und abstäuben meines Gratius kostet mir noch zeit,
zumal ich immer noch bei einigen desperaten stellen auf er-
leuchtung hoffe.
Was sagen Sie denn zu Diez grammatik? Mir scheint
sie trefflich und ich studiere sie mit lust. wäre nur erst der
2. band erschienen, die anmerkung s. 76 1 haben Sie wohl nicht
übersehen. — Ich werde suchen Diez zu rath und hülfe für
meine liedersammlung zu gewinnen.
Nun aber komme ich zu der ärgerlichsten stelle meines
briefes, einer behelligung, bei der ich mich ganz auf Ihre güte
und nachsicht verlassen muss, einer meiner freunde, oder viel
mehr bekannten, denn freunde, liebster freund, habe ich hier
sehr wenige, hat die Coupons einer österreichischen Schuld
verschreibung verloren, auf dem beiliegenden blättchen- das
nähere, wäre es Ihnen vielleicht möglich, ohne grosse mühe,
zu erfahren ob dieser Verlust ersetzbar ist, vielleicht durch
einsendung der Schuldverschreibung und Umtausch gegen eine
andere? ich würde es Ihnen herzlich dank wissen, wenn Sie
mir bald nachricht darüber geben, der Verlust ist für den bo-
sitzer (oder vielmehr Verlierer) so empfindlich, dass ich ihm
meine (oder leider vielmehr Ihre) hilfe und erkundigung nicht
abschlagcn konnte. — vor allem aber verzeihen Sic meine
behelligung.
1 lieber den französischen Ursprung des provenznlischen Gedichtes von
Fierabras und über Wolf’s Bemerkung in den Altd. Bll. I. S. 15 über
denselben.
2 Diese Beilage, weiche die Nummer und nähere Angaben enthält, glaubten
wir weglassen zu dürfen.
Briefe von Hoffmann von Fallersleben uml Moriz Haupt an Ferd. Wolf. 141
Ich schreibe diesen brief sehr eilig um die post nicht zu
versäumen und das paket liegen lassen zu müssen. | Verzeihen
Sie also die kahlheit und dürre dieser zeilen und schreiben
Sie mir bald, die liauptsacho ist immer dass wir in Verbindung
bleiben, die mich ganz glücklich macht, zur absendung der
floresta meinen glückwunsch. sobald sie erschienen ist, will
ich sie, wenn es Ihnen recht ist, in einer recension herunter-
reissen. 1
John Kemble hat mir vor einigen tagen sein von J. Grimm
in den göttfinger] aiiz[eigen] recensirtes schriftchen über die
Stammtafel der Westsachsen gesandt, 2 das für einen Engländer
in sehr gutem deutsch geschrieben ist. ich habe diese auf-
merksamkeit Grimm zu danken und sie freut mich schon des
halb. Leben Sie wohl, theuerster freund, und behalten Sie lieb
Ihren getreuen
Moriz Haupt.
Vergessen Sie nicht, mir Wright’s adresse zu schreiben.
11.
Zittau, jul[i] 18. 1836.
Theuerster Freund,
Durch Ihre güte beschämt zu werden und sie mit nichts
erwiedern zu können als mit herzlichem dank bin ich schon
gewohnt, diesmahl aber weiss ich kaum wie ich es anfangen
soll ohne schände vor Ihnen zu bestehen, wenn auch die beichte
die ich sogleich ablegen werde, ein geständnis nicht sowohl
meiner als fremder schuld ist. hören Sie die verdriessliche
dummheit. während Sie sich so grosse mühe geben alles nöthige
in betreff der verloren gegangenen Coupons zu erkundigen und
mir einen so sorgfältigen und genügenden beScheid ertheilen,
ja zu weiteren gefälligkeiten in dieser sache sich bereit er
klären, kommt vor kurzem mein bekannter mit der nachricht
zu mir, die Coupons haben sich wieder gefunden. Sie können
1 Zn einer Recension (1er Floresta von Haupt scheint es nicht gekommen
zu sein.
2 (München. 183G.) Die Recension von Jac. Grimm stellt in Stiiek 66. 67.
der Gott. gel. Anz. 28. April 1836, S. 649—657.
142
Wolf.
denken wie sehr mich die bequemlichkeit verdross, statt ge
hörig alles zu durchsuchen, fremde bemühung anzusprechen,
ich leistete mir sogleich den eid, Sie in meinem ganzen leben
nicht mehr mit fremden dummheiten zu bemühen, da ich es
ja oft genug mit eigenen thue. haben Sie für ihre verlorene
mühe meinen besten dank und glauben Sie mir dass jeder gegen-
dienst den ich Ihnen für so viele güte (seit nun schon 2 jäh
ren) leisten kann mir eine wahre lust sein wird, deshalb sollten
Sie auch nicht so vieles aufheben machen über die verspro
chene Übersetzung des böhmischen mysteriums und abschrift
der wolfenbüttler mysterienhs. beides steuere ich mit vergnügen
zu Ihrer schrift, auf die ich mich sehr freue, bei. die wolfen-
bütteler hs. hoffe ich nun bald zu erhalten. Auf Ihre recension
der chroniques anglo-normandes bin ich sehr begierig, ganz
gewiss ist das geschichtliche Ihr eigentliches gebiet, ohne dass
ich jedoch in Ihren ausdruck ,pfuscherei auf dem philologischen
gebiet' im mindesten einstimme. Sie haben ja noch nie gelegen-
heit gehabt oder gesucht, Ihr philologisches wissen in einer
grossem arbeit andern und sich selbst zu beweisen, und wie
sind denn Ihre genauen und sorgfältigen arbeiten ohne philo-
logie zu stände zu bringen? lassen Sie die Ferien, in denen
Sie wohl der leidigen cholera in gesündere ge- | gen den ent
fliehen werden, alle grillen verscheuchen.
Ihre Tristanabhandlung wird zu jeder zeit willkommen
sein und sogleich gedruckt werden, je länger je lieber!
In Ihr urtheil über Diez stimme ich völlig; wäre nur der
zweite band erst da! methode und theorie ist gleich trefflich,
nun erst bekommt man lust über romanische sprachen gramma
tisch zu sammeln, da nun jede bemerkung an den festen stamm
des diezischen buches sich anschliesst. ich sitze eben über
Uhlands abschrift von ,Flore und Blanceflor', zum behuf einer
recension von Hoffmanns horae belgicae 3 u. 4, womit ich mein
recensieren auf lange Zeit beschlicssen werde (Ihre floresta
ausgenommen die ich ganz gewiss ausführlich anzeige). das re
censieren kostet zu viele zeit; die auf eigene arbeit besser ver
wandt wird, meinen aufsatz über Kopitars Glagolita nehme
ich aus, denn dabei habe ich wirklich viel gelernt, mehr als
man der recension ansehen wird, doch ist K[opitar], zu meiner
freude zufrieden. Für Michels und Jubinals Schriften meinen
Briefe von Hoffmann von Fallersleben und Moriz Haupt an Ferd. Wolf.
143
besten dank, an Wright geben nächstens die altd[eutschen] bll.
und meine exempla 1 ab, mit bestem dank und dringender bitte
um weitere mittheilungen. Verzeihen Sie mein leeres ge-
schreibe, ich habe heute wenig zeit und will Sie doch nicht
länger auf antwort warten lassen, nächstens hoffe ich Ihnen
etwas erfreuliches literarisches, 2 das mich angeht, mittheilen zu
können, wovon ich noch nichts verlauten lassen darf; doch er
fahren Sie es vielleicht eher, denn Sie sind an der quelle.
Grüssen Sie Endlicher und stellen Sie ihm den beiliegenden
zettel gelegentlich zu. halten Sie glückliche ferien und behalten
Sie lieb
Ihren getreuen
Haupt.
12.
Dresden, 2G. sept[ember] 1836.
Hoffentlich entschuldigt das obige ,Dresden' statt des ge
wohnten ,Zittau' mein langes Stillschweigen zum theil; zum
grösseren theil muss ich freilich auf Ihre nachsicht rechnen,
theuerster freund, ich bin seit vier Wochen hier und habe für
Pertz und seine monumenta 3 mit gröster anstrengung, d. h.
täglich über sieben stunden, handschriften verglichen so dass
ich wenigstens abends nach gethanem tagwerk die rechte Stim
mung zu einem briefe an Sie nicht finden konnte, und vor
und zwischen den bibliotheksstunden, die eine besondere be-
günstigung für mich auch für den nachmittag wo ich einge
sperrt werde ausgedehnt hat, muste ich vieles unaufschiebHche
abthun. nun will ich aber nicht länger in meinem undankbaren
Stillschweigen verharren und lieber flüchtig und eilfertig schrei
ben als länger auf ruhige müsse warten die ich hier schwerlich
finde; und erst zu ende dieser woche reise ich heim, ich folge
Ihrem briefe in meiner antwort. |
1 Exempla poesis latinae medii aevi. Vindobonae. 1834. 8°.
2 Wahrscheinlich die Herausgabe des Erec von Hartmann von Aue, die
Haupt damals übernahm.
3 Im Jahre 1836 verglich Haupt fiir die Monumenta Germaniae etc. die
Dresdner Handschrift des Thietmar und der Vita Bernwardi. Siehe
Pertz, Archiv, Band VI. S. 718.
144
Wolf.
Vor allem also meinen glückwunsch dass der druck der
floresta in gang ist. die Verwandlung aller römischen Ziffern
in arabische ist allerdings verdriesslich; ich denke aber, eine
bemerkung im druckfehlerverzeichnisse reicht hin den verstoss
so ziemlich zu heben. 1 Sechstausend frfancs] für druck und
correctur sind freilich nicht wenig, aber die kostenvermelirung
die der druckort veranlasst hat wird wohl durch die vortheile
die er darbietet weit überwogen und eleganz der ausstattung
war hier unerlässlich. — Alles von Wright für die altdeutschen]
bll. aus dem Cambridge Ms. eingesendete zurückzuhalten war
leider, oder soll ich sagen zum glück? nicht mehr möglich,
das vierte heft ist seit fünf Wochen bis auf die Vorrede und
das register fertig und Ihr brief kam zu spät, doch ist nur
eins der lateinischen] lieder ungedruckt und ausser diesem
habe ich nur noch ein zweites aufgenommen. 2 ich werde mit
dem vierten hefte an Wright auch die drei ersten senden und
mich mit ihm verständigen. Kemble’s eifersucht, gleich als hätte
er das Ms. gepachtet, ist lächerlich. — Herrlich ist es, dass
Sie Michel 3 zu beiträgen aufgefordert haben; noch besser aber
Ihr erbieten aus dem Livre de legendes von Le Roux 4 einen
auszug in Ihrer weise zu schicken, thuen sie es ja sobald Sie
können, der druck des zweiten bandes (heft 1) wird bald be
ginnen und in der vorrede zum ersten erkläre ich mit einigen
Worten die rücksieht auf altfranzösisches in altdeutschen
blättern, auch den Tristan vergessen Sie ja nicht, überhaupt
aber seien Sie jederzeit, ohne Vorfrage, über- | zeugt, dass
mir alles, was Sie schicken, willkommen ist. — Hoffmann der
ewige Wanderer, ist seit anfang august nach Kopenhagen, Hol
land und vielleicht Paris, wenn er beuteschwer, und beutelleer,
zurückkehrt werde ich ihm Michel’s hübsche Geschenke zu
kommen lassen. — Nun über deutsche Tundalus. eine ber
liner deutsche lis. von Tundalus citirt von der Plagen im
1 Dass mein Vater den ßath Haupt’s befolgte, zeigt das Druckfehlerver-
zeichniss zum 1. Bande.
2 Wright’s Beiträge zum 4. Heft der Altd. Bll., Lateinische Lieder aus
dem Cambridge Ms., stehen S. 390—395 des I. Bandes.
3 Fr. Michel hat keine Beiträge zu den Alt. Bll. geliefert.
4 Le Roux de Lincy, Le livre des legendes. Introduction. Paris. 1836. 8°.
Wolf hat Le Roux’s Buch nicht angezeigt.
Briefe von Hoffmann von Fallersleben und Moriz Haupt an Ferd. Wolf. 145
museum 1. 562. — eine reimdicbtung des 13 jli. enthält die
wiener hs. 2696 (verzeichnet, nach der alten nummer, in der
Diutisca 3, 398 ff. N" 8. — eine deutsche prosa enthält eine
zittauer hs. des 15 jh, von der Sie nähere notiz und proben
nur zu wünschen brauchen. — wichtiger als alles dieses ist
ein fragment eines gereimten niederrheinischen Tundalus aus
dem 12 jh., das Meusebach besitzt und Lachmann neulich der
berliner akademie 1 vorgelegt hat. — Ein gedieht von Patricius
aus dem 13/14 jh. steht in der berliner hs. Oct. 56 (14 jh.)
aus der in den altdeutschen bll. der priester Johann gedruckt
ist. 2 — Lachmann hat mir einen einzelabdruck seiner aus-
legung- des prologs zum Parcival (aus den abhandlungen der
akademie) 3 geschickt, den ich wenn ich zu ende dieser woche
heimkomme finden werde. — Dass Sie mein engagement hin
sichtlich des Erec billigen freut mich sehr; ich will alles auf
bieten dass weder Sie noch Kopitar noch Bergmann 1 Ihr Zu
trauen bereuen dürfen, vor von der Hagen habe ich Grimms
und Lachmanns hilfe voraus. | nun aber, wie gewöhnlich, eine
bitte, wenn Sie nach Paris schreiben fragen Sie doch an wie
viel wohl eine abschrift des franz[ösischen] gedichts 5 kosten
würde, ich bedarf seiner zur herausgabe des deutschen, wenn
etwas ordentliches daraus werden soll, drei hss. kenne ich davon
1 Lachmaiin. Ueber drei Bruchstücke niederrheinischer Gedichte aus dem
zwölften und aus dem Anfänge des dreizehnten Jahrhunderts. In den
Abhandl. der Berl. Akad. 1836. S. 159—191.
2 Siche über Tundalus-Handschriften Mussafia, Sulla visione di Tundalo.
Sitzungsberichte der philos.-liist. Classe der k. Akad d. Wiss. Bd. 67.
S. 157—206. Der Aufsatz über den Priester Johann steht im 1. Bde. der
Altd. Bll. S. 308—324.
3 Ueber den Eingang des Parcival. Abh. der Berl. Ale. 1835. S. 227—267.
4 Die einzige Handschrift, in welcher der Erec des Hartmann von der Aue
vorkommt, befindet sich bekanntlich in der Ambraser Sammlung zu Wien ;
der Gustos dieser Sammlung, Jos. Bergmann, hatte zur Herausgabe auf- >
fordernd Abschrift aus dieser Handschrift für Haupt nehmen lassen. (S. die
Widmung Haupt’s vor seiner Ausgabe des Erec.)
5 Der französische Erec und Enide des Cln-estien de Troyes wurde
erst 1850 von Imin. Bokker nach Michel’s Abschrift aus Ms. Gange
26. Reg. ‘4“ herausgegeben. (Zeitschrift f. d. A. Bd. 10. S. 372—550.)
Diese Abschrift, welche Dr. Sachs durch Vergleichung mit dem Ms. be
richtigte und ergänzte, wurde Bekker von Haupt überlassen.
Sitzungsber. d. phil.-liist. CI. LXXVII. Bd. I. Hi't. 10
146
Wolf.
in Paris, in der kgl. bibliothek MSS. n° s 6987 u. 7995 1
(Roqueffort] gloss[aire] 2,759“) und im Arsenal, mss. franpais,
romans en vers, N" 177 (Haenel cat[alogi] 2 p. 351). — Ja
wenn es möglich wäre mit so massigem Aufwande, dass sich
ein Verleger dazu verstände, von Einem dieser MSS. abschrift
und von den andern collationen zu erhalten und wenn Sie
mir dann mit rath und that beiständen, wie wäre dann
der gedanke im ersten bande den französischen], im zweiten
den deutschen Erec zu edieren ? der flüchtigste frapzose hat
zwar vor mir die angeborene sprachkenntniss voraus; dagegen
wissen sehr wenige was kritik ist. schreiben Sie mir ja was
Sie von meinem gedanken halten. Empfehlen Sie mich Kopitar;
er möge meines Schweigens wegen nicht zürnen; in den näch
sten tagen, noch von hier aus, schreibe ich ihm. auch Endlicher
grüsse ich von herzen, in einigen wochen, hoffe ich, geht mein
Gratius zum druck ab. — Leben Sie wohl, liebster freund,
und behalten Sie lieb
Ihren treu ergebenen
Haupt.
Kennen Sie Uhlands sagenforschungen schon ? 3
Von Wolfenbüttel habe ich bis jetzt weder die hs. noch
antwort.
[Auf einem Blättchen.]
Sie werden, meiner unart kundig*, gleich vermuthen,
liebster Wolf, dass dieser nachträgliche zettel fragen und bitten
enthält.
1. ) giebt es unter den autographis der k. k. bibliothek
nichts von Lessing?
2. ) wenn etwa ein ungedruckter brief darunter ist wäre
wohl abschrift vor der hand nur zum privatgebrauch zu er
langen ?
Nochmals vale faveque.
1 Die Nummer Roquefort’s ist falsch.
2 Haenel. Catalogi übrorum mss. qui in Bibliotheeis Galliae etc. asservantur.
Lipsiae. 1830. 4°.
3 Uhland. Sagenforschungen. Stuttgart. 18ö(i. 8°. Band I.
Briefe von Hoffmann von Fallerslobnn nnd Moriz Haupt an Ford. Wolf.
147
13.
Zittau, oct[ober] 10. 1836.
Theuerster freund,
Ihren lieben brief vom 4ten erhielt ich vorgestern zu spät
um ihn mit der an diesem tage abgehenden post beantworten
zu können; jetzt eile ich Ihnen für alles freundliche und er
freuliche was er enthält von herzen zu danken. — Michel
bitte ich für die gütige auskunft über liederbücher der pariser
bibliotliek in meinem namen zu danken (freilich ist es mir un
glaublich dass sich von meinen desideratis gar nichts dort
finden sollte) und ihn meiner freude über seine geneigtheit für
die altdeutschen] bll. etwas zu schicken zu versichern, je näher
sein beitrag deutscher poesie liegt desto willkommener wird ei
sern. Dass mein Gedanke mit dem deutschen Erec gleich
den französischen herauszugeben, Ihre billigung hat ist mir
sehr erfreulich, wenn ich auch Ihre zu günstigen erwartungen
auf rechnung Ihrer freundlichen gesinnung gegen mich setzen
muss, wenn Sie an Michel schreiben, so vergessen Sie nicht
nach dem ungefähren preise einer absehrift der einen
hs. und einer collation der beiden anderen zu fragen,
das honorar, das ich etwa für den Erec erwarten darf, will ich
recht gern auf den französischen text wenden, aber eine weitere
aufopferung vermiede ich gern. Ihre mühe für Michel die
deutschen Rolandslieder 1 auszuziehen ist besonders deswegen
verdienstlich weil der auszug die französischen litteratoren aufs
neue auf das au-delä du Rhin verweist, übrigens, wenn ich
Urnen | nicht so von ganzem herzen zugethan wäre, würde ich
Sie um Ihre Verbindungen mit den Franzosen beneiden, von
den altfranzösischen Sachen haben Sie mehr als irgend jemand
in Deutschland. Von Ihrer absicht'den Meraugis 2 zu edieren,
1 Michel gab 1837 heraus: La Chanson de Koland ou de Roncevaux du
XII. s. publiee pour la 1. fois etc. Paris 1837. 8°. Wolf’s Auszüge stehen
u. d. T. Analyse des poemes alleraands sur la bataille de Roncevaux
composes par le pretre Chuonrat et par Striker in Michels Ausgabe
S. 284-296.
2 Dieser Plan meines Vaters, der ihn viele Jahre beschäftigte, ist nicht
zur Ausführung gekommen. Er veröffentlichte aber noch 1865 einen
10*
148
Wolf.
sagt mir Ihr brief das erste wort; geben Sie diesen gedanken
ja nicht auf, aber Ihre hoffnung in meinem Erec ,ein muster'
zu erhalten lassen Sie ja fahren, in jeder hinsicht sind Sie zur
herausgabe eines altfr[anzösischen] Werkes ganz anders befähigt
als ich und der mechanismus der kritik lernt sich bald,
sollte ich den französischen] Erec wirklich edieren, so würde
ich unter dem text die erheblichen Varianten geben, dahinter
vielleicht erklärungen, gewiss aber ein glossar, da der überdies
unzureichende Roquefort nicht in allen händen ist. bei dem
glossar muss ich aber sehr auf Ihren rath und beistand rech-
<D
nen. Herrn Wright, der sehr liebenswürdig sein muss,
bitte ich für die zuvorkommende güte mit der er zu unsern
blättern beisteuert zu danken, ihm selbst zu schreiben ver
schiebe ich bis ich alle vier hefte des ersten bandes mitschicken
kann, was bald geschieht da nur noch die Vorrede zu drucken
ist. bitten Sie ihn das fehlende von dem altenglischen, höchst
interessanten und willkommenen Bestiarius 1 nur ja bald zu
schicken, damit dies wichtige denkmahl gleich im 1. heft des
2 bandes erscheinen kann, vielleicht wäre der kürzeste weg
für seine Zusendung an mich entweder durch einen leipziger
buchhändler oder durch den englischen geschäftsträger in
Dresden, meine adresse haben Sie wohl die güte ihm mitzu-
theilen. Die altdeutschen gedichte vom h. Brandanus, da
Sie es wünschen, will ich gern übernehmen, ich kenne deren
zwei: 1.) das von Bruns 2 herausgegebene plattdeutsche, 2.) ein
Aufsatz ,Uel)er Raoul de Houdenc und insbesondere seinen Roman
Meraugis de Portlesguez‘ in den Denkschriften der k. Akad. d. Wiss.,
pliil. hist. Classe. Band XIV. S. 153—198. Den Meraugis gab Miche
ln nt zum ersten Male 1869 nach 4 Hss., von denen die Wiener Hs.
Höhend. Fol. XXXVIII. als Grundlage diente, heraus. (Meraugis de Port-
lesguez, Roman de la table ronde par Raoul de Houdenc. Publie par
Michelant. Paris. 1869. 8°.)
1 Altd. Bll. II. 99—120.
2 Romantische und andere Gedichte in plattdeutscher Sprache. Herausge
geben von P. J. Bruns. Berlin. 1798. 8°. Wie aus Briefen Fr. Michels
an meinen Vater hervorgeht, handelte es sich um die Theilnahme an einer
Ausgabe der Brainlan-Legenden, die von Michel und Wright beabsichtigt
wurde. Wright’s Ausgabe erschien 1844 im 14. Bde. der Percy Society.
(St. Brandan. A medievai legend etc.) Einen lateinischen und altfran
zösischen Brandan hatte Jubinal bereits 1836 herausgegeben. (La legende
latine de St. Brandaines. Paris 1836. 8°.)
Briefe von Holtmann von Fallersleben und Moriz Haupt an Ferd. Wolf. 149
ungedrucktes hochdeutsches aus dem 14 jh. von etwa 2000 versen
in einer berliner hs., 1 wegen welcher | ich baldigst nach Berlin
schreiben werde, nur kann ich ausser dein berichtigten Texte
und den nothdürftigsten anmerkungen nichts leisten, da mein
Gratius (der von unserm Endlicher, den ich herzlichst grüsse,
in seinem catalog allzugütig verkündigte) nun unter die presse
muss und der Erec (dessen abschrift ich sehnlich erwarte) mir
viel zeit und mühe kosten muss, haben Sie nur die güte anzu
tragen in welcher spräche ich die wenigen anmerkungen, die
zu den Brandangedichten etwa nöthig sind, abfassen soll, deutsch
natürlich am liebsten. an die textberichtigung des platt
deutschen gedicktes gehe ich morgen.
Den versprochenen aufsatz über Wrights altenglische
Balladen, 2 zu deren dedication 3 ich gratuliere, senden Sie ja,
so wie das übrige verheissene. für Ihre einladung an Thoms
kann ich Ihnen nicht genug danken. — Die abschrift des 2ten
wiener chansonniers habe ich noch nicht erhalten; hoffentlich
liegt die rechnung dabei.
Von Ihrer Floresta habe ich in Dresden mit Tieck ge
sprochen, der sich auf sie freut. Tiecks spanische bibliothek
sollten Sie sehen; schwerlich hat ein Privatmann, selbst in
Spanien, so viele alte spanische Bücher. 4 so hat er achtzehn
bände erste drucke von Lope de Vega. Tieck ist im höchsten
grade mittheilsam.
Das wolfenbüttler mysterienmanuscript ist noch nicht an
gelangt, um nicht unbescheiden zu sein will ich noch einige
zeit mit der erinnerung anstehen. Ettmüller, dessen Oswald 5
viel besser ist als seine früheren bücher, wird mir nächstens
auszüge aus einem deutschen oster mysterium aus dem
1 Die Berliner Hs. ist Ms. Germ. Oct. 50. Jetzt ligg. von Schröder
Sanct Brandan. Ein lateinischer und drei deutsche Texte. (Erlangen. 1871.
8°.) S. 51-93.
2 Dieser Aufsatz ist nicht erschienen.
3 Wright widmete meinem Vater: The Tale of the Basyn and the Erere
and the Boy. Two early Tales of Magic, etc. (London. 1836. 8°.)
1 Wolf lernte Tieek’s Bibliothek später gründlich kennen, da er zu der Ver
steigerung derselben, die im Winter 1849 auf 1850 stattfand, als Vertreter
der k. k. Hofbibliothek nach Berlin gesendet wurde.
5 Sant Oswaldes leben. Zürich. 1835. 8°.
150
Wolf.
XV jh. senden, die ich dann sogleich Ihnen für Ihr buch sende,
ich denke, wir treiben noch manches merkwürdige auf. |
An Kopitar schreibe ich noch heute oder morgen, wie
mag es wohl mit meiner recension stehen! 1
Hoffmann ist noch immer wie verschollen.
Lehen Sie wohl, mein verehrter freund, und behalten Sie
mich lieb.
Treu der Ilirigste
Haupt.
14.
Zittau, 6 december 1836.
Ich eile, mein verehrter und geliebter freund, Ihr gestern
erhaltenes brieflein vom ersten december zu beantworten, könnte
ich es nur mündlich thun! auf Ihrem sofa in Ihrem traulichen
zimmer Hesse sich ein so kitzlicher punct, als in meinen äugen
Michels antrag ist, tausendmal besser besprechen, als brieflich,
wo ich Ihrer gegenrede und beistimmung oder Widerlegung
entbehren muss und misverstanden zu werden fürchten müste,
wenn ich nicht festiglich hoffte dass Sie mich genau genug
kennen um nicht etwa thörichte eitelkeit und leeren hochmuth
bei mir zu vermuthen. Michels antrag - ist im höchsten grade
freundlich und dankenswerth, ja diese zuvorkommende güte
und uneigennützige gefälligkeit ist fast beschämend, es zeigt
sich recht wie viel er auf Sie hält und welches gewicht er Ihren
empfehlungen beilegt, etwas mag freilich auch die ganz natür
liche und gerechte abneigung, ein berühmtes gedieht durch
einen unbekannten ausländer edieren zu lassen, ins spiel kommen,
obwohl ich nun alles lockende des antrages erkenne, so ist es
doch meiner natur und meinem plane nach, mir unmöglich auf
die vorgeschlagene gemeinschaft (wenigstens in dieser weise
1 Haupt’s Anzeige von Kopitar Glagolita etc. erschien, wie schon erwähnt,
im 76. Bde. der W. J., d. i. im letzten Quartalbande des Jahres 1836.
' Wie aus einem Briefe Fr. Michel’s an meinen Vater hervorgeht, hatte
dieser Gelehrte sich erboten, als Mitarbeiter Haupt’s für den französischen
Text mit ihm zusammen den Eree herauszugeben. Die von ihm gestellten
Bedingungen waren auf dem Titel nach Haupt genannt zu werden und
die Correeturbogen zu erhalten.
Briefe von Hoffmann von Fallersleben und Moriz Haupt au Ferd. Wolf. lol
einzugelien. der französische Erec mliste als ein integrierender
tlieil meines buches unter meinen äugen gedruckt werden (und
in Leipzig druckt man so schnell als in Paris) und Michels
an sich gewiss sehr ehrenvolle genossenschaft würde mir, den
punct des druckes ganz abgerechnet, entweder die bände binden
nach meiner ansicht und weise zu verfahren, oder mich
doch immerwährend durch den gedanken ihm schände
zu machen ängstigen, mein gedanke war das französische]
gedieht nach deutscher art der kritik herauszugeben, d. h. aus
den verschiedenen hss. einen gesichteten text zu bilden, die
Varianten beizufügen, einen gedrängten commentar und ein
sorgfältiges glossar beizugeben, unter uns gesagt (und Michels
kenntnissen und grossen Verdiensten trete ich dadurch nicht zu
nahe), von solcher art haben die Franzosen doch keine rechte
idee. Michel meint ganz offenbar nur einen correcten abdruck
Einer hs. mit desultorischen anmerkungen; ich aber meinte
sehr deutschpedantisch zu verfahren. |
Dass nun meine ausgabe, bei aller mühe, die ich mir
geben würde und trotz des vortheils deutscher methode, deutscher
Vorbilder, und Ihrer liilfe (denn auf diese rechnete ich) immer
nur ein schwacher versuch bleiben würde weiss ich sehr gut;
aber ich mag weder was ich etwa leistete, so wenig es auch
wäre, der gefalir, durch einwirkung eines viel kenntnissreicheren,
aber echter kritik unkundiges mannes ganz verschoben und ver
kümmert zu werden, aussetzen, noch geängstigt werden durch
die Verantwortlichkeit die ich Michel schuldig wäre; denn wer
steht mir dafür (Sie, liebster Wolf, denken viel zu gütig von
mir) dass ich nicht am ende trotz aller anstrengung ein werk
liefere, das Michel desavouiren mtiste? dann hätte ich schände
und er und ich Verdruss genug, selbst ist der mann ! U n-
beengt durch eigentliche mitarbeiter, aber unter
stützt durch freunde, so allein ist es mir zu arbeiten
möglich.
Will also Michel Chretiens Erec herausgeben, so trete
ich gern ganz zurück, seine Kenntnisse (denn in vielfachem
betracht kann er natürlich viel mehr leisten als ich) und
seine Verdienste sichern ihm unbedingt das Vorrecht, nur ist
es freilich schlimm dass ich ohne den französischen text vor
mir zu haben den deutschen nicht herausgeben kann, die hs.
152
Wolf.
(bekanntlich leider die einzige die es giebt) ist zwar im ganzen
so erträglich dass sich mit fleiss und Sorgfalt und durch ge
naues Studium der übrigen werke Hartmanns ein lesbarer und
reinlicher text hersteilen lässt, aber sie hat leider eine grosse
lücke (der anfang der eigentlichen erzählung, die jagd des
weissen hirsches, fehlt) und ist in den namen, deren es
sehr viele giebt, so scheuslieh entstellt, dass an emendation
ohne das französische original nicht zu denken ist. wer kann
namen errathen? die mutter der Enite heisst im Parziväl
(143, 30) Karsnafide. 1 daraus hat der Schreiber des wiener
Erec Pax sine fide gemacht? wer fände daraus von selbst
den rechten namen? wenn also Michel den französischen] Erec
nicht bald ediert, so würde ich wenigstens um eine abschrift
der besten handsclirift (ich w r eiss von 4 pariser hss.: 6987 und
7518 a ancien fonds, und 27 und 73 fonds de Gange C (S. his-
toire litteraire de la France xv, 194.; dazu kommt noch die
Hänel catalogi pag\ 351 erwähnte hs. des arsenals) bitten,
wollte mir diese abschrift Michel verschaffen damit ich das
deutsche gedieht | wenigstens in den namen berichtigen könnte,
so wäre ich zufrieden und dankte es ihm sehr, ich würde sogar
mit dem blossen darlehn einer solchen abschrift mich begnü
gen und sie nach schnell gemachtem gebrauch an Michel
zurücksenden.
Will aber Michel ja den Erec nicht allein herausgeben,
sondern mir ihn abtreten, so versteht es sich, dass ich seine güte
und hilfreiche Vermittelung dankbar und gewissenhaft erwähnen
würde, meinetwegen auch auf dem titel dieses abschuit-
tes meines buch es. ein ausdruck der weder ihn noch mich
compromittiert liesse sich ja wohl finden. In diesem falle
miiste ich aber vor allen dingen um einen ungefäh
ren Überschlag der kosten bitten, wobei es natürlich
auf ein nachheriges mehr oder minder von 50 francs
nicht ankäme, so beispiellos wohlfeil wie die abschrift
des Wiener Erec ist (für copie und das wunderhübsche fac-
simile nur 20 fl. C. M.!) wird in Paris nichts zu haben sein,
um den französischen] Erec selbst herauszugeben brauchte ich
1) genaue abschrift der besten hs.; 2) genaue collation der
1 So im Briefe. In der Ausgabe bat Haupt Karsmefide geschrieben (Vers 429.)
Briefe von Hoffraann von Fallersleben und Moriz Haupt an Ferd. Wolf. löö
übrigen, wenn ich bedenke wie viel das alles kosten kann so
graust mir. ich denke es ist wohl am besten mich mit
dem deutschen Er ec und der blossen benutzung
(nicht herausgabe) des französischen zu begnügen, wenn
die kosten sich in die hunderte von thalern belaufen, so muss
ich unbedingt abstehen, von meinen altern kann ich gerade jetzt
kein geld verlangen und mehr als höchstens 200 thaler streckt
kein buclihändler vor, bei einem buche von so massigem absatz.
Und nun, mein verehrtester freund, kleiden Sie meine
antwort an Michel so freundlich und dankend ein als Sie
es vermögen und seien Sie überzeugt, dass ich die güte, mit
der Sie um meinetwillen sich so viele mühe machen, innig
anerkenne, noch einmahl ich gäbe den französischen] Erec
gern heraus, wenn Michel ein willigt mir freie band zu lassen
und wenn ich für erträglichen preis abschrift und collationen
erhalten kann; aber ebenso gern trete ich zurück und bin
sehr dankbar wenn Michel mir eine abschrift zu kauf oder
leihweise verschaffen will, oder wenn er den Erec selbst bald
abdrucken lässt, in welchem falle ich mit meinem deutschen
Erec so lange warte.
[An den Rand des Blattes geschrieben.]
NB. Sehen Sie doch gelegentlich nach ob es in Bern
(Sinner) 1 und Genf (Senebier) 2 keine hss. von Erec giebt. |
denn, wie gesagt, ohne einsieht des franz[ösischen| Originals
ist an keine emendation der namenungeheuer zu denken. Auf
das Paket mit "YVrights geschenken freue ich mich sehr. Hoffent
lich liegt etwas von Ihnen für die blätter dabei, das vierte
heft werden Sie (und Endlicher und Kopitar) erhalten haben
oder bald erhalten.
An Wright habe ich mitte november geschrieben und
ihm die blätter geschickt, glückauf! zur Floresta. sobald ich
sie habe recensiere ich sie für die brockhausischen blätter,
ausführlich und so gut ich es vermag, ich will mich recht
zusammen nehmen.
1 Sinner, J. R., Catalogus Codicum Mss. Bibliothecae Beruensis. Bernte.
1760—1772. 8°. 3 Vol.
2 Senebier, Jean, Catalogue raisonne des Manuserits conserves dans la
bibliotbeque . . de Geneve. Geneve. 1779. 8°.
154
Wolf.
Die wolfenbütteier mysterienhandschrift habe ich nun end
lich erhalten, es ist ein dicker band im grösten folio. haben
Sie also, liebster Wolf, freundlich geduld, wenn ich abschriften
und auszüge daraus nicht gleich schicke, ich sitze in vieler
arbeit, muss für Pertz 2 dresdener hss. des chronicon Ursper-
gense vergleichen, meinen Gratius endlich fertig machen u. s. w.
Nächstens erhalten Sie eine abschrift des
niederdeutschen Rausch.
Hoffmann ist von seiner holländischen Reise anfang No
vember heimgekehrt, mit erträglicher beute.
Ich lege 5 fl. CM. bei. Wenn sie nicht hinreichen, mit
dem was ich noch habe, die 6 fl. 20 kr. CM. zu decken, die
ich für die richtig erhaltenen liederabsehriften schuldig bin, so
schreiben Sie es mir ja. ich möchte zu dem briefe nicht gern
silbergeld packen.
Nächstens mehr; denn ich habe allerlei zu schreiben, heute
aber drängt die post.
Grüssen Sie Kopitar, dem ich in kurzem schreibe, und
Endlicher und Bergmann und bleiben Sie freundlich gesinnt
Ihrem
treu ergebenen
Haupt.
Verzeihen Sie mein eilfertiges
geschreibe
Schlusswort: am liebsten ist es mir, wenn ich bloss den
deutschen Erec ediere, ich kann es dann um so sorgfältiger.
[Besondere Beilage auf einem Blatt Papier.]
Mein brief, theuerster freund, ist in so faselhafter hast
geschrieben, dass es Sie gar nicht wundern wird hier noch ein
postscript zu tinden.
Woher kommt denn das spanische perro, canis, und das
von Frisch damit wohl mit recht verglichene französische Schimpf
wort peronelle?
meine hilfsmittel lassen mich im stiche. den herrlichen
Covarruvias 1 und den Menage - habe ich nicht.
1 Tesoro de la lengua castellana o espaiiola. Madr. 1611. Fol. u. Editio
aucta a Ben. ßemig. Noydens. Madrid. 1674. Fol.
2 Dietionnaire etymologique ou origines de la langue francjoise. Paris. 1694-
Fol. — Nouvelle edition, eorrigee par A. F. Janet. Paris. 1750. Fol. 2 Vol.
Briefe von Hoffmann von Fallersleben und Moriz Haupt an
Ferd. Wolf. 155
hören sic meinen einfall.
Im Gratius v. 202 und 206 kommen eanes petronii'
vor. kein mensch weiss was für landsleute diese hunde sind,
ich glaube aber es sind celtische.
denn 1) stehen sie bei den sigainbrischen blinden und bei
den vertrahis. veltraha, vertraha, vertrag’us (ital. veltro,
franz. vautrait) ist nach Arrianus de venatione celtisch.
2) ist Petrönius betont, wäre es griechisch oder latei
nisch so müsste es Petrönius heissen, jenes aber ist celtische
betonung, vgl. Matröna (die Marne) und viele ähnliche Wörter
(S e q u ä n a u. dgl.)
3) linde ich zwar bei Owen 2 und Legonidec 3 kein celti-
sches wort das aufschluss gäbe; aber der celtische völkername
Petrocorii zeigt dasselbe petrö —
wie nun wenn perro und peronelle aus petro, pe-
t ron ius canis entstanden wäre? das einfache r in pero
nelle kann nicht stören, denn aus Petrocorii ist gerade
so Perigord geworden und ich habe noch andere Verglei
chungen in petto. mit den petroniis hat bereits Du Fresnc
die eanes petrunculos der | lex Burgundionuni verglichen,
der name dieser hunde dauerte also (und gerade in celtischen
gegenden) lange fort, wenn auch entstellt.
Theilen Sie mir doch giitigst mit (für meinen index zum
Gratius) was die schätze Ihrer bücher und kenntnisse Ihnen
über perro und peronelle und für oder wider-meinen aben
teuerlichen Einfall darbieten und zürnen Sie nicht allzusehr
Ihrem plagegeist
Hpt.
1 In den Voc.abula zu der Ausgabe von Gratius hat Haupt zu diesen eanes
petronii keine Bemerkung gemacht. Ueber seine in diesem Briefe aufge
stellte Hypothese siehe Diez, Etymologisches Wörterbuch der romani
schen Sprachen, 3. Aufl. Thl. II, S. 164.: , . . Letzteres (perro) ist noch
eins der zahlreichen probleme romanischer Etymologie. Vielleicht führt
der canis petrunculus der L. Burg, und der canis petrönius
(s. Ducange und Diefenbach Orig, europ. 332) auf die spur. 1
2 Dictionary of the Welsh language. London. 1803. 4. 2 Vol.
3 Dictionnaire celto-breton ou breton-franyais. Angouleme. 1821. 8°. (Eine
neue Ausgabe von Villemarque hgg. erschien 1847—1850).
156
Wolf.
Zittau, 20. dec[ember] 1836.
Ich eile, theuerster freund, Ihren soeben erhaltenen brief
schleunig zu beantworten, schändlich ist es wie viele mühe ich
Ihnen mache, aber meines dankes sind Sie gewiss.
Zur herausgabe des französischen] Erec wären ab-
sehriften (nicht collationen) aller hss. nöthig, wie mich
Lachmann in einem vor drei tagen erhaltenen briefe überzeugt
hat. daran darf ich aber nicht eher denken, bis ich einen Ver
leger der die kosten trägt habe, was noch nicht der fall ist.
vor der band ist es mir also nur (wegen der emendation
des deutschen gedicktes) um eine (nicht mit andern hss.
collationierte) abschrift zu thun. 120 frfancs] dafür ist ein
mässiger preis. Haben Sie also die güte Michel zu schreiben,
er solle die güte haben für diesen preis eine sorgfältige ab
schrift der ältesten und besten hs. (wenn nämlich die älteste
auch die beste ist; auf die beste und vollständigste
kommt es mir an) unter seiner aufsicht nehmen zu lassen,
zu ostern hätte ich sie gern, zugleich wäre es mir lieb zu
erfahren ob Michel an herausgabe des Erec ernstlich denkt,
ist dies nicht der fall, und ich finde einen gutwilligen Ver
leger, so lässt sich ja später an weitere abschriften denken,
für jetzt bin ich mit einer abschrift (der besten hs.) zufrieden
und Michel (und wahrlich auch Ihnen, dem gütigen Vermittler)
dafür dankbar. kleiden Sie alles recht fein ein. ich denke
die (ganz wahr e) Versicherung dass an augenblicklichen
druck nicht zu denken ist, wird in Michels äugen alles anders
erscheinen lassen, so dass er meine ablehnung der gemeinschalt
nicht übel nimmt.
Freilich können Sie mit dem niedersächsischen Rausch
nach gutdünkon schalten, also auch ihn edieren, ich hoffe in
einigen wochen ihn für Sie zu erhalten.
Die auszüge aus dem wolfenbiittler mysterienmanuseript
mache ich natürlich selbst; 1) weil mir es eine wahre freude
ist für Sie doch einmahl etwas zu thun; 2) weil es hier sonst
niemand kann.
Briefe von Hoffmann von Fallersleben und Moriz Haupt an Ford. Wolf. 1 57
Dass Sie das vierte blätterheft noch nicht haben, und icli
noch nicht Ihr palcet, worauf ich mich sehr freue, ist be
trübt. Wright’s balladen 1 will ich gern besprechen, ob
wohl Sie es tausendmahl besser könnten. Wollen Sie denn gar
nichts zu dem nächsten lieft liefern? Das von Wright geschickte
lateinische fabliau ist doch allzu frivol aus Bibelstellen zu
sammengesetzt. desto mehr freut mich der Bestiarius.
Die stellen aus Covarruvias und Menage über perro und
Peronelle wären mir lieb.
Nächstens machen Sie sich auf einen ordentlichen brief
gefasst. Von ganzem herzen
Ihr getreuer
Haupt.
IG.
Zittau, 2. Febrfuar] 1837.
Verehrter freund,
möge mein langes und undankbares Stillschweigen durch
seine Veranlassung einigermassen entschuldigt werden, ab-
schriften des dessauer und berliner Rausch waren mir so sicher
versprochen dass ich von tage zu tage darauf hoffte und des
halb verschob ihnen zu schreiben, ich eile nun Ihnen die ein
getroffenen mittheilungen zu senden, hr von Meusebach ist so
gütig gewesen für Sie statt einer abschrift den druck selber
zu senden, hoffentlich wird er nicht auf der post verloren gehen.
Sie würden mich sehr verbinden wenn sie mich vom glück
lichen anlangen des päckchens bald benachrichtigten, mit der
rücksendung des drucks hat es keine eile, (die zerbster ab
schrift gehört Ihnen.) mir scheint Meusebachs text sich zur
herausgabe besser zu eignen als der dessauer, schon weil
Sie von diesem nur eine copie vor sich haben, die zwar sorg
fältig scheint, aber doch zweifeln raum lässt, so hat der
Schreiber die c und e nicht genug geschieden; gewiss steht im
originale niemals spraek, sondern immer sprack. auch etwas
älter scheint mir Meusebachs text. wenn Sie diesen abdrucken
lassen, so wäre es wohl rathsam die drückfehler zu verbessern
(nicht stillschweigend) und die sinnverschiedenen dessauer
1 S. oben S. 149 und das später erwähnte Turnament of Totenliam.
lesarten anzumerken, ich freue mich zu Ihrer ausgabe noch etwas
beisteuern zu können, der inspector Ahlfeld schreibt mir näm
lich, in dem kloster Leitzkau in der nähe von Zerbst (halb
ruine, halb zu andern zwecken wieder ausgebaut), werde ein
kessel (grapen) gezeigt, | in den der teufel einen koch ge
stürzt haben solle, dies ist ein merkwürdiger beitrag zur ge-
schichte der ursprünglich kaum an einen bestimmten ort gebun
denen sage. Ahlfeld wollte nächstens nach Leitzkau reisen um
die sage an ort und stelle genau zu erforschen und ich sehe
täglich einem briefe entgegen. — Sollten Sie mit Endlichem
wieder einige pergamentexemplare abziehen lassen, so bin ich
so zudringlich, für Meusebach, der sich sehr an solchen Selten
heiten erfreut, um eins zu bitten.
Ihre Floresta habe ich neulich erhalten und sage Ihnen
meinen herzlichsten dank dafür, sie gefällt mir ausnehmend, nur
eins nicht: dass Sie alles so überaus sorgfältig und erschöpfend
behandelt haben, bei meiner nächster tage zu schreibenden
recension werde ich noth haben etwas eigenes aufzutreiben, um
Ihren spanischen styl beneide ich Sie; er liest sich höchst
leicht und angenehm, allerliebst ist das äussere Ihres buches in
seiner geschmackvollen einfacliheit. die druckfehler sind doch
noch massig genug.
Hn von Karajan sagen Sie in meinem namen für seinen
aufsatz über Helbling 1 den verbindlichsten dank, er wird an der
spitze des nächsten heftes (2 r band 1“ lieft) stehen, für einige
besondere abdrücke werde ich sorgen, jede fernere mittheilung
wird mir willkommen sein; auch der versprochene aufsatz über
Apollonius von T[yrus]. 2 Wright’s büchlein hat mir viel freude
gemacht, besonders das Turnament of Totenham, a das ganz im
tone unserer Keidharte ist. | ich will sehen eine anzeige von
einigem Inhalte zu stände zu bringen, die stelle aus Guillaume
d’Orange (Mones anz[eiger] 1836, spfalte] 187) Vilains jon-
gleres, ne sai, por coi s’en vant'; nul mot ne die des
que on li commant verstehe ich gerade so wie Sie: ein
gemeiner volkssänger, ich weiss nicht warum er sich rühmt;
er sagt kein wort, keine zeile von denen (des = d’els) die
1 Band II. der Altd. Bll. S. *2—17.
2 Ist nicht erschienen.
3 London. 1836. 12°.
Briefe von Iloffmann von Fallersleben und Moriz Haupt an Ferd. Wolf. 159
man ihm empfiehlt. Auf ihre rec[ension] der Michel’schen lais 1
freue ich mich sehr.
Haben Sie den schönsten dank für das wunderschöne lied
aus dem Anhang zum Romjan] de la Violette. Ihre emendation
quintainne 2 ist ganz schlagend. 3, 1 lese ich
Qant aures, Orriour, de l’ague prise
wenn du, Orriour, dich gebadet hast, so gehe zurück (wohl
kennst du die stadt); ich werde bei G-erard bleiben, der
mich liebt.
himmlisch ist der refrain. 3
Durch Hoffmann (der am 2 tü, ‘ bande der fundgruben ar
beitet und wenig von sich hören lässt) habe ich erfahren, dass
in der Kopenhagener bibl[iothek] zwei französische liederbücher
sind, denen ich lange nachtrachte, ich will mir nun abschriften
besorgen lassen.
übrigens allzulange werde ich nun nicht mehr zögern.
Wollen Sie wohl die güte haben mir bei gelegenheit den
titel von Wrights delectus 4 mittellat[einischer] gedichte
mitzutheilen ? Ich muss mir das buch notliwendig kaufen. Von
Osanns eclogen des | Vitalis Blesensis habe ich eine scharfe
1 Die Anzeige von ,Lais inedits des XII. et XIII. siecles. Publies pour la
premiere fois . . . par Fr. Michel. (Paris. 1836. 8°.)‘ erschien in den Jahr
büchern für wissenschaftliche Kritik. Jahrg. 1837. II. S. 1 39—158.
2 Im 6. Vers dieses Liedes: ,L’anfes Gerairs revient de la cuitainne. 1
Dass dieses cuitainne gleich ist quintainne, darüber und über die
Bedeutung dieses Wortes siehe Littre, Dictionnaire de la langue fran-
(jaise. Tome II. 2. (Paris. 1809. 4°.) S. 1428.
3 Den ,Roman de la Violette ou de Geranl de Nevers, par Gibert de Mon-
treuil 1 , gab Michel heraus (Paris. 1834. 8".). Mein Vater hatte denselben
zusammen mit dem Roman du Comte de Poitiers in den Jahrb. f. wiss.
Kritik. Jahrg. 1837, I. 905—936 angezeigt. Das von Haupt angeführte
Lied aus dem Anhang steht in den Additions et corrections zu P. 46.
note 1. und der bezogene Vers lautet daselbst .Qant avras, Orriour, de
lagur prise*. Der Refrain ist: ,Ki s’entr’aimme soweit dormeut*.
S. Bartsch, Altfranzösische Chrestomathie, (Lpz. 1866. 8°.) S. 50.
Romanee de deux sceurs, und den berichtigten Kehrreim ,Ki s’antraimment
soweit' dorment*. Neuerdings abgedruckt bei Bartsch, Altfranzösische
Romanzen und Pastourellen. (Lpz. 1870. 8°.) S. 8. Nr. 5.
4 Delectus poeseos medii aevi hactenus aut ineditae aut male editae.
Paris. 1836. 8°. Fascic. 1.
Wolf.
IGO
recension geschrieben, die ich nächster tage an Kopitar sende. 1
ich bitte ihn bestens zu grüssen. meine anzeige seines Glagolita
habe ich noch nicht zu gesicht bekommen.
W. Grimms rosengarten haben Sie gewiss längst, das ist
wieder einmal eine arbeit die einen trösten kann wenn so
tolles zeug wie Ziemanns Kütrün 2 (total verunglückt) einem
die laune verderben, mir nützt diese Kutrün, als lehre wie
ich es beim Erec nicht machen darf.
Nächstens wenn ich die leitzkauer teufelsgeschichte sende,
schreibe ich mehr und inhaltreicher. Für heute noch eine bitte,
wollten Sie wohl die güte haben, mir durch herrn von Bartsch 3
von den auf beiliegendem blatte angegebenen zeilen ein ge
treues facsimile (das von Erec ist herrlich) machen zu lassen?
ich brauche es dringend nüthig, damit Endlichers Prophe
zeiung (catal[ogus] p. 220 4 ) nicht zu schänden werde. Kopitar
und lir von Eichenfeld 5 erlauben es wohl gern, die kosten
erstatte ich unverzüglich.
In treuer freundscliaft ganz der
Ihrige
MHaupt.
17.
Zittau, 3 april 1837.
Lassen Sie mich hoffen, mein verehrter freund, dass Sie
trotz meines langen Schweigens nicht irre an mir geworden
sind, sondern die Ursache errathen haben, ich bin lange sehr
unwohl gewesen, an der grippe, die um so länger anhielt, je
1 Vitalis Blesensis Ampliitryon et Aulularia eclogm. Edidit Fridericus Osannus.
Darmstadii. 1836. 8°. Recensiert von Haupt in den Wiener Jahrb. der
Lit. Bd. 79. S. 105—119.
2 Ist der 1. Bd der Quedlinburger Bibliothek der gesammten deutschen
National-Literatur, und 1835 erschienen.
3 Friedrich Ritter von Bartsch war Custos der k. k. Hofbibliothek.
4 Catalogus Codd. philol. bibl. pal. Vindob. (Vidobonae. 1836. 4°.)
Schreibung der Hs. CCCXXII. Cod. membran. saec. VIII. et IX. palimps.
fol. 159. 4°. p. 220. ,XXVI. fol. 56 r —56v. De septem Miraculis Mundi
physici . . . Fragmenti prave scripti editionem spopondit Maur. Haupt,
das verlangte Facsimile gehörte für die Stelle aus Livius, welche in den
Miraculis vorkommt. Die Schrift .De septem Miraculis Mundi 4 hat Haupt
in seiner Ausgabe der Halieutica S. 67 — 73 abdrucken lassen.
5 Jos. Ritter von Eichenfeld, Custos der k. k. Hofbibliothek.
Briefe von Hoifmann von FallerHlobnn und Bloriz Haupt an Ford. Wolf. 161
weniger sie zu heftigem ausbruch kam. jetzt bin ich freilich
so ziemlich wieder wohl, aber mein vater liegt seit 4 Wochen
hart und fest an der gicht und noch ist wenig aussicht zur
besserung. mein abgang nach Leipzig war auf das ende dieses
monats angesetzt und ist nun wieder ins ungewisse hinausge
schoben; denn natürlich kann ich nicht fort ehe mein vater
von seiner zwar an sich ungefährlichen aber höchst schmerz
haften krankheit genesen ist. Sie können leicht denken, lieber
freund, in welcher Stimmung ich bin und ich bitte Sie mir
mein Stillschweigen nachsichtig zu gute zu halten, um doch
Ihren freundlichen brief und Ihre mittheilungen mit etwas zu
erwiedern, sandte ich Ihnen die beiden Lachmannschen ab-
handlungen, die Sie behalten können so lange Sie sie irgend
brauchen, hoffentlich sind sie richtig in Ihre hände gelangt.
Aber Ihre bescheidenlieit, liebster Wolf, ist doch wahrlich allzu
gross, hätten Sie an Lachmann geschrieben, so zweifle ich nicht
im mindesten daran dass er Ihnen seine abhandlungen geschickt
hätte. Wegen des Rausch habe ich an Meusebach geschrie
ben und seine antwort, dass Sie sein exemplar so lange als
Sie wollen behalten können freut mich, die dedication wird
ihm, sollte ich meinen, lieb sein, wollen Sie in derselben seinen
amtstitel erwähnen, so schreiben Sie ,Herrn Geheimen Ober
revisionsrath Freiherrn von M.‘. ich erwähne dies deswegen
weil die österreichischen titel von den preussischen so ganz
verschieden sind und damit Sie ihm nicht etwa fälschlich die
Excellenz beilegen. — Der herr Ahlfeld, von dem die absclirift
des Dessauer exemplars herrührt, ist vor kurzem rector der
Stadtschule in Wörlitz geworden, in Leitzkau scheint er nichts
erkundigt zu haben, wie | ich aus seinem beharrlichen Still
schweigen schliessen muss. — nun wünsche ich nur, dass die
censur nicht allzusehr des teufels partei ergreifen möge. Die
beiträge Wriglit’s 1 und die recension von Thoms 2 waren mir
1 Description of Ms. Arundel. Adrian and Rit.heus and Anglo-Norman and
Latin Orthography. Der erste Aufsatz ersehien im 2. Bande der Altd. Bll.
S. 141—148; die beiden andern sind ebenda S. 189—195 abgedruckt.
2 Bezieht 'sich vielleicht auf die Recension des Romans du Renart und
mehrere andere in dem nämlichen Bande des Ror. Quart. Rev. ent
haltene Recensionen der Arbeiten Michel’s und anderer Herausgeber alt
französischer Gedichte, die von Thoms herrühren dürften.
Sitzungsber. d. pMl.-hist. CI. LXXVII. Bd. X. Hft.
11
162
Wolf.
sehr willkommen. Fast fürchte ich dass eine zu anfang novem-
bers an Wright abgeschickte kleine Sendung nicht in seine
hände gelangt ist, vielleicht wegen seiner Wohnungsveränderung.
Ihr aufsatz über die Lais wird mir im allerhöchsten grade
willkommen sein, 1 zu jeder zeit, aber je eher Sie ihn senden
können, desto grösser ist mein dank, ich erwarte von Ihrem
aufsatz reiche belehrung. So lang Sie wollen und mit anmer-
kungen so viel Sie wollen begleitet darf er sein. Ich freue mich
sehr darauf, dass Sie Lachmanns arbeiten dabei mit grossem nutzen
haben gebrauchen können begreife ich. bei der andeutenden
weise, in der er zu schreiben liebt, gewinnt man bei genauem
Studium seiner aufsätze eine fülle von belehrung, und oft ist in
wenigen zeilen das resultat einer langen Untersuchung gegeben.
Champollion-Figeac’s 2 anerbieten ist höchst schmeichelhaft
und angenehm, nur würden freilich historische Sachen, wenn
sie nicht in enger beziehung zu deutscher geschichte stehen,
für die altdeutschen] blätter nicht passen, aber wie wird ihm
dies zu eröffnen sein? ich verlasse mich auf Ihre courtoisie,
die gewiss bei Ihrer häufigen correspondenz mit franzosen geübt
ist. wie es von mir einphilistertem kleinstädter nicht verlangt
werden kann. Michel wird ja wohl den Erec einmahl senden,
grosse eile ] habe ich gerade nicht.
Ihre schöne recension im letzten bande der Wiener jahr-
bücher habe ich mit grossem vergnügen gelesen, schade nur
dass sie abbricht. 3
Michels erklärung des Guillaume au court nez 4 bezweifle
ich und beharre bei der Ihrigen. Seine änderung in der romanze
1 Wie schon oben erwähnt, S. 159, Anm. 1 wurde der Aufsatz meines
Vaters über die Lais inedits in den Jahrb. für wiss. Kritik abgedruckt.
Es scheint als hätte es sich hier aber um einen grösseren Aufsatz über
die Lais gehandelt, den Wolf für die Altd. Bll. zu schreiben versprach,
aus dem aber dann sein bekanntes Werk ,lieber die Lais 4 (Heidelberg.
1841. 8°.) sich entwickelte.
2 Von Champollion-Figeac sind keine Beiträge in den Altd. Bll. erschienen.
3 Der erste Theil der, S. 115, Anm. 2 , schon erwähnten Anzeige des 1. Rap -
port ä Mr. le ministre . . . sur les anciens monumens etc.; 2. Chroniques
anglo -no rm an des etc. erschien im 76. Bande der Wiener Jahrbücher.
4 Es handelt sicli hier um die Erklärung, welche Wolf brieflich über die
Stelle des Guillaume d’Orange von Michel verlangte, die in Mone’s An
zeiger 1836, Sp. 187 abgedruckt ist; siehe oben S. 158.
i
Briefe von Hoffmann von Fallersleben und Moriz Haupt an Ferd. Wolf.
163
von Ga'iete ,Qant aures, Oriour, de la surprise' giebt mir gar
keinen sinn, icli meine immer noch an ague (= aigue, wasser)
denken zu müssen.
Für die freundliche güte, mit der Sie mir die 3 alt-
franz[ösischen] bailaden mitgetheilt danke icli von herzen. Das
lied auf den tod Simons von Montfort 1 ist gewiss in der
six lined stanza geschrieben; ich bin ganz ihrer meinung. Das
lied von Hugo de Lincoln ist insofern gewiss ein Volkslied zu
nennen, als es offenbar das lied eines volkssängers ist; es hat
ganz bänkelsängerischen ton, wenn wir dies wort in gutem
sinne nehmen, und dergleichen lieder, bestimmt auf markten
und Strassen vor dem volke gesungen zu werden, wenn auch
vielleicht nicht vom volke selbst, sind doch wohl unbedenk
lich Volkslieder zu nennen; und so gilt mir auch das lied von
Simon von Montfort für ein Volkslied, ja auch das, ,on the Com
mission of Trailebaston' hat immerhin noch ziemlich volks-
mässigen ton, wenn auch z. B. gleich im anfange die subjecti-
vität des dichters hervortritt (Talent me prent de rymer etc,.),
und dann wo er von seinen kriegs- und friedensdiensten in
Flandern, Schottland und Gascogne spricht u. s. w. Aus dem
16. jh. und aus früheren habe ich viele historische französische]
lieder die man weder kunstgedichte noch reine Volkslieder
nennen kann, sie behandeln Zeitereignisse, ohne die frische
lebendigkeit echter Volkslieder und doch so zu sagen mit ihrer
Unschuld, die an gar keine kunst denkt und der alles am
inhalte liegt, ich nehme solche lieder unbedenklich unter meine
Volkslieder auf. solcher halbvolksmässigen historischen lieder
hat es gewiss viele gegeben, eins der ältesten dieser art, die
ich kenne, ist das von Martene (Thes[aurus] anecd[otorum]
3, 1501 fgg.) aus einem Codex vom j. 1390 abgedruckte, also
gleichzeitige | gedieht auf die leichenbestattung Bertrands de
Guesclin; nicht ganz volksmässig und doch ausdrücklich
1 Ich kann nicht finden, woher Haupt dieses Lied und das später erwähnte
on the commission of Trailebaston kannte; abgedruckt wurden beide und
zwar The lament of Simon de Montfort. S. 125 — 127, und The Ontlaw’s
song of Trailebaston, S. 231—237 in The political Songs of England.
Edited by Thomas Wright. (London. Printed for the Camden Society.
1839. 4°.) Ueber das altfranzösische Gedicht von Hugues de Lincoln
siehe oben, S. 115. Anm. 6 .
11*
164
Wolf.
zum gesange bestimmt, d. h. doch wohl zum gesange vor
dem volke.
meine anzeige Ihrer Floresta wird nächstens vom Stapel
laufen, aber erwarten Sie ja nichts als eben ein leidlich moti
viertes aufrichtiges lob.
Nun muss ich Ihrer oft erprobten, ja fast gemisbrauchten
güte vertrauend, 3 bitten hinzufügen.
1) ein freund, der eine ausgabe des Plutarch vorhat, bittet
mich anzufragen, ob sich in Wien wohl jemand findet, der
griechische handschriften genau und für leidlichen preis ver
gleicht. ich fürchte Ihre antwort wird verneinend sein; denn
D r Schubert ist wohl nicht mehr in Wien.
2) Können Sie jemand auftreiben, der mir, aber freilich
mit buchstäblicher genauigkeit, versteht sich für
geld, die beiliegenden blätter (soweit sie nicht durchstrichen
sind) aus Cicero’s büchern de natura deorumumd de divi-
natione mit der wichtigen, alle an alter übertreffenden Wiener
liandschrift 189 (pliilologficus] 208), quält, aus dem x jh.
(Endlicher catal. pag. 26, N° LY) vergliche? es wäre mir
sehr lieb, ist etwa der hr Deikhart, der mir den Er ec
copierte, dazu geschickt?
3) zeigen Sie mir durch nicht nach meiner weise ver
zögerte antwort, dass Sie mir nicht zürnen. Wäre ich nur
erst in Leipzig; in einigen Monaten, hoffe ich doch, soll es ge
schehen. Wie freue ich mich darauf, Ihnen dort dienstlich
sein zu können, was ich hier bei bestem willen nicht kann, wo
ich immer nur nehme, nie gebe. Doch sollen Sie die excerpte
aus der wolfenbütteler mysterien-handschrift nun bald erhalten.
In herzlicher liebe und ergebenheit
Ihr
M Haupt.
Hoffmann ist in diesem schlechten winter sehr unwohl
gewesen; jetzt wieder frisch.
18.
Zittau, 2 Juni 1837.
Verehrtester freund,
erst vorgestern habe ich Ihren lieben brief vom 22 april
sammt den beilagen von Breslau erhalten und gestern kam Ihr
Briefe von Hoft'mann von Fallersleben und Moriz Haupt an Ferd.Wolf. 165
brief vom 26 mai. ich eile nun Ihnen sogleich zu antworten.
Der Erec freut mich unbeschreiblich, und dass Michel selbst
der abschrift sich unterzogen hat kann mir nur lieb sein, aber
wäre es nicht möglich ihn zu bitten bei der fortsetzung der
copie die seiten- (blätter- oder spalten-) zahlen zu bemerken?
auch für den theil der abschrift der bereits in meinen händen
ist Hesse sich dies nachholen, wenn auf einem besondern blatte
die anfangsverse der seiten bezeichnet würden, auch möchte
ich format und den etwaigen sonstigen Inhalt der hs. wissen.
ich sende Ihnen die stipulierten 120 fr[ancs] in einem
Wechsel auf sicht, verzeihen Sie nur die mühe der besorgung,
die ich Ihnen zumuthe. es versteht sich, dass der Erec Ihnen
so gut gehört als mir und dass Sie allen möglichen gebrauch
davon zu machen berechtigt sind, wollen Sie etwa den text
desselben, wenn er an Sie gelangt sich abschreiben oder ab
schreiben lassen, so schreibe ich Ihnen den theil den ich nun
bereits habe mit freuden ab und Sie besitzen dann den Erec
auch auf den fall dass ich ihn nicht ediere, ediere ich ihn aber
(und ich habe dazu die gröste lust,) so rechne ich auf Ihren
beistand. sowie ich den deutschen Erec (der, soviel ich aus
dem von Michel gesendeten stücke schliessen kann, an ausfülir-
lichkeit der Schilderungen und feinheit über dem französischen
steht, aber an frische und raschheit unter ihm) ohne die sichere
hoffnung auf Lachmanns revision nie herausgeben würde, so
kann mich | zu dem Wagestück einer ausgabe des französischen
gedichtes nur die gewissheit Ihrer hilfreichen freundschaft er-
muthigen. es kommt nun darauf an einen Verleger zu finden
der die 3 bis 4 hundert frjancs] zahlt, welche die abschrift der
übrigen hss. kosten würde, die von Michel gewählte scheint
zwar ausgezeichnet gut (auch in der Orthographie) aber eine
ordentliche kritische ausgabe verlangt grösseren apparat, wenn
auch die franzosen sich mit dem abdrucke einer hs. zu begnü
gen pflegen, wie viel grössere Verdienste könnte sich der
treffliche, rastlos thätige und P. Paris, Jubinal u. a. gewiss an
kenntnissen übertreffende Michel erwerben, wenn er kritik nach
deutscher weise zu üben sich unterwände!
Wenn Michel in den ad. bll. lateinische Sachen (lieder,
fabeln u. dgl.) mittheilen wollte, wäre es herrlich, freilich
sitzt er so mitten in schätzen dass er auch französisches in
166
Wolf.
menge, das zur erläuterung altdeutscher Sachen diente, geben
könnte, nur weiss ich nicht ob er der deutschen literatur kundig
genug ist um beziehungen und ankniipfungspuncte zu Anden.
An Wright (dessen briefe hier zurück folgen) schreibe ich
nächster tage, dass ihn Kemble so übel behandelt hat, thut mir
leid, mir wird Kemble nun auch zürnen, da er gelesen hat,
dass ich seine eifersueht lächerlich linde. 1 Ich kann es aber
Wright nicht verdenken, dass er von meiner äusserung gebrauch
gemacht hat. Wrights früheres ,Kemble is somewhat illnatured'
scheint richtig. Für Ihr gütiges geschenk der beitrage zur
a[nglo] n[ormandischen] geschichte 2 (sowie für die hübschen
lieder :! ) danke ich von herzen, wie gründliche kenntniss haben
Sie wieder in dieser recension entwickelt! auch Ihr glück im
reichsten Zufluss alles literarischen bedarfs sich zu betinden
hätte aufs neue mich neidisch gemacht, wenn ich Ihnen nicht
alles gönnte. Sie wissen gar nicht wie einem in solcher einöde
zu muthe ist, wie die ist, in der ich nun 6'/ 2 jahre sitze, und noch
immer sitze, ich sollte nun schon längst in Leipzig sein, aber mein
armer vater | ist seit e 1 f Wochen sehr krank an furchtbar
schmerzhafter und fast lähmender gicht und ein riickfall hat
uns die hoffnung baldiger genesung aufs neue geraubt, so können
leicht noch 3 wochen vergehen, ehe ich von hier fortkomme,
wie sehr mir diese krankheit mein fortgehen erschwert, wie
traurig, arbeitsunlustig und niedergeschlagen ich bin können
Sie denken, daher kommt auch meine brieffaulheit. Gott gebe,
lieber freund, dass ich einmahl auf diese zeit des elends (die
aber weit länger dauert als 11 wochen) mit leichtem herzen
zurücksehen kann und dass ich einmahl in Ihrer Schatzkammer
(ich meine Ihr bücherzimmer) alles froh und, frei mit Ihnen be
sprechen kann, auch Sie schreiben von trüben aussichten. möge
sich Ihnen alles freundlich aufhellen, und glauben Sie dass es
mir nahe geht Sie nicht so froh und glücklich zu wissen als
Sie es verdienen und ich es wünsche. Dass Reineke Fuchs 4
nach Rom gereist ist wusste ich noch nicht, er wird wohl mit
glagolitischen und cyrillischen schätzen beladen heimkehren.
1 S. oben, Brief 12. Seite 144.
2 S. oben, S. 115, Anm. 2 .
3 Welche Lieder hier gemeint sind, konnte ich nicht finden.
4 Kopitar ist gemeint, s. den unmittelbar folgenden Brief.
Brief von Huffmann von Fallersleben und Moriz Haupt an Ferd. Wolf. 167
Danken Sie hrn von Eichenfeld und freund Endlicher
in meinem und Lindemanns namen für die Analecta. 1 ich
werde sie mit vielem Vergnügen für die jahrbücher recen-
sieren nur muss ich um einige monate frist bitten. 2 Wird
denn meine recension von Osanns ausgabe des Vitalis Blesensis
bald gedruckt werden 3 (was mir sehr lieb wäre) und darf ich
(gegen bezahlung) auf 12 einzelabdrücke rechnen? davon
behalten Sie ja eins für sich. Mögen alle exotica zum
bruder Rausch recht bald in ihre hände gelangen, ich will noch
einmahl einen versuch machen von hn Ahlfeld zu erfahren was
er in Leitzkau über die volkssage erkundigt hat. Verzeihen
Sie meine eile; ich will die absendung des Wechsels nicht ver
zögern. bessere Stimmung und gewissere hoffnung auf eine hei
tere Zukunft wird mich auch bessere briefe schreiben lassen.
Leben Sie wohl, mein theuerster freund und behalten Sie lieb
Ihren getreuen Haupt.
[An den Rand der Seite geschrieben:]
Ihr aufsatz über die Lais ist jederzeit willkommen.
19.
Zittau, octfoberj. 3. 1837.
Theuerster freund,
Darf ich wohl Ihre Verzeihung hoffen ? gewiss ich ver
diene sie nicht, denn mein Stillschweigen ist nicht zu rechtfer
tigen. aber vielleicht übertrifft Ihre güte meine nachlässigkeit.
ich habe Ihren brief vom 4ten juli sammt allen beilagen richtig
erhalten, aber etwas spät; denn seit ende juni wohne ich in
Leipzig (Grimmaische gasse n" 756). wie es nun gekommen,
dass ich trotz der grossen freude, die ich empfinde, so oft ich
einen buchstaben von ihnen erhalte und trotz völlig unvermin
derter treuer gesinnung doch so lange geschwiegen, könnte ich
1 Analecta grammatica maximam partem anecdota, edicl. Jos. ab Eichenfeld
et St. Endlicher. Vindobonse. 1836. 8°.
2 Eine Recension Haupt’s über die Analectica ist in den W. Jahrb. d. Lit.
nicht erschienen.
3 Diese Recension ist im 79. Bande, Juli—September 1837, abgedruckt.
S. oben S. 160, Anm. *.
168
Wolf.
Ihnen nur mündlich einigermassen deutlich machen, ich bin
weniger als irgend jemand geeignet auf äusseren anlass und in
gebotener frist etwas auszuarbeiten, und so ist mir die abfas-
sung meiner habilitationsschrift zu wahrer quäl geworden, dazu
kam noch die furcht, da ich volle sieben jahre kein wort
lateinisch gesprochen hatte bei der öffentlichen disputation
schlecht zu bestehen, so habe ich monate lang in trauriger
Stimmung gelebt, schreibend und wieder zerreissend, und bin
so in eine arge briefschuldenlast gerathen. denn wenn auch Sie
am allerwenigsten es um mich verdient haben, dass ich meiner
Stimmung nachgebend schweige, so ist es doch eine kleine,
sehr kleine entschuldigung, dass ich gegen alle meine
freunde in gleichem unrecht stehe.
Meine furcht und angst ist nun sehr unnütz gewesen, denn
meine Quaestiones Catullianse 1 sind leidlich genug gerathen wie
Sie, verehrtester freund, hoffentlich selbst finden werden (mor
gen nämlich gehen mit der fahrpost exemplare an Sie ah) und
die disputation lief so gar ganz gut ah. ich habe dabei recht
gesehen, was gesteigerte Stimmung thut.
Jetzt bin ich hier in Zittau zum besuch bei meinen altern,
kehre aber nach einigen tagen nach Leipzig zurück um mich
auf meine | gegen das ende des october beginnenden Vorlesun
gen über die Nibelunge und Catullus vorzubereiten, meine
altern habe ich leidlich wohl gefunden und dadurch neuen
mutli gewonnen, in Leipzig lebe ich in den allerangenehmsten
Verhältnissen.
Ihr brief kam gerade als ich Ihnen schreiben wollte, um
endlich Ihre Verzeihung meines verstockten Schweigens zu er
bitten und um Ihnen zum Göttinger doctorat glück zu wünschen,
ich habe mich über diesen längst verdienten beweis ehren
der anerkennung von ganzem herzen gefreut, hoffentlich ist
Ihnen die führung dieser würde nicht ebenso untersagt wie
die Ihres spanischen Ordens, mein vater fand Ihren namen
zuerst in den Zeitungen und theilte mir die nachricht ganz
erfreut mit.
Ein heft altdeutsche blätter ist endlich fertig und geht
nächster tage von Leipzig an Sie ab. Ihr aufsatz über die
1 Lipsice. 1837. 8°.
Briefe von Hoffmann von Fallersleben und Horiz Haupt an Ferd. Wolf. 169
Lais 1 ist jederzeit willkommen und geht allem andern
Stoffe vor. sehr gerne werde ich lithographierte beilagen hin
zugeben. Sie haben überhaupt in allem freie hand, in art der
behandlung, umfang und zeit, nur kann ich ,ein je eher je
lieber' nicht ganz unterdrücken.
An Wright schreibe ich in den nächsten Wochen, schrei
ben Sie ihm eher, so entschuldigen Sie mich ja vorläufig, ich
werde nun mit frischem sinne alle Verbindungen und arbeiten
wieder anknüpfen, ich hoffe auf einen arbeitsamen aber frohen
winter. der Gratius wird in den nächsten Wochen gedruckt;
dann folgt der Erec.
Wegen des Erec hat Basse an mich geschrieben und mir
vorgeschlagen, meine ausgabe seiner bibliotliek 2 einzuverleiben,
zugleich thut er als habe er bereits abschrift der hs. ich habe
aber weder die geringste lust meine arbeit unter seinen wüst
zu stecken und glaube, dass er keineswegs abschrift hat, son
dern nur bei mir auf den Strauch schlägt, wenn ich es nun
noch einigermasfen wagen darf, Ihre güte anzusprechen, so
bitte ich Sie angelegentlich, sich bei unserm freunde Bergmann
zu erkundigen, ob Basse wirklich copie erlangt hat, vielleicht
durch den ganz windigen und philologisch unwissenden Idaltaus.
hat Basse noch keine abschrift, so bitte ich inständig, wenn
es irgend möglich ist, die (von der wiener censurbehörde) | ge
nehmigte ausgabe mir zu reservieren.
Ich werde gewiss alle kraft aufbieten, damit niemand die
güte, mit der mir die herausgabe des Erec anvertraut wurde,
bereue.
Michel wird gewiss mich mit dem französischem] ge
dieht nicht sitzen lassen, damit er durch mistrauen sich
nicht verletzt fühle, bitte ich ihm den Wechsel ohne
alles bedenken zu senden. Das pariser haus ist übri
gens gut.
An den romfahrer Kopitar schreibe ich morgen, grüssen
Sie ihn indess und wünschen Sie ihm in meinem namen glück
zur göttinger ehre.
1 Siehe die Anm. 1 zu S. 162.
2 Del- in Quedlinburg seit 1835 erscheinenden Bibliothek der gesummten
deutschen Nationalliteratur,
170
Wolf.
Werden Sie mir wohl dadurch, dass Sie mir bald nach
Leipzig schreiben, Ihre Verzeihung zeigen ? ich wenigstens
schreibe Ihnen gewiss bald und von nun an recht oft.
Meine altern empfehlen sich Ihnen bestens.
In treuer liebe
Ihr
Haupt.
20.
Zittau, 27 dec|ember] 1838.
Mein verehrter und geliebter freund,
haben Sie von ganzem herzen dank dafür dass mir Un
lieber brief die erlaubnis giebt Sie noch so zu nennen, denn
gewiss mein anhaltendes schweigen konnte sie ganz an mir
irre machen und ich darf nicht hoffen dass andere freunde mit
derselben milde urtheileu werden als Sie. denn in briefschulden
stecke ich bis über die obren, und je höher die menge un
beantworteter briete anschwillt, desto mehr wächst auch die
vertimmung die mich an der beantwortung hindert, aufsehub,
das ist es was mir briefschreiben fast unmöglich macht, so
war es bei der ausarbeitung meines Gratius mein liebster ge-
danke gewesen für die güte und freundlichkeit, die ich in Wien
erfahren öffentlich zu danken und ich hatte mich recht gefreut
die exemplare nach Wien zu senden, zufällig kam die Ver
sendung in Verwirrung, dann hat der Gratius sammt den
altdeutschen] blättern lange auf meinem tisch gelegen wie ein
stummer vorwurf. lassen Sie nun, liebster freund, auch dieser
sünde ihre Verzeihung angedeihen und haben Sie die güte die
hierbei endlich folgenden exemplare nach dem beiliegenden
zettel 1 zu vertheilen, weder eine solche Verspätung noch eine
solche Unterbrechung unseres briefwechsels werde ich wieder
verchulden. |
Am Gratius habe ich durch zu oft unterbrochene arbeit
und besonders durch hier und da zu weit getriebene kürze
vieles verdorben und das wird Ihnen nicht entgehen; indessen
der Stoff, den ich bearbeitet ist gut und diesen verdanke ich
der gunst die ich in Wien erfahren, der anfang meiner Vor
rede ist buchstäblich wahr.
1 Dieser Zettel fand sich nicht mehr vor.
Briefe von Hoffmann von Fallersleben und Moriz Haupt an Ferd. Wolf. 171
Wie es mir ergeht verlangen Sie vielleicht zu wissen,
von aussen begegnet mir nur erfreuliches, obenan steht dass
meine altern so ziemlich gesund sind, mein vater recht, heiter,
und dass ich die hoffnung sie nach Leipzig zu locken noch nicht
aufgeben darf, ich selber lebe in Leipzig in den allerbesten
Verhältnissen des Umgangs, meine collegien sind so besucht als
ihr beschränktes interesse und die leidigen brotstüdien erlauben
und eine gesellschaft von wirklich tüchtigen Studenten, die
unter meiner leitung sich in kritik und auslegung lateinischer
schriftsteiler üben, macht mir grosse freude. innerlich aber habe
ich manches zu leiden, besonders drückt mich das gefühl ent
setzlicher lückenhaftigkeit und Unsicherheit meines wissens,
zum theil verursacht durch die langen jahre des unmuths und
der rathlosigkeit die ich hier in Zittau verlebt. Sie werden
nicht irren, wenn Sie mein freilich unentschuldbares schweigen
aus solcher Verstimmung herleiten, es ist wahrhaft peinigend
für einen, der gewissen hat, vom katheder herab mit entschie-
denheit zu docieren was man gar unsicher und | oft erst seit
kurzem weiss. indessen hoffe ich doch nach und nach das ge
fühl des berufs, das mir jetzt noch sehr fehlt, zu erringen,
freilich mit dem ausfüllen der lücken meiner kenntnisse geht
es langsam; meine collegien kosten mich viele zeit, die Vor
arbeiten für das deutsche Wörterbuch 1 allmählich immer mehr
und bis jetzt hat mich auch der Erec sehr beschäftigt, der
Erec aber ist nun endlich im Ms. fertig und wenn Lachmann
diese 10,154 verse noch einmahl durchgesehen hat, beginnt der
druck. Michels abschrift habe ich, wie Ihre güte sie mir nach
und nach sandte, immer richtig erhalten, 73 blätter bis jetzt,
aber schlimm ist es freilich für mich sehr, dass ich nicht das
vollständige französische gedieht habe, das ich zwar wenig
stens jetzt nicht mit drucken lasse, aber zur Vergleichung häufig
brauchen könnte, indessen sehe ich wohl ein, dass ich mich
mit schmerzen gedulden muss.
Grosse freude hat mir Ihr brieflicher NBbeitrag zu dem
nächsten blätterheft 2 gemacht, von der lambacher hs. etwas
1 Bekanntlich lieferte Haupt Beiträge zu Grimm’s Wörterbuche; auf diese
Mitarbeit bezieht er sich hier vermuthlich.
2 Der ,Inhalt der Lambacher Liederhandschrift 1 ist abgedruckt Altd. Bll. II.
S. 311—316.
172
Wolf.
näheres zu erfahren wünschte ich längst, danken Sie auch
Schmidt 1 in meinem namen.
Dass Ihr Bruder Rausch im weiten fehle liegt, thut 2 | mir
leid, überhaupt aber ist es jammerschade, dass Sie seit langer
zeit literarisch schweigen, einige Sachen für Brockhaus abge
rechnet. 3 wann lassen Sie denn endlich Ihren aufsatz über die
1ais drucken ?
Unverschämt nach so langem schweigen ist es gleich wieder
zu bitten, aber ich rechne auf Ihre freundschaft.
Könnte ich nicht für gute bezahlung eine sorgfältige
abschrift des cod[ex] philolfogicus] 44 (ambrfasianus] 437)
erhalten, vgl. über diese hs. Graffs Diutiska 3,349. v[on] d[er]
Hägens Museum 1, 581. ich glaube nämlich dass dieser codex,
immer als ,Otto rufus' angeführt weiter nichts ist als — der
bisher unbekannte gute Gerhard von Rudolf von Ems, 4 leicht
das wichtigste seiner gedächte, weil die sage deutsch ist.
Schottky’s lüderliche andeutungen in den Wien[er] jahrb[üchern]
(1819) bd. 5. anzjeiger] s[eite] 36. bringen mich darauf, von
diesem gedichte abschrift zu erlangen würde mir sehr lieb
sein, schlimmsten falls ist ja wohl Goldhanns feder zur
hand. 6 hoffentlich hat nicht | Hahn die hs. schon abgeschrieben,
ich empfehle meine bitte Ihrer güte, so wie ich an Kopitar in
einigen tagen deswegen schreibe, wo ich ihm ein kleines sla-
vicum schicke, das nicht in mein heutiges paket passt.
Hahn habe ich nicht kennen gelernt, sondern er hat mir
spät (ende november) Ihre Sendung von Halle aus geschickt.
So viel für heute, nächstens mehr; ich will mir schon
durch fleissiges schreiben Ihre volle Verzeihung verdienen.
1 Gemeint sein dürfte Anton Schmid, Beamter der Hofbibliothek, bekannt
durch seine Forschungen über Musikgeschichte, von dem die nach heu
tiger Weise geschriebene Mittheilung' der beigegebenen Melodien zu dem
Aufsatze über die Lambacher hs. wahrscheinlich herrührt.
2 Eine zweite vermehrte Ausgabe von Bruoder Kauschen ist nie erschienen.
3 In den Jahren 1837 — 39 erschienen von Ferd. Wolf in den Blättern für
litt. Unt. die Anzeige von ,E1 Artista* und viele Beiträge zu dem Con-
versations-Lexicon der Gegenwart. S. Mussafia, Reihenfolge etc. S. 20.
1 Die Vermuthung Haupt’s war richtig. Nach dieser Hs., die jetzt die
Nummer 2793 hat, gab er den guten Gerhard heraus. (Leipzig. 1840. 8°.)
5 Anm. von Haupt an den Rand der Seite geschrieben: Den Erec hat mir
ein hr. Deckhard sehr gut, und allzuwohlfeil, copiert.
Briefe von Hoffmann von Fallersleben und Moriz Haupt an Ferd. Wolf. 173
Meine altern, bei denen ich meine weihnaclitsferien, bis
zum 7° januar zubringe, empfehlen sich Ihnen bestens, so wie
ich -mit unverbrüchlicher treue und ergebenheit bin
der Ihrigste
Moriz Haupt.
21.
Leipzig, 17 merz 1839.
Verehrtester freund,
der Überbringer dieser zeilen, D 1 ' Döhner aus Zwickau,
ein mitglied meiner lateinischen gesellschaft und, wenn Sie
wollen, also eine art schüler von mir, kommt nach Wien um
die dortigen hss. von Plutarchs moralien zu vergleichen, er
meint eine empfehlung von mir könne ihm nützen, und ich
will ihm seine bitte nicht abschlagen, da er nicht bloss kennt-
nissreich ist (in der elassischen philologie), sondern auch so
bescheiden dass er Sie gewiss nicht zudringlich behelligen
wird, lassen Sie sich also ihn bestens empfohlen sein, ich habe
ihm freilich gesagt, wenn man sich ordentlich aufführe, so
brauche man bei den Wiener herren weiter keine empfehlung,
und er habe an mir ein beispiel vor sich; ich sei ganz un-
empfohlen und obscur nach Wien gekommen, und doch habe
ich dort freunde, die mir freundlich bleiben so wenig ich es
verdiene, hinzufügen hätte ich noch können, freund Wolf frei
lich schiene sich durch schweigen etwas rächen zu wollen, oder
sollten Sie mein paket, das ich an Weihnacht von Zittau aus
an Sie sendete, nicht erhalten haben? ich schmachte nach aus-
kunft über den guten Gerhard, und ob abschrift, schlimmsten
falls durch Goldhann, oder doch eine probe zu erlangen ist. |
Mein Erec kommt nun gleich nach Ostern in den druck, ich
denke, wenn Sie, in gewohnter weise nachsichtig sind, sollen
Sie freude daran haben, schlimm ist freilich Michels zaudern,
indessen kann ich ohne mir die ganze arbeit zu verleiden den
rest des französischen] gedichtes, (das ich, -wenn Sie mir
helfen auch herausgeben will,) nicht abwarten.
Die Mabinogion, 1 scheinen Sie Ihnen nicht auch recht
wichtig? ich hoffe wenn Lady Guest fleissig fortfährt, gewinnen
1 The Mabinogion. By Lady Charlotte Guest. London 1839—1849. 8°.
7 Part, in 3 Vols. Die Jahreszahl 1849 steht auf dem Titelblatte aller
174
Wolf.
iS
wir in diesem sagengewirr näcli und nach festen grund und
boden. die art aber wie sie den französischen] Iwein (den
deutschen kennt sie nicht) abdrucken lässt ist haarsträubend.
Leben Sie wohl, mein verehrter freund, und behalten Sie
mich lieb.
Ihr treueigener
M. Haupt.
22.
Leipzig, 27 merz 1839.
In einigen tagen, mein verehrter und geliebter freund,
wird Ihnen einer meiner zuhörer eine empfehlung von mir
überbringen, lassen Sie sich durch jene zeilen nicht irre machen,
ich schrieb sie einige tage zuvor ehe ich Ihren brief und
hn von Karajans einschluss erhielt, haben Sie dank für Ihre
ausdauernde güte.
meines mitgefühles bei dem Verluste, 1 der Sie getroffen,
seien Sie versichert: es liegt mir nahe genug mich in gedanken
in solches leid zu versetzen, wenn Gott mich auch bis jetzt
damit verschont hat. möge Ihnen in den Ihrigen, die Ihnen
geblieben sind, trost und dauernde freude beschieden sein, ich
kann mich von dem gedanken nicht trennen, dass Sie vielleicht,
der erholung bedürftig, 1m von Karajan, auf den ich mich
recht freue, begleiten, das sollte mir eine wahre herzenslust
sein, ehe ich einmahl nach Wien kommen kann, dauert es wohl
lange und ich sehne mich danach Sie einmahl zu sehen. Ihr
hn Wiener lasst Euch von Euerer Kaiserstadt gar zu sehr ein
hegen. Sie würden hier gewiss recht gute bekanntschaften
machen, noch mehr in Berlin.
An Brockhaus habe ich Ihre anfragen bestellt und er
wird Ihnen nun wohl geantwortet haben. Ihren aufsatz über
die altfr[anzösische] literatur 2 habe ich noch nicht gesehen,
3 Bände, die Vorrede des ersten Bandes ist jedoch vom Jahre 1838 datirt,
der Iwein steht im 1.'Bande. Haupt kannte damals nur den l.Theildes
1. Bandes, S. 1—160. Im 2. Tlieile bespricht Lady Guest auch die deut
schen Gedichte von Iwein, S. 227 f.
1 Im Februar 1839 starb Wolf’s Mutter.
2 ,Französische Philologie* im Conversations-Lexicon der Gegenwart.
Briefe von Hoffman» von Fallerslehen und Moriz Haupt au Ferd. Wolf.
175
wohl aber was Sie über den Artista 1 in den brockh[ausischen]
blättern und aus ihm im auslande gegeben haben. Alles hat
mir sehr gefallen, auf den aufsatz über die altfr[anzösische]
litt[eratur] bin ich sehr begierig, niemand kann darüber geben
was Sie vermögen.
Ihre lang ersehnte abhandlung über die lais, möge sie
nun bald wirklich erscheinen. Weises schrift über den sata
nischen vers 2 halte ich für eine gründliche thorheit; die ansicht
der beiden Bonnermag sich wohl der Wahrheit; etwas mehr
nähern; übereinstimmen kann ich aber auch mit ihnen nicht,
reine fictionen sind die Schemata der grammatiker gewiss nicht,
obwohl auf einzelne verse gebaut und daher zu beschränkt, in
die bloss syllabischen verse, die Düntzer und Lersch anneh
men [ weiss ich mich nicht zu linden, ich meine ein metrisches
Schema accentuirter verse annehmen zu müssen, mit fester
cäsur. aber etwas ausführliches darüber zu sagen getraue ich
mir nicht ehe das von Niebuhr entdeckte capitel des Charisius 4
(denn von dem ist es) über den sat[urnisehen | vers herausge
geben ist. ich hoffe seiner bald habhaft zu werden und dann
erhalten Sie gleich was sich etwa daraus ergiebt. Dass die
rimes feminines ursprünglich stumpfe reime sind halte ich
auch für höchst wahrscheinlich. Haben Sie denn einen Verleger
zu ihrer abhandlung? wo nicht, so schicken Sie das Ms. an
mich, ich bringe es sicher unter.
Mit dem Erec bin ich nun ganz fertig und hoffe ihn nun
bald aus Lachmanns glättenden händen zurück, dann kommt
er gleich in druck. Michels zaudern ist freilich verdriesslich:
1 Blätter f. lit. Unt. 1837. Nr. 308—361; 1839 Nr. 40-43 und aus dein
Artista bearbeitet: Der Bianca-Fall. Spanische Volkssage. etc. in den
Blättern zur Kunde der Literatur des Auslandes. München 1839, Nr. 20—21.
2 Der saturnische Vers im Plautus. Von Carl Hermann Weise. Quedlin
burg 1839. 8°.
2 Henr. Düntzer und Laur. Lehrsch. De versu quem vocant Saturnio.
Bonn. 1838. 8°.
4 Niebuhr berichtet über seinen .Fund in einem Briefe, den er am
29. April 1823 von Neapel aus an Frau Heusler geschrieben hat; heraus
gegeben wurde dieses Fragment in der Gratulationsschrift der Universität
Göttingen an Friedrich Bergmann von F. G. Schneidewin: Flavii Sosi-
patri Charisii de verso Saturnio connnentariolus ex codice Neapolitano
nunc primuin editus. Gottingae. 1841. 4°.
176
Wolf.
indessen hoffe ich es soll dem deutschen gedichte keinen wesent
lichen schaden gebracht haben, die herausgabe des französischen
muss ich aber wohl nun aufgeben, da Michel, wie ich jetzt erst
erfahre, als professor nach Bordeaux geht und ich meine hoff-
nung den rest zu erhalten also wohl aufgeben muss. haben
Sie aber den besten dank für alle Ihre güte auch in dieser an-
gelegenheit.
Meine entdeckung des Gerhard macht mir grosse freude;
der fund der zweiten hs. 1 ist ein seltenes glück, angekündigt
habe ich den Gerhard bereits in Brockhaus bibliographischem]
anzeiger und in der hallischen litt[eratur] zeit[un]g, 2 aus gründen
die Sie wissen oder von hn von Karajan, an den ich heute
geschrieben habe, erfahren werden. ich habe aber Karajan
ernstlich und ehrlich zu bedenken gegeben, ob er nicht lieber
selbst das gedieht herausgeben will, er hat sich in seinen Sieben
schläfern 3 als so gründlichen kenner gezeigt dass er leicht be
fähigter dazu ist als ich und ich komme mir fast unverschämt
vor wenn ich seine aufopferung selbstsüchtig annehme. | Morgen
reise ich (wie oft!) nach Zittau, wo ich dann ernstlich meine
alte schuld abtragen und ihre Floresta anzeigen will; nur er
warten Sie nichts kluges; Ihre Vorrede erschöpft allen Stoff.
Grüssen Sie Hoffmann, 4 der bald die blätter bedenken
möge, Kopitar und Endlicher und bleiben Sie mir in Ihrer
freundlichen weise gewogen, nächstens schreibe ich wieder.
Ihr treuergebener
Haupt.
1 Handschrift der Wiener Hofbibliothek, Haupt äussert sich in der
Vorrede seiner Ausgabe des guten Gerhard über Karajans Revision der
Abschrift folgenderniassen: ,Zum glücke wies Hoffmannn eine noch un
bekannte ältere und bessere Hs. der kais. hofbibliothek nach, auch von
dieser wurde mir eine sehr genaue abschrift besorgt, und damit mir nir
gend ein zweifei blieb sah herr Th. von Karajan sie durch, mit pünkt
licher Sorgfalt und mit aufopfernder freundschaft. 4
2 Eine Anzeige im Brockhausischen Anzeiger konnte ich nicht finden; die
andere oben erwähnte Anzeige steht im Intelligenzblatte der allgemeinen
Literaturzeitung, April 1839, Nr. 23j S. 192.
3 Von den siben släfaeren. Heidelberg. 1839. 8°.
4 Hoffmann befand sich März 1839 in Wien.
Briefe von Hoffmann von Fallersleben und Moriz Haupt an Ferd. Wolf. 177
23.
Lfeipzig] 4 Juni 1840.
Theuerster freund,
Winter hatte versprochen Ihnen gleich zu schrei
ben; 1 daher ich es, in grossem gedräng von Störungen, bis
morgen verschieben wollte Ihnen zu antworten, auch geht morgen
wirklich ein ordentlicher brief an Sie ab. heute nur die nach-
richt, dass Ihr Ms., ein denkmahl bewunderungswürdigen üeisses
und nicht bloss fleisses in der druckerei ist, und dass ich
mit der correctur mir die möglichste mühe geben werde, spä
testens in 8 tagen bekomme ich den ersten bogen, dann in
raschem gange soll der druck bis Michaelis vollendet sein, den
auszug aus der Krone 2 hat Winter selbst mit nach Heidelberg
an Hahn genommen.
Für heute lebewohl, und zürnen Sie nicht zu sehr Ihrem
getreuen
Haupt.
24.
Lfeipzig] juni 6. 1840.
Vor allem, mein verehrter freund, haben Sie den herz
lichsten dank dafür dass Sie mir die druckrevision Ihres Werkes
anvertrauen, viel grösser freilich wäre meine freude gewesen
wenn Sie das Ms. selbst nach Leipzig gebracht hätten, indessen
freut es mich schon sehr dass Sie überhaupt mit solchen reise-
gedanken umgehen, seit jahren trachte ich einmahl wieder nach
Wien zu kommen, aber mich fesselt mein docieren an Leipzig,
1 C. F. Winter in Heidelberg war der Verleger von Wolf’s Buche: ,Ueber
die Lais 1 etc. das in Leipzig von Hirselifeld gedruckt wurde. Die Cor- '
rectur und Ueberwachung des Druckes besorgte Mor. Haupt. (Ueber die
I ais, Vorrede. S. IX.)
2 ,Die Sage vom Zauberbecher aus Heiurichs vom Türlin Krone zum ersten
mal herausgegeben von K. A. Hahn nach dem Cod. Vindob. 2779/ im An
hänge zu Wolf’s Ueber die Lais, S. 378—432. Eine vollständige Aus
gabe des ganzen Gedichtes erschien erst 1852: Diu Cröne von Heinrich
von dem Tiirlin. Zum ersten mal herausgegeben von G. H. F. Scholl.
Stuttgart. 1862. 8°. (Band XXVII. der Bibliothek des literarischen Vereins
in Stuttgart.)
Sitzungsber.- d. phil.-hiüt. CI. LXXVII. Bd. I. Hft. 12
I
178
Wolf.
und in den ferien muss ich in meine heimat; also kommen Sie
propliet einmahl zum Berge. Dass ich für genauigkeit des
druckes die gröste Sorgfalt tragen werde verspreche ich Ihnen;
sonst aber scheinen Sie, nach Ihrer gewöhnlichen Überbeschei
denheit, von mir mehr zu erwarten als Sie bedürfen und ich
leisten kann. Ihr werk strotzt von solcher gelehrsamkeit, dass
ich wahrlich zweifle ob ich irgendwo ein scherflein werde bei
tragen können, ich finde meine grosse freude an Ihrem buche
und soweit ich bis jetzt genau gelesen habe und zu folgen ver
stehe überzeugen mich Ihre Untersuchungen völlig, was ich mit
freuden für Ihr buch thue beschränkt sich ausser den correc-
turen der druckerei darauf dass ich jeden bogen des Ms. (das
ich in meiner Verwahrung habe) ehe ich ihn in die druckerei
gebe sorgfältig lese und die Stäubchen abblase die ich etwa
finde z. b. werde ich die stellen aus Gottfried von Strassburg
aus Hägens Schreibweise in die ordentliche umsetzen und kleine
Unebenheiten des stiles glätten. Sie wissen dass wir Nord
deutschen in hinsicht des stiles etwas pedantisch sind, Ihr buch
aber finde ich so geschrieben, wie es für ein solches werk ge
ziemt, und auch so schlicht und deutlich dass es allerdings der
vielen unterstrichenen Wörter nicht bedarf die den druck nur
buntscheckig machen und das Verständnis nicht befördern son
dern hindern.
Mit der äussern gestalt Ihres buches werden Sie, wenn
Sie die ersten ausliängebogen bekommen, zufrieden sein, da
gegen ist meine Commission, Winter zur Sendung von aushänge-
bogen an Brunet zu bewegen, mir verunglückt, unter uns, ich
kann ihm seine abschlägige antwort aus mancherlei buchhänd
lerischen rücksichten nicht verdenken, versprochen aber hat
er das fertige buch sogleich an Brunet zu senden. Sie sind
aber wohl so gut ihm das nochin als einzuschärfen, übri
gens gebe der himmcl zu dieser Übersetzung 1 seinen segen,
denn das muss ein wunderbarer franzose sein der dies werk
voll manigfaltigsten Wissens und daher einer menge technischer,
nur dem kenner des einzelnen verständlicher ausdrücke, zu
übersetzen vermag. (Zum dank fürMarmiers morts (cadavres |
1 Eine französische Uebersetzung des Buches ,Ueber die Lais 1 ist nie er-
schienen.
Briefe von Hoflmann von Fallersleben und Moriz Haupt an Ferd. Wolf. 179
wäre noch schöner) ein gegenstück, gleichfalls von Marinier:
seien l’opinion de la noblesse = nach Adelungs meinung).
Die art, wie Sie die' texte des anhangs behandelt haben, finde
ich für Ihren zweck und unter den gegebenen bedingungen
ganz recht. Hahn wird aber nun wohl das stück aus der kröne 1
kritisch behandeln. Briciauuia 2 kann auch ich nicht ent-
räthseln. Die altdeutschen] bll. und der Gerhard waren
freilich für Sie; verzeihen Sie nur die wunderlich verspätete
sendung und schaffen Sie sich ja nie etwas von mir gedrucktes
an; Sie erhalten alles ohne ausnahmc. Für die willkommene
notiz zu meinen Volksliedern meinen schönsten dank, diese
lieder stehen allerdings im messkataloge, aber in diesem Som
mer kann ich noch nicht daran denken, ich bin sehr mit arbeit
beladen (auch durch 12 stunden Vorlesungen) und habe über
dies aussicht, bald ein schock ungedruckter lieder zu er
halten. erwarten Sie von meinem buche aber ja nicht zu
viel, keine gelehrsamkeit, nur hübschen vorrath.
An herausgabe des französischen] Free (den ich, was ich
nicht vergessen werde, Ihnen allein danke) denke ich nun mit
vollem ernste, aber darf icli dabei wohl rechnen auf ihren rath,
und Ihre hilfe und — auf einige Ihrer bücher? doch davon
bald mehr.
Bald gehen die leidigen altdeutschen| bll. zu ende und
ich beginne, in anderem Verlage, eine ähnliche bessere Zeit
schrift; 3 seien Sie zur theilnalnne herzlich eingeladen.
Ich hoffe, Ihr buch soll unseren briefwechsel wieder recht
anfrischen, schreiben Sie mir nur, nicht bloss literarisches, son
dern auch menschliches, wie es Ihnen geht, wie Sie leben mit
den Ihrigen; mich interessirt alles, und was Sie von mir hören
wollen werde ich nicht verschweigen.
Also auf baldiges wiederschreiben
Iht
getreuer
Haupt.
1 Siehe Brief 23. S. 177, Aura. 2
2 Anhang- zu ,Ueber die Lais*. 111. Aus der Münchner lateinisch-deutschen
Liederhs. S. 434. Briciauuia und in der Anm. Briciauuia.
3 ,Zeitschrift für deutsches Alterthum.“ Band I. Leipzig. Weidmann. 1841.
180
Wolf.
25.
L[eipzig] 7 dec[ember] 1840.
Glauben Sie nicht, mein theuerer freund, dass ich Ihnen
untreu bin, sondern bloss, dass ich in harter arbeit (oft von
früh 4 bis abends 8/ meines lebens nicht froh werde, über
morgen hoffe ich zeit zu finden zu einem brief; beute nur die
bitte, das register sobald als möglich durch die post zu schicken.
Ausser der vorrede (sammt der ganz nach meinem wünsch aus
führlichen inhaltsanzeige) ist etwa nur noch l'/ 2 bogen zu
setzen, ich will sehr gerne in das register einfügen was etwa
aus dem anbang (so weit Sie ihn nicht schon haben) hinzu
zusetzen ist. ich freue mich darauf das reichhaltige und in so
vieler beziehung die forschung abschliessende buch fertig ge
druckt zu sehen. Auf wiederschreiben also, beute in eile,
Ihr getreuer
Haupt.
26.
Zittau dl dec[ember| 1840.
Erschrecken Sie nicht, mein verehrter und geliebter freund,
über diese Überschrift. von Ihrem buche ist bis auf den
letzten buchstaben der inhaltsanzeige alles gedruckt, facsimiles
und notenbeilagen sind fertig; cs fehlt nur der index. da dieser
am 24n deccmber noch nicht da war, konnte ich ohne den
druck zu unterbrechen (weil er schon stockt aus mangel an
ms.) hierher reisen und mir einige höchst nöthige ferienruhe
gönnen, in künftiger woche kehre ich nach Leipzig zurück,
und sobald das register kommt soll der druck schnell been
digt sein.
Wenn Sie druckfebler finden, so hoffe ich auf ihre billig-
keit. an Sorgfalt habe ich es nicht fehlen lassen, vielmehr haben
mich die 3 correcturen jedes bogens immer 8 bis 9 stunden
gekostet; aber die setzer waren zu schlecht und wenn man auf
einer seite oft 50 und mehr fehler zu corrigieren hat, so ist es
unmöglich mit zwei äugen alles zu sehen. Ihre Unzufriedenheit
würde mich betrüben, aber ich glaube nicht dass sie verdient wäre.
Briefe von Hoffmann von Fallersleben und Moriz Haupt an Ferd. Wolf. 181
Ihr buch ist eine wahre Schatzkammer und ich weiss
ausser Ihnen niemand der es hätte schreiben können, ich habe
unzähliches daraus gelernt. |
In welchen arbeiten ich steckte kann Ihnen unser freund
Karajan sagen, an den ich die beilage zu bestellen bitte, ich
hoffe nun wieder frei athmen zu können und dann sollen öfter
briefe nach Wien kommen.
Horkel ist von Ihrer freundlichen aufnahme sehr erfreut
zurückgekommen, wenn er wie es scheint mich in Wien an
gekündigt hat, so hat er wünsch und lust mit wirklichem ent-
schlusse verwechselt, ich sehe auch für 1841 keine aussicht zu
einer reise, dagegen hoffe ich dass Sie nun endlich einmahl
nach Leipzig kommen; mir könnte nichts lieberes begegnen.
Meine französischen] lieder liegen wieder still weil andere
arbeiten sie verdrängten; unterdessen habe ich aussicht auf 6
der ältesten von mir aller orten vergebens gesuchten lieder-
bticher. so belohnt sich zaudern, aber ohne noth zögere ich
nun gewiss nicht mehr.
Mabinogion 3, (Erec) haben Sie wohl schon, über diese
Mabinogion tlieile ich Ihnen einmahl meine ansicht mit. sie
sind aus dem französischen zurückgebracht, nicht die ursprüng
lichen quellen. | Ich schicke Ihnen hier etwas lateinisches,
leider keine sequenz, sondern vorse von mir selbst, interessieren
werden sie Sie schwerlich, aber sie (sic) sollen doch alles haben
was ich ausbrüte.
der postschluss drängt. Leben Sie wohl, mein theuerer
freund, treten Sie ein recht frohes jalir an und bleiben Sie mir
freundlich gesinnt.
In treuer liebe
Ihr
M II.
27.
Leipzig, 1 febr[uar] 1841.
Mein theuerer freund,
Aushängebogen werden Sie erhalten haben, wenigstens
habe ich sogleich nach dem empfang Ihres briefes die saum
selige druckerei getrieben.
182
Wolf.
corrigiert habe ich nun schon lange den letzten buchstaben,
aber fertig ist Ihr buch noch nicht, der lithograph hat gelogen
und sitzt noch über einigen der notenbeilagen (die Vignette
und die facsimiles sind schon seit vielen Wochen fertig), diese
Verzögerung ist mir so unangenehm als Ihnen; ich bitte Sie
nur zu glauben dass ich ganz ausser schuld bin. Aus Ihrem
druckfelilerverzeiclmisse habe ich (soviel ich mich erinnere)
nur etwas gestrichen. Sie berichtigten onomatopoetisch (so
hatte ich gesetzt) in onomatopöisch; aber dies ist eine nicht
nur ungebräuchliche sondern ganz unmögliche form, ’ovop.axo-
TOtrjTWO? gibt nur jenes.
Das beiliegende Gaudeamus ist von meinem vater; 1 das
eine exemplar bitte ich Kopitar zu geben und ihm zu sagen,
ich würde ihm bald antworten.
Noch mit einer bitte muss ich Sie leider belästigen, ich
habe | das beiliegende ms. an hn Pfeiffer zu schicken und weiss
seine adresse nicht, ich nehme daher meine Zuflucht zu Ihnen
und bitte Sie ihm brief und ms. zukommen zu lassen, wahr
scheinlich haben Sie porto für dies päckchen zu zahlen; rech
nen Sie mir das ja an.
Zur censorschaft meine gratulation, d. li. zu den 200 fl.
ich sudele diese Zeilen hier, eingezwängt zwischen 3 collegien,
die ich montags zu lesen habe, bald mehr,
grüssen Sie unsern Karajan.
Von ganzem herzen
Ihr
Haupt.
28.
(Ohne Datum, nach einer handschriftlichen Notiz meines Vaters aber aus
dem Sommer 1842.)
Mein theuerer verehrter freund,
Ich benutze das erbieten eines meiner liebsten zuhorer,
des doctor Ludolf Stephani, der nach Athen reist und auf seiner
reise Wien berührt, mich in Ihr gedächtniss zurückzurufen.
1 Haupt’s Vater hat sich als lateinischer Dichter durch treffliche Ueber-
setzungen Goethe’scher Gedichte (,Carmina Göthii“ Lpz. 1841) und
deutscher Kirchetilieder (Hymni sacri, Lpz. 1842) bekannt gemacht.
(Conversations-Lcxicon von Brockhaus, XI. Aufl. Bd. VII. S. 703.)
Briefe von Hoffmann von Fallersleben und Moriz Haupt an Ferd. Wolf.
183
wollen Sie diesen durchaus lobenswerten, kenntnisreichen und
bescheidenen jungen mann mit unserin Griechen, Karajan,
den ich bestens grtisse, bekannt machen so kann ihm dieser
vielleicht nützlich sein, sehr dankbar würde er sein, wenn Sie
ihm vielleicht eine empfehlung an hn von Prokesch in Athen
verschaffen könnten; für seine Würdigkeit bürge ich.
Seit dem 7n april bin ich am ziel jahrelanger wünsche,
d. h. mit einer tochter von Gottfried Hermann verheiratet; ich
bin wohlauf und ziemlich tleissig, wovon Sie nächstens proben
sehen sollen. 1 aber Sie, haben Sie denn gar nichts für meine
zeitschriftshefte, die Ihrer theilnahme doch würdiger ist (sic)
als weiland die altdeutschen] blätter?
Von ganzem herzen und in treuer anhänglichkeit der
Ihrigste
Moriz Haupt.
29.
Leipzig 13 juni 1847.
Nach langer zeit Ihnen, mein hochverehrter freund, wieder
einmal mit einigen zeilen zu nahen, dazu läge Veranlassung
genug in ihrem geschenke, dem vortrefflichen schriftchen über
die spanischen romanzen, 2 das ausser Ihnen niemand hätte
schreiben können, ich sage Ihnen für dieses geschenk den herz
lichsten dank, und wünschte nur Ihnen interessanteres dagegen
bieten zu können als was ich Ihnen hier sende, die fortsetzung
meiner auferstandenen Zeitschrift- 3 und ein stück der berichte
unserer sächsischen gesellschaft. 1 zwar dieses letztere wird
1 1842 gab Haupt heraus: Die Lieder und büchlein und der arme Heinrich
von Hartmann von Aue.
2 Gemeint ist die Anzeige der Werke: 1. Universite de France etc. These
pour le doctorat. Etudes sur l’origine . . des romances espagnoles etc.
S. Mussafia, Reihenfolge der Schriften Ferdinand Wolf’s. S. 23. 1846 — 1847.)
Diese Anzeige erschien in den Wiener Jahrb. der Lit. Bd. CXIV. und
CXV1I. der letztere Artikel auch besonders u. d. T. ,Ueber die Romanzen
poesie der Spanier. 4
3 Der f>. Band war 1845 erschienen; der 6. kam aber erst 1848 heraus.
1 Berichte über die Verhandlungen der königlich sächsischen Gesellschaft
der Wissenschaften zu Leipzig. (Lpz. 1848. 8°.) Bd. 1. S. 131 — 136
Haupt über einen altfranzösischen und einen lateinischen Leich aus einer
Erfurter Handschrift.
184
Wolf.
wohl nicht ganz ohne interesse für Sie sein; mir wenigstens
scheint mein altfranzösischer fund bedeutend und ich freue
mich dass auch Diez diese entdeckung für wichtig hält.
Um aber ehrlich zu sein will ich nur gestehen dass ich
wohl faul genug gewesen sein würde Ihnen diese Sachen stumm
zu schicken, wenn ich nicht zu einer bettelei genöthigt wäre,
und wenn ich nicht unsern freund Karajan, den ich von herzen
grüsse und dessen besuch ich erwarte, in den letzten jahren so
oft behelligt hätte dass ich mir ein gewissen daraus mache ihn
schon wieder zu belästigen, aber auch Sie, mein treu verehrter
freund, würde ich, trotz lebhaftestes andenkens an Ihre freund
liche güte, nicht stören und plagen, wenn es sich um ein be-
dürfnis meiner selbst handelte und nicht darum, einem freunde
der sich an mich gewendet hat hilfreich zu sein. lassen
Sie also mich | nachsichtige Verzeihung und mein ansuchen
gewährung finden.
Ich, oder vielmehr mein freund wünscht genaue abschriften
aus dem Codjex] 452 (Hist[oria] proffana] 56 '), und zwar
1. ) von dem consularverzeichnisse fol. 15--40*, 44"—45 b ,
47—53.
2. ) von einem stücke des papstvei'zeichnisses das in den
fol. 55 beginnenden Catalogus imperatorum gerathen ist und in
den kaisern Constantius und Maximinianus beginnt.
Die handschrift ist sehr weitläufig geschrieben; ein geübter
Schreiber wird zu den erbetenen abschriften höchstens zwei
bibliothektage brauchen, wäre es Ihnen nun möglich und ge
fällig mir noch vor dem anfang ihrer ferien diese copien durch
einen verständigen menschen besorgen zu lassen, so würden
Sie mir und meinem freunde und auch der Wissenschaft einen
dankenswerthen dienst leisten und ich würde mich von herzen
freuen dadurch einen beweis Ihres Wohlwollens zu erhalten.
Der preis der abschriften ist ganz gleichgiltig, und
Sie erhalten ihn mit umgehender post. Zürnen Sie mir nicht:
1 Beide Nummern sind unrichtig; Cod. 452 (früher Historia ecele-
siastica 97) enthält die Passio S. Katharina? und Historia profana 50
ist jetzt 23 und enthält: Plutarchus Vitae. Die Handschrift, aus der
Haupt eine Abschrift verlangte hat die Nummer 3416 (Historia pro
fana 452, olim 56).
Briefe von Hoffmann von Fallersleben und Moriz Haupt an Ferd. Wolf. 185
es wird Ihnen nicht neu sein dass man zuweilen um einem
freunde gefällig zu sein einen andern belästigen muss.
Wollen Sie mir denn nie etwas für meine Zeitschrift
schicken ? 1 | die altdeutschen blätter, die doch recht unbedeu
tend waren, haben Sie mehr als einmal begabt: hier kämen Sie
in bessere gesellschaft.
Den französischen Erec habe ich fast druckfertig. 2 Doch
davon ein andermal. Heute nur noch den allerherzlichsten
Gruss.
In treuer ergebenheit
der Ihrige
M. Haupt.
30.
Leipzig 5 febr[uar] 1850.
Verehrter freund,
mögen Sie, nach gewiss schlimmer reise, 3 glücklich und
gesund in Wien angekommen sein, wir haben in der grimmigen
kälte Ihrer sehr oft gedacht.
Ich schreibe Ihnen im Auftrag der Frau von Meusebach,
die hoffniuag auf ankauf der bibliothek für die berliner droht
zu scheitern. Frau von Meusebach wünscht nun zu wissen, ob
einige aussicht vorhanden sei, dass die kaiserliche bibliothek
die meusebachische ganz oder in abtheilungen kaufen würde. 4
ist einige aussicht, so würde sie den catalog schicken, aber
nur wenn es wahrscheinlich ist dass dies nicht ganz erfolglos
geschähe. — Die sache eilt: deshalb bitte ich sowohl um
1 Von Wolf erschienen keine Beiträge in der Zeitschrift für deutsches
Alterthum.
2 S. Brief 12, S. 145, Anm. 5 .
3 Ferd. Wolf war im Winter 1849—1850 in Berlin und Leipzig. S. Brief 13,
Anm. 4, S. 149.
4 Die Bibliothek Mensebach’s, der am 22. August 1847 starb,, wurde
bekanntlich doch fiir Berlin angekauft. Die Angabe des Brockhaus’schen
Conversations-Lexicons 11. Aufl., Bd. 10, S. 167, dass Meusebach’s
Bibliothek schon 1849 für die Berliner Bibliothek angekauft worden sei,
ist nach diesem Briefe unrichtig.
18b Wolf. Briefe yon Hoffmami von Fallorßleben ond Moriz Haupt an Ferd. Wolf.
nachsicht mit meinen flüchtigen zeilen als um baldige
antwort.
Die abschrift der böhmischen chronik für die academie
wird in Ihren händen sein.
Von meinen leuten die herzlichsten grüsse.
Meinen gruss ah professor Karajan.
Ihr getreuer
M. Haupt.
Verzeichniss der Briefe.
t
I. Briefe von iloifniiiun von Fallersleben.
Seite
1. Zittau, 31. December 1831 . 98
2. Breslau, 9. Januar 1835 . 99
3. Breslau, 3. Juni 1835 - . 100
4. Zittau, 19. April 1836 . . 103
II. Briefe von
Seite
1. Zittau, 3. December 1831 . 110
2. Zittau, am letzten December
1834 113
3. Zittau, 17. April 1835 . . 116
1. Zittau, 25. Juni 1835 . . 120
5. Zittau, 1. Juli 1835 . . . 121
6. Zittau, 20. Juli 1835 . . 127
7. Zittau, 23. Oetober 1835 . 128
8. Zittau, 4. Januar 1836 . . 131
9. Zittau, 20. April 1836 . . 135
10. Zittau, 23. Juni 1836 . . 137
11. Zittau, Juli 18. 1836 . . 141
12. Dresden, 26. September 1836 143
13. Zittau, Oetober 10. 1836 . 147
14. Zittau, 6. December 1836 . 150
15. Zittau, 20, December 1836 . 156
Seite
5. Breslau, 12. Februar 1837 . 106
6. Breslau, 26. December 1837 107
7. Breslau, 4. Februar 1839 . 108
8. Neuwied, 12. December 1852 —
Moriz Haupt;.
Seite
16. Zittau, 2. Februar 1837 . 157
17. Zittau, 3. April 1837 . . 160
18. Zittau, 2. Juni 1837 ... 164
19. Zittau, Oetober 3. 1837 . 167
20. Zittau, 27. December 1838 170
21. Leipzig, 17. März 1839 . . 173
22. Leipzig, 27. März 1839 . . 174
23. Leipzig, 4. Juni 1840 . . 177
24. Leipzig, 6. Juni 1840 . . —
25. Leipzig, 7. December 1840 180
26. Zittau, 31. December 1840 —
27. Leipzig, 1. Februar 1841 . 1S1
28. Ohne Datum (Sommer 1842) 182
29. Leipzig, 13. Juni 1847 . . 183
30. Leipzig, 5. Februar 1850 . 185
XII. SITZUNG VOM 29. APRIL.
Der Secretär legt an die Classe eilige sendete Abhand
lungen vor:
1) von Herrn Professor O. Hirschfeld in Prag ,Epigra
phische Nachlese zum Corpus inscriptionum latinarum Vol. III.
aus Dacien und Moesien'.
2) von Herrn Dr. Adolf Bernhard Meyer ,über die
Mafoor’seliö und einige andere Papua-Sprachen auf Neu-
Guineab
Ferner wurde die Aufnahme der Abhandlung des Herrn
David Kaufmann ,Die Theologie des Bachja ihn Pakuda'
in die Sitzungsberichte genehmigt,
und beschlossen, Herrn Dr. Wendel in Foerster eine
Subvention zur Drucklegung des altfranzösischen Romanes
,Riehars li biaus' zu gewähren.
An Druckschriften wurden vorgelegt:
Akademie der Wissenschaften, Ungarische: Almanach. 1869 und 1870.
I. fiizet. Pest; 8°. — Ertesitö. VT. Evf., 9—17. sz/im. 1872; VII. Evf.,
1—7. sz&m. 1873. Pest; 8°. — Ertekezösek nyelvtud. II. köt. 12. sz.; III.
köt. 1—7. sz. 1872 es 1873. — Ertekez. törtenettud. II. köt. 2—9. sz.,
1872 es 1873. — Ertekez. philosoph. II. köt., 3. sz. 1872. — Ertekez.
t&rsad. II. köt. 6—7. sz. 1873. — Ertekez. mathemat. II. köt. 2. sz.
1873. Ertekez. termeszettud. III. köt. 4—14. sz.; IV. köt. 1—2, sz.
1872 ös 1873. Pest; 8". — Nyelvtud. közlemenyek. X. köt. 2. füz. Pest,
1872; 8°. — Arcliaeolog. közlem. IX. köt. 1. füz. Budapest, 1873; Folio. —
Mathemat. közlem. VI. köt. 1868. Pest; 8°. — Evkönyvei. XIII. köt. 9—10.
darab; XIV. köt. 1. dar. Pest, 1872 ös 1873; 4°. — A magyar nyelv
szotara. V. köt. 2—4. füz. Pest, 1868—1870; 4°. — Monumentci Hungariae
historica. Scriptores. XXIV. köt. Budapest, 1873; 8°. — Török-magyar-
kori törtenelmi emlökek. VIII. köt. Pest, 1872; 8°. — Archivum Rd/coczianum.
I. oszt. I. köt. Pesten, 1873; 8°. — Magyarorsz4gi regöszeti emlekek.
188
II. köt. 1. resz. Budapest, 1873; 4°. — Magyarorsz&g helyrajzi tortenete.
II. köt. Budapest, 1872; 8°. — A lielyes magyarsiig elvei. Budapest, 1873;
8°. — A hazai es külföldi iskoläzäs a XVI. szäzadban. Budapest, 1S73;
8°. — A regi Pest. Budapest, 1873; 8°. — Icones seleclae Hymenomycetum
Hungariae. 4°.
Akademie der Wissenschaften, Königl. Preuss., zu Berlin: Inhaltsverzeichniss
der Abhandlungen aus den Jahren 1822 bis 1872. Berlin, 1873; 8°.
Ateneo di Brescia: Commentari. Dali’ anno 1852 al 18G1). Brescia, 1859 tino
1870; 8°. — Gabriele Rosa, Dialetti, costumi e tradizioni nelle provincie
di Bergamo e di Brescia. Brescia, 1870; 8°. — Giambattista Brocchi,
Sul ferro spatico delle miniere della Valtrompia. 8°.
Königsberg, Universität: Akademische Gelegenheitsschriften aus d. J. 1873.
4°. und 80.
,Revue politique et litteraire“, et ,Revue scieutifique de la France et de
l’etranger“. III“ An nee, 2 e Serie. Nr. 43. Paris, 1874; 4 n .
Vivenot, Alfred Ritter von, Quellen zur Geschichte der deutschen Kaiser
politik Oesterreichs, während der französischen Revolutionskriege. 1790 bis
1801. Wien, 1874; 8°. — Zur Genesis der zweiten Theilung Polens.
1792—1793. Wien, 1874; 8°.
Kaufmann. Die Theologie des Bachja ihn Patricia.
189
Die Theologie des Bachja ibn Pakuda.
Von
David Kaufmann.
Das Leben Baclija’s.
Von dem Verfasser der ,Herzenspflichten' ist ausser
seinem Buche wenig mehr als der Name auf die Nachwelt ge
kommen. Dass er Bachja 1 ben Josef ibn Pakuda 2 geheissen,
ist fast das Einzige, was wir mit Sicherheit über ihn wissen.
Wo und wann er geboren wurde, wo und wann er sein Werk
verfasste, 3 es ist uns nichts Bestimmtes darüber überliefert
1 Selbst der Name ist, was die Aussprache an betrifft, streitig. Munk (Me-
langes 482, 8) entscheidet, sich, gestützt auf die Schreibung des Namens
bei spanischen Autoren, für die Aussprache: Bachja, wiewohl hergebrach
ter Weise der Name gewöhnlich Bechai geschrieben und gesprochen wird
Für die Richtigkeit der Ausspräche: Bachja scheint die Analogie des
Namens K^IT Jachja zu sprechen.
2 Dass Pakuda Familienname war, hat Sachs (die religiöse Poesie der
Juden in Spanien S. 274, 1) durch anderweitige Nachweisung des Namens
wahrscheinlich zu machen gesucht.
3 In dem arabischen Auszuge aus den ,Herzens pflichten 4 , über den im
Orient (1851, Lb. 787—749) eine Mittheilung gegeben ist, findet sich
zwar in dem Epigraph des Werkes die Angabe: flfcHpfc 'HSTO
p"B*? tÜ''"ltPn MStSD woraus als Abfassungszeit der ,Herzenspflichten 4
das Jahr 1040 sich ergiebt, jedoch bestimmt die Entschiedenheit der
Behauptung ohne Anführung einer Quelle nur zur Bezweiflung ihrer
Richtigkeit und Pinsker geht zu weit, wenn er (a. a. O. S. 788 Anm.)
darüber sagt: ,So lernen wir nebenher die Zeit genau kennen, in welcher
das Buch rvoabn niairt abgefasst worden, neralich W1» X 1 = 1040‘.
Die Verlässlichkeit dieser Angabe hat auch Steinschneider bereits be
zweifelt (Jewish Literature 297, A. 20).
190
Ka ufmanu.
• worden und an Stelle geschichtlicher Angaben müssen Vermu
thungen uns auf diese Fragen Antwort geben. Er scheint, im
eilften 1 Jahrhundert in Spanien, 2 wie die ständige Bezeichnung 3
seines Namens besagt, Rabbiner gewesen zu sein.
Da wir ausser einigen Gebotstücken 4 kein anderes Werk
Bachjas kennen als die ,IIerzenspflicl)ten‘, wie er denn über
haupt kein anderes geschrieben zu haben scheint, so muss in
allen auf ihn bezüglichen Fragen dieses uns Rede stehen. So
gilt es denn auch in der Frage nach der Abfassungszeit seines
Werkes, die in demselben gegebenen Andeutungen und Anhalts-
1 Wahrscheinlich durch Verwechslung der Jahreszahl der Uebersetzung
mit der des Originals hat man häufig das zwölfte Jahrhundert als Zeit
alter Bachjas angegeben. Erst Rappoport hat in der Biographie des
R. Nathan (Bicure Haittim 10, Anm. 40) darauf aufmerksam gemacht,
dass Bachja nicht nach Alfassi geschrieben haben könne, da er ihn sonst
in der Aufzählung der ihm bekannten talmudisehen Literatur erwähnt
haben würde. Bedenkt man, dass Alfassi sehr bald in Spanien berühmt
wurde (Grätz, Geschichte der Juden VI 2 , S. 09, 2), so ergibt sich aus
Rappoport’s Wahrnehmung, dass Bachja lange vor Ende des eilften Jahr
hunderts geschrieben haben müsse.
2 bl P)DV -12 pTI 'TB «in TlSD ’ÖSna nn« nennt ihn der Ueber-
setzer Jehuda ihn Tibbon in der Einleitung. Dass Bachja aus Saragossa
stamme, hat zuerst Zunz vermuthet (Additamenta ad catal. codd. hehr,
biblioth. Sen. civit. Lips. S. 318) und Jellinek (Einleitung zu Benjacobs
Ausgabe des nirabn rvBirr Leipzig me, vii) weiter ausgeführt, ohne
jedoch Zunz’ Vermuthung zu verstärken. Apparet hoc nomen prope sola
in Arragonia quaerendnm esse; quare auctorem lihri Chobot. halehabot
Caesaroaugustae natum esse conjectura assequi licet, sagt ,vermuthungs-
weise‘ Zunz (a. a. o.), Steinschneider (Ersch und Gruher, Jüd. Lit. S. 31)9),
Munk (Guide I, 339, 1), Fürst (Bibliogr. Art. Bachja) versetzen Bachja
nach Saragossa, wie wenn hierüber uns etwas Thatsächliches bekannt
wäre. Geiger (Wissenschaftliche Ztseh. für jüd. Tlieol. I. S. 33) ver
setzt ihn ohne Angabe eines Grundes nach Cordova.
.O
3 X-Ul pTI *]DV ‘“Ö oLdlj heisst es auf der lieber-
schrill, des Pariser Originals, J""in wird Bachja auch von Ihn Tibbon
genannt. Der Beiname TDiin bezieht sich nur darauf, dass er ein
ethisches Werk geschrieben (vrgl. Sachs a. a. O. 273, 1), JplH dient dazu,
den Verfasser der ,Herzenspflichten' von jüngeren Namensgenossen zu
unterscheiden.
4 Vrgl. die Recension derselben von Luzzato in Bauingartens Ausgabe des
nij^bn main (Wien, 1854) und die Uebersetzung der Tochacha und
die Bemerkungen darüber bei Sachs (a. a. O. 63; 275).
Die Theologie des Baclija ihn Pakuda.
191
punkte über die Benützung' von Vorgängern zu erwägen, um
so durch Ermittelung des Zeitpunkts, bis zu dem Bachjas
Quellen reichen, mit annähernder Wahrscheinlichkeit auch das
Alter seines Buches festzustellen.
l)ie Quellen ßachja’s.
IJm die Neuheit seines Unternehmens zu schildern und
zu rechtfertigen, gibt Baclija eine Uebersicht der auf dem
Gebiete der Religionswissenschaft ihm bekannten Leistungen, 1
1 Der Wichtigkeit der Stelle wegen (Einleitung 5—G ed. Benjacob, nach
der ich citire) will ich den arabischen Wortlaut hierhersetzen. Diese wie
alle folgenden Anführungen aus dem Original der Pariser Handschrift
(hebr. 756) verdanke icli der Freundschaft des Hr. Dr. Alexander Kisch, wie
die aus der Oxforder Handschrift der Güte des Hr. Dr. Adolf Neubauer.
Beide Handschriften stimmen an dieser Stelle bis auf einige Abweichun-
JfllaJI (o. LgjsL&J!)
O. fehlt von J.Lo) miDöJI i >L^=I
(O. (5.SS i, LüojJj Lo Lol.) I l/cl,
^ Lol^ (O. LgJjLo Lo 5 ) mpiDB rrobm mbn: nobn JlLo
^ niawni mbsirjl ^ o’jiwJI ^l>-l
von denen keine mit der Anleitung zu innerer Religiosität sich
beschäftige. Er theilt diese Leistungen in drei Theile: 1. in
solche, die mit der Erklärung der li. Schrift und der Propheten,
u. z. entweder mit der Wort- und Sacherklärung, wie der Bibel-
commentar des Saadias, oder mit den Spracherscheinungen und
ihren Gesetzen, der Syntax und der Formenlehre, wie die
Werke Ibn Ganäclis, der Massoreteu und ihrer Nachfolger, sich
befassen. 2. in solche, die den ganzen Lehrinhalt der Gesetze
in ein kurzgefasstes Compendium bringen, wie das Buch des
Chefez ben Jazliach, 1 oder nur das im praktischen Leben davon
Anwendbare behandeln, wie die Sammlungen 2 der Decisionen,
oder endlich gar nur einen bestimmten Theil der Gesetze er
örtern, wie die Werke mancher Gaonen. 3. in solche, die den
Inhalt der Lehre zur Ueberzeugung durch Beweise erheben und
wider alle Anfechtungen sichern wollen, wie das Buch über
Der Schluss (0. fehlt von GotJ plSL.^1 <XÄ£-j pLusvüt (jAjI^i
der Stelle lautet nach der Oxforder Handschrift: iöJLaJI
Ovlt. (Ji.Jv.Gj (i 2L*.JvA.J I jJjJÜ
'vjLä^ cuLLoNt ivjLxS^ (_^.iüo LAÄd-ja- ^Xc
iXs-l jvXi jfl^jSXX! pö^üj! ivjLx^j ^yJtXl!
jvX*JI IcX# culy ^JoLJi jvla.lL LLT Lg-xi
v Lr & y/^. ^.4-^0 (jdjfy£
• xJytLAi Joas! ljIaJIj g fy^J' 0 y^t. miyo I <J$y^.
Von Belang; wäre im Original nur die Formel, die dem Namen Ibn
Ganäclis folgt und in unseren Ausgaben weggelassen ist. Grätz (a. a. 0.
S. 388) folgert aus der Weglassung von ^"7 beim Namen Ibn Ganächs,
dass Bachja ,wohl noch 4 bei dessen Leben sein Werk verfasst habe. Da
die Jahreszahl von Ibn Ganächs Tode nicht feststeht, so ist die Formel
der Pariser Handschrift vorläufig nicht kritisch verwendbar, jedenfalls
ist aber Grätz’ Argumente damit der Boden entzogen.
1 Gemeint ist das i^LcS^ oder flllüöri ^©D des wahrschein
lich im zehnten Jahrhundert lebenden babylonischen Gelehrten p psn
Vrgl. über ihn und sein Werk Zunz’ Nachweisungen in Haarbrücker’s
Tanchumi Hier. comm. in Proph. arab. spec. p. 53—54, Munk, Notice
sur Abou’l-Walid Merwan 198, 1 und Rosin, ein Compendium der jüd.
Gesetzeskunde S. 15 Anm. 3.
2 lieber nibnj rVD^n und niplDÖ iYDbn vrgl. Fürst, Geschichte des Ka-
räerthums II, 9 Anm. 7 u. 9.
Die Theologie des Baclija ihn Pakuda.
193
die Glaubenslehren, das Buch über die Wurzeln der Religion, 1
das Buch Mokammez 2 und ähnliche Werke. Wenn auch Baclija
nicht sagt, dass er diese Leistungen für sein Werk benützt
habe, so lässt es sich doch annehmen, dass er unter dem Ein
flüsse der ihm bekannten philosophischen Werke seiner Vor
gänger, denn nur von diesen kann hier die Rede sein, werde
gestanden haben, dass also die von ihm genannten Bücher der
dritten Art seine jüdischen Quellen gewesen sein mochten, wie
es sich auch in der Tliat für Saadias und Mokammez wird er
weisen lassen.
Die Nichterwähnung Salomon ibn Gabirols in dieser
Aufzählung philosophischer Quellen erscheint sofort auffällig.
Wenn wir aber die Verschweigung seiner philosophischen
Leistungen aus irgend einem Grunde 3 erklären könnten, so
erhält die Nichterwähnung Gabirols alsbald eine nicht wegzu-
1 Schmiedl (Frankel’s Mtsch. 1861. S. 184) nimmt an, dass liier das
Muhtawi Josef al-Basirs (Frankl, ein mu’tazilitischer Kaläm S. 7) ge
meint sei, da am »Schlüsse desselben der Ansdruck Vorkommen soll:
pm '“lpy b:} ’inna irba mpn niÖ'JW'D obwi. Einen Anhaltspunkt für
diese Vermutlmng kann man aus der Vergleichung des von diesem
Werke Bekannten mit der Lehre Bachjas nicht ermitteln. Mit mehr
Grund, wie es scheint, vermuthet Steinschneider, dass mn ‘’tEHtP auf das
Werk Samuel ihn Cliofni’s sich beziehe (Catal. Leyden S. 108; Cat.
Bodl. 2164), das den Titel führte
Vrgl. Fürst, Ztsch. der d. m. Ges. XX, 202.
muthung gewinnt eine bedeutende Stütze an dem Umstande, dass auch
Jelmda Barcelloni Saadias, Samuel ibn Chofni und Mokammez nebeneinan
der anführt (Orient 1847 Lb. S. 618 —619) und daäs in dem Werke
dieses Gaons dem Titel zufolge wirklich ,Widerlegung und philoso
phische Begründung 1 , wie Baclija von den drei Werken aussagt, vertreten
gewesen zu sein scheint.
2 Dass das Buch des David al-Mokammez seinen Namen trug, pttpüfl 1SD
also nicht Buch des Mokammez, sondern das ,Bucli Mokammez* zu über
setzen ist, berichtet Jedaja Penini in seinem mf?2C3nnn ZDD» vrgl. Munk,
Melanges 475 Anm. lieber den Mann und sein Werk s. Munk a. a. O.
474—476 und Fürst, Orient 1847 Lb. S. 644—648.
3 Man darf in der Tliat nicht ganz übersehen, dass Baclija neben diesen
drei Werken auch noch von ,ähnlichen* spricht. Uebrigens hat die Philo
sophie Gabirols unter den Juden sich keiner sonderlichen Beliebtheit er
freut, wie aus den bitteren Aeusserungen Abraham ibn Dauds deutlich
hervorgeht, vrgl. über diesen Punkt Munk a. a. O. 268—274.
Sitzmigsher. d. phil.-hist. CI. LXXVII. Bd. I. Hft. 13
Steinschneiders Ver-
läugnende Bedeutung, wenn wir an die ethischen Werke dieses
Mannes denken, wie ,die Perlenauswahl' ! oder die Schrift ,von
der Veredelung der Sitten'. Diese hätte Baclija doch sicherlich
erwähnen müssen, wenn sie ihm bekannt gewesen wären,
während er, seines Wissens der erste zu sein, entschieden be
hauptet, der jemals eine moralphilosophische Schrift geschrieben.
Bachja kann also den Grabirol unmöglich benützt haben und
es bleibt, da wir in der Schrift ,von der Veredelung der Sitten'
eine entschiedene Verwandtschaft 2 mit Bachja in einem Punkte
1 Vrgl. die Einleitung Asher’s 7,u seiner Ausgabe des DTISH ICnD A
Choice of Pearls, London 1859 und über dieses, wie über das folgende
Geiger’s Salomo Gabirol S. 86—87.
2 Um Anweisungen über den richtigen Gebrauch unserer Seeleneigen
schaften zu geben, theilt Gabirol diese in zwanzig, die er zu zehn immer
einen Gegensatz umfassenden Paaren vereinigt. Diese zehn Paare finden
wir eben bei Bachja III, c. 10, wo die Seele ebenfalls Anweisungen
zum geeigneten Gebrauch ihrer Kräfte verlangt. Ich will die Ueber-
einstimmung zwischen beiden durch Angabe der Stellen, an denen Gabirol
im JTflb ppiH 1S5D (in pU ed. Luneville) diese Paare behandelt,
im Einzelnen nachweisen. I. Freude und Trauer, bei Bachja nnDtiM,
bei Gabirol III, 1 u. 2 !Tl*nni nnWH- II. Furcht und Hoffnung KTlön
mpnm, dafür bei G. III, 3 u. 4 nannrnibwi pnaa- III. Tapferkeit und
Zaghaftigkeit, "plttnl miUlin wird bei beiden übereinstimmend dieses
Paar genannt, nur behandelt G. letztere V, 4 mehr als Trägheit, während
er erstere V, 3 genau so wie Bachja darstellt. IV. Scham und Dreistig
keit, rmrm nttDPl bei beiden genannt; selbst die charakteristische Be
handlung der letzteren bei Bachja finden wir bei Gabirol wieder, I, 3 u. 4.
V. Zorn und Wohlwollen, jttnm Djnn bei beiden genannt, bei G. IV,
1 u. 2. VI. Barmherzigkeit und Härte, nVHlDNm D^rnn bei beiden ge
nannt, bei G. II, 3 u. 4. VII. Stolz und Demuth, niD^m nifcOn bei beiden
genannt, bei G. I, 1 u. 2; der Ausdruck bei Gabirol ist nur
eine andere Uebersetzung für wie es in der nach den fünf Sinnen
geordneten Tabelle (a. a. O. 86) in der That auch heisst. VIII. Liebe
und Hass, nKDttfni -TonNn bei beiden genannt, bei G. II, 1 u. 2. IX. Frei-
giebigkeit und Geiz ni'ram ma’Un, bei G. V, 1 u. 2 mJp’2£m niS’m
X. Lässigkeit und Eifer ni5P“inm nbam, bei G. nimm n«3pn; Gabirol
zählt hier IV, 3 HkMp, niclit nbl’V auf, weil er diese IV, 4 unter "piß
bereits behandelt hat, übrigens erwähnt er sie auch hier IV, 4 als Gegen
satz zu mrin. So entspricht also dieses Zehnpaar von Eigenschaften
bei Gabirol genau dem von Bachja aufgestellten. Allerdings hat Gabirol
diese Eigenschaften auf ,die vier Mischungen 4 : Blut, Schleim, Gelb- und
Schwarzgalle und die fünf Sinne zurückgeführt und die meisten derselben
ausführlich und selbstständig behandelt. Bedenkt man aber, dass diese
Eintheilung das Gerippe des Gabiröl’schen Buches bildet und dass selbst
Die Theologie des Baclija ihn Pakuda.
195
finden, nur die Annahme übrig, dass Gabirol in dieser Schrift
bereits aus dem Werke Bachjas entlehnt habe.
Dass Baclija auch die Literatur der Araber gekannt und
benützt habe, würden wir schon wegen seines Aufenthaltes in
Spanien anzunehmen ein Recht haben. Denn hier, auf dieser
Halbinsel erfolgte jene innige Bekanntschaft der Juden mit den
geistigen Erzeugnissen der Araber, die der hebräischen Sprache
einen neuen Liederfrühling, dem jüdischen Geiste ein kräftiges
Erwachen und Aufleben in Philosophie und Wissenschaft brachte.
Bei einem jüdisch-spanischen philosophischen Schriftsteller aus
der Zeit, in der ungefähr Baclija gelebt haben mochte, ist die
Kenntniss des arabischen Schriftthums von vornherein voraus
zusetzen. Aber er sagt es uns selbst ganz ausdrücklich, dass
er zur Erhöhung der Wirksamkeit ,von den Moralisten und
Philosophen jedes Volkes', deren Lehren ihm bekannt geworden
waren, Aussprüche in sein Werk aufgenommen habe, weil er von
diesen eine grössere Eindrucksfähigkeit auf die Herzen seiner
Leser sich versprach. Wir erfahren hier also unzweifelhaft, dass
in charakteristischen Einzelheiten An klänge an Baclija in der Behandlung
Vorkommen, so wird man in dieser Aehnlichkeit, ja Uebereinstimmung
nicht ein zufälliges Zusammentreffen, das übrigens auch schon durch die
scharf markirte Eigenthiimlichkeit der Eintheilung ausgeschlossen ist,
sondern eine Entlehnung und Abhängigkeit von Bachja erblicken. Und
selbst die Annahme einer gemeinsamen Quelle scheint aufgegeben werden
zu müssen, wenn man bemerkt, wie diese Eintheilung bei Bachja noch
nicht fest ist, sondern den Charakter des nur flüchtig und nebenher, aber
selbstständig Gegebenen trägt map! 'bjOTOT n» DHÖ TDIX rm l’nHÖ,
(S. 184) und wenn man dabei bedenkt, wie oft solche gelegentliche Bemer
kungen eines Autors zu weiterer und vertiefterer Ausführung derselben
einem anderen Autor häufig in der Literatur Veranlassung geben. Diese
Annahme wird durch keinen Nachweis der Entleimung von Gabirol bei
Bachja widerlegt. Die Anführung bei Bachja VI, c. 7; S. 306 gehört,
wie Dukes in bn3 II, S. 42, A. 24 ermittelt hat, dem Isak ben
Lewi ibn Saul an und nicht dem Gabirol, dem es manchmal zugeschrieben
wird. Wenn Baumgarten (a. a. O. S. X) den von Bachja VI, c. 5;
S. 297 angeführten Ausspruch eines Weisen als eine Entlehnung aus
Gabirol bezeichnet, bei dem dieser Satz im irtDÖ (ed. Asher
S. 126 Nr. 624) in etwas anderer Fassung vorkommt, so beweist diess
durchaus keine Abhängigkeit von Gabirol, da ihn dieser wie so viele
andere Sprüche sicherlich selbst ans der Quelle entlehnt hat, aus der er
zu Bachja gekommen.
13*
I llllllllPi III I III I
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19 ß
K aufm an 11.
“ :4t;
§
Backja ,Worte der Philosophen' in sein Buch eingestreu 1 habe,
dass ihm Werke arabischer Philosophen bekannt sein mussten.
Wer waren nun diese Philosophen?
Der Mann, der die Reinigung- der Hauptquelle aller ara
bischen Philosophie, des Aristoteles von neuplatonischen 2 Trü
bungen mit Kraft und Entschiedenheit vollführt hatte und den
die Araber selbst als das Haupt 3 der Erklärer und Verbreiter
des aristotelischen Systems betrachteten, war Abu Ali ihn Sina.
Bei den lebhaften Beziehungen, die in literarischen Dingen
zwischen den Arabern Spaniens und dem Mutterlande bestanden,
und bei der grossen Bedeutung, die Ibn Sinas Schriften bald
erlangen mussten, dürfte die Vermuthung gegründet sein, dass
die philosophischen Leistungen dieses Mannes nicht lange nach
ihrem Erscheinen in Spanien 4 werden bekannt worden sein.
1 Als sollte das Verdienst des bescheidenen Mannes, das er durch die Ab-
fassung der J-Ierzenspfliehten‘ unstreitig sich erwarb, vollständig mit den
näheren Umständen seines Lehens vergessen werden, hat seine Leistung
zu verschiedenen Zeiten nur als Uebersetzung eines arabischen Werkes
gegolten. Die venezianische Ausgabe (ed. Bömberg 1548) des fl'D'in
mrobn bezeichnet das Werk sogar auf dem Titel ausdrücklich als Ueber
setzung eines älteren arabischen Buches, die bVTÜl ‘’TD ange
fertigt haben soll, vrgl. Jellinek (a. a. O. XXXVII). Casiri (Biblioth. Arabico-
Hispanae Fscurialensis I. p. 218, Nr. 726) sagt von dem s
des Ibn Athia: Hoc autem opus nedura Mahometani, sed alii etiam
Orientales tanti faciunt, ut Hebraice bis conversum fuerit (vrgl. ib. p. 221,
Nr. 735 und Gazzali im (\ä.juO {^8 bei Schmölders Essai S. 54). Es
scheint hiernach, dass bereits Casiri den rYDnbn niDin meinte, wenn er
von zweimaliger Uebersetzung Ibn Athias in’s Hebräische spricht. Deut
lich sagt es freilich erst Herbelot (Bibliotlieque orientale p. 135): la
Provision des Coeurs qui a ete traduit de FArabe en Hebreu sous le noin
de Khobeth allevavot. Vrgl. Steinschneider, Cat. Bodl. 780. Zunz’ vor
sichtiger Ausdruck: Bechai, ,dem selber arabische Muster vorgeleuchtet 1
(zur Geschichte und Literatur 127, a) kann darum aber dennoch zu
Recht bestehen bleiben.
2 Vrgl. hierüber Munk, Melanges 356 und Ritter, die christl. Phil. I, 557
und seine Bemerkungen über Alfarabi 552.
3 So nennt ihn Schahrastani (H. II, S. 160) vrgl. auch Munk a. a. 0. S. 352.
4 Besonders spanische Araber, die zu ihrer Ausbildung in der Wissen
schaft nach dem arabischen Mutterlande reisten, vermittelten die Kennt-
niss der Spanier von den literarischen Vorgängen des Orients. Vrgl. über
den Verkehr zwischen Arabiefl und Spanien Jourdain’s Forschungen
(deutsch von Stuhr S. 03, 1). Herr Dr. Steinschneider in Berlin hatte die
Die Theologie des Baclija ihn Pakuda.
197
Gibt es nun bestimmte Kennzeichen, an denen die Kenntniss
eines Denkers von Ibn Sina mit Sicherheit zu beurtheilen wäre?
Ich will nicht davon sprechen, dass man an dem neuplatonischen
Charakter eines Systems bei Arabern und Spaniern ein Krite
rium dafür hat, dass sein Urheber kaum durch die Schule Ibn
Sinas hindurchgegangen ist, es gibt dafür noch bestimmtere
Anhaltspunkte. Solch ein Anhaltspunkt ist in der Metaphysik
die Lehre vom Nothwendig-Existirenden, in der Psychologie
die Eintheilung der Seelenkräfte.
Zwar hat auch bereits Alfarabi 1 ein doppeltes Sein unter
schieden, das des Möglichen und das des Nothwendigen und
Gott als das nothwendige Sein, die Quelle alles möglichen Seins
hingestellt, aber in ihrer Ausbildung und Entwickelung gehört
diese Lehre erst dem Ibn Sina an und in ihm ist der Ursprung
jenes Begriffes zu suchen, der nachmals in der jüdischen Religions
philosophie eine so mächtige Bedeutung erlangt hat. Wenn
wir nun bei Baclija diesen Begriff vermissen, 2 ja nicht einmal
den Namen: Notliwendig-Existirender bei ihm antreffen, wenn,
Güte, mich darauf aufmerksam zu machen, dass der Canon Ibn Sinas
erst zur Zeit des Abu’l Ala ibn Zohr, also gegen 1100 in Spanien be
kannt wurde (vrgl. Steinschneider in Virchow’s Archiv Bd. 57, S. 111).
Bei dem allgemeineren und lebhafteren Interesse für Philosophie unter
den Arabern ist es jedoch wohl möglich und wahrscheinlich, dass
Ibn Sinas philosophische Schriften früher nach S]3anien gelangt sein werden.
1 Dies ergibt sich aus den Fontes quaestionum bei Schmölders, Documenta
44—45. Auf die Untersuchung, ob Baclija den Alfarabi kannte, braucht
liier nicht eingegangen zu werden. Zur Frage nach dem Zeitalter
Bachja’s wäre sip auch nicht von Belang. Uebrigens werden im Ver
laufe der Darstellung Aehnlichkeiten mit Alfarabi sich heraussteilen, die
uns aber zur entschiedenen Behauptung, dass Bachja den Alfarabi ge
kannt und benützt habe, durchaus noch nicht berechtigen können.
2 Für die Behauptung, Bachja habe in neuplatonischer Ueberschwenglichkeit
etwa die Bezeichnung Gottes als des Nothwendig-Existirenden verworfen,
wobei also immer noch die Möglichkeit übrig bliebe, dass Bachja Ibn
Sinas Lehre gekannt habe und sie nur nicht benützen wollte, liegt in
der Darstellung Bachjas nicht der mindeste Grund vor, da wir nicht
einmal einer Andeutung darüber bei Bachja begegnen, dass Gott über
das Sein hinaus sein müsse (vrgl. Zeller, Phil. d. Gr. III 2 , 2, S. 435, 1),
oder dass Bachja sich dagegen irgend gesträubt hätte, Gott als Ursache
zu bezeichnen, wie z. B. Plotin es thut (Zeller a. a. 0. S. 441, 1), der
wider jede Aussage einer Thätigkeit von Gott Bedenken trägt.
198
m
Kaufmann.
wie sich weiter zeigen wird, Bachja nur darum zu verwinkel
teren Beweisen seine Zuflucht nehmen musste, weil ihm die
Lehre vom Nothwendig-Existirenden 1 nicht bekannt war, so
haben wir allen Grund, die Bekanntschaft ßachjas mit Ibn Sinas
philosophischen Werken zu bezweifeln, wenn nicht gar völlig
zu bestreiten.
Von Ibn Sina rührt auch jene berühmte Eintheilung 2 der
Seelenkräfte her, die bald von seinen Nachfolgern unter den
Arabern 3 angenommen wurde und seitdem bei den Juden 4 ,
1 Die Nachweise für diese Behauptungen werden in der Darstellung des
IV. Einheitsbeweises folgen.
2 Ibn Sina theilt die Kräfte der Seele in fünf, denen er ganz bestimmte
Plätze im Gehirn zuweist. Es sind diess folgende: I.
der Gemeinsinn ,(mit Namen) '^avtaaia 1 . II. Die Ein- und Abbildungs
kraft JLy-Lf. HI. Die sinnliche Urtheilskraft, die bei den Thieren Vor-
stellungs-, bei den Menschen Denkvermögen genannt wird
IV. Die Vorstellungskraft oder Phantasie, wie wir sie nennen
V. Das Gedächtniss oder die aufbewahrende Kraft xL fl -ll Vrgi.
Sekahrastani ed. Cureton II, 416—417, Haarbrücker’s Uebersetzung II,
314 — 315. Eine sehr klare Auseinandersetzung über die Bedeutung dieser
Kräfte hat Ritter (die christl. Phil. 1, 5G0—561) gegeben, nur hat er die
Ordnung dieser Eintheilung insofern verkehrt, als er die Phantasie zur
fünften Kraft macht, während sie bei Ibn Sina naturgemäss an vierter
Stelle steht, damit das Gedächtniss auch als bewahrende Kraft der
Phantasieäusserungen erkannt werde. Diese scheinbare Aeusserlichkeit
hat auch die Richtigkeit der Eitter’schen Darstellung in diesem Punkte
beeinträchtigt, da sie die Bedeutung des Gedächtnisses fälschlich nur auf
die Urtheile der sinnlichen Urtheilskraft allein einschränkt.
3 Schon bei Gazzali finden wir dieselbe Eintheilung bis in ihre physiolo
gischen Einzelheiten genau angenommen (pH’ '3)KÜ ed. Goldenthal
p. 30 — 31). Auch die Terminologie, so weit sie durch die hebräische
Uebersetzung hindurchschimmert, ist bei beiden dieselbe: 1. 5]nH£>Ö tfiri
oder ’Jl'Öl rD, genau wie Ibn Sina, bei dem der Gemeinsinn auch
<{xmwjfa heisst. II. löllfn 11211 ist dem Sinne nach übersetzt. III. UlMH 112
enthält bei beiden dieselben Bestimmungen und Beispiele, nur ist sie in
der Ordnung bei Ibn Sina die vierte. IV. “1211 *|2 oder lÜlB'il 1121 ist
bei Ibn Sina die fünfte. V. 2©inn Ü2Ü ist wegen der logischen Zusam
mengehörigkeit aller auf den Gemeinsinn bezüglichen Kräfte bei Ibn Sina
die dritte.
4 Die Eintheilung der Seelenkräfte bei Jehuda Halewi (Kusari ed. Cassel,
2. Aufl. S. 390—391) scheint ebenfalls der Ibn Sinas zu folgen. Die
Die Theologie des Bachja ihn Pakuda.
199
wie auch bei den Scholastikern Eingang fand. Auch liier können
wir die gleiche Wahrnehmung machen wie bei der Lehre von
durch Textesschwierigkeiten noch erhöhte Dunkelheit dieses Punktes in
der Psychologie Jehuda Halewis bestimmt mich, diese Eintheilung und
ihre Abhängigkeit von der Ihn Sinas hier genauer in’s Licht zu setzen.
Die fünf Kräfte sind nach Jehuda Halewi folgende: I. 23nri87B.2 .22:3222
der Gemeinsinn. II. '“HX",“! 222 (oder '2r5t?) die abbildende Kraft, in der
die Abbilder der Dinge nach dem Aufhören der sinnlichen Wahrnehmung
bleiben, deren Inhalt also ,immer wahr 1 ist. III. 222 die sinn
liche Urtheilskraft, die den Inhalt der abbildendeu Kraft trennt und ver
bindet. IV. ’2272ß2 222 die Phantasie, die zur Aufsuchung des Nütz
lichen und zur Flucht vor dem Schädlichen antreibt. V. 2012*2 222 das
Gedächtniss, das durch Festhaltung der in gewissen Fällen erfolgenden
Aeusserungen der Phantasie zum Instincte wird. Hierdurch wird erst
eine andere Stelle verständlich, in der Jehuda Halewi eine andere Ein-
theilung zu geben scheint (a. a. O. 387 — 389). In Wahrheit ist sie genau
dieselbe. Er trennt hier den Gemeinsinn in zwei Theile, in den auf
nehmenden und in den bewahrenden, und dieser letztere Theil ist es, den
er 22112 2227 2012128702 22711222 nennt, als weitere Ausführung der auch
hier gebrauchten Bezeichnung '21X 1 PC- Auch die Bestimmung der dritten
Kraft Jl-Otrttt 171)0:27 2Ö 12 2’2p2 l ? ’lJt'n 2221 passt vorzüglich, da- diese
eben ordnet und beurtheilt, was *’*T13£* , n HDH = j’HD'in enthält und selber
zu ordnen nicht vermag 1 . Die vierte Kraft wird hier so gefasst, als würde
der Inhalt der vorhergehenden durch sie auf seine Richtigkeit geprüft
Ich verbinde und übersetze die Worte: 2Ö 2122 bj712 21D37 1 ? ’2272b2 2221
72CS21 'irn 122>22'2> folgendermassbh: Die Vorstellungskraft, die das,
was die sinnliche Urtheilskraft ermittelt hat, nach seiner Richtigkeit oder
Falschheit erkennen hilft. Die darauffolgenden, in allen Fällen schweren
und dunklen Worte J122T2 bx in2 , 2''B 237 718722.2 22’B372Ö nip scheinen
die fünfte Kraft, das Gedächtniss zu bezeichnen und sagen zu wollen,
dass nur ein Theil des durch die Vorstellungskraft Geprüften es ist, was
dem Gedächtniss überliefert wird, da eben manches leicht entschwindet.
Bestätigt wird diese Auffassung dadurch, dass Jehuda Halewi (a. a. O.
S. 390) selbst ausdrücklich den Inhalt des ’HStTl nb als zum Theil richtig
und zum Theil falsch “iptf HTTP EH fi&K n\Tttf ICH bezeichnet, da er
von der ,richtenden Kraft 4 der Phantasie beurtheilt werden muss. Die
genaue Uebereinstimmung mit lbn Sina beweist die Gleichheit der phy
siologischen Angaben: tllbPI MED fl W’tDSftVl; so verweist auch lbn Sina
und nach ihm Gazzali die abbildende Kraft in die vordere Höhlung des
Gehirns. lfiTXb&O wie auch lbn Sina und Gazzali die sinnliche
Urtheilskraft in die mittlere Höhlung verlegen. ‘niTlKbS [Tlbtni; auch
.nacli J. S. und G. liegt das Gedächtniss in der hinteren Höhlung.
'2rn Qipan 12127 1^22 ’awnbni; j. s. und G. versetzen ebenfalls die
Phantasie in die mittlere Höhlung des Gehirns, die auch Sitz der sinn
lichen Urtheilskraft ist. Die Eintkeilung der Seelenkräfte bei Jehuda
200
Kaufmann.
1
, H
dem Nothweiulig-Existirenclen, dass Ibn Sina nicht der eigent
liche Begründer, sondern nur der Ausbildner 1 dieser Eintheilung
war, der er einen endgültigen Abschluss und eine bleibende
Fassung gegeben hat. Da diese nun einen gleichsam kanonischen
Charakter annahm, so dass sie, wenn sie erst einmal bekannt
Halewi ist somit die Ibn Sinas. Mit den Worten ' (S. 390—391): nSHl
’awnia mp' “man 12 ramrrui ’ir mp' 'swnan n »ansyna nrn will
er sagen, dass die Thiere mit der sinnlichen Urtheilskraft urtheilen,
während die Menschen dies mit der Vorstellungskraft thun. Der Satz
klingt wie eine Uebersetzung der Worte Ibn Sinas: (Schahr. syLllj
^ f I LaäJLJ &^A.S^A^0
SLoLaJÜI ^Jt (j^Uäib II, 4175 H. II, 315).
Dass MDtmü die animalische Seele bedeutet (Cassel, 390, 7), beweisen
J. H.’s Worte (389, Z. 12 und 16). Hiernach ist die Eintheilung bei
Schmiedl, Studien S. 145 zu berichtigen.
1 Eine Eintheilung der Seelenkräfte hat allerdings bereits Alfarabi gegeben. Sie
lautet: S^Xä+Jfj sA"IAJ!. jfJI. SUifilJI
(Scbmölders, Documenta i w | J ). Alfarabi nimmt also nur vier Seelenkräfte
an, der Gemeinsinn idJvlCA+JI fehlt in der Aufzählung ganz, die
Terminologie ist eine andere als die Ibn Sinas, der eine Kraft, wie die
vierte Alfarabis: >U-Fö , (f gar nicht annimmt. Schmölders irrt daher,wenn
er (a. a. 0. S. 119) diese mit der Ibn Sinas durchaus nicht überein
stimmende Eintheilung Alfarabis mit ihr identificirt. Wenn Schmölders
hinzufiigt, dass sie bei allen arabischen Peripatetikern und sogar noch
im vierzehnten Jahrhundert bei dem Dogmatiker Adhadeddin al-igi sich
finde, so ist es eben nur Ibn Sinas, aber nicht Alfarabis Eintheilung,
die solche Verbreitung gewann und mit der Terminologie des Urhebers
sich bis al-Igi in den Maväkif und noch viel länger erhalten hat, nur
dass der orthodoxe Igi in der Anordnung der bereits angeführten des
frommen Gazzali folgt und die sinnliche Urtheilskraft zuletzt stellt.
Schmölders irrt daher wohl auch, wenn er zur Erklärung Alfarabis die
Definitionen des oLA" heranzieht, die fast wörtlich dem
Ibn Sina entlehnt sind, was auch Schmölders (S. 1 IG) zu bemerken nahe
daran ist. Nach dem was von Alfarabi uns vorliegt, ist es selbst bei den
mit Bezeichnungen Ibn Sinas übereinstimmenden, von Alfarabi angenom
menen Kräften nicht zu entscheiden, ob er ihnen dieselben Functionen
wie Ibn Sina zuertheilte. Mit dem Resultate dieser Untersuchung, dass
Ibn Sina der Ausbildner dieser Eintheilung gewesen, stimmt Ritters An
sicht überein: ,Dass er als der Begründer dieser Lehrweise angesehen
werden darf, ergibt sich wenigstens mit Wahrscheinlichkeit daraus, dass
Die Theologie des Bachja ihn Pakuda.
201
war, nicht leicht übergangen uncl durch eine andere ersetzt
werden konnte, so ist uns die von Bachja gegebene Eintheilung
der Seelenkräfte dafür wenigstens ein Beweis, dass ihm die
von Ihn Sina herrührende nicht 1 bekannt war.
Wer waren nun aber jene arabischen Philosophen, deren
Aussprüche Bachja für sein Werk benützt zu haben angibt? Jene
Männer scheinen es gewesen zu sein, die unter den Arabern
der Aufgabe sich unterzogen, fromme Aufklärung zu verbreiten,
die Wahrheiten der griechischen Philosophie und Wissenschaft als
aie nicht an allen Orten seiner Schriften in der vollständig’ entwickelten
Gestalt auftritt, welche sie zuletzt bei ihm annahm‘ (Gesch. der Phil.
VIII, 35, 2). Auf Ihn Sina hat denn auch Munk (Melanges 363, 2) ,die
bei allen arabischen Philosophen, bei den Scholastikern und bei einigen
neueren Philosophen anzutreffende Eintheilung der Seelenkräfte* zurück
geführt, vrgl. auch Ritter a. a. 0. Die Darstellungen bei Cassel (a. a. 0.)
und Scheyer (das psychologische System des Maimonides S. 11, be
sonders am Schlüsse von Anm. 1) sind im Ganzen wie in vielen Einzel
heiten hiernach zu berichtigen.
1 Bac.hjas Eintheilung der Seelenkräfte findet sich I, c. 10; S. 82:
rronm atotro jvunm nnirnöm jv-otn an a^&n oder, wie die
Termini nach dem Oxforder Original lauten: aLüLwJLÜI
(Fol. 82 der Hdsch.) y ***xji 5 w kJ b y°^b is*-
Diese Terminologie stimmt weder mit der Ibn Sinns, noch mit der Al
farabis, noch auch mit der der lauteren Brüder tiberein, die nach
(Dieterici, Anthropologie S. 38; vrgl. auch S. 56 und Diet. Weltseele
S. 46—47) folgende ist: ,Die Seele hat fünf sinnliche (leibliche) und
fünf andere übersinnliche Kräfte, deren Gang ein anderer ist als jener.
Dies sind die vorstellende, denkende, redende, behaltende und bildende
Kraft 1 , oder im arabischen Wortlaut, den ich einer Mittheilung des Herrn
allein, sondern auch der Bedeutung und dem Inhalte von Bachjas Ein
theilung fehlt es an jeder Aelinlichkeit mit den genannten, wie wir aus
seiner Erörterung einzelner der von ihm angenommenen Seelenkräfte II,
c. 5; S. 112—116 entnehmen können. Es hat, eben vor der Eintheilung
Ibn Siuas an einem klaren und bindenden Principe, nach dem die Seelen
kräfte hätten geordnet werden können, vollständig gefehlt, weshalb bei
verschiedenen Autoren vor Ibn Sina die Eintheilung eine verschiedene
ist. Ein Ansatz zu physiologischer Localisirung der Seelenkräfte, die
Munk (a. a. 0. 364 Anm.) dem Ihn Sina zuerst zuschreibt, findet sich
übrigens bereits bei den lauteren Brüdern (Anthr. S. 56).
202
Kaufmann.
durchaus im Einklänge 1 mit den Lehren des Islams darzustellen,
der Orden der lauteren Brüder 2 . Um ihrem Zwecke zu ge
nügen, legten sie das gesammte Wissen ihrer Zeit in einem Werke
nieder, das mit vollem Rechte den Namen einer Encyclopädie der
Wissenschaften 3 verdient. Originalität ist es am wenigsten, was
man ihnen nachrühmeu könnte und es scheint auf solche von
ihnen auch gar nicht angelegt gewesen zu sein. Worauf es
diesen frommen 4 Encyclopädisten vornehmlich ankam, das war
lediglich die verständliche und leichtfassliche Darstellung, mit
Einem Worte die Popularisirung der Wissenschaft, durch die
den Frommen Erleuchtung, den Ketzern aber der Beweis ge-
1 Fiir diese von Munk (Melanges 329) aufgestellte Ansicht spricht das
Werk der lauteren Brüder selber.
2 IjLoJ! ^ L O Dass sie nicht allein einen zur Herausgabe eines
Werkes vereinigten Gelehrtenverein, sondern vielmehr eine Gesellschaft,
einen Orden bildeten, der um gewisse Prinzipien seine Mitglieder schaarte,
wenn sie auch kaum ,ein Freimaurerorden des XI. (?) Jahrhunderts 1
(Hebr. Bibi. II, 91) gewesen, geht aus Andeutungen ihres Werkes (z. B.
Dieterici, Naturanschauung S. 23) selbst hervor. Vrgl. Sadi’s Gulistän II, tö.
3 Von diesem Werke Li.ta.JI JoLw^, dessen grössten Theil
Hr. Prof. Dieterici durch seine Uebersetzungen der Wissenschaft zu
gänglich gemacht hat, gibt es verschiedene Recensionen, vrgl Haneberg
in den Sitzungsberichten der k. baier. Akademie der Wissenschaften 1866
II, Heft II. Für diese Abhandlung sind benützt die folgenden Ueber-
setzungen Dietericis: Die Naturanschauung und Naturphilosophie der
Araber im X. Jahrhundert, Berlin 1861; die Anthropologie der Araber
im X. Jahrhundert, Leipzig 1871; die Lehre von der Weltseele bei den
Arabern im X. Jahrhundert, Leipzig 1872.
4 Sie scheinen zwischen den beiden Parteien, in welche die Schulen des Islams
zu jener Zeit gespalten waren, den Mu’taziliten und Mutakallimun, eine
vermittelnde Stellung eingenommen und zu keiner derselben entschieden
sich bekannt zu haben, denn sie polemisiren gegen beide, gegen jene
z. B. Dieterici, Logik und Psychologie der Araber im X. Jahrhundert
S. 58, gegen diese, denen sie es zum Vorwurf machen, dass sie ohne
Vorbereitung in den propädeutischen Wissenschaften unmittelbar ,ins
Meer der Metaphysik tauchen 1 (Haneberg a. a. 0. S. 92 und Steinschnei
der, Hebr. Bibi. IX, 170). Sie sind also nicht Mu’taziliten gewesen, wie
Schmölders (Essai S. 200 Anm.) annimmt, wenn sie auch mehr einer
freisinnigen Richtung scheinen zugeneigt gewesen zu sein, was man viel
leicht schon aus dem Mangel ausführlicher historischer Angaben über
sie bei den fanatischen Arabern schliessen kann. Den Fluch aller Ver
mittlerrollen, den Undank beider Parteien haben auch sie tragen müssen.
Die Theologie des Bachja ihn Pakuda.
203
bracht werden sollte, dass die Wissenschaft durchaus nicht
zum Unglauben hinführen müsse. Daher auf der einen Seite
Frömmelei, auf der anderen entschiedene Hochstellung der
Philosophie in ihren Abhandlungen, daher durchbricht bei ihnen
die trockenste Aufzählung wissenschaftlicher Begriffe oder Be
zeichnungen oft ein salbungsvoller Ton, eine saftvoll über
quellende Aeusserung jener Denkungsart, die im Grössten wie im
Kleinsten zur Bewunderung der göttlichen Allmacht und All
weisheit Gelegenheit findet. Der Hauptsitz der Gesellschaft,
deren Entstehung wohl in die zweite Hälfte des zehnten Jahr
hunderts zu setzen ist, scheint Basra gewesen zu sein, doch
verbreitete sich ihr Werk durch den Orient 1 und scheint auch
sehr bald nach Spanien 2 gedrungen zu sein. Wenn es wahr ist,
dass an dem Zustandekommen der Encyclopädie auch Juden
betheiligt 3 waren, so hat sie das, was sie jenen verdankte, an
ihren spanischen Brüdern reichlich heimgezahlt. Denn den
Juden 4 in Spanien scheint dieses Werk bald eine Quelle der
1 Nach den Aeusserungen Gazzalis im joiLo Po und ("o, in Sehmölders
Essai 42 und 53 waren ihre Abhandlungen zu seiner Zeit im Orient sehr
gebräuchlich. Die Ausfälle, die er gegen ihre unter der gleissnerischen
Maske frommer Darstellung einhergehenden ketzerischen Lehren und
den Charakter ihres Werkes, das nur eine philosophische Compilation sei
i ■ y ^Jj i üV11 ^ machte, haben übrigens diesen
Philosophen nicht daran gehindert, ihre Schriften zu benützen oder gar
zu plagiiren, wie Steinschneider (zur pseudoepigraphischeu Literatur S. 36
Anm.; Hebr. Bibi, IV, 11) nachgewiesen hat.
2 Vrgl. die Nachweise hierüber bei Haneberg (a. a. 0. S. 90), Flügel
(Ztsch. der d. m. Gesellschaft XIII, S. 25). Wohl hierauf gestützt, be
hauptet Dieterici: ,Schon früh im 11. Jahrhundert werden diese Abhand
lungen der lautern Brüdern nach Spanien verpflanzt und werden sie von
diesem Culturlande des Mittelalters aus das Gemeingut der gebildeten
Welt 1 (Weltseele, S. XI). Vrgl. Steinschneider, zur ps. Lit. S. 73—74.
3 Auf diesen Punkt hat Steinschneider bereits in Jiid. Lit. S. 397, 1 auf
merksam gemacht und unter neuen Verstärkungen seiner Vermuthung
hingewiesen Hebr. Bibi. IV, S. 14. Anm. 1.
4 Haneberg hat in der angeführten Abhandlung ,über das Verhältniss von
Ihn Gabirol zu der Encyclopädie der Iehwän uq (jafä‘ einen Einfluss
der letzteren auf Gabirol nachzuweisen gesucht (S. 89 ff ). Jedoch ist
dieser Einfluss noch zweifelhaft und selbst wenn er sicher wäre, so dürfte
doch die Einwirkung der lauteren Brüder auf Bachja der Zeit nach früher
sein. Jedenfalls wird es aus dieser Erörterung sich ergeben, dass
204
Kaufmann,
Belehrung geworden zu sein, aus der sie schöpften und sich
angeregt fühlten zu neuen Leistungen. Sie ist es denn auch,
die Bachja benützt hat und ihre Urheber, die lauteren Brüder
scheinen ,die Philosophen' 1 zu sein, deren Aussprüche er neben
bereits in der ersten Hälfte des eilften Jahrhunderts und nicht erst des
zwölften, wie Steinschneider (Jevv. Lit. S. 17-1 und 349) angibt, der Einfluss
der Enc.yclopädie auf die Juden Spaniens sich geltend machte. Vrgl. auch
Steinschneider, Ztsch. der d. m. Ges. XX, 432 und Hebr. Bibi. II, S. 92.
1 a'siDib'sn werden die lauteren Brüder auch bei Moses ben Esra (Zion
II, S. 120, wo die mit D'BlDl'p'Sn )!2 1I1X 1»X 111) eingeleitete Anführung
den 1. B. angehört, bei Dieterici, Anthropologie S. 1) und Josef ibn
Zadik (Mikrokosmos ed, Jellinek S. 19, wo die Aeusserungen der 1. B.
[a. a. 0. S. 59] entlehnt sind) genannt, welche beide bereits Steinschneider
als von der Eneyclopädie beeinflusst (Jew. Lit, p. 349) erkannt hat. Dass
die D'siDib’sn 'im bei Bachja (Einleitung S. 29) von den lauteren
Brüdern herrühren, ist daher bei dem unläugbaren Einflüsse, den sie auf
die ,Herzenspflichten 1 geübt haben, sehr wahrscheinlich. Dieser Einfluss
gibt einmal im Ganzen, ferner aber auch im Einzelnen sich zu erkennen.
Im Ganzen, denn Haltung und Darstellung des Buches ist durch jene
bestimmt. Es ist dieselbe rednerische Art in beiden, die oft uns das
Buch vergessen lässt, da sie unmittelbar sich an die Seele wendet, als
Ständen wir vor ihr als Hörer, es ist dieselbe lebendige Schreibweise, die
durch eingestreute, meist sufische Sprüche und Anekdoten und apostro-
phirende Unterbrechungen das Ermüdende, die Eintönigkeit des Inhaltes
verringert, jene Art, die Gazzali das Gefährliche und Bestrickende an
den Büchern der lauteren Brüder nannte (a. a. O. S. 42). Im Einzelnen
sollen hier für die Abhängigkeit Bachjas von den lauteren Brüdern einige
Beispiele folgen. II, c. 5 bespricht er die Nothwendigkeit und die Mittel
der Selbsterkenntnis, ohne die es kein Erkennen der göttlichen Macht
und Weisheit geben könne njTT XM X'aiDlb'BH» Ü'ÖSill jl2£p 11ÖX 1331
nx D1X1 (S. 105). Diese ganze Darlegung ist der der 1. B. (Naturan
sehauung S. 21—22; 162) nachgebildet, die auch den Satz äussern:
,Alle Wissenschaft beginnt damit, dass der Mensch sich selbst erkenne 1
(Anthropologie S. 46) und (a. a. 0. S. 47) in gleicher Weise diese Mittel
bezeichnen. “]BU 1133113 X113H 10313 'nX [3131,1 (S. 110) vergleicht
sich mit dem Satze der 1. B.: ,Wenn der vernünftige Denker über die
Zusammensetzung dieses Leibes nachdenkt, erkennt er, was für eine
sichere Weisheit im Bau desselben liegt 1 (ib. 123), wie sie denn auch
zu gleichem Zwecke (Weltseele 124) wie Bachja (S. 116) den Galenus
citiren. Wenn Bachja selbst in dem Blau des Himmels (S. 118) Gottes für
sorgliche Weisheit erkennt a'p'tlöl D’Xlai ]Ö D’ötfn 1X1Ö !T!T!P lÖ’nn |ßl>
so folgt er auch hier den 1. B., die (Anthr. S. 24) äussern; ,Gott der Er
habene hat das Blau des Himmels und das Grün der Pflanzen als ein Heil
für die Blicke der Creatur bestimmt. Denn diese beiden Farben stärken
Die Theologie des Baclija ibn Pakuda.
205
den Sittenreg-eln und Lebensbräuchen der Asketen in seine
Darstellung eingewebt zu haben angibt. Wie der ganze Cha-
unsere Augen 4 . Ueberhaupt ist es der Gesichtspunkt der 1. B., unter
dem auch Baclija die Natur betrachtet und überall die Allweisheit des
Schöpfers bewundert, wie jene ihre Auseinandersetzungen über die Ele
mente (Naturanschauung S. 57) oder die Naturreiche (ib. S. 194) mit
dem Ausruf: ,So beschaue nun wohl die Weisheit des Schöpfers 4 unter
brechen und an die Darstellung der Astronomie Bemerkungen über die
Plan- und Zweckmässigkeit alles Geschaffenen knüpfen. So zeigt auch
die Anthropologie Bachjas III, c. 9 manche entscheidende Aehnlichkeiten
mit der der 1. B., wenn sie auch in manchen Einzelheiten von..ihr ab
weicht. Wenigstens die Grundzüge des Vergleiches des Körpers mit dem
Tempel sind ihnen entlehnt, wenn sich auch die Ausführung von der
ihrigen unterscheidet. Schon die Beschreibung des Körpers als des
Mikrokosmos ist in solcher Ausdehnung nur noch bei ihnen anzutreffen.
injism vnilbim virnssa obiyb nan pina ‘wn vnrnD'nbuDa *|b ,“imi
(S. 179) findet seine Analogie bei den 1. B.: ,Demgemäss findet man für
Alles, was in der sinnlichen Welt vorhanden ist, wie . . für die Ordnung
der Elemente als Urmütter CTv£Hty2)/ . . . die verschiedenen Gestaltungen
jler Pflanzen, den wunderbaren Bau der Creaturen Cnnbini) . . . g leicli-
nisse und Aehnlichkeiten in den Zuständen der Menschenseele, die den
Körper mit ihren Kräften durchdringt 4 (Antlir. S. 41). ,Die Fügung des
menschlichen Körpers ist aber der Fügung der Sphären ähnlich 4 (irO'Dm)
heisst es a. a. O. S. 47, vrgl. auch Haneberg a. a. O. 95—96. II, c. 5-,
S. 109 bestimmt Baclija die Functionen des Magens und der Leber
pian ppb -nsm bmb KaaiacKm und auch von den 1. B. wird a. a. O.
S. 13 ,das Festhalten, Kochen und Reifen 4 der Speisen dem Magen, das
zweite Kochen, Reinigen und Reifen des Speisesafts aber der Leber
(ib. S. 14) zugewiesen. Baclija (S. 110) weist darauf hin, wie die
schlechten Stoffe abgeführt und nicht zur Verbreitung im Körper zu
gelassen werden. Auch bei den 1. B. (a. a. O. S. 14) wird dies bemerkt
und mit,der Arbeit von Strassenfegern 4 verglichen. Diese Einzelheiten lassen
sich noch vermehren. Die Aufforderung Bachjas VIII, c. 3, Nr. 23; S. 380,
durch Gewohnheit sich nicht von der Bewunderung der göttlichen Werke
abziehen zu lassen, ist deutlich der Ausführung der 1. B. (Naturanschauung
S. 202) entlehnt, die auch Moses ben Esra (Zion II, 136) ihnen
wörtlich entnommen hat (ib. 201, 202). Die Lehre Bachjas von der
Enthaltsamkeit, die nur auf das Unentbehrliche sich einschränkt, findet
sich bei den 1. B. (Naturansch. S. 19), wie auch eine andere Aeusserung
Bachjas in demselben Capitel (IX, c. 2; 405), die die Frommen ,die
Aerzte der Seelen 4 nennt, von jenen herstammt (a. a. O. S. 151). Auch
in der Verwerfung strenger Askese und der Empfehlung eines Gleich
gewichts und des am meisten religiösen Mittelweges (a. a. 0. S. 407) folgt
Baclija den 1. II. (a. a. O. 133—134). Vrgl. auch das am Schlüsse des
IX. Buches angeführte Testament mit der Aeusserung der 1. B. (Anthro-
206
Kaufmann.
rakter, die Grundstimmung sowohl wie die Darstellungsweise
der ,Herzenspflichten' den Einfluss der lauteren Brüder verräth,
so erweist sich oft in charakteristischen Einzelheiten eine Ver
wandtschaft zwischen Bachjas und ihren Anschauungen.
Fassen wir kurz die Ergebnisse dieser Wahrnehmungen
zusammen, so stellt sich Folgendes heraus. Bachja kennt die
Bücher Ihn Ganächs, scheint von Gabirol benützt worden zu
sein, benützt selbe) - in ausgedehnter Weise die Encyclopädie
der lauteren Brüder und scheint Ibn Sinas Werke noch nicht
zu kennen. Bedenkt man nun, dass Ibn Ganäcli und Gabirol
in Saragossa lebten, dass die Abhandlungen der lauteren Brüder
in Saragossa zuerst 1 bekannt wurden, dass der Name Bachjas
auf diese Heimath hinzuweisen scheint und zieht man ferner
in Erwägung, dass Bachja kaum lange nach Ibn Sinas Tode,
also nach 1039 geschrieben haben könne und dass ein freilich
sonst nicht weiter beglaubigtes Datum die Abfassungszeit der
,Herzenspflichten' in das Jahr 1040 versetzt, so wird wenigstens
ein genügender Grad von Wahrscheinlichkeit der Behauptung
zugestanden werden können: Bachja hat um das Jahr 1040 in
Saragossa 2 geschrieben.
pologie S. 221). Einzelne Ausdrücke bei Bachja sind von der Encyclo
pädie herübergenommen, so z. B. riTÖD ni’B (Einleitung S. 24) = ,Schlaf
der Bethörung 1 , einem bei den 1. B. (z. B. Naturansch. S. (15; 162) häufig
wiederkehrenden Terminus, oder: ablJH milK pn 113t» (ib. S. 31)
= ,er trank von der Weltliehe . ., dann ward er trunken vom Wein
der Begierde 1 (Weltseele S. 114). Ueber ähnliche aus der Encyclopädie
in die jüdische Literatur eingedrungene Ausdrücke, s. Hebr. Bibi. 1873, 12. ff.
1 Wie dies Haneberg (a. a. 0. S. 90) nachgewiesen und ausführlicher dar
gelegt hat.
2 Jekutiel Alhassan hatte um 1038 bereits Gabirol von Malaga nach Sara
gossa gezogen, wo auch Ihn Ganäch bereits seit 1013 sich aufhielt, seit
dem er von Cordova hatte wegziehen müssen (Grätz, Geschichte VI 2 , S. 21
und 29). Ibn Ganäch, der 995 geboren sein soll, mochte gar wohl bereits
um 1040 ein berühmter Mann sein oder Bachja als Saragossauer konnte
früher die Bekanntschaft seiner Schriften machen. So konnte aber auch
sehr wohl Gabirol die zehn Tugendpaare Bachjas für sein 1045 verfasstes
moralphilosophisches Werk benützen, da die Abfassung der ,HerzenS-
pfliehten 1 früher stattgefunden hatte und ihm als dem Landsmanne Bachjas
sein Werk schneller bekannt werden konnte. Nun sagt zwar Ibn Gabirol
ausdrücklich, dass er seine eigenen Gedanken in dem Werke niedergelegt
habe: ■wjn ’nbits nin nacn nnm ’marrna xb ’3 mv D’pbxni
Die Theologie des Bachja ihn Pakuda.
207
Iu dieser Annahme kann uns auch die Thatsache nicht
stören, dass es in dem Werke Bachja’s manche Stellen gibt,
die mit Aeusserungen des 1058 geborenen Gazzali eine entschie
dene Aehnliclikeit 1 zeigen. Denn diese Aehnlichkeiten sind
TD!£>nö 'nbaa 13 'n3ÜD3 sbl YO'naai (a. a. 0. S.O.b.), er sagt aber auch,
dass er andere Schriften benützt habe und nicht zur Anführung von
Gnomen allein: Dn’^'Öl D'lsann ’TnVta “IJNÖ I0yt3 p 'IHK K'33® ID’XIl
nn'n p ub jair» nia o’tnna -oian ’bjk lianw niaa nn'bx ■nnbi
(a. a. O. 8. b) 13’3J? ^33 obltf m 13’3SD VH'!» H3 nö3nn- Dass aber
Bachja nach Gabirol geschrieben habe, weil er nach der Pariser Hand
schrift Ihn Ganäcli bereits als verstorben anführt, darf man hieraus schon
darum nicht folgern, weil die Oxforder Handschrift die Anführung Ihn
Ganäch’s gar nicht, unsere Ausgaben aber wohl den Namen Ihn Ganäch’s,
aber ohne die bei der Nennung eines Todten übliche Formel: b‘‘] haben
und weil ferner das Todesjahr Ibn Ganäch’s unbekannt ist.
1 Eine sehr frappante Aehnliclikeit zwischen beiden ist es, dass beide vom
öffentlichen Hervortreten darum sich nicht, wie sie gerne möchten, ab
halten lassen, weil sie Trägheit und egoistische Motive dabei im Spiele
glauben, 'na® nana ’b mnbi '8j?a nn mitan um TDrfe 'niat nwoi
’nm’i nnaaai tap®na nbsryn pyaa ji3®8i nni3aa mro bs ’®S3 nn ’m®m
mb®m nnisan im bs '3ta' xm®i nxin n;®nan nanb msnn pn rr.T®
mbijtn a®iaa na®8l nntrn ly Q'3Dr6l sagt Bachja in der Einleitung
S. 25 und Gazzali J.i_cLs ^JUy-3 iü
Lg-j^-o, (^.w.XL!! jUyxJI
(jJLUi p. ot 6 ) (JjAil ^5! nach Schmölders (Essai S. 75):
il ne convient pas, (jue la paresse, le repns, le soin de vivre eloigne et ;t
l’abri des tracasseries liumaines soient le motif cjui t’engage a rester dans
la retraite. Dass diese Aehnliclikeit aber keine Abliängigkeit begründe,
braucht nicht erst erwiesen zu werden. Wie Bachja gegen die einseitige
Beschäftigung mit der Gesetzeskunde seine ,Herzenspflichten 1 richtete
(Einleitung S. 14) und in gereiztem Tone von dem Talmudstudium seiner
Zeit spricht (III, c. 4; S. 161), so schrieb aus Opposition gegen eine zu
weit getriebene Casuistik auch Gazzali seine .Wiederbelebung der
Religionswissenschaften“ oL.3.1- .Die Gelehrten, sagt
er, kannten kein anderes Wissen als das von Rechtsentscheidungen,
welche der Richter zu Hilfe nehmen könne, um Streitigkeiten des Lumpen
packs zu schlichten, — als Dialektik und Rhetorik; die Wissenschaft
aber vom Wege des künftigen Lebens, die Weisheit der Vorfahren sei
gänzlich in Vergessenheit geratben: und da die Sache wichtig und der
Gegenstand verwickelt, so habe er beschlossen, dieses Buch zu schreiben 1
(Hitzig: Ueber Gazzalis Ilijä in der Ztsch. der d. m. Ges. VIT, S. 173).
,Die Stifter der Schulen hätten sich mit den Erkenntnissen des Innern
208
Kaufmann.
zumeist von der Art, dass sie von der bei beiden Männern
gleichen Grundstimmung eines innigfrommen Gemütlies können
hervorgetrieben worden sein und durchaus nicht auf eine Ab
hängigkeit des einen von dem anderen müssen schliessen lassen.
Aristoteles und der Kaläm waren bisher dasjenige, was
man gewöhnlich als die Quellen von Baclija’s Philosophie be-
zeichnete, in Wahrheit sind sie es gerade am Wenigsten. Er
führt zwar wiederholeutlich den Aristoteles an, aber meist sind
die angeführten Aussprüche im Aristoteles selber gar nicht
nachzuweisen und wohl aus pseudoaristotelischen Schriften
entnommen, von einer genauen Kenntniss der peripatetischen
beschäftigt und mit dem Wissen nur die Richtung
«luf Gott gesucht . während ihre Nachfolger nur Eins mit ihnen ge
mein haben: die rüstige und eifrige Entwicklung der Folgesätze der
Rechtswissenschaft «jüJI SüJLw+JI. (a. a. 0.
S. 174). Audi hier ist es wieder nur der in beiden Männern schaffende
sittlich-religiöse Eifer, der gegen jede Verknöcherung und Erstarrung in
der Religion und ihren Bekenne™ kräftig sich auflehnt. Die vierte
Section des Werkes, das Viertel von den heilbringenden Dingen
m.l a-cv ; , II umfasst folgende Bücher: 1. Von der Busse. 2. Geduld und
Dank. 3. Furcht und Hoffnung. 4. Armuth und Enthaltsamkeit. 5. Be-
kenntniss der Einheit Gottes und Vertrauen auf ihn. 6. Liehe, Sehn
sucht und Zufriedenheit. 7. Güte der Gesinnung, Wahrhaftigkeit, Auf
richtigkeit. 8. Beobachtung und Controlle seiner seihst
Üaa»/LsA+J!^ 9- Nachsinnen. 10. Denken an den Tod (a. a. O. S. 176).
Wiewohl die Anklänge in Bachjas Eintheilung seines Buches an diese
klar zu Tage treten, so überwiegen die Verschiedenheiten hier dennoch.
Rein äusserlich ist es, wenn für Bachjas Beweise 2irDn
auch bei Gazzali dieselbe Methode der Erörterung sich findet:
,Aussprüche Mohammeds ^ldie auf die dicta probantia des
Quoran folgen, dann die Aussprüche der Gefährten und späteren Lehrer
des Islam^Lj|, endlich die rationellen Belege RaJLp’-T (S. 175).
Sachs (die rel. Poesie S. ‘274, 2) verweist auf ,manche Parallelen 4 m
Gazzalis O! Kind (ed. Hammer-Purgstall, Wien 1838), doch konnte ich
ausser der Warnung vor der Rechtswissenschaft, die in der Ilijä schärfer
hervortritt, nichts mit Bachja entschieden Aehnliches finden, vrgl. daselbst
S. 49. Dass Gazzalis Werke in Spanien verboten und verbrannt wurden,
s. bei Dozy, histoire des Musulmans d’Espagne IV, 254.
Die Tlieologie des Baclija ibn Pakuda.
209
Philosophie zeigt sich so wenig 1 eine sichere Spur, dass man
kaum mit Gewissheit zu behaupten vermag, Bachja habe aus
dem Aristoteles selbst geschöpft. Jedenfalls waren es neupla
tonische Commentare, die ihm den wahren Sinn des Stagiriten
verdunkelten, wie er denn überhaupt vornehmlich neuplatonische
Werke benützt zu haben scheint, und von ihren Lehren sich
stark beeinflusst zeigt.
Eine ähnliche Bewandtniss hat es mit seiner Kenntniss
des Kal am s. Ob er diesen aus den Werken der Araber kennen
gelernt hat, es kann nicht mit Sicherheit behauptet werden,
vielmehr scheint er nur die gewöhnliche Methode desselben
angenommen und selbst diese nur aus jüdischen religionsphilo
sophischen Schriften erfahren zu haben. Seiner Darstellung
fehlt die echtkalamistische Färbung, eine deutliche Beziehung
auf arabische Schulstreitigkeiten ist bei ihm nicht anzutreffen,
die Entfernung von Basra und von Bagdad prägt sich auch
in dem Charakter seine] 1 Philosophie aus.
Bachja als Philosoph.
Schon in seiner Eintheilung 2 der Wissenschaften erweist
sich Bachja als Anhänger der Philosophie, der zwar überzeugt,
1 Munks gegenteilige Behauptung (Melanges 483) lässt sich aus Bachjas
Philosophie nicht bestätigen.
2 In der Einleitung zu den ,Herzenspflichten 4 gibt Baclija eine Aufzählung
der drei ,Zugänge für die Lehre und das Leben 4 , der drei Th eile der Wissen
schaften. 1. die Naturwissenschaft. 2.
die propädeutischen Wissenschaften. 3. die theologischen
Wissenschaften oder die Metaphysik. Diese Voranstellung der Natur
wissenschaften ist ein Kriterium dafür, dass ihr Urheber zu den Philo
sophen hinüberneigte (vrgl. Hebr. Bibi. X, 72, 73), wie sie denn auch
den Standpunkt der freisinnigeren Richtung unter den Arabern gegen die
orthodoxe kennzeichnet. Die Mutakallimün und ihnen folgend die Ka-
räer, rvie auch die frommen Philosophen der Araber stellen die Theologie
an die Spitze der Wissenschaften, weshalb es von ihren Gegnern ihnen
vorgeworfen wurde, dass sie ohne alle Vorbereitung gleich in metaphy
sische Probleme sich hineinwagen (Haneberg a. a O. S.92). Dass die Karäer
,oline Vorstufe die Metaphysik ersteigen 1 , lehrt uns Jehuda Halewi, wenn
Sitzungsker. d. phil.-hiat. CI. LXXVII. I5d. I. Hft. 14
dass sie im letzten Grunde über die höchsten Wahrheiten uns
nichts lehren könne, dennoch die Beschäftigung mit ihr zur
Befestigung der religiösen Ueberzeugung für unerlässlich erachtet.
Der Charakter seiner Religionsphilosophie ist ein eklek
tischer. Es ist kein geschlossenes System neuer Gedanken,
was in seinem Werke uns entgegen tritt, darauf hat er es gar
nicht abgesehen, aber auch kein Mengsei von allen Orten zu
sammengelesener Gedanken wird darin uns geboten, es ist viel
mehr der Eklekticismus eines mit Wahl und Prüfung verfahrenden
Denkers, der darin zum Vorschein kommt. Aengstliches An
klammern an fremde Gedanken, blinde, wahllose Benützung
seiner Quellen begegnet bei ihm uns nirgends. Die Gedanken,
die er von andersher entlehnt, sind sein geistiges Eigenthum
geworden, er hat sie verarbeitet, eine selbstständige Fassung
ihnen gegeben, in eigentümlicher Färbung sie verwertet, sie
er sagt (Kusari ed. Cassel V, 2; S. 372): Ö'KIpn “p“! bj> "p JÜ3K Nb
nma ’ba» rmbia naann ba iby, vrgi. Hebr. Bibi, ix, 170. in der
That stellt auch der Karäer Nissim ben Noach die Metaphysik als erste,
als Anfang der Wissenschaften (Pinsker, Likkute Kadmon. Beilage S. 9).
Und auch Mokämmez stellt sie an die Spitze seiner Eintheilung mit den
Worten: inanrnpjn jvbjninanronMnn nbuan rubra irbirb pbm jnam
’nbun (Orient 1847 Lb. 620), wofür schon Steinschneider (Ursch und
Gruber: .Tüd. Lit. S. 397 Anm. 3) den Grund in seinem angeblichen
Karäerthum gesucht hat. Dass der orthodoxe Standpunkt eines Philo
sophen bei den Arabern Einfluss auf seine Eintheilung der Wissenschaften
hatte, sehen wir an Gazzali, der genau die Eintheilung des Mokämmez
annimmt’(Schmölders, Essai S. 222). Auch Schahrastani (H. II, 78) ordnet
die von den älteren griechischen Philosophen behandelten Wissenschaften
in derselben Weise, wo übrigens dieselbe Terminologie wie bei Bachja
für dieselben gebraucht ist. Nach philosophischem Standpunkt steht
die Metaphysik gewöhnlich am Schlüsse der Eintheilung. So bei den
lauteren Brüdern, die unter den Dingen, die eine Dreiheit ausmachen, die
Wissenschaften aufzählen: ,die drei Wissenschaften Propädeutik, Natur-
und Religionswissenschaft 1 (Weltseele S. 2). Nach der gleichen Eintheilung
will Jelmda Plalewi die Wissenschaften behandelt sehen (a. a. 0.) und
auch Abraham ibn Daud nennt sie in folgender Ordnung i-M
nvnbt<m nmatani nvnabn niasnn = yyLuuJaJIj
(Emunah ramah ed. Weil p. 58). Die Angabe Bachjas über den Inhalt
der Naturwissenschaften jrVHpÖI DISU“! DDDH K\H1 stimmt mit der
der lauteren Brüder überein: ,Gegenstand der Naturwissenschaft sind die
Körper und das, was an festhaftenden oder trennbaren Accidenzen den-
Die Theologie des Bachja ihn Pakuda.
211
bilden kein buntes, zusammenhangsloses Mosaik, 1 sondern ein
organisch verwachsenes Ganzes.
Mit welch’ kritischer Sichtung er in der Ausnützung' seiner
Quellen verfahren ist, können wir noch aus einigen sehr ent
scheidenden Beispielen entnehmen. Der Mittelpunkt seiner ganzen
Theologie, seine Lehre von der Einheit Gottes, mit der er eine
noch gar nicht genug gewürdigte Fortentwickelung des jüdischen
Gottesbegriffs begründete, ist neuplatonisch. Es ist kein Zweifel,
dass Bachja zu dieser Lehre in ihrer ganzen Grösse und Schroff
heit aus neuplatonischen, unter den Arabern vielfach 2 verbrei
teten Werken gelangt sein müsse, wie es auch an Anhalts
punkten für seine Benutzung neupythagoreischer 3 Lehren nicht
fehlt. Bedenkt man nun, aus welchem Wüste mystischer Vor-
selben zustösst c (Naturanschauung S. 17). Für die Propädeutik führt Bachja
neben DÜDft den Namen “iDlÖtt DttDn an. Schmiedl (Frankels
Mtsch. 1861, S. 186) nimmt an, dass dieser Ausdruck wie die ganze Ein-
theilung überhaupt dem Nissim ben Noacli entlehnt sei. Dass die Ein-
theilung bei Bachja eine wesentlich verschiedene sei, ist bereits gezeigt
worden. Der Ausdruck DÖDIl dürfte aber, wenn überhaupt eine
Entlehnung desselben anzunehmen ist, aus dem Mokammez entlehnt sein, bei
dem sie in der bereits erwähnten Eintheilung der Wissenschaften sich findet,
die, wie ich vermuthe, die Einleitung des Buches Mokammez ausgemacht
hat. Es heisst da (a. a. O. S. 620): bStOTl nDlSH nöSn JTJtttÖKn nbjttSH
nran “pn or6 nanittm dix ’sa min njtttxan. Wenn die Definition die
ses Ausdrucks hier so lautet, als ob er Ethik bedeutete, so haben wir
es möglicherweise mit einer vom Epitomator herriihrenden, die Bedeutung
von "1D1Ö verkennenden Glosse zu thun. Auch bei Jehuda Halewi finden
wir die Bezeichnung fiTHDlft (ICusari III, 39; S. 256) und D^IDlün D'laTl
(V, 12; S. 392), was Cassel fälschlich ,die ethischen Wahrheiten“ über
setzt. Derselbe Begriff wird auch durch: CVbjinn fllÖSH ausgedrückt
(Kusari V, 14; S. 400). Vrgl. Dukes, Philosophisches aus dem X. Jahr
hundert S. 13, Anm. 4, Steinschneider Al-Farabi S. 32, Anm. 32. Auch
wird Propädeutik durch □'"Tlttbn wiedergegeben, wie bei Mose ben
Nachman (Dissertation, ed. Jellinek S. 20), wo auch eine Aufzählung
der in derselben enthaltenen Wissenschaften sich findet.
1 Wie dies z. B. in dem DltllDH "inp Moses ben Esras der Pall gewesen
zu sein scheint, soweit wir nämlich nach den durch Dukes bekannt ge
wordenen Fragmenten (Zion II, 117 ff.) urtheilen können.
2 Vrgl. hierüber Munks Nachweisungen (Melanges 240, 241) und Sclimölders
(Essai p. 90).
3 Näheres hierüber wird im Laufe der Darstellung angegeben werden. lieber
den neupythagoreischen Ursprung der Lehre von der Eins als der Gott
heit, s. Zellers Bemerkungen (Phil, der Gr. I 2 , 260, 267).
14*
212
Kaufmann.
Stellungen, spielender Zahlenweisheit, emanatistischer Begriffe
diese Lehre von der Einheit Gottes in der Reinheit, in der
wir sie bei Bachja finden, hervorgeholt werden musste und
dass es ihm gelungen ist, sie frei von allem entstellenden Bei
werk herauszulösen, so werden wir der geistigen Kraft des
Mannes nur Achtung entgegenbringen können. Er hat selbst
jener Lehre, die in der neuplatonischen Philosophie eine so
wichtige 1 Rolle spielt, früh 2 von den Arabern angenommen
wurde und auch in Spanien bald zu grosser 3 Verbreitung ge
langte, zu widerstehen 4 vermocht, man findet von der Lehre
der Emanation bei ihm fast 5 keine Spur.
1 Vrgl. hierüber Zellers Auffassung von der Rolle der Emanation bei Plotin
(a. a. O. III 2 , 2, S. 441 ff.)
2 Wie sehr Alfarabi von der neuplatonischen Emanationslelire erfüllt ist,
zeigen seine Aeusserungen in den fontes quaestionum c. VT ff. bei
Schmölders Documenta (47, 48; 94 — 99), vrgl. Ritter (a. a. O. S. 8).
Aber auch noch bei dem strengen Aristoteliker Ibn Sina sehen wir die
Lehre von der Emanation eine sehr wichtige Stelle einnehmen, s. Ritter
(ib. S. 22, 23).
3 Mit Recht schliesst Munk aus der Rolle, welche die Emanation in der Lehre
Gabirols spielt, ohne dass dieser darum Veranlassung findet, auf eine
Darlegung und Begründung derselben einzugehen, vielmehr wie etwas
allgemein Bekanntes sie voraussetzt, auf die ausgedehnte Verbreitung
derselben in Spanien (Melanges 260). Cette philosophie devait etre alors
en vogue chez les Arabes ou cliez les Juifs d’Espagne (a. a. O.).
4 Es ist, selbst philosophisch betrachtet, keine Inconsequenz oder Schwäche
Bachjas, trotz seiner Lehre von der göttlichen Einheit die Emanation
nicht angenommen zu haben. War es ja doch nur eine, man möchte
sagen, willkürliche Ueberschwenglichkeit des Neuplatonismus, jenen Be
griff, der doch einmal nur auf dem Wege der Causalität gefunden werden
kann, über alle Causalität hinauszuheben oder, nach Zellers Ausdruck
(Phil, der Gr. III 2 , 2. 427) schon von vornherein die Transscendenz des
Uranfänglichen vorauszusetzen. Bachja konnte darum gar wohl von der
Weltschöpfung aus den Begriff Gottes herleiten und dabei dennoch in
neuplatonischer Weise die Transscendenz desselben entwickeln. Dass es
aber nicht etwa ein religiöser Grund gewesen sein müsse, der ihn von
der Emanationslehre Abstand nehmen liess, kann das Beispiel Gabirols
beweisen, der die Emanation in ausgedehntester Weise lehrt.
5 EineSpur emanatistischer Vorstellungen scheint sich in der Psychologie Bach-
jas zu finden. So sagt er ITT c. 2; S. 136: nbim JÜ "IHJ ’JITn D!t2> K1H
■ D’ajTI ö’sun Dbipa '“03 Kirn 'wnn p'bjm. Jedoch ist die stelle für die Be
hauptung, Bachja habe die Emanation angenommen, nicht entscheidend, he-
Die Theologie des Bachja ibn Takuda.
213
Die gleiche Wahrnehmung können wir auch an dem Ver
halten Bachja’s zur Encyclopädie der lauteren Brüder machen.
Auch hier hat die fleissige Benutzung- ihrer Abhandlungen ihn
durchaus nicht dazu gebracht, alle ihre Anschauungen zu den
seinigen zu machen, er verfahrt vielmehr mit Vorsicht und
kritischer Wahl. So viel Raum daher auch jene der Darstellung
ihrer Lehren von Satanen und bösen Geistern, ihrer Engellehre
und astrologischen Begriffe gewidmet haben, Bachja hat es ver
standen, sein Werk von allem diesen vollständig freizuhalten.
So hat denn Bachja die von mancher Seite an ihn heran
tretende Gefahr, seine ,Anleitung 1 zu den Herzenspflichten'
sonders wenn man sie mit anderen Aeusserungen Bachjas über das Wesen
der Seele zusammenstellt, aus denen keine Spur emanatistischer Vorstellun
gen sich nach weisen lässt. Dass er die Seele für ein lichtes, engelgleiches
Wesen hält, kann für diese Frage gar nichts beweisen. II, c. 5; S. 107
sagt Bachja: K1H Düpn Hfl D’JV'bjH D'tt'Nn nrarmb HÖH 'TlX ’JHn ÜJ£J?
Dinm mnn nn am niutpn viwb amtn d'-jjüöx: n m»p uss:
D'p-npm D’ÖJtyni n’Tini mm ’Wtan, eine Stelle übrigens, zu deren Aens-
serung über die Vermittler zwischen Leib und Seele eine merkwürdige
Parallele sich bei Gabirol findet, wenn diesem wirklich der von Gundi-
salvi übersetzte Tractat von der Seele angehört: Simplex autem non po-
test conjungi spisso sine medio quod habet similitudinem cum extremis.
Item, anima non apprehendit sensibilia per se nisi mediante spiritu, qui
est substantia sentiens consimilis utrisque extremis et est media iuter
corporeitatem sensibilium et spiritualitatem animae rationalis (Munk,
Melanges 172). Dass an dieser Stelle 'Tltf — eine lichtartige Sub
stanz bedeutet, hat J. Levinsohn in der Schrift ‘VK’’ DVD (Berlin, 1865,
S. 396) nach dem arabischen Original festgestellt. Aus Stellen,
wie IV, c. 4; S. 234: D'SiAlan miM l£>B3n aiwn®, X, c. 1; S. 430:
mumm D’B'xna nb nann bx ntsia inn bwb azp wsjn und ix, c. 3;
s. 408: nbiyö imnm irvnr 13 noxai mn nbips Dixn p’D3 mix bs höi>
ni’jnnn scheint Bachjas Auffassung vom Wesen der Seele als einer engel-
gleichen Lichtsubstanz in der Tliat sich zu ergeben. Doch liegt hierin
nichts von Emanation. Auch Saadias (Emunoth VI. cd. Slncki, Leipzig
S. 97) nennt die Seele: “lt£>K3 “llKd nb3pfc BTTOl D’bjbjn flVp» 'p3
m'Ktt 13 n’nm blban bsp’ und auch Jehuda Halewi sagt von ihr
(Kusari II, 26; S. 133): B'SKbön DJt»b Slip TnBJ OSJ> irnd V, 12;
s. 396: mnbxn a'öswm D-sxban nxrn 1x11-10 imaatw “tüiy öxp-
1 Nach der Pariser Handschrift lautet der Titel des Buches: i joltXlC
fjiyi XaajUMj 1_) JüiJ! Der arabische Auszug
(Orient 1861 Lb. S. 737) des Werkes gibt den Titel anders an. Doch
mit mystischen Elementen zu durchsetzen, glücklich überwunden.
Von welcher Wichtigkeit, von welch’ culturgeschichtlicher Be
deutung- diese Reinheit des Buches von allen mystischen Trü
bungen war, wird sofort in klares Licht gesetzt, wenn wir der
Thatsache uns erinnern, dass es eines der volksthümlichsten
jüdischen Bücher wurde, und durch eben diese seine Reinheit
die Generationen vieler Jahrhunderte religiöse Erhebung und
sittliche Läuterung aus ihm schöpfen konnten, wie aus ewig
sprudelndem Quelle.
Bachja’s Theologie.
In Bachja’s ,Anleitung zu den Herzenspflichten' durfte
eine Darstellung seiner Lehre von Gott nicht fehlen. Wie im
Neuplatonismus, so fliesst auch in den von neuplatonischen
Ideen durchzogenen Systemen der Araber 1 leicht und unge
zwungen aus der Weltanschauung die Ethik. 2 Vermöge ihrer
göttlichen Abstammung ist die Seele, so lehren sie, befähigt
und berufen, das Uebersinnliche zu erfassen, anzuschauen. Aber
hineingesetzt in den Körper fühlt sie sich beschwert von der
Last der Materie, gefesselt von den Banden der Leidenschaften
aller Art und vermag nicht mehr das Absolute zu begreifen.
Da ist es denn ihre Aufgabe, die Schranken der Körperlichkeit
nach Kräften zu durchbrechen, die Fesseln der Sinnlichkeit
so viel als möglich abzustreifen, um emporzudringen zur An
schauung ihres göttlichen Urquells. Hier wird die Philosophie im
scheint nach dem Ausdruck des Uebersetzers film 1 ?!! lYDin fllltl
I ^Jt äjtcL^Jl i«jLx5^ der richtige Titel.
1 Ueber die Kenntniss von den neuplatonischen Lehren und Anschauungen
bei den Arabern wie über die Quellen, aus denen sie zu ihnen' gelangten,
vrgl. Munks Melanges S. 240—242, 248, 261, Steinschneiders Al-Farabi
S. 115, Anm. 50 und Sehahr. deutsch von Haarbrücker II, 192—197; 429.
2 Welch enger Zusammenhang zwischen Ethik und Metaphysik selbst bei
Ihn Sina besteht, der unter den arabischen Peripatetikern von neuplato-
nischen Einflüssen sich so viel als möglich frei zu halten verstand, kann
man aus der Darstellung seiner Lehren bei Schahrastaui (H. II, 278, 279)
deutlich erkennen. Vrgl. auch Ritter, Geschichte der Philosophie Bd. VIII,
Die Theologie des Bachja ibn Pakuda.
215
strengsten Sinne praktisch, sie gewinnt einen ordnenden Ein
fluss auf das Leben. Das Werk eines Denkers von der bezeich-
neten Richtung, wie Bachja, das sich es vorsetzt, die Läuterung
und Heiligung unserer Gesinnungen und Handlungen und deren
Mittel zu behandeln, wird daher der Natur der Sache gemäss
mit einer Darlegung unseres Verhältnisses zum Absoluten und
seiner Unbegreifbarkeit durch unser Denken zu beginnen haben.
Nicht ohne inneren Grund 1 oder gar zufällig 2 steht daher an
der Spitze der ,Herzenspflichten' Bachja’s Theologie. 3
1 Wie Grätz (Geschichte VI 2 , 45) und Sclimiedl (Studien, S. 105) es dar
stellen, nach deren Ansicht die erste Pforte der ,Herzenspflichten 4 nicht
notliwendig' aus der Anlage des Werkes hervorgegangen ist, sondern nur
aus äusseren Beweggründen, wie ,um der in seiner Zeit herrschenden Vor
liebe für philosophische Untersuchungen sich nicht ganz zu entziehen 4 , als
,Tribut 1 an die ,Zeitrichtung 4 von Bachja dem Werke einverleibt wurde.
2 Wenn es nach der Aeusserung Bachjas (r, 1, S. 40, Z. 3 v. u.) den An
schein hat, als verdanke die Theologie ihre Voranstellung in dem Werke
nur einer zufälligen Schriftdeutung, so muss man ’ sich dabei erinnern,
dass es seine Weise ist, auf dem Wego reinen Denkens gefundene Er
gebnisse aus der Schrift nachzuweisen oder an eine Deutung anzulehnen.
3 Ungenau und zu vielen leichteren und schwereren Missverständnissen
Anlass gebend ist die bei allen Uebersetzern, selbst Munk nicht aus
geschlossen. gebräuchliche Uebersetzung des neuhebräischen Ausdruckes
"ni-p durch .Einheit Gottes 4 . TirP ist dem arabischen Kunstausdruck
treu nachgebildet. Dieser aber bedeutete im Kreise der Mu’tazila
das, was wir etwa Theologie im engeren Sinne nennen. Schahrastani schliesst
seine Darstellung dervonallen Mu’taziliten anerkannten, auf Gott bezüglichen
Lehren und deren Ausgleichung mit der Schrift mit den Worten (I, 30):
JL+äJI ! ,sie nennen diese Art und Weise des
Verfahrens das Einheitsbekenntniss 4 (Haarbriickers Uebers. I, 43). In
diesem Namen für Theologie und Gottesglauben ist das Moment der
Einheit darum so hervorgekehrt, weil es eine Hauptaufgabe der Mu’tazila
war, neben der Einzigkeit Gottes seine Einfachheit innerhalb seiner
Eigenschaften zu lehren und zu beweisen. In diesem Sinne nannten sie
sich Anhänger des Einheitsbekenntnisses, vrgl. Schahrastani II. I, 41 und
in diesem Sinne schrieb bereits ihr Stifter, Wasil ibn Ata, ein Buch
über das Einheitsbekenntniss, vrgl. Kremor, Geschichte der herrschenden
Ideen des Islams S. 28. Darum heisst denn auch bei Joseph al-Basir
die Gruppe der auf Gott bezüglichen Abschnitte seines Wurzelbuchs
-nrrn vrgl. Fraukl, ein mu’tazilitischer Kaläm S. 11, wie denn
auch Saadias zweites Buch des Emunoth nicht, wie cs bei uns heisst
rvnnN 1DKÖ, sondern nn’n PSB (s. G. Polak’s Dip ms'bn S. 70) oder
216 Kaufmann.
Ein Werk, das in allen seinen Theilen die Forderung vor
trägt, unser Denken und Handeln mit dem Gedanken an Gott
zu durchdringen, ohne Auseinandersetzung über Gott, wäre ein
Gebäude ohne Grundlage. Es ist Bachja’s Art, zu Anfang einer
jeden Pforte über Begriff und Wesen des in ihr behandelten
Gegenstandes sich mit dem Leser auseinanderzusetzen. Wie
hätte er da bei dem Gegenstände seines ganzen Werkes, bei
Gott eine Begriffsbestimmung und eingehende Untersuchung
unterlassen können? Es war eine aus dem Plane des Buches,
das nach den Wurzeln der Herzenspflichten eingetheilt 1 und
angelegt ist, nothwendig hervorgehende Forderung, die Wurzel
dieser Wurzeln, den Gottesbegriff durch Beweise zu stärken
und als Grundlage des Ganzen, so weit es möglich ist, sicher
zu stellen.
Allerdings hätte Bachja sich dabei begnügen können, den
Gottesbegriff so in sein Werk aufzunehmen, wie er den Meisten
geläufig und von der Tradition überliefert wird. Er war aber
von der Bedeutung der Erkenntniss für einen geläuterten
Glauben viel zu sehr durchdrungen, als dass er bei dem wich
tigsten Begriffe des Glaubens, bei Gott mit der ungeprüften
und unbewiesenen Annahme unter Voraussetzung ihrer Wahr
heit sich begnügt hätte. Wie nöthig er es fand, mit einer philo
sophischen Untersuchung über Gott sein Werk zu beginnen,
zeigen seine bitteren Bemerkungen über die bei den meisten
Gläubigen verbreiteten Arten des Gottesglaubens. Dieser besteht
bei Vielen in einem blossen Nachsprechen, erhebt sich also nicht
über die Stufe der Kinder und der Gedankenlosen (c. 2). Andere
bekennen zwar Gott in Wort und Gedanken, sie verstehen
zwar das, was die Ueberlieferung sie darüber gelehrt hat (c. 1),
aber es ruht bei ihnen nur auf dem Vertrauen zu den Ueber-
liefernden, nicht auf dem unerschütterlichen Grunde vernünftiger
Ueberzeugung. Sie gleichen den Blinden, die vertrauensvoll
von einem Sehenden sich leiten lassen, dafür aber jeden Fall
“llirn 1ÖKÖ liiess, wie es im ersten Buche c. 4 (p. 13 a. ed. Berlin) ge
nannt wird. Die Bedeutung von Tin' als ,Gottesglaube 1 tritt, wie im
ganzen ersten Buche des Choboth, besonders am Schlüsse von c. 4 hervor.
i nuisatton mai irmbn nmn ’un» ^ pbnna mv» ibd sagt Bachja
in der Einleitung (S. 24).
Die Theologie des Bachja ibn Pakuda.
217
und Fehltritt desselben mitmachen müssen. Da es an Ueber-
zeugung ihnen mangelt, kann ihr Glaube durch gegnerische 1
Einwürfe leicht wankend gemacht werden. Und wieder gibt
es Andere, bei denen der Glaube an Gott auf Erkenntniss und
Ueberzeugung beruht, aber ihnen fehlt der klare Begriff von
seiner absoluten Einheit (c. 2) und leicht kommen sie in die
Gefahr, sich Gott körperlich oder bildlich vorzustellen (c. 1).
Sie gleichen dem Manne, 2 der nach einer Stadt gelangen will,
deren Lage er ungefähr kennt, aber er kennt den rechten Weg
nicht und müht umsonst sich ab, ohne hinein zu gelangen (c. 2).
Ueberhaupt haben durch den allzuhäufigen, gedankenlosen Ge
brauch des Wortes: Gott, 3 das zu einem leeren Ausruf des
Erstaunens über gute und böse Schickungen herabgesunken ist,
die Menschen sich gewöhnt, bei dem Worte stehen zu bleiben,
ohne, in Gedankenlosigkeit und Trägheit, 1 zu einer tieferen
Auflassung der Sache sich zu erheben; mit dem Worte: Gott
glauben sie auch den wahren Gottesglauben zu haben.
,Es ist der Begriff des vollen Gottesglaubens, sagt Bachja
(c. 1), dass Gedanke und Wort in dem Bekenntniss des Schöpfers
1 Die Leseart ist nicht ganz sicher. Die venetianisehe Ausgabe (Bömberg)
hat DTti- Die neueren Ausgaben haben D’llTön- So wird von den Ueber-
setzern der arabische Ausdruck die Dualisten wiedergegeben,
s. Schahr. I, 188, IJ, 444, vrgl. Munk, Guide I, 442, Anm. 3. Der Ueber-
setzer des Mokammez gibt den Ausdruck durch D'Jttfön D’JtPH
wieder, s. Orient 1847 Lb. S. 632.
2 Auch Saadias gibt zu Anfang seines Emunoth eine Zusammenstellung der
Arten, in denen der Glaube in seinem Verhältniss zur Ueberzeugung bei
den Menschen aufzutreten pflegt. Bachja scheint dieser Stelle (Einlei
tung S. 3) sein Gleichniss, auf das auch Saadias den Vers (Eccl. 10, 15)
bezieht, entlehnt zu haben.
3 An dieser Stelle kann man das häufige Missverständnis des Ausdruckes
Uri’ am klarsten erkennen. Die Worte Hin’ n?ti zu Anfang des c. 2
weiden von Fürstenthal, wie von Baumgarten in ihren Uebersetzungen,
so auch von den Commentaren als: ,das Wort: einzig 1 aufgefasst, das
man bei grossem Schrecken oder grosser Freude auszurufen pflege. Was
wohl das Wort: einzig und sein leichtfertiger Gebrauch mit dem Glauben
an Gott zu thun hat, von dem im ganzen Capitel die Rede ist? fibtt
"11/1’ bedeutet aber ganz einfach: das Wort Gott.
4 Vrgl. die Aufzählung der den wahren Glauben schädigenden Ursachen
bei Saadias am Schlüsse der Einleitung zum Emunoth (ed. Slueki S. 13).
218
Kauf manu.
zusammenstimmen, nachdem durch Beweise die Bestätigung seines
Daseins und das wahre Wesen seiner Einheit auf speculativem
Wege erfasst wurden/ Die vierte und allein vollkommene Art des
Gottesglaubens findet sich daher nur bei denjenigen, die neben
der Ueberzeugung von Gott auch klare Begriffe von dem Wesen
seiner Einheit haben (c. 4). Zu dieser Tiefe des Verständnisses
sind nur die Erlesensten unter den Gläubigen vorgedrungen
(c. 2), wie diess bereits der Philosoph 1 ausdrückt: ,Die Ursache
der Ursachen und das Princip der Principien kann nur der
durch seine Anlage ausgezeichnete Prophet oder der durch
seinen Schatz an Erkenntniss hervorragende Denker anbeten;
die Uebrigen aber beten ein Anderes an, weil sie ein Seiendes
nur zusammengesetzt sich denken können'. Zum wahren Glauben
ist daher Erkenntniss unerlässlich und jeder ist verpflichtet 2 ,
die Wahrheiten des Glaubens mit seinen Verstandeskräften zu
prüfen und zu durchdringen. ,Wer die Forschung 3 unterlässt,
ist tadelnswerth und zählt zu denen, die im Erkennen und
Handeln nicht ihrer Pflicht genügen' (c. 3). Er gleicht dein
der Medicin kundigen Kranken, der blind seinem Arzte
traut, ohne die Richtigkeit seines Verfahrens zu prüfen. Das
1 Diesen Satz citirt auch Josef ibn Zadik in seinem ,Mikrokosmos‘ (S. 20):
■vnn toaj xbx mbyn nbr ns fDj>b bnv >6» D'BiDib’En nnx nin im 2
’ijfö was'’ xb dis '33 ixto 'ab inan ja ins* *u»X3 int epcib's ix lyaaa
33-iia xbx. Von Belang- bei dieser Anführung- ist nur der Umstand, dass
der Satz hier mit a'Bioib'Bn niax ,die Philosophen sagen 1 eingeleitet
wird, während er bei Bachja als Ausspruch des Philosophen auftritt,
unter dem man gewöhnlich den Aristoteles versteht. Die D'BiDib’sn
Josef ibn Zadiks sind aber, wie eine Vergleichung von Mikrokosmos
S. 19 mit Dieterici, Anthropologie S. 59 lehrt, die lauteren Brüder, denen
auch dieser Satz in der That entlehnt sein mag. Zum Gedanken vrgl.
die Anführung bei Josef ibn Zadik, Mikrok. S. 47, nach der nur
D'bBbisan D'öBnm an der Erkenntniss Gottes Theil haben.
2 Die nach dem Vorgänge der Mu’laziliten von Saadias (Emunotb, Ein
leitung S. 12) behandelte Frage, welchen Zweck die Offenbarung gehabt
habe, da ihre Lehren Ergebnisse der Speculation sind, bespricht Bachja
in der dritten Pforte c. 3 (S. 140—145), nur dass die Frage bei ihm
nicht in der scharfen Fassung gestellt ist, in der sie bei Saadias auf-
tritt. Vrgl. Schahr. H. I, 44, 51.
3 Auch im Kaläm scheint stets eine Begründung der Speculation den
Anfang gemacht zu haben, vrgl. Frankl a. a. O. S. 16, vrgl. auch Josef
ibn Zadik, Mikrok. S. 43.
Die Theologie des ßachja ibn Pakuda.
219
Streben nach speculativer Erkenntniss macht uns auch die
Schrift an zahlreichen Stellen zur Pflicht. ,So sagt sie z. B. (Deut.
4, 6): Beobachtet und übet, denn das ist eure Weisheit und
Einsicht in den Augen der Völker u. s. w. Nur dann aber
können die Völker den Rang der Weisheit und Einsicht uns
zuerkennen, wenn Gründe und Beweise und die Zeugnisse der
Speculation die Wahrheit unserer Lehre und die Verlässlich
keit unseres Glaubens bezeugen' 1 (c. 3).
So konnte also Bachja weder den landläufigen, noch den
von der Offenbarung gelehrten Gottesbegriff in seinem Werke
zur Voraussetzung nehmen, es muss dieser vielmehr auf specu-
lativem Wege erst gewonnen werden, und mit dieser ,Wurzel
und Grundlage der Religion', wie er (S. 38) den Gottesglauben
nennt, ist auch die Grundlage des Werkes gesichert. Denn nur
von dem speculativ errungenen Gottesglauben gilt das Wort
(S. 38): ,Dass es bei dem, der von ihm abgeht, weder eine
religiöse Handlung, noch einen Glauben von Bestand geben könne.'
Bachja ist so sehr von der Ueberzeugung und dem Vorsatz
durchdrungen, in streng philosophischer Weise den Gottes
glauben begründen und darstellen zu müssen, dass er in der
ersten Pforte von der für das ganze Buch gewählten Methode
abzugehen sich entschliesst. Hier wird ihn ,die Subtilität der
Untersuchung' dazu bestimmen, die in der Logik 2 und den
1 Auch Abraham ibn Daud knüpft an diesen Vers die Bemerkung-, dass
das Staunen der Völker auf die Uebereinstimmung der Glaubens
lehren Israels mit den Ergebnissen des angestrengtesten Denkens sich
beziehe, die diesem mühelos, ihuen aber erst nach jahrtausendelangen
Bemühungen seien zu Theil geworden (Emunah ramah ed. Weil S. 4).
2 So wird der Ausdruck 13111 1031 bei Bachja (Einleitung S. 28 u. 29)
gewöhnlich übersetzt und aufgefasst, vrgl. Cassel, Kusari, 2. Auf]. S. 407
Anm. 8 und Sclimiedl, Studien S. 136. Nach den Worten Bachjas
131110313 11PK navsl 1Ö3131 B1S1P1 13313 am Schlüsse der Einleitung
S. 36 scheint er diess auch zu bedeuten. Jedoch wird von den Ueber-
setzern gewöhnlich so der arabische Ausdruck f wiederge
geben, vrgl. Munk Guide I, 336 Anm., Cassel a. a. 0. Eine Uebersetzung’
für Mutakallimün scheint auch der Ausdruck “VD'Tn rifcSPT bei Josef
ibn Zadik, Mikr. S. 43 zu sein, wo die Bedeutung Logiker nur ironisch
durchklingen soll. Es fehlt auch nicht an Anhaltspunkten dafür, dass
dieser Ausdruck bei Bachja Kaläm oder Religionsphilosophie bedeutet,
in der die Dialektik (S. 28) eben zu Hause war, s. Gazzali pTJt ‘’DlNft
S. 171.
220
Kaufmann.
propädeutischen Wissenschaften üblichen strengen Beweise an
zuwenden, die er im übrigen Theile des Werkes zum Zwecke
der Verständlichkeit mit Absicht vermeidet (Einleitung S. 29).
Wir sind demnach berechtigt, eine philosophische Begrün
dung und Entwickelung der Lehre von Gott bei Bachja zu erwar
ten, dürfen aber den Gesichtspunkt niemals ausser Acht lassen,
dass er diese Aufgabe sich nur als Einleitung und Grundlage für
sein Werk, nicht aber als Selbstzweck vorsetzt. Er wollte kein
Wurzelbuch oder, wie wir es nennen, kein Compendium der
Religionsphilosophie in dieser ,Pforte über die Lehre von Gott'
geben, sie steht im engsten Zusammenhang mit den übrigen
Theilen des Buches und niemals darf bei ihrer Beurtheilung
vergessen werden, dass sie nur als Behandlung ,der wichtigsten
Wurzel und stärksten Grundlage' 1 aller Herzenspflichten eine
Stelle in dem Werke findet. Es ist auch in ihr, wie Bachja
(S. 32) von dem Ganzen sagt, nur darauf abgesehen, den Glauben
aus der Erkenntniss 2 nachzuweisen, ,die in unserem Verstände
eingesenkten Grundlehren der Religion hervorzuholen'; Meta
physik als solche dürfen wir darin nicht suchen. Auch eine
Sicherung 3 der Ergebnisse gegen alle möglichen und vorhan
denen Einwürfe ist nicht darin beabsichtigt, Polemik ist von
1 ob» sba bxn am' bnan piB'i p'bm jan® rnitswi sagt Bachja in der
Einleitung (S. 30).
2 Eine TTebereinstimmung zwischen Philosophie und Offenbarung, den bei
den Herren, wie Abraham ibn Daud bezeichnend sich ausdrückt, von
denen der eine gross und der zweite nicht klein ist (Emunah ramah
S. 82), war für Bachja selbstverständlich. Dieselbe ist aber auch von
den arabischen Philosophen behauptet worden, wie z. B. von Ibn Sina,
über dessen Ansicht von dem Verhältnisse jener beiden Ritter eine lehr
reiche Aeusserung beibringt (a. a. 0. VIII, 26): ,Die Gründer des Glau
bens, die Propheten hätten früher dasselbe ausgesprochen, was später die
Philosophen gelehrt hätten; jene hätten es nach ihrer Weise nur dunkler
und als Ergebniss ohne Beweis aufgestellt, damit es später erklärt und
mit Beweisen versehen werde*. Ueber die Ansichten der lauteren Brüder
in dieser Frage vrgl. Dieterici, Anthropologie S. 117.
3 Bei Gelegenheit seiner Aufzählung von dreissig Arten, in denen die Seele
mit sich Rechenschaft halten könne, bemerkt Bachja etwas, was bei der
Beurtheilung manches Punktes in seinem Werke nicht ausser Acht ge
lassen werden darf: TOTO “p“IÖ Njn “ISDn “pK' «b® D'iaia ’n'3in «bl
nnwbl “l'imb xm "l®X 13 ,Ich habe nicht viel Worte gemacht, damit
Die Theologie des Baclija ihn Pakuda.
221
vornherein, wie Baclija selbst erklärt (ib.), ausgeschlossen, wir
haben es eben in dieser ,Anleitung zu den Herzenspflichten'
mit einem Buche von vorwiegend praktischer Bestimmung und
entsprechendem Charakter zu thun. 1
Welchen Gang wird eine Untersuchung über Gott zu nehmen
haben? In jeder sonstigen Untersuchung, in der es sich um die
Erkenntniss eines Gegenstandes handelt, ist der Gang ein klar
vorgeschriebener. Es gilt dann, zuerst das Vorhandensein des
Gegenstandes, sein Dass oder Ob, wie der Schulausdruck lautet,
festzustellen. Ist so dieses Sein festgestellt, oder steht dieses bereits
anderweitig fest, so richtet sich die Untersuchung auf das Wesen,
das Was des Gegenstandes. Ist auch dieses erkannt, dann gilt
es, die Eigenschaften, die Merkmale, das Wie desselben zu erfor
schen. Und wenn nun auch dieses erforscht ist, bleibt endlich nur
noch nach dem Zweck zu fragen übrig, mit der Erkenntniss des
Wozu 1 ist die Untersuchung über den Gegenstand zum Ab
schluss gekommen. In der Untersuchung über Gott kann dieser
gewöhnliche Gang nicht eingehalten werden; mit der Erkennt-
das Buch nicht anschwelle und von meiner mich darin leitenden Absicht
abgehe, die nur im Aufmerksammachen und Hinweisen besteht' (VIII,
Ende von c. 3. S. 393). Bachja erklärt also ausdrücklich, an manchen
Stellen nicht mehr sagen zu wollen, mit Absicht nicht ausführlicher zu
werden, um dem Leser manches zur Ergänzung und zum Selbstdenken
anregend zu überlassen.
1 Diese vier Grundfragen jeder Untersuchung’, deren Nachweisung aus dem
Aristoteles Munk (Melanges S. 111 Anm.) bereits gegeben hat, werden
bei den jüdischen Religionsphilosophen häufig in der Darlegung ihrer
Lehre von Gott angewendet. So weit ans den spärlichen Fragmenten,
die wir von dem Werke David ihn Merwan Almokammez’ erhalten haben,
zu urtheilen ist, scheint dieser bereits jene in der bezeichneten Weise
benützt zu haben. Es geht dies daraus hervor, dass in den geretteten
zwei aufeinanderfolgenden Abschnitten eine Behandlung der infc nbxttf
und der ‘p’Xn gegeben wird. Diese scheinen eben zwei unserer
Grundfragen, nicht etwa zwei der zehn Kategorieen zu sein, die in ihrer
Unanwendbarkeit auf Gott übrigens, wenn auch nur flüchtig erwähnt
werden (Orient, 1847 Lb. S. 620 u. 642—643). Ueber die Anwendung,
die Gabirol von denselben gemacht hat, vrgl. Munk a. a. O. Erwähnt
sei nur noch, dass Gabirol auch in der ,Königskrone' darauf anspielt,
nur dass statt des HD das Wo pX als auf Gott unanwendbar dargestellt
wird. Eine Abweichung in diesen Fragen findet sich auch bei Josef ibn
Zadik (Mikrok. S. 47), wo statt des n&b das Wann |ÖT nrxn aufgeführt
erscheint. In der Darstellung dieser Fragen in Ibn feinas Logik wird
222
Kaufmann.
niss seines Daseins ist unserer Forschung' über ihn eine Grenze
gesetzt, die wir nicht überschreiten können 1 (c. 4).
Aufgabe der Untersuchung wird es daher nur sein, durch
Beweise das Dasein Gottes darzuthun. Daran schliesst sich natur-
gemäss die Frage, ob Ein Gott oder mehrere Götter angenommen
werden müssen, und an diese die andere Frage, in welcher Weise
von Gott Einheit auszusagen sei. Demgemäss bestimmt Bachja
die Reihenfolge 2 seiner Darstellung der Lehre von Gott fol-
hingegen die Frage nach dem Wie als weniger wesentlich und zu den
übrigen nur ,häufig hinzugefügt 4 behandelt. Er sagt: La..})
s. Schmölders Documenta Pt S. 40.
1 Wenn es auffällig erscheint, dass Bachja hier am Anfänge der Unter
suchung das vorwegnimmt, was ihr Ergehniss sein sollte, so hat man zu
beachten, einmal, dass er nur die Richtung der Untersuchung oder das,
was man von dieser zu erwarten habe, bezeichnen will und zu diesem
Zwecke etwas vorausschickt, was er später erst beweisen wird, ferner
aber, dass dieser Satz durch seine häufige Anwendung und seine Ge
läufigkeit hei den meisten Religionsphilosophen den Charakter einer un
bestreitbaren Voraussetzung angenommen hat. ,Nur dass Gott ist, können
wir wissen, aber was er ist, das ist uns durchaus verborgen 4 , so äussern
sich bereits Philo und Plotin, vrgl. Zeller, Phil, der Griech. III 2 2,
S. 309 und 551 Anm. 1. Schon David Almokammez (a. a. O. S. 620)
erwähnt diesen Satz, wenn er im Namen der DIHH den
Satz anführt 1HÖ DICH by blKü'b ’KWI Dl« ]’«, übrigens eine Fassung,
die der positiv lautenden Bachjas ganz ähnlich ist. Für diese uns allein
mögliche Aussage des Daseins oder des ,Dass l Gottes ist der arabische
Ausdruck aLol geprägt worden, dessen neuhebräische Nachbildung nur
bei Josef ibn Zadik durch (Mikrok. S. 47) versucht erscheint,
während er bei Gabirol von Ibn Falaquera mit !T3K '»D’IW
(Melanges f. 286), bei Maimonides von Samuel ibn Tibbon (Moreli I, 58)
mit fiW wiedergegeben wird. Dass Gabirol unserem Satze Aehnliches
behauptet, s. bei Munk a. a. O. S. 111 A. 1. Josef ibn Zadik (a. a. 0.)
führt ihn wie Bachja in positiver Fassung an: px im b'z nby «in bs«
fllB'« by n-rpnn X’H nxn «in DX X^X J^Xl». Auch Maimonides bedient
sich dieses Satzes in ähnlicher Wendung-, wie Philo und Plotiu. Vrgl.
Munk, Guide (I. 58 S. 241, 2).
2 Diese Anordnung in der Entwickelung seiner Lehre von Gott hat man
stets im Auge, wenn man von dem kalamistischen Charakter der Ke-
ligionsphilosophie Bachjas redet. Diese Behauptung stützt sicli auf die
Angabe des Maimonides (Guide I, 71 S. 346), dass man es als ein
dem Kaläm bei allen Anhängern und Nachahmern gemeinsames Kriterium
ansehen könne, ob zuerst die Geschaffenlieit der Welt und dann durch
Die Theologie des Bacbja ihn Pakuda.
223
gendermassen: ,Wir haben zuerst zu erforschen, ob diese Welt
einen Schöpfer hat oder nicht. Wenn es erwiesen ist, dass die
Welt einen Schöpfer hat, der sie hervorgerufen und geschaffen,
müssen wir erforschen, ob es Einer sei oder mehr als Einer.
Wenn es erwiesen ist, dass es Einer, dann müssen wir das
Wesen der relativen und absoluten Einheit und, was davon
dem Schöpfer zuzuschreiben sei, erforschen* (c. 4). Der Lauf
der Darstellung ist somit klar vorgezeichnet.
Bachja’s Lelu-e von der Weltschöpfung.
Der Ausgangspunkt aller Speculation über Dasein und
Wesen Gottes war in der rationalen Theologie, im Kaläin der
Araber der Nachweis einer Weltschöpfung. Auf diesen Nach'
weis haben alle Mutakallimün so wie die ihrer Methode folgen
den jüdischen Religionsphilosophen das Hauptgewicht gelegt.
Daher sehen wir denn auch Bachja, um diesen Punkt zum mög
lichsten Grade der Gewissheit zu erheben, in seiner Erweisung
jener nach allgemeiner Annahme zu unumstösslicher Sicherheit
hinführenden Methode sich bedienen, die in den propädeutischen
Wissenschaften, vornehmlich in der Mathematik angewendet
wird und die aus dem Euklid her ihm geläufig war, die Methode,
mit Hülfe unanfechtbarer Prämissen einen bindenden Beweis
herzustellen. Die Annahme einer Weltschöpfung und eines
Schöpfers gründet sich auf drei Prämissen: I. Kein Ding schafft
sich selbst; II. die Ursachen gehen nicht ins Unendliche, es
diese das Dasein Gottes bewiesen werde. Die Voranstellung der Beweise
für die Weltschöpfung entscheidet den kalamistischen Charakter des be
treffenden Denkers. Man kann freilich dem Kalam die Methode entlehnen
und braucht darum noch nicht, Mutakallim zu sein. Und so ist es wohl
auch bei Bachja. Der Gang des Kaläms ist nach Maimonides (a. a. O.)
folgender: I. Weltschöpfung. II. Dasein Gottes. III. Einheit. IV. Unkör
perlichkeit Gottes. In der That ist dies auch die Reihenfolge, in der
die Darstellung des Kaläms von Jehuda Halewi gegeben wird (Kusari,
V, 18). Auch Bachja hat sich, wie man sieht, dieselbe Reihenfolge vor
gesetzt, nur dass er die Unkörperlichkeit Gottes gar nicht, als Haupt
punkt der Untersuchung aufführt. Auf die Gründe, die ihn dazu bewogen
haben mochten, die Behandlung gerade dieses Gegenstandes zu unter
lassen, kann erst am geeigneten Orte eingegangen werden
224
Kaufmann.
muss also eine erste Ursache gelben; III. alles Zusammen
gesetzte ist geschaffen. Von der Sicherheit jeder dieser Prä
missen hängt die Kraft des Beweises ab, es gilt also zuvor,
jene als sicher nachzuweisen.
I. Alles Entstandene kann nur entweder durch sich selbst
oder durch ein anderes entstanden sein. Setzen wir den Fall,
es sei durch sich selbst entstanden, so musste es zur Zeit, da
es sich schuf, entweder bereits existiren oder nicht existiren.
Hatte es aber bereits existirt, dann brauchte es nicht mehr zu
entstehen, war es schon vorhanden. Hatte es hingegen nicht
existirt, war es also nichts, 1 dann kann von einem Nichtthun
oder Thun nicht mehr die Rede sein, denn das Nichtseiende
schafft nichts. Ein Ding kann also unmöglich sich selbst ge
macht haben Somit steht die erste Prämisse 2 fest.
II. Besondere Sorgfalt erfordert der Nachweis der zweiten
Prämisse, die neben ihrer grossen Wichtigkeit als Grundlage
1 ES1N1 BEN rrn rUB (S. 48) lautet der Nachsatz in neueren Ausgaben.
Weder die Annahme des Commentars masbn nuö von dem potentiellen und
actuellen, also den zwei Arten des Nichts, noch die Lehre Schraiedls
(Studien S. 106, 107) von dem ,doppelten Nichts 4 oder dem das
Nichts der Materie erzeugenden Nichts, wie er die Stelle zu über
setzen offenbar gezwungen wäre, vermögen die Worte BB1N1 ESN sachlich
oder philologisch zu rechtfertigen. Die Venetianer Ausgabe hat ESN allein.
In der That scheint das Wort ES1N1 durch Dittographie des den folgen
den Satz einleitenden Wortes ESNm in unseren Text sich mit Unrecht
eingeschlichen zu haben.
2 Der Beweis für diese Prämisse ist dem zweiten Beweise des Saadias für
den gleichen Satz völlig entlehnt (Emunoth I, 2, S. 20), vrgl. Schmiedl
a. a. O. S. 106. Auch Maimonides bedient sich dieses Satzes, um die
Annahme eines Schöpfers zu. beweisen, aber bei ihm bedarf es nicht erst
eines Nachweises, ,ist es vielmehr ein Gemeinbegriff, dass ein Geschaffenes
sich nicht selber schafft, sondern sein Schöpfer ausser ihm ist 4 (Guide I,
c. 71 f. 97 a S. 349) ^
x'<(\. <o Diese Fassung der Prämisse ist die allgemeinere,
wie sie für den Beweis eines Schöpfers geeignet ist. Beschränkter lautet
die Fassung, wie sie zur Annahme eines ersten Bewegers hinleitet. Sie
ist es, die bei Albo (Ikkarim II, 4) behandelt wird und nicht jene
allgemeine des Saadias und Bachja. Fälschlich wird daher von den
Commentatoren zu der angeführten Stelle des Saadias auf jene Behand
lung bei Albo wie auf eine Analogie hingewiesen, was sie ebenso wenig
ist, wie ihre Quelle, die achtzehnte Proposition des Maimonides (Moreh II)*
Die Theologie des Bach ja ibn Pakuda
225
des angestrebten Beweises auch noch dadurch zu eingehender
Erörterung Veranlassung bot, dass sie wie das ganze Problem
des Unendlichen überhaupt in den Schulen der Araber den
Gegenstand der angestrengtesten Untersuchungen bildete. Wir
sehen Bachja daher auf sie gerade mit besonderer Gründlich
keit und Ausführlichkeit eingehen.
a. Alles Anfangslose, das gilt als Gemeinbegriff, ist endlos.
Was also ein Ende hat, das muss einen Anfang 1 gehabt haben,
denn wenn es keinen gehabt hätte, wäre es unmöglich, über
haupt zu einem bestimmten Punkte desselben zu gelangen, weil
ja vor diesem ein unendlicher Weg zurückgelegt worden sein
müsste. 2 Wo es ein Letztes gibt, da muss es ein Erstes, vor
dem kein früheres Erstes, und einen Anfang geben, vor dem
kein anderer Anfang bestand. 3 Sowie wir also in der Welt auf
1 ,Dass Anfang und Endlosigkeit,, Ende und Anfangslosigkeit sich aus-
schliessen 4 , ist auch der Grundgedanke eines Beweises bei Aristoteles
(de coelo I c. 12). Vrgl. Zellers Darstellung, Phil. d. Gr. II 2 , 2, S. 270, A. 2.
2 Der Grundgedanke dieses Beweises, dass es nämlich bei Unendlichkeit
der Ursachen oder der Zeit keine bestimmte Grenze geben könnte, weil
die Ursachen oder die Zeit vor Erreichung derselben einen unendlichen
Weg durchlaufen haben müssten |W “D“D V'Xb ItPSX ’KI» ’JfiÖ
ibaN tnxn "inarif bm b« nbnn (ib.), ist dem vierten Beweise des Saadias
für die Geschaffenheit der Welt entlehnt (Emunoth I, 1, S. 19). Wo es
einen terminus ad quem gibt, muss es einen terminus a quo geben, wo
es einen Punkt gibt, von dem aus zurückgesclilossen werden kann, muss
es einen Anfang geben, weil sonst, um es saadianisch auszudrücken, das
Sein nicht bis auf jenen herabgelangt sein könnte. Dass dieser Gedanke
dem Kaläm angehört, kann man klar an der scharfen Darstellung er
kennen, die ihm im Kusari V, 18 gegeben ist, vrgl. Cassel a. a. 0. S. 409,
Anm. 3. In der Annahme, unendliche Ursachen in der Wirklichkeit
seien unmöglich, stimmten der Kaläm und die Aristoteliker mit einander
überein, vrgl. Maimonides (Guide I, 73, 11, S. 414 und II, S. 6, Anm. 1).
3 In dom Beitrage zur Texteskritik des Choboth, den die Schrift "Fl “I3D
JTD3 1 ? (Wien 1872) liefert, findet sich (S. 4) die Angabe, dass hier,
wie das arabische Original beweist, eine ganze Zeile fehle. Docii kann
der arabische Text diese klare Stelle nur verdunkeln, da das durcii
die vielen gleichen Ausdrücke dieser Stelle irre gewordene Auge
des Abschreibers liier die in der Uebersetzung mit Recht fehlenden
Worte fälschlich hierhergezogen zu haben scheint. Die darauffolgenden
Worte jribnn 1 ? n’bsn ’baa mbnnn pK '3 sind nicht als Begründung zu
übersetzen, wie dies Baumgarten tliut, denn sie begründen nichts. Sie
Sitzuugsber. d. pliil.-liist. CI. LXXV1I. Bd. I. Ult. lö
■IIIIW Uli mini
226 Kaufmann.
eine Ursache für dieselbe stossen, an 'die wir zunächst lins
halten können, so wissen wir damit, dass es ein Urerstes, eine
Urursache gegeben haben muss. Die Ursachen sind eben nicht
unendlich (ib.)
b. Während der vorangehende Beweis dieser Prämisse
auf dem Widerspruche beruht, der zwischen der Annahme eines
Unendlichen und eines im demselben vorhandenen Punktes be
steht, auf der Unmöglichkeit also des Vorhandenseins von Ende
und Anfangslosigkeit an einem und demselben Gegenstände,
geht Bachja nunmehr daran, den Widerspruch nachzuweisen,
der aus dem Vorhandensein eines Theiles im Unendlichen sich
ergibt. Schon in dem Begriffe: Theil eines Unendlichen liegt
ein Widerspruch. Was ist ein Theil? ,Ein Theil, sagt Euklid
(Elemente V, 1 Erkl. und VII, 3), ist eine Grösse von der
anderen, die kleinere von der grösseren, wenn sie die grössere
genau misset.' Der Theil setzt also ein in Grenzen gefasstes
Ganzes voraus, das sich eben aus Theilen zusammensetzt, das
Unendliche aber ist unbegrenzt und darum kein Ganzes. 1 Noch
schärfer erweist sich der Widerspruch bei der Annahme eines
concreten 2 Unendlichen. Trennen 3 wir nämlich ein Stück von
gehören vielmehr entweder als Resultat zu dem vorangehenden JHJ oder
sind nach bewiesener Behauptung als Schlusssatz des Beweises, wie es
Bachjas Art ist, abschliessend ans Ende gestellt.
1 Auch der Grundgedanke dieses Beweises, dass nämlich der Theil auf
ein Ganzes scliliessen lasse, das Unendliche aber ein solches gar nicht
habe, ist ein kalamistischer. So heisst es in der Darlegung des Kaläms
bei Jehuda Halewi J'KV • * * ’RSDÜ “py «bl» ♦♦ '2tR 1 b pX fl'bsn lb pW ™
Dip fPbOR 1 b pxi£> RÖ2 (Cusari y, IS, S. 410). Ebenso sagt Mose ben
Esra: pibnn ’3 ba xbi njtp «bi ’im xbi pib'n ib px rpbbn lb px» na bai
“liann Rytöö an bam nstpm wni- Hier (Zion II. S. 136) wird sogar
ganz ausdrücklich gesagt, dass das Unendliche kein Ganzes habe.
2 Dass hier Bachja in der That die Absurdität der Annahme eines Unend
lichen zuerst allgemein und begrifflich, dann concret und rechnend nach-
weisen will, erkennen wir am Deutlichsten daraus, dass er (S. 49) im
letzteren Theile dieses Beweises von einem btflÖD )b pKtP spricht.
3 Dieser Beweis wird gewöhnlich dem Ihn Sina zugeschrieben, vrgl. Munk
(Guide II, S. 4, Anm.). Wenn er auch in der Darstellung hei Schahrastam
(H. II, 295, 296) so lautet, dass bei der Annahme, der Rest sei unend
lich, Rest und Ganzes gleich sein müssten, was unmöglich sei, so ist m
der That der Beweis bei Bachja dennoch derselbe. Nur enthält dieser
die letztere Hälfte des Beweises, der nach seiner ausführlichen, dem Ihn
Die Theologie dee Baclija ihn Paknda.
227
demselben ab, so muss der Rest entweder unendlich oder endlich
sein. Ist er unendlich, als Rest aber natürlich kleiner als das
Ganze, so muss es Unendliche von verschiedener Grösse geben,
was nicht möglich ist. Ist er aber endlich, so entsteht durch
Ansetzung des abgetrennten Stückes nothwendig Endliches,
während doch das Ganze früher, da es noch nicht getheilt war,
unendlich gewesen. Nun kann aber ein und dasselbe Ding nicht
endlich und unendlich zugleich sein. Man kann also vom Unend
lichen keinen Theil abtrennen, da Alles, was einen Theil hat,
unzweifelhaft ein Ende haben muss. 1
Sina, wie es scheint, getreu nachgeschriebenen Darstellung bei Abraham
ibn Daud (Emunah ramah S. 15—16) vollständig so gelautet hat: An
genommen, der durch Abtrennung eines Stückes von einem Unendlichen
übrig bleibende Rest sei unendlich, müssten Rest und Ganzes gleich sein.
Das gellt nicht, es muss also der Rest kürzer sein. Wäre er nun trotz
dem unendlich, so müsste ein Unendliches kürzer sein können, als das
Andere, was unmöglich ist. Ist er aber endlich, so muss er in Verbin
dung mit dem abgetrennten Stücke ein endliches Ganzes ergeben, was
der Annahme widerspricht. Baclija nun hat nur den letzteren Theil des
Beweises aufgenommen, da der erstere ziemlich selbstverständlich ist.
Aus der Darstellung Abraham ibn Dauds erkennen wir aber auch,
dass die Worte: sLültf Jv-obili bei Schahrastani (II, 403), die man in
sLüJo j * f zu verwandeln sicli leicht versucht fühlt, wie sie auch Munk
in der Erklärung dieser Stelle (Guide II, S. 5, Anm.) gefasst zu haben
scheint, schärfer als bei Haarbrücker so übersetzt werden müssen (a. a.
O. S. 296): ,So muss also das Ursprüngliche endlich gewesen sein 1 , weil
eben die Annahme des Unendlichen sich als absurd erwies. Und dennoch
musste Baclija dieser Beweis nicht aus dem Ibn Sina gerade bekannt sein,
er konnte ihm vielmehr, und diese Annahme erweist sich als die wahr
scheinlichere, aus dem Kaläm sehr geläufig sein. Maimonides (Guide I,
c. 74, S. 436, 2) berichtet ausdrücklich, die Mutakallimün hätten ihre Be
weise gegen die Annahme von der Weltewigkeit mit Vorliebe so gewandt,
dass aus jener Annahme eine Unendlichkeit grösser als die andere sich
ergab: XjLgj bi Lo ^1/JCrAil ItX-gJ
(ib. f. 122 a) jüLgj bl AXl, was sich auffällig mit den Worten
Bachjas vergleicht: tVb'Sn b |'KW “D"IÖ bHJ IV^n lb J'K» 131 fi'IT.
Vrgl. auch Cusari V, 18 (S. 410, Anm. 1).
1 Wie unrichtig Baumgarten (S. 21) diese Stelle aufgefassthat, zeigt sich daraus,
dass er die Worte pbP! n' l »n lb J’KB rtÖÖ »nsnb piT’ «bl als Be-
griindung auffasst. Sie sind aber eben wieder nichts als eine Zusammen
fassung des Ergebnisses, wie sie Baclija stets zu geben liebt.
15*
228
Kaufmann.
Nun können wir aber von den in der Welt jemals ins
Dasein getretenen Individuen einen Theil abgrenzen und heraus
heben, z. B. die Individuen aus der Zeit von Noah bis Mose,
haben also somit einen begrenzten Theil dieser als unendlich
angenommenen Welt, es muss also diese Welt einen Anfang
haben, ihre Ursachen 1 können nicht ins Unendliche zurück
gehen. Eine unendliche Reihe von Ursachen ist somit unmöglich,
es muss eine Urursache geben.
III. Ein Zusammengesetztes muss unzweifelhaft aus mehr
als aus Einem Dinge bestehen. Die Dinge nun, aus denen es
zusammengesetzt ist, müssen der Natur oder dem Wesen nach
demselben vorangegangen sein, die es zusammensetzende Ur-
1 Gegen diese Schlusswendung des Beweises durften einige gegründete
Bedenken sich erheben lassen. Man möchte sich versucht fühlen, hier
anzunehmen, Bachja habe hier den Grundsatz des ersten Saadianischen Be
weises für die Weltschöpfung (Emunoth I, 1 S. 16), die Begrenztheit
der Welt, ihre Endlichkeit lasse auf eine begrenzte, sie verursachende
Kraft schliessen, anwenden wollen; aber wie folgt aus der Endlichkeit der
Individuen noch die Endlichkeit der Welt? Doch scheint mir hier Bachja
Folgendes haben sagen zu wollen: Wäre die Zeit unendlich, also auch
(s.KusariV, 18, Anfang,S. 409) die Zahl der in ihr entstandenen Individuen,
so gäbe es also von Noah rückwärts unendliche Individuen, von Mose ab
ebenso, oder aber die letztere Unendlichkeit würde die erstere um die Ge
schlechter von Noah bis Mose übertreffen. Wir hätten hier also die
Belegung durch ein Beispiel für den allgemeinen Satz und Grundgedanken
des ganzen Beweises, dass die Welt, sobald ein Theil, eine bestimmte Zeit
dauer derselben bekannt sei, nicht von Unendlichkeit her bestehen könne.
Dass aber Bachjas Beispiel in der Thal zu denen gehört, an denen der
Kaläm die Absurdität der Annahme eines Unendlichen und der Weltewigkeit
anschaulich zu machen pflegte, lehrt uns Maimonidcs (Guide I, 74
S. 435, 436). Zu solchen Beispielen wurde entweder eine Gattung von
Individuen oder die Reihe der Sphärenumläufe verwendet. Diese letzteren
wurden auch noch in anderer Weise als Beispiel verwerthet. Da es
Sphären von grösserer und kleinerer Umlaufsgeschwindigkeit gibt, beide
aber nach der Annahme der Weltewigkeit unendlich rotiren, so müsste
es Unendlichkeiten geben, von denen die eine in der anderen so und so
vielmal enthalten wäre. In dieser Fassung führt Jehuda Halewi dieses
Beispiel des Kaläms an (Kusari V, 18, S. 410). In vollständigster Aus
führlichkeit benutzt Levi ben Gerson dieses Beispiel, um dadurch die
Annahme von der Ewigkeit der Zeit zu widerlegen. (Milchamot Haschern
VI, 1 c. 11; ed. Leipzig S. 341).
Die Theologie des Bachja ibn Pakuda.
229
Sache dem Wesen und der Zeit 1 nach. So hat also jedes Zu
sammengesetzte eine Ursache und einen Anfang', kann demnach
nicht ewig sein. Denn das Ewige ist das Ursach- und Anfangs
und darum auch Endlose. Das Zusammengesetzte muss also,
da es nicht ewig ist und ein Ding nur entweder ewig oder
geschaffen sein kann, nothwendig geschaffen 2 sein. Somit sind
die drei 3 Prämissen bewiesen.
1 Warum Bachja bei der Ursache der Zusammensetzung; das Vorangehen
,der Natur und der Zeit nach 1 rPJÖläl D’Jttt Hülpn betont, wird sofort
klar, wenn man Folgendes sieh gegenwärtig hält. Die späteren arabischen
Aristoteliker haben mit Aristoteles eine ewige Materie angenommen und
Gottes Schöpfung nur darin gesehen, dass durch ihn die von Ewigkeit
her mit der Materie der Möglichkeit nacli verbundene Form in die Wirk
lichkeit hervorgezogen wurde. Gott und Welt waren also zeitlich gleich
ewig, nur ist Gott begrifflich das Frühere (vrgl. darüber Schmölders
Documenta S. 94). Ich sage: Die späteren arabischen Aristoteliker, denn
dass Alfarabi bereits die Ewigkeit der Materie angenommen habe, wie
Schmölders a. a. O. S. 114 behauptet, lässt sich wenigstens aus dem uns
Vorliegenden nicht erweisen, was schon Ritter (Gesch. der Ph. VIII, S. 8,
Anm. 2) gegen Schmölders geltend gemacht hat. Besonders deutlich
spricht sich über die gleiche Ewigkeit Gottes und der Welt Ibn Tophail
aus, der zwar viel später als Bachja lebend uns die Ansicht seiner Vor
gänger erkennen lässt. Die Weltschöpfung ist ihm nur dem Wesen nach
später als der Schöpfer, aber nicht der Zeit nach icjIcVJIj XÄÄ
jjUJLj S^U-o oöb" jjlj, wie die Bewegung eines durch
die Hand bewegten Gegenstandes später ist als die der Hand, wenn sie
auch gleichzeitig sind (s. Philosophus autodidactus ed. Pococke S. 114).
Um solchen Annahmen entgegenzutreten, betont Bachja in dem Beweise für
die Geschaffenheit der Welt das zeitliche Prius Gottes.
2 Aus der Zusammensetzung beweist auch Alfarabi die Geschaffenheit der
Welt. Vrgl. den Beweis in den Fontes quaestionum bei Schmölders a.
a. O. S. 44 und Ritter a. a. O. S. 5.
3 Die Reihenfolge der drei Prämissen hätte die umgekehrte sein müssen,
da es zuerst feststehen muss, ob ein Ding geschahen ist, ehe in die
Frage eingeg’angen wird, wer es geschahen. Indessen lässt sie auch so
aus der genetisch entwickelnden Darstellungsweise Bachjas sich begreifen.
Der Gedankengang ist der folgende: Kein Ding macht sich selbst, es
muss also von einem Anderen gemacht sein. Nun kann aber dieses
Andere nicht wieder von einem Anderen und so ins Unendliche gemacht
sein, eine unendliche Reihe von Ursachen gibt es eben nicht. Dass es
aber überhaupt gemacht sein muss. unterliegt seiner Zusammensetzung
zu Folge keinem Zweifel. Man muss in der Tliat zugeben, dass die
Möglichkeit, es könne ein Ding wohl auch gar nicht gemacht sein, für
230
Iv a u f man n.
Mit Hülfe dieser Prämissen lässt die Behauptung- einer
Weltschöpfung sich leicht beweisen. Betrachten wir nämlich
die Welt, so linden wir sie durchaus wohlgefügt und zusammen
gesetzt. Wohlgefügt und geordnet erweist sich jeder ihrer
Theile (c. 6), sie selbst erscheint uns wie ein wohleingerichtetes
Haus, dessen Decke der Himmel, dessen Boden die Erde, dessen
Lampen die Sterne. In ihm sind alle Dinge, jedes nach seiner
Bestimmung aufgespeichert und der Mensch schaltet darin wie
ein Hausherr. Zu seinem Nutzen ist das Pflanzenreich bestimmt,
seinem Vortheil dient die Thierwelt. Die Sonne, die Tag und
Nacht heraufführt und den Gang der Jahreszeiten regelt, die
Sphären mit ihren verschiedenen Umlaufsgeschwindigkeiten,
der Sterne und Planeten wohlgeordnete Leitung und unverrück
barer Lauf, in ihnen allen zeigt sich die weise Zusammenfügung,
die durchweg auf das Wohl der Menschen abgesehen ist. Aber
auch als durchaus zusammengesetzt, aus verschiedenen Bestand
teilen zusammengesetzt erweist sich die Welt. Betrachten wir
die verschiedenen Naturreiche, 1 so linden wir sie aus den vier
Elementen, aus Feuer, Luft, Wasser, Erde zusammengesetzt.
Diese Elemente, da sie mit entgegengesetzten 2 Naturen aus
gerüstet sind, vermögen wir selbst niemals zu einem dauernden
Gebilde zu vereinigen, nur die Verbindungen, zu denen die
Natur sie verbindet, sind von Dauer und Bestand. Es gibt in
der Welt nichts, das nicht aus jenen zusammengesetzt wäre,
oder aus einem derselben bestünde. Zwar hat Aristoteles gelehrt,
das philosophische Denken in erster, für die einfache Betrachtung aber
in letzter Reihe sieh erhebt. In der Benützung der Prämissen befolgt
übrigens Bach ja den umgekehrten Weg.
1 In den Ausgaben steht nur D'TI ’bysi D'naS (S. 5ü). Vielleicht muss
das Mineralreich D’XEp ergänzt werden, da es im zweiten Einhoits-
beweisc (c. 7; S. 50) an der Spitze der drei Reiche vorkommt.
2 ,Jeder Vernünftige, sagen in gleichem Sinne bei der Betrachtung der
Pflanzenwelt die lauteren Brüder, wird .... klar einsehen und noth-
weudig zur Erkenntniss kommen, dass Alles von einem weisen Schöpfer
herstammt; denn seine Vernunft sagt es ihm, dass die vier Elemente, die
mit einander entgegenstehenden Kräften und mit einander meidenden
Naturen ausgerüstet sind, sieh weder vereinen noch zusammensetzen
lassen, aucli dieselben in den vorher erwähnten Eigenschaften sich nur
dem Zweck eines weisen Künstler gemäss vorfinden' (Dieterici, Natur
anschauung S. 163). Bachja hat diesen Gedanken offenbar hier entlehnt.
Die Theologie des Bachja ilm Paknda.
231
die Himmelssphäre bestehe aus einem nicht zu den vier Ele
menten Gehörigen, einer fünften Essenz, dagegen haben aber
andere Philosophen die Ansicht ausgesprochen, dass Sphären,
Sterne und Planeten 1 dem Feuerelement - angehören, was auch
durch die Schrift seine Bestätigung findet (Ps. 104, 4).
So ist alles Bestehende 3 entweder aus diesen Elementen
zusammengesetzt oder aus denselben entstanden. Da diese aber
1 ü’irbjn n’Bfxn (S. 5*2). Schon der Zusammenhang der Stelle ergibt,
dass hier von ,liöhern Wesen 1 (Baumgarten) oder ,Engeln“. (Sehmiedl, Stu
dien S. 79) nicht die Bede ist. Der Ausdruck, der allerdings eine astro
logische Färbung trägt, bedeutet nach Analogie des arabischen *v.l
in Verbindung mit .obere“ oder ,himmlische“: Planeten. Vrgl. darüber
Steinschneider Al-Farabi S. 76 A. 7.
Was Bachja mit dieser scheinbaren Abschweifung über die Quintessenz
des Himmels hat sagen wollen, wird erst recht klar aus einer über
raschenden Analogie bei Aliron ben Elia, der ausdrücklich sagt: abiyn
mixi nana aana xi™ 'jan arm xin ibbm (Ez Chajim c. io s. 29.)
Um diese seine Behauptung von der durchgängigen Zusammensetzung
des Weltalls aus Form und Stoff durchzuführen, muss Ahron ben Elia
dieselbe auch für den Himmel beweisen und hat sich deshalb liier mit
den gegenteiligen Ansichten des Aristoteles und Averroes, die den Him
mel für nicht zusammengesetzt erklären, auseinanderzusetzen, die er auch
gründlich schon aus der Thatsache, dass der Himmel Dimensionen habe
und in der Idee getheilt werden kann, widerlegt. Weniger ausführlich,
aber mit grösserer Schärfe spricht bereits Abraham ihn Daud, der strenge
Aristoteliker denselben Gedanken aus DU pmfiBm mpamm® mXl
HIIXI “iain anr IT 1 n:n yj D'ö» (Emunah ramah S. 10). Diese Annahmen
von der Theilbarkeit des Himmels wurden von den Philosophen
freilich als falsche Analogie, die vom Vergänglichen auf das Unver
gängliche schliessen will, und kalamistischer Irrthum angesehen, wie
Maimönides sagt (Guide I, 76; S. 452, 3). Gegen die Annahme des
Aristoteles vom Aether (vrgl. Zeller a. a. O. II-, 2, S. 331, 332, Munk
a. a. O. I, 247, 3) lässt Plotin den ,Himmel sammt den Gestirnen“ aus
dem Licht, dem nichtirdischen Feuerelement bestehen, vrgl. Zeller a. a.
0. III 2 , 22. S. 506, 3. Nach Mose ben Esra (Zion II, S. 158) waren es
Plato und der arabische Arzt und Denker Bazi, die das Bestehen der
Sphären aus dem Feuerelement behaupteten. Aehnlich wie Bachja fügt
Mose ben Esra hinzu: (ib.) V'TP! DJH XVI 111- Vrgl. auch die Ansicht der
lauteren Brüder, Dieterici, Anthropologie S. 163.
» Die Wichtigkeit der Stelle (c. 6; S. 52) fordert zu einer kritischen Prüfung
unseres Textes gleichsam heraus. Um die Sicherheit unserer Lesearten einer
seits, die Treue der Uebersetzung andererseits für diese Stelle zu erweisen,
will ich den Wortlaut des arabischen Originals nach den Codices von Oxford
232
Kaufmann.
ihrer Natur nach eine Verbindung' mit einander nicht eingehen,
so ist von selbst klar, dass die Ursache ihrer Zusammensetzung
ausser ihnen liegen und sie wider ihre Natur zur Vereinigung
gezwungen haben muss. Gott ist es, der sie so weise verknüpft
und so stark verbunden hat. Aber diese vier Elemente sind
nicht etwa selber einfach, auch sie sind zusammengesetzt, und
zwar aus Stoff und Form, d. i. 1 Substanz und Äccidenz. Ihr
und Paris hierliersetzen. Ich lasse die Stelle da beginnen, wo die Ansicht
der Philosophen über die Natur der Sphären aus der Schrift bestätigt wird:
vlUö A+it I A4.J Jli’ ^xi Jys klä 5 JoJi> viLL.
UulDyy^t oölS - ! j»li JLs Ur l~> kAiulo
Lgj| LuJ-e.» Lg.A/0 ojli U^/o. ^oUsJI ^yo
Oax+J ijöju 3oLö_*J LgjijL.ia.j ciaAILs Lgj'IJj ^.j.Ä+3 ^
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&ALwl^ äiLfcl J» Die Codices stimmen liier überein, nur hat der
Pariser folgende Abweichung: kA-clAI ^J. isotjü I t g lülLo Lol
& <J;^I ya.A*Jli Iy&yy Lol LgöN^-ASO. k*j^ JI yaÜaLI
ÜyyaJ\ Lot» Lgj'il^xSOj Lyjt>Loj iuuipll yso\s. xJI J-öl
Möglich, dass Bachja in der ersten lOdition, die nach Munks Vermuthung
(Notice sur Saadia S. 45 Anin.) der Pariser Codex enthalten soll, von
dem Urstoff als von dem ersten Elemente (~00)~0'J CTGiyetov vrgl. Zeller
a. a. 0. II 2 , 2 S. 332, G), der Wurzel der vier anderen gesprochen hat.
1 Diese Behauptung, dass der Stoff die Substanz der Dinge sei, ist durch
aus nicht im Sinne des Aristoteles, der die Form ausdrücklich als Sub
stanz bezeichnet, wenn er auch der Materie, als der Unterlage alles
Seins, ,diesen Namen auch nicht ganz abzusprechen* wagt, vrgl. über
diese ,Schwierigkeit' Zeller a. a. 0. 269, 200. Josef ihn Zadik (Mikrok.
Die Theologie des Bachja ihn Paknda.
233
Stoff ist der Urstoff, der Träger und die Materie der vier Ele
mente, ihre Form die allgemeine Urform, die Wurzel aller
substantiellen und aller accidentellen Form, als da sind: Wärme,
Kälte, Feuchtigkeit und Trockenheit, Schwere und Leichtigkeit,
Bewegung und Ruhe und dergleichen mehr. 1 Aus dieser in
S. 9) gibt den Unterschied zwischen “Ifcin und dahin an, dass der
Stoff potentiell die Substanz enthalte, diese also geformter Stoff sei. Nur
bei den lauteren Brüdern findet sich noch dieselbe Identification von
Stoff und Form mit Substanz und Accidenz wie bei Bachja: ,ein Accidens
oder eine Substanz, eine Materie oder eine Form' (Dieterici, Naturan
schauung S. 13), nur scheint bei ihnen das Accidens auf die Seite der
Materie zu fallen. Vielleicht lässt Bachjas scheinbar überflüssige Be
merkung sich dahin verstehen, dass hier eine Ineinssetzung der kalami-
stischen Principien von Substanz und Accidenz und der Aristotelischen
von Stoff und Form beabsichtigt sei. In der That entspricht die Sub
stanz der Mutakallimün als ,das Form- und Bestimmungslose . ., das
Weder-Noch aller Gegensätze und Bestimmungen' dem Stoff des Aristoteles
und was bei ihm die Form ist, ,das Ganze der Eigenschaften, welche
dieser [der Stoff] nicht hat, aber anzunehmen fähig ist' (Zeller a. a. 0.
*2-11), ist ihnen das alle Formen der Gestaltung in sich begreifende
Accidens. Der Kaläm selbst verwarf die Stoff-Formtheorie des Aristoteles,
vrgl. Guide I, 73, 8, S. 398, 1 und I, 76, S. 451, 1.
1 Die Quelle für diese ganze Auseinandersetzung würde man vergeblich
im Aristoteles suchen. Allenfalls Hesse sich noch die Zusammensetzung
der Elemente aus Stoff und Form bei demselben nachweisen. Herr
Prof. Zeller hatte die Güte, mir hierüber Folgendes mitzutheilen: ,Dass
die Elemente aus Form und Stoff zusammengesetzt seien, sagt Aristoteles
zwar meines Erinnerns niemals mit diesen Worten; aber der Sache nach
sagt er es allerdings, wenn er dieselben dadurch entstehen lässt, dass
die Materie (die Tupwr/] YXtj) die aus den ursprünglichsten Gegensätzen
sich ergebenden Qualitäten annimmt (Ph. d. Gr. II 2 , 2, 244, 1; 334 ff.),
denn diese Qualitäten sind die e'tov), durch deren Eintreten in den Stoff
dieser zu bestimmten Stoffen wird'. Eine Entstehung aus Form und
Stoff als einmal getrennten Substanzen ist aber sicherlich nicht im Sinne
des Aristoteles, der Stoff und Form sich stets zusammen denkt, vrgl.
Zeller a. a. 0. 243. Auch Ihn Sina sagt: ,Es ist erwiesen, dass die
Materie von der Form niemals entblösst ist und dass der Unterschied
(richtiger: die Trennung Schahr. H,
366) zwischen beiden nur ein Unterschied im Denken ist' (Schahr. H. II,
240). Abraham bar Chija scheint allerdings auch ein getrenntes Bestehen
von Form und Stoff angenommen zu haben Onttf ’W Vftt
mn nun ny arme by triaiin mpan asb a’nu mutm ’bvnn
ÖKatmb iasb 'ISO (»SUn pan ed. Freimann S. 2 a). Dagegen leugnet
234
Kaufmann.
allem Seienden hervortretenden Ordnung und Zusammensetzung'
folgt nach der dritten Prämisse, dass die Welt geschaffen sei.
Da sie nach der ersten Prämisse sich nicht selbst geschaffen
diess Abraham ibn Daud auts Entschiedenste, Jö “löinn p"l. n’H' xb
rniltn sagt er ausdrücklich Em. ram. S. 10. Ueber die Eintheilung der Form
iu eine substantielle und accidentelle und ihr Verhältniss zu Aristoteles
äussert sich Herr Prof. Zeller brieflich folgendermassen: ,Die Unterscheidung
der substantiellen und accidentellen Formen erinnere ich mich nicht bei
Aristoteles gefunden zu haben, und sie passt auch nicht für ihn, denn
das ilooi ist nach seiner Ansicht die oüa!« des Dings (a. a. 0. 259 ff.).
Dass die erste Form Ursprung aller andern sei, ist der Sache nach neu-
pytliagoreische Lehre, und wird in den von Neupythagoreern den alten
Pythagoreern unterschobenen Schriften auch für die Lehre des Pythagoras
ausgegeben (Phil. d. Gr. I, 3. Auf!., S. 308 f. lila., 2. Aufl. S. 98 f. 101);
mit diesen Worten stellt es, so viel mir bekannt ist, in keinem der uns
erhaltenen neupythagoreischen Fragmente, es mag aber von irgend einem
der späteren, neuplatonischen Aristoteliker oder von einer pseudopythago
reischen Schrift jener Satz als pythagoreisch überliefert worden sein 1 .
Bachjas Worte finden aber ihre volle Erklärung durch die Lehren der
lauteren Brüder, denen hier Bachja durchaus gefolgt ist. ,Also verfuhr
Gott: Zuerst begann er mit der Schöpfung und Herstellung der vier für
sieh bestehenden Naturen, die mit einander ringenden und sich befehden
den Kräften versehen sind. Darauf verband er je zwei derselben, .so
dass vier Elemente mit einander vermählten und verbundenen Naturen,
mit sich entsprechenden Kräften entstanden. Das sind die Elemente
(Dieterici, Anthropologie 8. 3). Neben dieser aristotelisch gefärbten
Aeusserung, die mit der von Maimonides vorgetragenen (Guide II, 19,
S. 140) übereinstimmt, gibt es eine andere von ihnen über denselben
Gegenstand. ,Die Körper unter der Mondsphäre bestehen aus sieben
Arten. Vier davon sind die Allmütter (Elemente), nämlich Feuer, Luft,
Wasser und Erde; und drei davon sind die erzeugten Theilwesen: Thier,
Pflanze und Mineral. Wir beginnen nun zunächst mit der Beschreibung
der Allmütter und sagen: jedes dieser Elemente ist aus Materie und
Form zusammengesetzt. Ihrer aller Materie ist der (absolute) Körper;
doch ihre Form, durch die sich jedes einzelne vom anderen sondert, das
ist die Form, welche das Wesen jedes einzelnen derselben herstellt. Da
nun die Form in zwei Arten zerfällt, in die herstellende und vollendende,
so müssen wir beide näher bestimmen, damit der Unterschied zwischen
beiden erkannt werde. Wir sagen nun, dass die das Wesen des Dinges
herstellende Form diejenige ist, welche, wenn sic sich von ihrer Materie
trennt, die Existenz dieses Dinges dadurch vernichtet, Die vollendende
Form hingegen ist diejenige, durch welche das Ding zu dem je voll
kommensten Zustande gelangt, dessen es fähig ist. Trennt diese sich von
ihrer Materie, so ist die Existenz der Materie noch nicht damit aut-
Die Theologie des Baehja ihn Pakuda.
235
haben kann, so muss sie einen Schöpfer haben, der sie, da die
zweite Prämisse ein Zurückgehen der Ursachen ins Unendliche
ausschliesst, zu einer bestimmten Zeit, einem Uranfang aus dem v
gehoben 1 (Dieterici, Naturausciiauung S. 55, 5(3). — Die Annahme der
Zusammensetzung der Elemente aus Form und Stoff erwähnt auch
Abraham bar Chija: JÜD niX5tÖJ,“l niSUn plaTl JÜ 113fU1
m) nm ö’öl pX jnw nmc’ (a. a. O. S. 2 h). — Ueber diese Eiutheilung
der Form sprechen sich die lauteren Brüder noch an einer anderen
Stelle aus, wo uns statt herstellend und vollendend die für die Analogie
mit Baehja entscheidenden Ausdrücke': substantiell und aceidentell ent
gegentreten: ,Zwischen diesen beiden ist nun der Unterschied, dass die
substanzartige, d. i. eine ein Ding lierstellende Form eine solche ist, die,
wenn sie dem Stoff abgeht, auch das Vorhandensein des Dinges aufhebt;
die accidentelle und vollendende Form dagegen ist eine solche, die, wenn
sie von dem Stoff genommen wird, das Vorhandensein des Dinges noch
nicht aufhebt 1 (Dieterici, Weltseele S. 41). Ich stelle der Gleichheit der
Terminologie mit Baehja wegen den arabischen Wortlaut dieser Stelle
her, den ich Herrn Prof. Dieterici verdanke: ^I ( , - t(.
131 ^_aJ! ^JÜ iLojAuJI joyßjJ-f SjpoJI
t5 2JI AJ3 J.iaj
<5^!’
Wenn wir nun die von ihnen angegebenen hcrstellenden und
vollendenden Formen der Elemente betrachten, so werden wir sie bei
Baehja wiederfinden. Die herstellende Form des Feuers ist nach Natur
anschauung S. 56 die Bewegung, die vollendende die Hitze; dein ent
spricht bei Baehja das Paar rOTJTDin. Bei der Erde sind dasselbe die
Ruhe und die Kälte (a. a. 0. S. 57), bei Baehja nffiSÖ'Tp. Beim Wasser
sind es Feuchtigkeit und ,viel ruhende dicke Theile, aber wenig sich be
wegende leichte 4 (a. a. 0. S. 58), bei Baehja "TDlDWIfib. Bei der Luft
wären es nach den lauteren Brüdern ebenfalls Feuchtigkeit und ,viel
feine bewegliche Theile, jedoch wenig dicke ruhende 4 (a. a. O. S. 59),
bei Baehja aber nibp’MP. Nach dieser Anordnung hätten allerdings
Hitze und Kälte, wie ihre paarigen Qualitäten Bewegung und Ruhe au
zweiter Stelle stehen müssen. Weil aber nach den lauteren Brüdern das
Wasser der Erde an Kälte, die Luft dem Feuer an Hitze ähnlich ist
(a. a. 0. S. 59), so beginnt Baehja mit den Qualitäten, an denen alle
vier Elemente Theil haben, nämlich Hitze und Kälte. Erst dadurch wird
die Bedeutung der Aufzählung der acht Qualitäten hei Baehja verständ
lich. Es verdient übrigens noch bemerkt zu werden, dass diese Ein-
theilung der Form bei Thomas von Aquirio vorkommt, s. rennemann,
Gesch. der Phil. VIII. 569.
236
Kaufmann.
Nichts hervorgerufen hat. So war der Schöpfer also das an
fangslose Erste, das Urewige.
Hier erhebt sich jedoch der Ein wand, dass die Welt
nach diesem Beweise zwar allerdings geschaffen sein müsse,
aber immerhin auch durch Zufall entstanden sein könnte, das
Dasein eines Schöpfers also noch keineswegs erwiesen sei. In
der That haben auch Einige solch eine zufällige Entstehung'
der Welt ohne einen Schöpfer angenommen. Doch entbehrt
eine solche Annahme jeder vernünftigen Grundlage. Schon bei
einem gewöhnlichen Wasserrade, das eine kleine Fläche be
wässert, wird kein Verständiger es glauben wollen, wenn man
ihm versichert, dasselbe sei ohne eine bestimmte Absicht oder ein
Hinzuthun eines Meisters entstanden. Wenn nun schon bei einem
so geringfügigen Werke ein zufälliger Ursprung unmöglich gefun
den wird, wie kann man da bei der grossen Sphäre, die Alles be
wegt und mit einer dem Menschen unfassbaren Weisheit zum
Dienste der Erde und ihrer Bewohner. eingerichtet ist, auch
nur den Gedanken auszusprechen wagen, sie sei ohne zweck
bewusste Absicht und ohne Plan eines weisen Mächtigen zu
fällig 1 geworden? Wo keine Absicht thätig ist, da zeigt sich
auch in dem Werke kein Zeichen von Weisheit und Macht.
Nimmermehr kann der Zufall etwas hervorbringen, in dem
geistiges Vermögen zu Tage tritt. Ein umgeschüttetes Tinten
fass 2 wird niemals regelrechte Schriftzüge und lesbare Zeilen
1 Es scheint, dass Bachja hier unter bibi den ersten Himmel des
Aristoteles, die Fixsternsphäre verstehe, denn auf diese passen die Be
stimmungen, dass sie die Erde mit Allem, was auf ihr ist, umgebe, mit
so unendlicher Weisheit eingerichtet und zum Dienste der Erde ange
legt sei. Schon nach Aristoteles entspringen aus dieser die Bewegungen
der Sphären, vrgl. Zeller a. a. O. II 2 , 2, 356, 5. bl"1jn bibifl heisst diese
Sphäre auch bei Saadias (Emunoth II, 6 Ende; S. 48). Eine Schilderung
von der grossen Macht und der ausgedehnten Bedeutung derselben gibt
Abraham ihn Daud, der sie als die Ursache aller Bewegung in der
Natur ansieht (Em. ram. S. 55).
2 Bachja folgt hier offenbar dem Saadias, der unter den von ihm wider
legten Lehren auch die vom zufälligen Entstehen der Welt als neunte
unter dem Namen mpÖH fiJH bekämpft (Emunoth I, S. 32). Saadias nimmt
als Beispiel durcheinandergeworfene Steine und Hölzer, aus denen nie
mals ein Haus entstehen könne, oder Hölzer und Eisen, die sich unmög
lich zu einem Schiffe zusammensetzen können. Bachja hat nun zwar
Die Theologie des Baclija ihn Pakuda.
237
zu Wege bringen, wir würden auch sicherlich jeden, der ein
regelrechtes Schriftstück mit dem Bemerken vorlegte, es sei
durch um geschüttete Tinte entstanden, für einen Lügner er
klären. Wenn nun bei Dingen, die auf einem Uebereinkommen,
also etwas mehr Zufälligem beruhen, wie die Schrift, ein zufälliges
Entstehen für undenkbar gehalten wird, wie könnte bei einem
Werke, dessen Herstellung unendlich schwieriger und tiefer ist,
ein Zustandekommen ohne Absicht eines Weisen und Mächtigen
auch nur für möglich gehalten werden? Hiermit wäre also die
Schöpfung der Welt und das Dasein eines Schöpfers erwiesen,
zugleich aber auch die Lehre von der Ewigkeit der Welt 1
zurückgewiesen und widerlegt.
ein originelles und, wie man zugestehen muss, viel wirksameres und
anschaulicheres Beispiel gewählt, die Abhängigkeit von Saadias ist
nichtsdestoweniger auch hieraus ersichtlich. Diesen hier nur als Ein
wurf' gegen die Zufallslehre geäusserten Gedanken von dem Zeugnisse
der Zweckdienlichkeit der Welt für einen denkenden Schöpfer hat Thomas
von Aquino zum Mittelpunkte seiner fünften via oder des fünften Be
weises fiir das Dasein Gottes erhoben, vrgl. Tennemann, a. a. O. VIII, 585.
1 Das Dasein eines Schöpfers ist durch den Beweis Bachjas in der That
dargethan. Wir lernen sogar aus demselben, da in ihm, wie dies ge
wöhnlich ist (vrgl. Strauss, christliche Glaubenslehre I, 369), das kosmo
logische mit dem physicotheologischen Argument zum Theil vermischt
ist, diesen Schöpfer als denkendes Wesen kennen. Aber die Behauptung
einer Schöpfung aus Nichts, die er nach seinen Worten c. 5 (Anfang)
hier mit,beweisen will, ist nicht bewiesen, die Annahme einer ewigen
Materie, aus der Gott die Welt geschaffen hätte, ist durch seinen Beweis
nicht ausgeschlossen. Auch fiir ihn galt die Forderung, zuerst zu er
weisen, dass die Urform und der Urstoff entstehen und vergehen, ehe
er eine Schöpfung aus Nichts behauptete, vrgl. Maimonides (Guide I,
<4, 4. S. 426, 1). Wiewohl also Bachja keinen der von Maimonides
(a. a. 0.) uns überlieferten kalamistischen Beweise fiir die Weltsehöpfung
und das Dasein Gottes zu dem seinigen gemacht hat, so erweist er doch
dadurch sich in kalamistischen Voraussetzungen befangen, dass aucli bei
ihm wie im Kaläm nur die Geschaffenheit der Welt, nicht die ihres Ur-
stoffs bewiesen wird. So erweist sich denn auch hierin die grosse geistige
Kraft des Begründers der jüdischen Keligionsphilosophie, des Gaons
Saadias, den man auch gewöhnlich im Kaläm aufgehen lässt, dass er
mit klarem Bewusstsein von' der Wichtigkeit seines Schrittes nach dem
Beweise für die Weltschöpfung den Beweis antritt, dass die Welt aus
Nichts und nicht aus einem ewigen Urstofle geschaffen ist (Emunoth I,
c. 3).
238
Kaufmann.
ßachjas Lehre von der Einheit Gottes.
Aus dem angeführten Beweise hat das Dasein Gottes sich
unzweifelhaft ergeben, ob aber dieser nothwendig Einer sein
müsse, oder ob es nicht auch viele Götter geben könne, haben
wir aus ihm nicht erfahren. Es gilt also noch, die Einheit
Gottes speculativ nachzuweisen, was Bachja auf siebenfache
Art zu thun sich vorsetzt (c. 7).
I. Wer die unendliche Zahl der in der Welt vorhandenen
Einzeldinge auf ihre letzten Gründe hin ansieht, der wird bald
finden, dass diese Unendlichkeit von verursachten Dingen unter
einer immer mehr zu verringernden Zahl von Ursachen, diese
unermessliche Fülle von Begriffen unter einer immer mehr zu
verkleinernden Reihe von höheren Gattungsbegriffen sich be
fassen lasse. Die Einzelheiten lassen unter bestimmte Arten
sich zusammenbringen, die Arten unter Gattungen und diese
unter höhere Gattungen, deren man eine immer geringere Zahl
gewinnen wird, bis man zu den höchsten Gattungsbegriffen alles
Seienden, den Gattungen der Gattungen, 1 den Kategorieen gelangt,
deren Zahl ,der Philosoph' auf zehn normirt hat. Prüfen wir in
ähnlicher Weise die Dinge auf ihre Ursachen, so wird deren
Zahl als eine immer mehr zu beschränkende sich heraussteilen.
Glauben wir, bereits bei den letzten Ursachen alles Seienden,
den fünf Principien, die aus den vier Elementen und der Be
wegung 2 bestehen, angekommen zu sein, so erweisen auch diese
1 Aristoteles nennt wollt die Kategorieen manchmal yhrj (vergl. Zeller a. a.
O. II 2 , 2, 187, 1), aber nicht Gattungen der Gattungen. Diese Bezeich
nung findet sich aber bei den lauteren Brüdern. ,Die zehn Kategorieen,
von denen je eine eine Gattung der Gattungen ist 1 , heisst es an einer
Stelle (Dieterici, Naturauschauung S. 18), vrgl. auch Dieterici, Welt
seele S. 31. Die Ordnung der Kategorieen bei Bachja (S. 56) zeigt
weder die kleine Abweichung, in der sie bei Saadias (Ein. II, c. 8) oder
bei Moses ben Esra (Zion II, 119), noch die Verschiebung, in der sie
bei A. i. D. (Em. ram. I, 1 S. 6 ff.) Vorkommen, ist vielmehr die bei
Aristoteles gewöhnliche.
2 Schon bei Aristoteles hatte die Bewegung neben Stoff und Form den
Rang eines Princips alles Seienden, vrgl. Zeller a. a. 0. 265, 270. Bachja
selber iiussert seine Ansicht über die Bewegung auch noch an einer
anderen Stelle (II, c. 5, S. 119). Dort preist er sie als das für die Ord-
Die Theologie des Bachja ibn Pakuda.
239
von einer geringeren Zahl von Ursachen sich verursacht, und
zwar von Stoff und Form, welche ihrerseits wieder von Gott
verursacht sind, der als dem letzten Ursachenpaar vorangehend
nothwendig nur die Einheit, schlechthin Einer sein kann. Als
Princip der Principien und als Ursache aller Ursachen muss
Gott nothwendig Einer sein. 1
II. Die in allen Theilen der Welt hervortretende Zusammen
stimmung und planvolle Harmonie, in der die verschiedensten
und entgegengesetztesten Ursachen zu übereinstimmenden Wir
kungen sich gestalten, sowie die im Kleinsten wie im Grössten
sich äussernde Weisheit beweisen die Einheit Gottes. In dieser
ganzen grossen Welt offenbart sich ein planmässiger Zusammen
hang, in dem ein Theil des anderen bedarf zu seinem Bestände
und seiner Vollendung, wie etwa die Schuppen eines Panzers,
die Theile eines Bettes oder die Glieder eines Menschen ein
ander bedürfen. So brauchen Mond und Sterne das Sonnenlicht,
die Erde Himmel und Wasser, die Thiere bedürfen einander,
nung und Vollendung der Welt wichtigste Princip, an dem alles Ge
schaffene Theil hat, ohne das es kein Werden und Vergehen gäbe
iöki aicsn *61 niKxajn ja iai ni© nin maaj nnn >6 ,iyi:nn 'bibi
fiPUnn ay D'yatan an D’SlDlb’Sn ja IHK- Aelmlich sagt Moses benEsra:
di Ixus jixia rrby asm i©k nyiinn bs man n:'«© yaa p«
(Zion XI, 157, 1). Die Bewegung, die Bachja im Auge hat, ist die nach
der Ansicht des Aristoteles und der arabischen Aristoteliker aus der
Fixsternsphäre hervorgehende, der das Weltall sein Dasein verdankt.
Vrgl. Zeller a. a. 0. 356, Abraham ibn Daud a. a. 0. S. 55, Maimonides,
Guide II, 1. S. 31, 1 und Dieterici, Weltseele S. 122.
1 Zwei Gedankenreihen sind es, die in diesem Beweise neben einander
berlaufen. Die eine, die davon ausgeht, dass alles Vorhandene unter
eine immer geringere Zahl höherer Gattungsbegriffe sich vereinigen lasse,
ist mehr ein analogisches Moment, als ein eigentliches Argument. Sie
will mehr darauf hindeuten, wie jeder Gattungsbegriff auf einen höheren
über sich hinausweist, als die Einheit Gottes beweisen. Die andere von
der immer mehr sich - verkleinernden Zahl von Ursachen führt direct zur
Einheit Gottes hin. Es lässt sich nicht annehmen, dass nur eine Be
trachtung der Ursachen in diesem Beweise gegeben werden soll und
dass die Kategorieen selbst als Ursachen alles Seienden gefasst sind, zu
welcher Ansieht sich in den Worten Mose ben Esras Ipl 1 0*1 1©« mnan'
a’eicib'an bjfK ni«’3£ön (Zion II, IIS) vielleicht eine Analogie finden
Hesse, denn Bachja steigt nicht zu den Ursachen der Kategorieen empor,
sondern nennt die fünf Principien nb«n dlCH Dl©!? 7 ©"'« 1 "bl\ kehrt
also, bei den Kategorieen angelangt, wieder zu den Einzeldingen zurück.
240
Kaufmann.
lebt doch eine Gattung von der anderen und der Mensch braucht
dies Alles. Auch Länder, Gegenden, selbst Wissenschaften und
Handwerke sind gegenseitig auf einander angewiesen. Wo Alles
in solchem Zusammenhänge steht, da kann nur Ein Wesen diese
einheitliche Zusammenstimmung zu Stande gebracht haben.
Dieselbe Weisheit offenbart sich aber auch im kleinsten der
Geschöpfe, in der Ameise so gut wie im Elefanten. Ja, je
kleiner das Geschöpf, desto mehr tritt Macht und Weisheit in
ihm zu Tage, desto wunderbarer erweist sich sein Bau. In der
Vereinigung und dem einmüthigen Zusammenwirken Aller zur
Vollendung der Ordnung in der Welt erweist sich die Einheit
des Schöpfers, denn sicherlich würde bei vielen Schöpfern in
jedem Theile der Welt eine andere Einrichtung geherrscht
haben, eine Zusammenstimmung aller unmöglich gewesen sein.
In Gottes Schöpfung, sagt daher der Philosoph, 1 ist eines
nicht wunderbarer als das andere, denn in allen ihren Theilen
offenbart sich die gleiche Weisheit des Einen 2 Gottes.
1 Eine ähnliche Aeusserung des Aristoteles führt Albo an im Ikkarim II, 1.
Dem Sinne nach identiscli mit der Anführung bei Bachja ist der Sat*.
des Aristoteles: Iv raiai jap toT; (puaixot; Svcot! t: Oaupaaiov (Part. an. I, 5,
645 a, 5). Bachja scheint an dieser Stelle die lauteren Brüder benützt
zu haben. Zwar würde das Beispiel von der Ameise und dem Elefanten
als dem Kleinsten und Grössten noch nichts beweisen, doch zeigt die
ganze Färbung der Stelle, die, Behauptung, jene beiden seien gleich
wunderbar, ja die Ameise sei nocli wunderbarer, weil mit der Kleinheit
des Geschöpfes auch sein Bau an erstaunlicher Feinheit zunehme, dass
hier die Aeusserungen der lauteren Brüder berücksichtigt sind, vrgl.
Dieteriei, Naturanschauuug S. 201, welche Stelle übrigens von Mbses ben
Esra (Zion II, 136) ohne Quellenangabe wörtlich entlehnt wurde.
2 Dieser Beweis, den man mit Zeller zusammenfassen kann in die Worte:
,die Einheit und Zweckmässigkeit der Welt lässt sich eben nur aus der
Einheit der obersten Ursache erklären 1 , findet sich bereits bei Aristoteles,
vrgl. Zeller a. a. O. 273, 274. Auch er betont besonders die Zusammen
stimmung des Ganzen; r.p'o: p.sv jap h aKmra awnha/.zai, sagt er Met. XII,
10. Nur wird dieses physico-theolögisclie Argument, das Aristoteles für
das Dasein Gottes beibringt, von Bachja, wie dies öfter vorkommt (vrgl-
Strauss a. a. O. I, 404) zur Begründung der Einheit Gottes verwendet.
Auch Maimonides hat von diesem Bewoiso Gebrauch gemacht, indem er
aus der organischen Verbindung gleichsam, in der das / ganze Weltall
zusammengehalten ist, die Unmöglichkeit aldoitot, dass dieses von ver
schiedenen Göttern herrühren solle (Guide II, 1,8. 44). Dem Maimonideä
Die Theologie des Bachja ihn Pakuda
241
III. Der Beweis von der Weltscliöpfung hat es ergehen,
dass die Welt einen Schöpfer haben muss. Handelt es sich
nun darum, wie viele Schöpfer angenommen werden müssen,
so haben wir nur 1 darauf zu sehen, wie viele erforderlich seien,
um der aus dem Beweise sich ergebenden Forderung der Welt
schöpfung zu genügen. Nun reicht Ein Schöpfer dazu aus, die
Welt zu schaffen, wir sind also nicht berechtigt, ohne Noth 2
mehrere anzunehmen. Wir hätten sogar weniger als Einen an
nehmen müssen, wenn wir unter dieser Annahme das Zustande
kommen einer Schöpfung hätten denken können. In logischen
Dingen, die durch Beweise zu unzweifelhafter Gewissheit ge
langen, hat die Annahme nur so weit sich zu erstrecken, als
die logische Nöthigung ergibt. Ein in durchaus einartigem
Charakter geschriebenes Schriftstück lässt uns nur auf Einen
Schreiber schliessen und nicht eher werden wir mehrere dabei
annehmen, als bis wir durch eine offenbare Verschiedenheit
zweier Stellen dazu genöthigt sind. Wir urtheilen nur nach
dem Schriftstück, eine persönliche Bekanntschaft mit dem
Schreiber ist für das Urtheil nicht erforderlich. Wir schliessen
aus jenem mit gleicher Sicherheit auf ihn, als hätten wir ihn
gesehen, wissen zugleich, dass er zu schreiben verstehe und
im Stande sei und dass er es nothwendig allein, ohne Unter
stützung eines anderen geschrieben habe, weil sonst in dem
Schriftstück als dem Werke Zweier Verschiedenheit und Un-
gleichmässigkeit unausbleiblich gewesen wäre. Also zwingt uns
der einheitliche Charakter der Schöpfung zum Glauben an die
Einheit des Schöpfers, ohne den die Schöpfung der Dinge nicht
hätte vollbracht werden können, der aber nicht wie Substanz
und Accidenz gesehen werden kann. Doch wir haben nur aus
seinem Werke auf ihn zu schliessen und dies wird mit gleicher
hat diesen Beweis Aliron hen Elia (w^H c. 04, S. 78) fast wörtlich
entlehnt.
1 Wörtlich : ,Sobald es feststeht, dass die Welt Einen Schöpfer hat, der sie
geschaffen und hervorgebracht, darf es uns nicht mehr einfallen, dass er'
mehr oder weniger als Einer sei 4 . Falsch übersetzt Baumgarten die
Worte unm bv mbyrf? ^ pst ,so ist nicht mehr darüber irnchzudenken 4 .
2 Scharf fasst Duns Scotus diesen Beweis in die Worte: nulla pluralitas
ponenda est sine necessitate. Vrgl. die Darstellung dieses Beweises bei
Ritter, Geschichte Bd. VIII, S. 380, Anm. 2.
Sitzuugöbor. d. phil.-liist. CI. LXXV1I. 13d. I. Hft. IG
242
lva ufraann.
Sicherheit, wie wenn wir ihn gesehen hätten, die Ueberzeng-ung
von ihm uns verschaffen, dass er besteht, Einer ist und ewig
in der Vergangenheit wie in der Zukunft, mächtig, weise und
lebendig. 1 Zum Bestände dieses Werkes war nur ein einziger
Schöpfer unbedingt erforderlich, wir können darum nicht mehr
als Einen annehmen. Wollte jemand behaupten, es gebe mehr
als Einen, so müsste er dafür einen Beweis bringen, das ist
aber unmöglich, da der Beweis für die Einheit 2 Gottes als ein
speculativer nicht durch' einen anderen umgestossen werden
kann. Vielmehr wird durch Beweise nur die Einheit Gottes,
seine Freiheit von aller Vielfachheit, Vergesellschaftung und
Verähnlichung in verstärktem Maasse dargethan werden.
IV. Nehmen wir an, es gebe mehrere Götter, so muss
das Wesen jedes einzelnen entweder gleich oder verschieden
sein. Haben alle Ein Wesen, gibt es also nichts, was sie
trennte und zu einer Mehrheit machte, so können wir nicht
mehrere annehmen, dann gibt es eben nur Einen 3 Gott. Hat
aber jeder einzelne ein besonderes Wesen, so muss jeder
1 Diese scheinbar nicht in diesen Beweis gehörende Ausführung hat darin
ihren Grund, dass Bachja gegen den Einwurf bereits liier sich verwahren
will, wie denn von einem Gegenstände, der unserem Anblick sich ent
zieht, mit solcher Bestimmtheit Einzigkeit ausgesagt werden könne. Da
findet es denn Bachja geeignet, gerade in diesem Beweise aus der Tliat-
sache der Weltschöpfung die Art anzugeben, wie wir zu Aussagen über
Gott gelangen können.
2 Dieser Beweis ist dem Kaläm entlehnt und ist der vierte der von Mai-
monides aufgezählten kalamistisehen Beweise für die Einheit (Guide I,
74, 4. S. 424). Er entspricht demselben genau, denn auch dieser betont
nur das Bewiesensein eines einzigen Schöpfers. Doch scheint ihn Bachja
durch das Medium des Saadias aufgenommen zu haben, dem er hier fast
wörtlich folgt. Bachja sagt: nbit mx-m xbx mm la^pir xb “tnxa im 1
axm© rrxnn und Saadias: iTifin nbit rfw rvxn bx "pat l’by ppDiaw na ~x
X'nn (Em. II, 2. S. 42). Bachja hat liier mit richtigem Takte den zweiten
und dritten Einheitsbeweis des Saadias, die in der That sich nicht von
einander unterscheiden, zusammengenommen. Auch hier zeigt er dieselbe
genaue Anlehnung an Saadias. So heisst es bei diesem (Em. a. a. 0.):
nrsx vby spaia» na bax mybn nirsx w naa rroiyn pjjn nu baten
vbx -pix pxi myba und ähnlich bei Bachja: unjn b» mbynb iMnsnn
nirax nnxa nnv px a’temnan mx’aaa mybn x-x ’a axna nnx xnate
vbx “ins pxi myba
3 Vrgl. über denselben Beweis bei Johannes Damascenus Tiedemann, Geist
der spec. Phil. IV, S. 43.
Die Theologie des Bacbja ihn Paknda.
243
etwas haben, was der andere nicht hat, es muss also einen
Unterschied zwischen ihnen geben. Nun könnte einer vom
anderen nur durch den Mangel einer Eigenschaft sich unter
scheiden und müsste dadurch begrenzt sein. Da aber begrenzt
gleichbedeutend ist mit endlich, das Endliche aber zusammen
gesetzt 1 und das Zusammengesetzte geschaffen ist, so müsste
1 Bachja trägt diesen Beweis in einer sehr ung-ewölnilichen Weise vor.
Auch dieser Beweis scheint dem ICaläm anzugehör^n. Maimonides (Guide
I, 75, 2) führt ihn als zweiten Einheitsbeweis des Kaläm an, genannt
gegenseitige Verschiedenheit 4 , aber in so unvollkommener Weise,
dass man den Gang des Beweises im Kaläm kaum daraus erkennen kann,
s. Munk z. St. Anm. 2. Saadias (a.a. O. S. 43) führt ihn in folgender knappen
Form an: 'V'bw ‘“Q'l älWn EPTlSa DÜ DK1 ‘IHK “lai DH D^pm DH ÖK,
wo D^pZ^l vielleicht den Sinn des arabischen U^A I m
xx g IMt (Maväkif ed. Soerensen j^) ,in den Bedingungen der Gottheit
gemeinsam 4 haben kann. Ob die Worte: “0*1 ÜHTIJ ttf 1 ’ den Sinn
haben, dass bei vorausgesetzter Verschiedenheit beider Götter ein Drittes
die Zusammensetzung beider einzelnen oder jedes von beiden vollführt
haben müsste oder ob das Dritte als räumliches Trennendes aufzufassen
sei, wie es in dem Fragmente Abraham ihn Esras heisst (Kerem Chemed
IV., s. 4): d’üu ’3© ’d jhki ib ’3© pKi "inx ©’ ax 'ba©a ’aab ipn ny
m p©ö i©K3 mnx. a'x-ip» '3© pa ©ism ani3'a b’ian nxsn Dnn©na
a'©iinb an D’iwn ’3©ai a’cin anan '3© ibui m p©a xb, Bisst sich
kaum entscheiden. Abraham ihn Daud a. a. O. S. 49 hat den Beweis
bereits in der Form, in der ihn Maimonides als
(I, 75, 2) verwerthet hat (Guide II. 1. S. 44), dass nämlich das Noth-
wendig-Existirende keinerlei Zusammensetzung ertrage, bei zwei ver
schiedenen Göttern aber noth wendig einer oder beide aus dem Wesen
der Gottheit und einem trennenden Merkmal zusammengesetzt sein müssten.
Die Fassung dieses Beweises*, wie Abraham ihn Daud und Maimonides
ihn anführen, scheint mir von Ihn Sina herzurühren, dem die Lehre
vom Nothwendig-Existirenden überhaupt ihre Ausbildung verdankt. Schah-
rastani führt diesen Einheitsbeweis in der Darstellung der aristotelischen
Lehren nicht als von Aristoteles, sondern ,von den Vertheidigern seiner
Lehre 4 herrührend an (Schahr. II. II, löl) und scheint darunter den Ihn
Sina zu verstehen, da er in der Darstellung seiner Philosophie ausführ
lich die Lehre vom Nothwendig-Existirenden und diesen Beweis bespricht,
a. a. 0. II, 251-^253. Betrachten wir nun den Beweis bei Bachja, so
finden wir hier die Wendung, dass der Unterschied ttHÖH =
(Guide II, c. 1 f. Ob.) eine Begrenzung hervorrufe, aus welcher durch eine Kette
zum Theil gewagter Behauptungen Zusammensetzung gefolgert wird. Nur
die Unbekanntschaft Baclijas mit der Lehre Ihn Sinas vom Nothwendig-
16*
i
244
Kaufmann.
jeder dieser Götter geschaffen sein. Gott aber ist ewig und
darum kann es nur Einen geben.
V. ,Die Einheit, sagt Euklid, ist, nach welcher jedes
Ding Eins 1 heisst' (Elemente VII, 1. Erkl.). So geht die Ein
heit dem Einen voran, wie die Wärme dem Warmen, denn
ohne die Einheit könnten wir von keinem Dinge aussagen,
dass es Eines sei. Unter Einheit aber müssen wir die absolute
Einzigkeit verstehen, die ausschliessliche Alleinheit, neben der
nichts existirt, mit dem sie zusammengesetzt sein oder Aehn-
lichkeit haben könnte, in der von Vielfachheit oder Zahl nichts
vorhanden ist, bei der daher von Verbindung mit einem oder
Trennung von einem Ding nicht die Rede sein kann. Das
Viele ist eine Verbindung von Einheiten, kann daher nicht der
Einheit vorangehen, da es aus ihr zusammengesetzt ist. Die
Existirenden und seiner absoluten Einheit, die selbst eine Zusammen
setzung durch Ideen ausschliesst, kann es erklären, warum er in diesem
Einheitsbeweise erst durch eine Reihe von Schlüssen auf einem langen
Umwege dahin gelangen muss, wohin Ibn Sina und die nach ihm hierüber
handelnden Denker durch eine einfache Erwägung gelangen. Bachja
muss sich eben Mühe geben, eine Zusammensetzung aus der Ver
schiedenheit mehrerer Götter abzuleiten, er findet sie, nicht durch die
Betrachtung des jedem derselben neben dem Gattungsbegriff eigenthtim-
lichen Merkmals, wie Ibn Sina, sondern durch den Hinweis auf das noth-
wendig fehlende Merkmal eines jeden, das ihn zu einem unvollkommenen,
begrenzten macht, ähnlich wie dies einige Kirchenväter ausgeführt haben,
vrgl. Strauss a. a. 0. I, 405, 8. Wenn man diesen Beweis Bachjas kalami-
stisch nennt, so bezieht es sich nur darauf, dass auch er der Form nach,
wie der von Maimonides a. a. O. aus dem Kaläm angeführte von der
Verschiedenheit 1 ausgeht; ob er es 4 em Inhalt nach sei, können wir
nicht sagen, da der des Kaläm inhaltlich nicht bekannt ist. Sicher ist
nur, dass der Gedanke von der Zusammensetzung in der Fassung wie
bei Ibn Sina im Kaläm nicht vorkam. Das beweist einmal das Urtheil des
Maimonides (a. a. 0.1, 75,2) der für diesen Beweis eine andere Ausführung und
andere Prämissen fordert, um ihn zu einem philosophischen zu machen,
ferner und noch stärker aber der Umstand, dass er in der Fassung des
Ibn Sina als durchaus den Philosophen angehörig von al-Igi angeführt wird:
I y) liü Lol
X. jIjü _I . (Maväkif Pv) und in den von ihm angeführten
Beweisen des Kaläm nicht vorkommt.
1 Falsch übersetzt hier Baumgarten: ,die Einheit ist das, was man jedem
einzelnen Dinge beilegt. 1 .
Die Theologie des Bach,ja ihn Palaula
245
Einheit muss jeder Vielheit vorangegangen sein, wie die Eins
jeder Zahl, sie ist ihrem Begriffe nach das Erste. Es wäre
somit selbst der, welcher mehrere Götter annimmt, zuzugeben
gezwungen, dass die Einheit ihnen vorangegangen sein muss.
So ist denn sie allein das Erste und Ewige oder Gott kann
nur Einer 1 sein.
VI. Zwischen Gott und Geschöpf gibt es keine Aehn-
lichkeit 2 , keinen Vergleich. Nun ist die Vielheit so wie die
1 Dieser Beweis, der schon nach seiner Grundlage, ,der abstracten , alle
Vielheit von sich anssehliessenden Eins 1 sich als neuplatonisch ausweist,
wird bei Plotin dazu benützt, von dem Urwesen jede Art der Vielheit
abzuhalten: ,Das Erste kann nicht das Viele sein, sondern nur das Eine,
denn alle Vielheit ist eine Vielheit von Einheiten, und alles, was ist, ist
nur durch die Einheit, was es ist 1 , s. die Stellen bei Zeller (Pli. der Gr.
III-, 2, 424, A. 1 und 2). Dieser Gedanke und der Vergleich der gött
lichen Einheit mit der Eins der Zahl kehren in den verschiedensten
, Wendungen bei den von neuplatonischen Ideen erfüllten lauteren Brüdern
wieder. Zusammenfassend sagt daher von ihnen Dieterici: ,In dem Wesen
der Zahl, die aus der Eins hervorwächst, liegt der Hauptbeweis für die
Einheit des Schöpfers 1 (Ztsch. der d. m. G. XVIII. S. 693). Dieser Beweis
Baehjas ist von Mose ben Esra entlehnt worden dllp KW nWtlKn ’D JW
Dim BTlp * ♦ niö’önn "WXa inxn (Zion II, 122, 1), welche Stelle fast
wörtlich übereinstimmt mit Baehjas Worten: “IHK*? DÖTIp fTHnKH
an IST bsb enip Dinn '3 “1ÖXJ *WXB. Auch Josef ihn Zadik hat denselben
Beweis: * * * b’xw imx awp' awip bw mw 1 ? bavn -niy ij'xi
‘TlD 1 ’ (Mikrok, S. 48). Auch er scheint Bachja benützt
zu haben, wenn man nicht eher annehmen muss, dass alle drei aus der
Encyclopädie der lauteren Brüder geschöpft haben.
- Bereits am Schlüsse des dritten Einheitsbeweises hat Bachja alle Aehn-
lichkeit begrifflich von Gott ausgeschlossen. Auch definirt er im fünften
den Begriff der Einheit dahin, dass jede Aehnlichkeit von ihr fernzuhalten
sei. Er bedient sich daher dieses Gedankens in diesem Beweise bereits
als Prämisse, wozu er freilich sehr wenig sich eignet. Denn entweder
ist die Unvergleichbarkeit Gottes, wie Bachja es auch speculativ immer
darstellt, eine Folge seiner Einheit, dann befindet sich Bachja, ohne es
zu merken, in einem Zirkel oder er nimmt diesen Begriff aus der Offen
barung (Zflflb’n |b)/ dann ist der Beweis nicht speculativ. In der That
ist dieser Beweis im Kaläm nicht für die Einheit, sondern für die Un
körperlichkeit Gottes gegeben worden. Es ist der zweite der von
Maimonides aus dem Kaläm hierfür überlieferten Beweise, der auf der
,Unmöglichkeit der Aehnlichkeit (jU-CiJt cLiüüot) beruht (Guide I, 76,
2). Auch Moses ben Esra hat in gleichem Sinne den Satz (Zion II, 117):
.xnn lrx nun Bin nxi txibjö -arb nan u'x paipn Kinn ppBib’an nax
246
Kaufmann.
Aussage über die Ganzheit ein Aceidens der Substanz, genannt
Quantität. In Gott, dem Schöpfer von Substanz und Accidenz
kann es also keine Vielheit geben, er kann daher nur Einheit
oder Einer sein.
VII. Nimmt man zwei Schöpfer an, so muss man annehmen,
dass entweder jeder allein die Welt hätte schaffen können oder
dass er sie nur mit Hülfe des Anderen zu schaffen im Stande
war. Konnte einer sie allein schaffen, so war der andere über
flüssig, konnte sie aber nur durch beide zusammen zu Stande
kommen, so kann keinem ein volles Vermögen, vollkommene
Kraft zugeschrieben werden, dann sind beide schwach, weil
die Kraft keines von beiden für sich allein ausreichend ist.
Schwäche aber ist begrenzte, endliche Kraft und setzt als
endliche Zusammensetzung und Geschaffenheit voraus. Der
schwache Gott ist also ein endliches, geschaffenes Wesen, das
heisst: kein Gott.
Aber gesetzt auch, es bestünden zwei Götter neben ein
ander, so könnte es möglicherweise zwischen ihnen Streit geben.
Dann müsste aber nothwendig der Gegenstand dieses Streites,
die Schöpfung und jeder einzelne ihrer Acte unvollkommen
ins Dasein treten, während diese, weit entfernt von einer
irgendwie hervortretenden Uneinigkeit, in allen ihren Theilen
die vollste Harmonie zeigt, die so nur von einer einheitlichen
Kraft herrühren kann. Wahre und beständige Leitung kann
eben nur von einer Einheit herstammen. Darum sagt denn
auch Aristoteles bei Gelegenheit des Einheitsbeweises: ,Nicht
gut ist’s, wenn der Herrscher viele sind; Einer sei Herrscher'.
So folgt denn auch hieraus, dass Gott nur Einer 1 sein könne.
Den Grundgedanken dieses Beweises, dass Gott durch Vielheit in die
Sphäre der Körperlichkeit heraugszogen würde, kann man schon bei
Aristoteles angedeutet finden. Metaph. XII, 8 beweist er die Einheit des
obersten Princips aus dem Satze, dass alles Vielfache einen Stoff habe,
äXVdacc ctpi0[j.ff) noXXa ÜÄ/|V e/ei, vrgl. Zoller (a. a. O. S. 275, 276). Der erste
Eiuheitsbeweis des Saadias (S. 42.) “iBDOft VlB' *in*W «pDf ÖKW MBS
D'ÖITJH ’ph nnn Ü52'l lässt sich mit diesem Satze zusammenstellen, wie
diess bereits von Sclimiedl, Studien S. 63, Anm. 1 geschehen ist.
1 Der siebente Beweis ist, wie Maimonides (Guide I, 76, 5) sich ausdrückt,
^3 LUI ^.yh ,ein Zweig der gegenseitigen Hinderung 1 . Wie schon
Die Theologie des Bachja ihn Pakuda.
247
In diesen Beweisen 1 liegt zugleich jnit dem Nachweis der
Einheit Gottes die Widerlegung aller derer, die mehr als Einen
Gott annehmen.
Munk (ib. 148, 1) bemerkt, haben Bachja sowohl wie Saadias den ersten und
den fünften der kalamistischen Einheit,sbeweise in Einen verschmolzen. Bei
Saadias tritt allerdings der kabüuistische Charakter des eigentlichen Hin
derungsbeweises reiner als bei Bachja hervor. Saadias sagt (Em. 1,3 ; S. 43):
r'nn'i ln'anb “inan natv-n dm nvnnb dhö -ins nm' dnniD irr dki
niT fib Ti Sinn QtTJÜ ITTW, was genau dem von Mainmni a. a. O. 75, 1
gewählten Beispiele entspricht, wonach ein Körper kalt und warm zu
gleich sein müsste, wenn der eine Gott ihn warm, der andere kalt haben
wollte, vrgl. auch Maväkif Pa. Bei Bachja S. 62 lautet der Beweis so:
na-r Dna mai nn’n abi D'arnn na ,- DD npiSns DiTra rrnnir -nrsa
wo jedes kalamistische Princip verschwunden ist, da nach dem
Kaläm das Beispiel hätte schliessen müssen: ,das ist aber unmöglich,
weil von zwei Gegensätzen die Substanz notliwendig mit einem derselben,
als ihrem Accidens behaftet sein muss 4 . Uebrigens ist dieser Beweis auch
von der Mu’tazila angenommen worden, wie sein Vorkommen bei dem
Mu’taziliten Josef al- Basir beweist, der auch den vierten Einheitsbeweis
Bachjas in der sclieinbar echt kalamistischen Form hat, in der Abraham
ihn Esra (Kerem Chemed IV, 4) ihn anführt, s. Frankl, ein mu’tazilitischer
Kalam S. 25. Den fünften kalamistischen Beweis geben Saadias und
Bachja völlig übereinstimmend, nur dass dieser in die Begründung ein
geht, warum mit eintretendem Unvermögen die* Göttlichkeit auf höre, in
dem Schwäche Begrenzung, diese aber Geschaftenheit voraussetzt. Auch
bei Josef ihn Zadik (Mikrok. S. 47) kommt dieser Beweis in derselben
Gestalt vor; vrgl. Maväkif a. a. O. Das Citat aus Aristoteles (Metaph. XII,
10, Ende), der bekannte Satz aus Homer: oüx ayaOov 7:oXoxoipavt7) * ei?
xoipavo? eoTto ist dem Schahrastani als Ausspruch Homers bekannt, nur
glaubt er, dass die Verwertliung desselben für den Einheitsbeweis bereits
von Homer herrühre, denn er sagt darüber: ,er gibt darin aber auch
einen Beweis für die Einheit Gottes, weil mit der Vielheit der Götter
Widersprüche gegeben sind, welche die wirkliche Bedeutung der Gött
lichkeit zerstören 4 (H. II, 142).
1 Von diesen sieben für die Einheit Gottes aufgestellten Beweisen sind die
drei ersten positiv und direct aus der Betrachtung der Dinge abgeleitet,
die vier letzten indirect, \ indem sie die Ungereimtheit in der Annahme
von zwei oder mehreren Göttern nachweisen. Die Reihenfolge der drei
ersten scheint von der Absicht bestimmt zu sein, immer den stärkeren
Beweis folgen zu lassen und so eine Steigerung der Beweiskraft zu er
zielen. Bei den vier letzten lässt der Grund ihrer Aufeinanderfolge
unschwer sich einsehen. Zuerst wird nachgewiesen, dass nicht zwei
Götter sein könnten, ohne dass einer oder beide durch Begrenztheit
Körper würden; hierauf folgt der Nachweis, dass selbst bei dem Bestehen
zweier die Einheit doch immer vorangegangen sein müsste und hierauf
248
Kau fmann.
Die Welt hat einen Schöpfer und. dieser kann nur Einer
sein; so viel ist durch Beweise festg-estellt. Was heisst es aber:
Gott ist Einer? Wir sagen auch vou den mannigfaltigsten Dingen
Einheit aus. Ist nun die Einheit des Schöpfers von derselben
oder von anderer Art? Uni hierauf antworten zu können, müssen
die Einheit und ihre Arten einer genauen Untersuchung unter
worfen werden (c. 8).
Man unterscheidet 1 uneigentliche oder accidentelle und
eigentliche oder substantielle Einheit. Die accidentelle Einheit
zerfällt ihrerseits wieder in zwei Arten:
die Erwägung, dass die Mehrheit an sieli schon die Göttlichkeit aufhebe,
da sie diese zur Körperlichkeit hinunterziehe und endlich der Hinweis
anf die Unverträglichkeit, die gegenseitige Hinderung, die zwischen zweien
oder mehreren Göttern nothwendig bestehe.
1 So nahe es liegt, die Quelle für diese Unterscheidung im Aristoteles zu
suchen, so wenig ist sie in Wahrheit in demselben zu linden. Zwar
scheidet er die Einheit in ein ev xaO’ aörd und ein sfv v.ara a'ju.fisßrj'/.o'c, ,aber
das heisst, wie Herr Prof. Zeller brieflich sieli ausdrückt, nicht: sie seien
eigentliche oder uneigentliche, sondern: wenn wir zwei Dinge Eins nennen,
so nennen wir sie so entweder an sich selbst, weil sie zusammen Ein
zusammengesetztes Ding bilden, oder abgeleiteterweise, weil eins von
ihnen dem anderen, oder beide einem Dritten, als Prädikat zukommen 1 .
Vergleichen wir die Aufzählung der uneigentlichen Einheiten bei Bachja
und die des Aristoteles, so linden wir auch, dass dieser Einheit an sich
nennt, was Bachja als accidentelle Einheit bezeichnen müsste, z. B. ein
von einem Baude umschlossenes Bündel (Metapli. V, G). Und selbst wenn
Aristoteles (Metapli. X, 1) diese sowie alle vier Arten der Einheit dem
Wesen und Begriff der Eins gegeniiberstellt, also ausdrücklich jene von
diesem zu scheiden scheint, so erkennt man doch bald, wie weit er von
der substantiellen Einheit Bachjas entfernt ist, wenn er den reinen Be
griff der Eins allen Maassen zuschreibt. Selbst dem Ihn Sina, der sich
in der Bezeichnung der Dinge mit der wahren Einheit strenger erweist
als Aristoteles (Schahr. H. II, 249), und Abraham ibn Daud, der selbst
die Eins der Zahl nicht wahre Einheit nennen will, war die Unter
scheidung der Einheit, wie sie bei Bachja vorkommt, bis auf den Namen
unbekannt. Sie scheint, neuplatonischen Ursprungs zu sein, da es ja in
den Systemen der Neuplatoniker nicht fehlen konnte, alle Einheiten
gegenüber der Einheit des Urwesens als uneigentliche darzustellen. Einen
Beweis dafür kann man darin erblicken, dass die Araber diese Unter
scheidung, wie sie es mit neuplatonischen Ideen zu tlmn pflegen, dem
Pythagoras zuschreiben. ,Die Einheit wird eingetheilt in die Einheit dem
Wesen nach und in die Einheit dem Accidens nach; die Einheit dem
AVesen nach nun gehört nur dem Schöpfer des Alls au, von welchem die
Die Theologie des Bachja ihn Pakuda.
249
a. Die offenbar accidentelle Einheit. Es ist diejenige, die
wir von Dingen aussagen, die ganz deutlich und sinnenfällig
als Vielheit, Zusammensetzung oder Ansammlung sich darstellen.
So nennen wir die Gattung Eine trotz ihrer vielen Arten, die
Art trotz ihrer vielen Individuen, das Individuum Eines trotz
seiner vielen Theile, das Heer trotz der zahlreichen Mannschaft
und jedes Maass trotz der Vielheit des dadurch Gemessenen.
Wiewohl jeder dieser Theile eine Einheit für sich darstellt,
so bildet ihre Gesammtheit doch auch eine Einheit, weil jene
.in einer Beziehung einander ähnlich sind und darum sich ver
einigen lassen. Eine solche Gesammtheit bildet also eine Einheit,
die einerseits eins, andererseits vielfach ist, die Einheit kann
ihr also nicht wesentlich sein, sondern nur als Accidenz zu
kommen.
b. Die nicht offenbar accidentelle Einheit. Es kann nämlich
ein Ding äusserlich als Eines erscheinen und nichts von Viel
fachheit oder Zusammensetzung merken lassen und dennoch
gar wohl der Mehrheit unterliegen. So begründet die in allen
Dingen vorhandene Zusammensetzung aus Stoff und Form oder
Substanz und Accidenz eine Mehrheit, die sich in keiner Weise
offenbar macht, wiewohl der Gegenstand durch sie der End
lichkeit, dem Entstehen und Vergehen, der Theilung und Zu
sammensetzung, der Trennung und Unterscheidung, dem Wechsel
und der Verbindung unterworfen ist. So gibt es also als Eins
bezeichnete Dinge, die gar wohl der Mehrheit zuzurechnen sind,
da sie der Einheit zuwiderlaufen. Ihre Einheit ist aber, wie
die jedes nur irgendwie der Mehrheit und Veränderung unter
worfenen Dinges, eine accidentelle.
Auch die substantielle Einheit zerfällt in zwei Unterarten,
und zwar sind dies:
a. Die ideelle substantielle Einheit. Es ist dies die Zahl
einheit, die Wurzel und der Anfang 1 jeder Zahl. Sie bedeutet
Einheiten in der Zahl und dem Gezählten ausgehen 1 , berichtet Schah-
rastani von Pythagoras (H. II, 93).
1 Diese Bezeichnung der Eins ist bei den lauteren Brüdern eine stehende.
,Der erhabene Schöpfer, sagen sie, ist vor allem Seienden, wie die Eins
die Wurzel und der Anfang der Zahl ist' (Dieterici, Weltseele 3- G),
vrgl. zum Gedanken, wie zu den Worten a. a. 0. S. 42 und 141,
250
Kaufmann.
ein Erstes, vor dem es kein Anderes gegeben, weshalb auch
im Sehöpfungsbericht (Gen. 1, 5) statt der erste Tag Ein Tag
gesagt wird, zum Zeichen dafür, dass es vor diesem keinen
anderen gegeben. Alle übrigen 1 Zahlen sind auf der Eins auf-
gebaut, die Zahl wird daher auch definirt als eine aus Einsen
zusammengesetzte Gesammtheit. Ideell aber ist diese Einheit,
weil sie nur im Gedanken besteht, reale Existenz kommt dem
Gezählten allein zu, nicht der Zahl.
b. Die reelle substantielle Einheit. In ihr ist nichts von
Mehrheit, nichts von Wandelbarkeit und Veränderlichkeit, über-,
haupt sind die beim Körperlichen geltenden Aussagen auf sie
nicht anwendbar. So darf sie nicht dem Entstehen und Ver
gehen unterworfen sein, nicht enden, sich fortrücken oder be
wegen, ihr gleicht nichts Anderes und sie gleicht nichts Anderem
und kann mit nichts in Verbindung treten. Sie ist eben die
wahre, beständige Einheit, die Wurzel aller Wahrheit. Ihr
kommt nicht Anfang und Ende zu, weil sie sonst dem Ent
stehen und Vergehen unterläge, sich also veränderte und dadurch
nicht Eins bleiben könnte. Denn das sich Verändernde ist vor
der Veränderung der Anfang 2 dessen, was später ein anderes
1 Was Bachja (S. 64) mit den Worten TO®J> 'U> pl * * • • ’3® Kip 1 TOI® Xin®21
inxn bx 31®’ p inxi habe sagen wollen, ist zweifelhaft. Es scheint,
als habe er seinen Gedanken, dass die Eins zur Bezeichnung eines Er
sten, vor dem es kein gleiches Früheres gegeben, verwendet werde, an
den ,Zahlstufen 1 des dekadischen Zahlensystems erweisen wollen, da hier
die Zehn-, die Hundert-, die Tausendzahl als Einheiten aus dem Grunde
auftreten, weil vor denselben in der lieihe der Zahlen keine von gleicher
Höhe vorkommt. Nach dieser Auffassung würden die Worte p "1HX1
mxn bx 2i®’ den Sinn haben, dass die Zehnzahl wieder eine Einheit
darstelle, da er früher nur die Zahlen bis zehn STUPJ7 IV pl betrachtet
hat, p also auf die Zehn selbst sich beziehen kann. Doch finden
wir dieselben Worte in der Darstellung* Schahrastanis von der Zahlen
lehre des Pythagoras, in ganz anderem Sinne: ,dann kehrt sie (die Zahl)
zur Eins zurück und wir sagen ahada aschara (elf, un-decim) 4 (Schahr.
H. II, 101). Nach dieser Stelle würden die Worte p "UlXl auf die Elf
sich beziehen müssen. Die Worte Ö'Hnfcttl p MTIÖ bb'D pÖH fTM 3 'V^
sind eine Anführung der Euklidschen Definition von der Zahl (Elemente
VII, Erkl. *2): ,Eine Zahl ist eine aus Einheiten bestehende Menge 4 .
2 mnx inbltb nbnnnn ÖT)p Xin ’D- (S. 65). Der Wortlaut de» Pariser und
des Oxforder Originals bietet an dieser Stelle manche Verschieden
heiten. Das unserem Texte gewöhnlich entsprechende Oxforder Ori
ginal hat die Stelle von iflfin ÖDDDttf an folgendermassen:
Die Theologie des Bacbja ihn Pakuda.
251
sein wird, es bleibt also nicht eines und dasselbe und enthält
so eine Mehrheit. Darum kann aber auch von Aehnlichkeit bei
ab^udl. ^.AÜC+i Lwjül. yS3\ xXi. Aj Lo J^k.
JA» AAAVwfrJ f 3 XAaöJ I viD dSj tboIA^ »-J 1 A»*2
^yc SääxAj J Aä-I«JLs ^-a-Caa ^jCyXxjo
A=>! JI 3 kjl A=»«Jt ^,1 JoU' Jli xj'IA 3
yc A=JJI 3 üA=*JI |jf LUi‘ \jöy£-
Lääas^ (vt-iööd xb insh “ibd3 “«wai =) tAli aAt yAJJI
5i A^yu S^aAJ ! , v.'ÜCJ I pA-C jcAX+J • ■ ? • ■ kßAiJ Lg.AX!
^j»5rv.'Jt. ^.aääJI. ^.axäJI jö I Ai v_a=»«-j k&AOj Au|j
^vLskJ! A=»I«.)I 3 JAilI IAgti ♦.-' kJIä..VaaJI•
^jAä.;J»t Ai»! «J!« Hier fehlen also clie schwierigen Worte: mV DK
’lDia bis inbub nbnnnn amp Sin '3 “inXÖ “inr- Die Pariser Handschrift hat
sie, wir lassen die Stelle mit ihnen beginnen: A^»l• ^yo ^.aS"! (?) y-^
caäai SAä-> l* 3 SjA-C ^a’ c! A.oJI J.AJ La’ 3 y$> IÖI
iij f» A»cJ I 200^.J A-ür aaabCo aJ b I ■—U 2c5 » ^.aA.J I aJ
A=»I^.J jja»aJ (jO^-ivÄA! J5 * (jCj-C JCaaIa+JI 3 AabaJ! 5'
^ | . jli ^ 0»^» I .A*——* ^ ».J ( 3 CCAA*AAb^ ^JtA.fl^>
ä A=» J! kÜAÜi» jwylj' ^ajuo JA 3j-a£JI s A=*j.J I
v_a=>^.j kÄAüj L_a.Ao^.j 5) A=* ID Li s*a£J I (jbaAc s A=> «.J A
yüCJ! xjIaJ Hier fehlen die Worte: '3 imSBJ tib tCT 3SD3 “ItTlOV
33H1 ’iann rB'SN pJ73 ÖX, die die Oxforder Handschrift, wie wir sehen,
enthält. Baclijas Bemerkung, dass die Eins der Einheit kein Accidens sei und
daher wohl von ihr ausgesagt werden könne, wäre man versucht, für eine
Polemik gegen Ihn Sina zu halten, und dennoch scheint sie es nicht zu sein.
Allerdings ist es Ihn Sina, von dem die Behauptung herrührt, die Einheit
sei ein Accidens, vrgl. Munk (Guide I, 57. >S. 233, 2). Maimonides stellt
sich in dieser Streitfrage auf die Seite des Ihn Sina (a. a. O.), während
Levi ben Gcrson (Milchamoth V, 3, 12. S. 281) sich dem Avcrröes an-
schliesst und die Behauptung Ihn Sinas mit vielen, auch dem Aristoteles
(Met. III, 3) entlehnten Gründen widerlegt, vrgl. Joel, Lewi heu Gerson,
S. 70, A. 2. Diese Behauptung hat also, wie man sieht, in der jüdischen
lieligionsphilosophie ihre Geschichte. Und doch ist sie es kaum, was
Bachja bei seiner Widerlegung im Auge hat. Man darf hierbei ein
Doppeltes nicht übersehen. Einmal spricht hier Bachja gar nicht von
der Einheit als einem Accidens, er braucht für seine Bemerkung die
Behauptung Ihn Sinas gar nicht zu kennen, er erklärt ausdrücklich, nur
K aufm ann.
252
dieser Einheit nicht die Rede sein, da ihr strenger Regriff jede
Zusammensetzung und Mehrheit ausschliesst, die Aehnlichkeit
aber als ein Aecidens sie vermehrfachen würde. Wir können
mit Einem Worte von dieser Einheit keine Eigenschaft aussagen,
da diese neben seinem Wesen bestehend in dasselbe Mehrheit
brächte. Man darf aber nicht so weit gehen und sagen, man
könne demnach nicht einmal von dieser Einheit aussagen, dass
sie Eins sei, weil auch dicss eine Eigenschaft, ein Aecidens ihres
Wesens wäre, denn mit der Aussage ihres Einsseins haben wir
nur ihr Wesen umschrieben und Mehrheit oder Vielfachheit da
von ferngehalten, worauf unsere Aussage über sie sich beschränkt.
Wie in dem bekannten Beweise für das Dasein Gottes
(vgl. Maimonides a. a. O. II, 1) aus dem Vorhandensein der
mit möglicher Existenz ausgestatteten, vergänglichen Dinge auf
ein Wesen von nothwendiger Existenz geschlossen wird, so hat
Bachja aus der in der Welt vorhandenen Mehrheit die reale
Existenz einer substantiellen Einheit postulirt. Sie muss exi-
stiren, weil es ohne sie eine Mehrheit gar nicht geben könnte.
Von Gott wissen wir bereits, dass er Einer ist, es gilt nur noch
den Nachweis, dass es diese Art der Einheit ist, die ihm
zukommt oder richtiger, dass beide, Gott und diese Einheit
zusammenfallen. Bachja führt diesen Nachweis auf zweierlei Art.
Wodurch entsteht ein Zusammengesetztes? Durch ge
trennte Theile, durch Mehrheit. Wodurch besteht ein Zusammen
gesetztes? Durch zusammenhängende Thoile, durch Einheit.
Trennung und Zusammenhang, Mehrheit und Einheit sind die
zwei Principien, durch die jede Zusammensetzung zu Stande
kommt. Die Welt erweist sich in allen ihren Theilen als Zu
sammensetzung, ihre Principien müssen daher Einheit und
von der Eins der substantiellen Einheit zu sprechen nöKH “117X2 nnnSnif
mpa, die man nicht in übertriebener Auffassung von dem strengen Be
griffe der Einheit für ein Aecidens halten dürfe und darum getrost aus-
sagen könne. Ferner ist aber hier auch gar nicht der Ort, wo die Be
sprechung der Lehre Ihn Sirias über die Einheit ihren Platz zu finden
hätte, da hier von Gott noch gar nicht die Rede und die substantielle Einheit
uns noch ein Ding neben ihm ist. Vielmehr wäre, wenn Bachja von
dieser Lehre wirklich Kunde gehabt hätte, in der Entwickelung der gött
lichen Eigenschaften davon zu reden gewesen, wie denn in der That auch
Maimonides und Lewi lien Gerson bei Gelegenheit derselben darüber ge
sprochen haben.
Die Theologie des Bachja ihn Pakuda.
253
Mehrheit sein. Was ist nun die Ursache dieser beiden? I)ie
Mehrheit kann es nicht sein, denn sie folgt begrifflich der
Einheit, sie ist das Spätere, wie die Zahl später ist als ihre
Wurzel, die Eins. Eine erste Ursache müssen sie haben, denn
die Ursachen können nicht ins Unendliche gehen. Einheit und
Mehrheit können es auch nicht sein, denn Einheit und Mehr
heit können doch unmöglich Einheit und Mehrheit geschaffen
haben, nachdem kein Ding sich selber macht. Da nun weder
die Mehrheit allein, noch beide zusammen die Ursache beider
sein können, so bleibt allein die Einheit als solche übrig. So
ergibt sich uns von der einen Seite als Ursache der beiden
obersten Principien 1 der Welt und mithin der Welt selbst die
Einheit, von der anderen Seite hat sich uns bereits Gott als
Ursache 2 der Welt ergeben, woraus denn klar hervorgeht, dass
Gott die Einheit ist.
Was wir an einem Dinge als Accidenz antreffen, muss
bei einem anderen substantiell anzutreffen sein, so zwar, dass
es nur mit dem Aufhören des Dinges von ihm weicht. So ist
an warmem 3 Wasser die Wärme Accidenz, am Feuer Substanz.
Es muss aber auch dieses Accidens von jenem Dinge herrühren,
in dem es als Substanz sich findet, wie denn auch warmes
1 Bachja hätte hier, wenn ihm die Lehre Gabirols, dass die Vielheit auf
die Seite der Materie, die Einheit auf die der Form falle (Melanges
S. 115, 116, V, 33 und 47), bekannt gewesen wäre, leicht den schein
baren Widerspruch lösen können, der darin liegt, dass er (c. 7, I) Materie
und Form, liier wiederum Einheit und Vielheit als oberste Principien der
Welt darstellt.
2 Bachja beruft sich hierfür nicht auf den Beweis für das Dasein des
Schöpfers (c. 6), sondern auf den ersten Einheitsbeweis, weil aus diesem
hervorging, dass nach dem Gesetze der an Zahl immer mehr abnehmen
den Ursachen die letzte Ursache Eine sein müsse, was mit dem von
dieser Seite sich ergebenden Beweise, dass das oberste Princip der Welt
die Einheit sei, zusammenstimmt.
3 Die Prämisse für diesen Beweis Bachjas können wir in einem Ausspruche
der lauteren Brüder finden: ,Das Feuer schüttet Erwärmung auf die
Gegenstände um sich her aus, somit ist Wärme dem Feuer substantiell
und die es herstellende Form. Ebenso besteht der Erguss des Wassers
im Befeuchten und Benetzen der demselben benachbarten Körper, die
Feuchte ist. dem Wasser substantiell, sie ist die sein Wesen herstcllende
Form 1 (Dieterici, Weltseele S. 142).
254
K a u f in a n n.
Wasser seine Wärme vom Feiler, feuchte Dinge ihre Feuch
tigkeit vom Wasser, dem diese substantiell ist, entlehnt haben.
Alle Dinge in der Welt haben eine accidentelle Einheit, es
muss also die Einheit in einem Dinge Substanz sein, aus dem
denn auch jene ihre Einheit als Accidenz entlehnen. Die Dinge
in der Welt rühren aber mit Allem, was sie haben, von Gott
her, auch ihre Einheit stammt aus ihm, Gott muss also die
substantielle Einheit sein.
Nur die uneigentliche Einheit ist es, die wir allen Dingen
in der Welt zuschreiben können, seien es nun Gattungen, Arten,
Individuen, Substanzen, Accidenzen, höhere oder geistige Wesen.
Denn sie alle enthalten eigentlich eine Vielheit und werden
nur mit Rücksicht auf ihre Zusammensetzung oder darauf,
dass sie in einer Beziehung gleiche Theile umfassen, 1 eins ge
nannt, wie sie denn auch in der That allen Accidenzen der
Körperlichkeit unterworfen sind. Gott allein kommt die eigent
liche Einheit zu, in ihm ist sie Substanz und von ihr trägt
alles Geschaffene seine accidentelle Einheit zu Lehen. 2 Gott
allein ist die wahre Einheit, keiner kann es neben ihm sein,
alle Bestimmungen, 2 die von der substantiellen Einheit gelten,
1 Ibn Sina, der diese Unterscheidung der Einheit nicht kennt, spricht sich
doch über die Aussage der Einheit in einer Weise aus, die Baclijas
Worte verdeutlichen kann: ,Das Eine durch die Zahl ist so beschaffen,
dass darin entweder Vielheit der Wirklichkeit nach ist, so dass es Eines
ist durch die Zusammensetzung und die Vereinigung, oder dass das nicht
der Fall ist, sondern Vielheit der Möglichkeit nach darin ist, so dass es Eines
ist durch den Zusammenhang 4 (Schahr. IT. II, 149).
2 Hier zeigt sich noch deutlicher die Uebereinstimmung des von Bachja
über die Einheit Vorgetragenen mit dem von Pythagoras angeführten
Ausspruche: ,Die Einheit wird einget.heilt in die Einheit dem Wesen
nach und in die Einheit dem Accidens nach • die Einheit dem Wesen
nach nun gehört nur dem Schöpfer des Alls an, von welchem die Ein
heiten in der Zahl und dem Gezählten ausgehen 4 (Schahr. H. II, 99).
Auch nach Bachja geht die Einheit der Dinge von Gott aus.
3 Wenn wir auch lange vor Bachja bei Juden und Arabern Aeusserungen'
über Gottes Einheit antreffen, die diese in möglichster Reinheit zu fassen
sich bemühen, so reichen sie doch bei weitem nicht an das heran, was
Bachja von dieser Einheit fordert. So sagt z. B. schon David ben
Menv.in al-Mokammez: |'ÜÖ Klffi» 11X3 Nb IHK NH n'Dpn '3 D'IDIK 13X1
bax rrrrn in*« xbi pus insa xbi pp pan irm wm» into xbi bna
-111333 inx wm 3i3’i «bi spb’n du» na pw» mi33n ncs’i»an -pi3 son
Die Theologie des Bacbja ibn Pakuda.
255
gelten daher auch von ihm, alles, was von ihr ferngehalten
werden musste, ist auch von ihm fernzuhalten, jede Aussage,
die als auf sie unanwendbar befunden wurde, darf auch auf
ihn nicht angewendet werden. Allo Dinge in der Welt sind in
einer Beziehung eins, in einer anderen vielfach, Gott allein
ist in allen Beziehungen Einer, er ist die Einheit schlechthin. 1
Die von jeder Art der Vielheit freie Einheit ist für Bachja
Gott. In der Frage nach dem Wesen Gottes können wir aus
dieser Begriffsbestimmung nicht erfahren, was Gott ist, sondern
allein, was Gott nicht ist. 2 Sie schneidet uns auch von vorn
herein den Weg ab, zu positiv lautenden Bestimmungen über
Gottes Wesen zu gelangen. Denn, mitten in diese Welt hinein
gestellt, können wir nur mit den aus ihr entnommenen Be
griffen und Vorstellungen ein Ding uns begreiflich machen,
die Einheit Gottes hat aber nichts, was dem Geschaffenen
ähnlich wäre, nur nach den Kategorieen des Seins können
wir Etwas bestimmen, diese haben aber auf jene Einheit keine
Anwendung.
Bachja ist in der jüdischen Religionsphilosophie der
Erste, der das Wesen Gottes in dieser Weise auffasst, es
mit der Einheit zusammenfallen lässt. Nicht von seinen jüdi-
(Orient 1847, Lb. 620) lb JltiniP |'K1- Aehnlicli lauten die Aeusserungen
Josef al-Basirs, vrgl. Frankl a. a. 0. S. 25. ,Ich glaube, dass Gott Einer sei
nicht im Sinne der Zahl, sondern in dem Sinne, dass eV keine Gefährten
habe 1 , heisst es bereits in einem aus dem zweiten Jahrhundert II. stam
menden arabischen Katechismus (Kremer a. a. 0. S. 40). So rein auch
diese und besonders des Mokammez Aeusserungen klingen, die Einheit,
wie sie Bachja fasst, ist, doch eine abstraetere, ja eine ganz andere.
1 So sehr auch die Bezeichnungen der Einheiten bei Plotin der Sache nach
dasselbe wie die Eachjas besagen, das Sv stp’sotuTov dem ’Öl’Jin IHK, das
to [j.ET 7 aXXou sv dem l“lpttn “IHK entspricht (s. Zeller a. a. 0. III 2 , 2,
426, 3), so sind die gleichen Termini dennoch nicht hei ihm anzutreffen.
Nur für HÖST! “HIN hat auch er den Ausdruck to ctXr)0Ö>; sv, eine Bezeich
nung, die in der sog. Theologie des Aristoteles für Gott als stehender
Ausdruck gebraucht worden zu sein scheint, -I.) heisst Gott
in der arabischen Uebersetzung dieses Buches und ebenso bei Bachja,
vrgl. Munk, Melanges S. 248, Amu. 3 und S. 254, Anm. 2.
2 Diese aus dem neuplatonischen Begriffe von Gottes Einheit nothwendig
hervorgehende Folgerung haben Plotin sowohl, wie Proklus ganz aus
drücklich gezogen, vrgl. Zeller a. a. 0. 436, 1 und 715, 3.
256
Kaufmann.
sehen Vorgängern, 1 nicht von den arabischen Peripatetikern, 2
aus dem neuplatonischenIdeenkreise allein kann er diesen
Gedanken entlehnt haben. Mit diesem Gedanken war das Wesen
Gottes in jene überschwengliche Höhe mystischer Unerreich
barkeit hinaufgerückt, zu der die ahnende Seele sehnsuchtsvoll
emporschaut, mit den Kräften ihres Denkvermögens aber nicht
emporzudringen vermag.
Nach der im Kaläm gebräuchlichen Darstellung der Lehre
von Gott hätte Bachja auf den Nachweis der Einheit die Be-
1 Sowohl die Ausführungen des Saadias (Ein. 11, 2, 3), wie die Aeusserungen
des Mokammez über die Einheit Gottes gehen von der bekannten mu’ta-
zilitischen Forderung aus, Gottes Wesen von jeder Vermehrfachung frei
zuhalten, von einer Identification Gottes und der Einheit kann bei ihnen
keine Rede sein. Die Worte des Mokammez (Lb. 47, 643): Sinti’ '3*7
"niwa xbi nam» 161 pbnna xSi s^nna xb mann niTir lö® mnan
wollen bloss Einheit des Wesens von Gott aussagen, nicht ihn die wahre
Einheit nennen.
2 Sowohl die Aeusserungen Alfarabis (Selnnölders, Documenta S. 46) als
die Ibn Sinas über diesen Gegenstand beweisen, dass sie nur aus der
Annahme des Nothwendig-Existirenden, eines Begriffes, den Bachja gar
nicht kennt, die Einheit Gottes ableiteten. Für Ibn Sina geht dies be
sonders aus der Stelle hervor, wo er über die Einheit des Nothwendig-
Existirenden am ausführlichsten sich ausspricht: ,Es ist . . vollkommen
in seiner Einzigkeit, Eines von Seiten des Vollkommenseins seiner
Existenz, Eines in der Beziehung, dass seine Begriffsbestimmung ihm zu
kommt, Eines in der Beziehung, dass es nicht getheilt wird durch das
Wieviel und durch die Bestandteile, welche es constituiren, auch nicht
durch Tlieile der Begriffsbestimmung, Eines in der Beziehung, dass jedem
Dinge eine Einheit und dadurch Vollkommenheit seiner wesenhaften
Wahrheit zukommt, und Eines in der Beziehung, dass seine Rangstufe
seitens der Existenz, nämlich die Notwendigkeit der Existenz, nur ihm
allein zukommt 1 (Schahr. H. II, 253).
2 Plotins Aeusserungen über die absolute Einheit Gottes (ro mzvrw; ev =
a'33 bSÖ “IHK xnan bei Bachja c. 9, Ende) haben mit denen Bachjas so
viel Uebereinstimmendes, dass an dem neuplatonischen Ursprung der
Lehre von der Einheit Gottes bei Bachja nicht gezweifelt werden kann.
Mag auch Plotin selbst niemals ins Arabische übersetzt worden sein
(Munk Melanges 240; Renan, Averroes et l’Avorroisme S. 71, 1), so ist
doch die Bekanntschaft der Araber mit dem neuplatonischen Schriftthum
eine so wohl bezeugte Thatsaclie (Schahr. H. 11, 192—197; 429, Munk a. a. 0.
Selnnölders Essai S. 98, Steinschneider, Al-Farabi S. 115, 50), dass die Ab
hängigkeit Bachjas von den Neuplatonikern nichts Auffälliges haben kann.
Die Theologie des Baclija ihn Palcuda.
257
weise für die Unkörperlichkeit Gottes müssen folgen lassen.
Und doch suchen wir eine Behandlung gerade dieses Punktes
bei ihm vergebens. Warum er sie zu geben unterlassen hat,
kann keinen Augenblick zweifelhaft sein; sie wäre nach seiner
Auseinandersetzung über die göttliche Einheit nur überflüssig
gewesen. Gott ist die Einheit, in der es nicht einmal eine
Aehnliclikeit mit dem Geschaffenen geben kann, weil diese Zu
sammensetzung, Vermehrfachung in sein Wesen hineinbringen
würde. Von diesem Wesen noch nachweisen, dass es kein
Körper sein könne, Messe die hohe und reine Auffassung von
der Einheit nur beeinträchtigen. Mit der Einheit ist bei Baclija
auch die Unkörperlichkeit Gottes bewiesen.
Weit entfernt, auch nur die Möglichkeit für die Annahme
einer Körperlichkeit Gottes übrig zu lassen, birgt dieser über
schwengliche Begriff der Einheit die Gefahr, das Wesen Gottes
dem Bewusstsein des Menschen zu entrücken und durch Un
begreiflichkeit zu verflüchtigen. Wir wissen Gott und sollen
doch nichts über ihn wissen können, wir bekennen ihn und
sollen ihn nicht erkennen dürfen, wir fühlen uns gedrungen,
die Fülle seiner Vollkommenheit in Bestimmungen auseinander
zulegen und so uns fassbar zu machen und mit jeder unserer
Aussagen sollen wir seine Einheit verletzen, sein Wesen in
die Endlichkeit herunterziehen. Nur (furch Bestimmungen be
greifen wir ein Ding, das Bestimmungslose ist uns unbegreiflich;
sollen wir ein Bewusstsein von Gott haben, dann müssen wir
etwas von ihm aussagen können. Raubt uns aber nicht der
strenge Begriff von der Einheit jede Möglichkeit, zu Aussagen
über Gott zu gelangen? Diese Frage muss beantwortet werden
und hiermit ist Bachja bei jenem Gegenstände angelangt, der
die Schulen des Islam sowohl wie die jüdischen Religions
philosophen so lebhaft beschäftigte, der Lehre von den göttlichen
Eigenschaften.
Bachjas Lehre von (len göttlichen Eigenschaften.
Auf welchem Wege gelangt die Vernunft zur Erkenntniss
von dem Dasein Gottes? Durch die Betrachtung der Welt,
durch den Rückschluss von dem Geschaffenen auf einen
Sitzungsber. d. pliil.-biat. CI. LXXVU. Bd. I. Hft.
17
258
K aufm an n.
Schöpfer. Auf demselben Wege gelangt aber auch der Mensch
zu Aussagen über Gottes Eigenschaften, denn aus der Art des
Gewirkten schliesst er auf die Art des Wirkenden und nach
den verschiedenen Gesichtspunkten, unter denen die Welt sich
ihm darstellt, glaubt er, verschiedene Seiten im Wesen des
Schöpfers bezeichnen zu können. Mannigfach, 1 wie die Schöpfun
gen Gottes und seine an diesen hervortretenden Wirkungen
und Wohlthaten, sind nach Baclija (c. 10) die von den
Menschen Gott beigelegten Eigenschaften. Und doch kann die
Fülle sowohl der auf diesem Wege durch die Vernunft gefun
denen, als auch der in der Schrift vorkommenden göttlichen
Eigenschaften in zwei Gruppen zusammengefasst werden, in
die 1. Wesens- und 2. Thätigkeitsattribute.
Wesensattribute sind diejenigen, die nicht aus dem Ver-
hältniss Gottes zu seinen Geschöpfen abgeleitet ihm vor und
nach diesen an und für sich zukommen. Nur drei solcher
können wir Gott beilegen, es sind diess: Seiend, Einer, Ewig.
Ihnen ist vornehmlich die Bedeutung zuzuschreiben, dass sie
den Gottesbegriff dem Bewusstsein der Menschen vermitteln
und nahebringen. Sie sind allesammt auf speculativem Wege
gefunden und aus sicheren Beweisen abgeleitet. Die Betrach
tung alles Geschaffenen hat uns zur Annahme eines Schöpfers
genöthigt, den wir seiend uns denken müssen, denn von dem
Nichtseienden kann keine Wirkung ausgehen. Die Schöpfung
hat uns zur Annahme einer letzten Ursache hingeleitet, vor
der es keine frühere geben kann, so mussten wir denn Gott
ewig nennen. Ebenso haben entscheidende Beweise uns ge
lehrt, dass Gott Einer, ja dass er die von jeder Art der Viel
heit freie Einheit ist.
1 Mit diesem Gedanken Bachjas vergleicht sich auffällig eine Aeusserung,
die von den Arabern dem Pythagoras zugeschrieben wurde: ,Es erkenne
ihn (den Schöpfer) jede der Welten nur nach Maassgabe der Wirkungen,
welche in ihr zur Erscheinung kommen, so dass sie ihm Attribute bei
lege und ihn beschreibe nach diesem Maasse, welches ihr von seinem
Wirken eigenthümlich ist, dass also den Existenzen in der geistigen Welt
eigenthümliehe geistige Einwirkungen eigen seien und sie ihm in Folge
dieser Einwirkungen Attribute beilegen: es beschreibe ihn (den Schöpfer)
also Jeder nach seinem (eigenen) Wesen und halte ihn heilig nach den
Eigenthümlichkeiten seiner (eigenen) Eigenschaften 4 (Sehahr. II. IT, 98, 99).
Bachjas Worte gewinnen durch diese Stelle an Klarheit.
Die Theologie des Bachja ihn Paknda.
259
Widerspricht aber nicht die Annahme dieser Wesenseig-en-
schaften 1 der göttlichen Einheit? Bringt nicht die Mehrheit
dieser Attribute eine Vermehrfachung 2 in Gottes Wesen hinein,
das dadurch allen Accidenzen der Körperlichkeit unterworfen
'wird? Keineswegs. Einmal drücken diese Eigenschaften nichts
Positives aus, dessen innere Unterscheidung Verschiedenheit
und Zusammensetzung im göttlichen Wesen begründete, sie
enthalten eigentlich nur Negationen, da sie das Gegentheil des
durch sie Bczeichneten allein von Gott verneinen wollen; eine
Mehrheit negativer 3 Bestimmungen bringt aber niemals eine
1 Die Definition Bachjas von den Wesensattributen erweckt den Schein,
als glaube er mit ihnen etwas über das Wesen Gottes in seinem Anund
fürsichsein und seiner Trennung von der Welt ausgesagt zu haben.
Dass aber Bachja dies nicht geglaubt habe, geht aus seiner eigenen
späteren Darstellung sowohl wie aus der Sache selbst hervor. Wie sollten
auch diese Eigenschaften über das Wesen Gottes, abgesehen von seinem
Verhältniss zur Welt etwas aussagen können, da sie doch nur auf dem
Wege der Betrachtung der Welt gefunden wurden? Sie bedeuten aber
in ihrer Gegenüberstellung zu den Thätigkeitsattributen in Wahrheit nur
das, was in der christlichen Dogmatik die quiescentia gegenüber den
operativa bedeuten (vrgl. Bretschneider, Handbuch der Dogmatik I, 478),
solche Attribute nämlich, in denen kein Begriff der Thätigkeit liegt, die
also Gott unabhängig von den seine Einwirkung’ erfahrenden Geschöpfen
darstellen. Von dieser Seite vornehmlich hat sie Bachja denn auch in
der That in seiner Begriffsbestimmung aufgefasst.
2 Wenn Bachja hier als die aus der Annahme mehrerer Eigenschaften
hervorgehenden Folgen für das Wesen Gottes nur angibt, so
muss man bedenken, dass diese beiden nur die Anfangsworte der kurz
vorher angeführten Accidenzenreihe sind, die aus der Mehrheit sich er
gibt und die man hier zur Vervollständigung des Gedankens sich einfach
ergänzen muss.
3 (Em. ram. 53) rD h W sagt in gleichem Sinne bündig
und bestimmt Abraham ihn Daud. Wenn Bachja hier von jenen Bestim
mungen, die er zuerst zu beweisen sich gemüht hat, behauptet, wir dürften
nur im negativen Sinne sie aussagen, so ist das kein Widerspruch. So
z. B. wenn er oben (c. 5, fi) das Dasein Gottes bewiesen hat und hier
angibt, dass wir Gott nur in dem Sinne Seiend nennen dürfen, dass wir
das Nichtsein von ihm leugnen. Ebenso entwickelt Albo (Ikkarim II,
1) dass es eigentlich nicht angehe, von Gott, über dessen Wesen wir
nichts wissen können, Dasein auszusagen. Doch meint er, dass wir es
nicht in Hinsicht auf sein Wesen, sondern nur insofern als alle Dinge
von ihm herkommen, ihm heilegen. Also ist das Attribut: Seiend ein
17*
260
Kaufm a n n.
Molirfaclilieit in dem Gegenstände dieser Aussagen hervor. Fer-
ner aber, und das ist das Wichtigste, sinn diese Eigenschaften
nicht einmal real unterschieden. Soll nämlich die göttliche
Einheit inmitten einer Vielheit von Eigenschaften aufrecht
erhalten werden, dann müssen diese die Forderung erfüllen,
dass der äusseren Verschiedenheit ihrer Aussagen keine Ver
schiedenheit des Inhalts im Wesen Gottes entspreche, dass
mit anderen Worten Gott z. B. durch seine Einheit da sei und
durch seine Ewigkeit Eine)' sei.
Diese Forderung erfüllen sie aber in der That. So
ist zugleich mit der Eigenschaft der wahren Einheit Sein
und Ewigkeit mitgesetzt. 1 Denn dem Nichtseienden können
negatives, das nur leugnen will, dass Gott nicht ist. Die Thatsache des
göttlichen Daseins liegt also darin ausgesprochen, nur dürfen wir nicht
glauben, dass wir von Gottes Wesen damit etwas wissen. Mit anderen
Worten könnte man sagen: Die Wesensbestimmungen sind Priidicate,
nicht Attribute Gottes.
1 Die Unverträglichkeit einer strengen Auffassung der göttlichen Einheit
mit der nothwendigen Annahme einer Vielheit göttlicher Eigenschaften
hat in der Geschichte der Attributenlehre zu manchen Vergewaltigungen
des gesunden Menschenverstandes führen müssen. Die innere Verscliieden-
lieit der Eigenschaften wurde aufgehoben, jede Bestimmung musste wohl
oder übel dasselbe wie alle anderen bedeuten und das, was für unsere
Vernunft unvereinbar verschieden ist, sollte in Gott identiscli sein. Daher
kam Augustinus zu dem Ausspruch: eadem magnitudo ejus est quae
sapientia ... et eadem bonitas, quae sapientia et magnitudo, et eadem
veritas, quae illa omnia: et non est ibi aliud beatum esse, et aliud magnum
aut sapientem, aut verum, aut bonum esse, aut omnino ipsum esse (de
Trinitate VI, 7), in Bezug auf welchen Strauss (a. a. 0. I. 541) mit Recht
bemerkt: ,Unter einer Gerechtigkeit, die dasselbe mit der Macht, oder
einer Weisheit, die dasselbe mit der Ewigkeit sein soll, sind wir nicht
mehr im Stande uns etwas zu denken 1 . Und al-Aschari stellt an die
Leugner der Attribute, d. h. an diejenigen die diese als Vielheit nicht
anerkennen wollten, denn das Vorhandensein der Eigenschaften konnte
ja füglich Keiner bestreiten, die Forderung, ihm zuzugeben, dass nach
ihrer Ansicht Gott ,durch sein Allmäehtigsein wisse und durch sein All
wissendsein mächtig sei“ (Schahr. H. T, 9!)). Der scharfblickende Mann
hatte hiermit in der That den wunden Fleck der mu’tazilitisehen Attri-
butenlehre getroffen. Die jüdischen Denker haben zu solchen Gewalt
tätigkeiten der an sich selbst verzweifelnden Vernunft sich nicht verstehen
können, und durch scharfe Scheidung der Attribute in verschiedene Arten
ist es ihnen gelungen, die Identification derselben nur auf die Wesens
attribute zu beschränken, bei denen diese Maassregel geringere Schwierig-
Die Theologie des Bach ja ihn Pakuda.
261
weder Einheit noch Vielheit, als Bestimmungen des Wirk
lichen, beigelegt werden. Ebenso liegt in dem Begriffe der
wahren Einheit die Ewigkeit, da Anfang, Endlichkeit oder
Veränderlichkeit die Einheit durch Vermehrfachung auf
höben. Ebenso ist aber auch Einheit und Ewigkeit in
dem Begriffe des beständig Seienden enthalten. Es muss
keit bietet, da sie als ,analytische Bezeichnungen des göttlichen Wesens,
welche im Grunde identisch sind 4 (Bruch, die Lehre von den göttlichen
Eigenschaften S. 97), ihre Identität ohne Zwang erweisen lassen. Saadias
hat in der jüdischen Religionsphilosophie zuerst diese Aufgabe gelöst und
der Grundgedanke Bachjas in dieser Auseinandersetzung über die sub
stantiellen Attribute ist ihm entlehnt. Baehja sucht die scheinbare Viel
heit oder Dreiheit derselben dadurch zu beseitigen, dass er sie als Eines
nachweist, das mit Einem Namen zu nennen darum nicht genügt, weil
uns durch diesen nicht alle drei Seiten desselben auf einmal vorstellig
würden (S. 72). So sind auch bei Saadias (Em. II, c. 4; S. 44) die Attribute:
Lebend, Mächtig, Weise nur Auseinanderlegungen der einen Aussage:
Schöpfer, die unserer Erkenntniss in jedem Augenblick als Einheit
gegenwärtig sind: ’bs DIXnS Wlpb 13b3E7 Q1KSÖ D'rjJJ nE'bETI nbxi
nriK ntOEÖ mEtna- Auch Baehja sagt von ihnen: bstWI DillX bbl3E> 1H3.
Diese Attribute sind also nicht vielfach in Gott, sondern allein in unserer
Ausdrucksweise, daher sagt Saadias: riflX i"DD IJTJinb IDYnTO 1 ? 1 ? -piiD K 1 ?
nn'br pbnb us-nom dtj» 'an nbx nxspö nb» jiE’bs exes xb ’3
mbön E>bE>3- Genau dasselbe sagt Baclija: 'IT KTnn flHDE XEÖJH ’lElni
nnx nb»3 war j'iwia “laoan nrba na “onp naa pn maa aar tsa ws
l’by minE>- Bin Muster für Bachjas Identification der Attribute liefert
Saadias auch im Einzelnen, wenn er sagt: bl3’ xbl bl3' DX '3 HW Xb '3
(ib.) rrrr -px nwir amp in’» ’»a xbx jpinan ’wyn nn’ xbl ’n ax '3,
w r o also die Identität des Attributes Schöpfer mit allen Dreien und die
Art, wie es diese enthält, nachgewiesen ist. Während aber bei Saadias
die Attribute die Tlieile sind, in die wir die Inhaltsfülle des Begriffes
Schöpfer auseinanderlegen, ohne dass jeder Theil auf alle übrigen
schliessen Hesse, stehen die Attribute Bachjas in so unlöslicher Ver
bindung, dass jedes die übrigen logisch aus sich hervorgehen lässt.
Saadias hat nur Eine Bestimmung von Gott, die er in ihre Begriffe
zerfällt, Baehja drei Bestimmungen, von denen aber jede die übrigen
voraussetzt. Baehja hat die Methode und die Grundzüge für diese Dar
legung dem Saadias entlehnt, die Sache selbst, aber bedeutend weiter
entwickelt und vertieft. Denn die Wesensattribute bei Saadias, wiewohl
sie mit dem Wesen als durchaus Eins sich erweisen, lassen ihre Identität
unter sich durchaus nicht so leicht erkennen, während ihre Identität bei
Baehja, weil es eben bei ihm eigentliche Wesensattribute und nicht zum
Theil Thätigkeitsattribute wie bei Saadias sind, streng logisch sich er
weisen liess.
2(12
Kaufman n.
ewig sein, weil jeder Uebergang von Sein zu Nichtsein oder
zu anderem Sein der Beständigkeit zuwiderliefe, im Begriffe
des Beständigen die Anfangs- und Endlosigkeit liegt, es muss
aber auch Eines sein, weil es als Beständiges immer da ge
wesen sein muss, das Viele aber an der Eins ein Vorangehendes
hat, also begrifflich später kommt und somit einen Anfang
hat. So schliesst aber auch endlich das Ewige den Begriff des
Einen und des Seienden ein. Das Ewige ist Eines, weil es
nur unter dieser Bedingung ewig sein kann, indem das Viele
an der Eins seinen Anfang hat und ist zugleich seiend, weil
ja das Nichtseiende weder ewig noch geschaffen sein kann.
So rufen also diese Eigenschaften weder Getrenntheit 1
im Wesen Gottes hervor, noch bringen sie Accidenzen oder
Vermehrfachung in dasselbe, sie sind eben negative Bestim
mungen, die noch dazu ein und dasselbe besagen. Allerdings
umfasst jede dieser Bestimmungen den ganzen Begriff, da er
logisch ganz aus jeder von den dreien sich ableiten lässt und
dennoch konnte nicht eine allein zur Bezeichnung ausreichen.
Denn nur logisch lässt aus Einer der ganze Begriff sich ent
wickeln, keineswegs hat aber Eine dieser Bestimmungen allein
solche Kraft des Ausdrucks und so sicheres Bezeichnungsver
mögen, dass die drei Seiten des vollen Begriffs sofort dadurch
uns vor die Seele geführt würden. So musste denn das, was
wir als eine Einheit erkennen, um ganz und voll es auszudrücken,
in der Sprache in drei Bezeichnungen auseinandergelegt werden.
Nicht eine im göttlichen Wesen wirklich vorhandene Vielheit 2
1 Was hier ‘’lDtT bedeutet, erfahren wir aus Saadias, der es so definirt(S. 45):
nt nbu nt rwi» njtst, also innere Verschiedenheit der Aussagen und
ihres Inhalts in Gott. Auch er bestreitet, dass diese Attribute in Gott
iYlDJlttftn erzeugen, da diese nur bei Substanzen und Accidenzen,
nicht aber bei ihrem Schöpfer Vorkommen können. Was Bachja lD'OJJS
nennt, heisst bei Saadias mit dem Schulausdruck der Mutazila 1Ö2CI73 DSDiri =
Sj'ti
- Es könnte auffällig- erscheinen, dass bei der Annahme ausschliesslich
negativer Attribute, wie Bachja sie lehrt, noch der Versuch gemacht
wird, die Vielheit der Scheinbar positiven zu beseitigen. Man darf aber
nicht vergessen, dass nicht allein scheinbar, sondern wirklich allen nega
tiven Attributen ein Positives zu Grunde liegt, da eine leere Negation
Die Theologie des Baclija ihn Pakuda.
263
hat alsu die Vielheit von Bezeichnungen zur Folge, vielmehr
ist es die Schwäche der menschlichen Sprache, die das
durchaus einheitliche Wesen Gottes mit den klar daraus her-
vorgelienden Bestimmungen in einem einzigen Ausdruck zu
umfassen und anschaulich zu machen nicht im Stande war.
Hält man den Grundsatz von der Unvergleichbarkeit 1
Gottes unausgesetzt fest, so wird man auch die Bezeichnungen
göttlicher Eigenschaften richtig beurtheilen. Man wird dann
erkennen, dass den Attributen nur negative Bedeutung zuzu
schreiben ist, dass sie gewöhnlich nur das besagen wollen,
dass das Gegentheil des durch sie Ausgedrückten von Gott
fernzuhalten sei. So sagt denn auch Aristoteles: 2 Die negativen
Attribute Gottes sind wahrer als die positiven. Denn jedes
eben gar nichts aussagt (vrgl. Bruch a. a. O. S. 04; Bretschneider a. a.
O. S. 478). Es bedarf also selbst bei negativen Attributen des Nach
weises, dass die durch sie mitgesetzten Positionen keine Vielheit in Gott
erzeugen, wie denn auch Abraham ihn Daud die Vielheit der negativen
Attribute aus einem Schielen unseres Verstandes erklärt, dem die reine
Einheit in eine Vielheit auseinandergeht, wie der Schielende ein Ding
doppelt sieht (Em. Rain. S. 53, Weils Uebers. S. 07).
1 Auch Saadias führt als fünftes Wesensattribut: die Unvergleichlichkeit
Gottes an, das mehr ein Attribut der Attribute als Gottes selbst ist, in
dem es diesen den Charakter der Negation leiht und sie über die Sphäre
des gewöhnlich durch sie bezeichneten Endlichen herausheben will.
2 Der arabische Text lautet:
^JQ wie Munk (Guide I, 239 Anm.) angibt,
der diese angeblich dem Aristoteles entlehnte Stelle für apokryph erklärt.
Möglich, dass sie in einer pseudoaristotelischen, von neuplatonischen
Ideen erfüllten Schrift, wie es z. B. die Theologie des Aristoteles ist,
diesem zugeschrieben erschien. Baclija scheint sie dem Mokammez ent-
lehnt zu haben, bei dem sie so lautet: DllnD '3 Fpmb’Sn aPBBB-|K “l»Kl
nnvan nvvnn ja mr xnan bs paxb itm na« p nusmaan (Orient ist7,
Lb. 63-J; mp rvo’bn S. 76). Abraham ibn Daud führt diese Stelle ohne
Nennung des Aristoteles zwar, aber als eine offenbar bekannte und
canonartige an in der Fassung: b)> D^flÖK “IfllP B'IKnn IN a’lÖKanty JH
Wlb’bwn an QjaX Tl’l TP bxn (Em. ram. S. 51). Ihn Falaquera im
mian mia S. 29 citirt die Stelle in wortgetreuer Uebersetzung des von
Munk (a. a. O.) nütgetheilten arabischen Textes aus Baclija, woraus
hervorgelit, dass die Anführung aus Aristoteles bei Baclija (S. 72) sich bis zu
den Worten I 1 ? DUTUM H3D1 erstreckt. Das Citat bei Falaquera stammt
vielleicht aus Künchis Version.
264
Kaufm an n.
positive Attribut kann nur entweder das einer Substanz oder
eines Accidens sein, dem Schöpfer von Substanz und Accidenz
kann aber keine ihrer Eigenschaften zukommen. So kann also
nur Negatives 1 von Gott ausgesagt werden.
Mussten die Wesensattribute als solche aufgefasst werden,
die nur Gott allein zukommen, so kann die zweite Gruppe
von Eigenschaften, die der Thätigkeitsattribute 2 , Gott und den
1 Die Delire von den negativen Attributen, die neuplatoniselien Ursprungs
ist (vrgl. Zeller III 2 , 2, 436), haben von Al-Kendi an alle arabischen
Philosophen angenommen (Munk, Mel. 319, 320, 341 A. 1). Diese Lehre,
die Bachja vor Saadias auszeichuet, ist eigentlich der Sache nach schon
bei ihm vorhanden, da er die tiefe Einsicht ausspricht, streng genommen
würde nur das Sein allein 13*73 flW'H (S. 50) von Gott behauptet
werden können. In scharfer Ausbildung scheint sie Mokammez bereits
gekannt zu haben, wie dies besonders aus folgender Stelle hervorgeht:
oiiyn pibn isa abs nmyias man: sb döh am mnwan a'j'jyn bax
aan rby maxtysi nn'a uo» upmn ’n rby uiisxir ryy '3 uöö a-pnun
niabtt i:aö upmn nsm yaur rbv inastyai nibisi m'raa uaa upmn
jmn (Orient 1847, Lb. S. 682). Bemerkenswerth ist es übrigens, dass in Spa
nien Leugnung der Attribute mit Orthodoxie bei den Arabern sicli vertrug,
was nach dem eigentlichen Kalärn nicht statthaft ist. So bemerkt z. B.
Kremer (a. a. O. S. 89) von Ihn Hazm: ,1m orthodoxen und glaubens
eifrigen Spanien schrieb um 1058 der gelehrte und fromme . . Ihn Hazm
sein Werk über die Religionen und Sekten . . leugnet aber mit einer
Heftigkeit, die eines Mu’taziliten würdig wäre, die Attribute 4 . Wiewohl
also bei Juden und Arabern der Ansatz zur Lehre von den negativen
Attributen vorhanden war, so verräth deren Entwickelung bei Bachja
dennoch neuplatonischen Ursprung, wie auch schon die Aufstellung so rein
abstracter Wesensattribute, wie Sein, Einheit und Ewigkeit auf eine
philosophische Quelle schliessen lässt und speciell mit Proklus (s. Zeller
III 2 , 2, 715) manche Verwandtschaft zeigt.
2 Nach Schahrastani (IL I, 95) ist die Unterscheidung zwischen Attributen
des Wesens und des Thuns JuiaJI neueren
Ursprungs. Jedoch wird im Fikh alakbar, einem um’s Jahr 800 ge
schriebenen arabischen Katechismus, diese Unterscheidung bereits an
geführt und als Beispiele für die Thätigkeitsattribute werden ,die
Schöpfung, die Ernährung, die Entwickelung, die Hervorbringung und
noch andere Attribute der Energie 4 daselbst aufgezählt (s. Kremer a. a.
O. S. 40). Auch bei Saadias finden wir diese Unterscheidung p3
D^rS!"! filöttfl Düjpn (Em. II, 8; S. 54). Blochs Einwände gegen diese Be
hauptung (Frankel-Grätz Mtsch. 1870, S. 407) habe ich in meiner Darstel
lung der Saadianischen Attributenlelire widerlegt. Bei Maimuni (Guide I,
C. 52) bilden die Thätigkeitsattribute die fünfte Abtheilung der Eigenschaften.
Die Theologie des Bachja ihn Pakuda.
2G5
Geschöpfen gemeinsam sein. Während jene als Anssagen über
Gott ohne Rücksicht auf sein Wirken sich darstellen, wollen
diese gerade sein Verhältniss zum Geschaffenen und Gewirk
ten bezeichnen. Sie sind es, die am Häufigsten in der Schrift
angewendet erscheinen. Sie umfassen zwei Arten von Bestim
mungen: 1. Solche, die körperliche Gestalt und Aehnlichkeit
Gott zuschreiben, wie Ebenbild, Mund, Hand, Ohr und alle
Namen von Körpertheilen; 2. solche, die körperliche Bewe
gungen und Thätigkeiten von Gott aussagen, wie: Riechen,
Sehen, Bereuen, Betrübtsein, Herabkommen, Gedenken, Hören,
Erwachen und ähnliche Ausdrücke menschlicher Thätigkeiten.
Die Alten haben in ihren Uebersetzuugen sich bemüht, solche
Nach der genaueren Ausführung und Begriffsbestimmung (Guide I, c. 54;
S. 218) sind diess vornehmlich die Ex. 34, 6, 7 aufgezählten göttlichen
Eigenschaften, die das Wirken Gottes in der Welt kennzeichnen. So
definirt auch Ahron ben Elia, liier übrigens treu dem Maimonides folgend,
die mbiys nsn als solche, nitaajn bv inanjn "wpi inansn jnin oms?
(Ez Chajim, c. 92, Ende). Nach der Aufzählung der darunter begriffenen
Attribute in c. 93 WJnm D'Ornn scheint es, dass nur seelische
Affectionen als bildlich vorausgesetzte Bedingungen gewisser von Gott aus
gehender Wirkungen darunter befasst wurden. Auch Jehuda Halewi im
Kusari (II, 2; S. 87) definirt die nflWJÖ» wie sie dort heissen, als her
genommen von den durch Gott erfolgenden Thätigkeiten und führt eben
falls nur innere Affectionen an, wie Dpttl K13pl p3Hl ÖHTl* Merkwürdig
und ganz ungewöhnlich ist daher bei Bachja der Gebrauch der DY^rS fYHÖ
oder Thätigkeitsattribute, da er, was sonst nicht vorkommt, sowohl alle
Eigenschaften körperlicher Gestalt wie . physischer oder menschlicher
Wirksamkeit und Affection zu ihnen rechnet. Welche Neuerung er be
sonders mit der Einbeziehung der deklarativen Bestimmungen Gottes in
die energischen oder Thätigkeitsattribute vollführte, kann man am Besten
daran erkennen, dass der alte Kaläm im Fildi alakbar die Unterscheidung
von Wesens- und Thätigkeitsattributen wohl kannte, von den declarativen
aber in der bekannten Weise der Orthodoxen (Schahr. H. I, 9G) spricht:
,Wenn Gott im Koran das Antlitz, die Hand, die Seele erwähnt, so sind
dies Attribute für ihn, ohne dass das Wie begriffen wird 1 (Kremer a. a.
O. S, 42). Es lässt sich aber verstehen, inwiefern declarative Attribute
doch Thätigkeitsattribute genannt werden können, indem jene nur mit
Rücksicht auf gewisse nach menschlicher Analogie Körperliches zur Vor
aussetzung habende Wirkungen geäussert werden. Wenn die Eintheilung
nach Wesen und Thun in der That alle Attribute befassen soll, so ist
es sogar klar und nothwendig, dass die von Bachja angeführten körper
lichen Eigenschaften und Aussagen in die letztere Gruppe verwiesen
wurden.
266
Kaufmann.
Stellen geistig- aufzufassen und die krasse Körperlichkeit sol
cher Ausdrücke möglichst abzustreifen, wie dies bereits Saadias
in seinem religionsphilosophischen Werke, im Commentar zur
Bibel und zum Buche Jezira 1 genügend ausgeführt hat. Das
bedarf daher keiner weiteren Darlegung.
Wozu aber überhaupt solche Attribute, die hinterher doch
wieder vergeistigt, in anderem Sinne gefasst, aufgehoben wer
den müssen? Lediglich der Nothwendigkeit, die Ueberzeugung
vom Dasein Gottes in den Seelen zu befestigen, verdanken sie
ihre Anwendung. 2 Nur weil es nöthig ist, dass der Mensch,
wenn er Gott verehren soll, einen Begriff von ihm habe, dieser
aber durch blosse Abstracta niemals zu erreichen ist, hat die
Schrift lieber diese körperlichen Ausdrücke gewählt, die Allen
1 Auf einige der hier von Bachja angeführten Stellen aus dem Pentateuch-
und dem Jezira-Commentar beruft Saadias sieh selbst zu wiederholten
Malen (Ein. I, 1; S. 20; II, 3; S. 44).
2 Den tiefen Gedanken von dem Erziehungsplane des göttlichen Gesetzes,
das zu Menschen sinnlich spricht und daher auch leibliche Ausdrücke
über Gott nicht scheut, schreibt Bachja deutlicher und schärfer, als es in
der Uebersetzung uns vorliegt, im arabischen Texte dem Saadias zu.
Munk (Notice sur Saadia 44, 1) führt diese Stelle an. Anklänge an
diesen Gedanken findet man auch bei den Arabern. So erklären die
lauteren Brüder die ,fleischlichen 1 Ausdrücke des Korans in einer Bachjas
Erklärung durchaus analogen Weise. ,Alle Menschen werden angeredet,
je nachdem es ihrer Vernunft- und Erkenntnissstufe, ihrem Erkenntnis
vermögen entspricht, da die Propheten sowohl für die Höheren als das
Volk, sowie für Alle, die dazwischen stehen, reden 1 (Dieterici, Anthropo
logie S. 153). Genau so sagt Bachja (S. 74): ni'TinW T“l5t ITH p bp
yölltin nra na 'SS D’S’jym mban. ,Er [der Prophet], heisst es bei den
lauteren Brüdern weiter, stellte daher die Eigenschaften des Paradieses
in seinem Buche körperlich dar, damit solche dem Verständniss der Leute
nahe kommen, sie sich dieselben leicht vorstellen könnten und ihre
Seelen danach Begierde hätten* (a, a. O. S. 154). Aelmlich sagt Bachja:
nbnna nvaiwn mban p pian r.wan "pn bp laS bp pj>n bia'ir na-
Auch Ihn Sina setzt in ähnlicher Weise das Verhältnis von Offenbarung
und Philosophie auseinander: ,Die Offenbarung sei für alle Classen des
Volkes und müsse daher in einer bildlichen Weise reden, in welcher sie
für die Menge verständlich werde* (Ritter a. a. O. 8, S. 20, 2). Den
Grund Bachjas für die Thätigkeitsattribute, dass sie nämlich auf die all
gemeine Fassungskraft berechnet waren, scheint Ahron ben Elia entlehnt
zu haben, da er in gleicher Absicht von denselben absolut behauptet;
vmm parfc ns b *6k (Ez chajim, c. 93).
Die Theologie des Bachja ihn Palcuda.
267
verständlich siiid, als eine rein abstracte Ausdi'ucksweise, die
den Meisten, den Worten wie dem Inhalt nach, unverständlich
hätte bleiben müssen. Dienen kann man nur dem, den man
kennt, darum musste die Lehre von Gott, sollte sein Dienst 1
unter den Menschen bestehen, der Fassungskraft der Hörer
sich anpassen.
Der sinnlichen Ausdrucksweise ist der Zugang zu dem
Verstände der Menschen erschlossen, war aber einmal eine
Vorstellung von Gott gewonnen, so konnte ja deren Reini
gung dann allmählich geschehen. Das Denken erkennt hinter
her jene Attribute als blos näherungsweise und figürlich
gebraucht und die Unmöglichkeit, Gottes Wesen nach seiner
Erhabenheit zu begreifen. Der Denkende wird also, die Scha
len 2 der Worte abstossend, zu immer klarerer Anschauung
von Gott nach der Kraft seiner Einsicht Vordringen, der Ein
fältige aber bei der leiblichen Vorstellung stehen bleiben, wobei
er seine Unfähigkeit als Entschuldigung anführen kann, da
über seine Kräfte hinaus von dem Menschen nichts gefordert
werden darf, es müsste denn sein, dass er die Gelegenheit zu
seiner Ausbildung sträflich verabsäumt hätte. Die körperlichen 3
1 Dass Bachja zur Gottesverehrung’ einen Begriff von Gott für nöthig* hält,
geht aus verschiedenen Stellen der ,Herzenspflichten 4 hervor. IV, c. 7
Anfang; V, c. 4; S. 25G wo er noch deutlicher sagt: 1’3HK nK JH1’ 13'Xt» "Ö ^3
13^3 W X 1 ?; VI, c. 6 Anfang. Vrgl. Abraham ihn Daud in Era. ram.
S. 46.
2 Aehnlich drückt Moses benEsra sich aus: nWSb D'J'WH B’ÜS'' b’DB’öm
©pi3ön pyn bx tm 2'i' law mü’P ntaya man nroym
anxn nbi3' »11 ns>x 'an (Zion n, s. 137).
3 Wie sehr bei der Beurtheilung Bachjas der Grundsatz festgehalten werden
muss, dass er nur eine Einleitung zu seiner Ethik, nicht ein Compendium
der Religionsphilosophie habe schreiben wollen, dass es ihm also lediglich
darauf ankam, die Säule seines ethischen Baues zu befestigen, kann man
am Besten an der Darstellung der Attributenlehre in diesem Capitel (10)
erkennen. Er liebt cs nicht in der Weise, die der Darstellung des Saa-
dias einen so hohen Reiz verleiht, durch allerhand Einwürfe sich zu
unterbrechen, es genügt ihm, den Gedanken, auf den es ankömmt, klar
zu entwickeln, ohne den Leser durch Fragen und Einwände irre zu
machen. Sehr gut kann man dies daran erkennen, wie er die Ein-
theilung der Attribute in wesentliche und energische von Saadia herüber
nimmt oder gleich ihm anwendet, ohne in die Frage einzugehen, die
Saadias sofort sich stellt (Em. II, 8; S. 54), wie Thätigkeit, also Ver
änderung in Gott könne angenommen werden. Bei der Bedeutung, die
2G8
Kau fmann.
Attribute Gottes erweisen sicli demnach als eine Nothwendig-
keit, da der grössere Tlieil der Menschen, wenn die Schrift
nur für die Einsichtigen ihre Ausdrucksweise einzurichten sich
begnügt hätte, ohne Religion hätte bleiben müssen. Der sinn
liche Ausdruck ist für Alle geeignet, da er der Auffassung des
Denkenden nicht schadet, während er dem Unfähigen die Mög
lichkeit der Gotteserkenntniss verschafft oder belässt.
Wie ein Mann, der seinen Freund und sein Vieh, die zu
ihm gekommen sind, zu verköstigen hat, für das Vieh Futter
in Menge, für ihn selbst aber nur das Nöthige und Aus
reichende sendet, so hat die Schrift dem grossen Haufen reich
liche Vorstellungsnahrung geboten, während die Verständigen
mit dem Wenigen und Knappen sich begnügen und zur Er-
kenntniss Gottes gelangen müssen. Ueberhaupt hat die Schrift
in subtilen philosophischen Fragen auf die Vernunft sich ver
lassen und mit blossen Andeutungen sich begnügt, wie z. B.
bei der Frage nach Lohn 1 und Strafe im Jenseits, wie sie
denn auch in Betreff der Wissenschaft vom Inneren, 2 des Ge
genstandes von Bachjas Buche, auf Hinweise sich beschränkt
hat. In Betreff Gottes und seiner Erhabenheit über jedes Attri
but hat die Schrift eine genügende 3 Zahl von Andeutungen
gegeben, die jede Verähnlichung und Verendlichung Gottes
abzuwehren bestimmt sind. Die Schrift hat auf diese Weise
es erreicht, dass die Kenntniss vom Dasein Gottes allen Men
schen gemeinsam ist, wenn auch der Grad der Erkenntniss
seines wahren Wesens bei verschiedenen Menschen ein ver
schiedener bleibt.
diese Frage von der Veränderung Gottes durch Thätigkeit beansprucht,
wie dies z. B. aus Albo (Iklc. II, 3, 4) hervorgellt, würde man ohne
diesen Gesichtspunkt iiher das Stillschweigen Bachjas gerade in diesem
Punkte sich vergebens nach einem Grunde Umsehen.
1 Audi c. IV, 4; S. 234 sagt Bach ja, die Lehre von der Vergeltung im
Jenseits sei in der Schrift zum Tlieil ihrer Schwerfassliehkeit wegen
nicht ausgefiihrt.
- Wie dies Bac.hja in der Einleitung S. 19—23 ausdrücklich nachgewiesen hat.
3 Die von Bachja hierfür als Beleg citirten Verse stimmen mit den von
Saadias (Ein. II, 8: S. 49) angeführten überein. Die Verse (Deut. 4,
15—18) führt auch Abraham ihn Daud zu gleichem Zwecke an (Eni.
ram. S. 51). Die eigenthiimliche Anwendung derselben ist dem Saadias
(a. a. 0.) entlehnt.
Die Theologie des Bachja ibn Pakuda.
269
Aus dieser Erkenntniss von der Unmöglichkeit jeder
Verähnlichung bei Gott erklärt sich die Erscheinung in der
Schrift, dass Lob und Preis zumeist auf den ,Namen' allein
bezogen werden, weil Gott eben weder mit etwas zu verglei
chen noch auch unter einem Bilde zu begreifen ist. Daher
erscheint ,der Name' in Verbindung mit Himmel, Erde und
Winden, u. z. darum, weil wir durch diese sein Wesen erkennen.
Neben der Thatsache des göttlichen Daseins ist uns eben
nichts bekannt, was wir an Gott kennzeichnen könnten, als
sein höchster Name. Der Name ist es daher hauptsächlich,
auf den Preis und Lob 1 bezogen werden und der neben den
Dingen genannt erscheint, die uns vorzüglich zum Bewusstsein
von der Existenz Gottes hinführen. Jene Naturerscheinungen 2
1 Die Bemerkung, dass Gottes Lob und Preis sehr häufig seinem Namen
(ar) erwiesen wird, rührt von Saadias her, der sie am Schlüsse des
zweiten Abschnitts (Em. S. 57) mit anderer Begründung’ als Bachja an
führt. Sogar der Ausdruck für diese Bemerkung ist bei beiden fast derselbe.
Bachja sagt (S. 76): b« vnibnm ma» an an'» xini» nn man lsxata
x*nan a© und Saadias: nbnnm mein |ö ansana maipaa saan mxnn
misa bx arrva Kin IX l’bx arrva U)'X. Nach Saadias hat diess einen sprach
lichen Grund pübn m>yöö p a: xin», nach Bachja den philosophischen,
dass der Name allein es ist, was wir von Gott kennzeichnen können.
Wenn nun Bachja aber behauptet TP VTI33 BIT BÖllbl btlb HT bai (S. 77),
so nimmt er unbewusst Saadias Resultat, ohne seine Prämisse angenommen
zu haben, denn bei Saadias hat diese Thatsache nacli der Eigentüm
lichkeit der Sprache wirklich den Zweck ‘mib, was nach dem
philosophischen Grunde Bachjas kaum der Fall sein dürfte, zumal diese
Thatsache nach seiner Darlegung sich als notwendig darstellt.
2 Neu ist bei Bachja die Erklärung, warum Gott im Vereine mit Natur
wundern und geschichtlichen Persönlichkeiten genannt zu werden pflegt.
Es galt, Gott in Verbindung mit dem zu bezeichnen, wodurch uns ganz
besonders seine Existenz klar ist, und dazu sind eben vornehmlich jene
beiden geeignet. Diese ganze Stelle hat bei den Uebersetzern eine Reihe
von Missverständnissen zu erleiden gehabt. Baumgarten, der die Worte
mn nbrni ,Das hat den Grund 1 mit dem Satze: ,womit er herausgehoben
haben will 1 übersetzt (S. 32) und nbjlHl gelesen zu haben scheint, hat die
Worte lnijyT WÖÖ “WX uniibersetzt gelassen. Die Worte: JHU lniXTÖl
lJ’niax “uta man irbx gibt er mit: ,Seine Existenz ist uns bekannt von
unseren Eltern aus‘ wieder (S. jb). Was bedeutet dann aber der darauf
folgende Begründungssatz: Und das darum, weil er uns von dieser Seite
bekannt ist? Das hiesse dann: Gott ist uns bekannt, weil er uns bekannt
ist. Weiter übersetzt Baumgarten die Worte "YDJJ2 DrV’bK
DllTiin! ,Möglich hat er sich ihnen geoffenbart, weil sie in ihrer Zeit im
270
Kaufmann.
sind es aber vornehmlich, die zur Erweckung der Idee von
Gott geeignet sind. Sein Name erscheint darum neben ihnen
so häufig, ,weil er von der Seite her uns bezeichnet wird, von
der wir sein Wesen erkannt und begriffen haben. Häufig wird
er auch in Verbindung mit den Namen der Erzväter angeführt',
was ,wiederum darin seinen Grund hat, dass er uns dadurch
von der Seite her bezeichnet wird, von der wir ihn kennen,
d. h. der Tradition, oder auch darin, dass jene, die Erzväter
allein in ihrer Zeit seinem Dienste hingegeben waren, während
ihre Umgebung in Vielgötterei versunken war' (S. 77). Alle diese
Bezeichnungen sind nur Ersatzmittel dafür, dass uns Gottes
wahres Wesen unfassbar bleibt und nicht bezeichnet werden
kann. Um aber doch eine ungefähre Vorstellung- von ihm zu
erwecken, wird er in Verbindung mit den auserlesensten Ge
schöpfen der beseelten und unbeseelten Natur genannt. Deutlich
bestätigt sich die Richtigkeit dieser Auffassung durch die Offen
barung Gottes an Moses (Ex. 3, ]4—15), wo nach der Angabe
Dienste Gottes allein waren“ und Fiirstenthal (S7b): ,Auoh hat er sich
ihnen desswegen besonders zu erkennen gegeben, weil sie die Einzigen
waren, welche ihm dienten 4 . Wozu nun erstens die Begründung an dieser
Stelle, warum Gott den Vätern bekannt war? Welchen Sinn hätte ferner
diese Frage? Und was wird uns endlich darauf geantwortet? ,Weil sie
in ihrer Zeit im Dienste Gottes allein waren. 4 Also wieder: Er war ihnen
bekannt, weil er ihnen bekannt war. Alle diese Missverständnisse lösen
sich jedoch, wenn man hier in der richtigen Bedeutung als: kennt
lich gemacht, bezeichnet werden, auffasst, welche sich = dem ar.
z. B. aus Kusari IV, 2 (S. 301, 1) dafür nachweisen lässt. Dann sagt Bachja:
Gott wird darum durch Verbindung mit den Erzvätern bezeichnet, entweder
weil wir ihn traditionell von ihnen her kennen, oder weil sie allein Gottes
diener in ihrer Zeit waren, also etwas Ausserordentliches, ,die erlesensten
der Geschöpfe 4 . Diesen letzteren Grund hat Jehuda Halewi angenommen.
Auch er bespricht die Frage, warum Gott in Verbindung mit manchen
Localitäten und Persönlichkeiten genannt werde. Er sagt: bK B'JÜW .vi
□'nbxn psnb a'Jii&mn B’baa an - a a’Tann a'aanm a'X’ajn (Kusari IV,
3• S. 307). Zu bemerken ist noch, dass in den Worten Bachjas “VuENI
BH'bK JHW, wenn nicht, das auf ungewöhnliche Weise —
aufgefasst werden soll, das Wort in geändert werden muss,
wie es bereits zweimal früher hiess, wozu dann stillschweigend und
selbstverständlich aus dem Zusammenhang ergänzt werden muss.
Zu dieser Auffassung der Stelle passen dann erst vorzüglich die alles
früher Gesagte zusammenfassenden Worte Bachjas am Schlüsse über die
beiden zur Erkenntniss Gottes allein hinführenden Wege.
Die Theologie des Bach ja ihn Paknda.
271
seiner wahren Wesensbezeichnung Gott noch einmal in Ver
bindung mit den Erzvätern genannt wird, weil nur diese Be
zeichnung für das Verständniss des Volkes geeignet war, jene
aber als zu abstract ihm unfassbar geblieben wäre. Der Gott
der Väter, der Gott der Ueberlieferung war dem Volke
verständlich, daher diese Bezeichnung und ebenso die durch
Naturerscheinungen. Denn es gibt eben nur diese beiden Wege,
zur Gotteserkenntniss zu gelangen: 1. die Betrachtung seiner
in der Schöpfung hervortretenden Wirksamkeit, und 2. die
Ueberlieferung von den Vätern her.
Sonst gibt es zwar drei 1 Wege, ein Ding zu erkennen:
1. den der sinnlichen Wahrnehmung; 2. den des Nachdenkens
und logischen Schliessens, und 3. den der Ueberlieferung, bei
Gott sind wir aber, da wir ihn nicht sinnlich wahrnehmen
können, auf die beiden letzteren Wege allein angewiesen. Der
zweite Erkenntnissweg, der aus dem in der Natur Gegebenen
mit Hülfe logischer Schlüsse zu Aussagen über Gott sich erhebt,
muss nach der Fülle der Verschiedenheit in der Schöpfung
1 Auch Saadias zählt in der Einleitung (Ein. S. 7) drei Quellen von Aus
sagen über die Dinge auf: I. Sinneswahrnehmung; II. Vernunfterkermt-
niss; III. Logische Beweiskraft. Diese drei entsprechen genau einer von
den lauteren Brüdern gegebenen Eintheilung der Erkenntnissquellen:
,Der Mensch . . , welcher etwas findet, kann diess nur auf eine von drei
Weisen thun. Er findet etwas auf, entweder durch eine Sinneskraft . .
oder zweitens durch die Vernunftkraft, das ist durch Nachdenken, An
schauung, Verständniss, Unterscheidung, richtige Vermuthung und klaren
Scharfsinn. — Endlich findet er auf durch zwingenden Beweis, d. i. der
Weg der Hinweisung. Der Mensch hat keinen anderen Weg die Ver
nunftobjecte zu erfassen. — Auch bei dem Nichtvorhandenen gibt es die
entsprechenden drei Wege“ (Dieterici, Weltseelc S. 38). Während aber
Saadias als jüdischer Religionsphilosoph die Tradition als besondere und
vierte Erkenntnissquelle alifzählt, als rOÖSSH nunn, überschreitet Baehja
die Dreizahl nicht, indem er die gewöhnliche dritte übergeht, sie viel
leicht unter der zweiten befasst glaubt und an ihre Stelle die vierte des
Saadias als nJÖXJH nbspm flTSKn flunn setzt, eine Anordnung, die
ebenfalls bei den Arabern anzutreffen ist, so z. li. in Nasafi’s Akäid
(cd. Cureton; Anfang) und einem phil. Fragment hei Palmer (Catalog
von Trinity College: Oxford S. 47). Der Zusammenhang, in dem hier
Baehja die Aufzählung unserer Erkenntnissquellen mit unserer Gottes
erkenntniss vorträgt, findet sich, freilich in ganz loser Fassung, auch
in der erwähnten Stelle bei den lauteren Brüdern, die auch im Anschluss
au ihre Erkenntnistheorie über unser Wissen von Gott handeln.
272
Kaufmann.
eine Fülle der verschiedensten Attribute ergeben. In der That
begegnet man in der Schrift den mannigfachsten Aussagen
über Gott, von denen eben jede Gottes Verhältnis zu den Ge
schöpfen in einer anderen Beziehung auffasst. In der unendlichen
Fülle der Geschöpfe und der an ihnen sich äussernden Wir
kungen Gottes liegt aber zugleich die Ursache, dass wir nur
einen geringen Theil der göttlichen Eigenschaften erfahren
können, einen verschwindend geringen im Verhältnis zu ihrer
Unendlichkeit. Gott durch Attribute darstellen oder preisen
wollen, ist daher ein vergebliches Beginnen, das R. Chanina 1
bereits getadelt hat, als einst vor ihm ein Vorbeter Gott mit
einer Menge von Eigenschaften belegte. So tadelt also schon
der Talmud die Häufung der Attribute im Gebete als eine
Herabsetzung Gottes, sei ja diess, als wollte man den, der eine
unermessliche Zahl Goldmünzen besitzt, damit loben, dass er
ebensoviel Silbermünzen besitze. Und doch ist die Betrachtung
der Natur derjenige Weg, auf dem wir zu einer immer ausge
dehnteren Erkenntniss von Gott gelangen, da wir nun einmal
auf die Erforschung seiner Wirkungen, seiner Spuren allein
angewiesen sind, von seinem eigentlichen Wesen aber nichts
wissen können. Unser Bestreben muss daher mit aller Kraft
darauf gerichtet sein, den Schöpfer aus seinen Spuren 2 im Ge-
1 Diese Talmudstelle (Bab. Berakhot 33 b) scheint Bachja zuerst in der
Lehre von den Attributen angewendet zu haben. Abraham ibn Daud be
nützt sie ebenfalls, führt sie aber nur zum Theil an (Em. rnm. S. 57).
Bei Maimonides ist sie zu besonderer Bedeutung gelangt, da er eine
Reihe von Bemerkungen daran anknüpft und überhaupt, ausführlich sie
bespracht (Guide I, 59; S. 253, Anm. 3). Vielleicht hat Maimonides in
seiner Schlussbemerkung, dass unsere Kenntniss der Eigenschaften von
E. Chanina nicht mit einer geringeren Zahl von Gold-, sondern von
Silbermünzen verglichen wurde, zum Zeichen dafür, dass Gottes Eigen
schaften von einer ganz anderen Art seien als die ihm von uns bei
gelegten, die Anwendung dieser Stelle bei Bachja im Auge, der die von
Maimonides in den Worten R. Chaninas gefundene Bedeutung nicht be
merkt und nur zum Belege dafür sie anführt, dass wir nur einen unend
lich kleinen Theil von Gottes Attributen kennen, der zum Preise Gottes
im Gebete sich nicht verwenden lässt.
2 Aehnlich lautet ein Gedanke bei den lauteren Brüdern: ,Auch machte es
Gott zum Grundsatz in der Uranlage der Vernunft, dass sie (die Ver
nunft) zu schliessen vermöge, ein wohlgefiigtes Werk könne nur von
einem weisen Meister herriihren; auch liess er die Spur des Schaffens
Die Theologie des Bach ja ihn Pakuda.
273
scltaffenen, nicht von seinem Wesen aus erkennen zu wollen.
Wir stehen mitten in der Natur, in ihr ist er uns darum durch
seine Wirkungen am Nächsten, in seinem Wesen aber ist er
uns am Fernsten, weshalb auch Bild und Vorstellung von ihm
uns nie gelingen wird. Erst dann, wenn wir das Unmögliche
völlig aufgegeben haben, Gott uns vorstellen oder wahrnehmen
zu können, ihn also aus dem Bereich der Phantasie und der
Sinne ausgeschlossen 1 haben, als existirte er gar nicht, in
seinen Spuren dagegen überall auf ihn treffen, als könnte er
gar nicht von uns lassen, haben wir den Gipfel der für uns
erreichbaren Gotteserkenntniss erstiegen. Diese unnahbare Er
habenheit des göttlichen Wesens, dessen Unerreichbarkeit wir
immer mehr einsehen, je mehr wir iu der aus der Schöpfung-
abgeleiteten Gotteserkenntniss fortschreiten, hat ein Denker
ausgedrückt mit den Worten: Je mehr einer der Menschen
Gott erkennt, desto mehr muss er ihm gegenüber in Verwir
rung gerathen, und ein Anderer mit dem Satze: Der von Gott
am Meisten Wissende ist der Unwissendste 2 in Bezug auf sein
im Geschaffenen bleiben 4 . (Dieterici, Naturanschauung S. 124). Auch den
Ausdruck ; ui Spuren finden wir im arabischen Wortlaut bei Bachja.
Mit dem Gedanken vergleicht sich die Ansicht des Augustinus: ,Je mehr
wir die Geschöpfe erkennen, um so mehr erkennen wir den Schöpfer;
aus der Schönheit des Werkes erkennen wir die Weisheit des Meisters 4
(Ritter, d. christl. Phil. I, S. 414).
Ich folge in der Darstellung der Stelle (S. 80) dem arabischen Original, das
nach der Pariser Handschrift hier so lautet:
3 ä ; Ü! jkg.2» ^Jlxj jUüÄst oftAXAÖjJI
S^U! ( j J 0 „Ovi JdT 20 ü 20 b>
lo viU ^i.AÄA5
)'
ox-Lo, löli
_ajLo.j
CT"
XyjyaJj xi-AA+j'. 20 I ö 2Lg.=» iXuLj JN
2c! ^ X j Ib .
Ij“* ^
RjLc iLLü 3 (l- xib) »ilöb dL*_g.i
ir' 1
(V^cNauI 2cUU u^LäJI os^-n! (jd*j Jli' cki. kX-j.x.x!
XÄAÄsl (DHjJN) xJUU (jaUJI |vk^l J Ls. Xxi I0.ÄJ
.xj'tö XÄAÄsl jvO- + Pc! 20 201 ö
2 Dieser Satz wird auch von Moses ben Esra angeführt: D^DPin JÖ “IHK
Kin abna baa sina? isi abaa baa xm xiian 1103 aix ua baa aann
(Zion 11.136). Jötö jüuäsi = Kittn naa aann Die Ueber-
Sitzuugsber. d. pliil.-liist. CI. LXXVII. Bd. I. Hft.
18
274
Kaufmann.
Wesen und der in Bezug auf ihn Unwissendste der am Meisten
Wissende in Bezug auf sein Wesen.
Drastisch und anschaulich wird der Gegensatz zwischen
der niederen, nach concreter Fassbarkeit verlangenden An
schauung von Gott und dem in unfassbaren Abstractionen
sich bewegenden Denken über Gottes Wesen in einem Zwie
gespräch zwischen einem Denker und einem Fragesteller dar
gestellt. Was ist Gott, fragt dieser. Einer, erhält er zur
Antwort. Was für einer ist er, fragt er weiter. Ein grosser
König, wird ihm geantwortet. Wo ist er, frägt er endlich. In
der Beobachtung, 1 lautet die Antwort. Unbefriedigt über die
Leerheit und Unfassbarkeit der Antworten ruft dieser aus:
Darnach habe ich nicht gefragt. Aber der Weise bedeutet
ihm, dass auf seine Fragen nur mit Aussagen geantwortet
werden könnte, die auf das Geschaffene, 2 aber nicht auf den
einstimmung zwischen dieser Fassung; und dem arabischen Wortlaut, des
Satzes bei Bachja beweist, dass die Tibbon’scheUebersetzung (S. 81)13’X© 'öl
VTI3B Bi'J? 3nrw “TOD Kin inis jnv mehr den Sinn als die Worte wieder
gibt. Hiermit vergleicht sich auffällig das Wort des Augustinus: ,Er
wird besser im Nichtwissen gewusst, als im Wissen; die Seele hat keine
Wissenschaft von ihm ausser im Wissen, dass sie ihn nicht weiss 1 (Ritter
a. a. 0. I. S. 412). Qui melius nesciendo scitur, cujus ignorantia vera est
sapientia, sagt in gleichem Sinne Scotus Erigena, vrgl. Tonnemann
a. a. O. VIII, S. 86. 1. Bachja wiederholt denselben Gedanken in anderer
Fassung als seine eigene Ueberzeugung: pttXni mifl© IffiK fl’bSDl
(c. 10: S. 81) TTI3S ÜSJ7 nn»K3 ni^SDn n’tara nnxii», woraus zugleich
noch eine Bestätigung für die Richtigkeit meiner Leseart im arabischen
Original hervorgeht.
1 Nach der Oxfordcr Handschrift lautet, diese Stelle im Original:
JoLJI xJ JLäi x-UI Jlüi xlJf
XJ,Ls? ySM xJ JLiÜ p-doC dlLo XJ^ls? y& uÄjAj
IA.® <joL.wJt xj JLüi öLo»+JU
xäjhUI i^jLäAoJl 1*31 JöLaJÜI s A.2.J AÜIyMj xJ (JLäj
(JjJliLb ül L U. Das Wort l>Loj.*JL ist mit iTB3t3 treffend
wiedergegeben und soll jenen Erkenntnissweg bezeichnen, der früher
als Naturbetrachtung von Bachja gekennzeichnet und als der sicherste
und lohnendste Weg empfohlen wurde.
2 Aehnlich lautet die Anführung einer Aeusserung der Philosophen über
die Frage nach dem Was Gottes bei Mokammez: blNTPv '’KttH üTK pH
ib ü'i» nai by xbx nniK irx u btron ’3 ’:sa in» büh bv
bsanön b31 D’bna (Orient. 1847, Lb. S. 620).
Die Theologie des Bachja ihn PaTcuda.
275
Schöpfer Anwendung haben, die wahre Aussage hier aber
abstract sein müsse. Ein Weiser hat dieser Unfassbarkeit des
göttlichen Wesens sogar im Gebete 1 Ausdruck geliehen: Gott,
wo finde ich dich und doch wo finde ich dich nicht? Verbor
gen bist du, unsichtbar und Alles ist dennoch von dir erfüllt.
Es bleibt also unsere höchste Gotteserkenntniss, 2 einzusehen
und davon überzeugt zu sein, dass wir über Gottes wahres
Wesen in der äussersten Unkenntniss uns befinden.
Im einem Werke, das wie Bachjas ,Herzenspflichten‘ den
Menschen in die engste Verbindung mit Gott setzen möchte,
die Unfassbarkeit und Unerreichbarkeit Gottes in der über
schwenglichsten Weise darzulegen, hat offenbar sein Missliches.
Bachja ist in dieser Darlegung bis zu demjenigen Punkte vor
gedrungen, wo dem in philosophischen Abstractionen ungeüb
ten Menschenverstände das Wesen, das ihm der Inbegriff aller
Wirklichkeit sein sollte, in ein unfassbares Nichts zu zerfliessen
anfängt. Es gilt daher, dieses für den Gläubigen schmerzliche, 3
1 Aehnliche Aussprüche führt Moses ben Esr.i von Aristoteles und Sokrates,
von letzterem sogar in Form eines Gebetes (V313riri3) an. Die Fassung,
in der dieses Gebet bei Bachja auftritt, hat mit dem Anfänge eines Ge
dichtes von Jehuda Halewi Verwandtschaft, wo es so heisst (Zion XI,
S. 135 Anm. 1): *]T33 insöx x 1 ? riDKi abjai nbxa “ppa txi'toK ton rr
xha. D a diese Verse verbreitet gewesen zu sein scheinen, so dürften
sie Bachja und Jehuda Halewi wohl aus derselben Quelle, nicht aber
einer vom andern entlehnt haben. Vrgl. Giithes Fairst (ed. Looper I, S. 111).
2 Auf diese Stelle scheint Maimonides anzuspielen, wenn er sagt, es sei
über die Unfassbarkeit Gottes bei anderen Philosophen ausführlich ge
handelt worden (Vrgl. Munk Anm. 3 zu Guide 1, 59; S. 252). Einen
mit dieser Aeusserung Bachjas fast ganz übereinstimmenden Wortlaut
zeigt die Stelle, in der Maimonides die Uebereinstimmung aller Iüiilo-
sophen über den Punkt bezeichnet, dass jI *2£ 20 A f
<jf jüLgj das Begreifen der Unmöglichkeit, Gott zu erkennen,
unsere Erkenntniss von ihm ausmacht. Einer ähnlichen Ansicht begegnen
wir auch bei Abraham ihn Daud: “inV lmnanK'DB b3B1X130 im' IfllN'Xä
witwta ü’ron 1 ? -pu pxi imna nrTb Tn pro» unjPTai abyj baa abi»
lniK'sta nnaxa ricnb msa«® 1 na ba jhj (Em. um s. 56).
3 Wie wenig selbst denkende Gläubige von einer sinnlichen Vorstellung
Gottes ablassen können, kann man aus den Nach Weisungen bei Strauss
(a. a. O. I, 551, 6) erkennen. Man wird es dem Abraham ihn Daud
aus Posquieres nicht verdenken, dass er gegen Maimonides Anathema
wider alle Verpersönlicliung Gottes in seiner bekannten Aeusserung auf-
18*
276
K auf mann.
ja gefährliche Bewusstsein, dass wir auf jede Vorstellung von
Gott verzichten müssen, gar kein Bild von ihm in der Seele
tragen dürfen, in etwas zu mildern, den Menschen damit ver
traut zu machen. Bachja fühlt dieses Bediirfniss und lenkt 1
darum ein, es zu befriedigen.
Wohl liegt im Menschen das Bestreben, Gott bildlich
sich vorzustellen, aber das blosse Durchdenken der Beweise,
die uns zum Bewusstsein seines Daseins gebracht haben, reicht
hin, um sofort das Unmögliche dieses Bestrebens zu begreifen.
Dass aber das Bewusstsein von der Wirklichkeit eines Dinges
die Unmöglichkeit nicht aussChliesst, es sinnlich oder bildlich
begreifen zu können, lässt sich annähernd richtig aus anderen
Beispielen anschaulich machen. Wir haben eine Seele, daran
zweifeln wir keinen Augenblick, wir kennen sie durch ihre
Wirkungen. Wer hat aber jemals die Seele gesehen oder auch
nur ein Bild von ihr sich vorzustellen vermocht? Mit der Ver
nunft 2 geht es uns ebenso, wir wissen ihr Dasein durch ihre
Aousserungen als eine Thatsache; sie sinnlich 3 wahrzunehmen
sind wir nicht im Stande. Mit Recht sagt daher der Philosoph: 1
Wenn wir so an dem Begreifen der Seele schon verzweifeln
müssen, um wie viel mehr beim Wesen Gottes!
getreten, sieht man erst, wie selbst die Fähigsten der Kirchenväter, wie
selbst ,der geistreiche, philosophisch gebildete Verfasser 1 der Clementinen
auf die Verbildlichung Gottes nicht verzichten wollen, damit die Seele
zu Etwas beten könne und nicht ohne Widerhalt ins Leere gleite, s.
Strauss a. a. O. I, 552, 7.
1 Auch Saadias bespricht die Frage über Gottes Wirklichkeit trotz seiner
Undenkbarkeit nach seiner Darstellung der Attributenlehre (Em. II, 9;
S. 55). In seiner Antwort liegt auch bereits der Ansatz zu der von
Bachja weiter ausgebildeten und nach dem Zwecke seines Buches aus
führlicher dargelegten Ansicht.
2 Auch Saadias führt die Seele und die Vernunft als Beispiele an, um an
ihuen die Verträglichkeit von Stärke und Dünne oder Subtilität bei Gott
analogisch zu erweisen (Em. IT, ß; S. 48).
3 Aehnlich sagt Gazzali: WWtt ^p' *)ftY» ‘"QI33 1:1 Hin tPÖ3n
mw rrmbrsö naiai mn rrbr npv is ‘»»a wy bza ntrann awn
((p“nr 'JlNä ed. Goldenthal S. 32).
1 plcA'Sn scheint liier nicht Aristoteles zu sein, es lässt sich wenigstens
aus den Werken dieses Philosophen dieser Satz nicht nachweisen.
Die Theologie des Bachja ihn Pakuda.
277
Eine richtige Erkenntniss unserer Seelenkräfte wird uns
übrigens die Unmöglichkeit, uns Gott bildlich vorstellen zu
können, ganz begreiflich hnden lassen. Von den fünf leiblichen
Sinnen hat ein jeder sein besonderes Gebiet zugewiesen, so
z. B. der Gesichtssinn Farben und Formen, der Gehörsinn
Schälle und Klänge, hat ein jeder eine Grenze seiner Leistungs
kraft, die er nicht überschreiten kann, ohne seinen Dienst zu
versagen, wie der Gesichtssinn z. B. nicht über eine gewisse
Entfernung hinaus sehen kann. Ein Sinn kann nicht die Lei
stungen des anderen übernehmen, wir können mit den Augen 1
nicht hören und nicht mit den Ohren sehen. Für den Gesichts
sinn ist der Schall unfassbar, wie für den Gehörsinn das Licht.
Ganz ebenso haben die Seelenkräfte, die fünf geistigen Sinne
ihre gegen einander abgegrenzten Wirkungskreise, jeder seine
bestimmte Schranke, über die hinaus er nicht leistungsfähig
sein kann. So nimmt der Verstand die Dinge 2 entweder durch
ihr Wesen selbst oder durch Beweise wahr, das Naheliegende
und Offenbare durch sie selbst, durch ihr Wesen, das Ent
fernte und Verborgene durch Beweise, die deren Dasein be
kunden. Von Gott, dessen Wesen uns am Entferntesten und
Verborgensten ist, kann also der Verstand nur durch Beweise
sein Dasein erfahren. Und weil ein Sinn nicht über die Schranke
seiner Kraft hinausgehen kann, ohne seinen Dienst zu versagen,
so darf der Verstand nicht bis zur Vorstellung des göttlichen
Wesens Vordringen wollen, wenn er nicht selbst die Erkennt-
1 Wie liier Bachja überhaupt den lauteren Brüdern gefolgt zu sein scheint,
so findet sich auch bei ihnen die Bemerkung von den abgegrenzten
Sinnesbezirken. ,Von den sinnlichen Kräften erfasst jede einzelne speciell
eine Gattung des sinnlich Wahrnehmbaren, wie wir oben dartliaten. Die
Sehkraft erfasst weder den Schall, noch den Geschmack, noch Geruch,
noch Tastbares, sondern nur Farben u. s. f.‘ (Dieterici, Anthropologie
S. 38).
2 Auch Abraham ihn Daud erklärt die Unmöglichkeit, Gottes Einheit ganz
zu erfassen, aus einer in der Naturanlage begründeten Schwäche unseres
Verstandes, der die Erhabenheit des göttlichen Wesens ebensowenig zu
begreifen vermöge, wie die Fledermaus in die Sonne sehen kann. Doch
ist Abraham ibn Daud strenger Aristoteliker und auch an dieser Stelle
(Ein. ram. S. 53), wo auch der Philosoph erwähnt wird, hat er, wie ich
in meiner Darstellung seiner Attributenlehre zeige, eine Stelle aus dev
Metaphysik (II, 1) für seinen Zweck verwendet.
278
K aufman n.
niss vom Dasein Gottes dabei einbüssen will. So liegt es also
in der Natur unseres Erkenntnisvermögens, Gott nur durch
Beweise aus seinen Schöpfungen erfassen zu können, hierbei
aber stehen 1 bleiben zu müssen, olme zu dem Versuche einer
Vorstellung oder gar sinnlichen Wahrnehmung Gottes uns ver-
steigen zu dürfen. Schon der Versuch vernichtet das Bewusst
sein vom Dasein Gottes, da er, sobald er verbildlicht, also in
Aehnlichkeit und Vergleich gesetzt wird, aufhört Gott zu sein.
Zwei Gleichnisse sollen die Art der geistigen Wahrneh
mung aus Beweisen und ihre natürliche Begrenzung anschaulich
machen (S. 84). Setzen wir den Fall, es sause ein Stein durch die
Luft und beschädige einen Menschen. Der Gesichtssinn lehrt
uns die Gestalt des Steines kennen, mit dem Gehörsinn haben
wir sein Sausen vernommen und erhalten durch den Tastsinn
über seinen Kälte- und Härtegrad Auskunft. Hiermit sind die
Leistungen der Sinne in diesem Falle zu Ende. Jetzt tritt der
Verstand ein und zieht aus der Verknüpfung ihrer Angaben
den Schluss, dass der Stein geschleudert wurde. Ohne die Aus
sagen der Sinne hätte der Verstand zu keinem Schlüsse ge
langen können. Wenn so der Verstand, die höhere Seelenkraft
unabhängig von den Sinnen kein Ding erfassen kann, wie
sollen die Sinne zu einer Vorstellung von dem gelangen, was
der Verstand nicht erfassen kann, wie diess eben bei Gott
der Fall ist!
1 ,Denket über die Werke des Schöpfers nach, nicht über sein eigenes
Wesen 4 , soll schon der Prophet gesagt haben und, wie Gazzali Ihja IV,
640 will, auch nicht über seine Attribute (Kremer a. a. 0. S. 11*2). Die
Erkenntniss Gottes aus seinen Werken wird auch von den lauteren
Brüdern dringend empfohlen, die diesen Weg, zu Gott zu gelangen, für
eine Uranlage der Vernunft ansehen, wie in der Stelle: ,Auch machte
es Gott zum Grundsatz in der Uranlage der Vernunft, dass sie zu
schliessen vermöge, ein wohlgefügtes Werk könne nur von einem weisen
Meister herrühren 4 (Dieterici, Naturanschauung S. 124). Von Pythagoras
berichtet Schahrastani die Lehre, dass Gott ,weder von Seiten der Ver
nunft noch von Seiten der Seele zu erfassen sei, so dass das vernünftige
Denken ihn nicht erfassen und die aus der Seele stammende Rede ihn
nicht beschreiben könne; da er über alle geistigen Eigenschaften erhaben,
unerfassbar von Seiten seines Wesens sei; er sei nur erfassbar durch
seine Wirkungen, seine Werke und seine Thaten. 4 (H. II, 98.)
Die Theologie des Baclija ibn Pakuda.
279
Dass wir es ferner bei geistigen Wahrnehmungen an der
Erkenntniss der Thatsache, des Daseins des Bewiesenen müssen
genug sein lassen und der Eifer des Weiterforschens nur ver
derblich hierbei wirken kann, beweist das zweite Beispiel, das
von der Beobachtung der Sonne 1 bergenommen ist. Begnügen
wir uns nämlich, sie aus ihren Wirkungen zu erkennen, so
werden wir ihr Leuchten, Glänzen, Scheinen wahrnehmen und
sogar gemessen. Will aber Jemand ihre Rundung erkennen,
zu ihrem Wesen an sich also Vordringen, so erblindet er und
kann nicht einmal ihre Wirkungen gemessen. Mit der Erkennt-
niss Gottes geht es ebenso. Beschränken wir uns darauf, seinen
Spuren in der Schöpfung nachzugehen, aus seinen Wirkungen
ihn zu erkennen, so werden wir immer mehr von ihm begreifen,
im Verstände wird’s zusehends heller und wir erreichen das,
was wir nach unserer Kraft überhaupt erreichen können.
1 Einen ähnlichen Gedanken tlieilt Moses ben Esra im Namen des Alfarabi
mit map nin pi’3 aitan naca nax ’axnsbx xnpin rav ’ax aanm
jnon ":2a xnan jgjpnb barn -unp px ’a rowxin nw mna barn
mna ntrbinb px nnaan na'brn fiix'stan mbana xin bax xman mx'sia
mix m’jtb ix mamb u’by ne>p’ p maamian by inian na mannb ubaai
anbruan miö’bai maya xnan mxan b’atmb nnba' ’m nstpm raab
nxnn mm mnan nxn xim nann mxb ta’asra umyb nnpj na>xa ana
a'xn 13X1 nnv la ntsbi© pyn mx nvnb prm abir mxn nma? ’aa ’a
pyn mxn a>bm lain mbam mxn niö’bai am n\ma> ’aa ’a pan nann
pn na nnv xina> nai i"p ®awn pub nnp’a> na mm rama (Zion ii,
122—3). Wiewohl der Grundgedanke dieser dem Buche jüLvöliJI SjA-wJ!
(vrgl. darüber Steinschneider, Al-Farabi S. 70, Anra. 19) des Alfarabi
entlehnten Stelle mit dem Bachjas übereinstimmt, so lässt sich dennoch
für die Benutzung’ Alfarabis durch Baclija hieraus nichts beweisen.
Denn Baclija führt den Vergleich in so eigenthümliclier Weise aus, dass
er dem Alfarabis nur ähnlich, nicht gleich genannt werden kann. Baclija
scheint den Vergleich auch nur äusserlich zu fassen, er scheint das
Wesen Gottes für so völlig unvergleichbar zu betrachten, dass jede Ver
tiefung der Vergleichung durch den Gedanken an die sonnenhelle Klarheit
des göttlichen Wesens ausgeschlossen ist. Die Mehrzahl derer, die dieses
Bildes sieh bedienen, scheinen es freilich in der Weise gefasst zu haben,
dass Gott wie die Sonne ,durch die Intensität seiner Erscheinung 1 —
i&IBffin 1Ü3 lrixvn pnnb aby: Xin ’3 sagt auch Abraham ihn Daud (a. a.
O. 53) — unbegreiflich, unfassbar sei, so z. B. Solirawardy, Gazzali
u. A. (Kremer a. a. 0. 90; 112). Vrgl. auch Steinschneider Maamar
Ha-Jichud 17, A. 41.
280
Kaufmann.
Strengt sich aber einer an, Gottes Wesen zu begreifen, eine
Vorstellung von demselben zu gewinnen, so verliert sich ihm
die Einsicht selbst von dem, was er bereits erkannt hatte.
So liegt in dem Bewusstsein, dass wir von Gottes Wesen
nichts wissen können, der sicherste Schutz gegen jeden Versuch,
ein Bild, eine Vorstellung von Gott erlangen zu wollen. Dieses
Bewusstsein leiht uns aber auch die richtige Auffassung jener
Attribute, zu deren Anwendung das Bedürfniss nach Gottes-
erkenntniss und Gottesverehrung nothwendig führen musste.
Es bewahrt uns davor, nach dem einfachen Wort verstau de
und in der sinnlichen Bedeutung sie aufzunehmen und lehrt
uns, nur uneigentliche und bildliche Ausdrücke, Notlibehelfe
unseres Denkens in ihnen zu erblicken. Nur der, hat darum
einer der Philosophen 1 erklärt, der das Absolute nicht zu
fassen vermag, hält sich bei den in der Schrift Gott beige
legten Eigenschaften an den Wortsinn, ohne zu bedenken,
dass sie nur auf die Vernunft des Hörers, des Empfängers
hin, nicht nach dem Wesen des Gebers berechnet sind. In
Wahrheit verhält es sich mit diesen sinnlichen Ausdrücken
nicht anders wie mit den unarticulirten Anrufen, mit denen
man Thiere zum Trinken aufmuntert und mehr erreicht als
mit aller reinen und wohlberechneten Sprache.
Es bleibt somit für den Gläubigen der Gotteserkenntniss
höchstes Ziel, aus seinen Werken Gott in seiner Weisheit,
Stärke, Gnade, Barmherzigkeit und Vorsehung zu erfassen,
und dieser Erkenntniss das eifrigste Bestreben zu widmen, ihr
nachzuleben ist des Gläubigen Aufgabe und Pflicht.
Hätte es in der Absicht Bachjas gelegen, eine Theologie
im weiteren Sinne zu schreiben, dann hätte er im Anschluss
an seine Attributenlehre eine Reihe von Fragen zu lösen gehabt,
deren Behandlung wir ganz bei ihm vermissen. Jedes der Attri
bute, die er zuletzt genannt hat, hätte ihm dann Veranlassung
geboten, eine Anzahl damit in Zusammenhang stehender Pro
bleme zu besprechen, die bei anderen jüdischen Religions
philosophen den Gegenstand angestrengtester Untersuchung
1 Die Quelle dieses Ausspruchs ist mir unbekannt. Vielleicht gehört auch
er den lauteren Brüdern an, bei denen Aehnliches, wie in der bereits an
geführten Stelle (Dieteriei, Anthropologie S. 153, 154) vorkommt.
Die Theologie des Bachja ihn Pakuda.
281
ausmachen. So wären, um nur einige beispielsweise heraus
zuheben, die Fragen über Gottes Weisheit, in welcher Weise
Gott erkenne, ob er Alles wisse, das Einzelne oder nur die
Gattungen, ob er auch wahrnehme und sinnlich anschaue, über
Gottes Macht, ob er Alles vermöge und selbst über das Un
mögliche Macht habe, über Gottes Gnade, warum er die Ge
rechten leiden lasse, den Unschuldigen Schmerz bereite, über
Gottes Willen, 1 ob dieser von aller Ewigkeit her feststehe
oder bei jedem Schöpfungsacte entstehe und ob dadurch nicht
Gottes Wesen der Veränderung unterworfen werde, über Gottes
Vorsehung, wie sie sich zum freien Willen der Menschen ver
halte und über andere ähnliche Fragepunkte eingehend zu
erörtern und namhaft zu machen gewesen. Bachja behandelt
aber eben die Lehre von Gott nur einleitungsweise, nur diese
allein, nicht aber Alles, was nur entfernt mit ihr in Zusam
menhang steht, konnte er daher in den Kreis seiner Bespre
chung ziehen. Darum vermissen wir bei ihm jede Erörterung
der meisten von den hier angedeuteten Fragen fast gänzlich und
selbst dann, w enn er eine derselben zur Sprache bringt, geschieht
es nur aus dem Grunde, weil er deren Behandlung für die
innere Religiosität für belangreich hält. So bestimmt ihn die
ethische Bedeutung der Willensfreiheit zur Behandlung dieses
Problems.
In dem Wechselgespräche zwischen der Seele und dem
Verstände, in welchem jene bei diesem für ihre Heilung sich
Rath erholt (UI, c. 8), wird als ,Hinderniss der Gottesver
ehrung' und als ,schwerste Krankheit' der Seele der in der
Schrift horvortretende Widerspruch zwischen Stellen, die für die
Unfreiheit, und solchen, die für die Freiheit des menschlichen
Willens sprechen, bezeichnet. Diese Schwierigkeit, entgegnet
der Verstand, werde nicht in der Schrift allein angetroffen, sie
bestehe auch im Leben, in dem uns ja einige Handlungen ge
lingen, andere misslingen, also von einem ausser unserem Willen
bestehenden und von ihm unabhängigen Willen geleitet werden.
Ja selbst in den Thätigkeiten unserer Sinne unterscheiden wir
1 Die gewöhnlichen Resultate der Untersuchung über den göttlichen Willen
sind bei Bachja in die Bestimmungen zusammengefasst (II, c. 1; S. 96):
inaia -pat mma im-xi vwaa pan rr irrnn-
282
K a u f m a n n.
mit ganz deutlichen Bewusstsein 1 freiwillige von unfreiwilligen.
Die Schwierigkeit ist nicht wegzuleugnen und in der That hat
sie die verschiedensten Lösungen und Ausgleichungen erfahren.
So haben Einige 2 z. B. eine vollständige Freiheit des
menschlichen Willens angenommen. Nach dieser Annahme hat
sich Gott jeder Einwirkung auf die menschlichen Handlungen
begehen und diese dem Belieben, dem freien Willen jedes
Einzelnen überlassen, wesshalb auch Lohn und Strafe auf die
selben gesetzt ist. Andere 3 hingegen bestreiten die Willens
freiheit gänzlich und behaupten, dass in der gesummten Welt
keine Bewegung ohne Entschluss und ausdrückliches Gelieiss
Gottes sich vollziehe. Wie kann es aber neben solchem Zwang
noch Lohn und Strafe geben? Auf diese Frage erklären sie
keine Antwort zu wissen, es sei diess eben ein unbegreiflicher
Punkt, nur so viel sei gewiss, dass Gott gerecht sei, wenn
wir auch nicht hinter das Geheimniss seiner Weisheit zu dringen
vermögen. Noch Andere endlich haben Freiheit 1 und Unfreiheit
zugleich angenommen und jede Forschung über diesen Gegen
stand als nothwendig zur Sünde führend verworfen. Sie meinen,
dass es das Beste sei, unsere Handlungsweise so einzurichten,
1 In dieser Weise scheinen die Worte UirS njNj'nS HT Dl 1300 nNT 1 !
im*m (S. 173) aufgefasst werden zu müssen. Aehniich sagt
al-Aschari: ,Das Geschöpf hat Macht über seine Handlungen, da der
Mensch von selbst einen notlnvendigen Unterschied zwischen den Bewe
gungen des Zitterns und Bebens und zwischen den Bewegungen der freien
Wahl und des Willens inne wird 4 (Schahrastani, H. I, S. 102)»
2 Die entschiedene Behauptung der Willensfreiheit ist es, die der Mütazila
den Namen ,Anhänger der Gerechtigkeit 4 einbrachte, denn unter ,Gerechtig-
keit‘ verstand man die Gesammtheit aller auf die Freiheit des
Menschen bezüglichen mütazilitischen Lehren. Scharf fasst der Mütazilit
Saadias diese Lehre zusammen in die Worte (Em. IV, c. 3): pK fcOI-H
rn rwös rtnsn nw b.
Es war dies die Lehre der ,reinen Dschabarija 4 , wie sie besonders scharf in
den Aeusserungen Hischäm Ihn al-Hakams zu Tage tritt. Vrgl. darüber
Schahr. H. I, 89, 91, Ez Chajirn c. 8G.
4 In diesem Sinne scheint hier das Wort plSt gefasst werden zu müssen,
da dann die darauffolgende Lebensregel passend an plSCm fHDnfl sich
anschliesst. Sonst pflegt es die Uebersetzung des mütazilitischen Schul
ausdrucks zu bezeichnen, s. Frankl, der raiitazilitisclie Kalam
S. 11.
Die Theologie des Bachja ihn Pakuda
283
wie wenn wir dafür verantwortlich wären und vollständig
willensfrei dabei verführen, andererseits aber ein derartiges
Gottvertrauen zu bewahren, wie wenn wir des Glaubens lebten,
dass alle Geschehnisse, gute wie böse, von Gott bestimmt seien.
Dieser Annahme scheint Bachja sich anzuschliessen. 1
Gottes Weisheit ist für uns unerfassbar und diese unsere noth-
wendige Unwissenheit in diesem Punkte ist nach seiner Ansicht
mit eine Wohlthat Gottes. Sicherlich hätte Gott uns dieses
Geheimniss eröffnet, wenn mit seiner Kenntniss irgend ein Vor
theil für uns verbunden wäre. Diese Art der Unwissenheit ist
eine für uns wohlthätige, wie die Decke, die das Auge des
schwachsichtigen Menschen vor der Blendung durch das Sonnen
licht bewahrt, eine Wohlthat für ihn ist. Jo schwächer das
Auge, mit desto dichterer Decke muss es vor dem Eindringen
des Lichtes geschützt werden.
Was wäre übrigens die Thatsache, dass wir in unserer
Unfreiheit frei seien, trotz der Ausführung aller unserer Hand
lungen durch Gottes Allmacht Lohn und Strafe verdienen,
mehr als eine Unbegreiflichkeit für unseren Verstand? Was
aber für diesen 2 unbegreiflich ist, braucht darum denn doch
durchaus nicht unmöglich zu sein. Sagte uns z. B. Jemand,
man könne mit einem Instrument die Bewegungen der Sphären,
die Sternörter, die Entfernungen der Dinge ermitteln, wir
würden ihn sicherlich für einen Lügner halten, wenn wir noch
' Diess gellt deutlich aus seinen Worten (S. 175) *p“! bx mnp flKH njnm
rfeann und aus seiner ganzen Begründung hervor. Kurz prägt sicli Bachjas
Ansicht hierüber aus in seiner Aeusserung: pQfQ flYT&'pD ‘T'JiVISn ^
pn’ ninDjrn mibam ans© nbnani rwtapn uiani warnm “paim mian
mm man nmnaa prwo öot hüö (ii, c. 5 ; s. 119), wo Freiheit
und Unfreiheit zugleicli behauptet werden.
2 Genau denselben Gedanken finden wir bei Gazzali, der die aus ihrer
Widersinnigkeit gezogenen Schlüsse auf die Unmöglichkeit der Wunder
im Jenseits und der Herzensläuterung durch religiöse Vorschriften
beseitigt, indem er die vergiftende Kraft des Opiums, die Träume, das
Feuer aufführt, lauter Dinge, wider deren Möglichkeit sehr viele grund
vernünftige Einwände erhoben werden könnten, und die darum nichts
desto weniger wahr und thatsächlich sind. Scheinbare Unmöglichkeit
ist eben für die Wahrheit einer Sache kein Kriterium, ein Grundsatz,
zu dessen Annahme Gazzali selbst die Naturforscher nöthigt, (\jiXso
öV"dA ? in Schmölders Essai 79, 80.
284
Kaufmann.
uie ein Astrolab 1 gesehen hätten. Ja selbst die einfachsten
Dinge begriffe unsere Vernunft nicht, wenn sie nicht durch
deren Dasein von ihrer Möglichkeit überzeugt würde. Eine
Wage, an der ein Arm länger ist als der andere und an der
mit einem einzigen Gewichte die verschiedensten Lasten ge
wogen werden, hielte die Vernunft eine solche für möglich?
Und doch existirt die Läuferwage. Wer möchte nach seiner
Urtheilskraft es für glaublich halten, dass ein mächtiger Stein
durch die Kraft des Wassers zu Leistungen bewegt werde ?
Fällt doch schon ein kleines Steinchen im Wasser auf den
Grün d, würden wir sicherlich schnellfertig einwerfen. Und
doch ist in jedem oberen Mühlstein die Unglaublichkeit als
Thatsache anzutreffen. Wir sind nämlich weit entfernt davon,
die Geheimnisse der Schöpfung so erkannt zu haben, dass Alles,
was sich nicht vor dem Richterstuhl unserer Vernunft aus-
zuweisen vermag, als unbedingt unmöglich zurückzuweisen wäre.
Wenn wir so kaum das Handgreifliche zu begreifen vermögen,
wie sollten wir das Uebersinnliche, etwas so Verborgenes, wie
das Problem der Willensfreiheit verstehen! 2
Ebenso sehen wir ein anderes religionsphilosophisches
Problem, das im Kal am 3 ausführlich in der Gerechtigkeits
gruppe behandelt zu werden pflegte, bei Bachja nur wegen
seiner Bedeutung für die religiöse Gesinnung zur Sprache
kommen, das Problem nämlich von der Noth der Frommen
und dem Glück der Ungerechten. Wider Bachjas Behauptung,
dass Gottvertrauen und Gottesfurcht die Mühen des Lebens
erleichtern, den Erwerb sichern, erhebt sich der Einwand, dass
ja die Erfahrung gerade das Gegentheil lehre, indem oft der
Gerechte dulden und leiden muss, der Frevler aber in mühe
losem Wohlergehen dahinlebt (IV, c. 3; S. 209 ff.).
Dieses Problem, meint Bachja, ist zwar von den Pro
pheten bereits vielfach behandelt worden, er bringe es jedoch
1 Vrgl. über dieses Instrument Woepcke in den Abhandlungen der könig
lichen Akademie der Wissenschaften zu Berlin, math. Abh. S. 1—öl.
- Abraham ihn Daud räth in der Einleitung seines Werkes (S. 4) Jedem,
der in diesem Problem etwas Unlösbares erblickt, das uns weiter nicht
zu kümmern brauche 12 inibsob mips 12b jkt sbi tm p 13W sb»,
von seinem Buche sich lieber fernzuhalten.
3 Vrgl. darüber Schahrastani II. I, 86, 87, Frankl a. a. 0. 39, 40 und
Saadias Darstellung im Emunoth V. c. 2, 3.
Die Theologie des Bachja ihn Paknda.
285
auch zur Sprache, weil er eine genügende Lösung 1 desselben
geben zu können hoffe. Das Leiden des Frommen kann ver
schiedene Ursachen haben: 1. ein früheres Vergehen; 2. die
Absicht Gottes, des Frommen Lolin im Jenseits zu erhöhen;
3. oder durch sein Leiden den Menschen ein Beispiel zu
geben; 4. wegen der Frevel der Zeit; 5. wegen Feigheit gegen
die Zeitgenossen, wider die der Fromme mit heiligem Eifer
auftreten müsste.
Ebenso hat Gottes Gnade gegen die Frevler ihre Gründe:
1. ein früheres Verdienst; 2. Deponirung von Glücksgütern
bei ihnen für würdige Nachkommen; 3. Veranlassung zum Fall;
4. Langmuth G-ottes in Erwartung ihrer Besserung; 5. Ver
geltung für väterliche Verdienste; 6. Prüfung Anderer durch
solche verlockende Beispiele.
Bezeichnend für den Charakter von Bachjas Darstellung
der Theologie, die von ihm durchaus nicht im weiteren Sinne als
Gegenstand seines Werkes aufgefasst wurde, sind seine Aeusse-
rungen über die allerwichtigsten theologischen Fragen, die er
nur gelegentlich und ohne alle eingehende Ausführlichkeit
gleichsam fallen lässt. So erwähnt er die Frage von der Un
sterblichkeit der Seele, der Ueberfliissigkeit alles Gottesdienstes,
da Gott ja bedürfnisslos ist, der jenseitigen Vergeltung und
dem Grunde ihrer Nichterwähnung 2 in der Schrift nur bei Ge
legenheit seiner Schilderung des büseu Triebes und seiner
vielgestaltigen Verlockungskünste, in denen auch skeptische
Fragen und Einwürfe eine Rolle spielen. Seine Widerlegungen
dieser Einwürfe und seine Antworten auf diese Fragen be
schränken sich in der Regel aber nur auf kurze Andeutungen
(V. c. 5).
1 Bachja folgt hier bis in die Einzelheiten der Lösung des Saadias (a. a. O.),
dem er sogar die Beispfele, wie in der dritten Ursache das Beispiel von
Hiob, oder das vom König* Manasse entlehnt. Wie sehr aber bei Bachja
der kalamistische Charakter in der Fragestellung sowohl wie in der
Lösung abgestreift ist, kann man am besten daran erkennen, dass er die
im Kalfim so viel behandelte Frage von den Schmerzen der Kinder, die
Josef al-Basir (Frankl, a. a. O. S. 40, 1) und Saadias (a. a. O. S. 87)
zum Gegenstände einer Erörterung machen, vollständig übergeht.
2 Ausführlicher bespricht Bachja die Gründe dieser Nichterwähnung (IV,
c. 4; S. 234), wo ihm daran gelegen ist, das Vertrauen auf die göttliche
Belohnung im Jenseits zu befestigen.
286
Kaufmann.
Aber neben diesem Gesichtspunkte, dass Bachja die Lehre
von Gott nur als Einleitung und zugleich Grundlage seines
Werkes behandeln wollte und Manches darin, was eingehen
der Behandlung werth erscheint, weglassen musste oder nur
flüchtig berühren durfte, ist auch noch ein Anderes nicht zu
übersehen, dass nämlich Bachja das allzutiefe Eindringen in
die Metaphysik verurtheilte 1 und alle zu weit getriebene Grü
belei wegen der unserer Erkenntniss anhaftenden Beschränkt
heit als unnütz und verderblich verwerfen musste. So unter
bricht er (I. c. 10; S. 82) seine Auseinandersetzung darüber, dass
Gott sinnlich nicht wahrnehmbar und nicht bildlich vorstellbar
sei, mit den Worten: ,Da wir nun so weit gelangt sind, haben
wir es nicht nöthig, den Gegenstand weiter auszuführen, weil
wir hierbei furchtsam, ängstlich und vorsichtig sein müssen,
wie ein Weiser [Sirach] sagt (Chagiga 13 b): Erforsche nicht
das Unerreichbare, das Verborgene untersuche nicht u. s. w‘.
1 Dass diese Ansicht die der lauteren Brüder ist, geht aus Stellen wie die
folgenden hervor: ,Wenn sie über die Entstehung der Welt nachdenken
und darüber, dass sie ward, nachdem sie nicht gewesen, auch nach der
Ursache forschen, welche den Schöpfer zum Schaffen trieb, nachdem er
vorher nichtschaftend gewesen, so ist dies die Ursache, welche der End
zweck heisst, dessentwegen der Timende etwas tliut. Wenn nun viele
Gelehrte über diese Ursache nachdenken und darnach forschen, so wissen
sie dieselbe nicht; dasselbe geschieht auch, wenn sie über den Schaffenden
selbst nachdenken, wann er schuf, zu welcher Zeit er handelte und an
welchem Orte er schaftend war: weder wissen sie dies noch können sie
es sich vorstellen. Ebenso, wenn sie darüber nachdenken und forschen,
woraus er Alles schuf, wie er es formte und wo die Fussspitze des
Zirkels stand, als er die Kreisform der grössten Sphäre beschrieb und
die Sterne in Umschwung versetzte, und was dergleichen Fragen und
Grübeleien mehr sind über so viele andere solche Dinge, von denen weder
die Erkenntniss in der Macht des Menschen steht, noch die Verstellung
in der Kraft seiner Seele liegt. So kommt es denn dass ihre Thorheit,
ihre Verwirrung und ihre Scrupel sie verleiten, zu behaupten, die Welt
bestehe von Ewigkeit her 4 . (Dieterici, Naturanschauung S. 123), vrgl. Diet.
Anthropologie S. 110,111. ,Auch die Vernunftkraft des Menschen ist
eine mittlere. Dieselbe kann sich nur die zwischen Klarheit und Ver
borgenheit in der Mitte liegenden Vernunftsobjecte vorstellen. Wegen
allzuheller Klarheit und zu klarem Hervortreten, nicht aber wegen de r
Verborgenheit seines Wesens kann die Vernunft des Menschen den
Schöpfer nicht in seinem eigentlichen Wesen erfassen 4 (a. a. 0. S. 112).
Die Theologie des Bachja ihn Pakuda.
287
Wenn so jeder Weg uns abgeschnitten scheint, durch
die Kräfte unseres Denkvermögens zur Erkenntniss Gottes
und des Uebersinnlichen zu gelangen, so ist die Möglichkeit,
überhaupt sie jemals erkennen zu können, damit noch durch
aus nicht ausgeschlossen. Unsere, nach Bachjas Ansicht (z. B.
III., c. 2; S. 136) aus der oberen, geistigen Welt stammende
Seele vermag auch noch auf Erden zur Anschauung des Gött
lichen, Reingeistigen sich zu erheben, wenn sie nur zuvor alle
Bedingungen der inneren Religiosität erfüllt hat. Wenn die
Seele nach Bachjas Anweisung mit sich Rechenschaft gehalten
hat, dann erreicht sie nach seiner Meinung (VIII, c. 4.):
,Die Reinheit ihres Wesens von der Umdüsterung der Tlior-
heit und Befreiung von der Finsterniss des Zweifels'. ,Du
wirst dann, sagt er (ib. 394), auf der Stufe jener Gotterwähl
ten stehen und eine höhere, unbekannte Kraft erwacht in dir,
die du unter deinen gewöhnlichen Kräften nicht kennen ge
leimt hast, dann erkennst du in der Klarheit deiner Seele,
deines Herzens Lauterkeit und deines Glaubens Kraft jene
erhabenen Materien und tiefen Geheimnisse und kraft der Er
habenheit dessen, was du erschaut hast, und der Grösse des
Geheimnisses, das unter Gottes Beistände dir offenbart wurde,
wirst du hier wie dort unaufhörliche Freude gemessen/ ,Dann
erscheint dir jene erhabene Form, die dir unbekannt gewesen,
du kannst sie sehen, an ihrer Lieblichkeit und an ihrer Schön
heit Glanze dich ergötzen, jene hocherhabene Form, die sinn
lich dir unzugänglich gewesen, Gottes Weisheit und die Schön
heit der oberen Welt, deren Form und Gestalt und Allmacht
uns verborgen ist/ ,Deine Seele wird sich läutern, dein
Verstand aufhellen und Alles, was deiner Seele verborgen
war, wird dir vorstellig werden und mit offenen Augen wirst
du die wahren Formen sehen, das Thor der Höhen wird sich
dir aufthun und der Vorhang, der zwischen dir und der Weis
heit Gottes eine Scheidewand bildet, wird sich aufrollen vor
deinen Augen und Gott selber wird dich erhabene Weisheit
und nützliche Uebung lehren und göttliche Kraft dir verleihen'
(ib.). Das ist der Seelenzustand, 1 zu dem nach Bachja die
1 Dass Bachja auch liier der Anschauung der lauteren Brüder folgt, erkennt
man aus folgender ihrer Aeusserungen: ,Erwacht die Seele vom Thorheits-
288
Kaufmann. Die Theologie des Baclija ihn Palaula.
wahren Frommen gelangen. Wenn die Seele voll von dem Ge
danken an Gottes Allgegenwart und Allwissenheit alle Hand
lungen gleichsam unter Gottes Augen vollführt und der Mensch
solcher Handlungsweise mit Eifer sich befleissigt, ,dann wird
der Schöpfer seine Betrübniss lindern, sein geängstigtes Herz
beruhigen, die Zugänge zu seiner Erkenntniss ihm erschliessen,
die Geheimnisse seiner Weisheit ihm offenbaren, seine Augen
auf seine Führung und Lenkung richten und ihn nicht sich
selbst und seiner Eigenmächtigkeit überlassen, so dass er dann
auf die oberste Stufe der Frommen und den höchsten Ehrenplatz
der Gerechten gelangt, ohne Augen sehen, ohne Ohren hören,
ohne Sprache sprechen, ohne Sinne sinnlich wahrnehmen kann,
ohne Schlüsse zu einer Auffassung gelangt' (VIII, c. 8; S. 358).
Dieser Erkenntnissweg Bachjas ist offenbar ein ekstati
scher Zustand der Seele, der in einer höheren Erleuchtung
besteht, die eine Anschauung des Göttlichen und Uebersinnliclien
uns vermittelt. Wenn aber Bachja diesen Zustand als das na
türliche Ziel eines reinen, religiösen Lebens, nicht aber als
etwas hinstellt, was durch gewaltsame Askese erzwungen werden
kann, wenn er weit davon entfernt ist, etwa in der Weise der
späteren spanischen Aristoteliker, von einer sinnlichen Wahr
nehmung Gottes und dem Hören seiner Stimme 1 während der
Ekstase zu sprechen, so hat sein reiner Gottesglaube ihn hiervor
bewahrt, wie denn überhaupt das Bewusstsein, mit der Lehre von
der Ekstase ein Fremdes auf jüdischen Boden zu verpflanzen,
vor einem Zuweitgehen in dieser Richtung warnen musste.
Schlummer und wirft sie von ihrem Wesen die leibliche Schuld und
körperliche Hülle, das ist die natürlichen Gewohnheiten, schlechte An
lagen und thörichten Absichten ab, so wird sie von den stofflichen
Begierden frei, ihr Wesen wird lichtartig, ihre Substanz erstrahlt. Ihr
Blick wird dann scharf und sieht sie dann die geistigen Formen, sie
erschaut die ewigen Lichtsubstanzen und bezeugt die geheimen Dinge
und verborgenen Geheimnisse, welche weder mit den körperlichen Sinnen,
noch an leiblichen Kennzeichen wahrgenommen werden. Hat dann die
Seele jene geheimnissvollen Dinge erschaut, so hängt sie sich an sie, so
wie der Liebende an die Geliebte, sie wird Eins mit ihnen, Licht in Licht,
bleibt ewig mit ihr in einer Lust, welche die ltede weder beschreiben
noch der Gedanke erfassen kann 1 . Es wäre überflüssig, die Einzelheiten
namhaft zu machen, in denen diese Stelle (Anthropologie S. 102; vrgl. auch
S. 127) mit denen Bachjas genau iibereinstimmt.
1 Wie z. B. Ilm Tophail den Haj ihn Jalczän in der Ekstase Gottes Stimme
hören (Philosophus autodidactus S. 155) und seine Wesenheit selber sehen
lässt. Vrgl. Ritter, die ehr. Phil. I, S. 501 und 505.
SITZUNGSBERICH TE
DER
KAISERLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN
PHILOSOPHISCH-HISTORISCHE CLASSE.
LXXVII, BAND. II. HEFT.
JAHRGANG 1874 — MAL
Öitzungaber. d. pliil.-hist. CI. LXXVII. Bi. II. Hft.
19
XIII. SITZUNG VOM 13. MAI.
Der Secretär verliest Dankschreiben von der National
bibliothek in Athen und von dem n. ö. Landesausscliusse für
die bewilligte unentgeltliche Ueberlassung ihrer Publicationen,
und legt das auf Antrag des Directors der Nationalbibliothek
in Paris von dem französischen Herrn Minister des Unterrichtes
der k. Akademie zum Geschenk gemachte Werk ,Catalogues des
manuscrits syriaques et sabeens de la bibliotheque nationale! vor.
Eingesendet wurden die mit Unterstützung der k. Aka
demie herausgegebenen Werke von Herrn Dr. Al. Huber ,Ge-
schichte der Einführung und Verbreitung des Christenthums in
Südostdeutschland' 1. Bd v und von Herrn Prof. Dr. TIraner
,Die Summa magistri Rolandi.'
Sodann legt der Secretär Prof. Vahlen eine eigene Ab
handlung vor, welche eine weitere Betrachtung über Aristoteles’
Poetik enthält.
Die Aufnahme der Abhandlung von Herrn Dr. A. B.
Meyer /über die Mafoor’sche und einige andere Papua-Sprachen
auf Neu-Guinea' in die Sitzungsberichte wird genehmigt.
An Druckschriften wurden vorgelegt:
Accademia Pontificia de’ nuovi Lincei: Atti. Anno XXVII, Sess. 3“.
Roma, 1874; 4°.
Akademie der Wissenschaften, Königl. Preuss., zu Berlin: Monatsbericht,
.ruli und August 1873. Berlin; 8°.
Berlanga, Manuel Rodriguez de, Los bronces de Osuna, Malaga, 1873; gr. 8°.
19*
292
Bibliotheca manuscripta ad- S. Marci Venetiavum. Codices Mss. latini. Vol. VI.
Veneiiis, 1873; 8°.
Catalogues des manuscrits syriaques et sabäens (Mandaites) de la Biblio-
thfeque nationale. 4°.
Commissione archeologica mnnieipale: Bullettino. Novembre-Decembre 1873.
Koma, 1874; gr. 8°.
Cosmos di Guido Cora. Vol. II. 1874. I. Torino; 4°.
Gesellschaft, k. k. geographische in Wien: Mittheilungen. Band XVII
(neue Folge VII), Nr. 4. Wien, 1874; 8°.
Institution, The Royal, of Great Britain: Proceedings. Vol. VII, Parts I—II.
Nrs. 58—59. London 1873 and 1874; 8°. — List of the Merabers etc.
1873. London; 8°.
Instituto, Reale Veneto, di Seien ze, Lettere et Arti: Memorie. Vol. XVIII
Parte 1\ Venezia, 1874; 4°. — Atti. Tomo III 0 . Serie IV“, Disp. 2 ,ln e 3“
Venezia, 1873/74; 8°.
Jahresbericht der Lese- und Rede-Halle der deutschen Studenten in Prag.
Vereinsjahr 1873—1874. Prag, 1874; 8°.
Mittheilungen der k. k. Central-Commission zur Erforschung und Er
haltung der Baudenkmale. Supplementband. II. Heft. Wien, 1874; 4°.
Revue politique et litteraire 1 et ,Revue scientifique de la France et de
17:tranger‘ IIP Ann6e, 2 e S6rie, Nrs. 44 et 45. Paris, 1874; 4°.
Society, the Asiatic, of Bengal: Proceedings. Nr. X. Deeember 1873. Cal-
cutta; 8°. — Bibliotheca Indien. New Series. Nrs. 208, 287, 289—291,
293, 295, 296, 299. Calcutta and London, 1873 and 1874; 8°.
Y all len. Aristoteles über Wirkung der Tragödie.
293
Wo stand die verlorene Abhandlung des Aristoteles
über Wirkung der Tragödie?
Von
J. V ahlen,
wirkl. Mitgliede der kaiserl. Akademie der Wissenschaften.
Aristoteles schreibt in der Politik (8, 7) in der Unter
suchung über die Verwerthung der Musik in einem wohlgeord
neten Staat: 'Nach unserer Ansicht soll man die Musik nicht
bloss zu einem, sondern zu mehreren nützlichen Zwecken an
wenden, erstens als Theil des Jugendunterrichtes, zweitens zu
Katharsis — was Katharsis ist, werden wir jetzt nur im all
gemeinen (äxA(3;) sagen, aber ev toi? Trspi izo’.rpi'.y.r^ darauf zu
rückkommen und bestimmter (cocpscTspov) darüber reden —
drittens zur Ergötzung V Dieser Verheissung wird in den jetzt
vorliegenden Schriften des Aristoteles nicht entsprochen. Denn
in der Poetik erscheint zwar als ein Moment der Detinition
der Tragödie (c. (i) die von ihr zu bewirkende zaOapcn«; tüv
(eXöi)viztöv za! aisßiQTizuv) T:aÖYj[j.aT(i)v und es liegt diese Forderung
der Aristotelischen Theorie der Tragödie zum Grunde. Aber
eine Erklärung des termiuus und eine Aufklärung darüber, wie
man sich den pathologischen Process in der Seele des Zu
schauers zu denken habe, der mit diesem Worte bezeichnet
1 184t b 86 cpap.sv 3’ ou evsxev cotpAEta? Trj p.ouaixrj ’/pfjaOat 8eiv aXXa xai
jiXeiovcov ’/ctpiv, xai yap miSelas evexev xal xaOäpaEw;, zt 8e X^yop.ev r/|V xx-
Oapaiv, vuv p.sy ärcXtu?, jtäXiv o’ iv zot'c r.spt ramptxfjs spoü|j.sv ax'fiaxzpciv,
xpixov oe jepos oiay«yr)V.
294
Va lilen.
wird, findet sich weder in der Poetik noch in irgend einer
anderen der uns erhaltenen Schriften des Aristoteles, und wir
sind heute für das Verständniss dieses Kunstausdruckes viel
mehr an die Auseinandersetzung in der Politik gewiesen.
Dass aber das in der Politik gegebene Versprechen nicht
unerfüllt geblieben war, dafür bürgt ein Zeugniss des Neu-
platonikers Proklos, der in seinem weitschichtigen Commentar
zu Platon’s Politeia auf die in der Schätzung der Tragödie
weit auseinandertretenden Ansichten des Platon und Aristoteles
geführt, deutlich zu erkennen gibt, dass er eine von dem, was
heute in der Politik und Poetik zu lesen ist, verschiedene Erör
terung des Aristoteles über die Wirkung der Tragödie kannte
und benutzte. Denn bei Proklos, der den Aristoteles ausdrücklich
nennt, lieber an Philosophen seiner Schule als an des Meisters
eigene Darlegung zu denken, heisst doch wohl der Zweifel
sucht mehr als billig Raum gewähren.
Aber wo, in welcher Schrift des Aristoteles las Proklos
diese von Aristoteles selbst in Aussicht gestellte, uns nicht auf
bewahrte Untersuchung? V. Rose hat das Zeugniss des Proklos
unter die Bruchstücke der dialogischen Schrift xspi itonQiwv
gereiht. Allein so wenig die Möglichkeit bestritten werden kann,
dass auch diese Schrift, deren Plan aus den spärlichen Resten
nicht mehr erkennbar ist, diese Frage berührt habe, so fehlt
es doch an jedem positiven Moment, das der Möglichkeit zur
Wahrscheinlichkeit verhelfen könnte; und dass vollends Ari
stoteles selbst mit dem Citat der Politik ev tou; rapi TO'.rftv.rfe
auf den Dialog Trepi tcoiy;twv habe verweisen wollen, ist unglaub
haft auch für den, welchem der Dialog als ein echtes Werk
des Aristoteles gilt. E. Heitz hingegen war der Ansicht, nicht
eine andere Schrift des Aristoteles, sondern ein der Politik
selbst angehöriger Abschnitt über Dichtkunst werde mit den
Worten ev -rok Trepi TroiYj-uiaj; bezeichnet. Er betont dabei den
Wortlaut des Cltates vüv p.sv itoiXtv o’ ev toT? Trepi tcoiyjti-
Epo'jp.ev cacpscTepov, der nur passend erscheine bei Verwei
sung auf eine derselben Schrift ungehörige spätere Untersuchung,
nicht auf eine davon getrennte selbstständige Schrift, und hätte
Aristoteles über Wirkung der Tragödie.
296
sich zur Unterstützung dieser Annahme einer genau zutreffen
den Parallele aus der Schrift de coelo 1, 3. 269 b 21 bedienen
können'. Aber nichts desto weniger kann ratXiv |poup,ev als
Hinweis auf ein künftig zu verfassendes Buch so wenig an-
stössig sein als ein siprjTai xtpÖTSpov auf ein früher geschriebenes
Werk. (Uoberdies vergleiche man die in anderer Beziehung
dem Citate der Politik nahe kommende Stelle der Rhetorik
1, 2. 1357 b 21). Dazu kommt, dass es unerwiesen ist, Aristoteles
habe in der Politik einen der Dichtkunst gewidmeten Ab
schnitt eingefügt oder einfügen wollen, und ist überhaupt die
Untersuchung über Plan und Ausführung dieses Werkes noch
nicht zu derjenigen Verlässlichkeit gediehen, welche sichere
Schlüsse darauf zu bauen verstattete. Um so bedenklicher
muss es erscheinen, auf einen in so schwankender Hypothese
vorausgesetzten Abschnitt ein Citat zu beziehen, das eonform
ist mit dem Titel einer erhaltenen Schrift, die überdies Ari
stoteles wiederholt genau mit denselben Worten in der Rhetorik
anführt für Erörterungen, die wir heute in der Poetik lesen.
Unbefangene Beurtheilung wird sich vielmehr der Anerkennt-
niss nicht verscliliessen, Aristoteles kündige in dem Citat der
Politik an, er wolle in dem Buche xrspi irowiny.vjs auf die Be
deutung der zäSapGi? in eingehenderer Weise zurückkommen.
Aber erhalten ist uns die Erörterung hier nicht, und von
Neuem erhebt sich die Frage, an welcher Stelle der Poetik
stand sie, da ja Proklos sie kannte und las. Man hat gemeint
c. 6 im Anschluss an die Definition der Tragödie, welche die
■/«Oapai? liaOrjp.aTMv nennt. Eine Erläuterung des terminus war
hier wohl am Platze, wie andere Ausdrücke der Definition er-
klärt werden, aber sie war unuothwendig, wie die Vei’gleichuug
von Politik 8, 6. 1341a 23 mit 8, 7. 1341b 38 zeigen kann;
eine Darlegung hingegen, wie wir nach Ai'istoteles’ Ankündigung
und Proklos’ Zeugniss annehmen müssen, war von diesem
1 Oct 3e OjcoOe'oOcu TI XEyopEV TO ßctp'u xxl TO zou^ov vuv |JEV Ixavtö; WC rpb;
T7jv Ttapoüaav ypsfav, a/.ptß^aTEpov o'e t.aXiv otccv £7Ci<j/.07twp.EV TCEpi Trj? o’jotac
ocÜtwv (4, 1).
Kasai
296 V a lilen.
Zusammenhänge ausgeschlossen. Oder hinter c. 14 nach Ent
wickelung der Compositionsgesetze der tragischen Fabel. Aber
zu geschweigen, dass hier kein Riss das Fehlen eines nicht
unerheblichen Abschnittes verräth, tritt auch die Erwägung
entgegen, dass die Untersuchung über die Wirkung der Tragödie
nicht wohl in die Behandlung eines einzelnen Theiles derselben
wie die Fabel hineingeschoben oder zwischen zwei so eng
zusammengehörige Theile wie p.üQo? und eingezwängt werden
konnte. Und zudem bestehen beide Annahmen nur unter der
sehr problematischen Voraussetzung Aristoteles’ Poetik sei ein
knapper Auszug aus einem umfangreicheren Werke.
Auf einen anderen Weg der Betrachtung leitet genauere
Prüfung der Stelle des Proklos, die in ihrem entscheidenden
Theile so lautet: 'Das zweite Problem ging dahin, dass Platon’s
Verbannung der Tragödie und Komödie aus seinem Staat
absurd sei, da man ja durch diese Dichtungen die Affeote
niassvoll befriedigen und nach gewährter Befriedigung an
ihnen kräftige Mittel zu sittlicher Bildung haben könne, nach
dem man ihr Beschwerliches geheilt. Diesen Punkt, welcher
dem Aristoteles vielen Anlass zu Vorwürfen und den Verfech
tern jener Poesien zu Entgegnungen gegen Platon gegeben
hat, wollen wir in folgender Weise erledigen 1 .’ Auf Tragödie
und Komödie zusammen also hatte Aristoteles sich in der
Polemik gegen Platon eingelassen und durch Prüfung ihrer
beiderseitigen Wirkung beide gemeinsam gegen das Verdam-
mungsurtheil jenes in Schutz genommen. Und Platon selbst rückt
da, wo er die Zulässigkeit der dramatischen Dichtung in seinem
Idealstaat um ihrer Wirkung willen bekämpft, allemal Tragödie
und Komödie unter denselben Gesichtspunkt und belegt beide
1 to os Ocurepov (7CpoßXr)(j.a), toDto o’ 7)V, to ttjv xpayoiotav IxßaXXeaOai xai
-/.co(j.o>oi'av aTo'7üfo;, e’utep oia toutiov ouvaiov sppiTpioi; aTCOTCtpjuXavai Ta r.aOri
xai aT:07iXyjaaVTa^ evepya r.po<; xrjV TcaiSelav ejrsiv, io neitoV7)Xog autwv Ospocxsv-
aavxa?, touto o’ oov 7;oXXr)v xai to> ’ApiaroTsXei xapcojybv akidcaecos acpopp.7jv
xai T0T5 uizlp tojv 7LOi7iaeiov toutiov ayioviaxati; tojv tcpo; ÜXaTtova Xoywv
ourcoai 7:105 £7:6[xevoi tot; E(j.7;poaO£V oiaXuaop-EV. Vgl. Bernays Ari
stoteles über Wirkung 1 der Tragödie S. 164 f.
I
Aristoteles über Wirkung der Tragödie.
297
zusammen wegen ihres trotz des Gegensatzes analogen Einflusses
auf die Zuschauer mit demselben Banne. So um eine Stelle auszu
heben im 10. Buche der Politeia 605 '.
Nun steht durch anderweitige Beweisführung fest, dass
von des Aristoteles ursprünglich zwei Bücher umfassenden
irpa-fp.aTe(a xkyyr\c, 7ro'.^T:x.%, deren erstes Tragödie und Epos be
handelndes Buch uns erhalten, das zweite die Theorie der
Komödie und eine specielle Sonderung der Arten des Komischen
enthielt. Nach der theoretischen Abhandlung beider dramatischen
Gattungen konnte aber füglich erst die Frage nach der Nütz
lichkeit beider für das öffentliche Leben aufgeworfen werden,
deren Entscheidung nothwendig durch die Prüfung ihrer Wir
kung auf den Zuschauer bedingt war. Hier also hatte Aristo
teles diese Aporie, die eine speciellere Erläuterung der tragischen
y-äOapcn; nicht umgehen konnte, durchgesprochen, in ähnlicher Art
und Ausdehnung etwa, wie in dem letzten uns erhaltenen
Capitel die Controverse über den Vorrang des Epos vor der
Tragödie oder dieser vor jenem; und die Polemik gegen Platon
konnte, wofür die Poetik selbst Belege bietet, entschieden genug
sein, auch wenn Platon, dessen Name in der erhaltenen Poetik
nicht erscheint, nicht genannt war. Bei solcher Vorstellung
von diesem Abschnitt geschieht der Ankündigung des Aristoteles
1 605 c ot yio Trau ßO.Tiarai rjpfiv äxpowjj.evoi 'Of«]pou r) aXXou riv'o; -tüv
Tpaytooorcoiwv [.up.oup.cvou Tiva ttov 7)piba>v iv rcivOsi ovta xai fxaxpav ß^aiv
arcoTEi'vovTa iv xoic, ooupp.ot<; ^ xai a8ovTa<; te xai xorcTopivoug, otaO’ oti yjxl-
pop.EV te xai evÖovte«; 7jp/.a<5 aürobg ETio'p.sOa i;up.7caayovT£S xai <77:ouoa£ovTs;
E7raivou(j.Ev ob; ayaOov 7:oi7]T7]V, 05 av 7j[j.ac 0 ti (j.aXiara outoj oiaOrj; . . . brav
5s 0ixsfov tivi 7j[j.tov xrjoo; ysvrjTai, evvoei? au, oti ixt tw ivavTito xaXXiorci-
£o'(j.sOa, av ouvoj[j.sOa 7jauyjav aysiv xai xapTEpEiv, co; touto [j.'ev avopoc, ov,
sxsivo OE yuvaixo$, 0 tote e^7]vou[j.ev; .... 606 c ap' ouy b auT0$ Xoyo<; xai
TTEpi tou yeXofou; 0 ti av auTo<; aiayuvoio y£XioT07C0iiov, iv {.upjarEi os xcopno-
5ix?j xai io(a axoutov, acpoopa yctprj<; xai p.7j [xiarjij foc r.oYqptx, TauTov 7:0 u5v
orzEp iv toT; iXiois; 0 yap tco Xoyw aO xaTEiys«; iv aauTto ßouXo|j.£Vov ysXouTO-
TTOistv, cpoßou(j.svo$ 5ol;av ßtop.oXoy las, tot’ au avt/j;, xai ixsi vsavixov üotrjoa;
KXaOeg« rcoXXaxi; iv toi$ oixsioi; i?-svEyOsi'$, wars xojp.o)007:oib? ysvEaOai.
■ ■ ■
298 ' Vahlen. Aristoteles über Wirkung der Tragödie.
in der Politik, wie nicht minder dem Zeugniss des Proklos
Genüge und sind wir der bedenklichen Annahme überhoben,
die Poetik sei in dem uns vorliegenden Theile durch die Schere
des Epitomators beträchtlich gekürzt worden.
i
Meyer. Ueber die Mafoor’sc'he und einige andere Papua-Sprachen.
299
Ueber die Mafoor'sche und einige andere Papua-
Sprachen auf Neu-Guinea.
Von
Dr. Adolf Bernhard Meyer.
I. Einleitung.
Ich verdanke die folgenden Mittheilungen über die Ma-
foor’sche Sprache zum grossen Theile dem, schon seit vielen
Jahren auf der in der Bucht von Dore, in der Nähe des
Platzes Dore oder Doreri liegenden Insel Manaswari (Mansi-
nam) ansässigen Missionäre Herrn van Hasselt; derselbe wid
mete sich während seines fast zehnjährigen Aufenthaltes auf
Neu-Guinea mit besonderer Vorliebe dem Studium der Sprache
des Mafoor’schen Stammes. Ich selbst war durch die Umstände
sehr wenig genöthigt einige Sprachen oder Dialekte dieser
grossen Insel zum Zwecke der Verständigung zu erlernen, da
ich intelligente Dolmetscher zur Seite hatte, welche Malayisch
— eine Sprache die jeder Reisende im ostindischen Archipel
sprechen muss, wenn er nicht auf Schritt und Tritt gehemmt
sein will — und verschiedene Papua-Dialekte verstanden. Es
waren das zum Tlieil von den Missionären auferzogene Landes-
Eingeborene; sie hatten neben vielem Anderen fliessend Ma
layisch sprechen gelernt und standen im Allgemeinen den mich
begleitenden Malayen an Intelligenz durchaus nicht nach.
Ausserdem fehlte mir, dem Naturforscher, bei meinem halb
jährigen Aufenthalte in diesem wilden Lande, bei der Fülle der
vielen mir näher liegenden Aufgaben, gei'adezu die nöthige
300
Meyer.
Zeit, um näher auf die Erforschung der Sprachen einzugehen,
eine Arbeit, welche bei der hier herrschenden grossen Dialekt
verschiedenheit, auf die ich sogleich zurückkommen werde,
eine überaus schwierige und zeitraubende gewesen wäre.
Da, so viel ich weiss, noch keine Grammatik sondern
nur einzelne Wörterverzeichnisse von Papua - Sprachen ver
öffentlicht worden sind, so dürften die folgenden Mittheilungen
vielleicht dazu geeignet sein, einige neue Gesichtspunkte bei-
zubringen zu der Lösung der Frage nach Herkunft und Ver
wandtschaft oder wenigstens der Beziehungen der Papuas zu
anderen Völkern oder Rassen des Ostens; doch muss ich die
Beurtheilung dieses linguistischen Materials Sprachforschern
überlassen und mich darauf beschränken, dasselbe einfach über
mittelt zu haben.
Noch kürzlich konnte Friedrich Müller (Allg. Ethn.
1873 S. 14) von den Papuas sagen, dass es noch zweifelhaft
sei, ob sich bei ihnen Rasse und Sprache decken, ,da das
Material, aus welchem der Forscher seine Schlüsse ziehen
könnte, nicht derartig vollständig ist, um dies mit Sicherheit
thun zu können'. Recht eigentlich den ersten roh behauenen
Stein dieses noch fehlenden Materiales glaube ich in der mit-
zutheilenden Grammatik des Mafoor’sclien Stammes darzubieten,
und da zu erwarten ist, dass bald von der entgegengesetzten
Seite Neu-Guinea’s eine ähnliche Mittheilung erfolgen wird, so
dürfte vielleicht die Entscheidung darüber, ob die Papuas mono-
glottisch oder polyglottisch sind, in nicht zu langer Zeit er
folgen können. 1
Ich werde an die Darstellung der Grammatik, so weit
sie mir erreichbar gewesen ist, einige Wörterverz eich nisse
anschliessen, indem ich erstens das Ottow-Croockewit’sche
Vocabularium aus dem Buche: Nieuw-Guinea ethnographisch
en nätuurkundig onderzoeht en beschreven, Amsterdam 1802,
(Bijlage Letter k. lc.) welches nach Herrn van Hasselt’s Auto
rität durchaus fehlerhaft ist, in verbesserter Gestalt mittheile,
und zwar in zweifacher Weise angeordnet, deutsch-papuaniseh
(statt liolländiscli-papuanisch) und papuaniseh-deutsch - durch
welch’ letztere Anordnung manche Beziehung verschiedener
Ausdrücke zu einander anschaulicher hervortritt;— zweitens
das Vocabularium von 117 Wörtern, welches A. R. Wallace
Ueber die Mafoor’sclie und einige andere Papua-Sprachen.
301
in seinem Werke über den Malayischen Archipel 1 in 33 Spra
chen jener Gegenden beigebracht hat, unter welchen jedoch
die Sprache von Dore (die Mafoor’sche) fehlt, auch in dieser
gebe, was zum Vergleiche mit jenen anderen Sprachen Man
chem vielleicht erwünscht ist; 2 drittens zwei kleinere Wörter
verzeichnisse von anderen Gegenden Neu-Guinea’s — dem
Arfaks-Gebirge und den Arimoa Inseln — anfüge, und endlich
viertens eine Zusammenstellung der Zahlen von 1—5 in 21
verschiedenen Dialekten des nordwestlichen Neu-Guinea’s bei
bringe.
Bevor ich jedoch diese Mittheilungen mache, mögen mir
einige wenige Bemerkungen über den Sprach- oder Dialekt-
Reichthum auf Neu-Guinea überhaupt gestattet sein, um von
dem relativen Werth der specieller behandelten Mafoor’scheu
Sprache für die Beurtheilung der anderen Sprachen oder Dia
lekte Neu-Guinea’s und für die Betrachtung der Papüa-Sprache
im Allgemeinen eine deutlichere Vorstellung zu geben, beson
ders damit nicht vorzeitig Verallgemeinerungen gezogen wer
den, zu denen keine Berechtigung vorläge.
Man macht sich schwerlich einen zutreffenden Begriff 7 von
der Fülle der verschiedenartigen Dialekte und Sprachen, wie
1 Siehe II. Bil. S. 442—467. Deutsche Ausgabe von A. B. Meyer, Brann-
schweig 1869.
2 In der holländischen Uebersetzung des Wallace’schen Werkes von P.
.T. Yeth sind diese Vocabularien als nicht werthvoll und sachlich genug
weggelassen worden; ich theile jedoch nicht den Standpunkt des ge
lehrten Herausgebers, und stütze mich u. A. auf das Urtheil verschie
dener Sprachforscher, welche das Bemühen Wallace’s nach dieser Rich
tung Hin als verdienstvoll anerkannten. Es ist wahr, dass in der hol
ländischen und holländisch-indischen Literatur schon Vieles die Sprachen
des ostindischen Archipels Betreffende niedergelegt ist, allein es entbehrt
bis jetzt noch jeglicher Zusammenstellung und Bearbeitung von Seiten
eines Fachgelehrten, und bis diese wichtige und einer Lösung harrende
Arbeit gethan sein wird, sind jene vergleichenden Vocabularien zur An
regung und Orientirung, wie ich glaube, nicht abzuweisen. Das Wallace-
selie Buch will ja überhaupt nicht eine tief wissenschaftliche und er
schöpfende Behandlung all’ der interessanten Fragen geben, die es be
rührt, es hat vielmehr einen hervorragend praktischen Zweck, und dieser
Gesichtspunkt darf, meiner Ansicht nach, auch bei der Beurtheilung
eines einzelnen Punktes desselben nicht ausser Acht gelassen werden.
302
Meyer.
sie in dem ostindischen Archipel vorhanden ist. Um nur eine
Gegend zu erwähnen, welche ich selbst ein Jahr lang bereis’t
habe, die Minahassa in Nord-Celebes ', den District. Gorontalo
und einen Theil der Küsten der Bucht von Tomini auf Ce
lebes, so hat der uni die Vermehrung unserer Kenntnisse von
Nord-Celebes auf verschiedenen Gebieten so thätige holländi
sche Beamte Herr Riedel allein von den angeführten Gegenden
an 23 Dialekte bekannt gemacht (siehe Verh. Bat. Gen. v.
Künsten en Wetenschappen Bd. XXXI] I) und die Zahl der
Dialekte der ganzen Insel Celebes dürfte nur nach Hunderten
zu schätzen sein. Ich hoffe später geeigneten Ortes auf diese
Verhältnisse in Celebes näher eingehen zu können, und führe
hier nur noch als bezeichnend eine meiner eigenen Erfahrungen
in jener Gegend an, dass nämlich ein mich begleitender, an
der Nordspitze der Minahassa in Likupang gebürtiger Cele-
benser, den ich in die Berge der Minahassa, 30—40 englische
Meilen von seiner Heimath entfernt, mitnahm, nicht im Stande
war, sich dort mit den Bewohnern durch die Sprache zu ver
ständigen, und er hätte vielleicht nicht einmal so weit zu gehen
brauchen um dasselbe zu erfahren 2 .
1 Ich bemerke gelegentlich, dass ich mich der von Herrn Riedel eingeführten
Schreibweise ,Minahasa‘ mit einem ,s‘ und ,Selebes‘ mit ,S‘ statt ,C‘
im Deutschen nicht anschliesse, da ich hei den Sprachen dieser Gegen
den für jetzt noch das Princip für berechtigt halte, die Wörter so zu
schreiben, dass sie, nacli deutscher Ausspräche gelesen, eben so wie an
Ort und Stelle klingen. In diesem speeiellen Falle ist das zweifellos
,Minahassa 1 scharf und nicht weich, wie ein einzelnes ,s‘ klingen würde,
und ,Celebes* ebenfalls scharf und nicht weich, wie ein ,s* am Anfang
des Wortes auszusprechen wäre. Es müsste genauer vielleicht mit ,<J‘ ge
schrieben werden, oder welche Transcription man sonst wählen will,
allein die Differenz ist eine so geringe, dass ich mich nicht entsehliessen
kann, das allgemein adoptirte ,Celebes* in ,Selehes* umzuändern. Ueber-
diess ist die Ableitung, auf welche Herr Riedel sich zur Begründung
seiner Neuerung stützt, noch keine ganz sicher gestellte und allgemein
adoptirte.
2 Analoge Verhältnisse findet man noch heute z. B. in Gebirgsthälern der
Schweiz. So sagt u. A. K. E. von Baer (über den Schädelhau der Rhä-
tischen Romanen, Bull, der Petersb. Akad. 1859 S. 246 Anm.): ,Auch
jetzt noch bestehen mehrere, besonders benannte Dialecte und Unter-
dialecte in dem kleinen Reste der Romanischen Sprache. Diese Dialecte
Ueber die Mafoor’sclie und einige andere Papua-Sprachen.
303
Auf Neu - Guinea aber ist diese Dialektverschiedenheit
noch eine ungleich grössere und tiefergehende, weil es über
haupt noch nicht zu dem Anfänge einer Staatenbildung dort
gekommen ist Von Ort zu Ort — und Orte sind meist nur
wenige Häuser — besonders im Gebirge, ist die Sprache eine
so total andere, dass selbst die Bezeichnungen der gewöhn
lichsten und elementarsten Wörter grundverschieden sind und
dass es, wie ich glaube, oft unmöglich sein wird eine gleiche
Wurzel aufzufinden. Eine Erklärung dieses Umstandes scheint
mir relativ nicht so schwierig zu sein. Die grosse Abgeschlos
senheit der einzelnen kleinen Stämme gegeneinander, welche
sich, wenn überhaupt, nur in feindlicher Weise berühren, er-
giebt, bei dem lebendigen Flusse der Sprache, naturgemäss von
Generation zu Generation, und selbst noch in kürzeren Zeit
räumen, diese so verschiedenartige Abänderung des ursprüng
lich, wie man wohl anzunehmen berechtigt ist, Gleichartigeren,
da ja die Menge der Möglichkeiten der dabei einzuschlagenden
Wege eine sehr bedeutende ist.
Die Verschiedenheit der Species auf zoologisch-botani
schem Gebiete weis’t gewisse Analogien mit diesem Umstande
auf, und es ist seit Darwin von Sprachforschern und Anderen
bereits eingehender darauf hingewiesen worden. Vielleicht aber
ergäbe das genauere Studium dieser Dialektverschiedenheiten
in solchen Ländern wie Neu-Guinea dem Sprachforscher neue
und wichtige, bis dahin unbekannte Momente, da er hier ge-
wissermassen naturwüchsigere und ungehemmtere Processe zu
analysiren fände, als in den Abänderungen der höher organi-
sirten Zweige der arischen und semitischen Sprachstämme, und
ich unterlasse es daher nicht, auf die Aufgaben wiederholt
hinzuweisen 2 , welche sich Sprachforschern ebenso wie Na
turforschern im engeren Sinne, so wie Anthropologen und
Ethnologen bieten, und welche nur zu lösen sind, wenn sie jene
sollen so bedeutend unter sich abweichen, dass die Bewohner Eines
Thaies die Bewohner manches anderen nicht verstehen. Auch die kirch
lichen Reden werden in ganz verschiedenen Dialecten gehalten. 4
1 Ausser an einem Küsten säume im Süd westen.
2 Siehe A. B. Meyer, über die Negritos der Philippinen, Nat. Tydschr. voor
Ned.-Indie 1873.
304
Meyer.
Gegenden selbst bereisen und diese wichtigen, Fachmänner er
fordernden Fragen nicht anderen Forschern als Nebenbeschäf
tigung überlassen, da diese sie naturgemäss nur durchaus un
genügend lösen können. Selbst die einfache Herbeischaffung
des Materials ist schon mit ganz besonderen Schwierigkeiten
verknüpft. Es gehört ein specielles erst schwer zu erwerben
des Geschick dazu, dem naiven Sohne der Wildniss Antworten
zu entlocken, welche in der That auch Antworten auf die ge
stellten Fragen sind, und es ist die vollständigste Concentra-
tion auf diese Forschung an Ort und Stelle nothwendig, um
wirklich zuverlässiges Material herbeizuschaffen; es ist dann auch
eben nothwendig, dass der Reisende alle diese Dialekte selbst
erlerne und sich ganz und gar nicht auf die Verballhornisirung
von Dolmetschern verlasse, welche wedet- Interesse, noch Ver-
ständniss, noch die unentbehrliche Gewissenhaftigkeit für diese
Fragen haben können.
Es sei mir ferner gestattet Eingangs noch in Kürze und
in aphoristischer Weise einiger Umstände Erwähnung zu thun,
welche, wie mir scheint, zum Theil in der Natur der Sprache,
welche auf Neu-Guinea herrscht, zum Theil in der Natur der
Menschen, welche sie sprechen, liegen mögen, d. h. in ihrer
physischen und geistigen Anlage und in ihren Sitten, und
welche dazu beitragen oder es vielleicht ganz und gar bewirken,
dass diese Dialektverschiedenheit sich ausbilden konnte und
fortwährend weiter fliesst.
Es sind die Papuas, wie schon Wallace hervorgehoben
hat, sehr geschwätziger Natur, kaum dass sie schweigen;
wie sich nun plappernde und spielende Kinder vielfach selbst
Wörter und Bezeichnungen bilden, so thun sie es auch, theils
lediglich zu ihrer Belustigung, theils um ihren Zweck damit
zu erreichen. Sie haben zudem das Bestreben Alles, was
sich ihrer Aufmerksamkeit unterbreitet, sofort concret zu be
zeichnen, und so kommt es, dass sie nie um eine Antwort
verlegen sind, wenn man nach dem Namen irgend eines Ge
genstandes, eines Thieres, einer Pflanze, eines Felsens, einer
Oertlichkeit u. dgl. m. fragt. Daher habe ich auch einen
Ueberfluss von geographischen Namen, z. B. verzeichnet, welche
aber für die Geographie des Landes nicht viel Werth haben,
weil sie kaum bleibende sind, oder weil sie nur in dem Munde
Ueber die Mafoor’sehe und einige andere Papüa-Sprachen.
305
Weniger leben. Nie ist man mir auf die Frage nach dem Na
men einer Sache eine Antwort schuldig geblieben. Neben die
sem in ihrer Natur liegenden Bestreben aber, die Dinge posi
tiv zu bezeichnen und dadurch von einander zu unterscheiden,
und neben ihrer Fähigkeit Bezeichnungen zu erfinden, muss,
glaube ich, in der Sprache selbst eine gewisse Leichtigkeit
zur Wortbildung gegeben sein.
Ihre Lust sich mitzutheilen ist sehr gross. Ich hörte sie 1
oft lange Zeit aufs Lebhafteste über etwas reden, ohne dass
ich das Object ihrer Unterhaltung wahrnehmen konnte, und
doch gewahrte, dass sie ein solches vor Augen hatten. So z. B.
auf dem Meere in einem kleinen Boote konnten sie zur Er
müdung über einen Fisch reden, den sie im Wasser gesehen
und nach dem Einer vielleicht mit der Lanze geworfen oder
mit dem Pfeile geschossen hatte. Ueber das fragliche Ge
schlecht eines Thieres unterhalten sie sich stundenlang, möchte
ich sagen, und ganze Nächte durchplaudern sie bei ihren Festen.
Dass dieses viele Sprechen zur Neubildung von Wörtern bei
trägt ist wohl zweifellos, und dass sich aus diesen inneren
Gründen ein Theil der Verschiedenheit der räumlich streng
von einander gesonderten Dialekte erklären dürfte, halte ich
für möglich oder wahrscheinlich.
Dass ferner der Mangel einer Schrift wesentlich dazu
beiträgt eine Sprache flüssiger zu erhalten, bedarf, wie ich
glaube, keiner Begründung; es eigneten sich die Sprachen
des ostindischen Archipels 2 besonders dazu um zu unter
suchen wie verschieden sich bei jenen Völkerschaften, welche
eine Schrift und bei jenen, welche keine besitzen, die
Sprachen entwickelt haben. Ich bemerke bei dieser Gelegen-
1 Ich halte es für nöthig zu erwähnen, (lass ich, wenn ich im Allgemeinen
von Papuas spreche, stricte nur jene meine, welche ich selbst kennen
gelernt habe, d. h. dass ich nur für diese die Angaben vertreten kann.
(Siehe auch: Bericht über meine Reise nach Neu-Guinea. Vortrag in der
geographischen Gesellschaft zu Wien 1873.)
2 Wie ich ihn nach altem Brauche lieber nenne als ,Malayischer Archipel*,
nach Wa 11ace, da man unter letzterer Bezeichnung wenig Grund hatte,
z. B. Neu-Guinea mitzurechnen. Die von den Holländern versuchte Ein
führung des Namens ,Insulinde‘, ist wohl nur zu localem Gebrauche be
stimmt.
Sitzungsber. d. phil.-liistor. CI. LXXVII. ßd. II. Hft. 20
306
Meyer
heit, dass sicli der sonst so räthselhafte Stillstand, wenn man
nicht auf der anderen Seite den Fortschritt anderer Völker
gerade rätlrselhaft linden will, in der intellectuellen und Cul-
tur-Entwicklung bei den Papuas ja zum Theil aus diesem
gänzlichen Mangel einer Schrift erklärt. ,ln der raschen Ver
gänglichkeit erworbener Einsichten liegt der Grund, warum
schriftlose Völker äusserst langsam fortschreiten, warum sie so
wenig sich entwickeln, dass sie grosse Zeiträume hindurch auf
derselben Stufe zu beharren scheinend (Wuttke, Gesell, der
Schrift.)
Die oben erwähnte Neigung sich mitzutheilen und zu
plaudern geht so weit, dass die Kinder ihren Eltern - oder
älteren Leuten überhaupt gegenüber Zurückhaltung gar nicht
kennen; es plaudert der zehnjährige Sohn mit seinem Vater
wie mit seines Gleichen und umgekehrt, und der kaum noch
zu vermehrende Erfahrungschatz eines Knaben gegenüber dem
nicht viel grösseren Gesichtskreis eines älteren Mannes, er
klärt zum Theil die Thatsache dieses uns auffallenden Verkehres
zwischen Jungen und Alten, welches so contrastirt z. B. mit
dem Verhalten der muhamedanischen Malayen wo der Knabe
nicht zu sprechen wagen würde ohne vom Vater dazu aufge
fordert zu sein, und wo es dann mit aller möglichen Beschei
denheit und Reserve geschieht.
Ich mache noch zur Beurtheilung mancher Eigenthümlich-
keit in der Sprache darauf aufmerksam, dass die Papuas meist
sehr laut schreien beim Sprechen, dass sie sich lange Reden von
ferne zurufen, und daher gewohnt sind die Worte zu dehnen,
was sie zum Theil bewerkstelligen, indem sie einzelne Laute aus
einanderziehen, z. Th. dadurch, dass sie Silben ohne andere
Bedeutung einsc.hieben. Das laute Schreien hat seinen Grund
oft darin, dass sie sich von Haus zu Haus lange unterhalten
und lieber laut schreien, als sich die Mühe geben aufzustehen
und zu einander zu kommen; von der körperlichen Indolenz
1 Ich sage muhamedanischen Malayen, weil ein grosser Unterschied be
steht zwischen diesen und den heidnischen Stämmen in der ganzen Art
des Wesens. Darauf beruhen auch zum Theil die so verschiedenartigen
und sich scheinbar gänzlich widersprechenden Urtheile über den Charakter
der Malayen.
Ueber die Alafoor’sche und einige andere Paptia-Sprachen.
307
dieser Wilden macht man sich nämlich kaum den richtigen
Begriff; sie bedürfen eines bedeutenden Reizes, um dieselbe
zu überwinden.
Die Mafoor’sche Sprache wird von denjenigen Papuas ge
sprochen, welche, ursprünglich von der Insel Mafoor stam
mend , nun, abgesehen von dem schwachen Reste auf Ma
foor selbst, auf der Insel Manaswari ansässig sind (eine Insel,
welche meist nach dem Hauptplatze auf derselben: ,Mansinam‘
genannt wird, — Manaswari bedeutet: ,die Vögel lieben es');
ferner auf der Insel Rohn oder Ruhn, welche etwa 120 eng
lische Meilen nach Südost von hier, auf 2° 40' südl. Br.,
135° 20' östl. L. liegt (s. die von mir entworfene Karte in Peter-
mann’s Mitth., nebst den daselbst gegebenen ausführlichen
geographischen Notizen); und endlich auf Neu-Guinea selbst
an der Küste der Bucht von Dore. Sie ist nach meiner un
gefähren Schätzung vielleicht in dem Munde von circa 2000
Menschen als eigenste Sprache, aber sie wird von einer grös
seren Anzahl verstanden, da die Maforesen sehr gute Han
delsleute sind.
Das Wort ,Mafoor' selbst wird an verschiedenen Stellen
etwas verschieden ausgesprochen, und es ist schwer zu einem
Entschluss zu kommen, wie es am richtigsten zu fixiren sei.
Man sagt manchmal auch Nufoor und Mefoor, allein ich hörte am
meisten Mafoor, und halte daher diese Aussprache für die,
welche am meisten Berechtigung hat. 1
Nach mancher Richtung hin ist die Sprache geradezu
reich zu nennen; so in allen Bezeichnungen, welche im täg
lichen Leben Anwendung finden, und welche mit ihrer Arbeit
und ihren Sitten in Verbindung stehen. So lassen sich z. B.
mit Leichtigkeit für das Wort ,schlagen', je nach der spe-
cielleren Bedeutung, sieben Bezeichnungen aufführen 2 . Nämlich:
1. baser, baserpüm 3 , Jemanden mit der offenen Hand
schlagen.
1 Der Bedeutung und Ableitung nach ist möglicherweise ,Nufoor 1 ent
sprechender.
2 Im Matayischen giebt es an 20 Ausdrücke für ,schlagen 1 .
3 Alle Wörter sind hier und im Folgenden nach deutscher Aussprache zu
sprechen.
308
Meyer.
2. kük, Jemanden mit der Faust schlagen.
3. oos, Jemanden schwach mit einem Stock schlagen.
4. preer, Jemanden stärker mit einem Stock schlagen.
5. raab, riaab, Jemanden mit einem Holz schlagen, das
man mit beiden Händen festhält.
6. püm, die Trommel schlagen.
7. kam, auf Eisen schlagen, schmieden. (Was, nebenbei
bemerkt, bei den Maforesen von Malayen eingeführt
worden ist.)
Arm ist die Sprache begreiflicherweise da, wo es sich
um abstractere Vorstellungen oder um allgemeinere Begriffe
handelt. So heisst z. B. denken oder nachdenken sware-
pen und lieben swaar. Nachdenken bedeutet demnach nur:
eine Sache lieben. Begriffe wie gut und böse, welche wir
in so verschiedenen Abstufungen zu gebrauchen gewohnt sind,
scheinen sie nur mit ein paar Wörtern für alle Nüancirungen
wiedergeben zu können.
R und L werden vielfach mit einander verwechselt oder
überhaupt nicht unterschieden.
II. Grammatik der Mafoor’schen Sprache.
Artik el.
Ein bestimmter Artikel ist nicht vorhanden, als unbe
stimmten braucht inan manchmal, aber selten das Zahlwort
ein, osseer.
Substanti vum.
Die meisten Hauptwörter sind Stammwörter, abgeleitete
und zusammengesetzte giebt es wenig.
Ein Geschlecht wird nur in der organischen Natur unter
schieden und bezieht sich lediglich auf die Sache selbst und
Ueber die Mafoor’sche und einige andere Papua-Sprachen.
309
nicht auf die Worte, wie z. B. im Deutschen. Man unter
scheidet nur männliches und weibliches Geschlecht. Nur bei
den Worten, welche auf den Menschen Bezug haben, liegt das
Geschlecht im Worte selbst: snün Mann; rümgün, Sohn; inei
Tochter; manbaniori Schwiegervater; inbaniori Schwieger
mutter. Bei Thieren und Pflanzen setzt man, falls das männ
liche Geschlecht anzudeuten ist, snün (Mann), falls das weib
liche bezeichnet werden soll, bien (Frau) hinter das Hauptwort.
Z. B. Mangkoko snün Hahn; Mangkoko bien, Henne.
Die Einzahl des Hauptwortes wird durch die Grundform
des Wortes ausgedrückt; die Mehrzahl, indem man an dieselbe
die Silbe si hängt, gleichbedeutend mit der 3. Person Pluralis
des persönlichen Fürwortes, also gleichbedeutend mit sie.
Z. B. snün Mann, snünsi Männer, bien Frau, biensi Frauen,
rüm Haus, rümsi Häuser.
Folgt aber ein bestimmtes oder unbestimmtes Zahlwort,
so wird diese Pluralform si nicht gebraucht; z. B. snün di
kior drei Männer, eiknam di samfür zehn Fruchtbäume, eien
knikki wenig Fische, wei naboor viel Schiffe, kawassa nakeim
alle Menschen.
Eine Beugung der Plauptwörter kommt nicht vor, da
gegen wird der Genitiv durch Vorsetzung von ,ro‘, der Dativ
durch Vorsetzung von ,be‘ gebildet, z. B.
Nom. snün
Gen. rosnün
Dat. besnün
Acc. snün
Nom. snünsi
Gen. rosnünsi
Dat. besnünsi
Acc. snünsi
der Mann
des Mannes
dem Manne
den Mann.
die Männer
der Männer
den Männern
die Männer.
Sing.
Plur.
310
Meyer.
Adjectivum.
Eigenschaftswörter sind Stammwörter und werden stets
hinter das Hauptwort gestellt, dessen Eigenschaft sie angeben
sollen. Z. B. Rüm bebä ein grosses Haus, riungün fiafier ein
liebes Kind, bon bekaki ein hoher Berg.
Comparativ und Superlativ werden dadurch ausgedrückt,
dass man dem Adjeetiv das Wörtchen weer für den Compa
rativ und kakü für den Superlativ nachsetzt. Z. B.
rüm orne bebä dieses Haus (ist) gross
rüm orne bebä weer dieses Haus (ist) grösser
rüm orne bebä kakü dieses Haus (ist) das grösste.
(Statt weer kann auch bebä gebraucht werden, jedoch ge
schieht es seltener.)
Zahlwort.
Die Grundzahlen von 1 bis 10 und 100, und die unbe
stimmten Zahlwörter sind Stammwörter, und werden hinter das
Wort gestellt, welches sie bestimmen sollen:
1 osseer
6 onem
7 fiek
8 waar
9 siö
10 samfür
2 suru
3 kior
4 fiak
5 rim
100 utin.
Alle anderen Zahlwörter sind zusammengesetzte Wörter,
und zwar fügt man das Wort ,sisser‘, so viel wie ,und‘, und
,di‘, so viel wie ,mal‘, zwischen die betreffenden Zahlen:
11 samfür sisser osseer
12 samfür sisser suru
13 samfür sisser kior
u. s. f.
20 samfür di suru
21 samfür di suru sisser osseer
u. s. f.
Heber die Mafoor’sclie und einige andere Papüa-Spraclien
31]
30 samfür di kior
110 utin sisser samfür
111 utin sisser samfür sisser osseer
120 utin sisser samfür di suru
200 utin di suru.
Jedoch ist die Ausdrucksweise der höheren Zahlen un
sicher ; in Obigem liegt nur das Princip. Der Papua ist nicht
im Stande, d. h. nicht gewohnt mit grossen Zahlen zu ope-
riren. Für eine grosse unbestimmbare Summe sagt man sjaran
oder sjaran di sjaran.
Die Ordnungszahl wird ausgedrückt durch Vorsetzen der
Silbe be vor die Grundzahl mit Ausnahme von der Erste bepon.
Der Zweite besuru
der Dritte bekior
u. s. f.
der Zehnte besamfür
der Hundertste beutin.
Jedoch werden die Ordnungszahlen sehr wenig gebraucht,
ebensowenig wie Brüche, welche man durch Vorsetzen von
osso ro ausdrückt. Z. B.
osso ro suru '/ 2
osso ro kior '/ 3
osso ro hak
osso ro fiele y 7 .
Unbestimmte Zahlwörter sind z. B.
naka'im alle
ossoosso jeder
besso einige
fies etliche
sjampur manche
ossoba | . .
. keine
roba I
naboor viel
knikki wenig
muis I
birape I ö
312
Meyer.
Pronomen:
Persönliches Fürwort:
Singularis.
ich aja, ja, j’
du awe, wa, w’, au
er de, d’, i
Pluralis.
wir inko, ko, k’
ihr img'u, mgu, mg
sie si, s’
Dualis.
wii; beide nu, n’
ihr beide mu, m’
sie beide su, s’
Der Gebrauch des Dualis wird streng eingehalten.
Die abgekürzten Formen j’ w’ d’ k’ mg’ s’ n’ m’ werden
gebraucht, wenn das folgende Zeitwort mit einem Vocal an
fängt, und es wird dann der Consonant des Fürwortes mit dem
Zeitwort in ein Wort zusammengezogen.
Vielfach wird zur Verstärkung dem Fürwort das Wort
,mangün, selbst' beigegeben, es wird jedoch vorgesetzt. Z. B.
mangündaja
mangundau
mangündi
mangünko
mangünmgo
mangündsi
mangünnu
mangünmu
mangünsu
ich selbst
du selbst
er selbst
wir selbst
ihr selbst
sie selbst
wir beide selbst
ihr beide selbst
sie beide selbst.
Possessiva:
Sie werden hinter das Hauptwort gestellt.
mein jeda
dein beda
sein ihr bieda
meine jena ( * jani)
deine bena ( * bani)
seine ihre biena
( * biani)
unser kobeda
euer mgobeda
ihr seda
unsere kobena,
(* kobani)
eure mgobena
( * mgobani)
ihre sena ( * sani)
unser beidenubeda
euer beide mubeda
unsere beiden, nu-
bena (* nubani)
eurebeiden mube-
na (* mubani)
* seltenere Form.
Ueber die Mafoor’sclie und einige andere Papua-Sprachen.
313
Beim Gebrauch der Mehrzahl des besitzanzeigenden Für
wortes ist zu bemerken, dass das Hauptwort die Pluralisform
dann nicht mehr annimmt: z. B.
mein Haus rüm jeda
meine Häuser rum jena
unser Haus rüm lcobeda
unsere Häuser rüm kobena.
Demonstrativa:
Sie werden stets nachgestellt: orne dieser, orrua jener.
Z. B. snün orne dieser Mann
eiknam orrua jener Fruchtbaum.
Interrogativ a:
sebe wer? (Wird auch als Relativuni gebraucht.)
rosei, roserreia was?
mundiri welcher?
roriso, mobbo wo?
imbajo rosei warum?
berariso wie?
z. B. sebe ilcofein orne wer hat das gesagt?
jafan snün sebe ikoein orrua, ich kenne den Mann
welcher dort wohnt,
wakofein rosei was sagst du?
snün mundiri welcher Mann?
wambrein roriso, wambrein mobbo wo gehst du hin?
imbajo rosei wafrur orne warum hast du das gethan?
berariso wafrur orne wie hast du das gethan?
Y erb um.
Die meisten Zeitwörter sind Stammwörter. Die von
Hauptwörtern abgeleiteten werden durch das Präfix be ge
bildet z. B. isna Licht, beisna erleuchten, bati Freund, bebati
befreunden. Auch bildet man Zeitwörter indem man z. B. vor
ein Eigenschaftswort das Zeitwort frür oder befa setzt, d. h.
machen oder thun. z. B. warm sam, frürsam erwärmen.
Meyer.
|Tiiiiürrürmini-T ■ Mir «iMCMlOmninl
314
$
Man braucht das Zeitwort stets mit einem persönlichen
Fürwort zusammen und zwar zu einem Wort verbunden.
Eine Biegung findet nicht statt. Die Zeiten und Weisen
werden durch besondere Worte bezeichnet, welche man zum
Theil vor, zum Theil nachsetzt. Man kennt keinen Passiv
und keinen Conjunctiv. Infinitiv und Particip werden sehr selten
gebraucht; Indicativ, Imperativ und Prohitiv am meisten. Man
kennt nur Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft als drei
Hauptzeiten.
Endet das Fürwort mit einem Vocal und fängt das Zeit
wort mit einem Vocal an, so wird derjenige des Fürwortes weg
gelassen.
Beispiel.
mnaf hören, höre, hört
rnnaf koor gehört haben
nerri mnaf hören werden
mnaf rape hörend
mnaf kwaar gehört habend
jamnaf ich höre
wamnaf du hörst
imnaf er hört
komnaf wir hören
mgomnaf ihr hört
simnaf sie hören
numnaf wir beide
hören
mumnaf ihr beide
hört
sumnaf sie beide
hören
jamnaf kwaar ich habe gehört
wamnaf kwaar du hast gehört
etc.
nerri jamnaf ich werde hören
etc.
mnaf aweri höre nicht, hört nicht.
Aois sprechen, sprich, sprecht
aois kwaar gesprochen haben
nerri ao'is sprechen werden
lieber die Mafoor’sclie und einige andere Papua-Sprachen.
315
ao'is rape sprechend
ao'is kwaar gesprochen habend.
nao'is wir beide
sprechen
mao'is ihr beide
sprecht
sao'is sie beide
sprechen
jaois ich spreche
waois du sprichst
daois er spricht
kaois wir sprechen
mgaois ihr sprecht
saois sie sprechen
jaois kwaar, ich habe gesprochen
etc.
nerri jaois, ich werde sprechen
etc.
ao'is aweri, sprich nicht, sprecht nicht.
Adverbium.
Adverbien des Orts: bo, bori oben, wabri unten.
Adverbien der Zeit: ansonna jetzt, knikko sogleich,
rassawinda gestern, rassausonna heute, misser morgen, misser-
weendi übermorgen.
Adverbien der Bejahung, Verneinung und des
Zweifels: juja, kakii fürwahr, sicher; kuf, fadi, sehr, ausser
ordentlich, roba nein, nicht, keinenfalls; fauba vielleicht.
Beispiel.
snün ibie kakü ein sehr guter Mann
jambrein rassawinda ich reiste gestern.
Proposition.
be an, nkch, bis, bei
ro, reio, von, aus, mit, an
di auf
mangenem zu, zu viel
isof bis
faro, maro, an.
316
Me y er.
Beispiel.
jambrein be meos ich gehe nach der Insel
wafuken mangenem ihr fragt zu viel.
Bei faro und maro ist zu bemerken, dass ersteres gebraucht
wird wenn man von andern, letzterer wenn man von sich
selbst spricht. Z. B.
Wabük orne faro i, gieb ihm dieses;
wabük orne maro aja gieb dieses mir;
wabük maro ko gieb dieses uns;
wakofein orne faro si sage dieses ihnen.
Conjunction.
ma und (selten gebraucht)
weer auch
weendi ebenso, gleichfalls
kakeer noch
imbajo damit, weil, denn
bape aber, doch, gleichwohl, indessen, nichtsdesto
weniger.
Interjection.
Interjectionen sind sehr gebräuchlich, was zum Theil da
her kommt, wie schon in der Einleitung bemerkt, dass die
Papuas sich Vieles von weither zuschreien von Haus zu Haus,
und aus Faulheit lieber schreien als nahe zusammen kommen.
jamo, mami ach
jowe, jamu ha, ho, heisa
weindi, jamo ach, o doch, wehe
askata, jowi o
amberobi, wongori he, halt.
Es giebt einen von den Papuas viel als Fluch gebrauch
ten Ausruf, welcher als Interjection betrachtet werden kann,
da er nicht wörtlich zu nehmen ist, ebensowenig wie der
gleichen Ausdrücke bei uns. Er heisst: Raak perem au, i- e-
die Bande tödte dich.
Ueber die Mafoor’sche und einige andere Papua-Sprachen.
317
Spracliprobe.
Snün osseer irama — Da kommt ein Mann.
Wakojen mobbo fiorro rape? — Wo bist du so lauge
gewesen ?
Jakojen ro Doreri — Ich bin in Doreri gewesen.
Wafrür rose'i orrfla ? — Was hast du da gethan?
Jakobis faas kwaar — Ich habe Reis gekauft.
Wabaak rose'i be kawassa? — Wie viel hast du den
Leuten bezahlt?
Jabaak sümber ro nokking kapirare — Ich habe für einen
kleinen Sack ein Hackmesser bezahlt.
Sobei! jamnaf kwaar kwassa Doreri sifrür korawarsi, orne
kakü? — Freund, ich habe gehört, dass die Doresen Kora-
wars 1 gemacht haben, ist das wahr ?
Jafan i ba — Ich weiss es nicht.
Sobei, jamkeik wasreer — Freund, ich fürchte du lügst.
Roba jasreerba; kawassa wesse sisreer, bape aja maroba,
aja snün fiafier — Nein, ich lüge nicht; die andern Menschen
lügen, aber ich nicht, ich bin ein guter Mann.
Sikofein be aja, wodisen wopper ras bepon ro korawar
bei ro arfak — Sie sagen mir dass du kürzlich auf Arfak ge
tanzt und gesungen hast vor dem Korawar.
Sisreer — Sie lügen.
Roba, jabepersjajaba sisreer, bape wafu sreer mangenem.
Korawarsi mgobena sipok ba beturun bd mgo; simieis munda;
ro mgosi simeim ba, ro kuasi simnaf ba — Nein, ich glaube
nicht dass sie lügen, aber du kannst sehr lügen. Eure Ko-
rawars können euch nicht helfen; sie sind nur Holz; mit
ihren Augen sehen sie nicht, mit ihren Ohren hören sie nicht.
1 Aus Holz geschnitzte Ahnenbilder, denen abgöttische Verehrung ge
zollt wird.
318
Meyer.
IH. Wörterverzeichnis« der Maföor’schen Sprache.
Ich füge liier in verbesserter Gestalt, deutsch-papua-
nisch (statt holländisch - papuanisch), und papuanisch-
deutsch geordnet, die Wörterliste hinzu, welche in dem Werke:
Nieuw-Guinea, ethnographisch en natuurkundig onderzocht en
beschreven in 1858 door een ned.-ind. Commissie, uitg. d. h.
h. kon. Inst, von taal-, land- en volkenk. van Ned. Indie 1862
veröffentlicht wurde. 1 Ich halte dieses nicht für überflüssig,
da, wie ein Vergleich lehrt, nur verhältnissmässig sehr wenige
Wörter richtig waren. Wie schon oben bemerkt, stütze ich
mich dabei auf die Autorität des Herrn van Hasselt, welcher
bereits circa zehn Jahre als Missionär auf Neu-Guinea thätig ist.
Bei einem Vergleich jener Liste mit meiner wird es auffallen, dass
manche Wörter in meiner Version ganz fehlen; es kommt daher,
dass jene viele enthält, welche den Papuas überhaupt unbe
kannt sind, welche der Missionär aber aufschrieb, da er
sicherlich auf seine Frage immer eine Antwort erhielt — der
Papua bleibt eben selten eine Antwort schuldig, und sie muss
daher stets genau geprüft werden. Ferner habe ich eine Reihe
von Wörtern weggelassen, welche rein raalayischen Ursprungs,
d. h. von Malayen eingeführt sind, welche daher für die
Mafoor’sche Sprache gar keine Bedeutung haben, uud höchstens
dazu beitragen Sprachforscher, welchen die localen Verhält
nisse unbekannt sind, irre zu leiten, indem sie aus dem Vor
handensein einer grösseren Reihe rein malayischer Wörter unzu
treffende Schlüsse ziehen würden. Mit aufgeführt dagegen
habe ich manche derjenigen Ausdrücke, welche die Papuas
sich selbst gebildet haben für Dinge, die sie vor dem Zusammen
treffen mit Malayen und Europäern nicht kannten, und welche
daher nicht ohne Interesse sind.
Auch in dieser Form wird dieses Wörterverzeichniss
zweifellos noch viele Fehler enthalten, allein es wird doch, wie
ich hoffe, künftigen Reisenden nützlich sein, und es wird ihnen
1 Woordenlijst der te Doreli en omstreken gesproken wordende myfoor-
sehe Taal, vervaardigd door den zendeling Ottow, in het hol land sch
overgebracht en gerangschikt door D. J. H. Croockewitt. Hzri.
1. c. Bijlage, Lstter k. k. S. 201—233.
Ueber die Mafoor’sche und einige andere Papua-Sprachen.
319
nicht so schwer fallen, wie mir, es nochmals zu verbessern. JKs
wäre übrigens auch zu bedenken, ob nicht möglicherweise
diese Sprachen innerhalb eines kürzeren oder längeren Zeit
raumes sich so verändern, dass Vieles nach dem Verlauf einiger
Jahre schon anders lautet.
1. Deutsch-Papuanisch.
A.
Aas, snaupapis
Abenddämmerung, mandira
kniki if nurip
aber, bape
Abfall, pis
Abgesandter, alferus
Abreise, si'im
ach, jamo, weindi
acht, waar
achthundert, utin di waar
achtundachtzig, samfur di waar
sisser waar
Achtung, swaar
achtzehn, samfur sisser waar
achtzig, samfur di waar
Acker, djaf
Ader, urik
älfen, sumfaar
äussern, kofein badier
alle, nakeim
als, raris
also, irireia
alt, bekwaar
Alter, mansaar
Ameise, anier
an, maro, faro, ro, di, fanam
Ananas, ranasi
andere, wesse
aneinanderfügen, pami
Angebi-anntes, pappeer
angreifen, karieier
anhaltend, fiorro kakeer
ankleben, krajif
ansehen, mam, meim
ansehnlich, beba
anstecken, kün, pa'm
antworten, arem
anwesend, isia
Arbeit, frur, fararur
Arbeiter, kipu
arm, rwamsi
Armring, siara
Armring von Bast, kauri
Armring von Muscheln, samfor
armselig, woor
Arzenei, ariaun
Asche, pafen
auffahren, dejek
auffüttern, faan
aufgehen (der Sonne), debeer
aufhängen, sjeif, sjaw
auf hellen, kofeinbadier
aufhören, aweer
aufraffen, fasaar
aufrollen, parki
aufschieben, befa kweimbur
aufschneiden, karruki
aufschrecken, kandoor
aufsteigen, dabeer
aufwecken, befa mieuf
Augapfel, ngämsimoor
Auge, mgasi
Augenbrauen, ropierwür
320
M e y e r.
auslachen, koffari
Ausleger (eines Schiffes), ajas,
adiadi
auslöschen, afeen
ausringen, hassen
Ausrüstung, robena
aussätzig', duf bebä
aussclineiden, karruk
ausstrecken, foos
auswandern, bur
B.
Backen, sorep, sorp
baden, masi
Balken, ajas
Bambus, amin, ambobei, arsa,
ambdris, baruaf, kambrin
Banane, beef
Bank, krapressa
Bart, swabur
Bauch, sneri
Baum, eiknam
Baumwolle, monggum
beben, sossen
beeidigen, saasi
beenden, befa muke
befehlen, beprenta
befremdet, kandoor
begegnen, sro
begehren, rmomen
Begierde, nafsu, rmomen
begiessen, keebswaar
begraben, eraak
Begräbnissplatz, moob eraak
bei, umbur
beinahe, fianam
beischlafen (einer Frau), frok,
enef kuker bien
beissen, ark
bekennen, kofeinbadier
bekommen, sma
bellen, idob, koffrori
Belohnung, buksewa
bequem, imawes
beräuchern, menjani
bereit, imnisrape
Berg, bon
bersten, sab
berühren (mit dem Finger),
sampier, nuk
beschädigt, bieba, meef kwaar
besprechen, farkoor
besprengen, eebs waar
bestürzt, ma
betrügen, sreer
betrunken, mseer
betteln, eber
Bevölkei-ung, kwassa
bewahren, barik, biarek
bewegen, sjoob
bezahlen, baak
billig, kiakurba
binden, fees, pam
bis an, di, ro, fanam
bitter, sarrnar, sjarmar
Blasebalg, pape
blasen, uf
Blatt, ündam, reim
Blech, tutam
bleiben, kein
blind, preif
Blitz, weweer
Blume, pampeen
Blut, riek
Blutigel, eija
Boden, saprop
bösartig, barbor
Bogen, maria
Ueber dio Mafoor’sche und einige andere Paptia-Spraclien.
321
Bogen und Pfeile, mariamin,
maria sare
Bohrer, robibeer
Bräutigam, darem
Braut, darem
breit, sarbam, sjarbam
bringen, uni
Brotfrucbt, ur
Bruder (älterer), neik bebaja
Brücke, adorem
Brunnen, waarweer
Brust, aandeendi
Brusttuch, sansün aandeendi
Buch, refo
Bucht, reben
Bündel, bos
Bürste, lcoffroni
C.
Citrone, djodi, angrei
n.
Dach (von Palmblättern), oos
Dämmerung, wekkier
Darm, snewar
Daumen, wapimsibeba
dein, beda
denken, swaroseer
derartig, rieisorne, irireia
dick, bebä, mafen
dienen, einus
Diener, snun besewa
dieser, orne
Donner, kadadu
Dorf, menu
Dorfhäuptling, mananueier
Dorn, wurek
dort, urua
Dose, mek
Sitzungsber. d. pliil.-liibtor. CI. LXXVII.
draussen, rowaudi
drehen, kananoeier
drei, kior
dreihundert, utin di kior
dreissig, samfur di kior
dreiunddreissig, samfur di kior
sisser kior
dreizehn, samfur sisser kior
drücken, panepni
du, awe
dünn, mbrekip
Dummkopf, barbor
dunkel, ifnurep
durch, ro
durchltrechen, kaar
durchstechen, saar
durchstöbern, weerkiu
Durst, breuer.
E.
eben, keukirni
Eber, roman
Echo, somfare
Ehe, farkiami
Ehefrau, snun swari
Ehegatte, snun swari
Ehrenbezeugung, kunem
Ei, penor, peneuer
Eidechse, roberok
Eimer, reu narem
einige, defies, debeso
einmal, osseer munda
einmüthig, osseer iswaar wesse
einpacken, panggum
eins, osseer
einschenken, wauek, bald, se-
sari
einstürzen, kok, mkeuk
eintauschen, farowe, forweer
l. II. Hft. 21
322
Meyer.
eintreten, bewandum
Eisen, mangarmun
Eisenholz, ankabu
Ellbogen, wapurmsi
elf, samfur sisser osseer
empfangen, sma
enge, ilios
er, i
Erdbeben, tataweir
Erde, saprop
erfahren, fau
erkälten, ses
erkennen, kofeinbadier
erklären, kofeinbadier
erlangen, sma
ermorden, perem
ermüdet, meuer
ernennen, demara
erschrecken, kandoor
erst, warpon, pon
erwachen, swarren, pisaak
Erzählung, feia
essen, aan
Essig, waarmenier.
F.
Fackel, awias
fächeln, jer
Falle (Vogel), warrengo
fallen, sappi
Fallthür, kerrua ro wabri
falten, aper
fangen, foor
Farbe, kamara
faul, nasraumba
Faust, upri
fechten, mun
Feder, mambur
fegen, piaas
fehlen, immisba, woor
feilen, bekiki
feilen (die Zähne), ornasi
fein, fiakmak
Feind, imsoorieis
Fell, eif, rieb
Fenster, panggier
ferner, orneweer
Ferse, wakurnisi
fertig, ibro
Fest, faandurna
festhalten, uf
festmachen, pum
fett, mafen, krafbeba
Feuer, foor
Feuerstahl, mannirimanjur
Fieber, bis, wis
Finger, waplmsi
Finger (kleiner), wapimsiung-
gun
Fisch, eiin
fischen, poseien
Fischhaken, koju
Fischnetz, ma, pam
Flamme, isak
Flasche, fium
Fledermaus, awab
Fleisch, krafkaku
Fleisch (getrocknetes), bakassa
fleissig, nasraun, sraun
Fliege, ran
fliegen, riob
fliessen, beiki
Flöte, dewomis
Fluch, fraas
fluchen, fraas
Flügel, bappreiir
flüssig, beweier
Fluss waarbekki
Ueber die Mafoor’sch e und einige andere Papüa-Spracben.
323
folgen, so
fordern, oor
fortjagen, jau
fortlaufen, fraar
fragen, oor
freilassen (einen Sclaven),
fasspari
fremd, amber
fressen, aan mangenem
Friede, dame
frisch, babo
Frosch, robbebre, rowebre
Frucht, bon, eibon
früher, bepon
fühlen, paupau
füllen, kewi
fünf, rim
fünfhundert, utin di rim
fünfzehn, samfur sisser rim
fünfzig, samfur di rim
fürchten, mkeik
furchtsam, keik
Fuss, wessi
Fusstiick, wessiwamia
0.
Gabbagabba(Zweig einer Sago
palme), amper
gaffen, bewasraweer
ganz, pisipper, nakam
Garten, djaf
Gast, ambeer
gebären, beiimgu
geben, bukbe
Gebet, nadi
Gecko (Eidechse), kapananier
gehen, mbrein
Gehirn, wowik
Gehörgeben, meof
Geist (böser), mano'in
gekocht, fnap
gelb, nanjür
Geld, pipi
gelegen, biarek
Gemüse, fanajem
Genosse, bati
genug, imnis
geradeaus, inapes
Geräth, munara
geräumig, beba
gering, kapirare
Geruch, snarem
Geschmack, aansäso
Geschwür, mu
Geschwulst, biar
Gesicht, mgasi
Gespenst, manoi'n
gestern, rassowenda
Gewehr, panda
Gewicht, reben
Gift, ronaniaan
Glanz, fiaknakeer
Glas, krasko
glatt, daasbedef
gleich, knikoffa, raris, imnis
Graben, waarbekki
graben, raasi
Gras, abris
Grashüpfer, asses
Greis, mansär
Grille (Thier), kenggunig
grob, bebä
gross, beba, naba
Grosseltern, pumi
Grotte, aweab
grün, mandumek
Grund und Boden, saprop
gurgeln, daarmun
21*
324
Meyer.
gut (in Bezug auf Essen und
Trinken), mafen
gut, berape
H.
Haar (des Kopfes), snunbu-
reim
Haarballen, dokeerno
Haarbüschel, mambur befaman-
gor, snoffernaja
Haarlocke, nebon
Habicht, mangkangkan
Hackmesser, somber, sumbeer
Hälfte, rowar
hässlich, bieba
Hagel (Schrot), pandurumor
Hahn, mangkoko snün
Hahnenkamm, samon
Haifiscb, tanban
Haken, beborim
Hals, sasuri
Halsband, esron
Hand, erwasi
harpuniren, suwo
Harz, kessi
Hass, mewwer
Haupt, rewuri
Haus, rüm
Hecke, ajer
heirathen, firbuk
heiser, sasuririokba
Held, mambri
helfen, fnok
hell, sreen
hell (von Stimme), mgaren,
reiok kaku
Hemd, sansun, sansunberobbra
hemmen, dwark, nüs
Herr, manserin
herumgehen, mbran wanerik
herwärts, rama
Herz (Gemüth), eibon (snerri)
heute Abend, robandandi
hier, irine, mobine
hierher, woma, ro
Himmel, nanggi
Hinterbacke, krori siffersi
Hintertheil (eines Schiffes),
urndi, kruri
hinzufügen, fnok, fnokeer,
fnobek
Hirnschädel, obek
ho, woma
hoch, kaki
hören, mnaf
holen, un
holla, woma
Holz, ei
Holz (trocknes), amias, meis
Holzkohle, peisim
Horn, snau
Hose, sansun rowar
Hügel, hon rumgun
Huhn (beide Geschlechter),
mangkoko
Hund, naf
Hundert, utin
Hunger, bisseer
huren, enef ro bien wesse
husten, kosses
Hut, kafeian
I.
ich, aja, ja
ihr, mgo
ihr beide, mu
Ingwer, pier
Ueber die Mafoor'sclie und einige andere Papua-Sprachen.
325
Insel, meos
inwendig, dori, dok
J.
ja, jo, ju
jagen, so rumün
Jahreszeit, jampassi
Jambu (Frucht), nassem
Jammer, weindi
jetzt, ansonna
jung, umguba
just, kakuberi
K.
kahl, robibror, rewuriwoos
Kakadu, maunebeef
Kalk, afeer
kalt, priem, sjuf
Kamm, assis
Kanariennuss, eiwikan
Katjang (Frucht), abru
Kattun, manggün
Kattun (rother), riek
Kattun (sehr feiner), muriso
Katze, nau
kaufen, kobis
Kenntniss, fau
Kessel, sere
Kiefer, assin
Kind (angenommenes), awak
Kind (das älteste), rümgün
bepon raner
Kind (das jüngste), rümgün
ifranep
Kind (todtgebornes), rümgün
imardisneri
Kinn, aundi
Kinnlade, urwabbri, urundi
Kissen (für den Kopf), afiak
Kiste, brua
kitzeln, sangkaki, froksong-
keer
Klafter, rof
Klappern, sroppip
klappern (mit den Zähnen),
isrosseer, feiis
kleben, bekreif
Kleidung, sansun
klein, kapirare
klemmen, susonek
klimmen, deiek, delt
Klippe, bossin
kneifen, wonggeia
Kneifzange, arimiein
kneten, ufpopos
knirschen, darkfeini
Knochen, koor
Knopf, kaasri
kochen, nap
können, nibnejo
Körbchen, meer
Körnchen, moor
Körper, kraf
Kokosnuss, sra
Kokosnusschale, obck
Kokosnusschale mit Stiel,
asjok
kommen, rama, fiafeer
kopfabschlagen, perem
Kopftuch, fara
Korb, beia, waas, bajareiwat,
isrip
Korkzieher, robberbeer
korpulent, bebä, krafbebä
Krabbe, mangkapperbebä
Krähe, kowok
krank, düf
kratzen, koprlf, koraar
326
Meyer.
Krebs, ainos
Krieg, mberob, munieis
Kriegstrommel, baakbeba
Krokodil, wongori
Krontaube, mambruk
Kropf, nossas
Krug, kabessa
k nimm, kiapparaweer
Kürbis, boti, ariani
Kugel, pandurumor
Kupferdraht, makasuewaar
kurz, wamba.
L
lachen, mbrief
laden, biaweer
Lärm, riok
Lager, faandurna, snunsi em-
berob
Lampe, padamara
Land, süp
lang, bekwam
langsam, awawin
Lanze, menof
Lappen, ikrafwepeer
Laus, ük
laviren, farabenapes
leben, kenem
Lebensmittel, robean
Leber, kein
Leck, doof
lecker, mafen, daanbie
lehnen, samdemi
leicht, merbakba
Leinwand, kruben
leise, mieuf
leiten, farkien
Leiter, awek
lernen, farkoor
lesen, wasja
lieben, swaar
liebenswürdig, ibje
liebkosen, kosüm
links, warsari
Lippe, sbari
List, sreer
Loch, imgir
locken, buksreri
Löffel, asjok
löschen, afeer
Lori (Papagei), manjauwer
loskaufen, farue
loslassen, puer
lügen, sreer
Lunge, papisen.
M.
machen, frur, frueir
mächtig, napokso
Mädchen, inguboor
Mädchen (Tochter), inei
mager, bekokojer
Mais, kastela
Manga (Frucht), awa
mangelhaft, bioor sassar
Markt, butu
Mast, paddoren
Matte, jaar
Maus, robefraar
Mehlwurm, snu
mehr, weer
mein, jeda
meinen, swarepen
Meissei, apa
Mensch, snün
messen, karara
Messer, ino
miethen, baak
TJeber die Mufoor’sclie und einige andere Papua-Sprachen.
327
Milch, sfls
mild, fiafier
Mildthätigkeit, benähe
Milz, papisen
Missetliat, sassar
mit, kuker
Mitleiden, swaar
Mittag, arkok
Mitte, fandu
Mond, peik
Mond (dunkler), peikani
riorirape
Mondring, jersram
Mondviertel (erstes), peik
rowar
Mondviertel (zweites), peik
ipe'if
morgen, miss.er
Morgen, aro
Morgenroth, missernaweer,
arobabo
Morgenstunde, disna
Moskito, momes
Miinduug, waarweri
Mütze, kafajau
Mund, sbari
Muskatnuss, sankawa
Mutter, snari.
N.
Nabel, sneppündi
nach, maro, faro, ro
nachher, knikoflä
Nachmittag, mandira
nachsehen, seerlsäso
Nacht, rob
Nacken, sasuriknam
nackt, biabeer
Nadel, rit, weirils
nähen, sip
Nagel, wea
nahe, fardaar, iianain
Naht, swa, swaan
Name, snorre
Nase, snori
Nasenrotz, menaeier
Nasenloch, snorimnafri
Natter, seren
Nebel, aho
Neffe, napier
nein, roba
nennen, ap
Nest, neis
neu, babo, biabo
Neumond, peikbaba, peikimgir
neun, siö
Niere, käinbu
Nipapalme, nau
niesen, merbieis
noch einmal, weer
noch nicht, robeim
Norden, bruer
nothwendig, niaroba
nur, münda
Nuss, krisbon
0.
Offnen, baas
01, mani
Ohr, knasi
Ohrfeige, basri
Ohrzierrath, robefa
Osten, murim.
P.
Paar, su
packen, pangguni
Palmwein, swein
328
Meyer.
Paradiesvogel, mambefoor
Penis, siri
Pfahl, rier
Pfeffer, marisan
Pfeil, iko
Pfeil mit vier Spitzen, pisang
Pfeil von Sagoblättern, iltubur
pflanzen, keer
Pflanzengift, ronaniaan
pieken, aan
Plage, düf, duif
Planke, ambafen
platt, mapeer
Platz, moob
plaudern, kokorke
Popaja (Frucht), assawa
Profet, konoor
profezoien, kingsoor
prüfen, saso
Q
quer, ifnuweer, sroor, kanbra-
nuk
R.
Rad, kananur
rächen, baak, min weer
Rand, andiei
rasen, aeils sjarbi
rathpflegen, swarepen
raub on, krau, - pos
Rauch, daas, j oj e
rechnen, koor
rechts, rowarkaku
Regen, mekkem, miün, daarnani
Regenschirm, paum
reiben, sfu, karari
reich, niaro
reif, mieis
reinigen, froon
Reis, faaS
Reisblock, asri
Reiskessel, sere
Rinde, riepknam.
Ring, snienpapien
rings, rojaar
Rippe, reir
Rohr (spanisches), abra
rollen, karari
roth, pierper
rudern, boris
rufen oor,
rund, penok.
S.
säen, keeps moor
Säge, säkiki
säugen, feiaar
Saft, rür
sagen, kofein
Sago (gebaken), kium
Sago (gekocht), su
Sago (roh), bariam
Saiteninstrument, sonkkeer
salben, sfu ro mani
Salz, keermasin
sammeln, befaandur
Sand, kei'in
Sarong (Gewand), sree
Sau, rusna
sauer, menir
Schädel, rwuri
Schätze, arta, reu naboor
Schale, pies
scharf, saar
scharren, sjoob riep
Schatten, ninimei, kiadunn
Schaum, wüs, kawäwur
Schere, inobemuk, inobeapin
Ueber die Mafoor’sche und einige andere Papüa-Spraclien.
329
scheeren, preef
scheiden, faspar
scheitern, deer kerru
Schelle, riokkakeer
Schenkel, siffersi
scherzen, fnaksjarbi
scheuern, sfu piaas
Schienbein, wessi snuppoor
schiessen, kün
Schiff, \va, wei
Schildpatt, waumis
Schilf, abra
schimmern, weweer, daasdef,
daasbedef
schimpfen, maki
Schläfe, ampernossem
schläfrig, enefmin
schlafen, onef
Schlag, basruki
schlagen, preer
Schlamm, ikionem
Schlange, ikak
schlecht, barbor
Schleier (über dem Auge),
kantara
schleifen, jaas
Schleifstein, kerujas
schliessen, bekudsi
schlimm, beangar
sclimelzen, frur beweiei'
schmieden, kam
Schmutz, kapu
schnarchen, snori reiok
schneiden, karuk
Schneidezahn, nasi
schnell, fasau, fasauberin
schnellen, fraar
schnitzen, siopi
schön, ibje
schöner, ibje weer
schöpfen (Wasser), narem
schon, kwaaf
Schorf,, parfokken, barbara
schreiben, faas
schreien, kaar
Schritt, adoffer, asaroffer
Schrot, pan durum or
Schüler, rümgün farkoor
Schlüsse], sambaru, kansa, been
schütteln, inarareer
Schuh, robesasoor
Schuld, niaki
Schulterblatt, radasi aseiok
Schuppe, unef
schwach, nopokba
Schwägerin, dorisbee, nobee
Schwager, refiore
schwanger, sueri beba
Schwanz, purari
schwarz, peisim
schweigen, fasis
Schweinoloch, niö
schwer, werbak, mu
Schwester, neikkri
Schwester (ältere), neik bobaja
Schwiegermutter, inbanioii
Schwiegersohn, niori
Schwiegervater, manbaniori
schwimmen, daas
schwindeln, rwuri piarek
schwitzen, domes
sechs, on cm
sechshundert, utin di onem
Sechsundsechzig, samfur di
onem sisser onem
sechzig, samfur di onem
See, soren
Seele, für
Meyer.
330
Segel, sarui'n
segeln, ajujen
sehen, meim
sehr viel, naboorso
sein, bieda
selbst, mangun
senden, fnok
Senkblei, rebin
setzen, berarbab, biarek
Setzling, moor
Sichelmesser, ino karruk snau
sicher, kakuberi
Sieb, arieim
sieben (Sago), arieier
sieben, fiek
Silber, sarak
singen, disen
sinken, imsaar
Sinnlichkeit, rmomen
sitzen, kein
Sklave, women
Sklavin, womenbien
Sohle, resiwamia
Sohn, rumgun
Sonne, ori
Sonnenhitze, ori isam
sonst, pon, bepon
Sorgen, koinüs
Sorte, reureu
spalten, sop
Speichel, ananef
Speise, robean
Spiegel, kansina
spielen, fnak
Spinne, kabokkakien
Spitze (eines Berges), hon bori
Spitze (eines Hauses), ku'idom
Sprache (Mundart), woos
Sprache (Stimme), ao'is
sprechen, ao'is
springen (ins Wasser), areun
Sprosse, kokar
spucken, anenef
Stab (zum Sagoessen), aseiök
stammeln, ao'is kuki
stampfen, sobefa
stampfen (Reis), so
stark, fnakmanggenemso,
saorin, pokso
Staub, jorif
Staubregen, aarnani
stechen, kuki
stechend, isam
stehen, ores
stehlen, krau
Stein, keru
stellen (zur Seite), biarekbe
orrua
Stengel, snau
Steuer, rembet.
Stern, attarua
Stiefmutter, inangguri
still, awawin
stillhalten, fasis
stinken, mbram
Stirn, aandaandi
stockig, pakrik
stören, bedwook
stopfen, sissen
stossen, roos, rioos
Strafe, siksa
Strahl (der Sonne), ori rwu
Strand, swaan
straucheln, karseier
Streit, famfaber, sonek
Streitmesser, sumber
Stroh, faaskoor
stürzen, kwalc
Ueber die Mafoor’scho und einige andere Papua-Sprachen.
331
Stützbalken, rioor
Stahl, kapressa
stumm, aoi's fafierba
suchen, secrf
Süden, brawe, barik
süss, mafui
Sultan, manserem beba
Sumpf, saprop an einen, kionem.
T.
täglich, rasnammis
Tag, ras
Tageslicht, disna
Talisman, eimamun
Tante (ältere Schwester des
Vaters), sraarbeba
Tante (jüngere Schwester der
Mutter), nangguni
tanzen, maas, woor
Tasche, katüm
tatuiren, bepoko
Tau, abra
taub, knasipro
Tausen dfuss, abraboj en
Tauwerk, masmak
Teller, been
Thau, priem
theilen, berowaas
Thier, rumun
Thräne, mgasi ru
todt, maar
Topf (irdener), urin, tafaria
träge, nasraumba
träumen, mafu
tragen (Armring), kauwuri
tragen (Lasten), bara, wauweer
treiben, da
Trinker, snun mseer
Tripang, pimam
trocken, isjor
Trommel, roberok
tropfen, aanpampiorem
Tuch, kniten.
U.
übelnehmen, msoor
überladen, merbak mangenem
übermorgen, misserwendi
Überschuss, keer, moom
Überschwemmung, fabru
umarmen, foorepen
und, sisser
unfruchtbar, sneriimeis
Unordnung, miämim
Unreif, pejek
unreinlich, mamas
unter, supibawa, iriwabi, wabri
unterdrücken, pok
unterstützen, fnok
untersuchen, seerf, mamsaso
unverwundbar, kfonaanba
unwahr, sreer
Urgrossmutter, akkaki.
V.
Vater, mami, dei, kamari
verändern, farome
verbergen, jokf
verbieten, dwark
verbinden, pami
verbrennen, kun
verflucht, fraas
verfolgen, joom, so
Vergehen, sassar
vergessen, fananderri
verheirathet, faandur kwaar ro
bien
verirren, sasu
Meyer.
332
verkaufen, ferbian
verkennen, sreer
verlieren, ro, rio
vermengen, papieier
verrichten, frur
verrotten, mbram
verrückt, siarbi
verschlucken, ltoorna
verschwenden, saan
verschwinden, bur, rioor
versengen, inanem
vertheilen, beroasi
vertreiben, da
verwechseln, farowe
verwirrt, kandoor
verwüsten, joo, besijo
verwundert, kandoor
Verzeihung erbitten, oor maaf
Vetter, napier
viel, naboor
vielfarbig, faffas
vielleicht, fauba
vier, tiak
vierhundert, utin di tiak
vierundvierzig, samfur di tiak
sisser tiak
vierzehn, samfur sisser hak
vierzig, samfur di tiak
violett, bereik
Vogel, maan
voll, ifo
vollkommen, pisiper
Vollmond, peik isiper
Voreltern, beponsi
Vorgebirge, swapür
vorgestern, jaarwendi
vorn, ro aundi
vorsehen, bukbe
vorsichtig, awawin
W.
Waare, robena, papus
wachen, waaf
wachsen, iseiur, isueir
Wade, wessimoria
Wächter, snun inüs
wählen, sra
wälzen, titi
wahrlich, kakuberi
Waise, awak
Wald, supimbroon
Waltisch, saro
Wand (von Blattstielen der
Sagopalme), arsen ampeer
Wanne, op, bade
warm, isam
warum, imbajo
was, rosei
waschen (den Körper), baan
waschen (Kleider), pap
was ist das, 1 roseria
Wasser, waar
Wasser (süsses), waar ipree
Wasserhose, irwarren
Wasserkrug, kimu
Wassermelone, ariani, boti
Was willst du geben (bezah
len), rosei bulcun
Weg, nejan
wegnehmen, un, krau
wegwerfen, saan
weh, o weh, jamo
wehen, wer
weich, mieuf, mababab
weinen, kianes
weit, siassaar, bekweim
welcher, rosei
Welle, wak
Ueber die Mafoor’sche und einige andere Papua-Sprachen.
333
wenig, knikki
wer, sebe
werfen, so
wieso, roriso, mobbo
wieviel, fies
Wind, waam, wamia
winken, pangei, ereil
Wirbelwind, sawanier, kier-
warren
wissen, fau
Wittwe, lcabom
Wittwer, mansiani
wo, wohin, roriso, mobbo
womit, ro reu mundiri
wühlen, froor sraun
Wunde, paar
Wunsch, wünschen, bemau,
meof, marisein
Z.
zärtlich, fiafier
zahm, fiafier
Zahn, nasi
Zange (von Bambus), kiasma
Zehe, wessiwapimsi
zehn, samfur
zerbrechen, kaar, muk
2. Papuanis
A.
aan, essen, picken
aaudaandi, Stirn
aandeendi, Brust
aan mangenem, fressen
aanpampiorem, Tropfen
aansäso, Geschmack
aarnani, Staubregen
zerbröckeln, befa moom, so
zerreissen, imsajef
ziehen, sjoob
zielen, fninis
Zinn, saramburi
Zorn, msoor
zornig, msoor
zu, maro, faro, ro
zubereiten, befa imnis
Zuckerrohr, kop
Zündschwamm, manneweer
Zugnetz, pam
Zunge, kaprendi
zurück, sibber
zusammen, fandur
zwanzig, samfur di suru
zwei, suru
zweifeln, fauba
Zweig, snau
zweihundert, utin di suru
zweiundzwanzig, samfur di
suru sisser suru
Zwerg, snun kapirare
Zwillinge, sasopeer
Zwirn, rawe
zwischen, fandu
zwölf, samfur sisser suru
h- Deutsch.
abra, Tau, Rohr, Schilf
abrabojen, Tausendfuss
abris, Gras
abru, Katjang (Frucht)
adiadi, Ausleger (eines Schiffes)
adoffer, Schritt
adorem, Brücke
aeiis, rasen
afeen, auslöschen
334
Meyer.
afeer, löschen, Kalk
afiak, Kopfkissen
afio, Nebel
aja, ich
ajas, Balken, Ausleger (eines
Schiffes)
ajer, Hecke
ajujen, segeln
akkald, Urgrossmutter
alferus, Abgesandter
ambafen, Planke
ambeer, Gast
amber, fremd
ambobe'i, Bambus
amböris, Bambus
amias, Holz (trockenes)
amin, Bambus
amos, Krebs
ampeernossem, Schläfe
amper, Zweig der Sagopalme
(Gabbagabba)
ananef, Speichel
andier, Band
anenef, spucken
angrei, Citrone
anier, Ameise
ankabu, Eisenholz
ansonna, jetzt
ao'is, sprechen, Sprache
(Stimme)
aois fafierba, stumm
ao'is kuki, stammeln
ap, nennen
apa, Meissei
aper, Falten
arem, antworten
areun, ins Wasser springen
ariani, Wassermelone
ariaun, Arznei
arieim, Sieh
arieir, sieben (Sago)
arimiein, Kneifzange
ark, beissen
arkok, Mittag
aro, Morgen
arobabo, Morgenroth
arsa, Bambus
arsen ampeer, Wand (von Blatt
stielen der Sagopalme)
arta, Schätze
asaroffer, Schritt
aseiook, Stab zum Sagoessen
asjok, Löffel (Kokosnusschale
mit Stiel)
asri, Reisblock
assawa, Popaja (Frucht)
asses, Grashüpfer
assin, Kiefer
assis, Kamm
attarua, Stern
aundi, Kinn
awa, Manga (Frucht)
awab, Fledermaus
awak, Waise, Kind (angenom
menes)
awawin, langsam, still, vor
sichtig
awe, du
aweab, Grotte
aweer, aufhören
awek, Leiter
awias, Fackel
It.
baak, bezahlen, rächen, mietlien
baakbebä, Kriegstrommel
baan, waschen (den Körper)
baas, öffnen
lieber die Mafoor’sclie und einige andere Papua-Sprachen.
335
babo, frisch, neu
bade, Wanne
bajareiwat, Korb
bakassa, getrocknetes Fleisch
baki, einschenken
bape, aber
bappreiir, Flügel
bara, tragen (Lasten)
barbara, Schorf
barbor, Dummkopf, schlecht,
bösartig
bariam, Sago (roh)
barik, Süden
barik, bewahren
baruaf, Bambus
basri, Ohrfeige
basruki, Schlag
bati, Genosse
beangar, schlimm
beba, dick, grob, gross, an-
sehnlich, korpulent, geräumig
beborim, Haken
beda, dein
bedwaok, stören
beef, Banane
beeil, Teller, Schüssel
befa imnis, zubereiten
befa kweimbur, aufscbieben
befa mieuf, aufwecken
befa möoin, zerbröckeln
befa muk, beenden
befaandur, sammeln
beia, Korb
beiki, fliessen
bekiki, feilen
bekokojer, mager
bekreif, kleben
bekudsi, schliessen
bekwaar, alt
bekwam, lang
bekweim, weit
bemau, Wunsch, wünschen
benähe, Mildthätigkeit
bepoko, tatuiren
bepon, früher, sonst
beponsi, Voreltern
beprenta, befehlen
berape, gut
berarbab, setzen
bereik, violett
beroasi, vertheilen
berowaas, tbeilen
besijo, verwüsten
beümgu, gebären
bewandum, eintreten
bewasraweer, gaffen
beweiir, flüssig
biabeer, nackt
biabo, neu
biar, Geschwulst
biarek, bewahren
biarek, setzen
biarek, gelegen
biarek be orrua, zur Seite
stellen
biaweer, laden
bieba, hässlich, beschädigt
bieda, sein
bioor sassar, mangelhaft
bis, Fieber
bisseer, Hunger
bon, Berg
bon, Frucht
bonbori, Spitze eines Berges
bonrumgun, Hügel
boris, rudern
bos, Bündel
bossin, Klippe
336
Meyer.
boti, Wassermelone, Kürbis
brawe, Süden
breuer, Durst
brua, Kiste
bruer, Norden
bukbe, geben, vorsehen
buksewa, Belohnung
buksreri, locken
bur, verschwinden
bur, auswandern
butu, Markt
I).
da, treiben, vertreiben
daaf, leck
daanbie, lecker
daarmun, gurgeln
daarnani, Regen
daas, schwimmen
daas, Rauch
daasbedef, schimmern, glatt
daasdef, schimmern
dabeer, aufsteigen
dame, Friede
darem, Bräutigam
darem, Braut
darkfeini, knirschen
debeer, aufgehen (der Sonne)
debeso, einige
deer kerru, scheitern
deües, einige
dei, Vater
deiek, klimmen
dejek, auffahren
dek, klimmen
demara, ernennen
dewomis, Flöte
di an, bis an
disen, singen
disna, Morgenstunde, Tages
licht
djaf, Acker, Garten
djodi, Citrone
dok, inwendig
dokeerno, Haarballen
domes, schwitzen
dori, inwendig
dorisbee, Schwägerin
düf, krank
d üf, Plage
düf bebä, aussätzig
dui'f, Plage
dwark, hemmen, verbieten
E.
eber, betteln
eebswaar, besprengen
ei, Holz
eibon, Frucht
eibon (snerri), Herz (Gomüth)
cif, Fell
eiin, Fisch
eija, Blutegel
eiknam, Baum
eimamun, Talisman
einus, dienen
eiwilcan, Kanariennuss
enef, schlafen
enef kuker bien, beischlafen
(einer Frau)
enefmin, schläfrig
enef ro bien wesse, huren
eraak, begraben
eren, winken
erwasi, Hand
esron, Halsband
Ueber die Mafoor'solie und einige andere Papua-Spruclien.
OO/
F.
faan, auffüttern
faandür kwaar ro bien, ver-
heirathet
faandurna, Fest
faandurna, Lager
faas, Reis
faas, schreiben
faaskoor, Stroh
fabru, Uebe'rschwemmung
faffas, vielfarbig
famfaber, Streit
fanajem, Gemüse
fanam, an, bis an
fananderri, vergessen
fandu, Mitte, zwischen
fandür, zusammen
fara, Kopftuch
farabenapes, laviren
fararur, Arbeit
fardaar, nahe
farkiami, Ehe
farkien, leiten
farkoor, lernen, besprechen
faro, nach, zu, an
farome, verändern
farowe, eintauschen, verwech
seln
farue, loskaufen
fasaar, aufraffen
fasau, schnell
fasauberin, schnell
fasis, schweigen
fasis, stillhalten
faspar, scheiden
faspari, freilassen (einen
Sklaven)
fau, erfahren, wissen
fau, lvenntniss
Sitzungsber. d. pliil.-histor. Ci. LXXVII.
fauba, vielleicht
fauba, zweifeln
fees, binden
feia, Erzählung
feiaar, säugen
fei'is, klappern (mit den
Zähnen)
ferbian, verkaufen
fiafeer, kommen
fiafier, mild, zahm, zärtlich
fiak, vier
iiakmak, fein
fiaknakeer, Glanz
fianam, nahe, beinahe
hassen, ausringen
hek, sieben
lies, wieviel
horro kakeer, anhaltend
hrbuk, heirathen
hum, Flasche
fnak, spielen
fnakmanggenemso, stark
fnaksjarbi, scherzen
fnap, gekocht
fninis, zielen
fnobek, hinzufügen
fnolc, unterstützen, senden,
helfen, hinzufügen
fnokeer, liinzufügen
fonam, bis an
foor, fangen
foor, Feuer
foorepen, umarmen
foos, ausstrecken
forweer, eintauschen
fraar, sclmellen, fortlaufen
fraas, verflucht, buchen, Fluch
frok, kitzeln, beischlafen
frok songkeer, kitzeln
1. II. Hft. 22
M e y e
38
froon, reinigen
froor sraun, wühlen
frueier machen, verrichten
frur, machen, verrichten
frur, Arbeit
frur heweier, schmelzen
I
i, er
ibje, schön, liebenswürdig
ibje weer, schöner
ibi'o, fertig
idob, bellen
ifios, enge
ifnurep, dunkel
ifnuweer, quer
ifo, voll
ikak, Schlange
ikionem, Schlamm
iko, Pfeil
ikrafweper, Lappen
ikubur, Pfeil von Sagoblättern
imawes, bequem
imbajo, warum
imgir, Loch
immisba, fehlen
imnis, genug
imnis, gleich
imnisrape, bereit
imsaar, sinken
imsajef, zerreissen
imsoorieis, Feind
inanem, versengen
inangguri, Stiefmutter
inapes, geradeaus
inbaniori, Schwiegermutter
inei, Mädchen (Tochter)
inguboor, Mädchen
ino, Messer
inobeapin, Scheere
inobemuk, Scheere
inokarruk snau, Sichelmesser
irine, hier
irireia, also, derartig
iriwabi, unter
irwarren, Wasserhose
isak, Flamme
isam, warm, stechend
iseiur, wachsen
isia, anwesend
isjor, trocken
isrip, Korb
isrosseer, klappern (mit den
Zähnen)
isueir, wachsen.
J.
ja, ich
jaar, Matte
jaarwendi, vorgestern
jaas, schleifen
jarno, ach, weh, o weh
jampassi, Jahreszeit
jau, fortjagen
jeda, mein
jer, fächeln
jersram, Mondring
,i° ; j a
joje, Rauch
jokf, verborgen
joo, verwüsten
joom, verfolgen
jorif, Staub
j'h .ja
K.
kaambu, Niere
kaar, durchbrechen, zerbrechen,
schreien
Ueber die Mafoor’sclie und einige andere l'apüa-Spraclien.
339
kaasri, Knopf
kabessa, Krug
kabokkakien, Spinne
kabom, Wittwe
kadadu, Donner
kaduim, Schatten
kafajan, Mütze
kafeian, Hut
kaki, hoch
kakuberi, sicher, just, wahr
lich
kam, schmieden
kamara, Farbe
kamari, Vater
kambrin, Bambus
kananoeier, drehen
kananur, Rad
kanbranuk, quer
kandoor, verwirrt, verwundert,
befremdet, erschrecken, auf
schrecken
kansa, Schüssel
kansina, Spiegel
kautara, Schleier vor dem
Auge
kapanamer, Gecko (Eidechse)
kapirare, gering, klein
kapreendi, Zunge
kapressa, Stuhl, Bank
kapu, Schmutz
karara, messen
karari, reiben, rollen
karieier, angreifen
karruki, aufschneiden
karseier, straucheln
karuk, schneiden, anschneiden
kastela, Mais
kat.üm, Tasche
kauri, Armring von Bast
kauwuri, tragen (Armring)
kawäwur, Schaum
koebswaar, begiessen
keepsmoor, säen
keer, Ueberschuss
keer, pflanzen
keermasin, Salz
kei'in, Sand
keik, furchtsam
kein, bleiben, sitzen
kein, Leber
keinüs, sorgen
kenem, leben
kenggunig, Grille (Thier)
kerrua ro wabri, Fallthür
kern, Stein
kerujas, Schleifstein
kessi, Harz
keukirni, eben
kewi, füllen
kfonaanba, unverwundbar
kiaduim, Schatten
kiakurba, billig
kianes, weinen
kiapparawecr, krumm
kiäsma, Zange (von Bambus)
kierwärren, Wirbelwind
kimu, Wasserkrug
kingsoor, weissagen, profezeien
kionem, Sumpf
kior, drei
lcipu, Arbeiter
kium, Sago (gebacken)
knasi, Ohr
knasipro, taub
knikki, wenig
knikoffa, gleich, nachher
kobis, kaufen
kofein, sagen
22*
ko fein badier, erkennen, be
kennen, erklären, aufhellen,
äussern
koffari, auslachen
koffroni, Bürste
koffrori, bellen
koju, Fischkaken
kok, einstürzen
kokar, Sprosse
kokorke, plaudern
konoor, Profet
koor, rechnen
koor, Knochen
koorna, verschlucken
lcop, Zuckerrohr
köprif, kratzen
koraar, kratzen
kosses, Husten
kosüm, liebkosen
lcowok, Krähe
kraf, Körper
krafbebä, fett, korpulent
krafkakü, Fleisch
krajif, ankleben
krapressa, Bank
krasko, Glas
krau, wegnehmen, rauben,
stehlen
krisbon, Nuss
lcrori siffei’si, Hinterbacken
kruben, Leinwand
kruri, Hintertheil eines Schiffes
kruten, Tuch
kuidom, Spitze (eines Hauses)
kuker, mit
kuki, stechen
kün, verbrennen, schiossen, an
stecken
kunem, Ehrenbezeugung
kwaar, schon
kwak, stürzen
kwassa, Bevölkerung
M.
ma, Fischnetz
ma, bestürzt
maan, Vogel
maar, todt
maas, tanzen
mababab, weich
mafen, lecker, gut (vom Essen
und Trinken)
mafen, dick, fett
mahn, süss
mafu, träumen
makasnewaar, Kupferdraht
maki, schimpfen
mam, ansehen
mamas, unreinlich
mambefoor, Paradiesvogel
mambri, Held
mambruk, Kröntaube
mambur, Feder
mambur befamangor, Haar
büschel
mami, Vater
mamsaso, untersuchen
mananueier, Dorfhäuptling
manbaniori, Schwiegervater
mandira, Nachmittag
mandira, kniki if nurip, Abend
dämmerung
inandumek, grün
mangarmun, Eisen
manggün, Kattun
mangun, selbst
mangkangkan, Habicht
mangkapperbebä, Krabbe
Ueber die Mafoor’sclie und einige andere Papüa-Spraclien.
841
mangkoko, Huhn (beide Ge
schlechter)
mangkoko snün, Hahn
mani, Oel
manjauwer, Lori (Papagei)
manneweer, Zündschwamm
mannirimanjur, Feuerstahl
mano'in, Geist (böser) Gespenst
mansaar, Alter, Greis
manseriu, Herr
manserem bebä, Sultan
mausiani, Wittwer
mapeer, platt
marareer, schütteln
maria, Bogen
mariamin, Bogen und Pfeile
mariasare, Bogen und Pfeile
marisan, Pfeffer
marisein, Wunsch, wünschen
maro, zu, an, nach
masi, baden
masmak, Tauwerk
maunebeef, Kakadu
mberob, Krieg
mbram, stinken, verrotten
mbran wanerik, herumgehen
mbrein, gehen
mbrekip, dünn
mbrief, lachen
nieef' kwaar, beschädigt
meer, Körbchen
meim, anseheu, sehen
ineis, Holz (trocknos)
mek, Dose
mekkem, liegen
menaeier, Nasenrotz
nienir, sauer
menjani, beräuchern
menof, Lanze
menu, Dorf
meof, Wunsch, wünschen, Ge
hör geben
meos, Insel
merbakba, leicht
merbakmangenem, überladen
merbieis, niesen
meuer, ermüdet
mewwer, Hass
mgaren, hell (von Stimme)
mgasi, Gesicht, Auge
mgasi ru, Thräne
mgo, ihr
miämim, Unordnung
mieis, reif
mieuf, weich, leise
minweer, rächen
misser, morgen
missernaweer, Morgenroth
misserwendi, übermorgen
miün, Regen
mlceik, fürchten
mkeuk, einstürzen
mnaf, hören
mobbo, ivieso, wo, wohin
mobine, hier
moines, Moskito
monggum, Baumwolle
moob, Platz
moob eraak, Begräbnissplatz
irioom, Ueberschuss
moor, Körnchen, Setzling
mseer, betrunken
msoor, übelnehmen
msoor, Zorn, zornig
mu, Geschwür
mu, ihr beide
mu, schwor
muk, zerbrechen
mun, fechten
m unara, Gerätli
münda, nur
munieis, Krieg
murim, Osten
muriso, Kattun (sehr feiner).
S.
naba, gross
naboor, viel
naboor so, sehr viel
nadi, Gebet
naf, Hund
nafsu, Begierde
nakam, ganz
nakeim, alle
nanggi, Himmel
nangguni, Tante (jüngere
Schwester der Mutter)
nanjür, gelb
nap, kochen
napier, Neffe
napier, Vetter
napokso, mächtig
narem, schöpfen (Wasser)
nasi, Zahn, Schneidezahn
nasraumba, faul, träge
nasraun, fleissig
nassem, Jambu (Frucht)
nau, Katze
nau, Nipapalme
nebon, Haarlocke
neik bebaja, Bruder (älterer)
neik bebaja, Schwester (ältere)
neikkri, Schwester
neis, Nest
nejan, Weg
ngämsimoor, Augapfel
niaki, Schuld
niaro, reich
niaroba, nothwendig
nibnejo, können
ninimei, Schatten
niö, Schweineloch
niori, Schwiegersohn
nobee, Schwägerin
nopokba, schwach
nossas, Kropf
nuk, berühren (mit dem Finger)
nüs, Plage
0.
obek, Hirnschädel
obek, Kokosnusschale
onem, sechs
oor, fordern, rufen, fragen
oor maaf, Verzeihung erbitten
oos, Dach (von Palmblättern)
op, Wanne
ores, stehen
ori, Sonne
oi'i isam, Sonnenhitze
ori rwu, Strahl (der Sonne)
ornasi, feilen (der Zähne)
orne, dieses
orneweer, ferner
osseer, eins 1
osseer iswaar wesse, einmüthig
osseer munda, einmal
P.
paar, Wunde
padamara, Lampe
paddoren, Mast
pafen, Asche
Ueber die Mafoor’sclie und einige andere Papua-Sprachen.
34;j
pakrik, stockig'
pam, binden
pam, anstecken
pam, Fischnetz, Zugnetz
pami, verbinden, aueinander-
fügen
pampeen, Blume
panda, Gewehr,
pandurumor, Schrot (Hagel),
Kugel
panepni, drücken
pangei, winken
panggier, Fenster
panggum, einpacken
pangguni, Packen
pap, waschen (Kleider)
pape, Blasebalg
papieier, vermengen
papisen, Lunge, Milz
pappeer, Angebranntes
papus, Waare
parfokkem, Schorf
parki, aufrolleu
paum, Regenschirm
paupau, fühlen
peik, Mond
peikani riorirape, dunkler
Mond
peikbabo, Neumond
peikimgir, Neumond
peik ipeif, zweites Mondviertel
peik isiper, Vollmond
peik rowar, erstes Mondviertel
peisim, schwarz
peisim, Holzkohle
pejek, unreif
peneuer, Ei
penok, rund
penor, Ei
perem, ermorden, kopfab-
schlagen
piaas, fegen
pier, Ingwer
pierper, roth
pies, Schale
pimam, Tripang
pipi, Gold
pis, Abfall
pisaak, erwachen
pisang, Pfeil mit 4 Spitzen
pisipper, ganz, vollkommen
pok, unterdrücken
pokso, stark
pon, erst, sonst
pos, rauben
poseien, fischen
preef, scheeren
preer, schlagen
preif, blind
priem, Thau
priem, kalt
pucr, loslassen
pum, festmachen
pumi, Grosseltern
purari, Schwanz
lt.
raasi, graben
radasi aseiok, Schulterblatt
rama, kommen, herwärts
ran, Fliege
ranasi, Ananas
raris, als, gleich
ras, Tag
rasnammis, täglich
rassowenda, gestern
rawe, Zwirn
reben, Bucht, Gewicht,
rebin, Senkblei
refiore, Schwager
refo, Buch
reim, Blatt
reiokkaku, hell (von Stimme)
reir, Rippe
rembet, Steuer
resiwamia, Sohle
reu naboor, Schätze
reu narem, Eimer
reureu, Sorte
rewuri, Haupt
rewuri woos, kahl
rieb, Fell
rieisorne, derartig
riek, Blut
riek, Kattun (rother)
riepknam, Rinde
rier, Pfahl
rim, fünf
rio, verlieren
riob, fliegen
riok, Lärm,
riokkakkeer, Schelle
rioor, Stützbalken
rioor, verschwinden
rioos, stossen
rit, Nadel
rmomen, begehren, Begierde,
Sinnlichkeit
ro, zu, durch, nach, an, bis an
ro, hierher
ro, verlieren
ro aundi, vorn
rob, Nacht
roba, nein
robandandi, heute Abend,
robbebre, Frosch
robberbeer, Korkzieher
robean, Lebensmittel, Speise
robefa, Ohrzierrath
robefraar, Maus
robein, noch nicht
robena, Ausrüstung, Waare
roberok, Trommel
roberok, Eidechse
robesasoor, Schuh
robibeer, Bohrer
robibror, kahl
rof, Klafter
rojaar, rings
roman, Eber
ronaniaan, Gift (Pflanzengift)
roos, stossen
ropierwur, Augenbrauen
ro reu mundiri, womit
roriso, wieso, wo, wohin
rosei, was
rosei, welcher
rosei bukun, was willst du
geben (bezahlen)
roseria, was ist das
rowandi, draussen
rowar, Hälfte
rowarkaku, rechts
rowebre, Frosch
rüm, Haus
rumgun, Sohn
rümgün bepon j'aner, ältestes
Kind
rümgün farkoor, Schüler
rümgün ifranep, jüngstes Kind
rümgün imardisneri, todtge-
borncs Kind
rumün, Thier
rur, Saft, Seele
rusna, Sau
Ueber die Mafoor’sche und einige andere Papua-Sprachen.
345
rwamsi, arm
nvuri, Schädel
rwuri piarek, schwindeln
S.
saan, verschwenden, wegwerfen
saar, scharf
saar, durchstechen
saasi, beeidigen
sab, bersten
säkiki, Säge
sambaru, Schüssel
sandemi, lehnen
samfor, Armring (von Mu
scheln)
samfur, 10
samfur sisser osseer, 11
samfur sisser suru, 12
samfur sisser kior, 13
samfur sisser fiak, 14
samfur sisser rim, 15
samfur sisser onem, 16
samfur sisser fiek, 17
samfur sisser waar, 18
samfur sisser siö, 19
samfur di suru, 30
samfur di kior, 30 .
samfur di hak, 40, etc.
samfur di suru sisser suru 22
samfur di kior sisser kior 33
samfur di hak sisser fiak 44
etc.
samon Hahnenkamm
sampier, berühren (mit dem
Finger)
sangkaki, kitzeln
sankawa, Muskatnuss
sansun, Kleidung, Hemd
sansun aandeendi, Brusttuch
sansun berobbra, Hemd
sansun rowar, Hose
saorin, stark
sappi, fallen
saprop, Boden, Erde
saprop anemen, Sumpf
sarak, Silber
saramburi, Zinn
sarbam, breit
sarmar, bitter
saro, Walfisch
saruin, Segel
saso, prüfen
sasopeer, Zwillinge
sassar, Missethat, Vergehen
sassar, mangelhaft
sasu, verirren
sasuri, Hals
sasuriknam, Nacken
sasuririokba, heiser
sawanier, Wirbelwind
sbari, Lippe, Mund
sebe, wer
seerf, suchen, untersuchen
seerfsäso, nachsehen
sere, Reiskessel, Kessel
seren, Natter
ses, erkälten
sesari, einschenken
sfu, reiben
sfu piaas, scheuern
sfu romani, salben
siara, Armring
siarbi, verrückt
siassaar, weit
sibber, zurück
siffersi, Schenkel
si'im, Abreise
Meyer.
346
siksa, Strafe
siö, neun
siopi, schnitzen
sip, nähen
siri, Penis
sissen, stopfen
sisser, und
sjaran, tausend
sjarbam, breit
sjarbi, rasen
sjarmar, bitter
sjaw, aufhängen
sjeif, aufhängen
sjöob, ziehen, bewegen
sjoobriep, scharren
sjuf, kalt
sma, bekommen, erlangen, em
pfangen
snarem, Geruch
snari, Mutter
snau, Stengel, Zweig, Horn
snaupapis, Aas
sneppündi, Nabel
sneri, Bauch
sneriimeis, unfruchtbar
sneri bebä, schwanger
snewar, Darm
snienpapien, Hing
snoffernaja, Haarbüschel
snori, Nase
snorimnafri, Nasenloch
snori reiok, schnai’chen
snorre, Name
snu, Mehlwurm
snün, Mensch
snünbesewa, Diener
snünburein, Haar (des Kopfes)
snün inüs, Wächter
snün kapirare, Zwerg
snün mseer, Trinker
snünsi emberob, Lager
snün swari, Ehegatte, Ehefrau
so, verfolgen, folgen
so, werfen
so, zerbröckeln
so, stampfen (Beis)
sobefa, stampfen
somber, Hackmesser
somfare, Echo
sonek, Streit
songkeer, Saiteninstrument
sop, spalten
soren, See
sorep, backen
sorp, backen
so rumün, jagen
sossen, beben
sra, Kokosnuss
sra, wählen
srärbeba, Tante (ältere Schwe
ster des Vaters)
sraun, fleissig
sree, Sarong (Gewand)
sreen, hell
sreer, verkennen, betrügen
sreer, lügen, List, unwahr
sro, begegnen
sroor, quer
sroppip, klappern
su, Paar
su, Sago (gekocht)
sumbeer, Hackmesser, Streit
messer
sumfaar, äffen
süp, Land
supibawa, unter
supimbroom, Wald
suru, zwei
lieber die Mafoor’sche und einige andere Papua-Sprachen.
847
süs, Milch
susonek, klemmen
suwo, harpuniren
swa, Naht
swaan, Strand
swaan, Naht
swaar, Achtung, Mitleiden
swaar, lieben
swabur, Bart
swapür, Vorgebirge
swarepen, rathpflegen, meinen
swaroseer, denken
swarren, erwachen
swein, Palmwein
T.
tafaria Topf (irdener)
tanban, Haifisch
tataweir, Erdbeben
titi, wälzen
tutam, Blech
U.
uf, festhalten, blasen
ufpopos, kneten
uk, Laus
umbur, bei
umguba, jung
un, holen, wegnehmen
ündam, Blatt
unef, Schuppe
uni, bringen
upri, Faust
ur, Brotfrucht
urik, Ader
urin, Topf (irdener)
urndi, Hintertheil des Schiffes
urua, dort
urundi, Kinnlade
urwabbri, Kinnlade
utin, hundert
utin di suru, 200
utin di kior, 300
utin di fiak, 400
utin di rim, 500
utin di onem, (500
utin di fiek, 700
utin di waar, 800
utin di siü, 900
W.
wa, Schiff
waaf, wachen
waam, Wind
waar, acht
waar, besprengen, Wasser
waarbekki, Fluss, Graben
waar ipree, süsses Wasser
waarmenier, Essig
waarweer, Brunnen
waarweri, Mündung
waas, Korb
wabri, unter
wak, Welle
wakurnisi, Ferse
wamba, kurz
wamia, Wind
wapimsi, Finger
wapimsibeba, Daumen
wapimsiunggun, kleiner Finger
wapurmsi, Elbogen
warpon, erst
warrengo, Falle (Vogel)
warsari, links
wasja, lesen
348
M e y e r.
wauek, einschenken
waumis, Schildpatt
wauweer, tragen (Lasten)
wea, Nagel
weer, mehr, noch einmal
weerkiu, durchstöbern
wei, Schilf
weindi, ach, Jammer
weirüs, Nadel
wekkior, Dämmerung
wer, wehen
werbak, schwer
wesse, andere
wessi, Fuss
wessimoria, Wade
wessi snuppoor, Schienbein
wessi wamia, Fussstück
wessiwapimsi, Zehe
weweer, Blitz, schimmern
wis, Fieber
woma, hierher, ho, holla
women, Sklave
womenbien, Sklavin
wonggeia, kneifen
wongori, Krokodil
woor, fehlen
woor, tanzen
woor, armselig
woos, Sprache (Mundart)
wowik, Gehirn
wurek, Dorn
wus, Schaum
Wallace, Mal. Arch. II. 444 f. (Deutsche Ausgabe von
A. B. Meyer) giebt 117 Worte in 33 Sprachen des ostindischen
Archipels; seine ursprüngliche Liste umfasste 59 Sprachen,
ihm ging jedoch ein grosser Theil verloren, so dass er in allen
59 Sprachen nur neun Worte aufführen konnte. Unter den ver
lorenen war auch die Sprache von Dore, die Mafoor’sche, und
da Manchem eine Completirung jenes WaJ lace’schen Vocabii-
lars zum Vergleiche erwünscht sein mag, so gebe ich die 117
Worte, welche er in 33 Sprachen aufgeführt hat, in derselben
Reihenfolge auch noch in der Mafoor’schon Sprache.
Ameise, amsarif
Asche, pafen
schlecht, bieba
Banane, beef
Bauch, snerri
Vogel, uiaan
schwarz, peisim
Blut, riek
blau, peisim 1
Boot, wei
Körper, kraf
Knochen, koor
Bugen, maria
Kasten, brua
Schmetterling, apop
Katze, nau
Kind, romawa
Hackmesser, sümber
’) Wird nicht von schwarz unterschieden.
TJebor die Mafoor’sche und einige andere Papua-Sprachen.
349
Kokosnuss, sra
kalt, priem
komm, rama
Tag, ras
Hirsch, — 1
Hund, naf
Thür, kerrua
Ohr, knasi
Ei, penoor
Auge )
Gesicht I m 8' aS1
Vater, dadi, mami
Feder, küm
Finger, wapimsi
Feuer, foor
Fisch, eien
Fleisch, kraf
Blume, pamfeen
Fliege, rangemak
Fuss, wesi
Geflügel, mankoko
Frucht, bon
geh, mbrein
gut, hie
Haar, snunbureim
Hand, erwasi
hart, piakkrik
Kopf, rewuri
Honig, waar niwersi
heiss, isam
Haus, rum
Gatte, swari
Eisen, mangarmun
Insel, meos
1 Nicht vorhanden.
2 Wallaeel.c. S. 442 sagt iba.
Messer, ino
gross, beba 2
Blatt, reim
klein, kapirare 3
Laus, ük
Mann, snün
Matte, iaar
Affe, —4
Mond, peik
Moskito, momes
Mutter, snari
Mund, sbari
Nagel, wea
Nacht, roh
Nase, snori
Oel, mani
Schwein, bejen
Post, 5 —
Krebs, mangkapar beba
Regen, mekkem
Ratte, rebefraar
roth, pierper
reis, faas
Fluss, waarbeiki
Strasse, nejan
Wurzel, raris
Speichel, ananef
Salz, keermasen
See, soren
Silber, sarak
Haut, riep
Rauch, daas
Schlange, ikak
weich, msoof
3 W. liat. besarbamba, was aber Mal. ist.
4 Nicht vorhanden.
5 Unbekannt.
350
Meye r.
sauer, pejek
Speer, euen
Stern, attarua
Sonne, ori
süss, mafen
Zunge, kapreendi
Zalin, nasi
Wasser, waar
weiss, piuper
Frau, swari
Flügel, wapreer
Weib, bien
Holz, ei
gelb, nanjur
1, saei, osseer
2, suru
3, kior
4, fiak
5, rim
6, onem
7, fiele
8, waar
9, siö
10, samfur
11, samfur sisser osseer
12, samfur sisser suru
20, samfur di suru
30, samfur di kior
100, utin
IV. Wörterverzeiclmiss vom Arfak-Gtebirge.
Das folgende Wörterverzeiclmiss stammt von Ändei, einer
Papiia-Niederlassung im Süden der Bai von Dore, am Fuss des
Arfak-Gebirges. Die circa 150 Köpfe starke Bevölkerung dieses
an beiden Seiten des gleichnamigen Flusses, 2 etwa eine englische
Meile von seiner Mündung in die See, liegenden Dorfes ist
erst seit Kurzem hier ansässig, was noch in dem Provisorischen
ihrer Häuser und in anderen Umständen, die ich hier nicht
näher ausführen will, ausgesprochen liegt. Sie verhaus’te von
einer Niederlassung, welche etwa vier Stunden landeinwärts im
Gebirge lag, hierher an die nahe See, und besteht aus einem
noch ungemischten Arfaki-Stamm. Von den verschiedenen
kleinen Stämmen des Arfak-G-ebirges spricht ein jeder seinen
besonderen Dialekt, und diese Dialekte sind so verschieden
von einander, dass sich Bewohner naheliegender Dörfer oft
einander nicht verstehen. Die Einwohner z. B. des Dorfes Hattam
circa 3500 Fuss hoch auf dem Arfak-Gebirge sprechen einen
ganz anderen Dialekt wie diese Bewohner Andei’s. Ich folge in
1 W. schreibt es mit einem e.
2 Schon Forrest war der Fluss von Andei bekannt, wie auf seiner Karte
der Bucht von Dore zu ersehen.
Ueber die Mafoor’sche und einige andere Papua-Sprachen.
351
der Anordnung dieses Wörterverzeichnisses dem Vorgänge von
v. Gal)eleutz. 1 In der Aufstellung desselben wurde ich von
dem holländischen Missionär, Herrn Woulders, welcher schon
mehrere Jahre dort verweilt und die Sprache spricht, unterstützt.
1. Substantiva.
a) Himmel, Luft, Zeit.
Himmel, wämem
Sonne, prua
Mond, di 2
Stern, tuwäam
Donner, krau
Blitz, daantäan
Wind, auw
Regen, mb r fern
b) Erde.
Land, kasüp
Erde, warbrüng
Sand, demuen
Stein, medüw&ng
Korallenstein, buer
Berg, ngasaam
Ebene, memaui'en
Wald, memau
Küste, kenüm
Insel, nosäp
Wasser, waar
Meer, uwaar
c) Mensch.
Mensch, tüngmutau
Mann, arpön
Frau, armaan
Vater, dejei'
Mutter, demiem
Sohn, mokoraas
Tochter, armaan
Bruder, dekängmaan
Schwester, dekängmaanermaau
Körper, kangör
Kopf, kapruapien
Haar, kapöngüa
Auge, akuo
Ohr, akaroon
Nase, akueb
Mund, asutiein
Zahn, akronda
Zunge, apris
Hals, kapotäb
Brust, kakeet
Bauch, kapuri
Arm, amongün
Hand, amau
Finger, amaubueb
Bein, akinüng
Fuss, akierbatien
Zehen, akierbueb
d) Thiere.
Käfer, tetai
Schmetterling, meipaan
Fisch, mowan
1 S. : Die melanesischen Sprachen etc. Aldi. d. k. siichs. Ges. d. W.
Bd. III. ii. VII.
2 di heisst alles Platte, wie Mond, Tisch, Scheibe etc.
352
M e y e r.
Schlange, antan
Frosch, oor
Krokodil, puet
Vogel, ua
Ei, wanuang
Kasuar, meswaar
weisser Kakadu, upuet
Paradiesvogel, atubuan
Krontaube, ubroot
Känguruh, medüngjeng
Schwein, kan
Iiuud, kaua.
Pai’otia sexpennis, koranga
Lophorhina atra, nieda
Paradisea papuana, tjatjama
Cicinnurus regius, indida
Epimachus magnus, kambalaja
Drepanornis Albertisii, oressa
Nanodes Mouschenbroeki, gua
Trichoglossus papuensis, ma-
sampiru.
e) Pflanzen.
Kokospalme, sraui
Sagopalme, bäüien
Arekapalme, proob
Banane, uät
Popaja, sua'i
Zuckerrohr, aar
Baum, oi
Blatt, okan
Frucht, da
Baumwurzel, tuei
f) Wohnung, Glerätlio, Kleidung.
Idaus, raar
Dach, kus
Dorf, nier
Boot ohne Ausleger, penda boeu
Prau (Boot mit Ausleger) boe
Ruder, kusi
Bogen, ampiaab
Pfeil, ampuaab
Lanze, kapuau
Hackmesser, kuet
Kamm, mesüs
Matte, us
Kiste, brua
Korb, melc
Köcher, kassa
Schambedeckung, maar
2. Adjectiva.
Schön, scheer, sesseer, sjeer
gut, scheer, sesseer, sjeer
hässlich, böi
lang, uwei
schmal, kurz, uweibaar
breit, könt
tief, waröt
flach, rootbaar
roth, retau
weiss, pei'i
schwarz, geröm
gelb, sien
schlecht, scheerbaar
liell, kassingbaar
dunkel, moor
leicht, piabaar
schweer, boon
todt, maar (dasselbe Wort wie
für Schambedeckung)
lebendig, doe
Uelter die Mafoor’sche und einige andere Papüa-Spraclien.
353
alt, kangein
süss, keem
bitter, wuibaar
reif, ngien
unreif, uwa
voll, waarbaar
leer, maröa
3. Verba.
trinken, koot
schlafen, komaboon
stehlen, kerri
geben, kumeraan
schwimmen, kuwaas
kämpfen, kopeiraan
schlagen, katiep
kaufen, kasüp
verkaufen, färbian
wollen, passupraan
sagen, kopraap
wachen, pepuen
krank, uwaud
•gesund, waudbaar
hart, peä
weich, miaan
schnell, betüam
langsam, berraraan
jung, demaubaar
laufen, kiaar
gehen, kaaro
stehen, kaas
sitzen, kewaan
liegen, kue, kwasreer
sehen, kasiem
sprechen, kaparaap
riechen, nüet
schreien, Idem
weinen, kapaas
lachen, kaprä
tödten, kapaan
essen, keem
4. Adverbien,
nein, eibaar,
ja, kaarüwer
ich, nanün
du, uwaar
er, rien
mein, buni
dein, nanür
1, uem
2, jaar
Fürwörter, Zahlwörter.
3, kaar
4, taar
5, meswa'i
6, kassuem
7, kassiaan
8, kaskaar
9, kastaar
10, meswo'i 1
1 Sicher wird hier nur bis 5 gezählt. Meistens wird mit Zuhülfenalnne der
Finger gerechnet, also von 1—5 die Finger einer Hand und von 5—10
die Finger der anderen, aber mit Wiederholung- der Zahlen von 1—5.
lieber 10 verwirren sich die Begriffe; verschiedene Individuen geben
Sitzuugsber. d. iiliil.-kistor. CI. LXXVII. Bd. II. Hft. 23
354
Meyer.
5. Sprachprobe. 1
Sesingang kaar Dore. Komm, wir gehen nach Dore.
Primbrieer kasup ua. Der Fremdling kauft Vögel.
Magisi umaan messiu. Magisi hat eine Frau gekauft.
Primbrieer klr Iiattam. Die Fremden sind nach Ilattam.
Tuan (Mal.) wei mading sasseer. Der Herr hat hübsche Messer.
V. Wörterverzeiclmiss von den Arimoa-Inseln.
Diese Inselgruppe liegt im Norden von Neu-Guinea, öst
lich von der Geelvinksbai. Ich erhielt das folgende Verzeich
niss von einem malayischen Schiffscapitän, welcher eben von
dorther gekommen war und
weisser Mann, kabun
Kopf, dabro
Nase, sirino
Ohr, seroro
Auge, masamana
Augenbrauen, mastei
Zahn, umata
Lippe, muri
Zunge, mataro
Kinn, sestor
Hals, grongon
Bauch, pisu
Nabel, bensenfu
Fuss, adababa
Fusssohle, komfero
Schenkel, kombarjo
Fingernagel, komtesjo
es aufgeschrieben hatte:
Citrone, sankei
Paradiesapfel, kasti
Art Melone, marbi
alte Kokosnuss, niwi
junge Kokosnuss, niwi di mas
Banane, firi
rothe Blume (Hibiscus), dudap
spanischer Pfeffer, mentreun
Siri, enei
Tripang, barsu
Wasser, dano
Stein, fati
Holz, kei
Art Muschel, tabararo
Gefäss, sobi
Schildpatt, nuti
Messer, soble
verschiedene Antworten und sogar dieselben widersprechen sich nach
kurzer Zeit selbst. Zwar antworten sie stets etwas auf die vorgelegte
Zahl und ich schrieb zuerst auch getrost auf, bis ich durch Control
versuche merkte, dass sie keine Bezeichnungen und keine klaren Vor
stellungen von höheren Zahlencombinationen haben.
1 Einen Artikel giebt es nicht und die Mehrzahl kann nicht ausgedrückt
werden.
Ueber die Mafoor’sclie und einige andere Papua-Sprachen.
355
Hackmesser, noba
Beil, fara
weisses Zeug, mas
schlafen, muni
mehr, tesma
fertig-, tapsi
VI. Die Zahlen 1—5 in 21 verschiedenen Dialecten des
nordwestlichen Theiles von Neu-Guinea.
Abgesehen von den Orten, welche ich selbst besucht habe,
entnehme ich die Daten für die folgende Liste aus: G. ,T. Fa-
britius’ Aufsatz in Tijdschr. v. Ind. Taal-, Land en Volkenkunde
IV, 1855. S. 209 f. Der Verfasser desselben war ein Schiffs-
capitän, welcher viele Jahre lang in der Geelvinksbai Handel
getrieben hat.
I. Salawati, Insel an der Westküste Neu-Guinea’s.
II. Gebirgsvölker auf Neu-Guinea gegenüber den zwei
kleinen Inseln Middelburg und Amsterdam, an der
Nordküste.
III. lvaroon, Menschenfresser-Stamm an der Nordküste
Neu-Guinea’s.
IV. Amberbaki, Nordküste Neu-Guinea’s.
V. Andei, Arfak-Gebirge, Neu-Guinea.
VI. Arfak-Gebirge, Neu-Guinea (Fabritius).
VII. Mafoor’scher Dialect
VIII. Irisam
IX. Umar
X. Wandamman, Wandessi
XI. Jaur
XII. Dasener
XIII. Tandia
/
XIV. Wamberan (Ambernos) Fluss am Nordost-Ufer der Geel
vinksbai auf Neu-Guinea.
XV. Rohn
XVI. Mohr
XVII. Waropin
XVIII. Ansus 1
XIX. Pomi | Jobi
XX. Srui J
XXI. Biak, Mysore
Westufer der Geelvinksbai
auf Neu-Guinea.
Inseln der
Geelvinksbai.
23*
356
Meyer. Ueber die Mafoor’scbe und einige andere Papua-Sprachen.
1.
2.
3.
4.
5.
I.
sa
ru
tor
fat
rim
II.
mele
ali
tolo
fak
mafuk mik
III.
dik
we
gri
at
IV.
tu
kir
nur
boat
mer
V.
uem
jaar
kaar
taar
VI.
woam
jau
kar
tas
VII.
osseer
suru
kior
fiak
meswai maswar rim
VIII.
1. kete
2. rusi
3. korisi
4. aku
IX.
kotim
redis
X.
siri
mondo
etirom toro
eat at
XI.
rebe
re du
reü
rea
XII. XIII.
joser
suru
toru
ati
nei
rusi
turusi
attesi
XIV.
tenaina
bisa
5. rima matisi rim
breiare rimbi marasi
XV. XVI.
1. joser tata
2. nuru rum
/
3. ’ngokor oro
4. fak ao
5. lim riiuo
XVII. XVIII.
wosio keuri
woruo korisi
woro todu
woako
rimo
moano
di
XIX.
korii
keuru
toro
at
rim
XX.
boiri
boru
botoro kior
boa
rim
XXI.
sei
dui
fiak
lim
XIY. SITZUNG VOM 20. MAI.
Herr Dr. Oscar Erdmann in Graudenz sendet den im
Druck vollendeten 1. Tlieil seiner von der kais. Akademie
gekrönten Preisschrift über die Syntax' der Sprache Otfrieds.
Das wirkliche Mitglied Professor Franz Miklosich
überreicht eine Abhandlung: Über die Mundarten und die
Wanderungen der Zigeuner Europas. IV. Märchen und Lieder
der Zigeuner der Bukowina. Erster Theil. Text ruit lateinischer
Interlinearversion.
Das wir kl. Mitglied Herr Prof. Friedrich Müller legt
eine Abhandlung über die schwache Verbalflexion im Neu
persischen vor.
Die Aufnahme der Abhandlung des Herrn Professor Otto
Hirschfeld in Prag ,Epigraphische Nachlese zum Corpus
inscriptionum latinarum III aus Dacien und MoesieiP in die
Sitzungsberichte wird genehmigt.
An Druckschriften wurden vorgelegt:
Academie Imperiale des Science de St.-Petersbourg: Memoires in 8 n . Tome
XXIII, l re Livraison. St.-Petersbourg, 1873. (Russisch.) — Bericht über die
15. Zuerkennung der Preise des Grafen Uvarov. St. Petersburg, 1874; 8°.
(Russisch.)
Delisle, Leopold, Inventaire des manuscrits de Notre-Dame et d’autres fonds
etc. Paris, 1871; 8°. — Inventaire des manuscrits de la Sorbonne etc.
Paris, 1870; 8°. — Anciennes traductions fran9ais.es de la Consolation de
Boece, conservees h la Bibliotheque Nationale. Paris, 1S73; 8°. — Note
358
j
sur le catalogue general des manuserits des bibliotheques des Departe
ments suivie du Catalogue de 50 manuserits de la Bibliotheque Nationale.
Paris, 1873; 8°. — Lettre h Mr. Jules Lair sur un exemplaire de Guil-
laume de Jumieges copie par Orderic Vital. Paris, 1893; 8°.
Erdmann, Oskar, Untersuchungen über die Syntax der Sprache Otfrids.
I. Theil. Gekrönte Preisschrift der kais. Akademie der Wissenschaften in
Wien. (Paul,Hal’sche Stiftung.) Halle, 1S74; 8°.
Kasan, Universität: Bulletin et Memoires. 1873, Nrs. 4—6. Kasan, 1873; 8°.
Mittheilungen aus J. Perthes’ geographischer Anstalt. 20. Band, 1874.
Heft V. und Ergänzungsheft Nr. 36. Gotha, 1874; 4°.
Revista de la Universidad de Madrid. 2 a Epoca, Torao I, Nr. 5. Madrid,
•1873; 4°.
,Revue politique et litteraire 1 , et ,Revue scientiiique de la France et de
l'etranger“. IIP Aunee, 2 mo Serie. Nr. 46. Paris, 1874; 4°.
Verein für siebenbürgisclie Landeskunde: Archiv. N. F. XI. Band, 1. u. 2
Heft. Hermannstadt, 1873; 8°. — Jahresbericht für 1872/3. Hermann
stadt; 8°. — Die Mediascher Kirche von Karl Werner. Hermannstadt,
1872; 8°. — Martin von Hochmeister, von Adolf von Hochmeister.
Hermannstadt, 1873; 8°.
— siebenbiirgischer, für romanische Litteratur und Cultur des romanischen
Volkes: Transilvani’a. Anilin VII, Nr. 5, 7—10. Kronstadt, 1874; 4°.
Zürich, Universität: Akademische Gelegenheitsschriften aus den Jahren
1872—1874. 4» u. 8°.
Müller: Bemerkungen über die schwache Verbalflexion des Neupersischen. 359
Bemerkungen über die schwache Verbalflexion des
Neupersischen.
Von
Dr. Friedrich Müller,
Professor an der Wiener Universität.
Ich habe in einer im Jahre 1863 der kais. Akademie
vorgelegten Abhandlung, betitelt: ,Die Conjugation des - neu
persischen Verbums, sprachvergleichend dargestellt', welche
im XLIV. Bande der Sitzungsberichte (S. 220 ff.) abgedruckt
worden ist, auf S. 236 (Separatabdruck S. 19) die Eigenthüm-
lichkeit der meisten neupersischen Verba behandelt, welche
darin besteht, dass die Suffixe des Infinitivs —dan und des
Participium perfecti —dah sammt den von dem letzteren
Suffixe ausgehenden Weiterbildungen nicht unmittelbar an die
Wurzel, sondern mittelst eines vorausgehenden —i— angefügt
werden. — Ich habe dort bemerkt, dass sämmtliche dahin ge
hörende Verba als Denominativbildungen aufzufassen seien.
Ich kann nun nicht umhin, auf einen ganz gleichen Vorgang
in den slavischen Sprachen hinzuweisen, der von A. Schleicher
in seiner ,Formenlehre der kirchenslavischen Sprache' S. 192
ausführlich abgehandelt wird.
Gewöhnlich glaubt man, dass diese Denominativbildung
im Neupersischen auf den Infinitiv, das Participium perfecti
und die von dem letzteren ausgehenden Formen sich beschränke;
wie ich im Nachfolgenden darthun werde, ist das jedoch
nicht der Fall, sondern es scheint früher die Denominativ-
360
Müller.
bildung über das ganze Verbum verbreitet gewesen zu sein
und sieb erst später auf einen geringeren Umfang eingeschränkt
zu haben.
Das Neupersische selbst hat zwei Formen solcher Deno
minativbildung ausserhalb des oben angegebenen Kreises ge
rettet; es sind dies die Formen der ersten und zweiten Person
Vielzahl, welche selbst die ursprünglichen nicht-denominativen
Bildungen verdrängt und sich an ihrer Stelle festgesetzt haben.
Neupersisch (daran) ,wir halten' entspricht einem
altpersischen * därayämahiy, neupersisch (däred) ,ihr
haltet' einem altpersischen * därayatä (nicht belegt), während
die Formen neupersisch * l> (däram), * ö (därad), welche
den primitiven Formen (nach Analogie der altindischen dharä-
masi, dharatha) * darämahiy, * daratä entsprächen, wahrschein
lich deswegen, weil sie lautlich mit den Formen der ersten
und dritten Person Einzahl zusammenfallen würden, spurlos
verschwunden sind.
Das Pärsi verfiel eben deswegen, weil es die Denomina
tivform in —im für die erste Person der Vielzahl nicht
festhielt, in eine störende Zweideutigkeit der primären Form
in —om, —um (West, E. W. The book of the Mainyo-i
khrad. 249), während die Form der zweiten Person Vielzahl
in — et von jener der dritten Person Einzahl scharf geschie
den ist.
Das was uns im Neupersischen und Pärsi nur bruch
stückweise vorliegt, ist im Pehlewi noch vollkommen erhalten.
Dort finden wir nämlich noch die Endung —i'm für die erste
Person der Einzahl, entsprechend dem alten —ayämi und die
Endung —et für die dritte Person der Einzahl, entsprechend
dem alten —ayati neben den auch im Neupersischen erhalte
nen Endungen —im (erste Person Vielzahl) und —et (zweite
Person Vielzahl). Daneben aber lässt sich auch die Endung
— am (erste Person Vielzahl), die im Pärsi jene Zweideutigkeit
erzeugt hat, nachweisen. (Vgl. Spiegel. Grammatik der Huz-
zäresch-Sprache. 107. ff.)
Es lässt sich daher im Pehlewi eine starke (primäre)
und eine schwache (denominative) Conjugation statuiren, mit
folgenden aus der Literatur belegbaren Endungen:
Bemerkungen über die schwache Verbalflexion des Neupersischen.
361
Starke
Schwache
Singular: 1. Pers. —am, —ora
—im
—ae
2. Pers. —ae
3. Pers. —ad
—e{
—im
—et
Plural: 1. Pers. —am, — om
2. Pers. •—•
3. Pers. —and
Man sieht daraus, dass von der starken Conjugation alle
Personen bis auf die zweite der Vielzahl und von der schwa
chen alle bis auf die dritte der Vielzahl wirklich vorhanden
sind. Bei der zweiten Person der Einzahl ist nicht zu ent
scheiden, ob —ae der starken oder der schwachen Conjuga-
tionsform ursprünglich angehört, da sowohl —ahi als auch
—ayahi zu —ae werden kann.
Betrachten wir nun die beiden Reihen der Conjugation,
so können wir leicht ermessen, was die Sprache bewogen haben
mag, dieses Schema auf das im Neupersischen geltende zu
reduciren. — Es war offenbar die Homophonie, welche in den
Endungen —am (1. Pers. Singul. und Plur.), —im (1. Pers.
Sing, und Plur.) und —et (3. Pers. Sing, und und 2. Pers.
Plur.) so störend auf das Verständniss der Formen einwirkte
und welche schon früher zur Beseitigung der nicht mehr nach
weisbaren Endung —ad der zweiten Person Vielzahl Veran
lassung gegeben haben mag.
Der Trieb zur Denominativbildung des Verbums, ohne
welche das Neupersische die erste Person Singular und Plural,
sowie die dritte Person Singular und die zweite Person
Plural lautlich auseinanderzuhalten ausser Stande wäre, lässt
sich schon in den alten eränischen Sprachen, namentlich
in dem durch die Achämeniden-Denkmäler bekannten West-
Eränischen nachweisen. Wir finden dort einige Verba, welche
im Alt-Indischen der primären Conjugationsnorm folgen, oder
selbst im Neupersischen stark conjugirt werden, als Denomi-
nativa behandelt. Es sind dies folgende:
Altpersisch: garb — altbaktrisch: garew 3. Prs. Sing,
gerew-näiti = altindisch ved. grbh. 3. Prs. Sing, grbhnäti
sanskrit grh, grhnäti = neupersisch (giriftan), praes.
(giram).
362 Müller. Bemerkungen über die schwache Verbalflexion des Neupersischen.
Davon finden sich auf den Denkmälern folgende Deno
minativformen: agarbäyam (1. Prs. Sing-.), agarbäya (3. Prs.
Sing.), agarbäya 1 (3. Prs. Plur.) sämmtlich Imperfect. activ.
und agarbäyatä (3. Prs. Sing.) Imperfect. med. Man vergleiche
mit unserem garbäya— das vedische grbhäya—.
Altpersisch gud. = griech. '/.uO— = altind. guh —
woraus die indogermanische Urform ghudh resultirt (falsch
Curtius, griech. Etym. 4. Aufl. 260) altbaktrisch: guz.
Davon finden sich apagaudayähy (2. Prs. Sing. Conj.)
und apagaudaya (2. Prs. Sing. Imperat.).
Altpersisch tar. = altbakt. tar == altind. tr (tarati)
Pehlewi pnixni (wetärtan), neupers. öS (gudastan) Praes.
j^(gudäram) beide vi -)- tar.
Davon findet sich viyatarayam (1. Prs. Sing. Imperf.)
Altpersisch dar. = altbakt. dar = altind. dhar (dharati)
neupers. (dästan) praes. ^!i> (däram).
Davon kommen vor: därayämiy (1. Prs. Sing, praes.),
adäraya (3. Prs. Sing. Imperf.).
Man vergleiche damit altbakt. däraya— (bei Justi unter
dar.).
Altpersisch man = altbakt. man, neupers. (män-
dan), praes. pjLo (mänam), griech. |->.svw vgl. altbakt. nmäna
von ni -4- man, oder ist nmäna aus dmäna (in den Gäthas
demäna) entstanden, und auf altind. dama oder dhäman zu
beziehen?
Davon findet sich amänaya (3. Prs. Sing. Imperf.).
1 Ich schreibe agarbäya; der nasale Nachklang (Anusvara) muss hier
ebenso wie im Inlaute (käbugiya, hidu u. s. w.) hergestellt werden.
Hirschfeld. Epigr. Nachlese zum Corpus Inscriptionum Latinarum vol. III.
Epigrapliisehe Nachlese zum Corpus Inscriptionum
Latinarum vol. III. aus Dacien und Moesien.
Von
Otto Hirsohfeld.
In der langen Kette von Eroberungen, clie Korns Welt
herrschaft abschlossen, bildet Dacien das letzte Glied. Es war
nicht bloss Ruhmessucht, was Trajan vermochte, das Reich
über seine natürliche Grenze im Nordosten auszudehnen: hatten
doch die jüngsten Ereignisse unter Domitian gezeigt, wie ge
fährlich die Nachbarschaft dieses kriegerischen Volkes, an
dessen Bezwingung schon Cäsar ernstlich gedacht hatte, unter
geschickter Leitung werden konnte. Die Unterwerfung Da-
ciens war wesentlich ein Act der Selbstverteidigung und
ohne Zweifel wäre die freiwillige Wiederaufgabe des mit so
grossen Opfern gewonnenen Landes für die römische Herrschaft
an der Donau verhängnissvoll geworden. 1 Hat Hadrian, der in
richtiger Erkenntniss auf die nicht dauernd zu behauptenden
Gebiete jenseits des Euphrat sofort nach seiner Thronbesteigung
Verzicht leistete, wirklich die ernstliche Absicht gehabt, auch
Dacien aufzugeben, so hat ihn sicher nicht allein die Rücksicht
auf die neuangesiedelten Colonisten, sondern vor Allem die
Ueberzeugung, dass der Besitz dieses Landes zum Schutz der
Donaugrenze unerlässlich sei, von der Ausführung dieses Planes
1 Anders freilich urtheilt Gibbon I. c. 10: „it is probable, that the con-
quests of Trajan, maintained by bis successors, less for any real advan-
tage, than for ideal dignity, bad contributed to weaken tlie empire on
tbat side.“
I
364
Hi r sclifeld.
abgehalten. Freilich konnte man sich nicht verhehlen, dass dieser
vorgeschobene Posten sich nur mit gewaltigen Anstrengungen
würde behaupten lassen; aber dass sich länger als 150 Jahre
die immer ungestümer anbrandenden Wogen der gothisch-
germanischen Yölkermassen an diesem durch Natur und Kunst
gefestigten Bollwerk gebrochen haben, das war dieser An
strengungen wohl werth. Es begreift sich, dass unter dem
Drange unausgesetzter Invasionen und der, trotz zahlreicher
Siege, nie beschwichtigten Furcht vor der Wiederkehr der
wilden Barbarenhorden, auch im Innern des Landes Cultur
und Wohlstand nur eine beschränkte Entwicklung finden konnte;
war doch die schwere, aber lohnende Aufgabe, welche die
Römer in Gallien, Spanien, wie in fast allen zur Zeit der
Republik erworbenen Provinzen mit so grossem Geschick ge
löst haben, fremdartige unterworfene Nationen sich zu assirni-
liren, in Dacien überhaupt nicht vorhanden, da man die Occu-
pation mit der Vernichtung und Austreibung der einheimischen
Bevölkerung begonnen hatte. Aus allen Th eilen der Welt
mussten Colonisten von Trajan gewonnen werden, um die neue
menschenleere Provinz nothdürftig zu bevölkern; auf zahlreichen
freiwilligen Zuzug aus Italien und den alten Provinzen war
kaum zu rechnen, denn wenn auch ohne Zweifel der Verkehr
zwischen Dacien und dem Süden durch Kaufleute vermittelt
wurde, welche die Erzeugnisse des fruchtbaren Landes in ci-
vilisirtere Gegenden exportirten, 1 so mochte doch, wer nicht ge
zwungen war, dort als Soldat oder Beamter Dienste zu thun,
sich schwerlich die entlegene gefährdete Provinz zum bleiben
den Wohnsitz ausersehen. Dacien ist stets eine wesentlich von
1 Vgl. die in Aquileja, dem grossen Stapelplatz des Transithandels aus
den nordöstlichen Provinzen nach Italien (vgl. Moramsen C. J. L. V
p. 83), gefundene Grabinschrift (C. J. L. V n. 1047):
d(is) m(anibus) M. Secundi Genialis domo Cl(audia) Agrip(pinensi)
negotiat(ori) Dacisco (sic!) und die in Salona gefundene Grabinschrift
(C. J. L. 3, 2086) der Frau eines: Aur(elius) Aquila dec(urio) Pata-
visesis (aus Potaissa) ne[g(otiator)] ex pro(vincia) Dacia.
In Dacien selbst gefundene Inschriften vgl. n. 1500 (Sarmizegetusa):
Crasso Macrobio negotiatores provinciae Apul(ensis) defensori optimo;
n. 1209 (Apulum): Collegium nautarum (auf dem Maros), n. 1351 (Deva):
I(ovi) O(ptimo) M(aximo) Terrae Dac(iae) et Genio P(opuli) R(omani) et
Commerci . . .
Epigraphisclie Nachlese zum Corpus Inseriptionum Latinarum vol. III.
365
activen und ausgedienten Soldaten bevölkerte Militärgrenze ge
blieben und die städtischen Gemeinden, die allmälig auf diesem
Boden bei zunehmendem Gefühl der Sicherheit entstanden, ver
leugnen nicht ihren Ursprung aus Ansiedelungen von Veteranen,
Marketendern und anderem Tross, der sich naturgemäss an
die grossen Lagerstätten anschloss. 1 Sarmizegetusa, der alte
Königssitz, scheint die einzige bedeutende Stadt in Dacien
gewesen zu sein, die man schon bei der Occupation vorfand;
sie wurde sogleich zur Colonie erhoben 2 und war, wenn man
aus dem ihr in den älteren dacischen Inschriften beigelegten
Namen: Colonia Dacica schliessen darf, ursprünglich wohl die
einzige Colonie in Dacien; jedoch soll nach ausdrücklicher
Angabe Ulpian’s (Digg. 50, 15, 1, 8) auch die colonia Zer-
nensium (bei Orsova) ebenfalls schon unter Trajan begründet
1 Vgl. besonders in Betreff von Apulum, wo diese Entwicklung sehr deut
lich zu verfolgen ist, die Abhandlung von Mommsen im Hermes VIT
S. 299 ff.: Die römischen Lagerstädte.
2 Die Gründungsinschrift der colonia Dacica (C. J. L. 3, 1443) ist leider
im Originale verloren gegangen und nur unvollständig in drei alten Ab
schriften, von denen eine stark interpolirt ist, erhalten; die Ergänzung
Mommsen’s: condita colonia Dacica per [leg(ionem)] V. M(acedonicam)
Scaurianus [leg(atus)] eius pro pr(aetore) [dedicavit], unterliegt, wie er
selbst hervorgehoben hat, manchen Bedenken; vorzüglich erscheint der
Gebrauch des blossen Cognomens: Scaurianus in dieser officiellen Urkunde
als in hohem Grade anstössig. Da ferner nicht einmal die Theilnahme
der legio V Macedonica an den dacischen Kriegen bezeugt ist, so wird
man meines Erachtens, trotz der Analogie der fast gleichzeitigen Grün
dungsinschrift von Thamugas (Renier J. A. 1479), besser thun, vorläufig
an Borghesi’s Ergänzung: condita colonia Dacica per [d. terentijum
Scaurianum [leg], eius pro pr(aetore) (vgl. das Militärdiplom vom 17. Febr.
110, C. J. L. 3, p. 868 n. 25: et sunt in Daeia sub D. Terentio Scau-
riano) festzuhalten. — Aus vortrajanisclier Zeit ist in Dacien natürlich
keine Inschrift gefunden worden; mit Recht hat Mommsen die Annahme
Borghesi’s zurückgewiesen, dass die in Meliadia gefundene Inschrift
(n. 1566) eines Calpurnius Julianus [leg.] Aug. pr. pr. [prov.] Moes[i]ae
in die Zeit vor der Theilung von Moesien (unter Domitian) zu setzen sei.
Die von mir vorgenommene Revision der sehr zerstörten Inschrift be
stätigt, dass in v. 8 inferioris oder superioris gestanden habe; es lautet
nach meiner Lesung v. 7—8
\Vo E S I A E
(hi /11 /s
so dass nicht zu unterscheiden ist, ob man inFlErioris oder suF :: EÜrioris
zu ergänzen habe.
366
Hirschfeld.
sein. Der Name metropolis, den Sarmizegetusa in späteren
Inschriften führt, kennzeichnet seine Stellung als Hauptstadt
der ganzen Provinz und wenn auch, der militärische Cen
tralpunkt, vielleicht sogar zeitweise der Sitz des Statthalters,
sich in dem rasch aufgeblühten Apulum befand (Mommsen
C. J. L. 3, pag. 182), so blieb Sarmizegetusa stets der reli
giöse Mittelpunkt des Landes, wo, ähnlich wie in Lugu-
dunum, bei der ara Augusti das concilium provinciarum
Daciarum trium (n. 1454) abgehalten ward, dem der sacerdos
arae Augusti nostri coronatus Daciarum trium, wie sein voller
Titel lautet (n. 1433), präsidirte und dabei als oberster Priester
der Provinz die Opfer zu Ehren des Kaisers darbrachte. Es
muss sich, nach den allerdings spärlichen Ueberresten und
Funden zu schliessen, hier in dem von der Natur reich aus
gestatteten Thale, fern von dem Kriegsschauplätze, ein nicht un
bedeutender Wohlstand und eine sichere Behaglichkeit der
Existenz ajisgebildet haben, zu der die exponirten Soldaten-
colonien im Norden des Landes niemals gelangen konnten.
Unter den in Dacien gefundenen Denkmälern sind die
Grabschriften, an denen sonst die ,dis manibus Wissenschaft*
bekanntlich keinen Mangel leidet, in verhältnissmässig geringer
Zahl vertreten, wie das besonders in dem reichsten )fundort
Daciens, in Apulum, sehr augenfällig zur Erscheinung kommt.
Es wäre verfehlt, daraus zu schliessen, dass die Soldaten nach
Beendigung ihrer Dienstzeit in der Regel fortgezogen seien,
um auf heimischem Boden ihr Leben zu beschliessen; denn
mehr noch als die von Mommsen (C. J. L. 3, pag. 916) aus
den Militärdiplomen abstrahirte Beobachtung, spricht dagegen
das rasche Wachsthum der Stadt Apulum selbst, wo gerade die
Veteranen den wichtigsten Theil der Bevölkerung gebildet
haben. Abgesehen von dem Zufall, dem in der epigraphischen
Statistik ein weiter Spielraum eingeräumt werden muss, liegt
die Vermuthung nahe, dass in Apulum ein militärischer Be-
gräbnissplatz, wie in Lambaese für die legio III Augusta, für
die legio XIII Gemina existirt habe, den vielleicht spätere Aus
grabungen zu Tage fördern dürften. — Sehr bemerkenswerth
ist dagegen die Fülle und Mannigfaltigkeit der Götterinschriften,
die einen bedeutenden Theil der dacischen Monumente aus
machen. Vergeblich sucht man 'freilich unter ihnen nach ein-
Epigraphische Nachlese zum Corpus Inscriptionum Latinarum vol. III.
367
heimischen Gottheiten, wie sie sich in anderen Provinzen, oft
mit römischen Beinamen versehen, so zahlreich finden. 1 Man
könnte den Grund dafür in der Dürftigkeit des dacischen,
respective getisch-thracischen Religionssystems zu suchen geneigt
sein; ungleich grössere Schuld daran trägt aber sicher die er
barmungslose Härte, mit der die Ausrottung der alten Bewoh
ner und der einheimischen Institutionen vollzogen wurde. Die
zahlreichen Weihinschriften orientalischer Götter dagegen, wie
des Jupiter Tavianus und Eruseuus (vgl. unten den Zeu? Sap-
osvBvjvog), des Deus Azizus und Bonus Puer Phosporus, des
Glyco und der Dea Syria, um der im ganzen römischen Reiche
verbreiteten Cultur der Magna mater (vgl. unten die MvpYjp
Tpo-/.Xtjj.Y;vY]), des Mithras und des Jupiter Dolichenus (in In
schriften von Zalatna auch als J. 0. M. Commagenorum Aeternus
oder J. 0. M. Dolichenus et deus Commagenus bezeichnet: n. 130,
l“' - ’ 1 ) hier nicht zu gedenken, legen vollgiltiges Zeugniss für die
Menge der aus Asien nach Dacien gezogenen Colonisten ab
(vgl. IJenzen Bull. d. J. 1848, p. 129 ff.) und die in Napoca
(= Klausenburg) zum Vorschein gekommenen Inschriften der
Galatae consistentes municipio (n. 860) aus der Zeit des Anto-
ninus Pius und des Collegium Asianorum (n. 870) aus dem
Jahre 235, wie das Collegium Galatarum in Dacia Apulensis
(n. 1394: Al-Gyögy, vgl. n. 1503 [Sarmizegetusa] Q. Januario
Q. P. collina Rufo Tavio . . .) sind interessante Documente für
die Fortdauer und collegienweise Organisation dieser mit ihren
heimischen Göttern in das nordische Land eingewanderten
Orientalen. Ob dieselben auch ihre Sprache sich lange in der
fremden Umgebung erhalten haben, ist allerdings fraglich; orien
talische Inschriften haben sich meines Wissens in Dacien gar
nicht und griechische in sehr spärlicher Zahl gefunden: wahr
scheinlich hat die römische Sprache hier ohne grosse Schwierig
keit den Sieg über die fremden, ebenfalls erst eingewanderten
Idiome davongetragen. 2 Aber nicht allein aus dem Orient
1 Die Dedication diis deabus Daciaruni et terr . . . (n. 996), die nicht ein
mal ausgeführt ist, wird man natürlich nicht dagegen anführen wollen.
2 Auch unter den Armeniern im heutigen Siebenbürgen, die eigentümlicher
Weise ebenfalls in Klausenburg, wie die Orientalen in dem alten Napoca,
sich zahlreich angesiedelt haben, soll die Kenntniss der Muttersprache
368
Hirschfold.
zogen die Colonisten in das neugewonnene Land; ähnlich wie
heutigen Tages in Siebenbürgen trafen hier die verschiedensten
Nationalitäten aufeinander. 1 Neben dem allgemeinen Zweck:
ad agros et urbes colendas, wie Eutrop sagt, bedurfte man vor
Allem kundiger Arbeiter, um die reichen Schätze zu heben,
die das Land im Schoosse der Erde birgt. Die Goldbergwerke
bei Verespatak (aurariae Dacicae), 2 die noch jetzt eine lohnende
Fundgrube bilden, sind ohne Zweifel schon, wie die Erzählung
von den Schätzen des Königs Decebalus darthut (Roesler a. 0-
p. 43), in vorrömischer Zeit ausgebeutet worden und deutliche
Spuren in der sogenannten Cetate 3 zeugen von der Energie, mit
der die Römer trotz der Schwierigkeit der Bearbeitung und der
im Vergleich mit unserer Zeit geringen technischen Ausbildung
des Bergbaues an die Exploitirung dieser Werke gingen. Seit
einem Jahrhundert hatten sie in Dalmatien ihre Studien ge
macht; von dort konnte man erfahrene Arbeiter für die daci-
schen Goldbergwerke gewinnen. In dom römischen Namen von
Verespatak: Alburnus maior vicus Pirustarum ist, wie Mommsen
(C. J. L. 3, p. 213) erkannt hat, ein redendes Zeugniss für
die Verpflanzung des dalmatinischen Stammes der Pirustae nach
den aurariae Dacicae erhalten und es fehlt auch sonst nicht an
darauf hinweisenden Indicien. 4 Die grosse Masse der gewöhn-
sich mehr und mehr verlieren; wo eine ganze Stadt armenisch ist, wie
Szamos-Ujv&r, wird sie natürlich eine längere Dauer haben.
1 Dass die Einwanderung aus Unteritalien sehr stark gewesen sei, wie
Roesler (romän. Studien p. 45) aus den Namen Apulum und Alburnus
schliesst, möchte ich freilich bei der schon lange eingetretenen Verödung
von Apulien bezweifeln.
2 Aurifodinae antiquae nördlich von Bistritz sind auf der Kiepert’schen
Karte verzeichnet; über die Gold- und Silberbergwerke in Nagyäg vgl.
Boner, Siebenbürgen (deutsche Uebersetzung) p. 570 f.
3 Die wallachische Bezeichnung für civitas; es finden sich mehrere Orte
dieses Namens in Siebenbürgen, in der Regel an Stelle einer römischen
Ansiedlung, z. B. heisst so bei Földvär das Terrain an dem Hügel, wo
sich die römische Militärstation befand.
4 Vgl. die Wachstafel n. 8, p. 944: emit .... domus partem dimidiam. . .
qu(a)e est Alb(urno) maiori vico Pirustar[um] und n. 6, p. 936: de Dasio
Verzonis Pirusta ex Kaviereti[o]. Andere Inschriften, in denen der dalma
tinische Ursprung (Aequum. Splonum) ausdrücklich angegeben ist, vgl.
bei Mommsen a. O. Ich füge hinzu, dass die Frau des ältesten uns be
kannten Procurators der dacischen Goldbergwerke (n. 1312) den Namen
Epigraphisclie Nachlese zum Corpus Inscriptionum Latinarum vol. III.
369
liehen Arbeiter lieferte natürlich, wie das auch die Namen in
den Wachstafeln und den spärlichen in Verespatak gefundenen
Grabinschriften beweisen (C. J. L. 3, pag. 214), das benach
barte Pannonien. Der Sitz der Verwaltung befand sich, wie
noch heutigen Tages, in Zalatna, dem alten Ampelum, wo
mehrere Inschriften kaiserlicher Procuratoren und ihres Schreiber
personals zum Vorschein gekommen sind. Die Grabschrift eines
M. Ulpius Aug. lib. Hermias proc. aurariarum (n. 1312) weist
uns bis in die Zeit Trajan’s zurück und auch die Wachstafeln,
die mit dem Jahre 131 beginnen, 1 lassen keinen Zweifel
darüber, dass man nach der Eroberung des Landes mit der
Eröffnung der Bergwerksarbeiten nicht lange gezögert habe.
Es scheint, dass, entgegen der althergebrachten römischen Ver
waltungspraxis, die wir auch bei den Eisenwerken in Noricum
angewandt linden, die dacischen Goldbergwerke nicht dauernd
verpachtet waren, sondern, wohl um Raubbau zu vermeiden,
direct bewirthschaftet worden sind; ursprünglich wird freilich
auch hier Verpachtung stattgefunden haben, worauf das in
Diod (= Brucla?), dem alten Sitze der Bergverwaltung, er
wähnte Collegium aurariarum (n. 941, nicht aurariorum, wie es
bei Gruter fälschlich heisst) hinzuweisen scheint, das, wie der
Name des Dcdicanten, L. Calpurnius, zeigt, nicht aus unfreien
Bergwerksarbeitern, sondern wahrscheinlich den Pächtern der
Goldbergwerke bestand vgl. Gaius in Digg. 3, 4, 1 pr.: paucis
admodum in causis concessa sunt huiusmodi corpora: ut ecce
vectigalium publicorum sociis permissum est corpus habere vel
aurifodinarum vel argentifodinarum et salinarum. Ueber die
Verwaltung der Salzbergwerke, die bekanntlich einen bedeuten
den Reichthum Siebenbürgens ausmachen, ist in unseren Quellen
keine Spur zu finden; jedoch tragen die Salinen bei Torda und
Maros-Ujvär deutliche Spuren antiker, wahrscheinlich schon vor
römischer Bearbeitung. Die Schwierigkeit des Transportes und
Salonia führt, was mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit auf seine Ver
setzung aus Dalmatien nach Dacien schliessen lässt. Ueber die Prosmoni
in einer neugefundenen Inschrift s. unt.
1 Sie reichen nur bis zum Jahre 167 hinab, was Mommsen (p. 921) sicher
richtig mit dem Markomannenkriege in Verbindung bringt; dass seitdem
der Bergbau überhaupt nicht wieder aufgenommen worden sei, ist dagegen
schwerlich aus dem Fehlen späterer Wachstafeln zu schliessen.
Sitzungsber. d. phil.-bistor. CI. LXXVII. Bd. II. Hft. 24
370
Hirs chf eld.
der Salzreichthum in den alten Provinzen mochte allerdings
von einer energischen Ausbeutung der dacischen Salzbergwerke
abhalten.
Die Eintbeilung und Administration der Provinz hat
mannigfache Veränderungen erfahren: Hadrian zerlegte die bis
dahin ungetheilte Provinz nach dem Beispiele von Moesien und
Pannonien in Dacia inferior und superior, 1 die jedoch unter
einem und zwar prätorischen Statthalter standen. 2 Noch unter
Marc Aurel im Jahre 161 finden wir einen prätorischen Legaten
der Provinz Dacien (vgl. die Inschriften des P. Furius Satur-
ninus im C. J. L. 3, n. 1171, 1177, 1412, 1460); seitdem aber
dieser Kaiser Dacien in drei Provinzen getheilt hatte, steht
regelmässig an der Spitze des Landes ein consularischer Statt
halter, der schon seit Commodus unter dem Titel consularis
oder consularis III Daciarum (C. J. L. 3, 1092, 1174, 1374,
1393 u. a.) erscheint. Sicher nachweisbar ist diese Dreitheilung
seit dem Jahre 168 (Mommsen im C. J. L. 3, p. 160) und ist
vielleicht, wie die zu derselben Zeit in Pannonien, Rätien und
Noricum getroffenen Neuordnungen, durch den drohenden
Markomannenkrieg veranlasst worden. 3 Die Namen dieser drei
Provinzen, Porolissensis, Apulensis, Malvensis, sind endgiltig
von Mommsen gegen früher irrige Annahmen festgestellt; 4
1 Vgl. das Militärdiplom n. 8, p. 876 vom Jahre 129: et sunt in Dacia
inferiore sub Plautio Caesiano; neuerdings ist auch ein ritterlicher
proc(urator) Aug(usti) prov(inciae) Daciae superior(is), wahrscheinlich aus
der Zeit des Antoiiinus Pius, in Concordia gefunden worden (Bull. d.
J. 1874, p. 34).
2 Vgl. die Inschrift des M. Statius Priscus Consul a. 159, unmittelbar vor
her: leg. Aug. prov. Daciae, Henzen 5480, und des C. Curtius Proculus
leg. pr. [pr.] imp. Anton(ini) Aug. Pii provinciae Daciae, C. J. L. 3,
1458, vgl. n. 1562 und n. 1575.
3 Gewiss ist diese Theilung nicht, wie Marquardt (Rom. Staats-Venv. I.
p. 153) für möglich hält, schon unter Antoninus Pius zu setzen.
4 Vgl. Mommsen C. J. L. 3, p. 160 und zu n. 1464; dass in dieser In
schrift, wie Mommsen annimmt, Geticae zu ergänzen sei, ist doch fraglich;
bei genauer Untersuchung des Steines erschien Benndorf und mir das
G in J. 7 und 11 keineswegs sicher: die Rundung, die sich etwas über
der Zeile befindet, dürfte vielmehr von dem Meissei herrühren, mit dem
der Beiname der Legionen zerstört ist. Anführen Hesse sich für Mommsen s
Annahme Herodian 4, 6, 4 (Caracalla nach Geta’s Ermordung) e? te ta £ÖV7)
7]Yc(j.ovas te y.ou ixirpoKovs axr exe(vou <p(\ou; tzckvzo«; otEyp^aaTO.
Epigrapliisclie Nachlese zum Corpus Inscriptionum Latinarum vol. III.
371
derselbe hat ferner aus den Worten Ulpian’s (Digg. 48, 22, 7,
§. 14) quibusdam tarnen praesidibus, ut multis provinciis
interdicere possint, indultum est: ut praesidibus Syriarum, sed
et Daciarum den Schluss gezogen, dass hier drei gesonderte
Provinzen zu verstehen seien. 1 Dieser Auslegung der Worte
Ulpian’s kann ich jedoch nicht beistimmen, denn es handelt
sich hier meines Erachtens um eine ausserordentliche Compe-
tenzerweiterung durch besondere kaiserliche Verfügung (in
dultum est), nicht um das jedem Statthalter zustehende Ver
weisungsrecht aus dem ihm untergebenen Gebiete (vgl. §. 10:
interdicere autem quis ea provincia potest quam regit alia non
potest), während die weitergehende Competenz der Statthalter
Syriens und in zweiter Linie (sed et) Daciens als Ausnahme
von diesem allgemeinen Satz angeführt wird; eine Competenz,
die sich vielleicht auf Pannonien oder Moesien kraft ausdrück
licher kaiserlicher Vollmacht erstreckte. Aber auch abgesehen
von dieser allerdings zweideutigen Stelle, welcher Art hätten
denn diese drei unter einem gemeinsamen Statthalter stehen
den 2 Provinzen sein sollen? Procuratorische sicher nicht, denn
die Procuratoren sind nicht Präsidial-, sondern Finanzprocura-
toren, da sie oder vielmehr unter ihnen nur der neben dem
Statthalter in Sarmizegetusa fungirende und im Rang am
höchsten stehende procurator provinciae Apulensis bei Vacan-
zen die Stelle des Statthalters vertritt, 3 wie dies regelmässig in
1 Vgl. C. J. L. 3, p. 160: ,habitas esse Dacias • tres vere pro provinciis
tribus, non pro tribus eiusdem provinciae dioecesibus 1 , und Mommsen bei
Bormann de Syriae provinciae Romauae partibus, Berlin 1865, p. 26.
2 Die noch viel weiter gehende Vermutliung Marquardt’s (a. 0. p. 154),
dass jede der drei Provinzen ihren eigenen Legaten gehabt habe', der
(wenn ich ihn recht verstehe) nichtsdestoweniger den Titel legatus Aug.
pr. pr. (resp. consularis) triuin Daciarum geführt habe, ist .durchaus un
zulässig.
3 Vgl. C. J. L. 3, 1456: Q. Axio Q. f. pal. AfelianoJ .... proc. prov.
Dac. Apul. bis vice praesidis und n. 1464: Ulpio . . . proc.
Augfusjti . . . Dac(iae) Apul(ensis) a(genti) v(ices) p(raesidis).
Dass er im Range über dem proc. prov. Porolissensis stand, zeigt die
Reihenfolge der Aemter in n. 1464. — Der in n. 1625: pro (so und nicht
ro, wie Desjardins angibt, ist nach den Buchstabenresten unzweifelhaft
zu lesen) Heren(nio) Gemellino v(iro) e(gregio) proc. Augg. nn. agente
v(ices) p(raesidis) genannte Procurator ist allerdings schwerlich proc.
24*
372
Hirflchfeld.
kaiserlichen, ja sogar öfters in senatorisehen Provinzen ge
schah (Marquardt a. 0. p. 415). Demnach kann ich auch die
drei daci sehen Provinzen nur für getrennte Verwaltungs-
districte einer Provinz ansehen, eine Bedeutung, die provincia
bekanntlich nicht selten hat.
Die Procuratoren dieser Provinzen gehören sämmtlich dem
Ritterstand.fi an; ihr Gehalt muss mindestens 100.000 Sesterzen
betragen haben, da P. Sempronius Aelius Lycinus (C. J. L. 3
add. n. 6054—5) nach Bekleidung der Procuratur von Dacia
Porolissensis, die, wie bemerkt, unter der von Dacia Apulensis
stand, sofort zum proc(urator) cc (= ducenarius) Alexandria
[e ad] idiu(m) [l]ogum avancirt. 1 Der Sitz des Procurators
Daciae Apulensis gewesen, aber wahrscheinlich stammt die Inschrift über
haupt nicht aus Dacien, sondern aus Moesia inferior.
1 Ausser den in Dacien gefundenen Inschriften (C. J. L. 3 index p. 1132
und inedita n. 2—3) werden folgende Procuratoren von Dacien erwähnt:
1) Vor der Theilung in drei Provinzen:
Bull. d. J. 1874, p. 34 (Concordia): T. Desticius T. f. Cla(udia)
Severus .... proc. Aug. prov. Daciae superior(is), nicht vor An-
toninus Pius.
2) Nach der Theilung:
a) Dacia Apulensis:
Bull. d. J. 1874, p. 33 (Concordia): P. Cominius P. f. cla(udia)
Clemens .... proc. Aug. prov. Daciae Apolensis (sic), wahr
scheinlich noch aus dem 2. Jahrhundert.
Orelli 3888 (Falerii = Wilmanns n. 690): T. Cornasidius T.
f. fab(ia) Sabinus e(gregiae) m(emoriae) v(ir) proc. Aug. Daciae
Apulensis, wahrscheinlich nicht vor Septimius Severus, vgl. Wil
manns a. 0.
b) Dacia Porolissensis:
s. unt. n. 2—3.
c) Dacia Malvensis.
Borghesi 3, 481 = Gruter 433, 5 (Rom): M. Macrinius AvituS
M.f. claud(ia) Catonius Vindex ... p[r]oc. prov. Dac(iae) Malu(ensis).
Fraglich ist es, in welchem Theile von Dacien der nachmalige Kaiser
Pertinax (vita c. 2: inde ad ducenum sestertiorum Stipendium translatus
in Daciam suspectusque Marco quorundam artibus remotus est) Procurator
gewesen ist. Da er vorher schon im Partherkriege (seit 162) Dienste ge-
than, dann längere Zeit (retentus) in Britannien, darauf in Moesien
gedient, schliesslich vor der dacischen Procuratur die germanische Flotte
commandirt hatte, so kann er kaum vor der Theilung unter M. Aurel
nach Dacien gekommen sein. Auffallend ist dabei die Höhe seines Ge
haltes (200.000 Sesterzen), jedoch scheint überhaupt weder die Rangstufe
Epigrapliische Nachlese zum Corpus Inscriptionum Latinarum vol. III.
373
von Dacia Apulensis war Sarmizegetusa, wie mehrere dort ge
fundene Inschriften beweisen, jedoch scheint in Apulum ein
tabularius der Provinz fungirt zu haben (n. 980). Zweifelhafter
ist es, wo der Procurator der nördlichen, vom Szamos durch
strömten 1 provincia Porolissensis seine Station hatte; denn wenn
auch das municipium Porolissum (bei Mojgräd), von dem die
Provinz ihren Namen erhielt, schon bald nach der Occupation
eine gewisse Bedeutung gehabt haben muss, da Antoninus Pius
im Jahre 157 durch seinen Procurator Quintilianus ein damals
bereits verfallenes (vetustate dilapsum) Amphitheater wieder er
bauen liess, so war doch dieser an der äussersten Grenze ge
legene, den Einfällen der nördlichen Barbaren unmittelbar expo-
nirte Ort zum Sitze der Verwaltung und zur Aufbewahrung
der Cassen wenig geeignet, und ist, wenn überhaupt, so doch
sicher nicht seit den im Markomannenkriege gemachten Erfah
rungen zu diesem Zwecke benutzt worden. Die Fundorte der
noch der Gehalt der Provincialprocuratoren ganz fest normirt, sondern
nach den Verhältnissen veränderlich gewesen zu sein. In der neugefun
denen Inschrift von Concordia (Bull. d. J. 1874, p. 33) bekleidet da
gegen Cominius Clemens die Procuratur von Dacia Apulensis noch vor
der Procuratur von Lusitanien, die sonst in der Regel am Anfang der
procuratorischen Provincialcarriere stellt, war also sicher nicht ducenarius.
Keineswegs wird man sich durch Gruter 446, 3: Sex. Oppio Prisco . . .\
proc. prov. Daciae ... zu der Annahme verleiten lassen, dass Pertinax
Procurator von ganz Dacien gewesen sei, denn diese Inschrift ist uicht,
wie Borghesi (III p. 187) annimmt, aus zwei echten Fragmenten zusam
mengefügt, sondern sicherlich, wie schon ihr Ursprung wahrscheinlich
macht, eine -Ligorianische Fälschung oder wenigstens heillos interpolirt.
Schon Henzen (zu Borghesi a. O.) hat sich mit vollem Recht gegen die
Annahme Borghesi’s verwahrt, dass man von senatorischen Aemtern zur
procuratorischen Carriere hätte übergehen können; unter den sehr zahl
reichen Procuratoreninschriften gibt es kein einziges Beispiel dafür, während
die Erhebung vom Procuratoren in den Senatorenstand nicht selten statt
gefunden hat. Demnach wird man die Existenz von Procuratoren für ganz
Dacien seit der Hadrianischen Theilung überhaupt in Abrede zu stellen
haben.
1 Dass die ganze Gegend nach diesem Fluss den Namen Samus oder
Samum geführt habe, beweist die merkwürdige Inschrift vom Jahre 239)
n. 827, v. 8—9: Samum cum reg(ione) [trjans väl[lumj. Es ist Karl von
Torma’s Verdienst, diese Gegenden zuerst durchforscht zu haben;"auch
Spuren des hier erwähnten Walles sind von ihm zwischen Kis-Sebes und
Mojgräd nachgewiesen worden.
374
Hirschf eld.
Procuratoreninschriften (n. 855—857, 865 und ined. n. 2—3)
zeigen vielmehr, wie schon Mommsen (p. 169) gesehen hat,
dass das durch seine Entfernung von der Grenze, wie durch
den Szamos-Fluss, den Grenzwall und mehrere im Norden er
baute Castelle geschützte Napoca, dessen rasche Entwicklung
im Laufe des zweiten Jahrhunderts aus den dort gemachten
Funden ersichtlich wird, die eigentliche Hauptstadt der pro-
vincia Porolissensis geworden sei.
Während die Lage dieser beiden Landestheile, wenn auch
ihre genaue Abgrenzung vorläufig nicht möglich scheint, im All
gemeinen unzweifelhaft ist, so befindet man sich dagegen betreffs
der provincia Malvensis in vollständiger Ungewissheit. Genannt
wird sie nur in der oben angeführten Inschrift ihres Procurators
Catonius Vindex und in einem Militärdiplom vom Jahre 230 er
scheint die coloniaMalve(n)sis (C. J. L. 3, p. 893, n. 51: M. Aurelio
Deciano colonia Malvese ex Dacia), von der sie ihren Namen
erhalten hat. Ueber ihre Lage haben wir jedoch nicht das geringste
Zeugniss und es hat daher Mommsen nur die ganz allgemeine
Yermuthung ausgesprochen, dass sie im Osten von Dacien zu
suchen sei, während sie von Anderen in den hohen Norden
gesetzt wird. Ich glaube, dass man in dieser provincia Mal
vensis nichts anderes zu erkennen habe, als die heutige Wal
lachei, so weit sie von den Körnern occupirt war; in dem ganz
dünn besetzten Osten Siebenbürgens war die Errichtung einer
eigenen Provinz sicher nicht von Nöthen, während es nicht
wohl denkbar ist, dass das weit ausgedehnte und reiche Land
zwischen den Karpathen und der Donau zu der ohnehin schon
bedeutenden provincia Apulensis geschlagen worden sei: bilde
ten doch die Karpathen eine Scheidewand, die eine gemein
same Verwaltung in hohem Grade erschweren musste. Die nicht
unbeträchtlichen Funde, die bei nur oberflächlichen Nachgra
bungen, besonders von den Herren Cesare Bolliac und Major
Papazoglu in Turn-Severin, Celei und Recka, zu Tage gefördert
sind, machen es unzweifelhaft, dass hier am Ufer der Donau
in unmittelbarer Nähe des schon seit langer Zeit romanisirten
Moesien, durch das Gebirge und das wohlvertheidigte Land
jenseits desselben vor feindlichen Einfällen geschützt, sich ähn
lich wie in Sarmizegetusa eine ungleich reichere Cultur ent
wickelt habe, als in den nördlichen Theilen von Dacien. Wo
Epigrapliische Nachlese zum Corpus Inscriptionum Latinarum vol. III.
375
die colonia Malvensis sicli befunden habe, ist freilich fraglich;
nach dem Beispiel von Porolissum zu schliessen, würde man sie
an der äussersten Grenze der römischen Oceupation. also im
Südosten zu suchen haben, wenn auch der Sitz der Verwaltung-
unzweifelhaft mehr im Innern des Landes, vielleicht bei Reöka
oder Celei 1 gewesen sein dürfte. Ich möchte die Vermuthung
wagen, dass in den auf Specialkarten verzeiclmeten Orten:
Malu-de-sus und nördlich davon Malu-de-jos, in der Nähe
von Parapan sich noch der alte Name erhalten habe. Aller
dings ist die grosse Wallachei von der römischen Occu-
pation nur wenig berührt worden, jedoch sind Ueberreste
römischer Castelle nur wenige Stunden südlich von Malu-de-
sus in Petrosani nachweisbar 2 , so dass der Altfluss keineswegs
als absolute Grenze der Römerherrschaft angenommen werden
darf: ist es doch kaum denkbar, dass man das östliche linke
Donauufer, selbst wenn man darauf verzichtete, in das Innere
des Landes einzudringen, ganz unbesetzt und unbebaut ge
lassen haben sollte, während sich nachweislich auf der mösi-
schen Seite nicht unbedeutende Städte längs dieser ganzen Ufer
strecke erhoben haben. Es wäre sehr zu wünschen, dass die
rumänische Regierung sich veranlasst sehen möchte, vor Allem
in der kleinen Wallachei systematische Ausgrabungen anstellen
zu lassen, denn wie wenig man berechtigt ist, aus dem Mangel
an Funden voreilig Schlüsse zu ziehen, dafür liefert Moesia
inferior den besten Beweis, für dessen einstige Blüthe zahl
reiche, erst in den allerletzten Jahren ans Licht getretene
Monumente unzweideutiges Zeugniss ablegen.
1 Leider war es mir nicht möglich, die Copie einer in Celei befindlichen
Inschrift zu erlangen, über welche Bolliac in seiner Trompetta Carpati-
lorn 20. August (1. September) 1872, n. 1010, folgende Notiz gibt: ,in-
scriptiunea de pre pi6tra pre care amü pus’o in pästrare la Celeiü, arret-
tä ca monumentul (statua lui Comodü) a fost arädicata de proconsulul
seü in Dacia. Mäna derü cu ,parasonium‘ a fosfü a statuei lui Comodü.
Der angebliche Proconsul wird entweder der Consularis III Daciamm
oder der Procurator von Dacia Malvensis sein, der hier möglicherweise
seinen Sitz haben mochte.
2 Vgl. die Kiepert’sche Karte von Dacia im C. J. L. 3 und die historische
Karte Rumäniens von Major Papazoglu (Bukarest, 1872), nach der sich
noch jetzt bei Petrosani antike Ruinen befinden sollen.
376
Hirschfeld.
Die folgenden Inschriften und Nachträge zum C. J. L. 3
sind das epigraphische Ergehniss einer im August und Sep
tember 1873 im Aufträge der Regierung gemeinschaftlich mit
Professor Otto Benndorf unternommenen archäologisch-epigra
phischen Reise, über deren Verlauf in den Mittheilungen der
k. k. Central-Commission vom Jahre 1873 ein vorläufiger Bericht
erstattet worden ist. Wenn es mir gelungen ist, von den oft sehr
zerstörten und schwer zu entziffernden Inschriften treue Copien
zu liefern, so bin ich vor Allem durch die stets bereite und er
fahrene Unterstützung meines Freundes Benndorf dazu in Stand
gesetzt worden; ganz insbesondere gilt das von der bekannten
Trajansinschrift gegenüber Orsova, deren letzte drei ausser
ordentlich zerstörten Zeilen er nach seiner auf vollste Genauig
keit Anspruch machenden Aufzeichnung facsimilirt und auf
meine Bitte mit einigen Bemerkungen beigefügt hat. Auch die
unten mitgetheilten Facsimiles von drei Ziegeln sind nach Ab
klatschen von ihm ängefertigt und mehrere Inschriften, die er
allein abgeschrieben hat, mir zur Veröffentlichung bereitwilligst
überlassen worden. Die Inschriften, bei denen nicht ausdrück
lich das Gegentheil angegeben ist, sind von mir selbst copirt;
in den Anmerkungen habe ich mich auf das Nothwendigste
beschränkt, um diesen bescheidenen Nachtrag zu dem grossen
Werke, das wir Theodor Mommsen’s genialem Fleisse ver
danken, nicht über Gebühr anzuschwellen.
Klansenburg.
1) Apahida, nördlich von Klausenburg, der Stein liegt an
der Strasse; nach Torma’s Copie, schlechte Schrift:
Dill PAT R ,
ET PRR/OSE
RPINA
E
= Di[t]i Patr(i) et Proserpinae.
2) Klausenburg, vierseitige Ara von Kalkstein, br. 0,46,
h. 0,55; war mit der Inschriftseite in dem Hause des Baron
Epigraphische Nachlese zum Corpus Inscriptionum Latinarum vol. III. 377
Apor eing'emauert; wird in’s Museum kommen. Mittheilung
und Copie von Benndorf:
/OMDOL IC
PROSALVE
AELLYCIN
P. Sempronius Aelius Lyeinus war procurator Daciae
Porolissensis unter Caracalla und stammte wahrscheinlich aus
Ancyra; vgl. Mommsen zu C. J. L. 3 n. 6054 und n. 6055
und n. 244, sämmtlich bei Ancyra gefunden.
3) Klausenburg: war mit der Inschriftseite im Brücken
thor eingemauert, daher ist die linke Seite etwas abgemeisselt,
jetzt im Museum. 1
d EO • SOLL
i In v i cto
pP R°SALVE- SA4
E T- S VOI1V M
MCoCC- GEN t A.
4S-V-E- PROC-
AVGG • NN-
RVD AC-PCROL
■ • L- M- P-
M. Cocc(eius) Genialis ist sonst nicht bekannt, nach der
Form der Buchstaben ist die Inschrift nicht vor Septimius
Severus gesetzt. Ueber die provincia Porolissensis vgl. oben.
4) Klausenburg im Museum, aus dem Besitz des Grafen
Josef Ivemeny: Mithrasrelif, unten ein breiter Rand, worauf
die Inschrift angefangen und unvollendet geblieben ist. Liniirung
1 Diese Inschrift und n. 5 sind ungenau publicirt von Jakab Elek:
Kolozsvir Törtdnete. BudAn 1870 vol. I p. 141. Ausser ihnen die von
mir in Klausenburg vergeblich gesuchte Inschrift:
IOMDOI
V1EPATEF
ET 1VSTIN
378
Hirschfeld.
geht durch das ganze Spatium. Mittheilung und Copie von
Benndorf;
PRO
ATT-VA
5) Klausenburg gef. 1867 in der Zigeunergasse, jetzt in
der griech.-katholischen Pfarrei in der Mauer (neben C. J. L.
3 n. 870); Fragment eines Friesstückes, unten und oben voll
ständig :
p-AELIAPROBA-VIX- AN'
TIP- AELIVSINGENVS-VI>I
/. IVSPROBVS F LA NE M MV N v
I 3 I E N T I SSI MI S ETS IBI-VD)
Sowohl die Namen, als die Form der Buchstaben machen
es wahrscheinlich, dass die Inschrift der Zeit des Hadrianus
oder Antoninus Pius angehört; dazu stimmt der flame[n]
munifcipi], da Napoca nicht vor M. Aurel Colonie geworden
ist; vgl. Mommsen C. J. L. 3 p. 169 und n. 963, jetzt im
Bruekenthal’schen Museum, nach meiner Abschrift:
D M |
VkP- SAB-D-COL AVI-N ^
\I I |C A N L" VLP- S AB (l) = iu[nior?
AR- PMAXIMV S• a/
a ai v S_p a _/ — pa[ter?
Demnach ist, wie schon Mommsen (a. 0.) voraussetzte,
der Name colonia Aurelia Napoca unzweifelhaft (das A am Ende
von v. 2 ist ganz sicher) und die Verleihung des Colonial
rechtes durch M. Aurel wird durch das Beispiel von Apulum
(s. unten) fast zur Gewissheit. Auch die Buchstaben sind dieser
Zeit entsprechend.
Ein Ae[l(ius)] Ingenus (statt Ingenus) findet sich auch
n. 915 (Torda), jedoch ist der Name für eine Identification zu
gewöhnlich.
Epigraphische Nachlese zum Corpus Inscriptionum Latinarum vol. III. 379
6) Klausenburg im Museum, dort gefunden; Marmorplatte
(nach Benndorf’s Copie):
7) Klausenburg im botan. Garten, Fundort mir nicht be
kannt; verzierte Ecke einer Ara aus Kalkstein:
Torda.
8) Kleine Ara, gef. 1873, y 2 1 St. südlich von Torda, im
Szinderthal, jetzt Torda im Privatbesitz; die Buchstaben sind
gut, dem 2. Jahrh. angehörig.
1V1
P A E L I V S
1« V C I A
N V S
V S L M
9) Kl.-Ara in Torda im Garten des reform. Pfarrers; Zeit
und Ort des Fundes unbekannt; schlechte Buchstaben:
Vo To
LI ß EROPA
TR I A N I V S
S A T VR NI
N V s
voto — ex voto, vgl. C. J. L. 3, 1074—6 (Karlsburg).
380
Hirse li fei d.
10) Gef. 1873 Torda im Garten des reform. Pfarrers; be
findet sich ebendaselbst. Der Stein ist an allen Seiten beschä
digt, in 2 Stücke gebrochen und v. 1—3 links die Oberfläche
abgesprungen:
Maros-Ujyär.
11) In dem von dem Verwalter des K. Salzbergwerks
Herrn Jucho gemachten Auszug aus den Acten findet sich zum
Jahre 1792 folgende Notiz:
„Bei der Erdplanirung [unmittelbar am Bergwerk] wird
eine römische Säule mit der Inschrift:
P E R S I
R O N I A
A C F
gefunden und in dem Mikes’schen Hof deponirt.“
Vielleicht könnte man vermuthen (vgl. z. B. C. J. L. 3,1172):
per S(extum) [Fulvium (vgl. Henzen scavi p. 74)
Ap]ronia[num leg. aug.
leg. v m] ace [don. . .
Die Inschrift scheint verloren, wenigstens war in dem
Mikes’schen Hof (jetzt Graf Miko gehörig) keine Spur davon
zu entdecken.
Epigrapliische Nachlese zum Corpus Inscriptionum Latinarum vol. III.
381
Koslärd (zwischen Tövis und Karlsburg).
Die Inschriften n. 14—15 befinden sich in der Mauer des
Herrn Zejk Karoly (früher Paul v. Födvary) gehörigen Hauses;
über den Fundort ist nichts bekannt. Wahrscheinlich stammen
sie aus Karlsburg.
12) Kleine Ara von Marmor, die Schrift dem 3. Jahr
hundert angehörig; die erste und vierte Zeile mit grösseren
Buchstaben:
ro' mdoliche
NO v PROSA LVTE
I M P E RATo R
AE L-VAL E N T I N V S *VET
SACERDO S
TEMPL" IMPEND IO SVO
REST ITVIT”
Die Worte VALENTINVSWET stehen auf Rasur.
13) Marmor, die Schrift ist gut und sicher dem 2. Jahr
hundert angehörig:
C-ANT - C-FIL-PAPIR-
VALENTINO.-Ql
DEC- COL-APVL- C •
A N T • A G R I P P INS
• cDrw
NAPOC-EMVNIC-
POTT ILPGAlI 'AN T
MAR G E LL VS-AGR I P
PINVS-DEC COL-A
PVL- MA R r_Rj t
3 P INA-FE POTEI
Dass die Inschrift aus Apulum stamme, macht sowol
der Inhalt als auch die in Karlsburger Inschriften wieder
kehrende Ligatur 'S (vgl. 1011. 1063) sehr wahrscheinlich.
382
Hir schfelä.
Der tribus Papiria hat ohne Zweifel Apulum angehört (C. J. L.
3 p. 183). — Die Inschrift ist wahrscheinlich aus der Zeit des
M. Aurel, da die Vortrefflichkeit der Schrift gegen eine
spätere Datirung spricht und andererseits sowol Napoca als
Apulum (s. unten) erst von M. Aurel zu Colonien erhoben zu
sein scheinen. Daher kann möglicherweise der in einer Inschrift
von Sarmizegetusa aus Gordian’s Zeit (C. J. L. 3, 1433) ge
nannte: M. Antonius Valentinus eq. r. dec. m. Apul. ein Nach
komme des C. Antonius Valentinus gewesen sein. lieber den Titel
a milit(iis) vgl. L. Renier, melanges d’epigraphie p. 203 ff.;
derselbe nennt sich dec(urio) col(oniae) Napoc(ae) et mu-
nic(ipi) Pot(aissae) ; es müsste demnach Potaissa, das Mommsen
mit vollem Recht für das heutige Torda erklärt hat, schon im
2. Jahrhundert Municipium gewesen sein. Dem widerspricht
anscheinend die Nachricht Ulpian’s (Digg. 50, 15, 1): Zarmize-
getusa quoque eiusdem (Italici) iuris est: item Napocensis co-
lonia et Apulensis et Patavissensium vicus, qui a divo Severo
ius coloniae impetravit. Dass Potaissa ursprünglich nur ein
vicus und zwar abhängig von Napoca gewesen sei, zeigt wie
Mommsen (p. 172) hervorgehoben hat, der Meilenstein aus dem
.T. 109 oder 110 (n. 1627): a Potaissa Napocae m. p. X.
Dagegen ist die von Pluebner vorgeschlagene Ergänzung der
Tordaer Inschrift (n. 911): dec(urio) N(apocae) mu[nicipi], ab
gesehen von der ganz singulären Nachstellung von municipium
nach dem Namen, zu verwerfen, da auf dem Stein, wie ich
durch Autopsie festgestellt
sondern: EE C • N • M hj d. h. dee(urio) n(umeri) m(ilitum)
m . . . ., vgl. n. 6267 (Veczel): mil[e]s • n(umeri) m(ilitum)
m .... 1 Dagegen finden wir C. J. L. 3, 903 einen Hamen
municipi, der nach seinem angeblichen Fundort sich auf Po
taissa bezieht und eine sichere Erwähnung des municipium in
1 Auch in den von Mommsen (Index p. 1176) auf Potaissa bezogenen
Inschriften eines Atilius Celsinus dec(urio) und eines .... decur(io)
(n. 933 gef. in Földvar, 933“ in Maros-Ujvir), wird man wahrscheinlich
militärische Decurionen zu erkennen haben. Dagegen ist ein dec(urio)
Patavisesis nefg(otiator)] ex pro(vincia) Dacia sicher bezeugt in n. 2086;
fraglich der dec(urio) c(ivitatis) [pjot(aissae) nach Mommsen’s Ergänzung
in n. 1030.
Epigrapliische Nachlese zum Corpus Inscriptionum Latinarum vol. III. 383
der in Torda gefundenen und dort nach Mommsen’s Abschrift
von mir verglichenen Inschrift (C. J. L. 3, 913 v. 3):
Die Punkte nach N und S sind sicher, daher ohne Zweifel zu
ergänzen: mun(icipium) S(eptimium) Pot(aissa), vgl. dieselbe
Abkürzung n. 1082: aug(ustalis) m(unicipii) S(eptimii) Ap(uli).
Das Beispiel von Apulum zeigt, dass man aus dem Beinamen
Septimium nicht zu dem Schluss berechtigt sei, dass erst Sep-
timius Severus den Ort zum Municip erhoben habe, da Apulum
spätestens unter M. Aurel Municipialrecht erlangt hat (s. unt.);
es geht daraus nur hervor, dass Septimius Severus dem Orte
neue Rechte v.erliehen habe. Demnach hat Potaissa, wie es
scheint, folgende Wandlungen durchgemacht: zuerst ein vicus
abhängig von Napoea wird es im 2. Jahrhundert zum Municip
erhoben und erhält von Septimius Severus bei Hineinlegung
der Legio V Macedonica (vgl. Mommsen p. 161 und 999) Colo
nialrecht, schliesslich noch das ius Italicum. Jedoch wird man aus
dem Namen municipium S(eptimium) folgern dürfen, dass auch
hier, wie im Apulum, neben der militärischen Colonie ein bür
gerliches Municip fortbestand, wobei nur fraglich bleibt, ob
Potaissa schon vor Septimius Municipalrecht gehabt hat. Die
Nachricht Ulpian’s, dass es damals noch vicus gewesen sei, muss
freilich dann ungenau sein, jedoch wird es wahrscheinlich,
wie Napoea und ursprünglich auch Apulum, eine Mittelstellung
zwischen vicus und municipium eingenommen haben, da keine
Beamten nachweisbar sind. ,
14) Koslärd vor dem Hause Zejk; fast unleserlich.
D
M
P V/ / / / L / / S T I
////// V SVA
//'//// V LI
/ ////// IVS /
//./// II I. I N C\
////// 11 M P \
384
Hirs clif eld.
Karlsburg (Maros-Porto).
15) Ara von Kalkstein, links patera, rechts urceus, gef. 1872
in Maros-Porto; ebendas, bei dem Ortsvorstand Demian Janös:
A S C L E P io
ET HTG IAE
C'FAERl&S
DE X TE R
V • S • L- M •
Ueber den Cult des Aesculap in Apulum, vgl. Mommsen p. 183
(,qui Apuli colebatur quasi pro genio urbis‘) und besonders
n. 1079.
16) Karlsburg Vorstadt n. 272, grosse Ara von Kalkstein,
Schrift sehr zerstört:
D E A%^ / / / /
C I S E / / / / /
/ V V / / / / / /
II I I I I I
Der Rest ist ganz abgestossen, es ist noch Raum für etwa
8 Zeilen. Nach Benndorfs Abschrift:
D E A P V _ C v W
C f S E ** E §
5 V V
///////
I V L
Deabus ist sicher in der ersten Zeile; 'nach Benndorf’s Lesung
folgt cunctis, was mir jedoch sehr zweifelhaft ist (vgl. Boissieu
insc. de Lyon p. 72: dis cunctis . . . .) Auch Z. 3 VV ist
nicht ganz sicher.
Epigrapliische Nachlese zum Corpus Inscriptionum Latinarum vol. III.
385
17) Ebendas, grosse Säule von Kalkstein:
D V
ff MARI C
S E N T 1
VS ALE
X A N D
R I
V S L M
In der ersten Zeile ist D BSV ziemlich sicher; ob zwischen
d und b ein oder zwei Buchstaben, ob A oder V gestanden, ist
fraglich: am Schluss fehlt höchstens ein Buchstabe, z. 2 könnte
C vielleicht auch 0 oder Q, sein, die übrigen Buchstaben sind
sicher. Vermuthen könnte man: d[ea]b(us) Su[l(evis)] Maric(is)
(vgl. n. 1601: Sul(evis) Mont(anis) und Orelli 2099—2101).
Bei Herodot (4, 49) heisst der Maros: M«p'.c, später allerdings
Mctprao? (Strabo) odei' Marisia (Jordanes. Geogr. Ravenn.); bei
Tacit Ann. 2, 63: Danuvium ultra inter flumina Marum et
Cusum locantur, verstehen Lipsius, Schaffarik u. A. den Maros,
die meisten Erklärer wohl richtiger die March (Plin. n. li. 4, 81).
Ueber Sentius Alexandri vgl. Mommsen p. 923.
18) Bei Karlsburg hinter der Festung, auf freiem Felde
grosse Ara von Kalkstein, sehr verwittert:
E P O N E • R E G I lN nae
SA NC- C- ///nPilf'/A
I / / / / / //////////L EG
A V G • PR- PR • C O Sl
dag- ui / //// m/// \
? V
N V
A LE
I E NT
Der Name des Legaten scheint absichtlich im Alterthum ausge-
meisselt zu sein und ist aus den dürftigen Ueberresten nicht
mit Sicherheit zu restituiren.
Sitzungsber. d. phil.-hist. CI. LXXYII. Bd. II. Hft. Üü
386
Hi r sclifeld.
19) Gef. 1866 in Maros-Porto, jetzt dort bei Kaufmann
Hirsch, von demselben dem Klausenburger Museum geschenkt.
Grosse Säule vou Kalkstein, Schrift des 3. Jahrhunderts:
I O M
AIR- M R tJ V S
B A SVS• iE- A V R
CASTOR- PO-LYD
ICIRCWSTfES
VIDEB'N-NVEN
AOVL^E -BSClbSE
M OTSE • SYR £> R A C O ISE S
RES-WIDAV PE
S VS^NXf- AOV L A
HP ss-aovLade
P E R I C V L O
LIBERA«FN T
V L M- P
Die Schrift ist ziemlich schlecht; 0 steht regelmässig für Q,
aquila statt aquilam. V. 4 po (oder möglicherweise = pq) ist
nicht mit Sicherheit zu erklären; man denkt zunächst an po-
(pulo), jedoch ist mir kein Beispiel einer derartigen Pleimaths-
bezeichnung bekannt; noch unwahrscheinlicher ist die Ergänzung
der Tribus Po(llia) oder Po(mptina). Mommsen, dem ich diese
interessante Inschrift mittheilte, vermuthet: po(ntem) Lydi, da
circumstantes ein locales Object fordere; da jedoch kein Fluss
Namens Lydus in dieser Gegend bekannt ist, bezeichnet er freilich
selbst die Ergänzung als problematisch. Auch macht er mich
darauf aufmerksam, dass sich für descidisse (v. 7 = descen-
disse) Analogien in den Arvalacten fänden, wie deseiderunt,
escidit für descenderunt, escendit, vgl. jetzt Henzen acta fratrum
Arvalium (Berlin 1874) p. 32. V. 9 ist nach dem Abklatsch
gegeben auf dem P E am Schluss mir deutlich erschien, und
zwischen V und P ein Zwischenraum für einen Buchstaben
ist; im Original las ich nur V H; die Buchstaben ra sind nicht
sichtbar, jedoch wäre es wünschenswerth, die Säule noch ein
mal darauf zu untersuchen. Auch das letzte S in v. 8 ist aus
dem Abklatsch hinzugefügt — Zum Ausdruck vgl. Lucan 6, 656:
et coma vipereis substringitur horrida sertis. Ueber den
Epigrapliische Nachlese znm Corpus Inscriptioimm Latinarum vol. TU
387
Kampf des Adlers mit der Schlange, der oft bei Dichtern und
Schriftstellern vorkommt, wie auch auf Münzen, Gemmen
und auf Schilden nicht selten dargestellt ist vergl. Stephani:
compte-rendu de la Commission imp. arch. 1862 p. 17 ff. Wenn
überhaupt der Sieg des Adlers über die Schlange als günstiges
Omen galt (vgl. bes. Cic. de divin. I, 47), so musste hier in
dem Standlager der Legio XIII gemina die Rettung des hei
ligen Vogels (v. 6 numen aquilae vgl. Tacit. Ann. 2, 7 : pul-
cherrimum augurium, octo aquilae petere silvas et intrare visae,
imperatorem advertere. Exclamant, irent, sequerentur Romanas
aves, propria legionum numina und C. J. L. 3, 6224: Dis
militaribus Genio Virtuti Aquilae Sanc(tae) Signisque leg. I.
Ital. Severianae) von um so höherer Bedeutung erscheinen, da
der Adler nicht nur das göttlich verehrte Abzeichen aller Le
gionen war (über specielle Symbole, wie bei der leg. XIII
gemina der Löwe, vgl. Eckhel D. IST. VII p. 402 ff.) sondern
der Glaube verbreitet war, dass bei jedem römischen Legions
lager seit Einführung dieses Feldzeichens durch Marius sich
ein Adlerpaar einfände vgl. Plin. n. h. 10, 4, 16: ex eo nota-
tum non fere legionis umquam hiberna esse castra, ubi aqui-
larum non sit iugum. — Dass die Schlange das Feldzeichen
der Dacier war (Froehner colonne Trajane p. 90 u. 120) kommt
dagegen für diese Zeit nicht mehr in Betracht und kann nicht
als besonderes Motiv für diese Dedication, die selbstverständlich
an Jupiter gerichtet ist, geltend gemacht werden.
Die Inschrift lautet demnach:
J(ovi) O(ptimo) M(axiino) Aur(elius) Martinus Bas(s)us et
Aur(elius) Castor po(ntem?) Lydi circumstantes viderunt numen
aquilae descidis(s)e monte supra dräcones tres. Valida v[i]pe(ra)
supstrinxit aquila(m). Hi s(upra) s(cripti) aquila(m) de periculo
liberaverunt. V(otum) l(ibentes) m(erito) p(osuerunt).
20) Karlsburg Vorstadt 272, kleine Ara von Kalkstein,
schlechte Buchstaben des 3. Jahrhunderts:
I O M
I V L I V S
M E M N o N
V O T V M
REDD I D
IT- D•D
25*
388
Hirschfel d.
Das erste D der letzten Zeile hat die Form eines eckigen 0,
ist jedoch sicher nur verhauen.
21) Ebendas., kleine Ara von Kalkstein :
I O M
wahrscheinlich wie die Grabsteine, auf denen nur D M steht,
auf Vorrath gearbeitet.
22) Kleine Ara von Kalkstein, gef. 1873 in Maros-Porto,
jetzt Karlsburg Vorstadt n. 136:
S I L V A N O
DOMS fCO
M- LV CIL- PH I
L O C E MO N
I I -V I R- COL
A V R- APVL
V- L P-
Die Inschrift ist wichtig wegen des Beinamens der colonia Apu-
lensis: Aurelia, denn es wird, dadurch die Vermuthung Mommsen’s
(C. J. L. 3 p. 183 vgl. Hermes 7. p. 323 A 2: ,fortasse M. Au-
relium et coloniam deduxisse Apulum et eodem tempore anti-
quos Canabenses ad municipii Äurelii Apuli ins nomenque pro-
vexisse* zur Gewissheit, da an Commodus zu denken, kein Grund
vorliegt. Ohne Zweifel ist diese Verleihung des Colonialrechtes
bei der neuen Eintheilung Daciens durch M. Aurel vollzogen
und die singuläre Erscheinung, dass eine Stadt zugleich muni-
cipium und colonia war (vgl. C. J. L. 3 p. 183), wird ohne
Zweifel so zu erklären sein, dass die Colonie wesentlich aus
Veteranen bestand, das Municip dagegen eine mehr bürgerliche
Bevölkerung enthielt. Da ferner beide unter besonderen Beamten
standen, die Colonie unter II viri, das Municip unter IIII viri,
so scheint es mir sehr wahrscheinlich, dass sie auch örtlich
getrennt waren: die Colonie nahe dem Standlager der legio XIII
gemina in Maros-Porto, das Municip wahrscheinlich näher nach
Karlsburg zu gelegen, denn es geht aus den allerdings äusserst
mangelhaften Fundberichten doch mit Sicherheit hervor, dass
Epigritphische Nachlese zum Corpus Inscriptionu'm Latinarum vol. III
389
die Inschriften von Apuliun an weit auseinanderliegenden Puncten
zum Vorschein gekommen sind. Es spricht ferner dafür, dass auch
die folgende Inschrift nicht bei Maros-Porto, sondern nach der frei
lich wenig präcisen Aussage der Besitzer etwa '/ 4 Stunde westlich
von Karlsburg gefunden sein soll. Es wäre wichtig, den Fund
ort genau festzustellen, da aller Wahrscheinlichkeit nach dort
das municipium Apulum zu suchen sein wird.
23) Ara von Marmor, gef. 1872, jetzt in Karlsburg Vor
stadt 146; schöne Buchstaben der Antoninischen Epoche:
auf der Vorderseite:
auf der linken Nebenseite:
/"lR A RWKirr}\":
-/SEX- SENTINAS MAXI
MVS'ANNO-PRIMO
f ACT I M V N I C I P I
' PoS VIP
Aehnliche Schenkungen sind bekanntlich nicht selten, vgl. z. B.
Orelli 3738: balneum cum oleo gratuito dedit; interessant ist
die Datirung: anno primo [fjacti municipi; der Name Sentinas
weist auf umbrischen Ursprung hin.
24) Vierseitiger Altar von Kalkstein; gef. in Maros-Porto,
jetzt in Karlsburg beim Advocaten Nicolaus Barbu; Copie
von Benndorf:
SILVAN
DOM
L.ADLVCI
A N V S
V- s- L M-
390
Hirschfeld.
25) Kleine Basis (hoch 0,11, breit 0,19), auf der rechts
die fragmentirten Füsse eines stehenden Mannes, links die
Reste der Tatzen eines Thieres. Gef. 1868 in Maros-Porto, jetzt
in Maros-Varodya bei Gottlieb Israel; schlechte Buchstaben
des 3. Jahrhunderts:
AVRE h T ZO k o T VS
EXVqTO POSVIT
26. Ara von Kalkstein, hoch 0,70; gef. Winter 1872/3 in
Maros-Porto. An den verstossenen vorderen Ecken war ein
Ornament, auf den Nebenleisten oben je eine Rose, in der
Mitte der Vorderseite oben wahrscheinlich ein verstossener Pi
nienzapfen :
Z 6 T • C A P-
16N1 HN
io POY$Oc
A N T I n A
T P O T e Y
X H N- A Ne e
v. 1. Die Striche am P sind sicher zufällig. Der Dativ Zsö ist
meines Wissens sonst nicht bezeugt. Der Beiname iapäsvoYjvcc,
der sich hier zum ersten Mal findet, durfte von dem Berg
Sardene (oder Saidene) bei Kyme in Kleinasien hergenommen
sein, und ist gewiss nicht zu identificiren mit Zsbc, SapSvfcaio?
(vgl. Gerhard, grieeh. Mythol. §. 197, 2 d ). Jedenfalls bietet die
Inschrift ein neues Zeugniss für die Verbreitung asiatischer
Culte (vgl. den Jupiter Erusenus und Tavianus n. 859 — 860)
in Dacien, gleichwie die folgende ebenfalls unedirte Inschrift:
27) Kleine Ara von Kalkstein, gef. 1872 in Maros-Porto,
jetzt in Karlsburg Vorstadt n. 134:
e h e n tt
A r H C M H
TPOC T PO
KAIMHNH
c
Epigraphische Nachlese zum Corpus Inscriptionum Latiuarum vol. III.
391
v. 3 ist ohne Zweifel P; v. 4 könnte A oder A sein, wahr
scheinlich das erstere: e? eTtvux'iffi [xvjTpb? TpcxXi|x^vrj; sicher ein
Beiname der mater magna, wie AivSu^vy], Swtukvjvyj, ’AvSstp^vr) u.a.m.,
hergeleitet von einem Gebirge oder Orte in Kleinasien; jedoch
ist es mir nicht gelungen, einen solchen nachzuweisen. Mit den
Trocmi (Tpäxp.oi, Tpox|«)vo{) ist der Name sicherlich nicht zu
combiniren.
28) Karlsburg Vorstadt 126 in der Mauer, wahrscheinlich
in der Nähe gefunden; der Stein ist ganz erhalten. 1
FAMIL1ARICVMAS
O L 0*P ROS M*0 NIEXSVo
FECERVNT^PER AVR
STATIVM ETVLPPA
VLVMQ.VAESTORES
v. 2 ist unten am M ein kleiner Strich, der aber nur Verletzung
des Steines, nicht etwa eine Ligatur von M und L ist. Demnach
ist zu lesen: Prosmoni, offenbar die Dedicanten, die, wie aus
der Erwähnung der beiden Quästoren hervorgeht, ein Colleg
bildeten. Der Name Endet sich meines Wissens sonst nicht,
bekannt ist dagegen die Stadt Promona in Dalmatien (Appian.
Illyr. 12, 25—27, vgl. Strabo 7, 5, 5. C. J. L. 3. p. 362), und es
ist nicht unwahrscheinlich, dass auch von dort, wie aus anderen
Theilen Dalmatiens (C. J. L. 3. p. 214; s. ob.) Colonisten zum
Betrieb der Bergwerke übergesiedelt worden seien und sich,
wie die Galater (vgl. n. 1394: collegium Galatarum, n. 860
u. 870) collegienweise organisirt haben. Das Colleg bestand,
wie die Namen der Quästoren zeigen, aus Freien resp. Frei
gelassenen; so dürfte man vielleicht in dem ebenfalls singu
lären familiaricum (vgl. Cato v. r. 14. Vitruv VI, 10, 2) ein
Gesindehaus zu suchen haben.
1 Diese Inschrift, wie n. 45 und n. 47—9 sind auch von Goos» im Archiv
f. Siebenb. Landesk. XI S. 108 tf. püblicirt worden. Da meine Copie
in Einzelnheiten von dieser Publicatiou abvveicht, habe ich diese Inschriften
hier nicht, übergehen wollen.
392
Hir schfelcl.
29) Gef. 1867 in Maros-Porto, jetzt Maros -Varodya bei
Szandor:
\ H
Aj S E I O R l\ estituto ?
IX' AN- III
/ V S. SECX
30) Dünne Marmorplatte in Maros-Porto bei Hirsch:
' tvT^
V 1
is:
n:
Inschriften aus Apulum an anderen Orten beflndlicli:
31) Kleine Ara von Kalkstein, gef. 1867 in Maros-Porto,
jetzt im Bruckentharschen Museum:
D I I S-
DEAB V S
Q.- P- FAB-
1 ERCLIA
-V- S- L-M-
Die I sind sämmtlich mit verticalen Strichen oben und unten
versehen, daher ist F in v. 3 fast — E, I- in v. 4 fast = F,
jedoch ist ohne Zweifel Herclian(us) zu lesen. Beispiele abge
kürzter Gentilnamen sind in diesen Provinzen nicht selten,
vgl. Mommsen Index zu C. J. L. 3. p. 1185.
32) ebenso wie zu n. 31, schlechte Buchstaben:
I O M
EX V O
PO S
33) Platte von Kalkstein, gef. in Maros-Porto, jetzt in
Alvincz bei Bacsilla. Schlechte Buchstaben:
I • O- M • E • I V N-
REG - ET- G-L©
= J(ovi) O(ptimo) M(axinio) e(t) Jun(oni) Keg(inae) et G(enio)
Loc(i).
■
34) Kleine Ara’von Kalkstein, gef. 1867 in Maros-Porto,
jetzt im Bruckentharscheu Museum:
SILVA
N O M E
RITAkl
B ES PO S-
T A N- TERT 1
VS
= Silvano merit(o) a(nimo) libe(n)s pos(uit) Tan(nonius oder
T. An(nius)'?) Tertius.
35) Wie zu n. 34:
M • L 1 C I N
N-MOESiCS
E ■ M-Ll CI N
EV ANGEL 'S
F R A T-
Ueber die Ligatur v. 2. und 4 s. ob. zu n. 13.
36) Kleine Ara von Kalkstein, gef. in Maros-Porto, jetzt
Alvincz bei Bacsilla:
^mrvTTT\_ _
M • AN- SAB I
N V S DEC-COL
V s
37) Gef. in Maros-Porto, Marmorbasis (breit 0,16), auf
welcher die Statuette eines Amor, der an einen Baumstamm
i
394
Hirsch feid.
gelehnt ist und eine umgekehrte brennende Fackel in die linke
Achselhöhle gestemmt, in der gesenkten rechten Hand einen
Zweig mit Früchten hält; jetzt im Museum in Klausenburg.
Mittheilung und Copie von Benndorf, dem die Form der Buch
staben nicht zu Verdacht gegen die Echtheit Anlass gab.
PRIMAVERA
Zalatna. 1
38) Ara von Sandstein sehr verstossen, in dem Hause
von Aron Gligon :
E O ////
/ O HI M
ID VH/
= Deo [aeter]n(o) [c]o[m]mag(enorum) Du[l]e(eno) . . . . vgl. C.
J. L. 3. 1301 a—b und Index p. 1163
39) Steinplatte, seit vielen Jahren als Thürschwelle benutzt,
daher sehr abgewetzt, bei Caspar Andreas; rechts und unten
vollständig:
NVSD lft O
C O I,
V s
Vgl. die Dedicationen desselben M. Antonius Saturninus dec.
col. an verschiedene Götter: C. J. L. 3. n. 1279—85; nach
1 Vor kurzer Zeit sind 1 ' 4 Stunde von Zalatna, bei Petroszen mehrere grosse
Säulen gefunden, von denen eine mit einer bis zur Unleserlichkeit zer
störten Inschrift versehen ist. Wahrscheinlich gehören dieselben zu einer
grossen Grabstätte, deren vollständige Aufdeckung wünschenswertli wäre.
Epigraphinche Nachlese /.um Corpus inscriptionum Latinarum vol III.
395
Mommsen’s Ansicht war er nicht Decurio in Ampclum, sondern
in Apulum.
Abrudbauya.
40) Ara von Stein an der Kirche; Fundort unbekannt:
D I A N A E
S A C
C E L S E N Vs
A DIV TO R
MAC Co L L
D D
sic
Veczel.
41) Ara von Kalkstein, gef. 1867 in Veczel, jetzt in Deva
im Hofe des Baron Nopcsa, gute Schrift des zweiten Jahr
hunderts:
D E A > S Y R > /)
M> V L P 1 v V
P H O E B V
L • P
Der Cult der Dea Syria, im römischen Reiche überhaupt nicht
sehr verbreitet, ist in den Donauprovinzen durch keine Inschrift
sicher bezeugt (n. 956 ist sehr zweifelhafter Lesung). Nach
Veczel ist er ohne Zweifel durch die dort stationirte Cohors II
Flavia Commagenorum gebracht worden.
42) Sehr grosse Säule von Kalkstein, gef. in Veczel,
befand sich in Deva bei Andreas Pitsch, ist für das Klausen
burger Museum erworben worden. Die Schrift ist sehr be
schädigt :
Hirsch feld.
IM P C C| v i o
V ICf TR AB OMI A
NOG AUOIfF
A VC ü ET
IMPCCVLVO
AFIKI OG AI L O
V E I. I) O M N I N
NO//// / /
L v c // / / ii
I I I I I I II
II / //.//
///////
ABA
XI, V
In der vorletzten Zeile scheint nach dem A im Abklatsch noch
ein Q zu folgen, man müsste dann ab Aq[uis] ergänzen, jedoch
ist die Entfernung von Kis-Kalän (= Aquae) bis Veczel zu klein;
andererseits ist die Entfernung von Apulum, woran man als Aus
gangspunkt der Strassen zunächst denken würde, ein klein wenig
zu gross, da die directe Distanz nach der Karte nicht viel weniger
beträgt; die Zahl XLV ist vollständig sicher. Es wäre sehr wün-
schenswerth, wenn dieser wichtige Stein von den einheimischen
Gelehrten in Klausenburg noch einmal einer genauen Inspection
unterzogen würde. Der Text würde demnach so zu restituiren sein:
Imp(eratori) C(aesari) C(aio) Vivio (= Vibio) Tr[e]boniano
Gallo [p(io) f(elici)] Aug(usto) p(atri) et Imp(eratori) C(aesari)
C(aio) Vivfijo Afinio Ga[l|lo Ve[l]d[u]mniano [vo]lu[siano p(io)
f(elici) Aug(usto) . . . . ] ab A[pulo? . . .] XLV.
43) Gef. 1871 in Veczel, jetzt in Deva bei Dr. Spanyik;
in der Mitte ist ein grosses rundes Loch ausgehöhlt:
D
M
CIlSOkNVS
15FVXV-R C A R A
FLATiVIETACV S
Epigraphiscke Nachlese zum Corpus Inscriptiouum Latiuarum vol. I1T.
397
V. 5 ff. uxor cara Flavia Vietacus (?) eins
Sarmizegetliusa.
44) Ara von Marmor, vielleicht in Varhely gefunden, liegt
in Zaykany an der Strasse:
r o m
AVRELVALENJ
F1|A VIVS IO R!
DEC - CoLLF ABR 1p
VOT POS va
45) Relief von Marmor, aus Bukova gebracht, jetzt in
Brasova hei Elek, darstellend in Relief rechts Liber, links
Libera, beide mit Thyrsus, zu ihren Füssen ein bocksbeiniger
Pan, Panther und Silen mit Tympanon; unter dem Relief:
AVREL-ANNIAN VS • DEO L 1
BERo-EXSV O DEDIT
V. 2 zwischen V und 0 hat nichts gestanden.
46) Ara von Marmor, gef. in Varhely, jetzt in Farkadin
beim Grafen Lonyai. Die Schrift ist gut, die Oberfläche stark
abgemeisselt:
D •( M
A V,R' E L IjAE
_Dj O N (ATA E
V I XJÄNNLV
MfV L P I V S
A RTIALIS
VET ETDSC-COL
SARMMETR
CONIVGI
C A RISSIMZE
Der Titel metropolis ist nach Mommsens Ansicht (C. I. L. 3
p. 228) erst im dritten Jahrhundert an Sarmizegetusa verliehen
worden und es spricht allerdings für diese Annahme, dass dieser
Name in der officiellen Dedication an den Divus Severus (n. 1452)
nicht erscheint. Jedoch ist es mir nach der Schrift obiger Inschrift
nicht wahrscheinlich, dass sie erst im dritten Jahrhundert gesetzt sei.
47) Sandstein, wahrscheinlich aus Varhely, jetzt in Bra-
sova bei Elek:
M • I V L- P A P • I V S T W S • D E C
COLOB HON'PO NT I F'
CAMPVM- CV AAS V I S
ADITIBVS CLV SWT E T
STATVAM ■ PO SV I T
48) Ebenso wie n. 47:
D
M
M- S V R O N I O
ADRASTO AVG- C» L
VIX- AN- L ET
SERVI LI AE- PRI
M ITIVAE-CONIVG
VrX • AN-XL ADRAS
TVS - MARCVS-TITIA
v. 2 ist das erste 0 etwas verhauen. 1
1 Ausser den von mir bezeichneten Inschriften hat Gooss, a. O. p. 111, noch
folgende, von mir nicht gesehene Marmorplatte in der Vorhalle der refor-
mirten Kirche in Pesteny copirt (als Pflasterstein benutzt, daher Z. 6—8
nicht mehr zu lesen):
IMO
AVRE L1
V ITALIS
AVG COL
METROPOLIS
AVR ... A .... O
D . . . .CONIV sn
..SP CANDE
I D S SD
Epigraph^che Nachlese zum Corpus Inscriptionum Vjatinarnm vol. III.
399
49) Grabstein von Marmor, gef. Varkely, jetzt Brasova
bei Elek:
AVE- VIA T O 9
D • M
Dazu gehört ein zweites Fragment:
SEC)^ wahrscheinlich: Antoniae Sec[unda]e;
auch das untere unbeschriebene Ende der Stele ist erhalten. —
v. 1 9 = R am Schluss der Zeile findet sich ebenfalls in
einer Inschrift aus Sarmizegetusa n. 1460.
Karansebes.
49") Herrn W. Klein (aus Karansebes) in Wien ver
danke ich die von ihm kürzlich in K. angefertigte Copie
nebst Abklatsch folgender Inschrift, über die er mir schreibt:
„Der Stein stammt aus der ehemaligen Festungsmauer von Ka
ransebes und gilt dort als Taufstein, weil sich oben eine Oeff-
nung von 11 Zoll Durchmesser und 6 Zoll Tiefe befindet, in
derem Grunde ein Loch durch die Stein wand durchgeht, das
mit Eisen verstopft ist und möglicherweise zum Befestigen an
eine Wand gedient hat, da diese Seite des Steines unbear
beitet ist. Die Länge des Steines ist 3' 6"; oben im Giebel
befindet sich ein verwischtes Ornament; die Inschrift lautet:
Eine im J. 1871 bei Henndorf am Harbach in der Nähe von Schässburg
von ihm gefundene Inschrift, theile ich nach einem Abklatsch mit seiner
Erlaubniss hier mit:
f M~^| = d(is)m(anibus)
MV I D A E Mavida (?) E
PICADI FIL X picadi fil(ia)
VIXIT A S vixit annis
XXXXV m R XXXXV m[a]r(itus)
CON’?-POSHSE con(iugi) pi(entissimae) pos(uit)
h(ic) s(ita)e(st)
400 Hirsch fei 3.
I- o- M- D-
I V L I V S
VA LENTIN 4
1 LAMEN-M- T-
PRO SALVTEM
SVAM SVO R V M
Q.VEOMNIV M
CNT\3 ERNIVM
v- L- M- p-
Der Abklatsch ist leider nicht ganz deutlich; v. 5. ist nach
dem Abklatsch gegeben, in der Copie: §PPOSAIVTEM.
V. 8. ist nach dem Abklatsch wahrscheinlich zu lesen: M = nah
Die Schrift dürfte dem Ende des zweiten Jahrhunderts ange
hören; grammatische Fehler, wie pro salutem suam, sind in
Inschriften dieser Gegenden nicht selten. Der Name Julius
Valentinus ist zu häufig, um eine Identification zu gestatten:
J(ovi) O(ptimo) M(aximo) D(olicheno)
Julius Valentin [us fjlamen m(unicipi) T(ibisci)
pro salutem suam suorumque omnium
contubern(al)ium v(otum) l(ibens) m(erito) p(osuit).
Bukarest.
50) Kleine Ara von Kalkstein, gef. in Celei, jetzt in
Bukarest bei Major Papazoglu 1 mit schlechter Schrift:
mi]t[hrae?
51) Fragment aus Marmor, gef. 1870 in Recka, jetzt in
Bukarest bei Bolliac. Ueber der Inschrift ein fliehender Hirsch
1 Ueber die von demselben bei Recka gefundene Broncemaske mit der zweimal
wiederholten punctirten Inschrift: T • P I I‘ PRISCI, vgl. den vorläu
figen Reisebericht in den Mittbeil. d. k. k. Centralcomm. 187:1. Die Maske
ist neuerdings von dem k. k. Oesterr. Museum angekauft worden.
;/////////
S A N C T V
S O L I S
/ N V I C T I
Epigraphische Nachlese zum Corpus Inscriptionum Latinarum vol. III.
401
oben gepackt von zwei (Adler?) Krallen; das Obertlieil ist ab
gebrochen :
TVRMA S G A DA
MAX- M AXIMINVS ET
I V LIANV S-MAXIMINVS
EX VOTO > POS >
In v. 1 Turmasgada wird man den Namen einer localen Gott
heit zu erkennen haben.
52) Grosser Cippus im Museum von Bukarest aus der
Sammlung von Michael Ghika; der Fundort ist unbekannt,
jedoch sollen die Inschriften ’ grösstentheils aus der kleinen
Walachei stammen. Gute Schrift, etwa aus dem Anfang des
dritten Jahrhunderts:
E Q • A N -JLVIII-VlXiT
AN VI Ili M • P O M P
,,—E LTs • P RO CVLVS
, FRATER- BENEF-
TIRONIS- LEG-
' H-BE NEMF. RE
N T I ■ P O S V I T-
Unter der Inschrift ist später ein Kreuz und eine slavische
Grabschrift eingemeisselt. Ein Legat von Dacien oder Mösien
mit dem Cognomen Tiro ist mir nicht bekannt; von den sonst
genannten Tiro ne s ist Keiner mit Wahrscheinlichkeit zu iden-
tificiren. — V. 4 ist VIIL ohne Zweifel = XLIII; vgl. Gruter
540, 3 (= Mur. 811, 6). 1VL = XLVI, jedoch ist mir diese
Inschrift nicht ganz unverdächtig.
53) Bukarest im Museum, aus der Sammlung des General
Mavros, Fundort unbekannt. Marmorbasis, auf der die Reste
zweier Füsse:
Sitzungeber. d. phil.-hist. CI. LXXV1J. Bd. II. Hft.
26
402
Hirschfeld.
Vgl. Dnmont, comptes-rendus de l’Academie des inscriptions et
belles-lettres 1868 p. 417: ,parmi les dieux nationaux, il faut
citer en premiere ligne le heros tlirace. J’en ai yu plus de
30 representations, saus que ees petits ex-voto m’aient revele
le liom ou les iioms du personnage que la piete populaire figu-
rait sous les traits le plus constants. Les inscriptions portent
invariablement KYPIQI I1PQT, puis le nom de celui qui a dedie
l’offrande. Ce sont de petits marbres de 3 decimetres au plus
sur 2. On voit nn chasseur courant a droite; sa chlamyde vole
au vent; d’une main il tient les renes du cheval, de l’autre
une pique. Ses cliiens 1’accompagnentJ 1 Dass liier derselbe
thraldsche Heros zu erkennen ist, macht die Inschrift, wie die
Spuren der Fiisse unzweifelhaft; auch passt der Name invictus
zu der kriegerischen Jagdgottheit. Es ist dies wohl die erste
lateinische Inschrift, in der sich eine Erwähnung dieser Local
gottheit findet.
54) Bukarest im Museum, Fundort unbekannt, aus der
Sammlung des General Mavros. Mithrasrelief aus Kalkstein,
hoch 0,22; breit 0,19. Mittheilung und Copie von Benndorf:
AVR-VIGT - 1EEXPEX V
= Aur(elius) Vict(or) v(ir) e(gregius) ex p(rocuratore ?) ex
v(oto). Eine Identification mit dem auf der Inschrift des
Gallienus-Bogen in Rom genannten Aurelius Victor v(ir) e(gre-
gius) ist bei der Häufigkeit des Namens nicht zulässig. 2
1 Vgl. die von Egger Ann. d. J. 1868 mitgetheilte metrische Inschrift:
tov r.pb 7;6Xai$ v IIpa>a tov aXxijxov sv xpio'ooiai etc. mit den Bemerkungen
von Benndorf in Göttinger gel. Anzeigen 1869 S. 2063 ff. Die
Inschrift stammt sicher aus Thracien und ist aus dem J. 149; sollten
vielleicht die in ihr genannten Capito und Januarius mit den gleich
namigen Conductores p(ortorii) p(ublici?) Illyrici et ripae Thraciae (C. J.
L. 3, 751. 753. 6124) zu identificiren sein?
2 Die übrigen Inschriften in Bukarest sind von Desjardins in den Annali
d. J. 1868 publicirt worden; einige unbedeutende, von mir im dortigen
Museum copirte Fragmente libergehe ich hier, da sie voraussichtlich bald
in dem von Herrn Odobesco in Bukarest vorbereiteten illustrirten Katalog
des dortigen Museums eine Stelle finden werden. Die griechischen In
schriften, die sich unter plastischen Darstellungen befinden, werden von
Benndorf publicirt werden.
Epigraphische Nachlese 7.11m Corpus Inscriptiouum Latinarnm vol. IIT. 403
Griechische Inschriften im Museum von Bukarest.
55) Grosse Ara (1,73 hoch) von Kalkstein, darauf eine
achteckige Pyramide (0,85 hoch) vgl. Desjardins Ann. d. ,T.
1868 S. 31 :
0 K
\ P H 2 T hl | K AI INE I
K ANAPQ AAEA <T> 0 r 2
X t> H 2 T 0 2 Z M I A OY E 118
T P 0 nox A PT 1VEISI AAI
THSTI f A MI AAN5SBSF.
Y. 6. am Anfang nach Benndorfs Copie T = up.
©(sot?) x(ata)d)ovi'oi<;) Xpv^o'Tyj xai Nstxävopw aScXsot? Xprjcro;
Z[o3?]OvOu S7v[t]xpo7roc; ’ÄpTep.sunäoo; tvjv it[upJapioa Ävsmqre.
Eine ipuXl) ’ApTsp.sKjiac in Thracien wird in zwei Inschriften
der Kaiserzeit, gef. in Philippopolis, genannt: C. J. Gr. 2047—8.
56) Kalksteinfragment, Fundort unbekannt:
<i> i a i rx
M K A A X A Y
A X I A A 6 1
T 0 6 AYTO T
57) Marmorplatte unbekannten Fundorts, auf beiden
Seiten beschrieben; unten ein Zapfen zum Einlassen. Auf der
Vorderseite, über der Inschrift, zwei erhobene Hände, die Innen
seiten nach aussen gekehrt. Die Copie ist von Benndorf und
wird durch den von ihm angefertigten Abklatsch, wie durch
eine von Herrn Odobesco gesandte Photographie wesentlich be
stätigt.
26*
404
TTirsclifeld.
Auf der Vorderseite:
Eli IKAAoTMAIKAIAH [ ü To N 0 E o N T " N
Y VI-' ISTONTONKTP [oNTQN I 1 N E T M A T ü N
K A I P A 2 H 2 2 A P K o I E II I T o y 2 A o A 0 I <T> o N EV
SANTA! II <I> APMAKEY2ANTA2TI1NTA
A AI n Q PO N A Q Po N H PARA E 1 A N E X x E A b|
T A 2 A Y T H 2 T o A N A I T T o N A 1 M A A A T
K 0 2 I N A o Y T 0 2 T E N H T A I T o I 2 < I> o N E V
2 A 2INA YT HN H $ A PMAKE Y2A2INKA I
T 0 I2TEK.No I2AYT0N K Y P I E o n A NT A E
<[> o p Q N K A I o ] A N T E A o I 0 E o Y 0 H A2A W Y
X II E N TH2H MEPONHME P A Ii T A P E IN o Y T A J
M E 0 IKETE I A 2 IN AET AIKH2H2T0A IMATo A
N AIT 1/oNZ H TH2E I 2 R A I T HNTAXI2THN
v. 11. der zweite Strich hinter HMEPA und in v. 13 der Strich
zwischen I und 0 in NAITHON scheinen Verletzungen des Steines
zu sein. Auf der Rückseite steht dieselbe Inschrift in grösseren
Buchstaben mit sehr geringen Abweichungen: v. 3: AoAQ.
y. 5: HPAKAE'AN auf der Photographie; auf dem Abklatsch
und bei Benndorf ist das letzte N verstümmelt, v. 6: ANA§ (am
Schluss der Zeile), v. 7: 0|T02. y. 11 : TA11EIN0YTAI. v. 12 liest
Benndorf: TOAggATOANAITToNZHTH2H2KATTIIIITAXI2THN,auf
Abklatsch und Photographie sind die drei ersten Buch
staben 2H2 nicht sichtlich; auf der Photographie: TUN statt
TII1I. Jedoch ist die Zeilenabtheilung verschieden, da den
13 Zeilen der Vorderseite 19 der von der Inschrift bis zum
Zapfen ausgefüllten Rückseite entsprechen. Die erhobenen Hände
fehlen auf der Rückseite.
E-izaAcup.a: za! ä^iw xov 0ebv xbv ü(J/tffxov xov zipiov xüv TcveojAäxuv
za: Tzicrfc crapzbc e~i xou; ooAw tpovsücavxac v) <papp,azeucravxa5 xvjv
xaXafetopov awpov ’HpaxAetav sfzj^eavxac auxijc xo ävalxtov aip.a aoivMC,
tva oüxw; Yevvjxat xoTq ooveucaaiv auxv)V r t cpapp.azEÜaaotv za: xoR xrzvou;
auxfiiv. Kupte 6 xdvxa ioopwv za! o: a[Y]Y e ^ ot 0sou io Txäoa tyjy)) i'i xr,
arj[j.£pov r/p.epa xax£:vouxa[i] |j.eO’ !z£X£tac, tva £[z]o:z7jor]<; xo aip.a xo av-
atxtov, 'Qrpr^v.i za! xvjv Ta.yJ.u~Y)v.
Die Inschrift ist ein interessantes Beispiel der Uebertra-
gung heidnischer Gebräuche auf das Christenthum; der Schrift
Epigraphische Nachlese zum Corpus Iuscriptionum Latinarum vol. III.
405
nach dürfte sie schwerlich jünger als das zweite Jahrhundert
nach Christi sein. Von solchen Verwünschungen bekannter und
unbekannter Missetkäter haben wir auf Bleitafeln zahlreiche
Beispiele, die C. Wachsmu th im Rhein.Mus. N. F. B. 18 S. 560 ff.
gesammelt und erläutert hat. Näher jedoch unserer Inschrift in
Inhalt und Form steht der von Wachsmuth (a. O. S. 567) an
geführte aegyptisch-griechische Papyrus: eitizaXoüp.at cte x'ov sv
jm y.Evsw, Ttveup.a •)) Betvov, äöpaxov, xavxoy.pxxopa 0e'ov Oewv . . . .
xj-'oq rfiiv.rpi'i p.s xai xb aip.a xoü f t>6uvocr (?) s^^uaev . . . ; jedoch
findet sich in unserer Inschrift durchaus die christliche Sprache
des neuen Testaments angewandt, wie: y.upiop xtöv xv£up,dxcov za:
Tcxrqq aapzo?, h.yixnxq xb avai'xiov a'.p.x äoizoK, ot a-ppeXoi 0£ou
5 xäaa <k>-/■)] ev rij ai^p.epov Yjp.spa xaiceivoüxai (vgl. ~pxq. azoxx. 20, 26:
p.apxupop.ai up.lv ev xvj cr^p.spov rjpdpa, und Petrus I, 5, 6: xaxsivcjOrjxs
ouv üto xr;v zpaxaiav /stpa xoü ösou etc.) — Ueber die Hände über
der Inschrift vgl. 0- Jahn über den Aberglauben des bösen
Blicks in Ber. d. S. Gr. d. W. 1855 S. 515 ff.: ,man muss sich
erinnern, dass auf einer Anzahl von Grabsteinen zwei Hände
ähnlich ausgestreckt, so dass die innere Fläche sichtbar ist
und nach oben gerichtet, angebracht sind*; und S. 55: ,also
wo Jemand in blühender Jugend (vgl. v. 5 atopov) hingerafft
ist, dass man fürchten darf, er sei durch Gewalt oder Zauber
getödtet, ohne dass man den Urheber kennt (v. 3—4: ezi xou;
SoAii) ipovEucavia? ^app.azeüaavxa?), da wird der allsehende und
allwissende Sonnengott angefleht, das Unrecht ans Licht zu
bringen und zu strafen. Diese Bitte und Verwünschung wird
also durch die beiden emporgereckten Hände symbolisch ver
stärkt/ — Auch hier ist also der heidnische Usus unverändert
übernommen und nur statt des Sol Küpioc 5 itdvxa e <p o p w v y.ai
oi ciyyeXo'. 0soü substituirt.
Belgrad.
58) Basis von Marmor, gef. 1872 in Belgrad, jetzt im
dortigen Museum; auf der Basis Fragment eines menschlichen
Fusses:
I N® ? A F A T A Mt A F A L C» N 1
g) V I P L V S N O N V 1 X I Q. \\ M
ROMVLVS
406
Hirsclifeld.
Am Schluss scheint nichts zu fehlen; Z. 1 ist sicherlich zu
lesen: IhPlA = inpia; die Inschrift bildete ohne Zweifel ein
Distichon; Romulus ist der Name des Dedicanten.
59) Grabstein, gef. in Sommer 1873 bei Kostolac, jetzt
in Belgrad im Hofe des Museums. Herr Dr. v. Schafarik,
dem ich diese Mittheilung nebst einer sorgfältigen Abschrift
verdanke, beschreibt denselben ,als einen würfelförmigen
Ueberrest von einem piedestalartigen Denkmal, auf welchem
vielleicht einst eine Figur oder Büste stand . . . Der An
fang der Inschrift fehlt und ist sicher mit dem oberen
Theile des Steines verloren gegangen'. Ausserdem verdanke
ich Benndorf einen ausgezeichneten Papierabklatsch der
auf zwei Seiten des Steines betindlichen Inschrift, der auf
Veranlassung des k. k. österr. Viceconsuls in Belgrad, Herrn
Anger, angefertigt ist, so dass über die Lesung kaum ein
Zweifel bleiben kann. Die Schrift ist schön, ohne Zweifel dem
Anfänge der Kaiserzeit angehörig:
il ) ^ / fr E R R A Q. V A ff P R ö
VLA PATRIA-MORIB-Tt FORM
KR 1 TERL AVDABILI S VT QV 1 S
Cer n e re non possetpvl
: H R I ORANMELIOR'NV N C
7 V M VLVSSVPERETS VPERE ST
/PETRON I ANOMEN-ANNO S
I S DENoS ADO'DVO STETVLI-
nrnp qvica r vstvi
IAQVOMCARE T4 ACA
NI MA- NECCAR V M C I
NEREMATTERRAM ASPOR
T A R EPATERNAM ■ Q.VIVIT
ET H I C MISERVM VT DISCRV
C I ET ST IMV feVS-
— ^ - i]n terra quam pro[c]ul a patria.
Morib(jus) et form(a) [pjariter laudabilis ut quis
Epigraphische Nachlese zum Corpus Inscriptionum Latinarum vol. UI.
407
Cernere non posset pulchrior an melior.
Nunc [tjumulus super et superest Petronia nomen
Annes bis denos adq(ue) duos tetuli.
b) m]axi[t]i
Qui caru[i]t vi[t]a quom caret hac anima.
Nec carum cinerem at terrain asportare paternam
Quivit et hic iniserum nt discruciet Stimulus.
a. v. 2—3 vgl. z. 13. Orelli 4038: quae moribus pa-
riter et disciplina ceteris feminis exemplo fuit.
v. 8: annos ferre findet sieb auch sonst in Inschriften öfters,
z. B. C. J. L. 2, 1413: viginti tecum nam fers non amplius annos,
vgl. Fabretti cap.IY. n. 452und453. Die Form tetuli ist aus Plau-
tus, Terenz und anderen Dichtern (vgl. Ribbeck ind. frgm. Tragic.
p. 357 und Comic, p. 467) bekannt; aus späterer Zeit jedoch
meines Wissens nicht bezeugt.
b. v. 2 ist in der Abschrift, wie im Abklatsch der
erste Buchstabe I nicht T; der Ausdruck: qui caruit vita quom
caret hac anima ist eigenthümlich, jedoch damit zu vergleichen
C. J. L. 2, 4427: dulcem carui lucem cum te amisi ego coniux.
Der Sinn des letzten Verses ist: so dass auch dieser Stachel
(dass nämlich die Asche in fremder Erde ruhen muss) den
Unglücklichen (Gatten) peinigt.
60) Kleine geflügelte Victoria von Bronce, gef. 1869 in
Belgrad, ebendaselbst im Museum; in den hoch erhobenen
Händen hält sie eine runde Tafel (Schild?) mit der Inschrift:
Ca[ejs(aris) sacer[d(os) ?]; der letzte
Buchstabe scheint eher p als d, je
doch ist schwerlich p(ublicus) zu er
gänzen.
408
Hirsch feld.
Ziegeliiischriffcen.
Grosser Ziegel, gef. Winter 1872/3 in Maros-Porto, eben
daselbst bei Demian Janos; die Buchstaben sind eingeritzt:
= . . Faniu[s?
. . mraibu . . .
• • P e? ] r
Ich schliesse daran die Mittheilung eines ähnlichen Ziegels,
lang l5 1 / 2 ", breit 11", der in Sziszelc, dem alten Siscia ;
Herbst 1873 am Friedhof bei Blosslegung eines alten römischen
N
Epigraphische Nachlese zum Corpus Inscriptionum Latiuarum vol. III. 409
Kanals gefunden ist; jetzt im Besitze des Herrn Photogra
phen Eckert in Prag. Das Facsimile ist, wie das vorher
gehende, von Benndorf nach Abklatschen gefertigt:
— pri(die) non(a)s Jul(i)a(s)
Severus
et Fortis
et Candidus
. . XX
410
Hirsch feid.
wahrscheinlich ist das Zeichen in v. 5 ein Handwerkszeichen.
XX bedeutet wohl die Zahl der abgelieferten Tausende von
Ziegeln.
Ziegelfragment, gef. zwischen Also Kosäly und Kapjon,
jetzt im Klausenburger Museum; die Schrift ist in den nassen
Thon mit einem Holzspan eingerissen. Nach Benndorfs Copie:
= a]ugust(i) [n(ostri)?]
Ziegel, gef. in Maros-Porto, jetzt in Blasendorf im Gym
nasium :
I- VA • L
Ziegel, gef. in Sicibida bei Regka; zwei Exemplare in
Bukarest bei Papazoglu; ein überstempeltes unsicheren Fund
ortes im dortigen Museum:
q R E c
Ziegel unbekannten Fundortes in Bukarest im Museum:
M • A V R E L
S Illf III A N V S = S[eve]riänus
Legio XIII. geinina.
Gef. in Maros-Porto, ebendaselbst bei Demian:
L E G X 1 11 G E
A V'R DEMETP»
Epigrapliische Nachlese zum Corpus IuBCriptiouum Latiuarum vol. XII. 411
2 Exemplare, gef. 1867 in Maros-Porto, jetzt im Brucken-
tharschen Museum:
L E G X I I ! G E
I V D E IOTA R VL _sic ,
= Ju(lius) Deiotaru(s) vgl. n. 1629, 5: Ae(lius) Deiotaru(s).
2 Exemplare, gef. in Maros-Porto, jetzt im Bruckenthal-
schen Museum:
L E G X III GE
K L A E L I O P
= Fl(avius) | lijeliod(orus) ? vgl. n. 1629, 20.
Leg. V Macedonica.
Ziegel, unbekannten Fundortes, in Bukarest im Museum:
jg II O 0 M V J
Es ist fraglich, ob dieser Ziegel aus Dacien oder Müsien stammt;
jedoch ist zu bemerken, dass mehrere Ziegel, im Besitze des
Ilrn. Bolliac in Bukarest,-signirt:
L • V • M oder M • V -J
sicher in Turn-Severin und Celei gefunden sind; dass ferner
ein Ziegel in demselben Besitz vollständig übereinstimmend
mit C. J. L. 3, n. 6241, signirt:
L Y M O E S
ebenfalls in Celei gefunden ist, wie auch wahrscheinlich der
schon publicirte, in der Sammlung des Major Papazoglu, aus
dieser Gegend, wahrscheinlich aus Keeka, stammen wird. Dar
nach wird man schwerlich Mommsen beipflichten können, wenn
er (zu n. 6241) annimmt, dass dieser Stempel erst dei; Zeit
nach Aufgabe von Dacien, also frühestens dem Ende des dritten
Jahrhunderts angehöre, als die Legio V Macedonica zum Theil
412
Hir selifeld.
nach Dacia Eipensis verlegt wurde, da es nichts weniger als
wahrscheinlich ist, dass nach Aufgabe des jenseitigen Donau
ufers noch zahlreiche Ziegel dorthin verschleppt sein sollten.
Auch konnte nach Begründung einer Provinz Dacia Eipensis
die in derselben stationirte Legion sich kaum als Legio Moesiaca
bezeichnen, abgesehen davon, dass wenigstens zur Zeit der
Abfassung der Notitia Dignitatum ein Theil in Aegypten statio-
nirt war (not. or. c. 25). Demnach werden diese Ziegel der
Legio V Macedonica oder Moesiaca, die sich in dem südlichen
Dacien an der Donau gefunden haben, aus der Zeit vor Sep-
timius Severus stammen, als die Legio V Macedonica noch in
Moesia inferior lag (vgl. die Inschriften von Troesmis und
Mommsen C. J. L. 3, p. 999). — 1 Wie in unserem Ziegel die
Buchstaben COES zu erklären sind, ist unklar; da die Lesung
ganz sicher ist, so kann man nicht an c'o[n]stans oder ein an
deres Epithelon denken; ebensowenig an die Erwähnung einer
co(ho)rs, wie in dem ohne Zweifel schlecht abgeschriebenen
Ziegel C. J. L. 3, 4659 n. *7: LEG'XCOHIV Wahrscheinlich
ist nach Art der in Wien gefundenen Ziegel (Mommsen a. 0.
p. 580) der Name des militärischen Aufsehers über die Ziegel-
fabrication in diesen Buchstaben zu suchen.
Legio XI Claudia.
Ziegel im Museum von Bukarest:
(l XI C- P F
= le]g. XI c(laudia) p(ia) f(idelis)
Der Fundort ist unbekannt, ohne Zweifel jedoch Moesia inferior,
wo diese Legion im 3. Jahrhundert lag (Dio 55, 23), wahr
scheinlich dorthin von Septimius Severus, bei dessen Thron
erhebung sie betheiligt war (Börghesi IV. p. 227), an Stelle der
nach Dacien versetzten Leg. V Macedonica gelegt.
Legio VII Claudia.
Ziegel, gef. 1871 in Kostolatz, jetzt im Museum zu Belgrad.:
IV1ICUCEVE P f 2 II. WIE
= l(egio) VII Cl(audia) S(c)eve(riana) p(ia) f(idelis) Silvanu(s).
^ ... ~T» . i «rar
Ep i graphische Nachlese zum Corpus Inscriptionum Latinarum vol. III. 418
Die Legion hatte in Viminacium (= Kostolatz) ihr Standlager;
den Beinamen Severiana führt sie auch C. J. L. 3,
n. 1676. Dagegen hat sie den Namen: leg(io) Vim(ina-
censis), wie Mommsen auf Grund einer ungenauen Copie eines
in Kronstadt befindlichen Ziegels vermuthete (zu n. 1701) nicht ge
führt; vielmehr ist statt LEGVIM auf dem Ziegel: LEGVIlC
= leg(io) VII Cfl(audia)] ebenso wie auf dem ebendaselbst
befindlichen Ziegel n. 1700” nichts anderes als LEGV - IIC Tj ,
wo das G allerdings eine dem 0 ähnliche Form hat und hinter
V zufällig ein Punkt gesetzt ist. Ueber den Fundort dieser
Kronstädter Ziegel giebt der Catalog des dortigen Museum’s
zu n. 114 folgende Auskunft: ,3 römische Ziegel, in Mehadia
gefunden, als man gegen die Ankunft Kaiser Franz I., im
.1. 1813, eine Kalkgrube reinigte. NB. der grössere ist in drei
Theile gebrochen; seit 1818 im Museum/ Dieser grössere Zie
gel ist = C. J. L. 3, 1633 n. 24: CCH 11 I DEl, der noch
jetzt in drei aneinander passende Stücke zerbrochen sich dort
befindet. — Ob man berechtigt ist, daraus zu schliessen, dass
ein Detachement der Legio VII Claudia in Mehadia, also in
einer Unter einem andern Statthalter stehenden Provinz, gelegen
habe, wie es Mommsen (C. J. L. 3 add. zu n. 1631) von der
leg. IIII f. f. vermuthet hat, ist mir sehr fraglich, vielmehr
wahrscheinlicher, dass diese Ziegel nach dem nahen Badeort
von Moesien herübergebracht worden seien. Die cohors III Del-
matarum war allerdings bei Mehadia im dritten Jahrhundert
stationirt, vgl. die in der Nähe gefundene Dodieation an Gal-
lienus: C. J. L. 3, 1577.
Cohortes:
Ziegel gef. in Pinum bei Re§ka, jetzt in Bukarest bei
Papazoglu:
Q Olli b C () IV
wahrscheinlich ist zu lesen coh(ors) I fl(avia: F L ligirt?)
Com( magenorum), nicht etwa coh. II Com., die in Veczel lag,
während die I Flavia unterTrajan in Moesia inferior (Diplom. 22),
unter Antoninus Pius a. 157 in Dacien (Diplom. 40) sich befand.
414
Hirschfeld.
Nach der mündlichen Mittheilung' des Herrn Bolliac, haben
sich in Korabia bei Celei Ziegel einer Cohors Britannien ge
funden ; die I lag im Norden von Daeien, vgl. C. J. L. 3
n. 821. 829. Auf dem Ziegel n. 1633, 2 habe ich bei genauer
Inspection die Lesung von Torma: COH II BR 00 bestätigt
gefunden, da die Buchstaben und die Zahl mit Ausnahme des
letzten Zeichens ganz sicher sind und sich auf demselben Ziegel
an der linken Seite unten derselbe Stempel in derselben Grösse
und Form befindet, in dem nur die Buchstaben CO und R ver
wischt, dagegen ..HUB’ 00 deutlich zu erkennen sind. Dem
nach muss, wenn nicht ein Versehen anzunehmen ist, die Coh. II
Britannica ausnahmsweise miliaria und ebenfalls im Norden
von Daeien stationirt gewesen sein.
Lampen und sonstiges Geräth.
Lampe im Bruckenthal’schen Museum, aus der Ackner’schen
Sammlung:
A p V I L A
Lampe, im Klausenburger Museum, nach Benndorf’s Copie:
T O C £ | S
Zahlreiche Lampen, im Klausenburger Museum, gef. in
Maros Porto und Veczel, nach Benndorf’s Copie:
C P S F
Die beiden ersten Buchstaben können vielleicht G und F ge
wesen sein; der Stempel ist undeutlich.
Arretinisches Gefäss, 1 im Klausenburger Museum; auf dem
inneren Boden nach Benndorfs Copie:
M X I M I
Wahrscheinlich ist dasselbe nebst einigen fragmentirten Inschriften auf
Marmor, im Klausenburger Museum, von dem Major Ludwig Goro von
Agyagfalva aus Italien gebracht worden.
Epigraphische Nachlese zum Corpus Inscriptiouum Latinarum vol. III. 415
Henkelgriff, in Bukarest bei Papazoglu:
C (0 Z 0) N
Sehr verbogenes kleines Goldblättchen, im Belgrader Mu
seum; die Buchstaben der zweiten Zeile sind nicht ganz sicher:
A M i C I : B ’
B-1= N A i "
Kleines Broncegewicht, 33 Gramme schwer, im Belgrader
Museum, die Buchstaben oben in Silber eingelegt:
A • A
Berichtigungen zu den im Corpus Inscr. Lat. vol. III
publicirten Inschriften aus Dacien und Mösien.
n. 1039, wiederaufgefunden von 'Benndorf in Karlsburg
(Gasse Tdgla Utcza neben n. 81), vierseitige Ara von Kalkstein j
nach Benndorf’s Copie:
n. 1041, jetzt Karlsburg im Garten Csörös:
v. 4: L E G XIII- G- QO T
n. 1043:
I O
3 R O • SALVE
M
I N
etc.
416
Hirschfeld.
' n. 1074—6, Karlsburg, in einem Keller der Festung gegen
über dem unteren Karlsthor; n. 1075 befindet sich auf der
linken Seite ein urceus, darunter eine patera ansata; rechts ein
zweihenkeliges Gefäss mit Weinranken, Trauben und Blättern.
n. 1112, oben (kleiner Giebel) die Sonne (Strahlen), auf
den Seiten: praefericulum und patera:
v. 4—5: I L S T I O N
V S •
n. 1146, wi'edergef. 1867 in Karlsburg, jetzt im Brucken-
thal’schen Museum:
M • Q. • D O N A
T V S ■ S I kVANO
A VG • S A C R-
V- S- K- M-
n. 1263, oben links in Relief die Büste eines Mannes,
rechts einer Frau:
v. 4-5: BEVCVS SER CO
N I V G I B M
n. 1347, jetzt in Deva im Hofe des Baron Nopcsa:
v. 3: L VC I • 7
v. 5: V I § E
n. 1351:
v. 7—8 (die Schrift ist sehr zerstört).
PRoMJEXSTMIC
EXVI /// / // I /
wahrscheinlich: promot(us) ex st(atione) Mic . . . vgl. n. 1405:
gen(io) pag(i) Mic ....
n. 1374, jetzt in Deva bei Nopcsa:
v. 8: P R A E F ■ C O H ist sicher.
Epigrapliisclie Naclilesn 7.11m Corpus Insoriptionnm Latinanim vol. [TI.
417
n. 14t 8, auf beiden Seiten ein stehender Mann mit phry-
gischer Mütze:
v. 4: XV. v. 6 richtig: L X X V
n. 1585 (Bukarest im Museum):
v. 1: INTRFECTAA|LATRO
v. 3: UC VDIVS = Ulcudius.
v. 5: F I k
v. 6—7: ftlM'VKCVDVS
BÖ AR I- VXI • N ■ k
Ö = d
n. 1590:
I O M
D E F El S Öl
ETVTATÖ
C-I Vh-SEIfl
N I AN/S Cv/f
etc.
n. 1590 n :
v. 1: PLACIDAE
v. 5: P R k C
n. 1699: 1
,Dic via Traiana, auf deren Bau sich diese Inschrift
bezieht, war eine Gallcrie, welche in der ganzen Ausdehnung
der Stromenge an dem senkrecht abfallenden, rechten Ufer der
Donau hinlief. Sie wurde durch horizontale Holzbalken getragen,
welche parallel in die Felswände eingefugt waren und. zum
grösseren Theil aus denselben vorragten, vielleicht regel
mässig durch Kopfbänder oder Streben unterfahren. Von dieser
Construction haben sich deutliche Spuren erhalten. Auf eine
beträchtliche Entfernung stromaufwärts von der Inschrift, welche
sich auf die Herstellung der Strasse bezieht, lassen sich eine
Menge Balkenlöcher verfolgen, welche sämmtlich 0 m ,50 über der
1 Die Bemerkungen zu der Inschrift, rühren, ebenso wie das Facsimile von
Benndorf her.
Sitzungaber. d. phil.-hist. CI. LXXVII. Bd. II. Hft.
27
418
Hirsch feid.
am Ufer unverkennbaren Linie des höchsten Wasserstandes, in
ziemlich regelmässigem Abstande von einander, und in gleicher
Grösse von 0"',30 im Quadrat horizontal in den lebendigen
Felsen eingearbeitet sind. — Einige hundert Fuss stromaufwärts
von der Inschrift findet sich 2”,00 unterhalb des Balkensystems
in einer flachen natürlichen Felsennische eine Aedicula in Be
lief ausgearbeitet, deren untere Theile jetzt zerstört sind. Sie
ist 0 m ,82 breit,'. 0 m ,'60 hoch und besteht aus zwei uncanellirten
Säulen (mit undeutlichem Capital), welche ein Giebeldreieck
mit Akroterien tragen; zwischen den Säulen ist ein viereckiges
Feld vertieft, in welches wahrscheinlich eine figürliche Dar
stellung eingelassen war.
Die Inschrift scheint am Ende des Baues angebracht ge
wesen zu sein, und ist mit ornamentalen und figürlichen Verzie
rungen umgeben, welche sämmtlich in Relief ausgeführt sind. Sie
steht an der senkrechten Stirnfläche einer in den Fels gehauenen
Nische, deren rechtwinklig vorspringende Decke mit einer Reihe
von sieben Lacunarien geschmückt ist. In diesen letzteren
sind Rosetten angebracht, mit Ausnahme des mittelsten Feldes,
das ein Adler mit ausgebreiteten Flügeln ausfüllt. Ungefähr
2”,00 tief unter dem untersten Rande der Inschrift springt eine
wagrecht abgemeisselte, 7“,75 lange Terrasse l’",70 weit vor.
In ihrem Boden sind, rechtwinklig zur Rückwand der Nische,
vier gleichweit von einander abstehende viereckige Ballcenlager
ausgehöhlt, welche in ebensoviel Balkenlöcher einmünden. Auf
ihr in der Mitte kniet eine männliche unbekleidete Figur, ohne
Zweifel der Ister (vgl. Fröhner, colonne Trajane p. 68), welche
mit erhobenen Händen den Rahmen der Inschrift hält; sie ist
bis zur Unkenntlichkeit verstümmelt. Der Rahmen der Inschrift
ist zu beiden Seiten in Dreiecke (targhette) ausgespitzt, deren
äussere Enden von zwei gleichfalls zerstörten symmetrisch
schwebenden Flügelfiguren, vermuthlich unbekleideten Eroten
erfasst werden. In den Zwickeln über diesen Dreiecken, rechts
und links, symmetrisch nach der Mitte zugekehrt, je ein Delphin.
Das Feld der Inschrift, dessen Höhe sich in Ermanglung
einer Leiter nicht feststellen liess, ist oblong und hat inner
halb der inneren Ränder des Rahmens eine Breite von 3 m ,25.
Da der poröse Kalkstein nicht genügend geglättet werden konnte,
war es mit einer dünnen weissen Stuckschicht überzogen, welche
Epigrapliisclie Nachlese zum Corpus Inscriptionum Latinarum vol. TU. 419
in den oberen, durch die Lacu-
nariendecke geschützten Theilen
grösstentbeils erhalten ist. Durch
diese Stuckschicht hindurch sind
die Buchstaben, welche rotli be
malt waren, mit prismatisch ver
tieften Furchen in den Felsen
eingeschnitten. In dem unteren
Theile der Inschrift ist jede Spur
der Stuckschicht geschwunden,
und die geglättete Felsfläche be
deutend verwittert. In Folge
dessen sind hier nur verein
zelte Buchstabenreste wahrzu-
nehmen. Sie lassen sich aber an
ihren schmalen geglätteten Fur
chen, welche von der rauhen Stein
fläche sich bestimmt unterscheiden,
und häufig noch Ucberbleibsel von
roth'er Farbe zeigen, bei geschärfter
Aufmerksamkeit sicher erkennen.
Da es misslang, sie im Abklatsch
zu reproduciren, so wurden ihre
Entfernungen genau ausgemes
sen, um einen Massstab fiir die
Ergänzung zu gewinnen. Das
Facsimile der drei letzten Zei
len darf mithin in Hinsicht auf
Grösse und Abstand der Buch
staben oder Buchstaben roste Zu
verlässigkeit beanspruchen.
Die vielbesprochenen und ver
schiedenartig emendirtcn Schluss
worte der Inschrift sind auch jetzt,
nicht durchgängig mit Sicherheit
herzustellen. Das von Mommscn
vermuthete montibus excisis
ist vollkommen bestätigt. Ob vi
restauravit, wofür die Grösse
des Spatiums am Ende der
27*
Verhültniss von 1 zu 20.
420
II i r s cli f ©1(1.
ersten Zeile sprechen könnte, gestanden habe, ist nicht mehr
zu entscheiden. Die vorhergehenden Buchstabenreste zeigen die
Unmöglichkeit der bisherigen Vermuthungen: anfractibus
superatis, amnibus superatis etc., und fügen sich, so viel
ich sehe, nur den Worten: anconibus sublatis, (vom C sind
nur die beiden am tiefsten eingehauenen Spitzen der Bucli-
stabenfurelie sichtbar) d. h. auf oder mit erhobenen Krag
balken — eine technische Specialität, die man freilich eher im
Vitruv, als in einer officiellen Inschrift verrauthen würde, die
aber einen passenden Sinn giebt. Die ungewöhnliche Con-
struction des Weges, der halb in den Fels gehauen war
(montibus excisis), halb auf einem über dem Wasser schwe
bendem Holzgerüst hinlief, wäre damit deutlich bezeichnet, und
dass die fraglichen AVorte eine Bezeichnung dieser Singularität
enthielten, scheint an sich natürlich.“
Addenda:
v. 7: DD.WA E T R V FD
Die letzte Zeile ist etwas kleiner und enger geschrieben, die
Buchstaben M—T sind schon im Alterthum ausgemeisselt. Der
Raum genügt für Marner oder vielleicht für Mamert (vgl. n. 752).
Die Zerstörung des Namens desPetroniusMamertinus ist ohne
Zweifel nach seiner Ermordung durch seinen Schwager, den
Kaiser Commodus (vita c. 7) erfolgt, während er auf anderen
Monumenten (vgl. C. J. E. 3, 752. 5567) erhalten ist.
n. 6224 in latere:
v. 3-6: Il-ET- C RiSPINO
COSI (
/ /R'ANNIVM’IT AUC V A
' / IEG-AVG-PR- PR >
v. 4—6 sind die Buchstaben etwas kleiner; v. 4 hat keines
wegs, wie Desjardins angiebt, COS II gestanden, sondern es
sind das Sprünge im Stein, von denen der erste die Form
eines S hat, daher ist entweder COSS oder COS zu lesen.
Epigraphisclie Nachlese zum Corpus Inscriptionum Latiuarum vol. III.
421
v. 5. ist vollständig sicher, und daher der Name Annius Felix
aus der Reihe der Moesischen Statthalter zu streichen; L. Annius
Italicus Honoratus ist als legatus Aug. pr. pr. prov. Moesiae
inferioris unter Alexander Severus auch sonst bekannt: C. J. L.
3, 6154 (vgl. n. 1071—2); nach unserer Inschrift war er a. 224
Statthalter. Man könnte geneigt sein, eine in Bäcs befindliche
von Henszlmann (die Grabungen des Erzbischofs von Kaloesa
Hayn nid S. 222, vgl. S. 208) in Facsimile mitgetheilte 1 Inschrift
auf ihn zu beziehen:
d. h. L. Annio
i] II viro ca[pitali
trib. l]eg. II Aug. q(uaestori)
t|rib. pl. [pr(aetori)]
cujratori via[e
leg. leg. XJIII g(eminae) [präejf. [aerari milit. ?
log. a|ug. [p]r. p[r
Vergleicht man jedoch damit die Aemtercarriere des L. Annius
Italicus Honoratus (C. J. L. 3, 6154), so wird man trotz der
grossen Aehnlichkeit sicli zu einer Identification kaum ent-
schliessen können.
n. 6225, v. 2: P A T E R N O ganz sicher,
n. 6227, auf der rechten Seite v. 1—2 vollständig:
v. 2 am Schluss: T V S ligirt.
v. 3 am Schluss: POS ligirt.
v. 4: EL PA T E R ganz sicher, daher ist die
Ergänzung eines'Consulates nicht zulässig.
1 Nach Hv’s Angabe steht sie schon bei Gruter, ich habe sie nicht dort
aüffinden können.
422
H i r s c li f e 1 d.
n. 6232:
v. 1 am Schluss: sicheres E, uicht B.
v. 5: H • S E
n. 6233:
v. 1 statt B E S zu lesen: BF • S E; F ist ganz sicher,
fraglich der Punct nach F; demnach wird statt Bes(sus) zu er
gänzen sein: b(ene) f(iciarius) se(mestris), vgl. Renier J. A. 127:
BB'-SEXM = beneficiarii (tribuni) sexm(estris) und C. J. L. 3,
101: b(eneficiarii) tribuni semen(stris) leg(ionis) III Cyr(enaicae).
v. 3:ET'FLiVI^'VNIi:-F-ET'4.
Da N oben offen, so ist fraglich ob Uniae oder Viviae zu lesen;
am Schluss könnte man wenigstens nach dem jetzigen Zustand
des Steines auch an I\L = Jul(iae) denken,
n. 6247:
v. 4-6: C1R1FIN *
I M Y R O E 1
V S D E M
p. 1018, add. zu n. 1581:
v. 3: D I V I
v. 9: P P
v. 10: PVBLICAMVN
v. 11: D R O B E T
n. 6281, jetzt Bukarest im Museum; gewaltiges, 4 Meter
hohes Monument von Sandstein in 2 Stücke gebrochen; oben
eine 'aedicula, darüber zwei Löwen, zwischen ihnen ein abge
brochener Pinienzapfen, auf beiden Seiten des Steines Gfuirhinden.
Die Buchstaben sind gross (besonders die erste Zeile) und schön :
D M
A E L • ALES'
Q. Y 1 E h E S
B ENVSVIX
an e xxx ^
Sf| A CONIV
E F ü If V N A
TV S L I1R T
VS- P A E ON
• B • M • F • C p
Epigrapliisclie Nachlese zum Corpus luscriptionum Latinarum vol. III.
423
v. 6 ist wahrscheinlich der Name der Gattin: Sira oder
Syra; v. 7: Ligatur von RT; v. 8 wahrscheinlich BE l^girt.
Die Inschrift ist, obgleich der Stein unten lädirt ist, sicher
vollständig.
n. 6297:
v. 3: DO'7 LEG • VI 1
n. 6305:
D M
N R F Al
S T I N 1 A N V S
S I G F //L E G Inl
F L V I X /VN-^ll
M I L AI N- X III'MH
N Q // i> V I /\ INIMI
A E L ■ IV XI M COIVG
E T-F IL'B'MF S S
v, 7—8 konnten wegen einbrechender Dunkelheit nicht ganz
entziffert werden; in v. 7 ist 0 unsicher, dann scheint l'JÜD
oder B zu folgen, v. 8 wahrscheinlich AV und MA lig-irt =
Auxima.
n. 6306, jetzt Belgrad im Museum, die Buchstaben in der
Milte sehr zerstört:
v. 1: deutlich S A X 1 S D E C I D O
v. 3 : N ATVSIA///
v. 4: nach coniux scheint SE'^Jj — servavit?
v. 6: //§ T E
v. 7 : VE sicher, darnach fehlen nicht mehr als 5 bis
6 Buchstaben.
v. 9: C O G/////R E
n. 6332 n. b ist nicht eine Schäale, sondern eine Gasseroie
mit Griff; im Ganzen sind 5 solche gefunden worden, auf dem
Griff der einen: Pli.
n. 6334:
KVC1KL F k VA LE NT OS' PR Co R- b 1
= pr(aefecti) cor(tis) Hi(spanorum).
424
Hirschfeld.
f Nachträge zu tleu Ziegelinschriften.
1629, 3: gef. in Maros-Porto, jetzt im Bruckenthal’schen
Museum :
KEG - XIII- GE M
E k I V S 2 Af k I V S
wahrscheinlich = Balius.
1629, 4: gef. in Maros-Porto, jetzt im Blasendorfer Gym
nasium :
// G X I I I GE
A E L B //
1629, 10 (vgl. Addenda), in sehr zahlreichen in Maros-
Porto gef. Exemplaren: in Karlsburg, Bruckenth. Museum,
Blasendorf, Kronstadt und auf einem in Veczel gef. Exemplar,
in Deva bei Spanyik:AV CALLISTRT; nur bei wenigen
ist es zweifelhaft, ob am Schluss I oder T gestanden hat.
1629, 11: gef. in Maros-Porto, jetzt im Bruckenthal’schiä
Museum:
c v. 1 lies C O 14 O = Cono (== a). v. 2: LEG
e (nicht zu demselben Stempel, als a—c gehörig):
LEG X I I I G M
A V R M O 1VW1
1629, 12: 2 Ziegel, gef. in Maros-Porto, jetzt im Blasen
dorfer Gymnasium:
A V R D I O N I S I
LEG X I I I G E M
vielleicht identisch mit n. 1338: Aure(lius) Dionisius cur(ator).
1629, 13: identisches Exemplar in Maros-Porto bei Demjan.
1629,14: gef. in Maros-Porto, jetzt in Blasendorf bei Cipariu:
LEG X I 1 1 GM
A V R C AH
Epigraphisclie Nachlese zum Corpus Iuscriptionum Latinarum vol. 111. 425
Mehrere Exemplare in Maros-Porto bei dem wallachischen
Pfarrer:
L E G X I I I G E M
AVRELIl G AI V q
1629, 15: sehr zahlreiche Exemplare aus Maros-Porto in
Enyed, Blasendorf, Hermannstadt.
1629, 17“ (vgl. Goos, Siebenb. Archiv IX, 43), zahlreiche
Exemplare, gef. in Maros-Porto, jetzt in Maros-Porto bei Hirsch,
Blasendorf im Gymnasium und im Bruckenthal’schen Museum.
1629, 22, gef.jMaros-Porto, jetzt im Bruckenthal’schen Mus.:
L E / X I I I GE /
L V C A Q V I LA
Gef. Maros-Porto, jetzt Blasendorf im Gymnasium:
LEGX III G E M
L VCRET- AQVILA
2629,23“add., gef. inVarhely, jetzt imBruckentharschen Mus.:
LEG XIII G IM
STA S E N T I AN
1629, 24, mehrere Exemplare aus Maros-Porto, im Brucken
thar sehen Museum:
LEG XIII GEM,
VLPFRONTO
Die von Goos (a. 0. 9, 43 vgl. Add.) publicirte in Schässburg
ist nicht damit zu identificiren.
1630' stammt aus Torda.
1631 in Mehadia a. 0.:
= legio III1 f(lavia) f(elix) vgl. n. 3753 u. 6326; auf einem
Exemplar des Belgrader Museums:
J 1 IIII 9 3 J
426
Hirsclifeld.
1633, 5: die Lesung von Torma: Nu(midarum) habe ich
sovvol auf dem Klausenburger, als auf einem in Maros-Porto
gefundenen, jetzt im Blasendorfer Gymnasium befindlichen
Ziegel bestätigt gefunden. Die Verwechslung mit A ist leicht
erklärlich, da V oben etwas verwischt ist.
6239, mehrere Exemplare, gef. in Turn-Severin, jetzt in
Bukarest bei Bolliac:
L E G 1 1 T A L
Man wird meines Erachtens aus diesen Ziegeln ebenso wenig,
als aus den in Mehadia gefundenen der Leg. VII Claudia und
Leg. II1I Flavia Felix (s. oben) schliessen dürfen, dass ein
Detachement der in Moesia inferior - stationirten Legion auf
dem dacischen Donauufer gelegen habe, sondern wahrschein
licher an Verschleppung denken.
Nachträge zu den Lampen
(die im Klausenburger Museum befindlichen sind mir von
Benndorf mitgetheilt).
1634, 4: CAMPILI, gef. in Maros-Porto, jetzt Klausen
burg im Museum.
1634, 5: C A S S I auch in Blasendorf und Klausenburg.
1634, 7: FORTIS 2 in Maros-Porto bei Hirsch, 2 im
Klausenburger Museum (1 gef. Maros-Porto, 1: Torda), 1 gef.
in Turn-Severin, jetzt in Bukarest bei Bolliac.
1634, 8: SEXTUS
F
gef. in Maros-Porto, jetzt im Klausenburger Museum.
1634, 9: STROBILI ebenso wie n. 8.
(vgl. 1634, 10), gef. in Torda, jetzt im Klausenburger Mus.:
I A N \\ k V S
F
6286, 1: A T I M E T I, gefunden in Maros-Porto, jetzt
im Klausenburger Museum.
6286, 2: C ■ D E S S I
1) gef. Maros-Porto, jetzt im Klausenburger Mus.
2) gef. Turn-Severin, jetzt in Bukarest bei Bolliac.
3) gef. Belgrad, ebendaselbst im Museum.
Epigrapliisclie Nachlese zum Corpus Inscriptionum Latinarum vol. III.
427
6286, 6: SEX T I gef. Földvar, jetzt im Klausenb. Mus.
6286, 7: T H A L L I im Klausenburger Museum.
(== 6329 n. 2—3), gef. in einem Grab in Serbien, jetzt
in Belgrad im Museum:
X 3 2
M A I T — Sextiani Fel(icis).
J3di
Bis jetzt nicht in Dacien oder Müsien naclige-
wiesen :
6008, 1: A G I L I S
F
gef. in Turn-Severin, jetzt in Bukarest bei Bolliac.
6008, 22: F E S T I im Klausenburger und Belgrader
Museum.
6008, 60: V E TT I gef. in Belgrad, ebendas, im Museum.
Nachträge zu den Wachstafeln. 1
n. III p. 932 tab. 3' ist die Lesung Cipariu’s: -XC XXXX
richtig; je zwei X sind mit einander verbunden.
n. XXIV p. 958 befindet sich rechts unten ein Siegel;
die Stellung der Buchstaben ist:
iRANHP
p VI N D V TR
n. XXV p. 959 tab. V und 2 r sind bis auf wenige Stellen
gut erhalten, dagegen ist tab. 2', besonders die linke Seite, mit
Ausnahme der griechischen Buchstaben, sehr zerstört,
tab. 1':
v. 1: XIII g £, wie Mommsen richtig vermuthot hat.
v. 2: Theudotem.
1 Ich habe nur die bei Canonicus Cipariu in Blasendorf befindlichen, leider
seit ihrer Auffindung’ sehr beschädigten Wachstafeln verglichen, die mil
der Besitzer bereitwilligst zur Verfügung stellte. Die nach den Originalen
von Mommsen und Zangemeister entzifferten und publicirtcn zu collatio-
nireu, erschien als überflüssig und wäre bei beschränkter Zeit auch nicht
ausführbar gewesen.
428
Hirscliföld.
v. 5: fa, nicht fr, ist ganz sicher,
v. 7: q . d . a . partemve.
v. 8: quid evicerit statt evicerit.
eumve at statt eunve at.
v. 13: m / 1 s s; wahrscheinlich fehlt nur i — m[i]l(es)
s(upra) s(criptus), keineswegs 1, da sonst der untere Strich
sichtbar sein müsste.
v. 15 : ea midierem,
tab. 2':
v. 1: XIII g f s. oben.
Linke Seite:
v. 2 : vor g . X 111 . g. scheint nichts gestanden zu
haben.
4 A 6 E A N A P H
\ N T I T 4 T T I
C6F3 \ V K 1IU P
c G r jm b<ri
Ausserdem besitzt Herr Cipariu eine schon von ihm so
fort als falsch erkannte Wachstafel, die in sehr plumper Weise
verfertigt ist. Das Material schien mir Buchenholz zu sein,
es war weisser und härter als in den echten Tafeln. Es ist
dieselbe dünn mit Wachs überzogen und darauf griechische
Buchstaben und Zeichen ohne Sinn eingekratzt. Oben in der
Mitte befindet sich ein Wappen, rechts die Zahl XLVIII. Die
Tafel ist aus Zalatna vor etwa 10 Jahren an Cipariu geschenkt
worden. Ueber eine ähnliche Fälschung vgl. Mommsen C. J. L.3,
p. 958.
Nachtrag zu dein Militürdiplom n. 34 p. 877.
Das Original befindet sich noch jetzt beim Fürsten Gfhika
in Bukarest; eine ausgezeichnete Photographie, nach der die
folgenden Berichtigungen, da ich das Original selbst nicht ver
glichen habe, gemacht sind, verdanke ich Herrn Odobesco;
die Abweichungen in der Stellung der Buchstaben sind nicht
angegeben.
Epigrapliisclie Nachlese zum Corpus Tnscriptionum Latinaruni vol. Ifl
429
Intus: tabella prior.
v. 1 : P A R T II I C I
v. 2: NERVAENEPOS
v. 3: P und O sind, da das 0 nicht geschlossen ist,
so ähnlich, dass wahrscheinlich PONT zu lesen ist, obgleich
allerdings die beiden Buchstaben sich ganz gleich sehen,
v. 3: XVlFi C O S ifl
v. 4: Das Loch befindet sich zwischen IN und ALIS,
v. 4 : l"7 ET ! O H V
v. G: BR AL ET ff MATT E T fc L etc.
Uebrigens ist in der schlechten Schrift C und L so ähnlich,
dass man ebenso gut Brac(araugustanorum) lesen kann; das
C in Chal (cidenorum) ist kaum davon verschieden.
v. 7: ET statt FI, der untere Strich des E ist in
dieser Schrift meist sehr klein,
v. 8 a. E.: E M E R.
v. 9: D I M, dei' Buchstabe ist nicht lädirt, sondern
der vierte Strich geht nicht bis unten.
v. 10: Das Loch unter der Zeile zwischen Q und E.
v. 10: D E D E T
v. 12: D V X D V M
Extrinsecus: tabella prior.
v. 1 : P A R T H I C F
v. 2 a. E. (wenn die Photographie nicht täuscht):
A V statt A V G
Intus tabella posterior:
v. 15: VIBIO VARO ■ THAI TERIO
Zwischen A und T ist, wahrscheinlich weil die Bronze lädirt
war, ein leerer Baum von etwa zwei Buchstaben,
v. 16: C O II I
Das zweite Loch ist unter E IV S (v. 22).
<5{>
SITZUNGSBERICHTE
1)EU
KAISERLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN
PHILOSOPHISCH-HISTOBISCHE CLASSE.
LXXVII. BAND. III. HEFT.
JAHRGANG 1874. — JUNI.
Sitzungsber. d. phil.-hist. CI. LXXVII. Bd. III. Hft.
28
XV. SITZUNG VOM 10. JUNI.
Der Secretär theilt eine Einladung- zu dem in diesem
Sommer in Stockholm stattfindenden internationalen archäolo
gischen Cong-resse mit.
An Druckschriften wurden vorgelegt:
Accademia Pontificia de’ miovi Lineei: Atti. Anno XXVII, Sess. 4 a . Roma,
1874; 40.
Akademie der Wissenschaften, Königl. Preuss., zu Berlin: Monatsbericht.
März 1874. Berlin; 8".
Bibliotlieque de l’Ecole dos Chartes. XXXV. Annee 1S74. l rü et 2 ,uo Li-
vi-aisons. Paris; 8°.
Gesellschaft der Wissenschaften, Oberlausitzische: Neues Lausitzisches
Magazin. L. Band, 2. Heft. Görlitz, 1873; 8°.
— k. k. geographische, in Wien: Mittheilungen. Band XVII (neue Folge VII.),
Nr. 5. Wien, 1874; 8°.
— für Salzburger Landeskunde: Mittheilungen. XJ1I. Vereinsjahr 1873, Salz
burg; 8°.
Instituto di corrispondenza archeologica: Annali. Vol. XLV. Roma, 1873;
8°. — Bullettiuo per l’anno 1873. Roma; 8°.
28*
434
Madrid, Universität: Revista. 2 dn Epoca. Tomo II, Nr. 5—6; Tomo III.
Nr. 1. Madrid, 1873 y 1874; 4°.
Mittheilungen aus J. Perthes’ geographischer Anstalt. Ergänzungsheft
Nr. 37. Gotha, 1874; 4».
Panstenographikon. Zeitschrift fiir Kunde der stenographischen Systeme
aller Nationen. I. Band, 2. Lieferung. Leipzig, 1869; 8°.
Revista de Portugal e Brazil. II C Vol. Nr. 2—3. Lisboa, 1874; 4°.
,Revue politique et litteraire 1 , et ,Revue scientifique de la France et de
l’etranger 1 111° Annee, 2 mB Serie, Nrs. 47—49. Paris, 1874; 4°.
Society, The Asiatic of Bengal: Journal. 1873. Part I, Nrs. 2 — 3; Part II,
Nr. 3. Calcutta; 8°. — Proceedings. 1873. Nrs. 5—9. Calcutta; 8°. —
Bibliotheca lndica. Old Series. Nr. 232; New Series. Nrs. 260, 277,
279, 280—282, 285, 286, 288. Calcutta, 1872 and 1873; 8« and 4».
Verein, histor., für Steiermark: Mittheilungen. XXI. Heft. Graz, 1873;
8°. — Beiträge zur Kunde steiermärkischer Geschiehtsquellen. 10. Jahr
gang. Graz, 1873; 8°.
— histor., von Oberpfalz und Regensburg: Verhandlungen. XXIX. Band.
Stadtamhof, 1874; 8°.
— für Kunst und Alterthum in Ulm und Oberschwaben: Verhandlungen.
N. R. VI. Heft. Ulm ,1874; 4°. — Filmisches Urkundenbuch. Herausgegeben
von Friedr. Pressei. I. Band. Stuttgart, 1873; 4°.
— histor., von Unterfranken und Aschaffenburg: Archiv. XXII. Band, 2. und
3. Heft. Würzburg, 1874; 8°.
XYI. SITZUNG VOM 17. JUNI.
Der Secretär legt vor:
1. die von dem corr. Mitgl. Herrn Prof. Dr. Scherer
in Strassburg' eingesendete 2. Abtheilung seiner ,Deutschen
Studien', die sich mit den Anfängen des Minnesanges be
schäftigt.
435
2. die von dem corr. Mitgl. Herrn Professor Theodor
Gomperz überreichte Fortsetzung seiner Mittheilungen vom
15. April, nämlich den ,Versuch einer Bearbeitung- der ida-
lischen Inschrift'.
3. ein Manuscript des Freiherrn Dunay von Duna-
Vecse unter dem Titel ,Compendium historiae litterarum in
Hungaria'.
Sodann legt das w. M. Herr Dr. Pfizmaier eine für
die Denkschriften bestimmte Abhandlung ,Der Feldzug der
Japaner gegen Corea im Jahre 1597' vor.
An Druckschriften wurden vorgelegt:
Beekh-Widmanstetter, Leopold, Ulrich’s von Liechtenstein, des Minne
sängers, Grabmal auf der Frauenburg-. Graz, 1871; 8°.
Genootschap, Bataviaasch, van Künsten en Wetenschappen: Tijdsclirift
voor Indische taal-, land- en volkenkunde. Deel XXI, Aüev. 1. Batavia,
’s Hage, 1873; 8°, — Notulen. Deel XI. 1873. Nr. 2. Batavia, 8 n . —
Cotlicum Arabicorum in Bibliotheca Soc. art. et scient., quae Bataviae floret,
asservatorum Catalogum inchoatum a Doct. J\. Friedrich absolvit indi~
cibunque instruxit L. W. C. van den Berg. Bataviae et Hagae Comitis,
1873; 8°.
Instituut, Koninkl., voor de taal-, land- en volkenkunde van Nederlandsch-
Indie: Bijdragen. III. Yolgreeks. VIII. Deel. 3“ en 4“ Stuk. ’S Graven-
hage, 1874; 8 U .
Luxardo, Girolamo Carlo, La diplomazia quäle scienza ed arte di stato
presso i Bomani. Padova, 1874; 8°.
Nachrichten über Industrie, Handel und Verkehr aus dem statistischen
Departement iin k. k. Handels-Ministerium. IV. Band, 2. Heft. Wien
1874; 40.
436
Revista de Portugal e Brazil. 2° Volume, Nr. 4. Lisboa, 1874; 4°.
,Revue politique et litteraire“, et ,Revue scientifique de la France et de
l’dtranger. III“ Annee, 2 me Serie, Nr. 50. Paris, 1874; 4°.
Tübingen, Universität: Akademische Gelegenlieitsschriften aus d. J. 1872/3.
4» u. 8°.
Scherer. DeutscheStudien.il.
437
Deutsche Studien.
II.
Die Anfänge des Minnesanges.
Von
Wilhelm Scherer,
correspondirendem Mitgliede der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften.
§• l.
Namenlose Lieder.
Indem ich die älteste deutsche Liebeslyrik im Anschluss
an Lachmanns und Haupts ,Minnesangs Frühling' einer näheren
Betrachtung unterwerfe, beginne ich mit den namenlosen
Liedern. Ueber diese kann ich nicht sprechen, ohne zum
Theil die Erörterungen der folgenden Paragraphen voraus
zusetzen. Ich darf den Leser wohl bitten, hierauf einige
Rücksicht zu nehmen und auch den Aufsatz über den Kiiren-
berger in der Zeitschrift 17, 561—581 zu vergleichen.
Die ältesten namenlosen Liebeslieder, die wir besitzen,
sind, glaube ich, die beiden Strophen MF. 37, 4 und MF. 37, 18.
Sie müssen hinter einander auf einem Blatte gestanden haben,
das in der Quelle von C in das erste Liederbuch Dietmars
von Aist eingelegt wurde; s. § 7.
37, 4. Ez stuont ein frouwe alleine.
Vierzehnzeilige Strophe in Reimpaaren, jede Zeile zu
vier Hebungen, nur die letzte auf 5 verlängert. Lachmann
hat die zweisilbigen Auftacte Z. 11 einen, Z. 13 ich er | kos
mir selbe einen man, Z. 14 den er | weiten mvniu ougen hinweg
geschafft, ich zweifle, ob mit Rocht. — Die Frau, blickt über
die Heide aus nach dem Geliebten. Sie leidet durch den
Neid anderer Frauen, sie ist im Besitze des theuren Mannes
bedroht. Ist das Lied von ihr selbst oder ist es ihr bloss in
438
Scherer.
den Mund gelegt und rührt es von einem männlichen Dichter
her? Der epische Eingang scheint dem letzteren mehr gemäss.
Und vielleicht auch die Art, wie der Falke hier verwendet
wird. Der Falke ist das Bild des streitbaren Mannes. ,lch
habe heute Falken ausfliegen sehen*, sagt ein Bote bei Arnold
von Lübeck 2, 18. Und es ergibt sich gleich, dass zwanzig
adelige Jünglinge damit gemeint sind. Der ritterliche Geliebte
wird daher oft mit dem Falken verglichen, wie bekannt:
vergl. Vollmüller Kürenberg (Stuttgart 1874) S. 17 ff. Er ist
ein gezähmter Falke, so lange er treu bleibt. Aber auch
umgekehrt für die Geliebte wird der Vergleich gebraucht.
vnp unde vederspil die iverdent lihte zam, singt ein Ueber-
müthiger MF. 10, 17. Und der Troubadour Guiraut von Borneilh
hat einen Traum von einem wilden Sperber, der sich auf seine
Faust setzte und abgerichtet schien, erst scheu, dann anschmieg
sam und zutraulich — und der Traum wird ihm auf eine hohe
Freundin gedeutet, die er gewinnen würde (Diez Leben der
Troubadours S. 136). Der Falke im Munde der Frau also ist
der Geliebte. Der Falke im Munde des Mannes ist die Ge
liebte. Hier aber, in dem vorliegenden Gedichte, steht er als
Symbol der Freiheit und die Frau vergleicht sich selbst mit
ihm: der Falke fliegt dahin wo es ihm gefällt, er wählt sich
den Baum, der ihm gut dünkt: so hat sie sich den Geliebten
erkoren. Ich weiss nicht, ob ich meinem Gefühle trauen
darf, aber der Vergleich scheint mir etwas Unweibliches zu
haben. Ich traue ihn eher einem Manne zu, der Frauen
empfindung zu schildern sucht, als einer Frau, die ihren
eigenen Gefühlsgehalt in Verse fasst. Ich finde auch sonst
nichts in dem Gedichte, was ich nicht einem Manne beimessen
könnte. Die geheimnissvollen Offenbarungen zarten Seelen
lebens, welche uns in den kürnbergischen Frauenstrophen
geboten werden, geben uns den Massstab für dieses Gedicht.
Es wäre darnach das älteste seiner Gattung, das älteste von
einem Manne im Sinn und im Namen der Frau gedichtete.
Das Motiv kehrt bei Meinloh MF. 13, 27 wieder.
Sollte nicht ßeinmar durch die Strophe zu seinem Ge
dichte MF. 156, 10 angeregt sein? Der Vergleich mit dem
Falken kehrt wieder. Dort ist der hohe Flug Zeichen der
Freude. Die bei Reinmal- so seltene Einstrophigkeit ist be-
Deutsche Studien. II.
439
deutsam, und vollends die Art des gebrauchten Tones gemahnt
an das Vorbild: 16 Reimzeilen, paarweise gebunden, vier
Hebungen stumpf oder drei Hebungen klingend, allerdings
nach dem System des dreitheiligen Baues regelmässig geordnet,
der Abgesang in folgender Weise gestaltet:
4 Heb. stumpf a.
3 Heb. klingend Waise. 4 Heb. stumpf a.
3 Heb. klingend b.
4 Heb. stumpf Waise. 3 Heb. klingend b.
Die natürliche Entsprechung: stumpfer Reim, klingende
Waise; klingender Reim, stumpfe Waise — ist, wie man
sieht, bewahrt.
37, 18. ,$ö we dir, sumerwunne!
Zwölfzeilige Strophe in Reimpaaren, jede Zeile zu vier
Hebungen. Kein zweisilbiger Auftact überliefert; kein Hiatus. —
Ein ähnliches Motiv wie im vorigen: Mahnung des treulosen
Geliebten, den andere Frauen abziehen. Aber Liebesschmerz
combinirt mit Trauer der Natur, mit herbstlichen Erscheinun
gen : dies in der formelhaften Weise vermuthlich des volks-
thümlichen Tanzliedes nach Liliencron bei Haupt 6, 73 ff.
(Doch kennt auch die französische Poesie jener Zeit den
form eihaften Natur eingang.)
Hier zweifle ich nicht an der weiblichen Autorschaft.
Freilich, wenn man die wol stenden ougen als ,schöne Augen'
versteht (vergl. MF. 56, 22), so wäre es recht unpassend, dass
die Frau ihre körperlichen Vorzüge selber lobte. Aber man
wird wie MF. 186, 1. 2 (est nu lanc daz mir diu ougen min
ze fröweden nie gestuonden wol) an den hellen, ungetrübten
Blick der Freude denken dürfen, den auch der Gegensatz
truobent verlangt.
3, 1. ,Du bist min, ich bin dm.
In diesem sechszeiligen Liede redet eine vornehme Dame,
gleichviel ob es von ihr herrührt, oder ob sie es bloss citirt.
Das letztere nimmt wohl Schmeller an, wenn er (Bayer.
Wb. 3, 500) das Gedichtchen unter die Improvisationen des
Volkes rechnet und mit den Schnadahipfeln vergleicht. Die
Dame schreibt an einen geistlichen Lehrer (MF. 8. 222, 4
u t per te didici) und Liebhaber, grossentheils in Reimprosa.
440
Scherer.
Das Verliältniss ist wie zwischen Abälard und Heloise. Der
Cleriker hat sie gewarnt vor ihren ritterlichen Standesgenossen,
die sie umwerben. Ihre Antwort darauf ist charakteristisch
(222, 42 ff.): porro quia me a militibus quasi a quibusdam
portentis cavere suades, bene facis. ego quidern scio quid caveam
ne incidam in caveam: tarnen salva fide ad te habita illos
omnino non abicio, dum tarnen non succumbam Uli quod eis in-
fligis vicio. ipsi enim sunt per quos, ut ita dicam, reguntur
iura curialitatis. ipsi sunt fons et origo totius honestatis. Auch
das Mädchen im Briefsteller des Matthäus von Yendome
(Wattenbach, Münchener Sitzungsber. 1872, 4, 594 ff.) steht
zwischen einem Geistlichen und einem Ritter. Und in einem
bekannten mittellateinischen Gedichte streiten Phyllis und
Flora über den Vorzug eines clericus oder miles als Liebhaber.
Unsere älteste Liebespoesie hat Müllenhoff Denkm.
zweite Auflage S. 36.4 f. behandelt. Dazu vergl. Preuss. Jahrb. 31,
488—490 und unten §. 2. Tiefere Liebesempfindung dürfen
wir in der älteren Zeit nur den Frauen Zutrauen. Der Ver
fasser von 37, 4, wenn ich mich nicht täusche, dann Meinloh
von Seflingen und der Burggraf von Regensburg versuchen
zuerst, aus dem Sinne der Frau heraus zu dichten.
Den Gedanken der vorliegenden kleinen Strophe weisen
Zingerle, Germ. 2, 383; Feifalik Wernhers Maria S. XX
Anm. 19, und Müllenhoff a. a. 0. im Volksmunde nach. Aus
der Wiener Hs. 5003 des XV. Jh. (Tabulae codd. 4, 2) theilt
mir J. M. Wagner den Reim mit: Ich pin dein und tu pist
mein, dy trew schol immer staet sein. Geistlich gewendet, findet
sich der Anfang in einem von Heinzei (Zs. 17, 18) heraus
gegebenen niederrheinischen Gedichte Z. 217. Goethe schreibt
an Frau von Stein am 6. December 1781 (2, 119): ,Schick
mir, Liebste, meine Schlüssel, die ich gestern habe liegen
lassen. Aber die Schlüssel, mit denen Du mein ganzes Wesen
zuschliessest, dass nichts ausser Dir Eingang findet, bewahre
wohl und für Dich allein/
3, 7. Wcer diu weit alliu min.
Ueber den Ton, der nicht ohne weiteres mit der Morolt-
strophe zu identificiren ist, vergl. Deutsche Studien 1, 284.
Vergl. auch die lateinischen Nachbildungen Carm. Bur. Nr. 108.
Deutsche Studien. II.
441
137. Dem Inhalte nach gehört das Liedchen in eine Reihe
mit den Männerstrophen der Kürnbergischen Sammlung: es ist
keck, ühermiithig, begehrlich. — Lachmanns Deutung der
Königin von England auf Eleonore von Poitou und Aquitanien,
,die reichste Erbin der damaligen Welt' (Ranke) wird von nie
mand bezweifelt. Vergl. Massmann Eraclius S. 436 ff. ,Sie war
die Enkelin Wilhelms IX. von Poitiers, des Troubadours, und
hatte seinen Geist wie seine Leichtfertigkeit geerbt.' (Diez
lieben und Werke der Troubadours S. 27.) Schon als Königin
von Frankreich, sie war es 1137 bis 1152, ist sie berühmt im
Munde der Fahrenden als ein Ideal von Schönheit. Der ver
liebte Clericus der sein Mädchen für das schönste in der Welt
erklärt, weiss sie nicht höher zu rühmen, als indem er sie noch
über die Königin von Frankreich setzt:
Prudens est multumque formosa,
pidchrior lilio vel rosa,
gracili coartatur statura,
praestantior omni creatura,
'placet plus Franciae regina.
Carmina burana S. 145. Ihre Vermälung mit Heinrich
von der Normandie 1152 rechnet Diez (Poesie der Troub. S. 247)
unter die geschichtlichen Momente, welche die Ausbreitung der
südlichen Poesie nach dem Norden Frankreichs begünstigen
mussten. Als Herzogin von Normandie und noch später hat
Bernhard von Ventadorn die Dame besungen. (Diez Leben
S. 28 ff. HBischoff Beruh, von Ventad. S. 27—45.) Als Königin
von England, was sie 1154 geworden, figurirt sie in unserem
Liede, das in demselben Kreise entstand und in derselben
Handschrift aufgezeichnet wurde, wie jenes lateinische. Wie
lange blieb Eleonore die Modeschönheit? Im Jahre 1160 war
sie bereits 36 Jahre alt. Ihr Ruhm mag sich länger erhalten
haben als ihre Blüte. Aber jünger als 1160 wird das Gedicht
doch wohl nicht sein.
3, 12. Taugen minne diu ist guot.
Derselbe Ton wie der vorige, aber genaue Reime und
alle Senkungen gefüllt und ein Thema, das in den didaktischen
Strophen Meinlohs von Sefiingen wiederkehrt. Wenn die formale
442
Scherer.
Vollkommenheit nicht zufällig ist, so fällt es noch später als
dieser. Die alterthümlich einfache Strophe kann noch lange
verwendet sein.
3, 17. jMicli dunhet niht so guotes noch so lobesam.
Darüber sieh §. 2. Das Liedchen gehört zu den Kürn-
bergischen und gehört auch wieder nicht dazu. Es ist ver-
muthlich etwas älter und rührt von einer Frau her. Sommer
und Sehnsucht nach dem entfernten Geliebten. Im MF. fehlen
die Anführungszeichen.
4. 1. ,Diu linde ist an dem ende nü järlanc sieht nnde bldz.
Ich verstehe wohl wie Lachmann zu seiner metrischen
Darstellung gekommen ist, aber ich glaube, sie bietet grosse
unüberwindliche Schwierigkeiten. Es ist ein Frauenlied, dasselbe
Thema wie 37, 18 und ganz alterthümlich einfach behandelt,
wenn auch in genauen Reimen. Es soll aber aus drei Strophen
bestehen, während noch Dietmar von Aist die Einstrophigkeit
festhält ausser in dem epischen Tageliede; und die Strophe
soll nur aus einem Reimpaare bestehen. Ist das möglich?
Aendern die vorgeschobenen Waisen etwas an der Sache?
Kann die Liedstrophe unter das Mass von zwei Reimpaaren
herabsinken? Man könnte Z. 4 nu engilte, Z. 8 mit der Hs.
daz i'me schreiben und das Ganze als eine Strophe auffassen.
Das Metrum wäre dann der zweite Ton Meinlohs mit Ver
längerung der letzten Reimzeile um eine Hebung, denn sorgen
ergän wird man nicht lesen wollen.
4, 13. Sich vröwent aber die guoten die da hohe sint gemuot.
Die Ueberlieferung deutet darauf hin, dass für ein farbiges
S im Anfang der Raum leer gelassen war. Wenn meine Auf
fassung der vorangehenden Strophe richtig ist, so gehört das
vorliegende Fragment nicht zu demselben Tone. Diese An
nahme ist aber auch so misslich, denn man muss ihr zu Liebe
in Z. 16 das überlieferte vil vor menegen streichen. Der Ge
dankengang des ganzen Gedichtes, wenn wir es hätten, würde
etwa dem der Strophe 3, 17 entsprechen: Alles freut sich der
wiederkehrenden Sommerwonne, nur der oder diu Liebende
ist traurig.
Deutsche Studien. II.
443
4, 17. Wol hceher danne melier.
Nach dem sonstigen Verhältnisse der Handschriften ist
diess die besser beglaubigte Ueberlieferung: C stellt genauen
Reim her durch den Positiv riche. Ich kann nun allerdings
nicht beweisen, dass hoch und rieh Synonyma sind. Aber
stehen sie sich weniger nahe als senfte und ejuot? Ulrich von
Gutenburg MF. 70, 1 sagt sanfter denne haz. Vergl. auch
Parz. 12, 26 ebener denne sieht. Häufig werden, unzweifelhaft
synonym, rieh und her verbunden, ein melier fürste her u. dgl.
Andererseits ein got der hohe liere. Für den vorliegenden Fall
darf man vielleicht selbst Stellen wie Veldeke MF. 59, 37
daz ich bin rieh und groz liere, sit ich si muoste al umbevän;
Fenis MF. 83, 6 an vrönden richer noch hoher gemuot herbei
ziehen.
Auch dass diese und die folgende Strophe in einen Wechsel
zusammenzufassen seien, scheint mir nicht sicher. Ich kann
nicht finden dass der Parallelismus darin grösser sei als z. B.
in den beiden ersten Strophen des Burggrafen von Rietenburg.
Auf jeden Fall wagen wir nicht so viel, wenn wir sie nach
Analogie der ältesten einstropliigen Gedichte beurtheilen, als
wenn wir in ihnen das erste Exemplar einer neuen Gattung
erblicken, worin gar der Dichter nicht in eigener, sondern in
fremder Person reden soll. Und ist diese Gattung nicht aus
wirklichen Antwortliedern überhaupt erst entstanden?
Ueber das Metrum hat schon Lachmann (zu den Nib. S. 5)
das Wesentliche bemerkt. Denken wir uns eine Nibeluugen-
strophe, worin die letzte Reimzeile auf fünf Hebungen ver
längert und die vierte Waise verdoppelt (wie es im ersten
Kürnbergs Ton die dritte ist), dann die Waisen durch corre-
spondirende (überschlagende) Reimzeilen ersetzt, in dem Waisen
paar das zweite Glied reimend: so erhalten wir den vorlie
genden Ton.
4, 35. ,Ritest du nu hinnen
ist der erste Ton Meinlohs, nur mit überschlagenden Reimen
statt der beiden ersten Waisen, und die ehemaligen zwei Waisen
vor der letzten Reimzeile reimen unter einander.
444
Scherer
5, 7. ,Wol dir, geselle, guote
braucht nicht zu demselben Gedichte zu gehören, ja ich meine,
die Strophe wird sogar passender als ein besonderes aufgefasst.
Denn als Nachruf an den Scheidenden klingt sie seltsam. Das
erste Lied schliesst ab mit sprach daz minnecliche wip wie
MF. 8, 16 so sprach daz wip. Es ist sogar möglich, dass der
Ton der zweiten Strophe abweicht, dass eine Nibelungenstrophe
mit verdoppelter letzter Waise zu Grunde liegt, Z. 8 deich ie
hi dir gelac, Z. 10 die naht und ouch den tac, Z. 12 und hist
mir dar zuo holt. So hat wohl auch Lachmann die Strophe
gefasst, da er sie a. a. 0. als Variation der Nürnbergs Weise
bezeichnet. Aber er überträgt diese Auffassung auch auf die
vorangehende Strophe, wird also 4, 36. 5, 1.3 mit drei He
bungen gelesen haben. Das ist möglich, wenn man 4, 36 aller;
5, 1 ie streicht und 5, 3 verschleiften zweisilbigen Auftact
annimmt, oder die Vorschläge von Bartsch (Liederdichter S. 287)
adoptirt. Aber es ist unnöthig, wenn man jede Strophe als
ein besonderes Gedicht behandelt.
5, 16. Ich grüeze mit gesange die süe?:en.
Ich habe seit dem Wintersemester 1864/5 diese Strophen
wiederholt in Vorlesungen interpretirt und sonst besprochen
und bedacht, ohne dass mir Zweifel an Haupts Argumentation
aufgestiegen wären. Auch der letzte Widerlegungsversuch (von
Karl Meyer Germ. 15, 424) hat mich nicht wankend gemacht,
wohl aber das Büchlein von Diez über die portugiesische Hof
poesie (Bonn 1863) das ich erst im Sommer 1873 aufmerksam las.
Vom Könige Dionys von Portugal führt Diez S. 86 f.
ein Gedicht von drei Strophen an, jede mit dem Refrain:
Erades hoa pera reg ,Ihr wärt für einen König gut/ So sagt
der Liebende zur Geliebten, und er ist selbst ein König. Ja er
behauptet (Diez S. 24): nur in ihrer Nähe zu sein, mache ihn
so glücklich, dass er mit keinem Könige oder Infanten tausche.
Und der Sohn dieses Königs, Dom Pedro, sagt (Diez S. 23):
er schätze die Gunst seiner Dame höher als König oder Königs
sohn oder Kaiser zu sein — und er ist Königssohn.
,Jedenfalls — bemerkt Diez — ist es sowohl bei Dionys
wie bei Pedro eine nichts entscheidende Floskel . . . Etwas
Deutsche Studien. II.
445
schalkhaftes liegt aber doch darin, dass Pedro gerade den
Königssohn einmischt/
Die Stellen sind nicht alle von einer Art. Die Aeusserung
Pedros könnte mit MF. 5, 37 verglichen werden, wie es Diez
a. a. 0. thut. Aber wer einer Dame, der er dient (que servo
e servirey), versichert, sie wäre für einen König gut, der will
nicht selbst für einen König gelten. Auch mit einem Könige
tauschen kann nur wer kein König ist.
Und wenn im Munde Dionys’ dergleichen Vorkommen
kann, obgleich er ein König ist; so kann auch Heinrich, ob
gleich er ein König ist, singen: ,In der Nähe der Geliebten
bin ich ein Herrscher; ich höre auf es zu sein, wenn ich mich
trenne von ihr/
Beide gebrauchen eine nicht von ihnen erfundene Phrase,
mit der sie gleichsam aus ihrem Stande heraus und in die
Reihe der gewöhnlichen Sänger eintreten.
Jene portugiesische Poesie ist ein Ableger der provenza-
lischen. Bei den Troubadours aber wird die Wendung, welche
den Besitz der Geliebten mit dem Besitze eines Königthums
vergleicht und jene höher stellt, häufig gebraucht (Diez Poesie
des Troubadours S. 161 f.) Und Diez hat nachgewiesen (ibid.
S. 236) dass sie in die französische, deutsche und italieni
sche Minnepoesie übergegangen ist. Haupt vervollständigt die
deutschen Beispiele, welche insbesondere die Leiche, jene grossen
Sammelstellen für Liebesfloskeln, reichlich liefern. Hinzufügen
kann man Parallelen aus der mittellateinischen Dichtung, z. B.
Mones Anzeiger 7 (1838), 287 ff. Nr. 23, 25:
Dum contemplor uterum,
. dum recordor über um,
dum illi commisceor
semel atque iterum,
transscendisse videor
gazas regum veterum.
Daraus nachgeahmt, schwerlich Vorbild dafür, Nr. 21, 25:
Dum contemplor oculos
instar daum siderum
et labelli ßosculos
dignos ore superum,
446
Scherer.
transscendisse vid'eor
gazas regum veterum,
dum sernel commisceor
et iterum.
Die Vergleichung kann zur Identificirung werden. ,Der
beglückte Liebhaber steht höher als ein König*: davon ist
nicht weit zu dem Gedanken: ,er steht ebenso hoch als ein
König* und weiter: ,er ist ein König'.* So heisst es Nr. 31, 33:
und die Stelle ist der fraglichen beim ,Kaiser Heinrich* ähn
licher als irgend eine andere mir bekannte:
liaec si sola mihi datur
ein me prorsus dedi,
mihi Roma subiugatur,
subiugantur Medi.
Es ist also ein traditioneller Gedanke, der, wie wir sahen,
auf die portugiesischen Könige wirkte und sie zur Nach
ahmung reizte. Einer analogen Einwirkung unterlag Kaiser Hein
rich als Dichter, nach dem Zeugnisse der Sammelhandschrift
mhd. Lyriker, auf welcher B und C beruhen. Entweder haf
teten jene Phrasen in seiner von Macht, Herrschaft und Grösse
erfüllten Phantasie besonders stark und er wandte sie unwillkür
lich an ohne Gefühl für das Unpassende einer solchen Ver
mischung von Wirklichkeit und Metapher. Oder er hat sie
gerade mit Absicht gebraucht, entweder schalkhaft, wie Diez
von Dom Pedro vermuthet, oder affectvoll: ein Herrscher oder
künftiger Herrscher fühlt sich als Machthaber nur bei der Ge
liebten, nur durch die Geliebte!
Charakteristisch für Heinrich ist es gewiss, dass auch
im Liebeslied seine Gedanken unaufhörlich um die Krone
schweifen. Kein anderer Dichter hat auf so geringem Raume
so viel von Königthum und Herrschermacht geredet. Und ich
zweifle doch, ob ein anderer Dichter hätte sagen können: $ ich
mich ir verzige, ich verzige mich e der kröne. An allen Parallel
stellen, so viele ihrer angeführt werden, ist es vollkommen
deutlich, dass der Mann, der die Geliebte höher als ein König
reich schätzt, kein Königreich besitzt. Hier nicht. Würde es
im Munde eines gewöhnlichen Menschen nicht vielmehr heissen:
Deutsche Studien. II.
447
ich verzige mich e einer krönet Er hätte mit dem unbestimmten
Artikel zugleich seinen letzten Dactylus gefüllt. 1
Die vierte Strophe ist merkwürdig unlogisch. ,Ihr dürft
mir’s glauben, — sagt der Dichter — ich könnte manchen
lieben Tag verleben, wenn auch niemals eine Krone käme auf
mein Haupt: was ich mir ohne sie nicht zutraue/ Also: wenn
ich die Geliebte habe, so brauche ich keine Krone; wenn ich
die Geliebte nicht habe, dann empfängt die Krone Werth.
Diesen Gedanken erwartet man. Aber die Vorstellung eines
möglichen Verlustes weckt die Gedankenreihe der zweiten
Strophe wieder auf: mit ihr ein König, ohne sie traurig und
arm und — um den äussersten Gegensatz eines thronenden
Herrschers anzuführen — geächtet und excommunicirt.
Wir haben also ein vierstrophiges — oder, wenn man
ganz streng sein will, ein dreistrophiges, mit einer weiteren
Strophe als Einleitung versehenes — sehr charakteristisches
Gedicht von dem Staufer Heinrich, dem Sohne Friedrichs des
Ersten. Form und Inhalt sind wie wir sie erwarten müssen:
an dem Hofe Barbarossas hat Friedrich von Hausen gedichtet.
Dem conventionellen romanischen Inhalte entspricht die roma
nische Form, die daktylischen Zeilen, die aus dem zehnsilbigen
Verse der Troubadours hervorgegangen sind. Sie haben vier
Hebungen, nur die letzte Zeile der Strophe ist um eine Hebung
verlängert. Der Bau dreitheilig ababccc, die Reime bereits
genau. Hierin zeigt sich Einfluss Heinrichs von Veldeke,
dessen Wirkung auf süddeutsche Poesie Müllenhoff (Zs. 14,
142) mit Recht von seiner Anwesenheit bei Heinrichs Schwert
leite zu Mainz 1184 datirt.
Mehr als dieses Gedicht aber besitzen wir nicht von
Heinrich.
Denn ganz anderen Charakter tragen die übrigen Strophen,
welche die Ueberlieferung ihm zuschreibt. Das Liederbuch
unter der Ueberschrift Keiser Heinrich, das die grosse illustrirte
1 Müllenhoff, dem ich die Hauptpunkte der obigen Argumentation mit
theilte, schreibt: ,Was mich namentlich bestimmt, mich Ihnen anzu-
schliessen, ist nicht so sein* der bestimmte Artikel der kröne (s. Haupt
S. 227 darüber), als die dritte Zeile der letzten Strophe, die mir immer
eine crux und eigentlich gänzlich unverständlich gewesen ist bei der
Haupt’schen Ansicht. Bei Ihrer Ansicht ist sie ganz klar und einfach/
Sitzungsber. d. phil.-hist. CI. LXXVII. Bd. III. Hft. 29
448
Scherer.
Minnesingerhs. des XIII. Jalirh., die Quelle von BC, eröffnete,
muss etwa so beschaffen gewesen sein wie XXII Heinrich von
Veltkilchen in der Hs. A : zwei sicher echte Strophen Yeldekes
eröffnen das letztere, dann folgen zwei unsichere und sechs
sicher unechte, wovon fünf dem Dietmar von Aist gehören.
So folgen auf die vier echten Strophen Heinrichs gleichfalls
vier unechte, diese aber einem Verfasser oder wenigstens einer
Schule gehörig.
Und auch sie führen uns in die Nähe Dietmars von Aist.
Wenn sie die Genauigkeit der Reime (bis auf richer : güetliche
4, 17. 19, wenn ich das recht beurtheile) vor ihm voraus
haben, so stehen sie ihm durch die fehlenden Senkungen nach.
Die Stimmung des Mannes ist weicher als beim Burggrafen
von Regensburg, aber von dienest ist noch nicht die Rede,
und die Frau rühmt den Mann. Die dritte Strophe erinnert
an den Abschied in Dietmars Tagelied. Die Frau sucht in
der vierten Strophe ihre Abhängigkeit von dem Manne durch
ein Gleichniss auszudrücken, wie umgekehrt Dietmar 38, 35.
Die unverholene Aeusserung der Sinnlichkeit 4, 20. 5, 8 wie
beim Regensburger und bei Dietmar, während Kaiser Heinrich
nur sagt: swenne ich bi der minnecltchen hin. Die Wendung
gegen die anderen Frauen, die ihr den Geliebten neiden 4, 30,
noch ganz alterthümlich wie in den obigen Frauenstrophen.
Dagegen kommt Naturgefühl gar nicht zum Ausdruck wie in
den Kürnbergsliedern. Einzelheiten, die sich sonst vergleichen
lassen, sind kaum vorhanden; der aller liebeste man 4, 36 (der
aller beste man 38, 7) verendet 4, 28 (vergl. ende bei Dietmar
§. 7) und ähnliche kommen nicht in Betracht.
Die Metra setzen die Entwicklung der Waisenform und
die erste, zweite, vierte Strophe (wenn ich die letztere richtig
auffasse) speciell die Kürnberges wise voraus, nur dass über
schlagende Reime hinzugekommen sind. Der Hiatus ist ver
mieden wie bei Dietmar, wenn meine Vorschläge für die
vierte Strophe Billigung finden. Jede Strophe ist vermuthlich
ein Gedicht.
Die ältesten Liederbücher einzelner Dichter, die wir
haben, sind chronologisch geordnet. Wenn wir das auf Kaiser
Heinrich anwenden, so müsste er gewaltig zurückgeschritten
sein. Aber vielleicht verhält es sich in diesem Falle anders?
Deutsche Studien. II.
449
Vielleicht sind die Producte einer früheren Entwicklungsepoche
hier in den Anhang verwiesen?
Wir werden Dietmar von Aist näher betrachten. Er ist
so sehr eine Uebergangsgestalt, dass man zweifeln kann, ob
alles ihm Zugeschriebene auch wirklich von ihm herrührt.
Aber so starke Gegensätze, wie zwischen den vier ersten und
den vier letzten Strophen Kaiser Heinrichs, finden sich bei
ihm nicht.
Wenn wir von Kaiser Heinrich Gedichte hätten aus der
Zeit vor der romanischen Einwirkung, so wären sie die ein
zigen ihrer Gattung; denn für die rheinische Poesie sind
Hausen und Veldeke unsere Anfänge. Was ihnen vorausliegt
kennen wir nicht, wir können höchstens darauf schliessen aus
ihnen selbst. Man vergleiche einmal die ältesten Gedichte
(MF. 48, 23 ff. 48, 32 ff.) Friedrichs von Hausen, dessen
Schule (nach Miillenhoff Zs. 14, 142) jedenfalls noch in die
siebziger Jahre fällt, mit den hier vorliegenden. Wenn Fried
rich von Hausen in seinen Anfängen so dichtete, ist es mög
lich, dass dann der junge Heinrich sich zuerst in der Art des
Dietmar von Aist vernehmen liess? Alles, was wir von der
Entwicklung unserer Lyrik wissen , widerspricht auf das ent
schiedenste. 1
Wir besitzen mithin nur ein Lied von dem Kaiser Hein
rich, und die naheliegende Vermuthung, dass uns andere ver
loren seien, ist mindestens überflüssig. Hätte es solche gege
ben , so würde ' man sie sorgfältig bewahrt haben. Und wäre
Heinrich ein professionsmässiger Dichter gewesen, so würden
dm die späteren Kunstgenossen in ihren litterarischen Stellen
als solchen rühmen.
Die genauen Reime erlauben die Datirung: nicht vor
1184. Aber eben mit diesem Jahre beginnt Heinrichs eigene
politische Thätigkeit, innerhalb deren sich schwerlich Raum
fand für eine von Poesie umleuchtete Liebesepisode. Wenn
1 Ich glaube nicht, dass die ganze Frage hiermit abgeschlossen ist. Ich
will in einer künftigen Abhandlung versuchen, die Liedersammlung des
XIII. Jahrhunderts so genau als möglich wieder herzustellen, welche
unseren Hss. B und C zu Grunde liegt. Bei dieser Gelegenheit komme
ich auf Kaiser Heinrich zurück. Einstweilen möchte ich nur das dak
tylische Lied sicher für ihn gerettet haben.
450
Scherer.
wir einen kalten gewaltthätigen Staatsmann als Verfasser eines
Liebesliedes kennen lernen, so spricht die überwiegende Wahr
scheinlichkeit dafür, dass er es als junger Mensch gemacht
habe. Am einfachsten sieht man darin einen Nachklang jenes
Maifestes von Mainz, auf welchem der Neunzehnjährige das
Schwert nahm. Die conventioneilen Formen des Turniers wären
nicht vollständig gewesen, wenn der junge König nicht einer
Dame seine Huldigungen erwies. Und wenn je in seinem
Leben äussere Anregung zu poetischer Production vorhanden
war, so war es damals. Er mag die Strophen im Juli oder
August 1184 auf dem Wege gegen Polen (Toeche S. 33) ge
dichtet und der Dame seines Herzens an den Rhein gesandt
haben.
6, 5 ,Mir hat ein ritter‘ sprach ein wip
Audi dieses Gedicht möchte der österreichischen Schule
zuzuweisen und zunächst an Dietmar von Aist anzulehnen
sein. Der dienest ist bereits eingeführt. Das Metrum kann man
so entstanden denken: sechszeilige, stumpfgereimte Strophe,
Zeilen von vier Hebungen, stumpfe Waise vor Z. 1. 2. 6. Die
Waisen vor Z. 1. 2. dann durch überschlagende Reime ersetzt.
Der Reim noch ungenau: wip : zit.
Dieselbe Ungenauigkeit in dem folgenden Gedichte von
drei Strophen, worüber §. 10. Der Reim wip : zit gehört zu
den letzten ungenauen, die sich überhaupt verlieren. Er war
mit der ältesten Technik des Minneliedes, so weit sich darin
Liebes- und Naturgefühl mischen, viel zu enge verknüpft, als
dass die Dichter leicht lernen sollten, ohne ihn auszukommen.
§. 2.
Der Kürenberger.
Mit ihm beschäftigt sich meine Abhandlung in der Zeit
schrift für deutsches Alterthum Bd. 17, 561—581. Ich ver
suchte nachzuweisen, dass die unter diesem Namen in C über
lieferte Sammlung als anonym angesehen werden müsse. Der
Ton 7, 19 ff., die Nibelungenstrophe, ist nach meiner Ansicht
die 8, 5 erwähnte Kürenberges wise: die Melodie wurde von
Deutsche Studien. II.
451
einem Ritter von Kürenberg erfunden. Dessen echte Gedichte
sind uns wohl sämmtlicli verloren; wir müssen uns dieselben
volkstümlicher als die erhaltenen, mehr in der Art der Strophe
MF. 3, 17—25 denken.
Die pseudo-kürnbergische Sammlung enthielt ursprünglich,
wie ich glaube, noch nicht den Dialog 8, 9—16. Sie bestand
aus 14 Strophen, welche, sieben auf einer Seite, gerade ein
Blatt von dem Formate der Nibelungen-Liederbiicher füllten.
Die neun ersteu rühren von Frauen her, die fünf letzten von
Männern.
Heinzei schreibt mir über meine Argumentation, be
treffend die Autorschaft des Kürenbergers: ,Ich kann hier nur
zu einem non liquet kommen oder zu einer anderen Wahr
scheinlichkeit. Das Gedicht 8, 1 wurde doch von der Dame
oder von dem Dichter in der Person der Dame gedichtet, um
gesungen, d. i. vorgesungen zu werden. Es verklingt ja auch
nicht in der Einsamkeit ihrer Kammer, sondern der Geliebte
hört es und antwortet. Wie geht das zu? Sie kennt ihn ja
nicht, sie weiss ja nicht, wer es war, der unter vielen, die sie
nur hören, nicht sehen konnte, durch schönen Vortrag der
Kürenberg’schen Melodie ihr Herz gewonnen hat. Wenn sie
diesem angeblich Unbekannten ihr Lied doch vorsingt oder
Vorsingen lässt, so liegt die Vermuthung einer Fiction sehr
nahe. Sie thut, als wisse sie nicht, wer der Sänger gewesen,
sie muss also ihr Lied, durch das sie ihm ihre Neigung kund
geben will, so einrichten, dass er aus den Angaben über jenen
Sänger merkt, er sei gemeint. Diese Angabe ist: in Küren
berges ivise, gleich passend, mag der Betreffende selbst der
Kürenberg gewesen sein oder ein Anderer, der ein Küren-
bergisches Lied sang. Hübscher freilich, wenn das erstere
der Fall war. Dass das Lied, das sie gehört, für sie bestimmt
gewesen, ist nach ihrer Ausdrucksweise ganz unwahrscheinlich,
es gehört also nicht zu der Gruppe 8, 1; 9, 29. Warum sie
demnach die Kürenberges wise gewählt haben sollte, ist nicht
abzusehen, und wir stehen mit dem Namen vollkommen im
Dunkeln/
Dass das Lied, welches jener Ritter nächtlich sang, für
die Dame bestimmt gewesen sein müsse, habe ich nicht be
hauptet. Das Lied braucht ebensowenig für die Dame bestimmt
452
Soll er er.
gewesen zu sein, wie das bekannte Lied Reinmars für Walther,
wie Neidharts Lieder für seine Gegner bestimmt waren, welche
darauf antworteten. Ich folgere aus diesen Beispielen nur die
Wahrscheinlichkeit, dass eine Dame, welche an einen Gesang
in Kürenberges ivise anknüpft, dies in derselben Melodie gethan
haben werde. Einen stricten Beweis dafür wüsste ich nicht zu
liefern.
Was die Strophe 8, 1 anlangt, so will ich gerne glau
ben, dass die Dame nur so thut, als ob sie den Ritter nicht
kennte. Und ich muss auch zugeben, dass meine Folgerung
auf S. 572 nicht so vorsichtig war, wie die Betrachtungsweise
Heinzeis. Jedenfalls kann man die Stelle so auffassen, wie er
thut, aber nur unter der Voraussetzung, dass sich jedermann
der Kürenbergischen Melodie bedienen konnte. Und dann
bleibt allerdings zweifelhaft, ob es im vorliegenden Falle ein
Anderer that oder der Kürenberger selbst, von welchem dann
9, 29 herrühren würde. Dass das letztere hübscher wäre, kann
ich nicht finden; aber dies ist ja gleichgiltig.
Aber die Argumentation von S. 571 bleibt bestehen, sie
wird bestätigt durch den specifischen Charakter der Frauen-
und Männerstrophen. Und dass die echten Lieder Kürenbergs
anders ausgesehen haben als die uns überlieferten, dass mithin
jener Ritter wahrscheinlich nicht der Kürenberger war, scheint
mir noch immer aus MF. 3, 17 zu folgen, wie ich es in der
Zeitschrift S. 580 f. darlegte.
§. 3.
Meinloh von Seflingen.
Die grosse illustrirte Sammlung des XIII. Jahrhunderts,
auf welcher die Handschriften B und C beruhen, schrieb
diesem Dichter eilf Strophen zu, jede Strophe ein selbstän
diges Gedicht; ihnen fügte C am Schlüsse drei weitere hinzu.
Jenes alte Liederbuch war nicht nach Tönen, sondern
chronologisch geordnet. Die Gedichte sind in der Reihenfolge
überliefert, in der sie entstanden sein müssen. C hat, um die
Töne auszugleichen, das zweite Gedicht (15, 1) verkürzt und
ebenfalls auf sechs Reimzeilen gebracht.
Deutsche Studien. II.
453
Nur einmal, in der ersten Strophe (I. MF. 11, 1), wird
die Frau selbst angeredet. Drei Strophen sind Selbstgespräche
oder an das Publicum gerichtet (II. 15, 1. VII. 12, 27.
IX. 13, 1). Ein Lied spricht der Bote (III. 11, 14). Drei sind
Gnomen (IV. 12, 1. V. 14, 14. VI. 12, 14); drei der Dame
in den Mund gelegt (VIII. 14, 2G. X. 13, 14. XI. 13, 27).
Mit I (11, 1) beginnt offenbar die Beziehung. Der
Dichter erzählt: er habe die Dame loben hören, er wollte sie
kennen lernen, er hat sie gesucht, bis er sie fand. Ihr An
blick täuscht seine Erwartung nicht. Von ihr geliebt zu wer
den, wäre eine grosse Auszeichnung, sie ist ein sehr vollkom
menes Wesen. Ihr Auge, ihren Blick rühmt er besonders.
II (15, 1) ist abermals ein prisliet, offenbar an das
Publicum gerichtet. Sofort weist der Dichter die Ansicht ab,
als ob sein Lob auf persönlich intimen Beziehungen beruhe.
Er will noch nicht einmal mit ihr gerodet haben (15, 7). Aber
feierlich kündigt er den Entschluss an, um ihrer Vollkommenheit
willen Alles zu tliun, was sie gebietet, d. h. ihr zu dienen.
Diesen dienest, entbietet er ihr durch einen Boten (III.
11, 14). Das ist seine förmliche Erklärung ihr gegenüber. Sie
hat ihm alle anderen Frauen aus dem Sinn genommen: ich
verstehe dies wörtlich, er scheint wirklich andere Liebeshändel
hinter sich zu haben, vergl. 11, 4. 13, 35. Er bittet, dass sie
seinem trüren Abhilfe gewähre.
Die Werbung wird fortgesetzt durch Sprüche, in denen
zunächst der Dichter von den Eigenschaften eines rechten
Liebhabers handelt, um anzudeuten, dass er selbst diese Eigen
schaften besitze, um sich selbst als solchen Liebhaber zu
empfehlen. Die heimlich im Herzen getragene seneliche siccere
erscheint als das Haupterforderniss (IV. 12, 1). Aber schon
erheben sich die Gedanken höher und die Wünsche werden
kühner. Die Verschwiegenheit dessen, der ein Mädchen ge
wonnen hat (nach Lachmanns Conjectur) ist das nächste
Thema (V. 14, 14). Und endlich klingt es wie eine Auf
forderung, rasch zu gemessen, rasch sich zu ergeben, wenn in
VI (12, 14) gesagt wird: man sol ze liebe gäben.' Schon gibt
1 Was 12, 18 unstastiu friuntscliaft soll, verstehe ich nicht. Es wird von
ihr gesagt, sie mache wankelen muot. Also: ,unbeständige 1* reundschaft
454
Scherer.
es etwas zu verhehlen, die Aufpasser treten in den Gesichts
kreis der Liebenden und erörtert wird, wie man sie betrügen
könne. Noch ist der Dichter nicht an das Ziel seiner Wünsche
gelangt, aber man sieht die Fortschritte, die das Verhältniss
macht.
Eine Trennung scheint die Entwicklung zu verzögern.
Die heimliche Trauer in VII (12, 27) ist nicht hlos die Sehn
sucht des ohne Erhörung Schmachtenden, es ist auch die Sehn
sucht des Entfernten, der den Tag des Wiedersehens nicht
erwarten kann.
Aber die Entfernung des Geliebten reift die Empfindung
der Frau: VIII (14, 26) spricht ihre Freude aus, dass er
zurückkehrt, und den Entschluss, sicli ihm hinzugeben.
Diese Absicht scheint sie ausgeführt zu haben. IX (13, 1),
ein Lied voll seltsamer Reim- und Stylkünste (Z. 6. 8 zollen
zften mir : gcvallet si mir; Z. 10. 13 pfliget ir Up : umbe ir
lip nach B; Z. 11—13 stürbe ich : wurde ich : würbe ich;
Z. 4. 5. 7. ie — und ie), zeigt den Dichter nicht mehr un
zufrieden, nicht mehr sehnsüchtig, das trüren ist verschwunden;
die Verse bekunden wachsende Liebe und unverbrüchliche
Anhänglichkeit ohne eine Spur von Klage. Ein bestimmterer
Anhaltspunkt ist freilich nicht vorhanden, aber der verschwie
gene Dichter musste sich hüten, etwas zu verrathen. Die
Worte: ich weiz vil wol umbe waz, worin man eine Hindeutung
auf heimliches Glück sehen könnte, führen, wie sie da stehen,
doch nur das Folgende ein.
Die beiden letzten Strophen, der Dame in den Mund
gelegt, sollen das Verhältniss nach aussen vertreten, X (13, 14)
gegen die Aufpasser, XI (13, 27) gegen andere neidische
Frauen. Die Dame bekennt dort offen, dass sie seine friun-
dinne sei, aber sie leugnet den sinnlichen Charakter des Ver
hältnisses. Hier deutet sie sehr boshaft an, dass wohl manche
andere seinen Willen getlian habe; wenn eine solche ihn nicht
ohne Grund verloren und nun um ihn traure, so sei das nur
macht unbeständig 1 ? Das ist doch unmöglich, und Treue und Unbestän
digkeit haben hier überhaupt nichts zu thun. Ein Wort ungcehe ist aller
dings nicht nachgewiesen, aber Meinloh könnte es gemacht und ungcehiu
friuntschaft gesagt haben. Die Ungebräuchlichkeit würde die Verderbniss
erklären.
Deutsche Studien. II.
455
zu natürlich; sie ihrerseits habe ihnen nichts Böses zugefügt,
als dass sie sich’s verdiente, ihm am besten zu gefallen.
So weit das alte Liederbuch. Hatte 6'aus anderen Quellen
noch etwas Echtes hinzuzufügen? An sich ist dies ganz mög
lich. Aber auch unechte Vermehrungen pflegen am Schlüsse
der Liederbücher aufzutreten.
Dass Str. 13. 14 in C mit dreitheiligem Bau, mit fiinf-
und sechsmal gehobenen Versen, mit durchweg reinen Beimen,
mit der Reimordnung ahahcac, beide Strophen zu einem. Ge
dichte gehörig, die erste überdies auch unter Reinmar in C
überliefert und beide gewiss eher in Reinmars als in Mein
lohs Art, dass diese beiden Strophen also nicht von Meinloli
herrühren können, ist unzweifelhaft und bereits im MF.
bemerkt.
Mithin sind zwei von den drei in C hinzugekommenen
Strophen unecht, die äussere Beglaubigung der dritten C 12
wird dadurch sehr gering, und die inneren Gründe sprechen
mehr gegen als für die Echtheit.
Dass Meinloh die Strophenform gebraucht, beweist nichts.
Die reinen Reime wollen wir nicht gegen die Echtheit an
schlagen, sie finden sich auch III. IV. VII. IX. X. XI: nur
getan : man und man : getan in beiden; letzteren.
Aber chronologisch könnte das Botenlied die Stelle nicht
behaupten, an der es steht; es müsste etwa zwischen VII und
VIII eingefügt werden und würde doch nicht ganz dahin
passen. Der sonst mehrfach gebrauchte Terminus in Z. 12. 13
(e er an dinem arme so reilte güetliche gellt), vergl. MF. 4, 19.
17, 2 (3, 11. 34, 12) kommt bei Meinloh nicht vor, der dafür
constant nahe hi geligen verwendet (15, 8. 14, 34. 13, 22),
welches wiederum den anderen, älteren Liederdichtern fremd
ist. Entscheidend scheint mir das hier sich aufdrängende, bei
Meinloh ganz fehlende Naturgefühl: die höchst formelhafte
Ankündigung der Jahreszeit, der Hinweis auf den nahen
Sommer. Auch stylistisch bietet das Gedicht Eigenthümlich-
keiten: die rhetorische Frage in Z. 3. 4 und die Verwendung
derselben, um eine Spannung zu erregen, welche sich sofort
löst, wie auch im Eingänge die Boten des Sommers erst über
raschend hingestellt und in der nächsten Zeile erklärt werden.
Selbst der Kunstcharakter ist leise verschieden. Der Bote
456
Scherer.
blickt zurück auf seinen Weg-, er hat Blumen gesehen, andere
Boten, die ihm begegneten, Boten des Sommers, wie er ein
Bote des Dichters ist. Der Dichter ist ein Ritter, er ist jüngst
von der Dame geschieden und hofft auf Gewährung bei der
herannahenden Sommerzeit. Wir haben da einen viel grösse
ren Reichthum thatsächlicher Beziehungen, Motive aus der
Wirklichkeit, bestimmte Situation: Alles, was bei Meinloh bis
zu schattenhafter Ahnung schwindet, wie wir denn 12, 27 ff.
kaum wissen, ist er getrennt von der Geliebten oder nicht.
Die Bewegung des Gedankens scheint mannigfaltiger, freier,
lebendiger als in Meinlohs etwas eintöniger, blasser und ab-
stracter Ideenwelt.
Demnach würde ich es für unvorsichtig halten, diese
mindestens höchst zweifelhafte Stropjio in das Material aufzu
nehmen, aus welchem unsere Vorstellung von dem Dichter
sich bilden soll.
Meinloh verlässt die Tradition des deutschen Minneliedes
und stellt sich auf den Boden einer neuen Reflexion, die ihre
einheimische Vorbereitung und Anknüpfung höchstens in der
Gnomik der Fahrenden findet (vergl. Sätze wie 14, 24 f. er
ist unnütze lebende, der allez sagen wil daz er weiz; auch etwa
12, 20 man sol ze liebe gäben; bei 12, 18 ungcehiu friuntschaft
machet voankelen muot schwebt die Analogie von Redeformen
vor wie 7, 19 leit machet sorge, vil liebe wünne, vergl. auch
137, 5 f.).
Zwar bleiben seine Gedichte noch einstrophig und er
erlaubt sich, dasselbe Metrum öfters zu verwenden. Auch
sonst weiss seine Verskunst nichts von den späteren lyrischen
Beschränkungen. 1 Aber er gebraucht doch schon drei Töne,
und es ist ein anderer Geist eingezogen in die altübliche
Form der Gelegenheitspoesie.
Meinloh sucht mit bewusster Absicht zu zeigen, dass er
ein regelmässiges Minneverhältniss in der Gestalt des ,Dienstes'
durchzuführen verstehe. Er bemüht sich, ein richtiger Lieb
haber (14, 19 guot frouwen trüt) zu sein, und lässt sich von
der verehrten Dame das Zeugniss ausstellen (14, 37), wie wol
1 Ueber Meinlohs Metrik liegt mir eine Untersuchung von Herrn Johannes
Rudolph (am kais. Lyceum in Sjrassburg) vor, welche meine eigene Auf
fassung berichtigt und gefördert hat.
Deutsche Studien. II.
457
er frouwen dienen kan! Theoretisch entwickelt er, was dazu
gehört, und das Conventionelle darin tritt scharf hervor. Aber
alle Spitzfindigkeit, alle Dialektik, alles Geistreiche liegt ihm
noch fern. Die Weichheit der Seele ist nur äusserlich ange
nommen. Er ist ein Mann, wie sie in den Kürenbergsstrophen
erscheinen, nur mit dem modischen Firniss des trürens und
der seneden sioaire überzogen. Erst in IX glaubt man den
Anaphern und Hyperbeln und dem Reimschmuck anzufühlen,
dass das Glück seine Seele in wahrhaften Schwung und auf
richtige Erregung versetzt hat. Und ebenso ehrlich klingt der
Zorn des zehnten Gedichtes, und im letzten, wo es galt, im
Namen der Dame ihre Empfindungen im Gegensätze zu ande
ren Frauen zu schildern, die sie beneiden, da greift er auf die
alten Wendungen zurück, welche gewiss die Frauen selbst für
dieses Verhältniss ausgebildet hatten und wovon denn auch
andere volksthümliche Dichter Gebrauch machten. Er lässt sie
sagen (13, 27): Mir erwelten miniu ougen einen kindeschen man:
daz nident ander frouwen ; vergl. 37, 13 ich erkös mir selbe
einen man ; den erwelten miniu ougen. daz nident schcene frouwen
(4, 30 daz nident ander vrouwen). Daran schliesst sich in
beiden Gedichten der gegensätzliche Gedanke ,ieli habe ihnen
nichts gethan', der nur jedesmal verschieden ausgedrückt und
verschieden gewendet wird: 13, 30 ich hän in anders niht
getan; 37, 17 jo engerte ich ir deheiner trütes niet. Meinloli
fährt fort: wan ob ich hän gedienet daz ich diu liebeste bin (die
pronominale Beziehung lässt Meinloh gerne aus, hier im, wie
11, 19 ir); vergl. 4, 8 got wizze (Meinloh 13, 23 weit got) rool
die wärheit, daz i’me diu holdeste bin. In derselben anonymen
Strophe nennt die Frau ihren gesellen, eine Bezeichnung,
welche Meinloh schon vermeidet, einen kindeschen man (4, 10),
was Meinloh hier XI und VIII (14, 35) an wendet. Aber
gerade hier kommt auch der alte männliche Pferdefuss zuin
Vorschein; der Dichter kann es nicht lassen (wie der in
10, 17 f.) sich seiner Erfolge bei Damen zu rühmen (13, 35 f.).
Meinlohs Sprachschatz ist nicht reich und seine Ge-
dankenproduction nicht mannigfaltig. Das ouge z. B. kommt
in verschiedenen Wendungen innerhalb der elf Strophen fünf
mal vor (11, 11. 12, 33. 39. 13, 27. 15, 9), die tugent des
gleichen fünfmal (11, 3. 20. 13, 10. 14, 23. 32). Die neue Welt
458
Scherer.
ist eng’ und klein und man hat sie eben erst betreten, ihr
innerer Reichthum ist noch unerschlossen, die Fülle synonymer
Bezeichnungen für ein Gefühl, für eine Situation ist noch nicht
entdeckt. Sie mag schon vorhanden sein und bereit liegen,
aber das Gold ist noch ungemünzt, der Einzelne kann es nicht
mit Leichtigkeit ausgeben, auch wenn er es hat.
Oft kehrt in demselben Gedichte dasselbe Wort, derselbe
Gedanke wieder: I. 11, 5 gesehen; 13 sehen; II. 15, 9 sähen;
13 sach (VII. 12, 33 sach; 39 silit; XI. 13, 39 sihe). Ferner
11. 15, 1—4 gleich 11 —14; III. 11, 14 enbiutet; 21 enbiut. In
IV. 12, 1. 2 und 9. 10 ein analoger Gedanke in analoger Wen
dung (semeltchen aus dem vorangehenden werden, alsus aus
dem vorangehenden biderber zu verstehen); 12, 1. 13 werden
reiben; 12, 7. 11 herze. Auch in V am Schlüsse der Anfangs
gedanke wiederholt und 11,19 trüt; 20 triuten. VI. inne werden
12, IG. 22. ungcehiu? gälten 18. 20. VIII. homen 14, 28. 36.
IX. gevallen 13, 4. 8. Fast möchte man vermuthen, dass
künstlerische Absicht dahinter stecke.
Wenn also der Wortschatz nicht gross ist, so leidet die
Syntax doch keineswegs an Eintönigkeit. Die lose aneinander
gereihten Sätze des ersten Gedichtes, jeder Satz ein Langvers
oder auch nur eine Waise, hat Meinloh bald verlassen. Man
vergleiche ausgebildetere Perioden wie II. 15, 5—10; V. 14,
14—21; XI. 13, 35—39.
Der geistige Gehalt seiner Strophen lässt sich von einem
Punkte aus umfassen und auf gewisse Gruppen bringen, welche
ihrerseits bestimmten sprachlichen Erscheinungen entsprechen.
Preis der Geliebten (oder im Munde der Dame des Ge
liebten). Sie ist eine edeliu frouwe 12, 31. Der Dichter hat
sie loben gehört 11, 1 ; sie ist guot ze lobenne 12, 35. Sie ist
der besten eine 11, 9 (was die Form eine anlangt, so vergl.
Rugge 106, 33 dekeine im Reim auf eine scheine meine). Ge
häufte Adjectiva: schäme unde biderbe, dar zuo edel unde guot
(15, 1. 2), und nochmals (15, 11. 12) sist edel und ist schäme,
in reliter mäze gemeit, auch anderwärts (13, 7) ie schcener und
ie schcener. Sie ist scelec zallen eren 13, 9. Sie hat keine Fehler
an sich 12, 35. Von speciellen körperlichen Vorzügen wird nur
der Augen gedacht, aber auch nicht sowohl der Schönheit als des
Deutsche Studien. II.
459
freundlichen Blickes wegen (11, 13). Und die Freundlichkeit,
die massvolle Heiterkeit, das in rehter mäze gemeit (s. Haupt
zu Neidhart 17, 2) ist hier wohl die Hauptsache. Sie ist ein
Theil, ja der wichtigste Theil des guten, gebildeten, feinen
Benehmens, welches Meinloh wiederholt hervorhebt: 15, 4 der
zimet wol cdlez daz si tuot; 15, 13 ichn sach nie eine frouwen
diu ir lip schöner künde hän; 12, 33 ichn sach mit tränen ougen
nie haz gebären ein wip. Man blickt in eine Zeit, für welche
die Feinheit der Lebensformen neu aufgeht. Zusammengefasst
werden die weiblichen und männlichen Vorzüge, die man be
wundert, in dem Worte tugent, wofür die Belege oben: Gegen
satz unnütze lebende 14, 24. Adjectivisch biderbe: von der Frau
15, 1; vom Manne 12, 9. Desgleichen wert, nur neben wip 12,
1. 13. Gegensatz unkiuschez herze 12, 9. Das Wort hövescli
(Dietmar 33, 35; Veldeke 57, 34) gebraucht Meinloh nicht.
Die Wirkung so vortrefflicher Eigenschaften auf die
Empfindung und das Verhalten des Liebenden und der Ge
liebten. Die Dame ,gefällt' dem Dichter, er sieht sie als einzig
an (ichn sach nie u. dg-1. Wendungen), sie ist ihm als der lip
(11, 15. 12, 32), sie hat ihm alle andern Frauen aus seinem
muote weggenommen, so dass er an sie gedanke niene hat. Sie
hat ihm beinahe umgewendet (bekeret, vergl. keren 13, 33) sin
unde leben 11, 22: nämlich er gibt fröude auf und tauscht
trüren ein 11, 25; trüren mit gedanken 12, 29; seneliche swaere
12, 6. Ebenso ,hoher Muth' (min muot sol aber Mhe stän) und
trüren und leit der Frau 14, 27. 29. 30 (vergl. unfrcelichen stän
13, 39). Andere Synonyma werden nicht gebraucht, das Herz
als Sitz der Empfindung nur 12, 7. 14, 30 erwähnt. Der Zu
stand des trürens bedarf Abhilfe, welche nur die Frau gewäh
ren kann (11, 21. 12, 30). Der Mann ist getiuret durch ihre
Liebe (liep haben 11, 8; minne 12, 14; stcete minne 14, 33;
friuntschaft 12, 18; liebe Liebesfreude 12, 20; triuten 14, 20).
Er wirbt um sie (12, 15. 13, 13), ist ihr holt (13, 1. 12, 13)
und dient ihr (dienen 12, 1. 9. 13, 3. 14, 37. dienest 11, 14.
Synonym 15, 15 ff.). Er bewahrt ihr ,Treue' (12, 12: Gegen-
theil wankelen muot 12, 19). Dafür gibt sie solt (12, 10), nennt
sich seine friundinne (13, 21) und ,verdient sich' (gedienet),
dass sie ihm die Liebste ist (13, 31). Das Verhältniss muss
unbedingt heimlich gehalten werden, das ist die Hauptpflicht
460
Sclierer.
des Liebhabers (12, 7. 14, 16. 22), vergl. das Liedchen Tougen
minne diu ist guot (MF. 3, 12; oben §. 1). Angefeindet werden
die Liebenden von den merlcceren (14, 17. 12, 21. 13, 14) und
von eifersüchtigen Frauen (13, 29).
Aber ich will nicht die ganze Liebesterminologie Mein
lohs zusammenstellen, es kommt mir nur auf einige Folge
rungen an.
Ich habe gesagt: Meinloh reflectirt. Den Inhalt dieser
Reflexion können wir jetzt bestimmt angeben.
Meinloh liebt. Er gibt sich Rechenschaft über den Zu
stand, in dem er sich befindet, und über die Vorzüge der Ge
liebten, welche ihn darein versetzen. Aber er gibt sich auch
Rechenschaft über diesen ursächlichen Zusammenhang selbst:
Er hat daher fortwährend zu motiviren: zu motiviren, warum
er liebt, warum er traurig ist, warum er dienen will. Das
Verhältniss von Ursache und Wirkung, von Grund und Folge
in seinen verschiedenen sprachlichen Gestaltungen und Er
scheinungsformen spielt daher eine grosse Rolle in seinem
Styl: I. 11, 1. 2 dö-do; 3 durch; 10 von schulden; II. 15, 5
umbe daz . . . wan daz (Zurückweisung eines falschen Motivs,
Hervorhebung des wahren); 15, 15 durch daz; III. 11, 20 fol
gerndes nu; 24 dur dinen willen; VII. 12, 35 des; 38 durch ir
willen; VIII. 14, 28 ivan; 29 von dem (vergl. 32 mich heizent
sine tugende daz ich . . .); IX. 13, 2 umbe waz; X. 13, 16
dne schulde; XI. 13, 37 von sclmlden.
Aber Meinloh lebt nach einem bestimmten Ideal, er will
ein rechter Liebhaber sein. Er misst seine und Anderer Hand
lungen nach den ihm geläufigen Vorstellungen von Recht und
Unrecht. Er gibt Maximen, in denen für gewisse einzelne
Fälle Regeln aufgestellt werden, und er fragt, ob man ihm
oder Anderen aus gewissen Handlungen und Gesinnungen
einen Vorwurf machen könne oder nicht.
Zu allen diesen Zwecken, insbesondere in den Gnomen,
bietet sich, wie bei Spervogel, die Form des hypothetischen
Satzes als die bequemste dar. Daher die verschiedenen durch
so, swer, swelhiu, der; ob eingeleiteten oder auch conjunctions-
losen Vordersätze, denen Nachsätze mit so oder einem Demon-
strativum folgen. Den möglichen und wirklichen Fällen reihen
sich künftige an, wie 12, 39, und unmögliche, welche in
Deutsche Studien. II.
461
gesteigerter Empfindung statuirt werden: 13, 11 stürbe ich nach
ir minne u. s. w. 13, 24 stcechens üz ir ougen, mir rätent mine
sinne an deheinen andern man; vergl. Machiavells Clitia II. 3
(das Original ist mir nicht zur Hand) in der Uebersetzung von
Mylius (Beytr. z. Historie und Aufnahme des Theaters S. 321) und
er wird sie heiraten, wenn du dir auch die Augen auskratzest.
Die drei letzten. Gedichte Meinlohs IX—XI schliessen mit
derselben Redeform.
Wenn oben mit Recht gesagt wurde, dass Meinlohs Re
flexion noch nicht bis zur Spitzfindigkeit gediehen ist, so stimmt
dazu, dass die Conjunctionen des Gegensatzes bei ihm gänzlich
fehlen. In den Antithesen äussert sich die Spitzfindigkeit spä
terer Lyriker am meisten. Meinloh hat den Gegensatz (ich lebe
stolzliche . . . ich trüre mit gedanken 12, 27. 29), aber er be
zeichnet ihn nicht. Die Freude daran ist ihm noch nicht auf
gegangen.
Die Blindheit und einseitige Concentration des vielleicht
künstlich und absichtlich gesteigerten Affectes macht sich gel
tend, wenn Meinloli sehr häufig zur unbedingten und super
lativischen Redeweise greift. Jedes al und jedes niemen gehört
hierher. In I. 11, 9 ist die Dame noch der besten eine. In II
hebt sie sich schon über alle andern hinaus: 15, 13 ichn sack
nie eine frouwen diu ir lip schöner künde hän; vergl. 15, 4 der
zimet wol allez daz si tuot. In III. 11, 17 sind ihm elliu an-
driu wip> benomen üz sinem muote. Er hat um ihretwillen eine
ganze fröude qar umbe ein trüren gegeben. Und so weiter.
Ich habe die vorstehenden Bemerkungen, so unvollkommen
sie i|ind, nicht unterdrücken wollen. Die Syntax jedes Schrift
stellers wäre einer erschöpfenden Behandlung fähig, worin man
die Formen seiner Rede zu begreifen suchte, einerseits aus der
Natur der Gegenstände, die er behandelt, andererseits aus der
Art und Anlage seines Geistes.
§• 4.
Der Burggraf von Regensburg.
Wer König Ludwigs Walhalla besucht, der fährt von
Regensburg nach Donaustauf. Auf einem kegelförmigen Fels
berge, dessen vorspringende Massen die Häuser dieses Markt-
462
S clier er.
fleckens nahe an die Donau drängen, werden die Trümmer
der Burg Stauf sichtbar. Der Blick von oben trägt weit hin
die Donau hinab längs der Vorberge des baierischen Waldes.
Hier sassen im zwölften Jahrhundert die Minnesänger, welche
uns zunächst beschäftigen sollen.
Ich halte den Burggrafen von Regensburg und den von
Rietenburg getrennt, wie sie uns in den Handschriften ent
gegen treten.
Die Ueberlieferung (AC) stellt den Regensburger unter
die volksthümlichen Dichter oder Spielleute, wie Friedrich den
Knecht, Hugo von Mülndorf, Niuniu; den Rietenburger hatte
die Q.uelle von BC zwischen Friedrich von Hausen und Mein
loh von Seflingen.
Bei jenem ist keine Spur davon, dass der Mann in ein
Dienstverhältniss zu der verehrten Dame träte: im Gegentheil,
diese bekennt sich dem Manne unterthan (MF. 16, 2). Beim
Rietenburger liegt die Anschauung des Dienstes ganz unzweifel
haft vor: 18, 12 sit ich liän von rehter schulde also iooI gedient
ir hulde; 18, 23 und hiut ir stceten dienest min; 19, 35 danne
deicii ir diene ml.
Jener hat demgemäss keinen Kummer als die Aufpasser
(rnerheere 16, 19), die ihn stören; dieser hat das conventioneile
Trauern, die conventionelle Hoffnung, das conventionelle Werben
um die Gunst der Geliebten. Dort ist das Verhältniss zwischen
Frau und Mann im wesentlichen wie in den Kürnbergsliedern;
hier steht es unter dem Einflüsse provenzalischer Sitte.
Dort spielt die Natur herein zur thatsächlichen Bezeich
nung der Jahreszeit, zur Bestimmung der Situation (16, 15),
oder wenigstens geht Liebesfreude und Naturfreude Hand in
Hand: hier (18, 17. 19, 7) wird die Natur mehr formelhaft in
elegischer Weise verwendet zu den üblichen Contrasten mit
den Erlebnissen des Herzens.
Dort hat die Liebe noch einen sinnlichen Charakter, und
ungescheut tritt er hervor, ohne Umschreibung wird von um
fangen halten (16, 4), heimlich im Arm liegen (17, 2 f.), Trost
fürs Alleinliegen (16, 15 f.) geredet. Hier ist alles züchtig verhüllt,
der Dichter wagt seine Wünsche nicht geradezu auszusprechen,
wenn er es thäte, wäre er dorpelich und nicht liovesch, wie
Heinrich von Veldeke 57, 6. 31. 34.
Deutsche Studien. II.
463
Jener ist ganz thatsächlich, dieser spinnt Gedanken aus.
In der Syntax des Regensburgers leiten Pronomina die Rede
fort, Personalia und Demonstrativ-Relativa; ausserdem tempo
rale Bezeichnungen wie für daz 16, 17; swenne 16, 4. 17, 1
(letzteres allerdings nicht mehr rein temporal); nu 16, 23 (auch
nicht rein temporal). Die verbindende Conjunction fehlt ganz:
und 16, 12 ist keine.
Dagegen sind des Rietenburgers Gedichte voll Wenn und
Aber, voll Motivirung, Gegensatz und Folgerung: ob 18, 3. 4.
19, 2; sit 18, 11. 14. 19, 7. 17.27; wem 18, 15; doch 18, 20;
noch 19, 12; so 19, 9. 19. 30. Das verbindende unde ist ihm
unentbehrlich, wenigstens vom dritten Liede an: 18, 18. 23.
28. 19, 21. 23. 29. 36. Die motivirende Redeweise wird ihm
vollständig zur Manier, die drei letzten Gedichte (V—VII)
fangen sämmtlich mit sit an. Und ein Schema des Anfangs
stellt sich fest, etwa so: Vordersatz mit sit, hierauf ein Satz
von mehr oder weniger parenthetischem Charakter, dann Nach
satz mit so. Im letzten Gedichte dies noch etwas erweitert, im
vierten schon vorbereitet: da ist wenigstens der parenthetische
Satz bereits vorhanden 18, 26. Zu dem daz als Einleitung des
Aussagesatzes (Regensburg 17, 2; Rietenburg 18, 5. 19, 3) tritt
hier das gewähltere wie mit dem Conjunctiv 18, 27.
Das Vergleichen der Geliebten mit Anderen, so dass sie
vorgezogen und über Alle erhoben wird, kommt dem Regens
burger gar nicht in den Sinn: beim Rietenburger gleich zu
Anfang 18, 5 (I). Aber verglichen wird bei ihm noch mehr:
jetzt und früher II. 18, 10. UI. 18, 19. Hypothetisch IV. 19,
3. 5 e-S. Die andern fröhlich, er traurig V. 19, 7 ff. (also 19, 10).
Bildliche Vergleichung mit dem Golde im Feuer und Ver
gleichung des späteren Zustandes dieses Goldes mit dem früheren
VI. 19, 22. 25 f. Und wieder am Schluss hypothetisch senfter-
danne VII. 19, 34 ff. Die Methode der Comparation, bald so,
bald so gewendet, geht mithin durch alle seine Gedichte.
Geistreiches und Gelehrtes, wie Folgerungen aus der be
kannten Natur der Liebe (18, 25 ff.), Anwendung biblischer
Gedanken (19, 17 ff.), Schönheit und Güte dargestellt als weg
zuräumende Hindernisse des Scheidens (19, 27 ff.) u. dgh, auch
Wort- und Reimkünste wie 18, 14 frb—fröuden rieh: fröuwen
mich, sind dem älteren Dichter noch durchaus fremd, dessen
Sitzungsber. d. phil.-ldst. CI. LXXVII. Bd. III. Hft. 30
464
Sclierer.
vier Strophen wir nur bestimmt finden, das Liebesverhältniss
nach aussen zu vertreten: Anknüpfung, Fortschritt, innere
Entwicklung, das alles entgeht uns und hat ihn zu Liedern
nicht begeistert.
Solche Beobachtungen Hessen sich noch weiter ausdehnen,
wenn nicht das allzu geringe Material davor warnte.
Zu überschlagenden Beimen konnte ein und derselbe
Dichter wohl übergehen, er konnte klingenden Reim einführen,
er konnte die Waisenform aufgeben, auch dreitheiligen Strophen
bau und freiere Bemessung der Verslänge versuchen.
Ebenso wenig entscheiden die Reime. Beim Regensburger
ist die erste Strophe rein, sonst geht die Ungenauigkeit durch,
enoelt: went, wip : sumerzit, we : entstell. Beim Rietenburger,
wenn es kein Zufall ist, werden die zwei letzten Gedickte ganz
rein, und die ungenauen Reime wie liep : niet 18, 5 f. singen: ge-
dinge 18, 19 f. trost: erkös : los 18, 26. 28. 19, 1. wip : lip : zit
19, 4—6. zit : lip 19, 7. 9 verschwinden.
Seltsamer wäre es, und eigentlich unmöglich, dass er sich
früher den Hiatus versagt, später aber gestattet haben sollte.
Die Gedichte des Rietenburgers bieten so ziemlich alle mög
lichen Arten. Ausl, schwaches e vor Vocalanlaut: mere alliu
19, 4; schoene unde 19, 29. (Den noch stärkeren Fall nahtegale
ist 18, 17 wollen wir ihm nicht mit Bartsch gegen die Ueber-
lieferung aufbürden.) Umgekehrt, schwaches e im Anlaut nach
kurzem Yocal: si erbarmen 19, 2; nach langem Vocal: nü en-
darf 18, 1; nie erJcds 18, 28. Volle tönende Vocale, mit Mög
lichkeit der Verschmelzung: die ich 18, 19; ohne diese Möglich
keit e ir 19, 5; si iemen 18, 5. Beim Regensburger nichts
der Art.
Und jener Uebergang zu grösserer Strenge wäre um so
seltsamer, als derselbe Dichter sich auch in Bezug auf das Fehlen
der Senkungen im Laufe seiner Entwicklung grössere Freiheit
gestattet haben müsste. Der Regensburger hat nur ganz leichte
Fälle 6, 19 merkeere; 17, 2 giietlichen, wofür sogar giietelichen
möglich wäre; 1 der Rietenburger die schwereren 19, 19 gölde
gelich; 18, 9 gestüont min, 17 nahtegäl ist, 27 scelekeit tucere. —
1 Die Ueberlieferung bietet allerdings 16, 16 w61 tröste. Wer Anstand nimmt,
mit Lachmann getroste zu schreiben, kann vielleicht mit Bartsch wole
setzen. Und 16, 22 ist das überlieferte U'Art niemer gesunt unmöglich,
Deutsche Studien. II.
465
Die vier Strophen des Regensburgers sollen wie gesagt
alle das Liebesverhältniss, dem sie entsprangen, nach aussen
vertreten. Drei davon sind der Dame in den Mund gelegt.
Besondere Zartheit oder Gefühlsweichheit tritt nirgends hervor.
Auch kein Fortschritt in der Situation der Gedichte. Sie
könnten sich alle auf einen Moment beziehen. Nur insofern
ist die Ordnung von C planvoll, als der Anfang gemacht wird
mit der simplen Erklärung der Frau, dass sie dem Ritter unter-
than sei, und dann später die Vertheidigung dieses so decla-
rirten Verhältnisses sich anscbliesst, die Abweisung aller Stö
rung, aller Versuche, die Liebenden zu trennen.
Die Betonung der Treue {stcete 16, 1. 16, 10) und des
Glückes im Genüsse; die technische Bezeichnung hohe tragen
den muot für Liebesglück des Mannes, die Ansicht, dass hohe
Vollkommenheit (tugent) den Mann (er ist ritter 16, 2. 24)
der Welt angenehm mache und der Satz, dass ihm hieraus An
spruch auf Glück erwachse; die Auffassung der weiblichen
Gunst als einer Arznei, wodurch eine Herzenswunde geheilt
werde, — aber noch keineswegs eine Wunde, welche Liebes-
trauer schlägt, sondern der Zorn über die ,Merker': selbst der
Liebeskummer der Frau (17, 4 senede) entspringt nur aus der
Entbehrung des Genusses oder aus der Furcht ihn entbehren
zu müssen: — all dies sind weitere charakteristische Züge,
welche das Bild des Regensburgers und seiner Gedichte ver
vollständigen.
Merkwürdig erinnert die zweite Strophe an Moinlohs
zehnte. Es ist derselbe Gedankengang mit der analogen Schluss
wendung: und leegen si vor leide tot wie dort stcechens üz
ir ougen.
Von den Tönen ist der erste höchst einfach, die vierzei
lige Reimstrophe durch stumpfe (doch gibt die Ueberlieferung
16, 1 stcete statt Lachmanns stcetehe.it) viermal gehobene
Waisen vor der ersten, zweiten, vierten Zeile erweitert. Der
durchweg iambiscbe Gang ist wohl Zufall? Ein ungenannter
genau reimender Dichter (tach: ungemach war ohne Zweifel
seiner Mundart gemäss) hat diesen Ton benutzt, Carm. Bur.
Laclimanns wirdet' niemer nie bietet sich von selbst; und auch wirdet
niemer wäre immer noch leichter als die Fälle beim Rietenburger.
4GG
Scherer.
S. 228 (Bartsch Liederdichter S. 287) , und da beginnt auch
nur die dritte Reimzeile ohne Auftact:
Der al der werlt ein meister si,
der gebe der lieben guoten tach,
von der ich ivol getrcestet pin.
si hat mir al mm ungemach
mit ir güete gar benomen.
unstoete hat si mir erwert:
ih pins an ir genäde körnen.
Der zweite Ton des Regensburgers geht ebenfalls von
der regelmässigen vierzeiligen Reimstrophe aus, die Waisen
sind überall vorgeschoben, aber sämmtlich klingend im Gegen
satz zum stumpfen Endreim. Die dritte Waise mit der dritten
Reimzeile ist einer dritten Nibelungen-Langzeile gleich, die
erste und zweite Reimzeile aber hat die vier Hebungen be
halten, die vierte Waise und die vierte Reimzeile sind auf je
fünf Hebungen gebracht. Also:
3 Heb. klingend.
3 Heb. klingend.
3 Heb. klingend.
5 Heb. klingend.
4 Heb. stumpf a.
4 Heb. stumpf a.
3 Heb. stumpf b.
5 Heb. stumpf b.
Zweisilbige stumpfe Reime wie Uoten : guoten der Nib.
begegnen hier nicht mehr.
Zweisilbigen Auftact schafft Lachmann durch die leichte
und wohl unbedenkliche Aenderung von einem IG, 2 in eini weg.
§■ 5.
Der Burggraf von Rietenburg.
In seinen Tönen macht er sich die auf drei Hebungen
verkürzten stumpfen Zeilen zu nutze (19, 11 f. 15 f. 21 f.
25 f.). Er verwendet ferner vier Hebungen klingend, also den
eigentlich klingenden Reim mit der überklingenden schwachen
Silbe. Er gebraucht drei Reime am Schluss der Strophe (19,
4—6): s. Deutsche Studien 1, 338.
Deutsche Studien. IT.
467
Das kleine Liederbuch ist wohl chronologisch geordnet.
Das ergibt sich schon aus den §. 4 mitgetheilten Stylbeob
achtungen: man sieht, wie der Dichter seine eigene Manier
findet und ausbildet.
Zuerst scheint ihm sein Geschlechtsgenosse, der Burggraf
von Regensburg, als Muster vorzuschweben. Der Vertretung
nach aussen sind die beiden ersten Strophen gewidmet. Wie
bei jenem erfahren wir nichts über die Anknüpfung des Ver
hältnisses. Wie jener lässt er gleich die Dame ihre unver
brüchliche Treue aussprechen, die Einreden Anderer sollen sie
nicht hindern, an ihm Gefallen zu finden. Er seinerseits fürchtet
keine Drohungen. Denn die Dame will, dass er sei froh
(18, 14), wie die Geliebte des Regensburgers erklärt hat, er
mac wol höhe tragen den muot (16, 7).
Auch der Rietenburger also geht von einer innerlich
glücklichen und befriedigenden, nur äusserlich angefeindeten
und bedrohten Situation aus. Er hat sich die Huld der Dame
verdient. Aber bald sehen wir, dass diese Huld ihm nur in
sehr beschränktem Masse zu Theil geworden, in weit beschränk
terem als seinem glücklicheren Vorgänger. Es ist nur eine
Hoffnung auf Gewährung, die ihn über den Winter hinweg
tragen soll (18, 20), um deren willen er ihr treuen Dienst
bewahrt. Aber seine Wünsche gehen höher, und eine innere
Entwicklung ist eingeleitet, die wir verfolgen können, worin
uns der Dichter in Selbstgesprächen seinen Zustand darlegt.
Aus dem Sinne, im Namen der Dame, hat er keine Strophe
mehr verfasst, auch keine an sie unmittelbar gerichtet.
Die ersten beiden Strophen fallen in den Sommer, die
dritte in den Anfang des Winters. Mit der vierten beginnt
ein neuer Ton und eine neue Situation.
Noch sucht der Dichter seine Hoffnung aufrecht zu
halten, aber die Ahnung von Trauer und Sorge, die er nicht
los werden würde, die Ahnung ihrer Erbarmungslosigkeit ist
ihm doch nahe getreten, künstlich muss er sie abwehren von
seinem Herzen. Die Versicherung seiner fortdauernden Liebe
soll ihm ihre Gnade gewinnen. Die Strophe fällt ohne Zweifel
in den Winter.
In der fünften (19, 7), wieder mit neuem Ton, hat sich
die Zeit verwandelt, Alles ist froh, der Dichter soll es auch
468
S cli e rer.
sein, obgleich er traurig ist. Aber noch bat er Hoffnung,
seinen Sang' zu erneuen. Der Winter bat nur leider allzulang
gewährt. — Der Verfasser benutzt den conventionellen Paralle
lismus zwischen Singen Glücklichsein Sommer, zwischen Trauer
Unglücklichsein Winter zu indirectem Ausdruck des Gedankens:
ich hoffe noch auf Glück, nur hat mein Unglück allzulang
gewährt.
In demselben sucht er sich VI (19, 17) über die Hart
herzigkeit der Geliebten zu trösten, indem er annimmt, sie
wolle ihn nur auf die Probe stellen und dies ausführt mit
Rücksicht auf Hiob 23, 10 et probavit me quasi aurum quod
per ignem transit. Die Theorie von der moralischen Vervoll
kommnung durch Liebe, speciell durch Liebesleid, tritt hier
zuerst auf innerhalb der mittelhochdeutschen Lyrik, und wir
sehen sie entstehen mit Anlehnung an christliche Begriffe.
Aber die absichtliche Selbsttäuschung kann nicht länger
Vorhalten. Sie will, dass er sie verlasse, wenigstens thut sie
so. In einem neuen Tone (19, 27) nimmt er Abschied. Dem
Wortlaute nach muss es nicht nothwendig ein Abschied sein
— ja die Wendung in der dritten und vierten Zeile deutet
auf das Gegentheil hin — : aber es war wohl thatsächlich so.
Das Liederbuch bricht mit den Worten ab: ,Lieber möchte
ich sterben, als dass ich ihr diene vil und sie davon nichts
wissen will/
Sit si wil deich von ir scheide,
dem si dicke tuot gelicli,
ir schcene unde ir güete beide
die läze si, so leere ich mich,
swar ich danne landes var,
ir lip der höchste got bewar.
min herze erlcos mir dise not.
senfter weere mir der tot
danne deich ir diene vil
und si des niht wizzen wil.
Dr. Pfaflf in Buchsweiler bemerkt in einer mir hand
schriftlich vorliegenden Arbeit über Rudolf von Fenis: ,Soll
der Burggraf von Rietenburg- den Folquet von Marseille be
nutzt haben, weil er wie dieser einmal sagt, er wolle sich
Deutsche Studien. II.
469
dann erst von seiner Herrin scheiden, wenn diese sich von
Schönheit und Anmuth scheide (MF. 19, 27 ff. und Mahn
Werke der Troubadours I. 329, 8 ff. == Rayn. III. 149 f.)?‘
Verg’l. schon Diez Poesie der Troub. S. 266. Die Strophe
Folquets lautet:
Pero si us platz qu’en autra part me vire,
Partetz de vos la beutat e’l dous rire,
E’l gai solas que m’afolleis mos sen,
Pueis partir ml cd de vos, mon escien
Tan m’abellis.
Es ist freilich ein allgemeines Element in diesem Ge
danken, das sich bei Liebesreflexion leicht einfindet, wie denn
z. B. Rousseau in dem ersten Briefe der Nouvelle Heloise
seinen Saint-Preux an Julie schreiben lässt: Oui, je promets, je
jure de faire de mon cote tous mes efforts pour recouvrer ma
raison, ou concentrer au fond de mon äme le trouble que j’y
sens naitre: mais, par pitie, detournez de moi ces yeux si doux
qui me donnent, la mort; derobez aux miens vos traits, votre
air, vos bras, vos mcdns, vos blonds cheveux, vos gestes; trompez
l’avide imprudence de mes regards; retenez cette Voix touchante
qu’on n’entend point sans emotion: soyez, helcts! une autre que
vous-meme, pour que mon coeur puisse revenir ä lui.
Dennoch möchte ich jene Frage von Dr. Pfaff mit Ja
beantworten: wenn nur die äussere Möglichkeit dazu vorhan
den ist. Folquet dichtete nach Diez 1180—1195. Da müsste
jenes Lied eines der ältesten und sehr rasch verbreitet sein.
Wenn es im Allgemeinen feststeht, dass die reflectirende Lyrik
aus Südfrankreich nach Deutschland gekommen ist, und wenn
einer der ältesten deutschen reflectirenden Lyriker einen Ge
danken vorbringt, den wir in südfranzösischer Lyrik nach-
weisen können, so ist die Wahrscheinlichkeit doch sehr gross,
dass er ihn von dort entlehnt hat. Zweifelhaft bleibt nur, ob
wirklich Folquet ihn zuerst gebrauchte.
Die Strophe des Rietenburgers hat unzweifelhaft Nach
ahmung gefunden bei Hildbold von Schwangau (C 15: MS. 1,
144*; HMS. 1, 281):
470
Scherer.
Wil si daz ich von ir scheide den muot
unde min herze von ir minne kere,
so sol si läzen ir schcene und ir ere.
ob si der beider verzilien wil sich,
da mite mac si von ir scheiden mich,
swar so daz keret, so muoz ich beliben
unde iemer dienen dar vor allen wiben.
wcere der schcenen min dienest so leit
als si nu lange mir hat geseit, <
so mohte si mich wol von ir vertriben.
Blicken wir zurück auf die sieben betrachteten Strophen.
Ein ganz bestimmtes Charakterbild des Dichters erhebt sich
vor uns. Er ist ein sanguinischer Optimist. Er sucht sich sein
Unglück so lange zurecht zu legen, als es irgend geht. Er
deutet seine traurigen Erlebnisse so lange ins Milde um, bis
er ganz unzweideutige Beweise vom Gegentheil bekommt und
ihm keine Ausflucht mehr übrig bleibt. Tiefgehender Schmerz
ist nicht vorhanden. Er nimmt Abschied mit dem Gedanken:
ich werde ewig an dich gefesselt bleiben.
Die Sitte des Frauen di en stes hat bei unserem Dichter
ihren zweiten, Beleg. Den ersten gewährte uns Meinloh. An
seine Doppelreime wie 13, 6. 8 erinnert hier fröuden rieh:
fröuwen mich 18, 15. 16.
Das Vorbild des älteren Regensburgers haben wir bereits
erkannt. Ausserdem meint man zu bemerken, dass der Ver
fasser aus epischen Dichtern gelernt habe: 18, 25 beginnt wie
eine epische Erzählung ich horte wilent sagen ein meere, und in
19, 24 swaz ich singe, daz ist war, erkennen wir die Ver
sicherungsformel epischer Erzähler, übrigens auch Spervogels
22, 2. 23, 23.
Dass er auch der biblischen Bildung Eingang gestattet
in den Stoff und Anschauungskreis seiner Poesie, das ergibt
der Vergleich mit der Läuterung durch Feuer 19, 17 ff.
Daneben hat er noch seine ganz individuelle Bedeutung.
Er ist der erste in Deutschland, der unglückliche Liebe als
ein poetisches Motiv empfindet. Die spätere conventionelle
Situation eines Liebhabers, der die Dame schmachten lässt,
tritt uns hier zum ersten Male entgegen. Auch die Sprödigkeit
Deutsche Studien. II.
471
der Damen hat ihre Tradition in dem höfischen Leben des
Mittelalters. Die Sitte hat daran mindestens ebensoviel Antheil
wie die Sittlichkeit.
§. 6.
Spervogel.
In der ersten dieser Studien habe ich nachzuweisen ge
sucht, dass wir drei Dichter unterscheiden müssen:
Erstens einen älteren Dichter, dessen Namen wir nicht
kennen, Verfasser des zweiten Tones 25, 13- 30, 33. Seine Ge
dichte sind systematisch geordnet in Gruppen zu fünf Strophen.
Zweitens Spervogel, den Verfasser des ersten Tones
MF. 20, 1—25, 12: woraus nur Strophe 20, 17—24 auszu
scheiden ist, worin Spervogel citirt wird.
Drittens den jungen Spervogel, Verfasser der vier
Strophen S. 242 f., Z. 1—48, und vielleicht noch anderer im
Anhang zum Heidelberger Freidank (Deutsche Studien 1, 318).
Was die Ueberlieferung anlangt, so gab sich als Grund
lage von AC ein Liederbuch zu erkennen, das ich S. 310
ziemlich genau reconstruiren konnte. Es umfasste alle drei
genannten Dichter.
Die Jenaer Handschrift, sachlich geordnet, gewährt nur
Strophen Spervogels.
Spuren einer dritten Handschrift schienen sich S. 340
zu ergeben, worin die Sprüche des Anonymus ebenso geordnet
waren, wie in unserer Ueberlieferung: aber die Sprüche Sper
vogels gingen nicht voraus, sondern folgten nach.
Dazu kommt für den jungen Spervogel die Kolmarer
Handschrift, welche seine beiden ersten Strophen in derselben
Ordnung wie AC und ihnen vorausgeschickt noch eine dritte
(Schächzabei loart vor Troie erdäht) enthält, über deren Echt
heit ich nicht entscheide. Dazu die Ueberschrift: Dyß ist d,ez
jungen Stollen getickte und hat nit getickt dann dyse dru par
darnach starp er wie er stürbe daz ste zu gotte. Wir werden
der älteren, dem Dichter näheren Ueberlieferung höheren
Glauben beimessen und daher den jungen Stollen hier ohne
Bedenken wieder in den jungen Spervogel verwandeln. Meine
Ansicht, dass wir einen Spielmann dieses Namens wirklich
472
Scherer.
statuiren müssen, bestätigt sich dadurch. Der Name Spervogel
ist der Kolmarer Handschrift gänzlich unbekannt geworden,
die Tradition der Meistersinger vergass ihn, während der
Name Stolle noch lange lebendig blieb. Bartsch S. 73. 168. 523.
Das Citat eines Spervogelschen Gedichtes mit Lesarten,
die zu der Hs. C stimmen, aus der Zimmerischen Chronik,
wurde Deutsche Studien 1, 355 beigebracht.
In dem Münchener Cod. lat. 4612 in 4°, Gedichte des
vierzehnten Jahrhunderts enthaltend, steht (nach Steinmeyers
Mittheilung) Fol. 46 b in nicht abgesetzten Verszeilen:
Swer ze holz get spuren so der sne zergat
vn suchet sinen guten urivnt do er eheinen hat.
vn chavfet ungesehene vil
vnde haltet gar verlorniv spil
■ und dienet einem hoesem man
daz an Ion heleibet
dem wirt wol ajfterriwe chvnt
oh erz die lenge trihet.
Das ist wieder Spervogel, MF. 21, 13—20.
Aus dem im MF. gleich folgenden Gedichte 21, 21 Siver
lange dienet da man dienstes niht verstät, ist wohl MF. 172, 30
geschöpft: Siver dienet da mans niht verstät, der verliuset al
sin areheit.
Die Melodie des echten Tones Spervogels ist bekanntlich
in der Jenaer Handschrift erhalten (HMS. 4, 790 b ) und bei
Liliencron-Stade Lieder und Sprüche aus der letzten Zeit des
Minnesanges S. 28 vierstimmig bearbeitet. Liliencron hat sie
in der Vorrede S. 8 Note näher charakterisirt, wie folgt: ,Der
Spervogelsche Spruch gehört zu den ausnahmsweise zwei
theiligen Strophengattungen; man kann aber kaum sagen, dass
er melodisch wesentlich von den dreitheiligen abweiclit. Auch
hier folgt dem ersten Theil „Tritt ein reines — Sittsamkeit“
zunächst ein zweiter („dass ihr — Sonne gleicht“), der zwar
dem ersten nicht gleich ist, aber sich an ihn durch Wieder
holungen aus seiner Melodie auf das engste anschliesst. Dann
folgt mit einer auch harmonisch neuen Wendung der dritte
Theil, der endlich von „kein Aug’ erfreut“ an wieder in die
Periode des ersten Theiles zurückkehrt/
Deutsche Studien. II.
473
Liliencron citirt seine Uebersetzung des G-edicbtes
MF. 24, 1. Er erstreckt also den ersten Theil auf das erste
Reimpaar. Das folgende Reimpaar wäre der zweite Theil.
Und im dritten Theil soll von Z. 7 an die ,Periode* des ersten
Theiles zurückkehren.
Diese Rückkehr der Melodie aber ist nur ein ziemlich
vager Anklang, auf den ich kein Gewicht legen möchte; es
Hesse sich noch mehr dergleichen namhaft machen. Wichtiger
und nicht blos für die Beurtheilung der Spervogelschen
Strophe wichtig scheint mir zu beachten, dass eine eigentliche
Wiederholung der Melodie nur einmal vorkommt. Z. 2 von
der dritten Hebung an und Z. 3 haben genau dieselbe Melodie,
merkwürdigerweise eine Wendung, die, wie mich Jacobsthal
belehrt, genau ebenso als zweite Zeile in der gebräuchlicheren
Melodie des Chorals ,Vom Himmel hoch da komm ich her*
(vgl. z. B. Winterfeld Bd. I Notenbeil. Nr. 122) gefunden wird.
Vom Standpunkte der Metrik aus würde man ein näheres Ver-
hältniss gerade dieser beiden Partien der Strophe nimmermehr
errathen.
§. 7.
Dietmar von Aist und das Tagelied.
Wir haben in der Ueberlieferung zu unterscheiden:
Erstens was die Handschriften B und C gemeinschaft
lich bieten, womit die Sammlung in C eröffnet wird und was
daher den Bestand Dietmarischer Lieder in der grossen
Sammlung des XIII. Jahrhunderts ausmachte. Ich nenne dies
das erste Liederbuch Dietmars von Aist und begrenze
seinen Umfang auf MF. 32, 1—35, 31. Es sind die Strophen
1—16 B, 1—11. 14—18 C. Gerade die erste Strophe bieten
auch die Carmina Burana. Die Strophen 12. 13 C gehören da
nicht hin, sie sind viel altertliümlicher als ihre Umgebung, ein
Blatt, das sie enthielt, muss in die Quelle von C an der Stelle
eingelegt und dann mit abgeschrieben sein. Ueber die Ver
mehrungen nach 16 B, 18 C s. unten.
Zweitens die andere Quelle von C, das zweite Lieder
buch Dietmars, 24—37 C, MF. 36, 34—37, 3; 37, 30—40, 18,
wieder mit einem unechten Anhänge.
474
Scherer.
Das zweite Liederbuch ist jünger als das erste, denn
dieses weiss nichts vom Frauendienst, jenes beruht bestimmt
darauf 38, 2. 31. 39, 10. 13. Das zweite Liederbuch ist chrono
logisch geordnet wie Meinlohs und des Rietenburgers; in dem
ersten vermag ich eine solche Ordnung nicht zu entdecken.
Wenn wir nicht innere Gründe finden, welche einen Alters
unterschied ergeben, so müssen wir auf alle Chronologie ver
zichten. Die Anhaltspunkte sind gering und schwach, aber
Dietmar ist eine Uebörgangsgestalt und da wird auch das
Geringere bedeutsam. Auf die Gefahr hin, zu viel zu beob
achten, muss man doch Alles beobachten, um sich nicht den
leisesten Unterschied entgehen zu lassen.
Den zweiten Ton 32, 13 ff. halte ich für den ältesten.
Ein zweisilbiger stumpfer Reim wie rninne : singen 32, 17 f.
kommt später nicht wieder vor, auch keine Ungenauigkeit wie
ivibe : mide. Die Waise ist hier und im dritten Ton 33, 15 ff.
niemals klingend, aber edele 32, 21; öbene 34, 3 sind stumpfe
Ausgänge, und auch zwei verschleifte Silben auf der vierten
Hebung kommen vor 32, 13 hote; 33, 23 gewesen; 33, 31 fru-
men. Bei späterer Anwendung der Waise ist der Dichter streng
consequent: in dem Tone 34, 19 ff. stumpf verschleift (34,28.
35, 3); in dem Tone 36, 34, der nur aus einer Strophe besteht,
klingend; in dem Tone 37, 30 ff. stumpf einsilbig.
Das Schema des zweiten Tones stellt sich so dar:
4 stumpf Waise. 3 klingend a.
4 stumpf Waise. 4 klingend a.
4 stumpf b.
4 stumpf b.
5 stumpf c.
5 stumpf c.
Die Strophe kann aufgefasst werden als eine Uebergangs-
bildung vom zweiten Spervogelton (Ton des Anonymus) zum
ersten: nur dass die Folge der Reimpaare umgekehrt und die
Verlängerung einzelner Zeilen gemässigt wäre. Das erste
Reimpaar vergleichbar dem Schlüsse jener Metra, die beiden
Waisen wie im ersten Spervogelton, das Verhältniss der klin
genden Reimzeilen 3 : 4 wie im zweiten Spervogelton 3 : 5.
Das zweite Reimpaar ganz regulär wie in beiden Spervogel-
tönen. Das dritte vergleichbar dem ersten des ersten Sper-
Deutsche Studien. II.
475
vogeltones, nur mit Verlängerung nicht auf 6, sondern auf
5 Hebungen.
Dietmars dritter Ton ist ganz einfach gebaut: vierzeilige
Reimstrophe mit eingeschobener Waise vor jedem Verse; ver
gleichbar den Tönen Meinlohs, nur dass die Zahl der Zeilen
nicht stimmt und das Verhältniss der Waisenausgänge zu den
Reimen anders und strenger geordnet ist.
Zunächst steht wohl der fünfte Ton 35, 16 ff. Es ist der
dritte mit streng einsilbig stumpfen Reimzeilen statt der Waisen,
d. h. also mit überschlagenden Reimen (zu denen hiermit Diet
mar übergeht), sämmtliche Verse iambisch. Und während bis
dahin sich niemals im Reime zwei verschleifte Silben fanden,
so treten sie hier in der zweiten Strophe systematisch auf in
der 2. 4. 6. 8. Zeile. Denselben Ton verwendet Veldeke 67, 9
und 65, 13; und Heinrich von Rugge 103, 3. Auch bei Rugge
sind die Verse streng iambisch, er hat Verschleifung nur ein
mal 103, 19. 21, aber in den ehemaligen Waisen, wenn ich
mich des Ausdruckes bedienen darf, in der ersten und dritten
Zeile einer Strophe. Bei Veldeke fehlt die Verschleifung natür
lich ganz.
Ist hier ein Ton Veldekes benutzt worden? Veldeke
verwendet ihn zuerst (65, 13) bald nach seiner Rückkehr in
die Heimat, falls meine Ansichten hierüber richtig sind (s. §. 9),
und zwar noch ganz überwiegend mit trochäischem Rhythmus,
nur die siebente Zeile hat Auftact. Und dann wieder, etwa
drei Jahre später, am Schlüsse seines Liederbuches (67, 9—24),
nun überwiegend mit iambischen Versen. Hat Dietmar die
Regel strenger gemacht und den Ton so auf Rugge übertragen?
Aber können nicht umgekehrt Veldekes Gedichte eine unvoll
kommene ungenaue Nachahmung sein?
Dies ist meine Meinung. Die Entstehung des Dietmar-
schen Tones liegt uns vor Augen. Was bei Meinloh wie zu
fällig geschah und sich manchmal von selbst ergab, dass die
vorgeschobenen Zeilen gereimt wurden, das hat er mit Bewusst
sein gethan und durchgeführt.
Die beiden Strophen 35, 16—23 und 35, 24—31 verhalten
sich zu einander wie die beiden Veldekeschen S. 67. In der
ersten redet der Mann, in der zweiten die Dame. Und die je
476
Scherer.
ersten Strophen bieten Berührungen, welche das Verhältniss
wohl unzweifelhaft machen. Dietmar sagt:
Der winter wcere mir ein zit
so relite wünnecliche guot,
wurd ich so scelic daz ein loip
getroste minen seneden muot.
so wol mich danne langer naht,
gelcege ich als ich willen hdn!
si hat mich in ein trüren brdht
des ich mich nilit gemdzen kan.
Es ist klar, dass Veldekc hierauf erwidert, indem er die
entgegengesetzte Ansicht ausspricht:
Swenn diu zit also gestdt
daz uns komt bluomen unde gras,
s6 mac sin alles werden rät
da von min herze trüric was.
des vreweten sich diu vogelkin,
wurde iem,er sumer als e.
lät die weit min eigen sin,
mir taste ie doch der winter we.
Dietmars Gedicht, Wort und Weise, war wohl auch sonst
berühmt. Reinmar wiederholt daraus in ähnlichem Gedanken
gange den Vers owol mich danne langer naht (156, 25). Rugge,
der auch später noch an Dietmar erinnert (vergl. 101, 15 got
hat mir armen ze leide getan das er ein wip ie gescliuof also
guote; solt ichn erbarmen, so het erz geldn mit Dietm. 32, 12
wes lie si got mir armen man ze ltdle werden), leitet mit dem
Tone sein erstes Liederbuch ein. Und ein namenloser Dichter
oder eine Dichterin verfasste darin das Liedchen Swer meret
die gewizzen min (35, 32), worüber unten. —
Die Strophen eines jeden Tones sind bei Dietmar wohl
chronologisch geordnet. Aber jeder Ton scheint einem beson
deren Liebesverhältnisse zu gelten, in der jeweiligen letzten
Strophe klagt die Dame über Vernachlässigung. Ist dies jedes
mal der Ausdruck seiner Bekehrung und eine Art Selbst
anklage? Aber er sagt selbst 35, 5: ich lidn der frowen vil
Deutsche Studien. II.
477
verlän, da ich niht herzeliebe vinden künde. Der Dichter
wechselt wohl die Orte und die Mädchen.
Zweiter Ton. 32, 13. Das Verhältniss besteht. Die
Liebenden sind getrennt. Die Dame hat dem Dichter einen
Boten gesandt, der hier seine Antwort empfängt: die Trennung
thut dem Dichter ohne Mass weh, das Singen der Vögel kann
ihn nicht entschädigen, sein ganzes Herz ist traurig. Von
vorneherein also Weichheit der Empfindung wie bei Meinloh
und Rietenburg.
32, 21. Wieder Botschaft der Frau. Antwort auf das
vorige: der Ritter möge nicht traurig sein; sie freilich habe
viel zu leiden und möchte es ihm gerne persönlich klagen.
33, 7. Ich glaube, diese Strophe bekommt ihren prägnan
ten Sinn erst, wenn man sie der Dame in den Mund legt. Die
Entfernung hat ihr den Dichter entfremdet trotz seinen Ver
sicherungen. Ihm ist irgend etwas Uebles von ihr berichtet,
und er hat dies zum Vorwand genommen, um sie zu verlassen.
,Keine Frau kann es aller Welt recht machen, das habe ich
erfahren. Wer deshalb seine Geliebte verlässt, der hat kein
edles Herz. Dem sei für seine Unbeständigkeit der Sommer
und alles Gute aberkannt/
Dritter Ton. 33, 15. Ein Jahr später. Der Winter ist
vorbei. Die Strophe spricht fast reines Naturgefühl aus, nur
am Schlüsse: viele Herzen freuen sich darüber, auch das
meinige hofft.
33, 23. Directe Werbung. Der Dichter behauptet, der
Dame lange holt gewesen zu sein. Das habe ihn besser ge
macht — wieder der Gedanke der Veredlung durch die Liebe!
(getiuret 33, 26 wie bei Meinloh 11, 7) — aber nun möge es
ihm auch zum Glücke gereichen, die Frau möge daz ende guot
machen.
Dieses Ziel seiner Wünsche hat der Dichter wohl er
reicht. Denn in der nächsten Strophe 33, 31 muss er schon
den Vorwurf der Vernachlässigung abzuwehren suchen: ,Wer
biderbe und frurn ist (wie ich), den soll man zu allen Zeiten
(und unter allen Umständen) lieb behalten; (ich will mich
nicht weiter rühmen, denn) wer sich allzuviel rühmt, der ver
steht die besten mäze nicht. Aber ein höfischer Mann soll es
nicht allen Frauen recht machen. Wer darin allzuviel thut,
478
Sclierer.
der bleibt nicht sein eigener Herr/ Mit anderen Worten : er
verlangt, die Dame solle ihn lieb behalten, auch wenn er es
ihr nicht immer recht mache.
Diese Vernachlässigung- fällt wohl in den Winter. Denn
der neu beginnende Frühling ruft ihm seine alte Liebe ins
Gedächtniss 34, 3, und die Dame selbst lässt er klagen über
die lange Entfremdung während des Winters 34, 11.
Wenn wir in dem Metrum der beiden ältesten Töne uns
an die Gnomik und Meinloh erinnert fühlten, so zeigt sich
ein gewisser Zusammenhang mit der volkstümlichen Gnomik
auch in der Vorliebe für Reflexionen wie 33, 7 ff. 33, 31 ff.,
die hier in ähnlicher Weise auftreten wie bei Meinloh, und
deren verwinkelterer Gang mit Auslassung vieler Zwischen
gedanken schon an Spervogel (nicht mehr den Anonymus)
gemahnt. Die Dame heisst 33, 24 noch biderbe unde guot, wie
bei Meinloh; später wird sie ein edeliu frouwe genannt (38,33.
39, 12). Und biderbe tritt in Str. 33, 31 neben dem moderneren
hövesch auf.
Fünfter Ton, derselbe, dessen Einfluss auf Veldeke
nachgewiesen wurde. 35, 16 kann sich nicht auf das voran
gegangene Verhältniss (des dritten Tones) beziehen oder wenig
stens nicht in jenen Winter fallen. Denn damals fühlte sich
die Frau vernachlässigt. Hier klagt der Dichter über Hart
herzigkeit, sein trüren gilt jetzt nicht der Trennung wie 32, 20,
sondern es ist Liebessehnsucht. Auch hier muss er seinen
Willen durchgesetzt und Trost für die langen Nächte gefunden
haben. Denn auch hier ist er bald übersättigt und vernach
lässigt die Geliebte, die ihm nicht zu zürnen vermag: so oft
sie ihn wiedersieht, weiss er sie zu versöhnen. —
Einer höheren Stufe in der Entwicklung des Dichters
gehören der erste und der vierte Ton an.
Der erste Ton hat Binnenreime, und dabei wird offenbar
mit Bewusstsein zwischen reinen und unreinen Reimen ge
schieden und jeder Art ihre besondere Verwendung gegeben.
Entweder sind die Binnenreime unrein (schcene: Jcaime, geliebe:
schieden) und die äusseren Reime streng: so in den beiden
ersten Strophen. Oder umgekehrt wie in der dritten: unreine
Endreime niet : liep, sterben : werden bei reinen inneren
stdt : rät.
Deutsche Studien. II.
479
Aber noch nicht genug der Künstelei. Im ersten Reim
paar hat jede Zeile acht Hebungen stumpf, überlange Zeilen
zum Anfang wie im ersten Spervogelton. Man kann etwa
sagen: Waise und Reimzeile sind in einen Langvers zusammen
gezogen. In der dritten Zeile hat der Verfasser entschieden
Silben gezählt, denn es steht entweder (so 32, 3 und 32, 7)
/WWW-| /WWW-|/W-
oder (so 32, 11) / w W W | W W W W | W W -
Im Ganzen also zehn Hebungen klingend, worauf in der
vierten Zeile sechs Hebungen klingend reimen.
So hat wenigstens Lachmann den Ton dargestellt. Bartsch
(Deutsche Liederdichter S. 4 und 308) bezeichnet Cäsur nach
der vierten Hebung der letzten Zeile, indem er bemerkt: ,Die
Cäsur nach der vierten Hebung, die Lachmann nicht be
zeichnet, folgt aus der lateinischen Nachbildung (Carmina
Burana S. 227) amor est quam sentio (: vario) ad gaudia/ Ich
setze die erste Strophe des lateinischen Gedichtes her:
Transit nix et glacies
spirante favonio,
terrae nitet fades
ortu florum vario,
et milvi materies
amor est, quem sentio,
ad gaudia.
Refi. Temporis nos ammonet lasdvia.
Man wird auf den ersten Blick bemerken, dass die vierte
Zeile des deutschen Gedichtes dem Refrain des lateinischen
entspricht, und man wird auch die sechs Hebungen wieder
erkennen, aber ohne Cäsur.
Dafür ergibt sich eine Cäsur in der ersten und zweiten
Zeile, die man freilich in den deutschen Text ungern ein
führen würde, weil in ähnlicher Weise wie in der dritten
Zeile zwei Formen ohne Regel wechseln:
/WWW | WWW;-7
und / w W W — | / — / —
Der lateinische Dichter hat sich an das erste Schema
gehalten, nur die zweite Vershälfte noch trochäisch gemacht.
Sitzungsber. d. phil.-hist. CI. LXXVII. ßd. TU. Hft. 31
480
Scli er er.
Die dritte deutsche Zeile findet sich genau wieder, nur
dass das letzte Melodiestück anderen Rhythmus bekommen
hat: wän diu liüote, dagegen ad gaudia (nicht äd gaudia).
Aehnliches auch sonst, z. B. Carm. Bur. Nr. 166 süeze frouwe,
gnade, dagegen dmnia süperat (nicht ömnid superat).
Auch in dem ersten Tone Dietmars ist der Rest einer
Erinnerung an das Schema der Spervogelweise nicht zu ver
kennen, wenn man z. B. von der dritten Strophe 32, 9 aus
geht: aabbcc, wobei a und b stumpf, c klingend; die Zeilen
des ersten Reimpaares unter einander gleich und ebenso die
des zweiten, aa stark verlängert wie im ersten Spervogelton,
bb viermal gehoben; von dem klingenden Schlussreimpaar cc
die erste Zeile sehr kurz, um eine Hebung kürzer als beim
Anonymus-Spervogel, die zweite Zeile sehr lang, um eine
Hebung länger als bei dem Anonymus. Es ist aber zu beach
ten, dass jedenfalls 32, 3. 7 Verse von vier Hebungen klin
gend ergeben und dass solche auch mehrfach herauskommen,
wenn wir die Cäsuren in den je ersten Reimpaaren annehmen.
In allen drei Strophen dieses Tones hat den Dichter der
Gedanke frappirt, dass man Liebe als eine Krankheit auffassen
könne, wogegen es eine Arznei geben müsse.
32, 1. ,Was hilft gegen die Sehnsucht, die ein Weib
nach ihrem Geliebten hat?' so sprach eine schöne Frau. ,Ich
wollte die Arznei schon kennen lernen, wäre ich nicht unter
Aufsicht. Aber immer muss ich daran denken.'
32, 5. Ich lese der beste frouwen trost und lege die erste
Zeile dem Manne, die zweite der Dame in den Mund. Die
Schlussreflexion kann dem Dichter selbst gehören. — ,Man
sagt, grosse Beständigkeit sei der beste Trost der Frauen.
,Das kann ich nicht glauben, sonst hätte ich ihn erfahren.' So
redeten zwei Liebende beim Scheiden. Ach Minne, wenn man
dich los werden könnte, das wäre das Gescheiteste.
32, 9. Der Dichter kann nicht schlafen, das kommt von
einer schönen Frau, der er gern gefiele, auf der seine ganze
Freude steht. Wie soll dem abgeholfen werden? Er meint zu
sterben. ,Warum hat sie Gott mir armen Mann zur Qual er
schaffen?'
Man kann sich kaum denken, dass alle drei Situationen
erlebt seien, wenigstens gewiss nicht in einem Verhältnisse,
Deutsche Studien. II.
481
die dritte widerspricht geradezu den beiden ersten. Vielmehr
ist Liebesschmerz oder Liebeskrankheit recht systematisch auf
drei Fälle gebracht: die liebende Frau unter Zwang und Auf
sicht; die Liebenden, die sich trennen müssen; der Liebhaber,
der von der Geliebten hartherzig behandelt wird.
In ähnlicher Weise arbeitet er im vierten Tone den
Trennungsschmerz durch. Aber während er im ersten Ton
epische Bestimmtheit der Situation festhielt, vergleichbar den
ältesten Liebesliedern des XII. Jahrhunderts, so spinnt er hier
Gedanken aus in der Weise etwa Meinlohs von Seflingen, nur
breiter und gewandter. Ich trüre mit gedanken niemen kan er-
wenden daz (Meinloh 12, 29) ist sein Thema: Gedanke die sint
ledic fri, dazs in der werlte nieman kan encenden. Wie Meinloh.
hält er sich in der Entfernung die Vorzüge (tugende 34, 34)
der Geliebten vor, die ihr alle zugestehen (11, 3. 10. 12, 36
u. s. w.). Er hat viele Frauen verlassen, wo er die rechte
Herzensfreude nicht finden konnte, wie Meinloh ie welnde fuor,
bis er die Geliebte fand (11, 4). Vor Allem aber beschäftigt
ihn die körperliche Trennung und das geistige Angehören: es
kommt noch nicht zu einem eigentlich zugespitzten Gegensätze
wie etwa bei Hausen in dem bekannten Liede (47, 9) Min
lierze und min Ivp diu wellent scheiden, oder in dem älteren
Sich mähte wiser man verwüeten (51, 29 pert der lip in endende,
min herze helihet doch aldd). Aber der Keim dazu ist vorhan
den: das Herz ist ihr gegeben 34, 24; sie hat es ihm genom
men 35, 3; ganz ihr eigen ist sein Leben 35, 15.
Merkwürdige Anklänge an Hausens Lied (43, 1) Mich
müet deich von der lieben dem dürfen nicht übersehen werden:
Dietmar 35, 9 die ich ze liebe mir erkos, sol ich der so verteilet
sin (34, 26 sol ich von der gescheiden sin), seht, des belibe ich
fröudelbs, und wirt an nimm ougen schin . . . 35, 3 si hat daz
herze mir benomen; daz mir geschacli von wibe e nie. Hausen
43, 12 ich weene an mir wol werde schin daz ich von der ge
scheiden bin, die ich erkos für elliu wip . ■ ■ den ougen min
muoz dicke schaden daz si so rehte liabent erkorn . . . (43, 26)
ze fröuden muos ich urlop nemen; daz mir da vor e nie
geschacli.
Wie bei Meinloh und Hausen, so fehlt in den Strophen
des ersten und vierten Tones jede Hindeutuug auf Natur und
31*
482
Scherer.
Jahreszeit. Von dienest ist darin aber noch nicht die Rede,
doch erklärt sich der Dichter ihr eigen (35, 15) und seine
Leidenschaft sucht nach übertreibenden Aeusserungen, er will
sterben vor Sehnsucht 34, 27 f. 32, 11.
Das Metrum des vierten Tones zeigt Verwendung der
Waise und des überschlagenden Reimes unter einander und
vielleicht dreitheiligen Bau. Richtiger aber geht man wohl von
der sechszeiligen Reimstrophe aus. Denkt man sich darin das
erste Reimpaar klingend wie im zweiten Ton, jede Zeile dieses
ersten Paares auf fünf Hebungen verlängert und dann durch
weg ausser vor dem fünften Verse Waisen vorgeschoben und
diese vor Z. 1. 2. 3. 4 durch stumpfe, viermal gehobene Reim
zeilen ersetzt, so hat man den überlieferten Ton.
Was nun in all den bisher behandelten Gedichten die
Reinheit der Reime anlangt, so bietet der zweite Ton 32, 14. 16
wibe : mide; 17 f. minne : singen; 33, 8. 10 dinge : inne; der
dritte nur 33, 32. 34 lieg : niet; der fünfte 35, 16. 18 zit :
wip (a : d rechne ich nicht); 25. 27 vertragen : gehoben. Der
erste Ton mit seinen Künsten steht für sich, der vierte hat
34, 20; 22 erwenden : sende; 35, 6. 8 künde : ivunne.
Das zweite Liederbuch ist blos in der Handschrift C
überliefert, welche alle Reime genau macht; die ungenauen
können nur errathon werden. Lachmann hat 39, 6 f. zit: wip,
39, 31. 33 rnome : bluomen hergestellt, dazu noch die keines
wegs zweifellosen Vermuthungen zu 38, 33 (ranc : gewalt) und
39, 34 (brach : naht) und die Reime des Tageliedes 39, 18 ff.,
worüber unten. Der Fortschritt in der Kunst wäre sichtlich.
Den Strophenbau im zweiten Liederbuche kann man zum
Theil ohne Zwang als dreitheilig auffassen, aber Sicherheit
ist dabei nicht. Dagegen erkennt man leicht in 36, 34 die
vierzeilige, in' den übrigen Tönen die sechszeilige Reimstrophe
als Grundlage mit den uns schon bekannten Erweiterungen:
das erste Reimpaar gerne klingend oder die Zeile sonst ver
längert. Heber den Ton des Tageliedes unten; die Schemata
der übrigen sind:
(36, 34) I 4 kl. a. 4 stumpf b.
4 kl. a. 4 stumpf b.
5 stumpf c.
4 kl. Waise.
5 stumpf c.
Deutsche Studien. II.
483
(37, 30) II 4 stumpf a.
4 stumpf a.
4 stumpf c.
6 stumpf c.
4 stumpf d.
4 stumpf Waise.
(38, 32) III 3 kl. Waise.
3 kl. Waise.
4 stumpf b.
4 stumpf b.
3 kl. Waise.
2 stumpf (Refr.)
4 stumpf a.
4 stumpf a.
4 stumpf c.
4 stumpf c.
4 stumpf d.
4 stumpf d.
(39, 30) V
4 kl. b.
4 kl. b.
4 stumpf d.
4 stumpf a.
4 stumpf a.
4 stumpf e.
4 stumpf c.
3 kl. b.
3 kl. 6.
Meine Darstellung des dritten Tones, welche von der im
MF. abweicht, fordert Rechtfertigung. Ich habe im ersten,
zweiten und fünften Vers Cäsuren angenommen, weil in
Z. 39, 3 ünde also; 39, 12 frouwe also einen Hiatus ergeben
würde. Dietmar hat keinen Hiatus: die eben angeführte Form,
die man in der Regel allein als solchen ansieht, kommt gar
nicht in Frage, sie mangelt durchaus. Vorhanden sind nur die
Versanfänge so al 32, 9; die ich 34, 10. 35, 9; da ist 34, 21;
da ich 35, G; diu ist 38, 3; nu ist 38, 32: die Synäresis diech
steht bei Dietmar 34, 22, und in den übrigen Fällen wird das
schwach anlautende ist und ich ganz ebenso zu behandeln sein.
Ob so al einsilbig werden kann, mag noch dahingestellt blei
ben; ebenso 36, 35 dar zno ich dich. Anerkennen muss man
jedenfalls 36, 37 nie unstaden, wo man nicht etwa men setzen
kann, wo aber auch weder schwacher Auslaut noch schwacher
Anlaut vorhanden ist.
Es fragt sich nur, ob die oben angenommenen Cäsuren
überall regelmässig wiederkehren, ob nicht wie im ersten
Tone des ersten Liederbuches (wo uns die lateinische Nach-
484
Sclierer.
bildung auf eine solche Annahme führte und die Binnenreime
zur Bestätigung- dienten) die Stelle der Cäsur um eine Silbe
verschoben werden kann, so dass die Waise zwischen drei
Hebungen klingend und vier Hebungen stumpf schwankt.
Dieses Letztere ist mehrfach das Natürlichere, und es ergäbe
sich etwa das Gesetz: entweder Z. 1. 2 mit vier Hebungen
stumpf und dann Z. 5 mit drei Hebungen klingend (so 38, 32 ff.
39, 4 ff.), oder umgekehrt Z. 1. 2 mit drei Hebungen klingend
und dann Z. 5 mit vier Hebungen stumpf (so 39, 11 ff.)
Der erste Ton des zweiten Liederbuches, nur aus
einem Gedichte bestehend (36, 34 ff.), ist die Liebeserklärung
des Dichters und die Bitte um gendde: in directer Anrede an
die Dame, wie in Meinlohs erstem Gedichte. Das muss im
Sommer sein und die Dame muss den Dienst angenommen
haben, denn im Sommer hat ihr der Dichter gedient nach 38, 2.
Der nächste Ton gehört in den darauffolgenden Winter,
mit der Ankündigung der veränderten Jahreszeit beginnt die
erste Strophe 37, 30. Der Dichter ist ihr noch treu und will
es bleiben. Auch die Frau ist froh, dass sie sein Dienstver
sprechen (Sicherheit 38, 10, wie des Besiegten) angenommen
hat und will ihm ihrerseits ihre Treue bewahren 38, 5 ff. Aber
der Dichter will mehr. Sein langes Warten thut ihm weh, er
fleht durch einen Boten um die Erfüllung seiner kühneren
Wünsche 38, 14 ff. Und im Selbstgespräch hofft er, Gott werde
sie ihm günstig stimmen, alle Freude an Frauen ist ihm ver
dorben, wenn die eine nicht bei Zeiten Gnade übt, die sich
an ihm versündigt, obgleich er ihr viel gedient.
Der Anfang des letzten Gedichtes Der cd die werlt ge
schaffen hat, der gebe der lieben noch die sinne — hat dem
anonymen Dichter in des Regensburgers erstem Tone (oben
§. 4) vorgeschwebt.
Im dritten Tone 38, 32 ff. hat Dietmar entschiedene
Fortschritte gemacht, von denen man nicht recht sieht, worin
sie bestehen. Er ist ihr unterthan geworden, wie das Schiff
dem Steuermann, wenn die Woge sich gelegt hat 38, 32 ff-
Die Dame erklärt, dass sie ihn ohne Mass liebe und sich an
die ganze Welt nicht kehren wolle; sie scheint entschlossen,
ihm ihre volle Gunst zu gewähren 39, 4 ff. Aber neue
Zögerung, neue Unzufriedenheit des Dichters 39, 11 ff,
Deutsche Studien. II.
485
Endlich ist das Ziel erreicht: an dieser Stelle des kleinen
Romans tritt als vierter Ton das Tagelied ein 39, 18 ff. Kein
Zweifel, dass es Erlebnissen und Erfahrungen entspricht, die
ans Ende des Sommers fallen und sich, wie der fünfte Ton
39, 30 ff. zeigt, im Winter fortsetzten. Die Liebenden sind
ganz einig und freuen sich, die winterlange Nacht wohl
empfangen zu haben. Aber in der dritten Strophe hat die
Frau schon wieder zu klagen, die Nähe des Geliebten ver
scheucht den Kummer, den seine Vernachlässigung ihr bereitet.
So endigt das letzte Liebesverhältniss wie die drei ersten
des ersten Liederbuches, die wir zu erkennen glaubten, mit
Erkaltung und Entfremdung durch die Schuld des Dichters.
Wie steht es nun mit dem Tageliede? Für die Beurthei-
lung desselben bietet unsere Ueberlieferung fast unüberwind
liche Schwierigkeiten. Der Umstand, dass es blos in C steht
und nicht in einer echteren, die ungenauen Reime schonenden
Handschrift daneben, lässt sich in keiner Weise durch Con-
jecturen gut machen. Unsicherheit bleibt.
Die schwebende Betonung von Sldfest ist bei Dietmar
unmöglich, Lachmanns Verdacht, ziere sei zugesetzt, drängt
sich unabweislich auf, und dass min dann eingefügt werden
müsse, versteht sich.
Z. 25 min friundin ist gleichfalls der Entstellung ver
dächtig, aber nicht aus friundin min, sondern aus friivendin,
wie schon Wackernagel vorschlug. Die starke Kürzung gebiutst
kann durch Streichung von daz vermieden werden, und wir
hätten demnach zu lesen: swaz du gebiutest, leiste ich, friwen-
din. Die Kürzungen in 33, 14 sind leichter, weil sich dort nur
Liquiden häufen.
Z. 27 lies eine mit Wackernagel? Der Reim weinen : eine
wie 32, 17 f. minne : singen; 34, 20. 21 envenden : sende;
39, 31. 33 ruome : bluomen.
Auch Z. 28 ist das überlieferte her ze mir mit dem bei
Dietmar unerhörten zweisilbigen, nicht verschleifbaren Auf-
tacte, und das darauf reimende sant dir, das man erst wieder
in sament dir verwandeln muss, damit es in den Vers passe,
der dann aber wieder zu lang ist und erst durch die Kürzung
füerst min möglich gemacht werden muss — alles dieses ist
486
Scherer.
dringend verdächtig, und natürlich war es wieder der ungenaue
Reim, der hinweggeschafft werden sollte und C zu solchen Un
möglichkeiten verführte. Aber her : dar geht bei Dietmar
nicht, der nur consonantisch ungenauen Reim zulässt. Auch
würde sich C dann einfach durch die Schreibung har : dar
geholfen haben. Was mir sonst einfällt, her : enwec, erfüllt die
Bedingung im Allgemeinen; es ist ein ungenauer Reim der
selben Kategorie, aber doch von härterer Art, als sie sonst
bei Dietmar begegnen. Vielleicht wider raren : dare? Oder
icider varen: dane (varn: dan) ?
Wenn das Gedicht von Dietmar ist, so muss es aus
seiner frühesten Zeit stammen, welcher auch allein der Reim
friedel : ziere gemäss ist und die Bezeichnung der Dame als
friwendin wie im zweiten Tone 32, 13 und der ganze alter-
thümliche conjunctionslose Stil. Die Formel des Abschiedes
Z. 25 erinnert zwar an Meinloh 15, 15 ff., aber sie muss doch
nicht nothwendig auf der Sitte des Frauendienstes beruhen
und diesen voraussetzen. Der Dichter hätte also eine eigene
ältere Romanze hier eingefügt, um anzudeuten, dass ihm Liebes-
genuss zu Theil geworden.
Und dies ist wohl die wahrscheinlichste Vermuthung.
Weder lassen sich die reinen Reime halten, die hier im zwei
ten Liederhuche nothwendig wären, noch scheint es denkbar,
dass der Dichter ein fremdes Product, selbst wenn es ein be
kanntes Volkslied war, unter die seinigon aufgenommen hätte.
Vortrefflich stimmt dazu das Metrum. Es ist in keiner
Weise volksthümlich, gerade das Unvolksthümliche darin aber
findet sich bei Dietmar wieder, und zwar in den erkennbar
ältesten Gedichten, die wir sonst von ihm besitzen.
Die beiden ersten Zeilen sind die des zweiten Tones
ohne Waisen, 3 : 4 Hebungen klingend. Und in Z. 3. 4
wiederholt sich das Längenverhältniss, nur mit stumpfem
Reime, 4 : 5 Hebungen stumpf, wie sich im zweiten Ton das
zweite Reimpaar zum dritten verhält.
Obgleich dies also leicht Dietmars frühestes Gedicht sein
mag, so haben wir — so viel ich sehe — doch keinen genü
genden Anhaltspunkt, um das Tagelied für eine einheimische
Gattung zu halten. Dietmar gebraucht 33, 35 in seinem dritten
Zweitältesten) Tone den Begriff hövesch. In demselben Ge-
Deutsche Studien. II.
487
dichte 33, 34 auch das Wort mäze im technischen Sinne, und
weniger technisch sonst noch: äne mäze 32, 15. 39, 2; des ich
mich nilit gemazen Jean 35, 23. Aber wo die provenzalische
cortesia und mesura ist (Diez Poesie der Troub. S. 49. 149),
da kann auch die provenzalische alba sein. Freilich die
specielle Eigenthümlichkeit der Form, den beliebten Refrain,
der das Wort alba zu enthalten pflegt (Diez S. 115. 151) und
den Heinrich von Morungen nachahmt (MF. 143, 22: vergl.
Diez S. 265 f.), hat Dietmar nicht aufgenommen.
Aber nicht durchaus nothwendig war der Refrain im
provenzalischen Tageliede. Bartsch führt in seiner Abhandlung
über die provenzalischen und deutschen Tagelieder S. 8. 9 ein
solches an und es ist gerade auch das einzige, in welchem der
Liebende und die Geliebte redet und die Rede nach Strophen
getheilt ist. Aber zu einem eigentlichen Dialoge zwischen den
Beiden, wie ihn Dietmar noch einmal in gleicher Situation und
schon ein älterer Dichter MF. 8, 9 hat, kommt es auch hier
nicht. Abgesehen von der einen erzählenden Zeile 39, 26, die
aber auch nur Empfindung der Frau wiedergibt, sind die
Strophen in regelmässigem Wechsel aufgetheilt, in der ersten
spricht die Frau, in der zweiten der Ritter, in der dritten die
Frau. Desgleichen bei Morungen regelmässiger Wechsel Strophe
um Strophe. Bei Walther in Halbstrophen mit epischem Ein
gang und Schluss: die Frau beginnt ihre Rede regelmässig
mit den Worten min friunt oder friunt wie in jenem proven
zalischen Liede amicx, oder in einem andern bels dous amicx,
oder wie in fünf Strophen der wachsame Freund bei companho.
Dietmars Tagelied bietet aber noch bestimmtere Anklänge
an eines der ältesten provenzalischen, dessen Verfasser nicht ge
nannt wird: Bartsch Provenz. Leseb. S. 104 (der ersten Ausgabe,
die zweite ist mir nicht zur Hand), übersetzt von Diez S. 151 f.
In einem Garten unter dem Laub des Weissdorns hielt
die Dame ihren Freund bei sich, bis der Wächter ruft, er
habe das Morgenroth gesehen. Hierauf vier Strophen, worin
die Frau spricht und das, was unterdessen geschieht, aus ihren
Worten entnommen werden muss. Der Anfang ihrer Rede
führt aber weiter zurück als der Anfang des Gedichtes. Sie
beginnt mit dem Wunsche: Blieb’ es doch Nacht, dass der
Freund nicht zu scheiden brauchte, dass der Wächter den
488
Scherer.
Tag nicht sähe. Daun fordert sie den Ritter auf zum Küssen
auf der Wiese beim Gesang der Vögel (und das geschieht,
muss man annehmen). Hierauf verlangt sie: Beginnen wir ein
neues Spiel im Garten, wo die Vögel singen, bis der Wächter
seine Pfeife bläst. Und hiermit sind wir erst bei der Situation
vom Anfang des Liedes, aber wir müssen uns denken, dass
nun wirklich das Signal ertönt und der Ritter Abschied nimmt,
denn in der nächsten Strophe spricht sie schon von seinem
Athem, den sanfte Luft ihr zugetragen hat. Es folgt in der
letzten Strophe ein Loh der Dame, welches der Dichter aus
spricht.
Audi das Liebespaar der deutschen Alba ruht wohl im
Freien unter der Linde und das Vöglein ist dabei wie in
Walthers bekanntem Liede. Auch hier wird der Weckruf (ohne
Zweifel des Wächters) gefürchtet. Und auch hier muss man
den Abschied ergänzen, der Ritter sagt nur, er wolle ihr Gebot
befolgen (vergl. Walther 89, 32 gebiut mir, Id mich varn).
Aber die erste Strophe kehrt noch genauer wieder in der
Alba des Guiraut von Bornelh (Bartsch Lesebuch S. 100):
Bel companho, en chantan vos apel,
non dormatz plus, qu’ieu aug cliantar l'auzel,
que vai queren lo jorn per lo boscatge —
Paul Heyse übersetzt (Spanisches Liederbuch S. 275,
vergl. Diez Leben der Troub. S. 141):
Mein süsser Freund, die Warnestimme singt:
Schlaft fürder nicht! Das Lied der Vögel klingt,
Die lichtgewärtig durch die Büsche streichen.
Es ist gewiss nicht richtig, wenn Bartsch (Tagelieder
S. 18) mit Bezug auf Dietmars Tagelied bemerkt: ,Vielleicht
will der Dichter nur das Vöglein, das auf der Linde singt, als
Wächter und Wecker bezeichnen/ Ganz deutlich wird ge
schieden zwischen dem Weckruf, den man erwartet, und dem
Gesang des Vogels, auf den sich diese Erwartung gründet.
Ob als der Weckende der Wächter oder ein Freund
gedacht wird,, das können wir nicht wissen. Das Letztere,
wie bei Guiraut von Bornelh, ist in einem nur fragmentarisch
Deutsche Studien. II.
489
erhaltenen Tageliede der Fall (Carmina Burana S. 215), das
schon Bartsch (Tagelieder S. 30) verglich:
Ich silie den morgensterne brehen:
nu, heit, Id dich niht gerne sehen:
vil liebe, dost min rät.
swer tougenliche minnet,
wie tugentliclie ez stdt
da friuntschaft huote hat!
Wer die Reflexion in den Schlusszeilen spricht, kann man
zweifeln: wohl auch der Hütende, vergl. Wolfram 6, 13 ff. und
den Wächter bei Cadenet (um 1200), der ,seine Grundsätze
auseinandersetzt, die ihn Liebende beschirmen heissen' (Bartsch
Lesebuch 103, 33 ff. Tagei. S. 11). Die Strophe bietet wohl
das älteste Beispiel eines Tageliedes nach Dietmar. Die Reime
sind rein und alle stumpf, sie stehen paarig oder zu dreien:
das Letztere findet sich auch am Schluss der Strophe, auch
beim Rietenburger. Bei demselben die dreimal gehobenen
Verse; aber hier haben sie nach Art der Kürenbergsweise
einmal noch die klingende Waise neben sich. Die wieder
holten Vocative (heit, vil liebe) erinnern an die innige alte
Frauenstrophe MF. 37, 18 (min trüt, heit, lieber man). Der
Doppelreime wie sterne brehen : gerne sehen, der Anklänge
tougenliche : tugentliclie (überliefert ist iougenlichen und tugent-
lich daz, ich habe das grammatisch richtige Adverbium her
gestellt und das parallele Adverbium formal gleich gemacht)
erinnert man sich aus Rietenburg und Meinloh. Und aus dem
Letzteren ist auch die Verkettung der Begriffe tougen und
tugent, sowie die etwas trockene Reflexion bekannt, die sich
mit Vorliebe um heimliche Liebe dreht.
Wie in dem verwandten Liede Tougen minne diu ist guot
alle Zeilen trochäisch sind mit Ausnahme derjenigen, die nach
der Waise steht, so sind sie hier alle iambisch wie im ersten
Ton des Regensburgers. Und diesen iambischen Charakter,
wie die Situation, welche das Gedicht behandelt, hat auch die
lateinische Nachbildung der Carmina Burana beibehalten, deren
Schluss metrisch abweicht.
490
Schere r.
Si puer cum puellula
moraretur in cellula,
felix coniunctio
' amorem succrescentem
parit e medio,
avulso procul taedio
fit ludus ineffabilis
membris lacertis labiis.
Den Schluss von Wolframscher Sinnlichkeit hat Schmeller
aus dem überlieferten membris desertis labilis hergestellt. Seine
sonstige Behandlung des Gedichtchens war nicht glücklich; er
setzte Punkt nach coniunctio und pariter für parit, das über
lieferte amore sucrescente behielt er bei. Mau sieht, die Beim
ordnung stimmt bis zur sechsten, das Metrum bis zur fünften
Zeile: die sechste ist um zwei Silben erweitert, und zwei
Verse kamen hinzu, vielleicht dass die Melodie in den Anfang
zurückkehrte.
Zu dem deutschen Original bemerke ich noch, dass auch
bei Guiraut von Bornelb der wachende Freund den Stern, der
den Tag bringt, gross im Osten sieht: dringend und innig
mahnt er zum Aufbruch.
Die Zeit Guirauts wird von Diez ungefähr airf 1175 bis
1220 fixirt. Ich meine natürlich nicht, dass die Aehnlichkeiten,
auf die ich hinwies, di recte Benutzung verrathen, dazu reichen
sie nicht aus, obwohl ihr Gewicht dadurch verstärkt wird, dass
wir eben die ältesten deutschen mit den ältesten provenzali-
schen Tageliedern verglichen und dass das Motiv des wach
habenden Freundes überhaupt sonst nicht wiederzukehren
scheint, weder in deutscher, noch in provenzalischer Poesie.
Jedenfalls aber sind wir berechtigt, jene Gedichte als Reprä
sentanten ihrer Typen innerhalb der Gattung für entschieden
verwandt zu erklären.
Dass Dietmar in dem ersten Tone des ersten Lieder
buches auf das Grundmotiv zurückkommt, wurde schon be
merkt. Und man könnte sich in dem dritten Gedichte dessel
ben Tones (schlaflose Nacht des Dichters) an die uneigentliche
Alba erinnert fühlen, von welcher Bartsch (Tagei. S. 11 f.)
zwei Beispiele, von Hugo de la Bacalaria aus dem Anfang des
Deutsche Studien. II.
491
XIII. Jahrhunderts und von Guiraut Riquier, anführt. Aber
es dürfte dann mindestens das Herbeisehnen des Tages nicht
fehlen: das Motiv als solches wird auch sonst Vorkommen.
Wenn man die mehrfach erwähnte Abhandlung von
Bartsch (im Album des litterar. Vereins in Nürnberg 1865)
aufmerksam liest, so kann man sich des Eindrucks nicht er
wehren, dass die Alba aus den tageliet des Wächters (Lach
manns Walther S. 202) entsprungen sei. 11er feststehende
Refrain mit der Tagankündigung, in den meisten Gedichten
der Art conventionell, muss doch irgendwo seinen realen Grund
gehabt haben. Wo anders, als in dem Morgengesang des Wäch
ters?. Herbort überliefert den Ruf wol üf, ritter, über cd! wol
uf! ez ist tac. Mit diesem feststehenden Rufe verband der
Wächter Verkündigung dessen, was sich über Nacht begeben
oder was der Morgen ans Licht bringt. Aus jenem festste]len-
den, diesem veränderlichen Elemente bestand sein Gesang:
wirklicher Gesang, wie ich nicht bezweifle, nach Art der jetzt
freilich aussterbenden Lieder des Nachtwächters. Dem Weck
rufe gesellte sich das Signal eines Blasinstrumentes. Dies
Alles ergibt sich aus dun von Lachmann angeführten Stellen
und war ohne Zweifel allgemeine mittelalterliche Sitte.
An solche Wächterlieder knüpft die uneigentliche pro-
venzalische Alba wieder an, worin der wachende Dichter dem
Tag entgegensingt.
Aber es war auch wohl üblich, mit jenem Gesänge ein
Mor gengebet, einen Morgensegen in Verbindung zu bringen
nach Art vieler kirchlicher Hymnen. Unter den 26, welche
Jakob Grimm herausgegeben, befinden sich nicht weniger als
sieben, welche, bestimmt des Morgens gesungen zu werden,
auch den Morgen ausdrücklich erwähnen oder sogar schildern:
2 Deus qui codi lumm es; 3 Splenclor paternae gloriae;
4 Aeterne lucis conditor; 5 Fulgentis nuctor aetheris; 8 Diei
luce reddita; 19 Aurora lucis rutilat; 25 Aeterne rerum conditor.
In dem zuletzt erwähnten heisst es:
Praeco diei iam sonat
noctis profundae pervigil
nocturna lux viantibus
a nocte noctem segregans.
492
Scherer.
Hoc excitatus Lucifer
solvit polum cäligine,
hoc omnis errorum chorus
viam nocendi deserit.
Und auch sonst wird vom Lucifer und Phosphorus ge
redet, dem tagastern, wie ihn die Mönche des IX. Jahrhunderts
übersetzen:
Aurora stellas iam tegit
rubrum sustollens gurgitem,
liumectis namqiie flatibus
terram baptizans roribus.
Currus iam poscit Phosphorus
ra.diis rotisque ßammeis,
quod coeli scandens verticem
profectus moram nesciens.
Iam noctis umbra linquitur
polum caligo deserit
typusque Christi Lucifer
dicm, sopitum suscitans.
Man vergleiche damit die geistlichen Albas, wie sie
Bartsch S. 12- 14 bespricht. Mag das weltliche Tagelied auf
sie zurückgewirkt haben, das konnte in formellen Dingen und
einzelnen Wendungen kaum ausbleiben: ihr wesentlicher Grund
ist kirchlich und religiös, ambrosianisch. Auch weltliche Albas
beginnen mit Gebeten, so die des Guiraut von Bornelh und
die des Raimon de la Sala. Der Anfang der ersteren ist ganz
hymnisch, wenn mir ein 0 vera lux et claritas auch nicht gleich
zur Hand ist: Reis glorios, verais lums e clardatz, dieus poderos.
Es liegt nahe, dass der Wächter in seinem Gebete den
göttlichen Schutz auf diejenigen herabfleht, die er behüten soll.
Setzen wir dafür speciell die Liebenden, so ergibt sich das
Motiv von Guirauts erster Strophe. Eine neue Wendung ist
es, wenn der Weckruf den Liebenden gilt und darauf eine
Erwiderung erfolgt wie bei Guiraut in den weiteren Strophen.
Die realen Verhältnisse, die sich darin spiegeln, wenn der
Wächter nicht ein gesellschaftlich gleichgestellter Freund ist,
Deutsche Studien. II.
493
scheinen, bei Wolfram durch: der Wächter empfängt Lohn
(vergl. 4, 26), er soll dafür sein allgemeines Wecklied unter
lassen (6, 12) oder verschieben, den Gast erst warnen.
Sehr richtig hat Bartsch von dieser Gattung die andere
geschieden, in welcher der Wächter nicht Vertrauter ist, folg
lich auch nicht speciell die Liebenden wecken kann: so in
zwei Gedichten Wolframs (3, 1. 7, 41) und in dem Tageliede
Walthers von der Vogelweide. Das provenzalische Vorbild
behält in der Regel aus dem Wächterliede bei: die Erwähnung
des Wächters und seines Gesanges, die Schilderung des Mor
gens und den Refrain. Wovon dann im deutschen Nachbild das
eine oder andere verloren geht. An sich ist das Scheiden der
Liebenden ein neues Motiv, das in den Rahmen des Wächter
liedes nur äusserlich hineingefasst wird.
Das drittälteste deutsche Tagelied ist wohl das in der
Handschrift A unter Leutold von Seven überlieferte (s. Deutsche
Studien 1, 314 f.), wovon nur die erste Strophe erhalten:
,Die nu M liebe släfen
und in den sorgen gern dem tage,
die ensümen sich nu niht.
ja vurhte ich daz man loäfen
5 schrie oh in, daz ist min clage.
ich sihe ivol, daz ist al, enivilit. 1
also sprach ein wahtcere
,ez ist mir iemer swcere,
sol in da von gewerren iht.‘
Ueberliefert ist Z. 6 allez an lieht. Die Reimordnung' ahcabcddc,
vier Hebungen stumpf oder drei Hebungen klingend.
Wolfram wüsste ich kein anderes Verdienst um das Tagelied
zuzuschreiben, als die virtuose wundervolle Behandlung und den
künstlerischen Ernst und Geradsinn, mit welchem er die Wahr
heit der Dinge an den Tag bringt und die sinnliche Glut im
Gedichte nicht zurückhält, wo sie der Wirklichkeit gemäss war.
Hauptsache ist dabei die geistige Wirkung: dass im Augenblicke
der höchsten Gefahr die Leidenschaft noch einmal mächtig auf
lodert — und hier wird sie uns erst von Angesicht zu Angesicht
gezeigt —, dass also Liebe stärker ist als Furcht vor Schimpf
und Tod, das gibt uns einerseits eine athemlose, mitleidende
494
Sclierer.
Angst, andererseits eine Ahnung- von tiefer, verzehrender Gewalt
allbeherrschenden Gefühls, deren Eindruck alle schildernden
Versuche des mlid. Epos weit übertrifft. Nur Wolfram selbst
hat sich übertroffen mit dem Gegenstück zum Tageliede, mit
dem Bilde der Ehe im Willehalm, worin er eben so grossartig
unbefangen die unverholene Wahrheit der Natur hinstellt: der
arme, gehetzte, schlachtmüde Mann, der im Anno des Weibes
Pflege, Ruhe, Erquickung, Wonne sucht. Ich weiss keinen
Dichter, der etwas Aelmliches gewagt und gewonnen hätte.
Wolfram hat das Wächterlied weder erfunden noch in
Deutschland eingeführt. Und in der Anlage des Tageliedes
überhaupt sehliesst er sich genauer an die fremden Muster als
Andere. Er hat der Gattung alles Conventionolle, Unwirkliche
abgestreift und daher wohl geflissentlich den Wechselgesang
der Liebenden, das Scheideduett verschmäht, wie es z. B.
Dietmar, Morungen, Walther kennen. Und dieses gerade schein
eigentümlich deutsch. Wechselgesang als solcher, besonders
Mann und Mädchen wechselnd, aber nicht speciell in der
Situation des Tageliedes, muss in Deutschland sehr beliebt und
vielleicht altüberliefert gewesen sein. Darauf würde eine erschö
pfende Betrachtung der Frauenstrophen wohl führen.
Wir kehren nun zu Dietmar von Aist zurück.
Es ist mir öfters eingefallen, und ich habe seine Gedichte
darauf hin betrachtet, ob sie vielleicht von verschiedenen Ver
fassern herrühren. Auch Wackernagel bemerkt (Altfranzösische
Lieder und Leiche S. 202 n.), das was die Handschriften unter
dem Namen Dietmar zusammenstellen, sei keineswegs alles von
gleichem Alter: ,sie vermengen zwei Dietmare oder sonst ver
schiedene Dichter/ Ich glaube nun nicht, dass, abgesehen von
unechten Anhängen oder Einschiebseln, sich eine solche Ansicht
wahrscheinlich machen und die Entstehung- der Liederbücher
nach unserer sonstigen Ivenntniss der Ueberlieferung mhd. Ly
riker begreifen Hesse.
Auch fehlt es bei aller Verschiedenheit des Stils nicht
an durchgehenden Eigenthümlichkeiten.
Die Vermeidung des Hiatus wurde schon erwähnt, ebenso
die Seltsamkeiten der Cäsur im ersten Ton des ersten (I) und
im dritten Ton des zweiten Liederbuches (II). Die Senkung fehlt
Deutsche Studien. II.
495
nirgends, lies 32, 9. 33, 9 werelt (wie z. B.Reinmar MF. 152, 10);
32, 13 friwendinne. Der Auftact ist niemals zweisilbig. Die
Waise kehrt in II wieder, nachdem sie in den jiingern Tönen
von I verlassen schien. Dialog der Liebenden I. 32, 5 ff. II.
39, 18 ff.; letzteres freilich wohl das älteste erhaltene Gedicht,
aber diese Annahme setzt die Einheit des Verfassers voraus,
die es hier erst zu beweisen gilt. Frau ausdrücklich durch
epische Formel redend eingeführt I. 32, 3. II. 39, 7. Frauen
lied als Abschluss eines Liebesverhältnisses, als letztes Gedicht
eines Tones: Ii 33, 7. 34, 11. 35, 24. II. 40, 11. Botenlieder:
Aufträge an ihn I. 32, 13. 21; der Bote spricht II. 38, 14. —
Liebesgcnuss in der Winternacht I. 35, 20. II. 40, 3. Gott
eingemischt als Schöpfer und allmächtiger Herr der Dame
I. 32, 12. II. 38, 23.
Manches was einerseits die Einheit, anderseits die Fort
bildung des Verfassers ins Licht setzt, ergibt sich schon aus den
bisherigen Betrachtungen. Alles überschauen lassen würde nur
eine vollständige Syntax und Stilistik des Dichters und ein
Wörterbuch seiner Sprache. Ich will noch einige Beiträge
dazu liefern.
Das Wort herze mit seinen obliquen Singularformen kommt
in den Kürnbergsliedern nur als Ausgang der Waise vor 7, 25
min herze, sonst mit dem bestimmten Artikel 8, 23. 25. 9, 13:
natürlich nur in den Strophen der Frauen, diese Männer reden
noch nicht von ihrem Herzen. Meinloh hat es auch zweimal
in der Cäsur 12, 7.11 und ebenso der Verfasser des unechten
Gedichtes 14, 7 ; ausserdem Meinloh noch zweimal 13, 34 mm
herze; 14, 30 viines herzen leide. Der Regensburger bringt es
niemals in der Cäsur, obgleich die Waisen seines zweiten
Tones klingenden Ausgang haben: mm herze 16, 20. 17, 6;
minem herzen 16, 3.
Der Rietenburger verwendet die Waise nicht, und im
Reim auf smerze scheint die mhd. Poesie herze fast nur bei
Epikern zu kennen:’ jenes Wort hatte wohl nur ein begrenztes
1 Im MF. kommt der Reim herzen : silierzen, smerze : herze, wie mir einer
meiner Zuhörer nachweist, nur bei Fenis 85, 28 und bei Heinrich von Mo-
rungen 146, 7 vor: bei dem letzteren herze einmal in der Waise 135, 37
und sehr oft herze iitin im Reime (besonders auf schm, denn Morungen
Sitzungsber. d. phil.-hist. CI. LXXVII. Bd. III. Hft. 32
496
Sclierer.
Gebiet, unter den Synonymen des Liebesschmerzes bei Lyrikern
wird man es selten linden. Der Rietenburger sagt 19, 33 nun
herze erlcos mir dise not, und ausserdem hat er nur manic herze
ist frö 19, 8 in einer formelhaften volkstümlichen Wendung,
die zur Bezeichnung der Freude, welche der Frühling bringt,
mehrfach gebraucht wird (3, 23. 4, 16. Dietmar 33, 21).
Bei Hausen spielt das Herz bekanntlich eine grosse Rolle.
Ausser Wendungen wie 43, 36 mangen herzen ist von huote ive;
44, 35 ein horte herze; 45, 38 von herzen; 47, 8 ein holdez herze
tragen oder dem Vocativ lierze 47, 25 steht immer ein Possessi-
vum daneben, 55, 4 sin herze, sonst min, oder wenigstens ein
Personalpronomen in der Nähe (ich, mir, mich) oder es wird auf
ein min herze zurückbezogen: des lierzen 42, 8; daz herze 47, 12.
19. 49, 13. 21. 52, 14. 53, 9. Dagegen min herze 42, 19. 44,
27. 45, 20. 46, 9. 36. 47, 9. 48, 3. 50, 15. 34. 51, 30; minem
herzen 49, 31. 51, 3; mim herzen 53, 24. Hausen hat nur wenige
und nur stumpfe Waisen, da kann das Wort nicht Vorkommen,
ebensowenig im Reime, wie wir schon sahen. Aber wenn man
umstellt daz herze min, so gibt es einen sehr bequemen Reim.
Hausen hat diese Umstellung im ersten Liederbuch nur ausser
Reim 50, 12. 54, 32; im zweiten Liederbuch nur im Reim
44, 7 (: fri) 45, 12 (: sin und andere r/une Reime); im dritten
Liederbuch überhaupt nicht.
Veldeke kennt die Waise vielleicht gar nicht; er hat
daz herze min in einem seiner frühesten Gedichte im Reim
(: sin, schin, vogellin) 59, 15. Ausserdem daz herze 60, 15; min
herze 65, 34. 67, 12; ir herze 67, 32 und dazu in den beiden
Anfangsgedichten der Sammlung 56, 7. 23. 57, 15. 26. 35.
Walther von der Yogelweide gebraucht herze min nur im
Reim, aber verhältnissmässig nicht gerade oft: 42, 13. 72, 19.
30. 98, 10. 99, 29. Den übrigen Gebrauch des Wortes kann
man bei Hornig S. 137 bequem überschauen.
Ich brauche zur Würdigung Dietmars keinen anderen weiter
herbeizuziehen. Ihm ist das Herz in seiner Poesie so nothwendig
spreche gerne vom Glanze) 125, 1. 126, 16. 26. 127, 4. 130, 38. 131, 8.
16. 139, 4. 140, 17. — Ich kann nicht umhin hervorzuheben, dass die
Gedichte des Fenis und des Morungers, welche jenen Keim enthalten,
unsicher bezeugt und wahrscheinlich unecht sind.
Deutsche Studien. II.
497
wie dem Friedrich von Hausen. Auch er hat meist stumpfe
Waise, aber unter den wenigen Fällen der klingenden findet
sich II. 39, 11 min herze. Dieselbe Verbindung ausser Cäsur
und Reim I. 32, 2. 6. 35, 29. H. 38, 32. 39, 11. 40, 10; minem
herzen I. 34, 36. Dazu daz herze I. 35, 3. II. 38, 6; von dem
herzen 34, 22 (neben ich und mir); swaches herzen rät 33, 12;
manic herze 33, 21 (vergl. oben zum Rietenburger); ein senen-
dez herze treit 38, 19 (vergl. ein holdez herze tragen bei Hausen
47, 8); verholn in sime herzen 38, 8 (vergl. verholne in dem herzen
bei Meinloh 12, 7). Run aber auch daz herze min im Reim I.
32, 20. 33, 4. 34, 6. 24. II. 40, 15: also der Gebrauch nimmt
ab; schien das später ein zu bequemer, zu nahe liegender Reim
wie heute Herzen : Schmerzen verspottet wird? Ausser Reim dem
herzen min I. 34, 33; daz herze min II. 38, 1. Auf Reimnoth
und Reimreichthum, welche Wörter an gewisse Versstellen
passen u. dgl., ist in der mhd. Poesie noch wenig geachtet.
Ich mache ferner aufmerksam auf die Synonyma der
Trauer, welche — wie schon erwähnt — von Anfang an bei
diesem Dichter Vorkommen. Hier ist der Unterschied grösser
als die Einheit: trüric 32, 20. trüren 35, 22. 32, 1. ungemüete
33, 2. jdmer 34, 8. hule 32, 12. unerlost 32, 6. fröidelds 35, 11;
alles nur in I. Aber senen 35, 25. 34, 21. seneliclie 35, 2. senende
I. 32, 13. 35, 19. II. 38, 19. leit Adj. 39, 24. leit Subst. 33, 5.
35, 28. II. 39, 12. (24.) 32. leide 40, 18. hetwungen I. 32, 2.
II. 40, 15. mir, im tuot — we I. 32, 15. 34, 29. II. 38, 20.
Dagegen nur in II sorge 37, 3. 38, 9. 39, 15. arebeit 38, 12.
swcere 40, 14. Bei Rietenburg, um wenigstens einen Anderen zu
vergleichen, findet sich leit 18, 8. sorge 19, 1. swcere 19, 2. not
19, 33. harnschar 18, 28. hetwungen 19, 11. Die Synonyma,
welche Meinloh gebraucht sind oben §. 3 zusammengestellt.
Man könnte sagen, Dietmar geht von Meinloh zu Rietenburg
über. Ein anscheinend so gewöhnliches Wort wie kum.ber ge
brauchen diese Dichter nie, auch Veldeke nicht, wohl aber
Hausen. Etat er es eingeführt?
Das Tagelied Dietmars hat die alte Formel liep eine leit
39, 24.
Die Ausdrücke für Freude sind lange nicht so mannig
faltig wie die für Leid: fröude geht durch I. 34, 17. 32, 11.
35, 7. II. 38, 3. 22. (39, 29.) 40, 4. 9. 16. Jenes liep noch
32*
498
Scherer.
zweimal iu II in der Verbindung min fröide und al min liep
38, 3. mit manegev fröide und liebes vil 40, 9. Das feminine
Abstractum liebe nur I. 35, 9, wo lierzeliebe vorausgeht 35, 6
und fröide daneben gleichbedeutend (35, 7) gebraucht wird.
Das Neutrum für Geliebte 33, 11. 35, 9. II. 40, 2. Das Ad-
jectiv zur rühmenden Bezeichnung der Frau ein rehtiu liebe
I. 34, 23. der lieben II. 38, 24. Ausserdem nach liebem manne
32, 1. liep und lieber haben 32, 17. 33, 32. der ich gerne wcere
liep 32, 10: alles auf I beschränkt. Nur einmal gemeit I. 33, 1;
höher muot II. 38, 28, vergl. 38, 5 ho tragen daz herze und
al die sinne.
Nur in II. 37, 2. 38, 29 genäde. Nur in I. 32, 5. 33, 22.
35, 19 tröst, troesten, getrcesten. Das Ziel des Liebeswerbens
ende I. 33, 29 vergl. 32, 3. II. 38, 32.
Das Verbum gewinnen, das sich für verschiedene Wen
dungen als ein gewählterer Ausdruck darbietet, steht nur in
II. 36, 37. 38, 28. Das ebenso gewählte Verbum erkiesen ge
braucht Dietmar so wenig wie Meinloh. In dem alten Liede
Ez stuont ein frouwe alleine erscheint es zweimal synonym mit
erweln: der Falke erkiuset den Baum, die Frau erkiuset den Mann
(37, 10. 13). Wie anders ist die Verwendung bei Rietenburg,
wo die Minne liarnschar nie erkös (18, 28) und das Herz erkös
mir dise not (19, 33). Für Up mit dem Possessivuni statt des
Personalpronomens bietet Rietenburg wenigstens ein sicheres
Beispiel (19, 5 ir vil minneclichen Up, altfr. son gent cors), vgl.
19, 9. 32; ebenso Meinloh 13, 10 (vgl. 15, 14), ja sogar im
Kürnbergslied 8, 14: Dietmar hat es nicht. Die Auswahl des
gewöhnlichen charakterisirt ebenso sehr wie das ungewöhnliche.
Unser Blick ist nur für die erstere nicht so geschärft.
Wie beim Rietenburg singt in Dietmars zweitem Lieder
buch die Nachtigall (18, 17. 37, 32), im ersten nur die vogellin
(33, 16. 34, 4. 16).
Syntaktisch ist das Tagelied am einfachsten. Fast durch
gängig jeder Vers ein Satz. Keine Conjunction als und 39, 27;
nu 39, 23. Kein abhängiger Satz, nur swaz du gebiutest 39, 25.
Frage zweimal 39, 18. 28. Exclamation mit Interjection 39,
29 owe.
Frage I. 32, 1. 11. 12. 35, 24. 30 (im fünften und ersten
Ton): fehlt in II. Exclamation und Interjection I. 33, 15 aM
Deutsche Studien. II.
499
33, 25 wie wol. 35, 20 so wol mich. 35, 28 we daz. 32, 7 owe.
35, 2 wie seneliche. II niemals mit Interjection, welche auf den
Refrain so höh uioi S. 39 beschränkt ist: 38, 10 wie selten. 39,
10 wie schöne. 39, 11 wie. Auch das versichernde jö nur in
I. 33, 35. 32, 11.
Während in I also nur auf vorangegangene Rede zurück
weist 32, 3. 7, findet sich vergleichendes als in II mehrfach:
38, 35. 39, 14. 40, 7. 10. Der ausgeführte Vergleich 38, 34 ff.
erinnert daran, wie die Troubadours den Zustand ihres lieben
den Gemüthes durch Gleichnisse zu erläutern suchen, wie
es z. B. Rudolf von Fenis dem Folquet von Marseille nachge
dichtet hat.
Auf durchgehendes nu (32, 14. 19. 21. 33, 15. 19. 34, 36.
II. 37, 2. 38, 21. 32. 39, 8. 15. 40, 16) sö, sit, daz u. a. ist ebenso
wenig für die Einheit Gewicht zu legen, wie etwa das auf I
beschränkte wan 32, 2. 3 oder das auf II beschränkte dar zuo
36, 36. 37, 1 (vgl. Meinloh 15, 2) für das Gegentheil spricht.
Bedeutsamer ist das relative and, wenn auch in verschiedener
Bedeutung, I. 35, 26. II. 38, 31. Die swer swaz sind häufiger
in I. 33, 11. 27. 33. 34, 2. 35, 30 als in II; doch kehren sie
hier wieder im letzten Tone: 39, 32 swaz. 40, 2 swä. Das zu
gehörige swenne je einmal I. 35, 30. II. 39, 1. Niemals ohe,
niemals doch, niemals noch (s. dagegen den Rietenburger §. 4).
Einmal ienocli II. 38, 1 ; einmal e II. 38, 22.
Die angeführten Thatsachen in jedem einzelnen Falle zu
würdigen und zu verwerthen, muss ich wohl um Worte zu
sparen dem Leser überlassen.
Wie wir nun Dietmar kennen gelernt, so leidet es wohl
keinen Zweifel, dass wir in Beurtheilung der Ueberlieferung
äusserster Vorsicht bedürfen. Die inneren Merkmale der Un
echtheit möchten schwer zu finden sein bei einem Dichter, der
sich in so vielartiger Gestalt zeigt. Entscheiden muss die
äussere Beglaubigung, doch treten einige innere Gründe fast
überall bestätigend hinzu.
Die Strophe 35, 32, die im MF. aus A aufgenommen
und Dietmar zugewiesen wurde, ist in dem Tone abgefasst,
welchen Veldeke und Rucke mit Dietmar theilen. Die Hs. A
gibt die zwei Dietmarschen Strophen und die vorliegende unter
500
Scherer.
Veldeke; dazu auch Strophen des Tones 33, 15 der sich von
diesem nur durch den Mangel überschlagender Reime unter
scheidet.
Dass Dietmar von Aist mit Ausnahme des Tageliedes und
des ersten Tones niemals ein Gedicht mit unreinem Reime
schliessen lässt, wie es hier geschieht (liep : niet) mag ein Zu
fall sein, obgleich man sich vielleicht erinnern darf, dass gewisse
Seltsamkeiten im Reim der Nibelungenstrophe niemals in das
schliessende zweite Reimpaar eindringen.
Aber ganz gegen die in Dietmars Liedern herrschende
Anschauung ist es, dass eine Frau dem Manne dienen will 35,
33. Auch passt das Gedicht schlecht in den Rahmen des Liebes
verhältnisses, das in den beiden andern Strophen desselben Tones
35, 16 und 35, 24 vorausgesetzt wird. Vielmehr scheint es
durch 35, 24 eingegeben und in theils verwandter, tlieils gegen
sätzlicher Stimmung im selben Tone nachgedichtet: vergl. ez
wcere wol u. s. w. mit ez wcere mir ein grdziu not ff. und den
Gedanken 35, 25 (auch 35, 28 f.) mit 36, 4. Zu 36, 2 ward er
mir dm mdze liep vergl. 39, 5 der ist mir une nutze körnen in
minen stceten muot. Und auch mit dem Gedanken des Todes
spielt Dietmar, doch in anderer AYeise (32, 11. 33, 28). Der
Verfasser oder die Verfasserin gebraucht das bei Dietmar nicht
vorkommende obe.
Die Veredelung, Vervollkommnung durch Liebe wird sonst
von den Männern ausgesagt (so bei Meinloh und bei Dietmar):
hier behauptet es die Dame von sicli selbst. Welcher Art aber
ist die Vervollkommnung? Was heisst gewizzen? Ich verweise
auf das mhd. Wb. und Loxer 1 und übersetze ,Bildung'.
Mätzner Altfranz. Lieder S. 193 hat Stellen gesammelt, worin
,die Bildung oder die durch Erziehung und Unterricht gewonnene
Tüchtigkeit nach Seiten der Intelligenz und des Charakters' als
hervorstechende Eigenschaft der Frau gerühmt wird. Französisch
heisst sie bien aprise, es wird ihr hone doctrine zugeschrieben,
provenzalisch ensenlmmen, italienisch insegnamento, conoscianza,
1 Ersteres bringt die Stelle MS. 1, 185a (Reinmann von Brennenberg) unter
die Bedeutung ,Verstand, Einsicht in das was sich zu thun gehört 1 . Die
Stelle lautet: da mäht wol heizen leitvertrip, du rehter viinnen bliiete: der
gewizzen dir vil wol min herze gibt. Offenbar ist der zu betonen: diese
Fälligkeit, nämlich das Leid zu vertreiben.
Deutsche Studien. II.
501
savere. Das mhd. wol gezogen, das Mätzrier vergleicht, ist zu
allgemein, es entspricht nur etwa dem prov. apresa de totz ben-
estars. Aber die Bildung im Sinne von Unterrichtetsein, von
Wissen, das liegt im mhd. gewizzen.
Wenn nun die Männer hervorheben, dass sie getiuret, dass
sie bezzer worden sind durch die Frau und die Liebe zu ihr,
so wiederholen sie zunächst eine conventionelle Ansicht. Diese
Ansicht aber ist entsprungen aus dem Bewusstsein von der
sittigenden Macht des Frauenumganges. Es liegt in ihr die
Anerkennung des geselligen Einflusses der Frauen, in deren
Nähe rohe Sitten verschwinden und feinere Empfindungen in
das begehrliche Herz der Männer einziehen.
Was aber soll eine Dame von dem Manne gewinnen? Ich
weiss die gegenwärtige Strophe nicht anders zu verstehen, als
wenn ich ein Verhältniss voraussetze, wie es im §. 1 zu MF.
3, 1 besprochen wurde. Die Verfasserin ist eine Heloise, die
sich gegen die Werbungen ihres Abälard zu schützen sucht.—
Ich komme nun zu dem Anhänge des ersten Lieder
buches. Es schliesst nach meiner Ansicht mit 16 B, 18 C.
In beiden Handschriften folgen unechte Vermehrungen, in B
drei Strophen, welche Heinrich von Morungen gehören. Der
Anhang von C hat merkwürdige Aehnlichkeit mit einem eben
falls unechten Anhänge zu Beinmars erstem Buche in B.
Dietmar 19 C. Reinmar 24 B. MF. 36, 5
20 C. 25 B. 36, 14
21 C. 244, 77
22 C. 26 B. 243, 25
23 C. 27 B. 36, 23.
Die 34 Reimzeilen, welche 24—27 B ausmachen, mögen
auf die eine Seite eines Blattes geschrieben worden und dieses
Blatt in der Vorlage von C zu Dietmars, in der Vorlage von
B zu Reinmars Liedern eingelegt sein. Auf die Rückseite sind
an dem letzteren Orte noch 36 Zeilen (28 — 30 B) geschrieben,
welche nach C und A dem Walther von Metz gehören.
Die Strophen 24. 25. 27 B sind anderwärts nicht überliefert.
Die Strophe 26 B gehört vermuthlich dem jungen Spervogel, dem
sie Cund A zuschreiben, Deutsche Studien 1, 318 f. Dazu mag 21
C in der Vorlage von C an den Rand geschrieben worden sein,
der Schluss des Anhanges zum jungen Spervogel in C und A,
502
Scherer.
Was nun im einzelnen Strophe C 23, MF. 36, 23 anlangt,
so kann sie unmöglich zu dem zweiten, chronologisch geord
neten Liederbuche Dietmars gehören, das mit einer Liebes
erklärung beginnt. Dieser Erklärung kann nicht der Besitz
vorausgehen und die Freude am Besitz wie in der genannten
Strophe. Von dem ersten Liederbuche aber ist sie durch die
zum jungen Spervogel gehörigen Strophen, auf welche sie folgt,
bestimmt ausgeschlossen.
Ueberdies fühlt man sich durch den Inhalt eher an Hausen
erinnert. Mit leides ende 36, 32 vergl. leitvertrip 54, 35. Gott
hat nichts an ihr vergessen wie 44, 22. 31 und besonders 50, 2
wan er vergaz nilit an ir libe. Der Verfasser verweilt auf dem
Lobe der Geliebten mit einer objectiven, enthusiastischen Be
wunderung, wie sie Dietmar nicht eigen ist; ich komme gleich
hierauf zurück. Und das doppelte unde 32. 33 gibt den Ein
druck eines Flusses der Bede, wie er gleichfalls unserem Dichter
nicht nachgesagt werden kann. Den zweisilbigen Auftact (36, 24)
hat er nur, wenn die Silben verscbleifbar sind (39, 3): die
übrigen im MF. zu 154, 21 angeführten Fälle stehen in den
beiden alten, nicht Dietmarischen Liedern 37, 4. 18.
Die zwei Strophen 36, 5 ff. stehen in C am Ende des
echten, BC gemeinschaftlichen Liederbuches und vor dem sicher
unechten Anhang. Schon diese Stellung genügt, sie zu ver
dächtigen. Das Gedicht bewegt sich in einem Kreise von An
schauungen, in welchem Dietmar sonst nicht verweilt. Auch
bestehen seine Gedichte nur je aus einer Strophe, wenn wir
von dem Tageliede absehen, das als episches Lied seine beson
dere Stellung hat.
Dass Dietmar einen und denselben Gedanken in allmä-
licher Entwicklung in drei hinter einander folgenden Sätzen
mit identischem Subject ausspräche, wie hier im Anfang (diu
werelt... si vert... si wellent. . .), das kommt nicht vor.
Was Dietmar zum Lobe der Geliebten in einzelnen Sätzen
oder durch schmückende Beiwörter vorbringt, das beschränkt
sich auf Folgendes: 32, 3. 10 frouwe scheene. 32, 14 dem schcenen
ivibe (35, 13 ein schcene ivip) 33, 24 frouwe biderbe unde guot.
34, 23 ein rehtiu liebe; 38, 24 der lieben. 38, 33. 39, 12 ein
edeliu frouwe. 34, 34 ir tugende die sint valsches vri. 36, 37 du
gwünne nie unstceten wanc. Man sieht, dass dies alles von der
Deutsche Studien. II.
503
einfachsten Art ist: die wolgetänen 36, 21 ist es nicht. Selbst
Hausen braucht diese Bezeichnung- nicht. Wohl aber bedeu
tungsvoll als Versteckname für die Geliebte Veldeke 58, 19 diu
wolgetdne in einem seiner frühesten Gedichte; und gleich wieder
59, 7 wolgetdne, valsclies äne.
Ein also wie es hier 36, 20 stellt, hat Dietmar nie.
Wir werden also das Gedicht für unecht halten müssen,
wenn man auch denken könnte, dass diu Sicherheit 38, 10 sich
auf 36, 19 des hiute ich mine Sicherheit zurückbezieht. Aber
hier versichert der Dichter nur, dass ihm die Dame niemals
leid werden könne: dort muss es auf ein Treuversprechen
gehen, in Folge dessen sie ihn in ihren Dienst aufnahm. —
Den Anhang des zweiten Liederbuches hat schon
Haupt S. 248 verdächtigt, weil das Lied aus drei Strophen be
steht. Die Rücksicht auf Dritte wie hier 41, 1. 2 und in dem
eben besprochenen Gedichte 36, 5 ff. kennt Dietmar ebenfalls
nicht. Und wieder das enthusiastische Lob der Geliebten und
die Anapher des Personalpronomens als Subject (40, 22. 23.
25 si; vergl. 41, 1. 2. 4 er)! Auch passt das Gedicht nicht
in den sonstigen Verlauf des zweiten Liederbuches. Mit der
beginnenden Erkaltung des Dichters schliesst dieses 40, 11 ff.
wie andere Liebesverhältnisse Dietmars. Dietmar hat genossen,
er wendet sich befriedigt ab. In den vorliegenden drei Strophen
spielt ein ganz anderes Stadium der Entwicklung eines Liebes
verhältnisses.
Dietmar braucht weder alsam 40, 23, noch iedoch 40, 31,
noch das versichernde ja 40, 24: das versichernde jo 41, 6
hat er aufgegeben. Unreine klingende Reime, so dass auf den
Vocal der Hebungssilbe verschiedene Consonanten folgen, ver
meidet Dietmar, abgesehen von dem Tageliede, im zweiten
Buche: hier ist eigen : beiden 40, 21. 24 gerade die einzige
Ungenauigkeit ausser man : getan 40, 35. 36. Die Schweif
reime aabccb verwendet er nie: mehr als den überschlagenden
Reim hat er nie gewagt.
Die zweite Strophe verstehe ich so. Die Dame ist nicht
so strenge behütet, dass sie es nöthig hätte, mich durch Hart
herzigkeit aufs äusserste zu bringen. Gleichwold halte ich sie
hoch, davon will ich sie überzeugen, es wäre ja ,an meiner
Treue ein Schlag' (wenn ich es nicht thäte). Sie soll sich aber
i
504
Scherer.
erinnern (zum Beweis, dass sie nicht so streng- behütet ist), ob
sie nicht einmal teer sehen bei mir lag-.
Ich setze Puiict nach Z. 30, Doppelpunct nach Z. 31. In
Z. 33 führt das überlieferte ez weere an miner frowen ein slac
zunächst auf troioe, wofür wir in unsern Texten triuwe zu setzen
gewohnt sind. —
Demnach wird der im Eingang dieses Paragraphen ange
nommene Umfang beider Liederbücher gerechtfertigt erscheinen.
Ein Wort noch über die Anordnung des ersten. Chrono
logisch richtig folgen der zweite und dritte Ton auf einander.
Ich glaube, dass sie ursprünglich das Liederbuch eröffneten.
Das Motiv, aus welchem ihnen der erste Ton vorgeschoben
wurde, lässt sich vielleicht noch erkennen. Und wenn dieser
erste Ton aus der hinteren Hälfte des Buches herausgenommen
wurde, so mag bei dieser Gelegenheit auch die Verwirrung ent
standen sein, durch welche jetzt der fünfte Ton auf den vierten
folgt statt umgekehrt.
Bei Veldeke ist ganz unzweifelhaft, dass die Titelvignette
(der Dichter horcht dem Gesänge der Vögel in dem Baume
über ihm) ihr Motiv dem Gedichte entnahm, mit welchem das
Liederbuch in BC eröffnet wird. Ebenso begann bei Walther
von der Vogelweide das BC zu Grunde liegende Liederbuch
offenbar mit der Strophe Ich dahte hein mit beine, so dass auch
liier das Motiv des Titelbildes mit dem Anfang stimmt.
Bei Dietmar von Aist nun, was sehen wir im Bilde?
Wenn ich recht deute, eine Frau, die von einem Krämer etwas
kaufen will. Sollte das nicht die Frau sein, welche nach den
Eingangsworten des Liederbuches ein Mittel gegen das trüren
sucht? Und sollten daher diese Eingangsworte nicht absichtlich
an den Anfang gerückt und aus ihrem ursprünglichen Zusammen
hänge herausgerissen sein? Dann würde dom Veranstalter der
alten Sammlung, der Quelle von BC, die Zerstörung der
ursprünglichen Ordnung schuld zu geben sein.
§• 8.
Friedrich von Hausen.
Ich will hier nur an die Resultate von Miillenhoffs Abhandlung
in der Zeitschrift für deutsches Alterthum 14, 133 —143 erinnern.
Deutsche Studien. II.
505
Müllenhoff unterscheidet drei Liederbücher. Was die
Quelle von BC gab, begann mit dem dritten und schloss mit
dem ersten. Das zweite ist nur in C erhalten, es war in
die Quelle eingelegt und wurde an seiner Stelle mit abge
schrieben.
Das erste Liederbuch setzt Müllenhoff S. 142 in die Zeit
vor 1184, das zweite in die nächstfolgende Zeit über 1186
hinaus (S. 134. 135), das dritte, worin die Eneit citirt wird,
etwa 1187 (S. 136) bis 1189 (S. 138).
Das Gedicht Die gote erliegent sine vart (53, 31 — 38) ist
nicht ganz sicher bestimmbar (S. 135. 137).
Ebenso hat das schöne grosse Lied 54, 1 Schwierigkeit, weil
es nicht in B überliefert. Aber es muss wohl, wie Müllenhoff an
nimmt, zum ersten Liederbuche gehören, dem es sich in C
ansehliesst. Es bildete das Ende der Sammlung B C, auch in
C ist es nicht mehr vollständig vorhanden, das letzte Blatt
eines Heftes kann leicht durch Abreiben unleserlich werden
oder ganz zu Grunde gehen. Ebenso ist in dem ältesten Lieder
buche Heinrichs von liucko die letzte Strophe in C nur ver
stümmelt, in B gar nicht erhalten (Zeitsehr. 17, 574 Anm.).
Das erste Liederbuch ist nicht arm an stumpfen und
klingenden, consonantisch ungenauen Reimen. Im zweiten und
dritten bleiben, abgesehen von überschüssigem n (enpfd : gän •
tan; lieiden : beide), nur die für die Technik des ältesten Minne
sanges fast unentbehrlichen Reime zit : loip : lip : sit : mt und
liep : niet : iet : liet übrig.
Zu den urkundlichen Nachweisungen des MF. über das
Geschlecht derer von Hausen kommt jetzt noch Haupt in seiner
Zeitschrift 13, 326 und Heinzei Niederfränkische Geschäft
sprache S. 367 f. Anmerkung.
§. 9.
Heinrich von Vehleke.
Ich halte es für möglich, auch in Veldekes Gedichten
die ursprüngliche chronologische Ordnung wieder herzustellen.
Und das ist es, was ich hier versuchen will.
Wenn man im MF. von den beiden aus A entnommenen
Schlussstrophen und von den ebenso nur in A überlieferten
506
Scherer.
beiden Strophen des zweiten Gedichtes (57, 10 ff. 26 ff.) ab
sieht, dann die Strophe 60, 21 ff. (Strophe 40 B C) nach 66, 8
eingeschaltet denkt, so hat man ungefähr das Bild des Vel-
dekeschen Liederbuches wie es in der Quelle von B C vorlag.
Einige kleine Unterschiede in der Strophenfolge dieser Hand
schriften machen wenig aus: s. 12 —14 B C, 26 — 28 BC (wo
im MF. mit Recht noch wieder umgestellt und Str. 25 BC
um eine Stelle weiter gerückt ist), 36. 37 B C. Es sind gerade
48 Strophen.
Ein aufmerksamer Leser wird innerhalb dieser Reihe
leicht näher zusammengehörige Gruppen unterscheiden.
Gruppe (I) 56, 1—58, 10. Frühlingsanfang. Der Dichter
ist traurig, die Freude, welche ihm die Dame seines Herzens
früher gegeben, ist in Trauer umgeschlagen, er selbst trägt die
Schuld. Von ihrem Reize hingerissen, hat er sie gebeten, dass
sie ihn möge cd umbevän. Dies erzählt er im ersten fünf-
strophigen Gedicht. Im zweiten (in A ebenfalls fünfstrophigen)
in B C dreistrophigen Liede lässt er die Dame selbst ihren
Unwillen über die unhöfische Bitte des Dichters aussprechen.
Ein bestehendes gutes Verhältnis also ist durch die vordring
liche Kühnheit des Mannes gestört.
Gruppe (II) 58, 11—60, 12: in sich wohl ziemlich chrono
logisch geordnet. Der Dichter braucht einen Verstecknamen
für die Geliebte, er nennt sie diu wolgetdne. Der Frühling
findet den Dichter traurig, er liebt noch unerhört, er verwünscht
diejenigen, die ihm bei der Dame, um die er wirbt, schaden
wollen, und wünscht das Paradies denen, die ihn fördern. Auch
im Winter ist sein Herz traurig, die Grösse seiner Liebe sucht er
im Vergleich mit Tristrant zu schildern: jenen zwang das Gift zur
Treue, er hat niemals solchen Weiu getrunken. Er fleht um
Erhörung. Diese wird ihm in der Tliat jetzt zu Theil, im
nächsten Frühjahre verkündet er sein Glück, er durfte die Ge
liebte al umbevän.
Gruppe (III) 60, 13—20. 29—35. 61, 1—62, 10 umfasst
lauter Reflexionen, welche wenig persönliche Anhaltspunkte
bieten. Strophe 60, 29 ist im Frühling verfasst. Der Dichter
preist die Freude, schilt die Neidigen, welche die Minne be
fehden, klagt über Verfall der Sitte. Ein allgemeines Lob der
Minne, zweistrophig, macht den Schluss, in jedem Verse kommt
Deutsche Studien. II. 507
das Wort minne vor. Der herrschende Frohsinn und die Art,
wie 62, 4 ff. die Geliebte erwähnt wird, zeigt ein befriedigtes
Verhältniss.
Gruppe (IV) 62, 11—63, 27. Der Dichter ist alt und be
sitzt nicht die Gunst der Geliebten. Er schiebt es zuerst auf
sein graues Haar, das die Weiber hassen, und er äussert sich
darüber nicht höflich. Aber aus dem nächsten Gedichte, im
Frühlingsanfang verfasst, geht hervor, dass er Schuld auf sich
geladen hat, und dass sie seine Busse nicht annehmen will
(63, 14 ff.). Und in 63, 20 ff. macht er Versprechungen,
er will sich hüten, etwas ihr unangenehmes zu sagen (daz
ich ir iht spreche ze leide). Er fürchtet sie wie das Kind
die Ruthe.
Gruppe (V) 63, 28—64, 33. Der Dichter ist getrennt von
der Geliebten 63, 36. 64, 25. Der Rhein fliesst zwischen ihnen
(64, 23). Er ist getrost und guten Muthes, der Treue seiner
Dame sicher. Sein Verhältniss zu ihr besteht schon läna-ere
O
Zeit, er hat se ,lange gelobt' (63, 29). Sie hat es verstanden,
die huote zu betrügen (64, 5). Der Dichter muss im Frühling
fort (64, 25). Im Winter hat er gute Hoffnung auf Minne, er
redet wie einer, der sicheren Besitz nur wieder anzutreten braucht
(64, 30 ff.), er befindet sich wohl auf der Heimkehr.
Gruppe (VI) 64, 34 — 66, 8. 60, 21 — 28. 66, 9 -67, 2.
Ein ganz anderes Bild. Der Dichter ist sehr unzufrieden: er
liebt, wo seine Minne ebenso wenig zur Geltung kommt wie
der Mond neben der Sonne (65, 2). Er hat sich gegen die hoesen
zu wenden, welche Birnen auf den Buchen suchen, d. h. wohl
ihn verdächtigen, ohne dass Grund zum Verdachte vorliegt
(65, 11). Er hat über solche zu klagen, welche der Minne früher
dienten, ihr aber jetzt sich entziehen (65, 19. 20). Er muss
auch unter der huote leiden, gegen die er sich mit grosser
Schärfe erklärt (65, 21 ff.).
Im Sommer wendet sich der Dichter dahin, wo sein Herz
in Liebe stets unterthan war (65, 28 ff.). Er bittet die Schöne,
die er besingt, sie möge ihn das aussprechen lassen, wovon ei
serne Gedanken und Empfindungen nicht wenden könne (60, 21).
Er fleht die Göttin Minne um Hilfe bei der Geliebten an (66, 9).
Er deutet auf ein früheres besseres Verhältniss, auf grösseren
Erfolg sein es Gesanges hin (66, 30):
508
Scherer.
üf ir tröst ich wilent sanc.
si hat mich missetrcestet, des ist lanc.
Und dies noch einmal bestimmter 66, 32: es stünde ihr besser,
dass sie mich tröstete, mich erhörte, als dass sie mich zu
Tode quält
wan si mich icilent e erlöste
uz maneger angestlicher not.
Gruppe (VII) 67, 3—32. Heinrich verspricht: er wolle
eher sieben Jahre in Ungemach leben, als gegen den Willen
der Geliebten ein einziges Wort sprechen. Trotzdem bleibt sie
ihm ungnädig. Doch nein! In einem neuen Liede, worin er die
Dame selbst sprechen lässt, zeichnet sie ihm und sich bestimmt
die Linie ihres Verhaltens vor. Sie gibt zu, dass niemand ihn
so gerne sieht. Aber sie will ihren Up behalten.
ich hdn vil wol genomen war
daz dicke werdent schceniu ivip
von solchem leide missevar.
In der letzten Strophe wendet sich der Dichter offenbar
an das Publicum: ,Diejenigen, die meinen Gesang hören wollen,
die sollen mir dafür Dank wissen' u. s. w.
Wir sehen ein glückliches Liebesverhältniss sich begründen
in (II), auch (III) zeigt gutes Einvernehmen der Liebenden,
als ein begünstigter Liebhaber zieht der Dichter in die Ferne (V),
voll Hoffnung kehrt er zurück. Allein er findet nicht wieder,
was er verlassen. Die Dame, die früher die huote betrogen hat,
scheint jetzt strenger bewacht oder sie liebt ihn weniger. Er
wird sehr dringend und beruft sich auf seine früheren Rechte (VI).
Er mag sich mündlich noch deutlicher ausgedrückt haben. Das
nimmt sie sehr übel, ein völliger Abbruch scheint zu erfolgen:
dadurch, dass er seine Schuld eingestellt und die Vorwürfe,
die sie ihm macht, in Verse bringt, sucht er sich den Weg zur
Versöhnung zu bahnen (I). Aber es wird ihm nicht leicht, sie
will seine Busse nicht annehmen (IV). Endlich erfolgt die Ver
söhnung (VII).
Zählt man die Reimzeilen jeder einzelnen Gruppe, so er
geben sich für (I) 60, für (II) 70, für (III) 60, für (IV) 55,
Deutsche Studien. II.
509
für (V) 42, für (VI) 82, für (VII) 30 Zeilen. In drei Fällen
also haben wir 30 oder 2 X 30 Zeilen. Einmal ist die Zahl
60 um 10 überschritten, ein andermal bleibt sie um 5 unter
dem Masse, und wenn man die Gruppen (V) und (VI) zusammen
fassen darf, so würde das 124, d. h. um 4 mehr als 2 X 60
ergeben. Die 70 Zeilen der Gruppe (II) sind möglicherweise
nicht ursprünglich: so wie die drei Strophen ihres letzten Ge
dichtes dastehen, fällt die dritte ab, vielleicht war sie eigent
lich bestimmt, die zweite mit ihrer übermässig deutlichen
Sprache zu ersetzen. Doch lege ich auf diese Bemerkung natür
lich kein Gewicht: wenn lyrische Gedichte von verschiedenen
Strophenformen in ein Buch von bestimmtem Formate gebracht
werden sollen, so kann das nicht glatt ausgehen. Ich meine
also, dass wir das bekannte Normalmass von 30 Zeilen auf der
Seite (Deutsche Studien 1, 303) auch hier voraussetzen dürfen.
Darnach würde sich die ursprüngliche Gestalt des Liederbuches
so darstellen:
I (II) ein Blatt mit 70 Zeilen,
II (III) ein Blatt mit 60 Zeilen,
jy (yi'j| Doppelblatt mit 124 Zeilen,
V (I) ein Blatt mit 60 Zeilen,
VI (IV) ein Blatt mit 55 Zeilen,
VII (VII) ein Blatt, wovon blos die Vorderseite be
schrieben, 30 Zeilen.
Die äussere Form wird nach aller Analogie die gewesen
sein, dass I mit VI, II mit V zu einem Doppelblatte verbun
den waren, die in einander lagen: zu innerst lag dann das
Doppelblatt III — IV. Angehängt war Blatt VII, möglicherweise
ein äusserstes umgeschlagenes Doppelblatt, dessen andere Hälfte
dann ganz leer gewesen sein müsste.
Die gegenwärtige Ordnung ist, wie man aus den einge
klammerten Zahlen sofort ersieht: V, I, II, VI, III, IV, VII.
Mithin ergab sich die gegenwärtige aus der ursprünglichen Ord
nung in folgender Weise. Das innerste Doppelblatt wurde heraus
genommen und vor VII eingelegt; das Doppelblatt II—V ausein
andergerissen und das zweite Blatt, nämlich V, vor I geschoben.
Das Schlussgedicht, das augenscheinlich für den Schluss
einer Sammlung von Minneliedern gedichtet ist, scheint mir zu
510
Scherer.
beweisen, dass Heinrich von Veldelce selbst die Sammlung
veranstaltet hat. Man muss dann wohl annehmen, dass er selbst
im zweiten Liede die Strophen weg'liess, welche A vor BC
voraus hat. Mir scheint das Gedicht in der kürzeren Fassung
zu gewinnen.
Auch von seinen frühesten Liedern dürfte er in der Samm
lung manche unterdrückt haben. Die rasche Entwicklung des
Verhältnisses fällt auf, man würde schon von selbst vermuthen,
dass uns einige Gedichte fehlen, welche sich in die Gruppe
I (II) einreihen müssten. MF. 67, 33 und 68, 6, beide in A er
halten, gehören wirklich dahin.
§. 10.
Chronologie.
,Ein Heinrich von Stevening und Rietenburg war Burg
graf von Regensburg von 1161 an; sein Sohn Friedrich von
1176 bis um 1181; von da an Friedrichs Bruder Heinrich, der
1184 starb/ (MF. S. 232.)
Dass an dem Hofe des älteren Heinrich (1161 bis c. 1175)
und über seine Zeit hinaus der Anonymus, Verfasser des zweiten
Spervogeltones, gedichtet habe, ergab sich mit Wahrscheinlich
keit Deutsche Studien 1, 293 f.
War dieser Heinrich der ,Burggraf von Regensburg' unserer
Minnesingerhandschriften? Mit andern Worten: verhalten sich
die beiden Dichter, der vierte und fünfte des MF., der ältere
,Burggraf von Regensburg' und der jüngere,Burggraf von Rieten
burg'— verhalten sie sich als Vater und Sohn zu einander oder
haben wir einen älteren und einen jüngeren Bruder vor uns?
Ich vermuthe das letztere. Zwischen Vater und Sohn wäre
der Abstand der Technik, Manier, Gesinnung nicht gross genug.
Der ältere Heinrich (1161—1175) gehörte zur Generation des
Anonymus Spervogel, er musste in seiner Weise dichten, wenn
er dichtete. Die Verwendung der Waisenform steht beim Ano
nymus nach 1175 noch auf derselben Stufe wie 1154—1160 in
dem Liedchen Wcer diu weit alliu min. Beim ,Burggrafen von
Regensburg' dagegen ist diese Form mit allem was daran hängt,
mit Verlängerung und Verkürzung, voll ausgebildet; und doch
müssten seine Lieder keineswegs etwa gegen 1175, wo der
Deutsche Studien. II.
511
ältere Heinrich mit Hinterlassung erwachsener Söhne starb,
sondern eher vor 1160 oder noch früher, kurz in seiner Jugend
zeit entstanden sein.
Wir sehen also ein ähnliches Verhältniss an der Donau
wie am Rhein. Die Väter sind Protectoren der Dichtkunst, an
ihren Höfen finden wir den Anonymus, die Söhne üben selbst
die Kunst: so Friedrich von Hausen, der Sohn jenes Walther;
so die beiden Regensburger, die Söhne jenes Heinrich von
Staufen, den der alte Sänger rühmte und der noch andere Fah
rende wie Gebehart, Kerling, Liupold um sich hatte. Vielleicht
wurden die Spielleute in dem Masse schlechter behandelt als
man sie mehr entbehren konnte und als die Kunst der Edlen
selbst sich hob: so würden die Klagen jenes greisen Anonymus
sich wohl erklären.
Sind die vorstehenden Erwägungen richtig, so erhalten
wir ein paar ziemlich bestimmte Daten für sehr wichtige histo
rische .Erscheinungen. Wobei es in Betracht kommt, dass die
poetische Thätiglceit der älteren Dichter nachweislich eine sein-
kurze ist: sie ist nicht professionsmässig, sondern der natür
liche Ausfluss eines oder zweier poetischer, liebebewegter
.Tugendjahre.
Die vier Strophen Friedrichs, des älteren Regensburgers,
fallen in die Zeit 1176- 118J, die sieben Strophen des jüngeren
Heinrich von Rietenburg in die Jahre 1181—1184. •
Zwischen den beiden waltet nun auch der Unterschied ob,
dass Heinrich die Kunst der überschlagenden Reime und den
dienest kennt, wovon sein älterer Bruder nichts weiss. Diese
Anschauung vom dienest, zugleich mit einer erklärten Neigung
zur Reflexion aber treffen wir zuerst bei Meinloh von Seflingen,
und bei diesem auch die ersten, wie zufällig sich ergebenden,
überschlagenden Reime. Sonst freilich ist seine Metrik sehr
einfach, aber die einfache Metrik stirbt nicht aus von heute
auf morgen.
Nach der inneren Chronologie müssen wir Meinloh für
jünger als den älteren Regensburger halten. Aber die proven-
zalische Sitte des Frauendienstes kommt vom Westen nach Osten,
und der westliche Dichter kann jüngere Anschauungen vortragen,
während gleichzeitig oder selbst später der östliche noch auf
älterem Standpunkte beharrt.
Sitzungsber. d. phil.-liiet. CI. LXXVII. Bd. TII. Hit.
33
512
Scherer.
Gross ist der Unterschied der Zeit jedenfalls nicht zwi
schen Meinloh und dem älteren Burggrafen. Und um 1180 etwa
verbreitete sich der Frauendienst und die überschlagenden
Reime von Ulm nach Regensburg, aus Schwaben nach Baiern,
die Donau hinab.
Schon früher, schon bei dem älteren Friedrich von Regens
burg, ist die Liebe durch merher bedroht, und ebenso ist sie
es in einer der uns erhaltenen Strophen in der Kürenberges wise
(7, 24). Daneben in einer anderen noch nicht technisch
lügencere (9, 17).
Ueberhaupt stehen die Kürenbergslieder ungefähr auf glei
cher Stufe mit denen Friedrichs von Regensburg, nur dass sie,
weil vermuthlich noch weiter im Osten entstanden, auch noch
jünger sein können. Der Mann ist der Herrscher in dem
Liebesverhältniss, wie noch in der anonymen, in einem Tone
Dietmars von Aist gedichteten Strophe Swer nieret die gewizzen
min 35, 32. Eben dieses Liedchen erlaubt uns daher, mit den
Kürenbergsliedern bis dicht an die Zeit Dietmars heran, das
heisst bis gegen 1180, ja noch weiter in den Anfang der acht
ziger Jahre zu gehen. Dass auch ihre Form nicht widerspricht,
wurde schon Zeitschr. 17, 579 f. bemerkt.
Der Ritter Kürenberg, der Erfinder der Kürenberges wise,
hat jedenfalls früher gedichtet als der Burggraf Friedrich, mit
hin früher als 1175, da die künstlichen Metren des letzteren
die Nibelungenstrophe zur Voraussetzung haben. Aber wahr
scheinlich nicht viel früher. Denn der Variationen der Nibe
lungenstrophe sind nicht viele, wie schon Lachmann zu den
Nib. S. 5 hervorhob. Der Kürenberger wird nur, wie die Burg
grafen, in seiner Jugendzeit ein paar Lieder gesungen haben,
deren Melodie glücklich einschlug.
Dass wir für das Lied über die Königin von England
ungefähr auf die Zeit 1154—1160 kommen, wurde schon be
merkt. Die Waise ist darin noch wenig ausgebildet. Die alten
Lieder MF. 37, 4 und 37, 18 werden dadurch noch weiter
und wohl in die erste Hälfte des XII. Jahrhunderts hinauf
gerückt.
Das Verhältniss des Kürenbergers und Regensburgers
zeigt eine gewisse Gemeinsamkeit der Kunstübung in Baiern
und Oesterreich, während Schwaben vielleicht mehr abseits stand.
Deutsche Studien. II.
513
Daraus mag man sich die einfachen Töne Meinlohs erklären,
wenn sie einer Erklärung bedürfen.
Die weitere Verbreitung des Frauendienstes von Regens
burg nach Oberösterreich bezeugt uns Dietmar von Aist. Seine
dichterische Thätigkeit erstreckt sich auf einen längeren Zeit
raum. Nur in seinem letzten Liebesverhältnisse kennt er den
dienest ausdrücklich. Aber lange vorher sehen wir die männische
Empfindung bei ihm gemildert und ganz nahe an die Vorstel
lung des Dienstes streift die Wendung vil gar ir eigen ist min
lip (35, 15).
Technisch stehen die ältesten Lieder auf der Stufe der
pseudo-kürenbergischen: aber Dietmar wächst hinein in die
Technik der überschlagenden Reime und strebt immer mehr
nach Reinheit. Die überschlagenden Reime sind früher nach
Oesterreich gekommen als der Frauendienst, und die Weich
heit der Empfindung, die das Verhältniss der beiden Geschlech
ter umkehrt, ist noch etwas älter. Auch diese Umwandlung
aber vollzieht sicli auf dem Gebiete der Sitte, und die Sitte
ist der Mode unterworfen. Wenn also bei dem Burggrafen von
Regensburg die alte Schroffheit und Härte in Kraft steht, so
wird Dietmar um 1180 erst zu dichten begonnen haben, und
wir bekommen eine Vorstellung von dem Masse verschiedener
Geschwindigkeiten, womit sich die Entwicklung des geistigen
Lebens in der Südostecke Deutschlands damals vollzieht: am
raschesten verbreitet sich neue Gefühlsweise, langsamer poetische
Technik, noch langsamer conventioneile Lebensformen. Dazu
stimmt die Langsamkeit, mit der ein anderer Theil romanischer
Rittersitte, das Turnierwesen, nach Oesterreich dringt. Dies
alles natürlich in dem Masse unsicher, als Zufälle möglich
sind und die Charakterformen einzelner Menschen mitspielen.
Die Zeit Dietmars aber werden wir nun auf etwa
1180 — 1190, die Verbreitung des Frauendienstes nach Oester
reich, die zwischen Dietmars erstes und zweites Büchlein fällt,
auf etwa 1185 bestimmen. Selbstverständlich, dass unser Dichter
nicht der 1143—1171 urkundlich nachweisbare Dietmar von
Aist sein kann. Bereits Haupt hat auf die Rudolf, Rambert,
Karl und Johannes von Aist hingewiesen, welche in einer der
späteren Urkunden Dietmars Vorkommen: sie seien vielleicht
Dienstmänner gewesen und auch unser Dichter könne ein etwas
33*
514
S:C h e r e r.
jüngerer Dienstmarin des vornehmen und reichen, 1171 verstor
benen Herrn gewesen sein. Noch eine Frage wenigstens darf
aufgeworfen werden. Gleichzeitig mit jenem Dietmar von Aist
kommt ein Dietmar von Aistersheim, Ministerial der steirischen
Markgrafen, vor, 1146, dann c. 1150 und 1160. Und in der
Familie derer von Aistersheim bleibt der Name Dietmar noch
lange, einer dieses Namens wird 1228 und 1240, ein anderer
1288—1308 erwähnt, und der letztere hat einen gleichnamigen
Vetter; noch 1343 findet sich Dytl der Aystershaymer. Die
Nachweisungen sind nach den Registern im Urkundenbuche
des Landes ob der Enns leicht zu finden. Waltet zwischen den
Aistern und Aistersheimern irgend ein Zusammenhang ob? Ist
das Vorkommen des Namens Dietmar in beiden Familien nur
ein Zufall? Vorläufig kann ich die Fortpflanzung dieses Namens
unter den Aistersheimern nur anführen, um die gleiche An
nahme für die Aister zu erleichtern. Dass diese mit Dietmar
nicht ausstarben, belegen die oben erwähnten vier Personen.
An Dietmar von Aist schliessen sich in der früheren Zeit,
ohne dienest, aber schon mit überschlagenden und fast ganz
genauen Reimen, die dem Kaiser Heinrich zugeschriebenen
Gedichte 4, 17—5, 15. Ein anderes anonymes Gedicht ,Mir
hat ein ritter 1 sprach ein wip (6, 5) zeigt umgekehrt die An
schauung des Frauendienstes, aber noch nicht völlig reinen Reim.
Endlich treten mehrstropliige Gedichte auf, eines noch
ganz episch (6, 14—31), reizende Schilderung einer Begegnung
mit der Geliebten: man möchte Walthers Nemt, frouwe, disen
kranz vergleichen. Ein anderes 40, 19—41, 6, oben §. 7 be
sprochen.
Unmittelbar in Dietmars Fussstapfen tritt Walther von
der Vogelweide, der nach Lachmann 1187 zu dichten begann.
Und zu Anfang der neunziger Jahre muss schon Reinmar von
Hagenau an den herzoglichen Hof von Oesterreich gekommen
sein, er besingt Leopolds Tod 1194. Hat vielleicht auch Hein
rich von Rucke sich dort aufgehalten? Reinmars Aeusserung
155, 5 im ist vil wol, der mac gesctgen daz er sin lieg in senen-
den sorgen lie könnte sich auf Rucke 105, 18 diu guote diech da
senende lie beziehen. Eine solche Anspielung war aber nur zu
verstehen, Reinmar konnte nur darauf rechnen, dass sie ver
standen werden würde, wenn beide Dichter sich innerhalb des-
Deutsche Studien. II.
515
selben Kreises bewegten. Wenn sieb von demselben Hofe aus
ihre Gedichte verbreiteten, wenn sie denselben Spielleuten zur
Verbreitung übergeben wurden, so erklärt sich daraus vielleicht
ihre Vermischung in den Handschriften.
Friedrich von Hausens erstes Liederbuch setzt Müllenhoff
um 1180 oder zwischen 1180 und 1184. Er steht in einer
Reihe mit dem jüngeren Rietenburger, nur dass die romanische
Einwirkung bei dem westlichen Dichter viel entschiedener
vorliegt.
Was Heinrich von Veldeke anlangt, so liegt es nahe,
die Abwesenheit aus der Heimat, welche die Lieder ergaben,
in das Jahr 1184 zu setzen, wo er den Hoftag von Mainz und
nachher Thüringen besuchte, auch wohl die Aeneide vollendete.
Ob er noch im selben Jahre in die Heimat zurückkehrte oder
ob es nur so scheint, das mag dahin gestellt bleiben. Es braucht
nicht jeder Wechsel der Jahreszeit in den Liedern wirklich er
wähnt zu werden. Das was erwähnt wird, ergäbe Anknüpfung
des Verhältnisses im Frühjahre 1182; glückliches Erringen
Frühjahr 1183; Abwesenheit aus der Heimat 1184; Rückkehr
im Herbst desselben Jahres. In den Sommer 1185 fiele dann
65, 28; in dasselbe Jahr wohl die Entzweiung, also in den
Frühling 1186 das erste Gedicht 56, 1 und 57, 10. Dann etwa
in den nächsten April, April 1187, das Lied 62, 25. So kämen
wir mit 67, 9 auf den Frühling 1188. Doch kann man nicht
beweisen, dass diese Frühlingslieder sich nothwendig auf ein
und dasselbe Jahr beziehen müssen.
Zu der Bedeutung, die ich dem Jahre 1184 beimesse,
stimmt es sehr wohl, dass Veldeke gleich nachher einen Ton
Dietmars von Aist zuerst anwendet, s. oben §. 7. Auch hat
er wohl erst bei Gelegenheit seines Aufenthaltes in Mainz
und Thüringen die Gattung der den Frauen in den Mund
gelegten 1 Jeder kennen gelernt. Er wendet sie dann zweimal
an, 57, 10 und 67, 17: das zweite Mal wie Dietmar von Aist
am Schlüsse der Reihe, die einem und demselben Liebes
verhältnisse gewidmet ist.
Dass der von Veldeke benutzte Ton Dietmars vor 1184
falle, und doch nicht allzu weit vor dieses Jahr, ergab sich
schon aus den obigen Betrachtungen über die Zeit Dietmars.
Ja der nächste Ton Dietmars, der Ueberlieferung nach sein
516
Scherer. Deutsche Studien. II.
erster, setzt die bestimmte Unterscheidung zwischen reinen und
unreinen Reimen voraus, das heisst, wenn ich nicht irre, die
Propaganda Veldekes für den reinen Reim, die wir in das Jahr
1184 setzen.
Jene Dietmarische Melodie hatte ohne Zweifel besonderen
Ruhm erlangt. Darum eröffnete auch Heinrich von Rucke sein
erstes Liederbuch damit. Der Abschluss dieses Liederbuches
wird daher auch um 1184 fallen. Wozu wieder vortrefflich
stimmt, dass Rucke nachher den durch Veldeke gesicherten
reinen Reim gebraucht, und dass das entschieden dem Veldeke
nachgeahmte Gedicht 100, 34 nicht im ersten Liederbuche steht.
So weit wollte ich für jetzt diese Betrachtungen führen.
XVII. SITZUNG VOM 24. JUNI.
Der Secretär legt vor eine von Herrn Prof. Schwicker
in Ofen eingesendete Studie ,zur Geschickte der kirchlichen
Union in der kroatischen Militärgrenze'.
Das corr. Mitgl. Herr Prof. Zeissberg in Wien legt
eine Abhandlung vor über , Johannes Daski, Erzbischof von
Gnesen, und sein Testament'.
An Druckschriften wurden vorgelegt:
Academy of Science of St. Louis: Transactions. Vol. III, Nr. 1. St. Louis,
1873; 8“.
Connecticut Academy of Arts and Sciences: Transactions. Vol. II, Part 2.
New Haven, 1873; 8°.
Coolidge, Richard H., Statistical Report on tlie Sickness and Mortality in
the Army of tlie United States, from January, 1855, to January, 1860.
Washington, 1860; 4°.
Gesellschaft der Wissenschaften, kgl. höhm.: Sitzungsberichte. 1874,
Nr. 2. Prag; 8°.
,Revue politique et litt.eraire* et ,Revue scientifique de la France et de
. l’etranger'. III 0 Ann<5e, 2° Serie, Nr. 51. Paris, 1874; 4°.
Report, Annual, of the Chief Signal-Officer to the Secretary of War for the
Year 1872. Washington, 1873; 8°.,
— 54 th Annual, of tlie Board of Public Education of the First School Distric,
of Pennsylvania for 1872. Philadelphia, 1873; 8°.
Santiago de Chile, Universität: Anales. Afios 1871 & 1872. 8°. — Sesiones
ordinarias y estraordinarias de la Cäraere de Diputados y ordinarias de
la de Senadores de 1872. 4°. — Estadistiea comercial de Repüblica de
Chile de 1871. 4°. — Memoria de Marina. 1871; Memorias del Interiort
Relaciones Esteriores, Colononizacion, Instruecion Publica i Marina de
1872. 8°. — Apendice a la Memoria del Interior de 1872. 8°. — Apendice a
la Memoria de Relaciones Esteriores de 1872. 8°. — Lei de presupuestos
para 1873. 4°. — Compilacion de leyes i decretos vijentes en materia de
instruecion publica, por M. E. Ballesteros. 1872; 8. — Ordcnanza de
518
Aduanas de la Eepiiblica de Chile. 1873; 8°. — Colonizacion de Llanquiliue,
Valdivia i Arauco etc., por Jose Antonio Varas. 1872; 8°. — Eesefla de
los trabajos de la Universidad desde 1855 hasta el ano 1872, por Don
Ignacio Domeyko. 1872; 8°. — Cuenta jeneral de las entradas i gastos
de la Eepublica de Chile en 1871. 4°. — Tratado de ensayes por el seiior
Don Ignacio Domeyko. 1873; 8°. — Derecho publico eclesiastieo, por
Don Eafael Fernandez Concha. Tomo I & II. 1872; gr. 8°. — Los
orijenes de la iglesia chilena, por Don Crescente Erräzuriz. 1873; 8°.
— Los precursores de la Independencia de Chile, por Don Miguel
L. Amun&tegui. 1870—1872; 8“. — Anuario estadistico. Tomo XII.
1872; 4°. — Viage al desierto de Atacama, por el Doctor Don E. A. Phi-
lippi. Halle en Sajonia, 1860; 4°.
Society, The Asiatic, of Bengal: Bibliotheca Inilica. Old Series. Nr. 233;
New Series. Nrs. 301—305. Calcutta, 1874; 4°. & 8°.
Verein für Landeskunde von Niederösterreich: Blätter. VII. Jahrgang 1S73,
Nr. 1—12. Wien; 8°. — Topographie von Niederösterreich. 5., 6. & 7.
Heft. Wien, 1S73 & 1874; 4».
Zeissberg. Johannes Laski, Erzbischof von Gnesen.
519
Johannes Laski, Erzbischof von Gnesen
(1510 —1531) und sein Testament.
Von
Heinrich Zeissberg.
ijci einem Besuche der Bibliothek des Herrn Grafen
Baworowski in Lemberg, den mir dieser zu Anfang des
Jahres 1871 gestattete, fiel mir unter anderen eine Handschrift
ins Auge, in der ich bei näherer Untersuchung zu meiner
freudigen Ueberraschung das Testament des berühmten Reichs
kanzlers von Polen, später Erzbischofes von Gnesen Johannes
Laski erkannte.
Mit grosser Liberalität, für die ich nunmehr öffentlich
meinen wärmsten Dank auszusprechen mich verpflichtet fühle,
wurde mir gestattet, Abschrift von diesem merkwürdigen
Documente zu nehmen und noch später, da meine Uebersied-
lung nach Innsbruck, dann nach Wien und manche in die
Zwischenzeit fallende andere Aufgaben die Arbeit unterbrachen,
die Handschrift zu nochmaliger Vergleichung nach Wien zu
gesendet. 1
Die Handschrift, deren Inhalt ich liiemit der Oeffentlich-
keit übergebe, ist in Pergament geheftet und besteht aus
58 Blättern in Schmalfolio, von denen die beiden letzten unbe
schrieben sind. Die erste Lage bestand ursprünglich aus 12 Blät
tern, von denen aber das zweite und dritte bereits von Laski
ausgeschnitten wurden, ohne dass dadurch etwas vom Inhalte
verloren ging. Um dies anzudeuten sind die Reste des Randes
1 Ich benütze den Anlass, um zugleich den Herren Proff. Dr. Liske in
Lemberg und Dr. Szujski in Krakau, sowie Herrn Dr. Reifenkugel in
Lemberg für mehrfache freundliche Mittheilungen verbindlichst Dank zu
sagen.
520
Zeisslierg.
der beiden Blätter mit Kreuzen versehen ; die sicli auf Bl. 4
(jetzt 2) herüberziehen. Auf der Kehrseite des Bl. 5 (heutiger
Zählung) ist eine Quittung eingeheftet, dahinter eine zweite ein
gelegt; ein dritter ebenfalls eingelegter Zettel stammt aus viel
späterer Zeit und steht mit unserer Aufzeichnung nicht in Zu
sammenhang. Die zweite Lage besteht aus 8, die dritte be
stand aus 6 Blättern, von denen 1 und 2 weggeschnitten, die
Ränder wie oben behandelt sind; die vierte, fünfte und sechste
bilden je 12 Blätter.
Johannes Laski begann in jüngeren Jahren (1495) als
Dekan von Wloclawek und Gnesener Kanzler in das dazu
bestimmte, von uns so eben beschriebene Buch eigenhändig
sein Testament einzutragen, welches auf der Innenseite des
vorderen Pergamentumschlages anhebt. Er bezeichnet es als
seine Absicht, Jahr für Jahr, so lange ihm Gott das Leben
schenke, seinen Vermögensstand darin aufzuzeichnen und Exe-
cutoren, wie Erben aufzustellen, eine Absicht, welcher der
Inhalt unserer Handschrift im allgemeinen entspricht.
Der allgemeinen Einleitung folgt die notarielle Beglau
bigung. Sodann folgen die jährlich wechselnden testamen
tarischen Verfügungen, die bis einschlüssig 1519 (p. 36b)
einen fortlaufenden Charakter bewahren. Nur einmal innerhalb
dieses Zeitraumes wird des erkrankten Laski Hand von der
eines Notars abgelöst (p. 31a — 34 a). Nach 1519 hat Laski
nur noch einmal (1523) eigenhändig das Testament fort
gesetzt (p. 37 a—41b), woran sich die wenige Tage vor
seinem Tode (1531) getroffenen letztwilligon Verfügungen
schliessen, die ein Notar (vgl. p. 48 b) eintrug (p. 42 a — 50b).
Blatt 51 — 56 hat eine viel spätere Hand mit Aufzeichnungen
ausgcfüllt, welche die Kirche zu Lasko betreffen. Ueber
,in nomine domini‘ (Innenseite des oberen Einbanddeckels)
steht: f INKISMS CAMMP. (!) Die Initiale in: ,in nomine'
ist verziert.
Das Testament Laski’s ist in mehrfacher Beziehung sehr
beachtenswerth. Sichert demselben schon die Person dessen,
der es hinterliess, ein bleibendes Interesse, so wird letzteres
durch die gelegentliche Einfügung auto-biographischer Notizen
noch erhöht. Ueberdies lässt uns manche eingestreute Aeusse-
rung einen tieferen Blick in die Seele des Schreibenden thun
mmmBm
Johannes Laski, Erzbischof von Gnesen.
521
und es ist dies, wie mir scheint, um so erwünschter, als wir
im Uebrigen von einigen Urkunden abgesehen, für Laski’s Bio
graphie fast bloss auf die Correspondenz seines Gegners
Tomicki in den Actis Tomicianis angewiesen waren. Demnach
ist auch heute das Material noch viel zu lückenhaft und unsere
Kenntniss der Zeit, in welche Laskis Lehen fiel, zu ungenügend,
als dass ich, indem ich im Folgenden die mir erreichbaren
Nachrichten über ihn zusammenstelle, damit mehr als einen
kleinen Beitrag zu einer dereinst zu erwartenden Biographie
dieses Staatsmannes zu liefern hoffen dürfte, den man zugleich
als Commentar des Testamentes selbst betrachten mag. Was
sonst zur Erläuterung des letztem diente, dem biographischen
Rahmen jedoch nicht eingefügt werden konnte, wurde in An
merkungen verwiesen; endlich suchte ein Namenregister die
Benützung der Urkunde zu erleichtern.
Johannes Laski stammte aus der Landschaft Sieradz, wo
das Erbgut der Familie Lasko lag, dessen Name jetzt ver
schollen ist und aus dem Wappen Korab. 1 Zu seinen Ahnen
zählte der Krakauer Bischof Johann Radlica.- Als sein Geburts
jahr wird 145G angegeben. 3 Der Vater hiess Andreas. 1 Laski
selbst 5 bezeichnet den Krakauer Dommherrn und Archidiacon
von Kurzelow, Dr. Decr. Andreas Gorra (von Mikolajewice),
der zu Anfang des J. 1474 zu Krakau zum Magister der freien
Künste promovirt wurde, als seinen Lehrer. 0 Dagegen kommt
Laski selbst im Verzeichnisse der Studenten und Promovirten
dieser Universität nicht vor.
1 B. Paprocki, Ilorby rycerstwa Polskiego. (Wyd. K. J. Turowskiego.
Krakow 1858) str. 586. Testament 32 a. 4G b. Korab bedeutet Schiff.
2 1382 (?) — 1392. Der ihm von L. gesetzte Grabstein trägt die Inschrift:
,Joanni de Radlica doctori, episcopo Cracou. proauo suo‘. Vgl. Hetowski,
Katalog bisk. Krak. III, 280.
3 F. M. S.(obieszczaiiski)’s Artikel: Jan Laski in der encycl. powszechna.
Letowski 1. c. III, 276, beide ohne Quellenangabe.
4 Nicht Johannes, wie es in der encycl. powszeclm. heisst. Vgl. Testament
1 b. — 1497 war derselbe nicht mehr am Leben. Vgl. 2 b.
5 Testament 20 b.
6 Vgl. Letowski 1. c. II, 265 mit der Inschrift auf dem ihm von L. er
richteten Steine. Muczkowski, Statuta nec non über priuil. 76.
■
■d
522
Z e i s s b e r g.
Der Gnesener Erzbischof Johann Gruszczynski (1464 bis
1473) weihte ihn in der Adalbert-Kirche zu Skwyraiewice zum
Capellan. 1 Wie es damals Sitte war, bereitete er sich nun für
seine spätere staatsmännische Laufbahn dadurch vor, dass er
(wie es scheint, bereits vor 1482) 2 sich dem Gnesener Decan,
dann Kanzler Krzeslaw von Kurozwanky anschloss, dem er
zuerst als Schreiber, dann als Kanzler diente. 3
Wie Laski selbst 1 hervorhebt, lehnte er diesem zu Liebe
widerholt Anträge ab, die sowohl König Kazimir (f 1492) als
auch König Johann Albrecht, um ihn in ihre Dienste zu ziehen,
machen Hessen. Gleichwohl brachte der Umstand, dass Krzeslaw
1494 zum Bischof von Wloclawek und Kronkanzler befördert \
wurde, auch ihn als dessen Secrotär mit dem Hofe in dauernde
Verbindung.®
Laski zählt auch selbst 0 die späterhin mit Legaten be
dachten Pfründen auf, die er nach und nach genoss. Die
früheste war ein Altar im Städtchen Skoky. Am 15. October
1495, als er das Testament zu schreiben begann, war Laski
bereits Decan zu Wloclawek und Kanzler der Gnesener Kirche; 7
1497 erscheint er auch im Genüsse eines Krakauer Canonicats, 8
späterhin als Probst zu Skarbimierz, 9 1501 zu Kruszwic, 10 in
welch’ letzterer Stellung er vermuthlich dem Lemberger Erz
bischöfe Andreas Roza von Boryszewice folgte. 11
In diese erste Zeit seines öffentlichen Wirkens fallen ver
schiedene Reisen, die er zum Theile in bischöflichem auch
königlichem Aufträge unternahm, so 1482 nach Litthauen, 12
1 Letowski 1. c. III, 282. 2 Testam. 3 a.
3 Cromer, bei Pistorius II, 827.
1 Testam. 7 b.
5 In diesem Sinne wird es dann zu nehmen sein, wenn Wapowski 1. e. p. 49
ans Anlass seiner Beförderung zum obersten Kanzler (1502) E. als
,multos annos in regia cancellaria exercitatus 1 bezeichnet.
0 Testam. 41 a.
7 Ebenda zu Beginn, 4 a.
8 Ebenda 5 b ff. vgl. Wapowski in Scriptores rerum Polonicarum. T. II-
Cracouiae. Sumptibus. acad. litten. Cracov. 1874. p. 4'J.
9 Cromer 1. c. 827. 1494 bekleidete Gregor von Lubranez diese Würde.
Vgl. voll. legg. I, 241.
19 3. Oct. 1501. Kzyszczewski et Muczkowski, Cod. dipl. Pol. I. 356. nr. 196.
ii Vgl Testam. 7 b, 12 Ebenda 3 a.
Johannes Laski, Erzbischof von Gnesen.
523
1494 nach Rom, um Krzeslaw das Bisthum zu erwirken. 1
Er traf hier in den letzten Tagen des Jahres ein, da die ein-
rückenden Truppen Karls VIII. den Aufenthalt in der kStadt
ungemein vertheuerten. 2 1497 ging er als Gesandter nach
Flandern, :i 1500 aus Anlass des Jubiläums zum zweiten Male
nach Rom, 4 und dehnte wahrscheinlich die Pilgerreise bis
Jerusalem aus. 5 1501 kehrte er aus Rom zurück. 0
Am 17. Juni 1501 starb König Johann Albrecht. Im Ge
folge seines Bischofes wohnte Laski dem Wahllandtage zu
Piotrkow und ohne Zweifel auch der Krönung König Alexanders
zu Krakau (12. Dec. 1501) bei. ,Nachdem', so erzählt Mathias
von Miechow 7 unter dem J. 1502, ,der König Alexander auf
Rath des ganzen Senates den Cardinal Friedrich, seinen Bruder,
zum Reichsverweser in Polen eingesetzt hatte, reiste er Dienstag
3. Mai, 8 um 13 Uhr, ,J es war der Tag der Kreuzerfindung,
nach Litthauen ab. Da ihn der Kanzler Krzeslaw und der Probst
von Skarbimierz 111 und Vicekanzler Mathias Drzewicki, der eine
' Vgl. Testam. ‘Ja.
2 Die damals contrahirten Schulden, ebenda ‘2 a ff. Vermuthlieh damals
verbürgte sieh 1,. zu Rom für die Schulden Johann Turzo’s, späteren
Bischofs von Breslau. Vgl. Testam. 2 b. Acta Tomic. VI, 61. Auf einen
mit dieser Reise verbundenen königlichen Auftrag deutet das Testam.
4 a: ,Majestas regia tenetur mihi pro bulla prelaturarum 1 hin. Am Oster-
Dienstag 1495 ist er wider zu Wloclawek.
3 Testam. 4 b.
1 Am 2G. Sept. gedachte er die Reise über Krakau und Wien anzutreten.
Testam. 7 b. 29 b.
5 Auf eine Pilgerfahrt nach Jerusalem weisen zwei Stellen des Testam.
31a: ,Gladium sacratum, qui est in lecto Jerosolimitanum cum vagina . .
argenteum 1 und 46 a: ,Cypryssoua .. peregrinacionis Jerosolimitane 1 , viel
leicht, auch eine dritte 48 a: ,Tacia argille ex terra Egipti 1 ziemlich
deutlich hin. Die Pilgerfahrt hieher zu stellen, veranlasst mich Voigt’s
(Gesell. Preussens IX, 265) Bemerkung-, dass damals auch viele Preussen
die Romfahrt mit einer Reise nach Jerusalem verbanden. Auch Dlugosz
that einst dasselbe. Vgl. meine Poln. Geschichtsehr. im MA. 212.
6 Testam. 8 b.
1 Bei Pistorius 249. Darnach Wapowski 1. c. 49.
8 Das Testam. 9a: ,feria 4. rogacionum“ d. i. 4. Mai.
9 Der in Polen damals üblichen italienischen Stundenzählung. Vgl. meine
Geschichtschr. Polens 168 Anm. 4.
10 Demnach batte Easki auf die Probstei inzwischen resignirt.
524
Zeiößberg.
durch Alter der andere durch Krankheit verhindert, nicht
begleiteten, wurde auf Betrieb des Reichssenats Johannes Laski,
Canonicus von Krakau, um die Stelle des abwesenden Kanzlers
und Vicekanzlers bei dem König zu versehen, von der Würde
eines Hofkanzlers des Bischofs Krzeshaw von Wloclawek zu
der eines königlichen Secretärs erhoben, indem ihm der König
seinen Siegelring an die Hand steckte und er in Friedrichs
und der übrigen Prälaten des Reiches Hände in Gegenwart
des Königs jenen Eid leistete, den die Senatoren des Reiches
zu schwören pflegen.' Die Eidesleistung erfolgte am 12. März. 1
Die Stellung Laski’s als ,obersten Secretärs' 2 des Königs,
wie er sich fortan bezeichnete, war eine Neuerung, die erst
durch das Statut zu Piotrkow von 1504 3 geregelt wurde. Als
solcher hatte er den Anspruch, die geheimen Expeditionen ein
zusehen, welche sonst nur dem Kanzler und dem Vicekanzler
mitgetheilt zu werden pflegten.
In seiner neuen Stellung begleitete Laski den König über
Sandomir, 4 Korczyn 5 und Lublin 6 nach Litthauen, 7 wo er noch
im folgenden Jahre (1503) sich befand. 8 Da am 5. April 1503
der Reichskanzler Krzeslaw starb, erhielt Laski auf dem
Generallandtag zu Lublin, der auf den 28. October einberufen
ward, diese Würde.' 4
1 Testam. 9 a.
2 ,Supremus secretarius*; dies ist auch der Sinn des Ausdruckes: ,primo‘
sc. secretario in Akta grodzkie II, 239 nr. 132, der daher nicht, wie
Liske im Index anniinrat, sich auf ,decanus‘ bezieht.
3 Voll. legg. I, 296.
4 27. Mai. Akta grodzkie II, 239 nr. 132.
5 31. Mai auf einem Convent daselbst. Der König incorporirt auf Krzeslaw’s
und Laskis Bitten und mit Einwilligung des Posener Bischofs Johann
von Lubranz der Kirche Wloclawek als Ersatz für die Ansprüche des
dortigen Capitels auf die Probstei S. Michael auf dem Wawel in Krakau die
in der Posener Diöcese gelegene Kirche Gainbyn. Mathias von Miechow 25o.
vgl. Scriptores rerum Polonicarum, T. II. Cracoviae 1874. p. 283.
0 14. Juni. Akta grodzkie II, 242 nr. 133.
7 17. Juli zu Nowogrodek. Cod. dipl. Masoviensis 322 nr. CCLXXII.
8 Bischolf. Urkk. z. Gesell, d. Armenier in Lemberg (Arcli. f. k. österr. Gesell.
Quell. XXXII) nr. XIX. (24. Febr.) Testament 10 a: ,feria II. carnispriuii 4 .
9 Nicht erst 1505, wie die Encycl. powszechna annimmt. Vgl. Mathias de
Miechouia 1. c. 249, Wapowski 1. c. 52. Den Winter brachte L. mit
dem Könige (vgl. Cromer 1. c. 827) in Krakau zu. Vgl. Testam. 11b.
Johannes £aski, Erzbischof von Gnesen.
525
Laski fand nun mehrfach Gelegenheit, sich um Reich
und König verdient zu machen. So gelang es seinen und des
königlichen Beichtvaters Johann von Oswiecim vereinten Be
mühungen, Alexander gegen Michael Gliriski’s heimtückischen
Rath von der beabsichtigten strengen Bestrafung einiger litthaui-
scher Barone abzuhalten, die es aus Hass und Misstrauen gegen
den letzteren gewagt hatten, der Verleihung der Starostei Ly da
an dessen Verwandten ihre Anerkennung zu versagen. Als
Alexander die Barone nach Brzesc zur Verantwortung vor sich
lud, und das Gerücht sich verbreitete, dass der König sie im
Bug ertränken lassen wolle, war es Laski, der den litthauischen
Grossen rieth, nur unter Verbürgung ihrer persönlichen Sicher
heit vor dem Könige zu erscheinen. Ja Laski drohte, Brzesc
zu verlassen und in das ,Reich', dessen Kanzler er sei, zurück
zukehren, um nicht an einem Gewaltacte theilzunehmen. In
der That begnügte sich Alexander damit, einem der vorzüglich
sten Gegner Gliriski’s das Palatinat Troki zu entziehen und
es Nikolaus Radziwill zu verleihen. 1
Auf Wunsch des Generallandtages zu Radom, der auf
den 30. März 1505 einberufen wurde und bis zum 31. Mai
desselben Jahres währte, 2 beauftragte König Alexander seinen
Puprocki, Herby 108. Sodann wohnte er in dessen Gefolge dem General
convent zu Piotrkow bei, der vom 21. Jan. bis zum 18. März 1504 währte
(Voll. legg. 1, 294. Vgl. auch die Urkk. vom 4. und 14. März in L. Kod.
dypl. Mazowski 325, 327, nr. CCLXXIV. CCLXXVI.), und begleitete
über Brzesc (1. April; Muczlc. et Rzyszczewski, C. d. P. II, 972 nr. 637
Wuttke, Städtebuch S. 76.) den König nach Polnisch-Proussen (22. und
"26. April. Thorn, Muczk. et Rzyszcz. 1. c. 975 nr. 638. 582. nr. 435.
25. Mai Danzig, SS. rer. Pruss. V. 451. 17. Juni Marienburg,Dogiel, Cod. dipl.
P. IV, 189. nr. 141). Von da kehrte Alexander zu Ende des Sommers
nach Krakau zurück, (Urk. vom 12. Nov. Nakielski, Miechouia. Cracouiae
1634. pg. 572. vom 26. Nov. 1504 in Stronczynski, Wzory pism dawnycl).
Czesc 1. Warszawa 1839 nr. 75, 76.) das er am 21. Januar 1505 verliess,
um sieh nach Brzesc zu begeben.
1 Math, de Mieeliov. 248. Wapowius 1. c. 55. Croiner 828. Warnka, St. De
ducis Michaelis Glinscii contra Sigismundum regem Poloniae et M. Ducem
Lithuaniae rebellione (1507—1508). Diss. inaug. Berolini 1868. p. 19, 20.
2 Voll. legg. I, 299. Demnach wird auch in Bischoff, Urkk. z. Gesell, d.
Armenier XXI. statt: ,In conuencione generali Sandomiriensi 1 vielmehr
,i. c. g. Radomiensi 1 zu lesen sein. Urk. von L. ausgefertigt auf dem
Convent zu R. 29. Mai bei Stronczynski 1. c. nr. 78.
526
Z e i s s b e r g.
Kanzler mit der Sammlung der Statuten des Königreiches, 1
welche Arbeit schon am 28. Januar 1506 bei Johann Haller
zu Krakau unter dem Titel: ,Commune inclyti Polonie regni
priuilegium' 2 in Druck erschien. Wir kommen auf dieselbe
unten nochmals zurück.
Bereits schwer erkrankt reiste Alexander nach Schluss
des Landtages nach Krakau ab, 3 wo wir am 17. Juli taski
ihm zur Seite finden. 1 Am 1. October 5 verliess der König
die Stadt, die er nicht wieder sehen sollte, und hielt im
Januar 1506 einen Generalconvent zu Lublin ab, 11 von wo er
mit -Laski um Gregor (12. März) nach Wilno aufbrach. 7 Hier
geriethen Laski und Michael Glinski neuerdings heftig an
einander. Den Anlass gab die Krankheit des Königs, der an
der Fallsucht litt. Der König, dessen Zustand sich täglich
verschlimmerte, entschloss sich zuletzt, einen als Quacksalber
verrufenen Arzt — Prophet Balinski nannte ihn die aber
gläubige Menge — an sein Krankenlager zu berufen. Balinski
liess im Schlosse zu Wilno sogleich ein heisses Kräuterbad
bereiten und gab dem Könige Malvasierwein zu trinken, ,was
bei Fallsucht von allen Aerzten untersagt wird'. Da Alexander
sich darauf noch schwächer fühlte, forderte Mathias von Blonye,
der königliche Leibarzt, den Kanzler auf, gestützt auf seine
und des ,Reiches' Autorität den ,Pseudomedicus‘ vom Hofe zu
entfernen. Dass Glinski sich des fremden Arztes annahm,
konnte nur bewirken, dass in den polnischen Räthen Verdacht
entstand, denn damals schon glaubte man, dass Glinski nach
1 Der Auftrag (les Königs aus dein ,commune . . priuilegium 1 in voll,
legg. I, 353.
2 Der vollständige Titel in Wiszniewski, Ilistoria literatury Polskiej T. V.
113 wo aber statt: MCCCCCV wohl MCCCCCVI zu losen ist.
3 Math, de Mieehouia 251.
4 Muczk. et Rzyszcz. C. d. P. III. 479.
5 Königliche Urk. ausgestellt zu Krakau, 30. Sopt. (feria III. festi s. Je-
ronimi) 1505 mit I.. als Zeugen im Cod. dipl. Vielieiensis Lwow. 1872.
str. 42.
6 M. de Miecli. 252 L.’s Anwesenheit daselbst: Muczk. et Rzyszcz. C. d.
P. II. 2, 979. Er erwirkte hier vom Könige die Schenkung des Patronats
der Pfarre zu Gostinyn an die Vicare von Wloclawek. Vgl. M. de
Miechou. 258.
1 M. de Miechov. 252. Vgl. Testament 13 a.
Johannes Easki, Erzbischof von Gnesen.
527
der großfürstlichen Würde in Litthauen strebe, und von den
selben auf Laski’s Vorschlag beschlossen wurde, den Arzt fest
zuhalten und seinerzeit dem Bruder des Königs Herzog Sigis
mund zu übergeben, auf dass ihn dieser wegen der Zerstörung
der Gesundheit Alexander’s zur Verantwortung ziehe. So wurde
Balinski verhaftet und eingekerkert, Michael Glinski aber
späterhin beschuldigt, dass er ihm zur Flucht verholfen habe. 1
Um St. Laurentius (10. Aug.), als der König zu Wilno
krank darniederlag, kam die Meldung, dass die taurischen
Tataren nicht bloss in Litthauen eingebrochen seien, sondern
geradesweges nach Wilno zögen. Sofort brach ein Heer wider
sie auf, das der König, der ein Pferd nicht mehr beschreiten
konnte, zu Wagen bis nach Ly da begleitete. Hier aber brach
er zusammen. Daher übergab er das Commando dem General-
Wojewoden Stanislaus Kiszka, welcher dem Feinde entgegenzog,
während der Bischof Albert von Wilno, Johann Zabrzezinski
und Johann Laski bei dem König in Lyda zurückgelassen
wurden. Hier nun fanden Berathungen über die Zukunft des
Reiches statt. Man beschloss einerseits an Mendligeri, den
Tatarenkhan, Gesandte mit Geschenken abzusenden, 2 anderer
seits den Bruder des sterbenden Königs, Sigismund, der als
Herzog von Troppau und Grossglogau, sowie als oberster
Hauptmann von Schlesien zu Glogau weilte, herbeizurufen. In
zwischen wurde die Lage auch in Lyda immer ernster. Kiszka
selbst schwer erkrankt, musste das Commando Glinski über
geben, während die im Heere befindlichen Polen der von
Laski dazu ausersehene Sohn des Posener Palatins Sedzivoj
von Czarnkow befehligte. Schon reichte auf den Rath des
Arztes Mathias von Blonye Laski dem Könige im Beisein
seiner Gattin Helena und anderer Grossen das h. Abendmahl,
auch liess derselbe den königlichen Schatz aus den Wägen
holen und sich durch die Grossfürstin übergeben, endlich
zeichnete er bezüglich desselben und des Begräbnisses den
letzten Willen des Königs auf, den er versiegelt zu den übrigen
1 Vgl. Hirschberg, o zyciu i pismaeli Decyusza 88.
2 Und zwar sollten auch die Polen an der Geldabfindung sich betheiligen,
worauf man sich 1517 litthauischerseits berief. Man vergass nicht, L.’s
Anwesenheit bei diesen Vereinbarungen zu berühren. Vgl. Acta Tomic.
IV, 1G4.
Sitzungsber. d. pliil.-hist. CI. LXXVII. Bd. III. Hft. 34
528
Zeissberg.
Kostbarkeiten legte, als die Sclireckenskunde erscholl, dass sich
die Tataren bereits der Burg Lyda näherten. Sogleich wurde
der unglückliche König, fast in den letzten Zügen, auf eine
von Pferden getragene Sänfte gebracht und so unter der treuen
Obhut zweier Verwandten Laski’s, des Nicolaus von Roszoczyce
und Johann’s von Sobotka eilends nach Wilno gebracht, wo er
bald nach der empfangenen Kunde von der Niederlage der
Tataren bei Klecko verschied. 1
König Alexander starb zu Wilno den 19. August 1506.
Er wurde in der Domkirche daselbst neben seinem Bruder
Kazimir beigesetzt, obgleich Laski auf Grund des Testamentes
des Verstorbenen, der in Krakau ruhen wollte, Einspruch
erhob und auch späterhin Sigismund um die Erlaubniss bat,
die Leiche in das ,Reich' führen zu dürfen. Man machte
jedoch dagegen die verdächtige Haltung Glinski’s geltend, der
vielleicht den Augenblick, da Sigismund und die Barone dem
Leichenzuge das Geleit gäben, zu einem Ueberfall der Burg
zu Wilno benützen würde, und so blieb es bei der ursprüng
lichen Verfügung. 2
Vom Wahllandtage zu Piotrkow (8. Dec.) wurde Laski
unter denen mitentsendet, welche den neuerkorenen König
Sigismund I. von Mielniki 3 in Litthauen zur Krönung ein
holten, welche zu Krakau am 24. Januar 1507 stattfand. 1 Mit
1 Mathias de Miechouia 263. Unvereinbar mit dessen Darstellung ist das
in den Actis Tomic. I. appendix 20. nr. (5, mitgetheilte Testament König
Alexanders, dadirt: Lida, 24. Juli 1506, dem zu Folge der König damals
bereits die letzte Wegzehrung erhalten haben soll. Allein dies Testament
macht in hohem Grade der Umstand verdächtig, dass I.aski unter den
Zeugen als ,coadiutor ecclesie Gneznensis“ erscheint, während er viel
mehr nach eigener Aussage (Testam. U.’s 14 b.) noch am 7. Juli 1508
der Verleihung der Coadjutorie entgegensah, auch in einer Urkunde von
1507 (vgl. Dogiel I. 106 nr. 41) noch nicht den Titel: Coadj. führt.
2 M. de Miechouia 254. Darnach Wapowius 1. c. 69.
3 J. L. Deeius, De Sigismundi regis temporibus bei Pistorius II, 301. Urlc.
Sigismunds ,datum inMyelnik feria 3. in vigilia epiphanie a.d. 1507. Johannes
de Lasko, regni Polonie eanc.ell. subseripsit 1 in Kod. dypl. Mazow. 334
nr. CCLXXXII. Diese Urkunde ist in eine andere Urkunde Sigismunds
inserirt, allein gleich dieser verdächtig, da die chronologischen Daten
beider gleich denen einer zweiten inserirten Urkunde falsch sind.
Johannes JLaski, Erzbischof von Gnesen.
529
dem Posener Bischöfe Johann von Lubrancz, dem Reichs-
marschall Stanislaus von Chodecz und dem Castellan von
Sandomir Christoph von Szydlowiee reiste er bald darnach
nach Ungarn, um die freundlichen Beziehungen zu dem Nachbar
reiche vom Neuen zu befestigen. 1 Am 29. August traf er mit
Szydlowiceki wieder in Wilno bei dem Könige ein. 2 Im folgen
dem Jahre (1508) machte er den Feldzug g’egcn den mit
Wasilij von Moskau verbündeten Michael Glinski mit, auf
welchem der König über Minsk hinaus bis Orsza am oberen
Dnjepr vordrang (13. Juli). 3 Als hierauf Sigismund auf dem
Generalconvent zu Piotrkow (März 1509), den Bitten seiner
Grossen nachgebend, sich zu vermählen beschloss, erhielten
der auf dem Reichstage anwesende 4 Johann Laski, der Posener
Bischof, und Christoph von Szydlowiee den Auftrag, für den
König um die Hand Katharinens, 5 der Schwester des Herzogs
Heinrich V. von Mecklenburg, zu werben. Doch kam der
König in Folge des inzwischen ausgebrochenen Krieges mit
Bogdan, dem Wojewoden der Moldau, von dieser Werbung
wieder ah und rief die Gesandten, welche Krakau im Juni
verlassen hatten, 11 unterwegs zurück. 7 Hierauf begleitete Laski
noch in demselben Jahre den König auf dem Zuge wider
1 Acta Tomic. I, 15; Decius 301. Die Bundesurkk. Ofen 28. u. 31. Mai 1507
bei Dogiel I, 105. nr. 41., 108 nr. 42.
2 Acta Tomic. I, 18. vgl. Testam. 15 b.
3 Vgl. Warnka 1. c. p. 31. Nach L.’s Testam. 14 b. befand man sich am
7. Juli ,castris stantibus in nemore super fluuium Naeza 1 , der somit
zwischen Minsk und Orza zu suchen sein dürfte. Am Dnjepr stand man
nach Decius 1. c.. 304 am 13. Juli. Decius 1. c. 305 führt Laski ausdrück
lich unter des Königs Begleitern auf dem Zuge an.
4 1. u. 12. April 1509. Dogiol I, 113 nr. 43. Bischoff Urlck. zur Gesch. d.
Armenier in Lemberg XXII.
5 Vgl. Voigtel-Cohn, Stammtafeln zur Geschichte der europäischen Staaten.
Tafel 141. — Decius 1. c. 306 (ihm folgend Wapowius 1. c. 86.) nennt
statt Katharina deren Schwester Anna, die aber zur Zeit nicht mehr
,uirgo‘, wie er sie bezeichnet, sondern Gemahlin des Landgrafen Wilhelm
von Hessen-Cassel war, der am 11. Juli 1509 starb.
6 Decius 1. c. 306. Die Nachricht von Bogdan’s Einfall erhielt Sigismund
nach demselben Anfangs Juli.
7 Acta Tomic. I, 31. Testam. 16 b. 17 a. b. Nach Wapowius 1. c. 86 waren
die Gesandten bereits nach Posen gelangt.
34*
530
Zeissberg.
Bogdan uud wurde von Lemberg, wo der König am Fieber
erkrankte, am 15. November mit anderen Baronen nach
Kamieniec zum Abschluss eines Friedens mit dem Wojewoden
abgesandt, der daselbst am 17. Januar 1510 zu Stande kam. 1
Unmittelbar darnach reisten Laski und Nicolaus Firley von
Dambrowicza, Palatin von Lublin, nach Ungarn ab, um dem
dortigen König dies Resultat mitzutheilen, wurden jedoch
unterwegs zurückgerufen, 2 worauf Laski dem Generalconvent
zu Piotrkow 3 beiwohnte und von da dem Könige nach Krakau
folgte. 4
Das Jahr 1510 bildet einen neuen bedeutsamen Abschnitt
in Laski’s Leben. Am 20. April desselben starb nämlich
Andreas I. Roza von Boryszewice, Erzbischof von Gnesen,
dem Laski in dieser Würde folgte. Doch ging die Sache
nicht ganz glatt vor sich.
Andreas war bereits Erzbischof von Lemberg gewesen,
als er 1503 den Gnesener Stuhl bestieg. Vermuthlich also in
Jahren schon vorgerückt, ging er bereits 1504 5 mit der Ab
sicht um, Laski zu seinem Coadjutor zu erheben, womit sich
für diesen die Hoffnung, ihm als Erzbischof zu folgen, ver
band. Die Erlaubniss des Königs hiezu ward erwirkt, während
in Rom das Gesuch auf nicht näher bezeichnete Schwierig
keiten stiess. Doch, irren wir nicht, so leiten uns leise An-
' Acta Tomic. I, 33, 46, 57. Vgl. Dogiel, C. d. P. I, 606 Testam 16a.
17 b: ,Regiam Maiestatem secutus in Russiam/
2 Decins 1. c. 308. Acta Tomic. I, 62. Da letztere Stelle einer Rede ent
nommen ist, die Tomicki noch im Laufe dieses Jahres als Gesandter vor
König Wladyslaw hielt, so muss die Annahme Pray’s annal. P. IV, 339,
dem Katona Hist, critica XVIII, 1596 folgt, dass L. und Firley wirklich
den ungarischen König begrüssten, wohl verworfen werden. Wapowski
1. c. 94 bringt die Reise mit dem beabsichtigten Türkenzuge des Papstes
Julius II. (vgl. 92) in Verbindung, und lässt sie im Aufträge des General
convents zu Piotrkow erfolgen. Derselbe Autor erwähnt p. 97 noch eine
zweite Reise Laski’s und Firley’s nach Ungarn, die denselben Gegen
stand betroffen hätte und nach dem später zu nennenden Posener Tage
(24. Juni) erfolgt sein müsste.
2. März 1510. Bischof!, Urkk. z. Gesell, d. Armenier in Lemberg XXIII.
Dogil I, 355. 19. März.
Testam. 11 b.
3
Johannes Laski, Erzbischof von Gnesen.
531
deutungen auf die Spur der Personen, welche damals dem
Plane entgegenwirkten.
Zur Zeit, da Laski und sein Erzbischof in Rom durch
den königlichen Secretär Dr. Nicolaus Czepel 1 ihre Absicht
zu erreichen suchten, befand sich in des Königs Aufträge ein
Mann daselbst, der sich durch Talent und Glück aus niederem
Stande rasch zu einflussreicher Stellung emporgeschwungen
hatte. Es war dies der Plocker Bischof Erasmus Ciolek
oder wie er sich lateinisch nannte Erasmus Vitellius. Zu
Krakau aus unedler Familie entsprossen, 2 angeblich eines
Musikanten Sohn, 3 gewann er selbst als Knabe durch Gesang
und Saitenspiel die Gunst des musikliebenden 4 Alexanders,
damals Grossfürsten von Litthauen, der sich desselben annahm
und ihn zu weiterer Ausbildung nach Krakau und Bologna
sandte. Zu seinen Gunsten umging Alexander, da er König
wurde, eine aus Johann Albrechts Zeit (1496) stammende Ver
fügung, 5 wonach im Allgemeinen nur Adelige von beiden
Eltern zu höheren geistlichen Würden gelangen sollten, da
durch, dass er ihn in die Familie Sulima aufnahm und aus
seiner Kanzlei zum Bischof von Plock erhob (1503). Ein
Mann, wie dieser, war dem A del, der ihn als frechen Ein
dringling betrachtete, ein Dorn im Auge; naturgemäss gewann
dieser Hass alsbald eine über den einzelnen Gegner hinaus-
reiehende principielle Bedeutung. Schon der Kastengeist, der
den polnischen Adel in so hervorragendem Masse erfüllte,
würde es durchaus wahrscheinlich linden lassen, dass auch
Laski auf der Seite der Gegner Cioleks sich befand, als man
in Polen, und zwar vor allem die durch ihn schwer beleidigte
Königin-Mutter, die Habsburgerin Elisabeth, seine Abwesen
heit benützte, um auf dem Generallandtage zu Radom (1505)
die ältere Verfügung von 1496 durch eine neue zu verschärfen,
deren Spitze deutlich gegen Ciolek gerichtet war und die,
wenn auch ohne rückwirkende Kraft, dennoch den nach noch
höheren Ehren geizenden Bischof von deren Erlangung aus
schloss. 6 Allein es fehlt auch nicht an sonstigen Anhalts-
' Testam. Ub. 2 Janociana II, 83 ff. 3 Acta Tomic. VI. 59
.fidicini filius*. 1 Math, de Miechouia 254. 5 Voll. legg. I,
262. 263. 6 Ebenda 302.
532
Zeissberg.
punkten dafür, dass Laski damals mit Ciolek bereits ge
brochen liatte, und dass diejenigen wohl Recht haben dürften,
welche jenem einen hervorragenden Antheil an dem Zustande
kommen des Radomer Beschlusses vindiciren.
Laski hatte zur Betreibung seiner Angelegenheit (der
Coadjutorie) dem in Rom weilenden Dr. Czepel viertausend
Gulden angewiesen, die jedoch dieser und Ciolek vielmehr
zur Deckung ihrer eigenen Bedürfnisse verwendeten. Zu
diesem Umstande, den wir aus dem Testament 1 erfahren, trat
ein zweiter Anlass zum Bruche, den ebenfalls Laski selbst
in späteren Jahren in einem Schreiben 2 an den König anführt.
Darnach soll Laski, als er noch mit Ciolek zusammen am
Hofe Alexanders lebte, jenem versprochen haben, ihm in der
Erlangung des Bisthums Block nicht hinderlich zu sein, wo
gegen dieser Laski bezüglich der Probsteien zu L§czyc und
des h. Michael (vermuthlich jener auf dem Wawel) ein Gleiches
zugesagt, aber ,nach Bauernart' nicht gehalten, vielmehr andere
gegen ihn aufgestachelt habe. Sollte da nicht die Vermuthung
gestattet sein, dass Ciolek auch bezüglich der Coadjutorie in
Rom Laski entgegenwirkte, und diese wenn auch wahrscheinlich
nicht sich, so doch dem Posener Bischof Johann von Lubrancz,
von dem wir bestimmt wissen, :! dass er nach derselben trachtete,
zu verschaffen suchte um vielleicht selbst das Bisthum des
letzteren zu erlangen?
Wie es sich indessen auch damit verhalten mag, jedenfalls
erreichte Laski, was er wünschte, für’s Erste nicht 1 und musste
sich mit der Probstei Srede im Posener Sprengel begnügen,
die ihm auf König Alexanders Präsentation der Papst am
30. September 150G verlieh. 5
Gleichwohl bewarb sich, spätestens zu Anfang des Jahres
1500,° Laski auf des Erzbischofes Antrieb neuerdings zu Rom
1 Testament. 12 a. 2 Acta Tomie. VI, 58. 3 Testam. 21a.
4 Testam. 11 b.
5 Theiner. Monum. II, 323 nr. CCCLIV. 28. Mai 1507 wird Laski als
Probst von Posen (Dogiel I, 105 nr. 11) 1. April 1509 als Probst von
Posen und Plock (ebenda 1 13 nr. 43, vgl. auch I, 355) bezeichnet. Nach
den Act. Tonne. I, 69 beabsichtigte L. 1510 für den Fall, dass er Erz
bischof würde, auf die Probsteien Posen und Srede zu Gunsten seines
Bruders Andreas zu verzichten.
6 Testam. 14 a.
Johannes Laski, Erzbischof von Gnesen.
533
um die Coadjutorie, worauf er einen Anspruch allerdings inso-
ferne erheben konnte, als das Statut von Piotrkow (1504) 1 be
stimmte, dass der Kanzler und der Vicekanzler jeweilig die
erste Expectanz auf vacante Erzbisthümer, Bisthümer und
andere Beneficien haben sollten. Zwar änderte Sigismund auf
dem Convent zu Krakau (1507) 2 diese Bestimmung dahin ab,
dass es in Zukunft dem König überlassen bleiben sollte, die
Kanzler nach Verdienst, bei passender Gelegenheit und wie
es dem Staate fromme, zu befördern. Doch gab er zu Laski’s
Bewerbung in Bom seine Zustimmung, wie wir daraus schliessen
müssen, dass, als nun die päpstliche Provision wirklich er
folgte, 3 der Kanzler den Titel ,Cöädjutor‘ unbeanstandet in
königlichen Urkunden sich boilegte. 4 Strenge genommen war
jedoch hiemit, wenigstens nach der Auffassung des Königs und
seiner Umgebung, die wesentliche Frage, ob nämlich der
,Coadjutor' dereinst dem Erzbischöfe folgen werde, nicht ent
schieden. Denn wenn auch Laski als Coadjutor des Ver
storbenen hierauf den nächsten Anspruch hatte, so heisst es
doch in einem kurz nach Roza’s Tode (28. April) an Peter
Tomicki gerichteten Briefe: ,Wem die erzbischöfliche Würde
zu Tlieil werden wird, ist völlig ungewiss und ausser dem
König und wenig eingeweihten Personen unbekannt', •> und
Tomicki selbst 11 spricht von grossen durch die Besetzungsfrage
hervorgerufenen Zerwürfnissen, meint aber doch zugleich, dass
der Kanzler in nächster Zeit Erzbischof oder wenigstens
Bischof werden dürfte. Da Johann von Lubrancz, wie früher
1 Voll. legg. I, 296. Als Kanzler genoss h. auch ein Münzprivileg. Vgl.
T. X. L., Trzy rozdzialy z historyi skarbowosci w Polsce 1507— 1532.
Krakow 1868. str. 11.
2 Voll. legg. I, 359.
3 Testam. 14 b. wird dem Eintreffen derselben ans Rom im Juli oder
August 1508 entgegengesehen. ,Bald darauf 4 scheint sie erfolgt zu sein, da
Decius 1. c. 305 bei Gelegenheit des Zuges wider Gliiiski, in Zusammen
hang mit welchem L. obiges bemerkt, diesen als ,tunc cancellarius regni
paulo post archipiscopatus Gnesnensis coadiutor 4 bezeichnet.
4 Unter den mir bekannten zum ersten Male in einer Urkunde vom 1. April
1509. Dogiel I, 113 nr. 43. Roza bestimmte für L. als Coadjutor ein
Einkommen von 600 Ducaten auf die Clave Opatowiec. Vgl. Eetowski
1. c. II, b. 76.
5 Acta Tomic. I, 66.
6 Ebenda I, 69.
534
Z eissberg.
so aucli jetzt Laski entgegenwirkte 1 und der König anfangs
schwankte, 2 so wäre Tomicki’s Aesserung vielleicht in dem
Sinne zu deuten, dass zunächst der Plan bestand, den Gnesener
Stuhl dem Posener zuzuwenden und Laski auf den Sitz des
letzteren zu befördern. ,Doch', sagt Laski, ,wurde schliesslich
die apostolische Provision beachtet.' 3 Am 24. Mai 4 wurde er
vom Könige als Erzbischof bestätigt; am 7. Juni gab er ge
mäss einer Bestimmung des Generalconvents zu Piotrkow
(von 1504) 3 das Siegel ab. 6 Vergebens setzte der Posener
Bischof noch einige Zeit seine Bemühungen fort, um Laski’s
Erhebung rückgängig zu machen, drohte ihm sogar mit Jakob’s
von Sienno Schicksal, 7 endlich aber söhnte er sich mit dem
Gegner aus, in dessen Testamente er bereits 1513 unter den
Executoren begegnet. 8
Abgesehen von einer Synode, die Laski zu Martini 1510
zu Piotrkow mit seinen Suffraganen abhielt, 9 und die u. a.
Johann Turzo für die Breslauer Diöcese verkündete, 10 und ab
gesehen von einzelnen Landtagen, auf welchen Laski als erster
geistlicher Reichsfürst zu erscheinen verpflichtet war, sind es
in der nächsten Zeit vor allem die preussischen Angelegen
heiten, besonders der Streit zwischen König Sigismund und
dem Hochmeister des deutschen Ritterordens, denen wir die
häufige Erwähnung Laski’s verdanken. 11
So musste auf dem Reichstag zu Piotrkow (1509) Laski
als Kronkanzler an die preussischen Abgeordneten die Auf
forderung richten, an den Verhandlungen der Versammlung
theilzunehmen. 12
I Testam. 21a. 2 Ebenda 17 b. 28 b. 39 a. 3 Ebenda 17 b. 39 a.
4 So Acta Tomic. I, 56. Nach Decius 1. c. 309: 23. Mai. ,Feria 4. festi
s. Stanislai in Maio‘ (Muczk. et Rzyszcz. C. d. P. III, 471. nr. 236)
heisst L. ,electus confinnatus ecclesie Gneznensis“.
5 Voll. legg. I, 296. 0 Acta Tomic. I, 56.
7 Testam. 21 a. 8 Ebenda 23 a. 9 Acta Tomic. I, 107, 116, 123.
10 Montbach, Statuta synodalia dioecesana s. eccl. Wratisl. 2. ed. Wr. 1855.
p. 115 ff.
II Vgl. für das folgende im Allgemeinen: H. Goldberg, Zwanzig Jahre aus
der Regierung Sigismund’s I. Königs von Polen auf Grund der Acta
Tomiciana, Inaug. Diss. Leipzig 1870.
12 L. Prowe, Westpreussen in s. geschiclitl. Stellung zu Deutschland u.
Polen, Thorn 1868. S. 40.
Johannes Laski, Erzbischof von Gnesen.
535
Um die Mitte des Monates Juni 1 1510 treffen wir den
neuen Erzbischof auf der Reise durch seinen Sprengel nach
Posen; denn dort sollten am 24. desselben Monates auf des
Kaisers Vorschlag Bevollmächtigte des Papstes, des Kaisers,
des Ordens, Ungarns und Polens tagen, um den Streit zwischen
König Sigismund und dem Grossmeister des deutschen Ordens,
betreffend die Lehenshuldigung des letzteren, beizulegen. 2
Laski befand sich unter den polnischen Gesandten. ,Er tritt',
heisst es in einem damals vom Hofe an Tomicki gerichteten
Briefe Johann Zambocki’s, 3 ,sohr bescheiden auf; möge das
immer so bleiben. Denn am Tage seiner Weihe versöhnte
er sich mit meiner Wenigkeit, da er mich für feindlich ge
sinnt hielt.'
Nach dem Scheitern der Posener Verhandlungen 4 be
schäftigte die Ordenssache den Generalconvent, den der König
am Feste der Erscheinung 1511 zu Piotrkow 5 eröffncte. 11 Den
Anlass hiezu gab der am 14. December 1510 erfolgte Tod des
Hochmeisters Friedrich und die in Aussicht stehende Wahl
Albreclits von Brandenburg zum Nachfolger. Laski, der auf
dem Reichstage zugegen war, forderte hier die mit ihren
Söhnen gleichfalls anwesende Herzogin Anna Radzywillowa
von Mazowien, Witwe des Herzogs Semowit im Namen des
Königs auf, mit ihrem Lande zu der von der Versammlung
beschlossenen Contribution beizusteuern. 7 Ferner wurde er
beauftragt in Königs Namen für Polnisch-Preussen einen Con-
1 ,Circa Idus Iunias* Acta Tomic. I, 79.
5 Acta Tomic. I, 54. Vgl. Voigt. Gesch. Preussens IX. 381 ff.
3 Acta Tomic. I, 79. Die Verhandlungen zu Posen währten durch vier
Wochen. (Acta Tomic. I, 83: ,usque ad festum s. Magdalene 1 (‘22. Juli);
doch muss L. bereits früher Posen verlassen haben, da ihm der König
brieflich von der Auflösung des dortigen Tages Kenntniss gab. Vgl. Acta
Tomic. I, 90. — Testam. ‘20 b: ,Virgini Powiczka 230 mrc. Poznanie
in conuencione expositas“; die Schuld war 1510 contrahirt (vgl. 18 b).
4 Ueber diese selbst vgl. Wapowius I. c, 95.
5 C. wohnte auch einem zwischen dem 0. u. 24. Dec. 1510 abgehaltenen
Particularconvente zu Sroda bei, welcher gleich der Synode zu Piotrkow
auf den Generalconvent vorbereiten sollte. Vgl. Acta Tomic. I, 130
nr. CLII, CLIII 131. nr. CLIV.
6 Acta Tomic. I, 133. 7 Ebenda 1, 147.
Zeissberg.
536
vent zu Danzig am Himmelfahrtstage (29. Mai) zu eröffnen,
um das Land gegen den Orden in Yertheidigungszustand zu
setzen, 1 zu welchem Behufe Laski auf dem einberufenen Tage
den Capitän von Marienburg mit einer Conscription Preussens
beauftragte. 2 Unerledigt gebliebene Punkte sollten von Laski
auf einem zweiten Tage zu Marienburg (24. Aug.) verhandelt
werden. 3
Auf der Rückreise von Danzig traf Laski zu Marien
werder mit dem Bischöfe von Pomezanien Hiob von Dobenek
zusammen, mit dem er den Streit zwischen dem Orden und
Polen besprach. Es war vermuthlich eine Folge dieser Unter
redung, dass bald darnach Hiob die Meldung erhielt, Sigis
mund sei entschlossen gewesen, mit Waffengewalt in Preussen
einzubrechen, sei aber auf den Rath des Erzbischofes davon
abgestanden und erwarte jetzt zu Krakau eine geziemende Ge
sandtschaft der Regenten Preussens, die ihn um eine neue
Verhandlung zur Beilegung dos Streites ersuchen solle, in
welchem Falle er veranlassen werde, dass namentlich der Erz
bischof von Gnesen und der Bischof von Pomezanien dieser
Verhandlung beiwohnen sollten. Wirklich ging eine preussische
Gesandtschaft nach Krakau ab und erhielt dort vom Könige
den Bescheid, er wolle auf Laski’s Gesuch noch einmal den
Weg friedlicher Ausgleichung versuchen und dazu einen Ver
handlungstag zu Thorn im December anordnen. 1
Zu Ende dieses Jahres (13. Dec.) treffen wir denn auch
wirklich den Erzbischof zu Thorn, wo er im Verein mit den
andern Bevollmächtigten Polens 5 mit den Abgesandten des
deutschen Ordens tagte. 6 Unter andern erklärte hier Laski
für den Fall, dass von Seite des Ordens der Vorschlag der
Polen, ihren König zum Grossmeister zu erheben, an
genommen werden sollte, sich seinerseits bereit, dem Hoch
meister sein Erzbisthum zu übergeben. 7 Doch war das An-
1 Instruction: ActaTomie. I, 168. Vollmacht: ebendaI, 170. Auftrag betretlend
Eibing: ebenda 174. Vgl. ferner ebenda 190, 191. SS. rer. Pruss. V, 4G0.
2 Acta Tomieiana I, 203, 211, 217, 218, 219.
3 Ebenda 217 — 219. 1 Voigt, Gesell. Preuss. IX, 418.
“ Deren Namen: Acta Tom. I, 231. 6 Acta Tomic. I, 232. 235.
7 Voigt, Gesch. Preussens. IX, 420.
Johannes Easki. Erzbischof von Gnesen. 537
erbieten schwerlich ernst gemeint, und die Versammlung ging
auch diesmal unverrichteter Sache auseinander.
Am 6. Februar 1512 kam des Königs Braut Barbara,
Tochter des Wojewoden von Siebenbürgen Stefan Zapolya,
geleitet von ihrer Mutter Hedwig, ihrem Bruder Johann und
ihrem Oheim Herzog Kasimir von Teschen, mit glänzendem
Gefolge in Krakau an. Vor der Stadt, bei dem Dorfe Lobsow,
wo sie Sigismund erwartete, wurde sie mit einer Anrede in
polnischer Sprache 1 von Laski begriisst, der sie am 8. Februar
in der Domkirche auf dem Wawel krönte. 2
Wir begegnen sodann Laski im Laufe dieses Jahres
wieder auf verschiedenen öffentlichen Versammlungen: auf
dem auf den Dorotheentag (6. Febr.) nach Krakau ein-
berufenen 3 Generalconvente, 1 auf jenem zu Kolo (Sonntag
Misericordia) 5 vermuthlich e auch auf dem diesen vorbereiten
den Particular-Convente zu Sieradz (28. März), 7 sowie auf
der Synode zu Leczyc (10. Aug.), 8 auf der die Contribution
des Clerus zur Sprache kommen sollte.
Auf jenem Generallandtag-e zu Krakau hatte sich auch
der Bischof von Pomezanien eingefunden. Doch wurde hier
zur Fortführung der zu Thorn aufgenommenen Verhandlungen
ein weiterer Tag auf Johannis (24. Juni) angesetzt, später in-
dess die Sache auf den Generallandtag verschoben, der zu
Martini (11. Nov. 1512) zu Piotrkow eröffnet werden sollte.
Hier erschien des Hochmeisters Bruder, Markgraf Kasimir
von Brandenburg, auf dessen Vorschlag zur Anbahnung wechsel
seitiger Verständigung ein Ausschuss aus den königlichen
1 Decius 1. c. 314.
2 Acta Tomic. II, 2, 17. Decius 1. c. L. als Zeuge in der Mitgiftverschrei-
. bung vom 16. Febr. bei Dogiel, c. d. P. I. 119 nr. 45.
3 Acta Tomic. II, 3, 17. Vielleicht gehört hieher die ohne Tagesangabe
von Detowski Katalog II, b. 238 erwähnte Urkunde, in welcher L. als
Comprommissar einen Streit des Königs mit dem Bischof von Krakau, be
treffend das Patronat des Arehidiaconats Lubelski entscheidet.
1 Acta Tomic. II, 70. Vgl. Voigt, Gesell. Preuss. IX, 424.
5 Acta Tomic. II, 41, 09, 82.
6 Denn dieser Convent wird im Testam. 20: ,conuencione hac pro quadra-
gesima proxime futura vbicunque celebrabitur* gemeint sein.
7 Acta Tomic. II, 41.
8 Acta Tomic. II, 108. Einladung dazu II, 116.
i
538
Zeissberg.
Rüthen gebildet wurde, an dessen Spitze Laski sich befand.
Aber auch diesmal kam man nicht zum Ziele. 1
Während so die Verhandlungen sich endlos hinzuziehen
drohten, traten die grossen europäischen Verwickelungen
in eine Phase, welche jenen Streit für einige Zeit auf einen
anderen Schauplatz rückten, auf den wir Laski begleiten
müssen.
Die Einladung des Papstes Julius II., das von ihm dem
Afterconcil zu Pisa entgegengestellte Concil im Lateran zu be
schicken, wurde nach Polen bereits von dem bei der Plochzeit
des Königs anwesenden Johann Staphileus überbracht. Doch
erst nach einigem Zögern 2 wurde auf dem oben erwähnten
Generallandtage zu Piotrkow die Beschickung des lateranen-
sischen Concils beschlossen, 3 und zu diesem Behüte Johannes
Laski, der als Primas des Reiches ohnediess die Absicht hegte,
der allgemeinen Synode beizuwohnen, 1 und Stanislaus von
Ostrorog, Castellan von Kalisz, 5 zu Abgeordneten ausersehen. 6
Doch wohnte Laski noch dem am 28. Februar 1513 als
Fortsetzung des Piotrkower Tages eröffnetem Generalconvent
zu Posen bei, 7 wo der König ihm den Empfang von 7000 ung.
Gulden von der für die Bisthümcr Polens zu Piotrkow (1510)
beschlossenen 8 CJontribution im Betrage von 40.000 Gulden
bescheinigte, 9 und ihn bezüglich der Vorkehrungen zu Rathe
zog, welche die schwere Erkrankung des kujawischen Bischofs
nöthig machte. 111 Erst am 2. März stellte der König das
Empfehlungsschreiben für die beiden Bevollmächtigten an den
Papst Julius II. aus, der sich indess an diesem Tage nicht
1 Voigt, Gesell. Preussens IX, 438 ff.
2 Acta Tomic. II, 94, 97, 118, 100 (XC1II), 134.
3 Acta Tomic. II, 139. 4 Ebenda II, 118, 124. 5 Ebenda II, 141.
3 Eine zu Piotrkow verhandelte Angelegenheit des Castellans von Posen,
Zaremba, zu der Laski in Beziehung gestanden zu haben scheint, berührt
Tomicki (Acta Tomic. II, 144). Laski erscheint auch bei dem Abschlüsse
der Artikel zwischen dem Könige und dem Bischof Fabian von Ermland
(7. Dec. 1512) auf dem Piotrkower Tage als Zeuge. Voll. legg. I. 379 ft.
7 Acta Tomic. II, 147, 148, 151 (CLVI. CLVII), 156, Zeuge einer Urkunde
daselbst 1. März beiWuttke, Städtebuch des Landes Posen 80 m. LXXX1V.
8 Vgl. T. X. L., Trzy rozdzialy z hisloryi skarbowosci w Polsce 1507—32.
Krakow 1868. str. 22. 0 Acta Tomic. II, 168. CLXXXVIII.
18 Ebenda CLXXXVIII, vgl. 169. 170.
Johannes Laski, Erzbischof von Gnesen.
539
mehr unter den Lebenden befand. 1 Als daher die Nachricht
von des Papstes Tod am Hofe eintraf, theilte sie Sigismund
(18. März) dem Erzbischöfe mit und gab ihm zu erwägen, ob
unter diesen Verhältnissen die Reise unterbleiben solle oder nicht. 2
Dennoch machte sich Laski auf den Weg, 3 ohne die
vom 10. April datirende 1 neue Vollmacht an Leo X. abzu
warten, die ihm wohl erst sein Gefährte Stanislaus von Ostroro°-
o
überbrachte, der ihn zu Bruck an der Mur einholte. 5
Ihr Auftrag führte sie zuerst nach Venedig, 0 wo sie der
Doge Leonardo Loredano ehrenvoll empfing. Den Inhalt der
Rede, die Laski am Tage nach der Ankunft im Senate hielt,
theilt Decius 7 als Ohrenzeuge mit: Sigismund hege Mitleid
mit dem gegenwärtigen Loose der Republik und beklage das
viele vergossene Christenblut. Gerne würde er alles thun, was
geeignet sei, einen allgemeinen Frieden und die Wohlfahrt
der Republik zu fördern. In letzterer Hinsicht werde er mit
allen Kräften darnach trachten, dass die Christenheit, die nun
schon über vier Jahre in Italien leide, die frühere Ruhe zu
rückerlange und dass man einmüthig gegen den Feind des
christlichen Namens zu den Waffen greife. ,So viel ich an
den Mienen ersehen .konnte/ setzt Decius hinzu, ,gefiel diese
Rede dem Dogen und dem Senate; ob es aber angenehm be
rührte, dass den Gesandten ausserdem, was in öffentlicher
Sitzung gesprochen wurde, nichts aufgetragen worden war, ver
mag ich nicht anzugeben/ Auch sonst unterhielt sich Laski
mit dem Dogen über die Lage ihrer beiden Staaten und fand
endlich hinsichtlich der Kriege, die sie führen müssten, den
Unterschied, dass Venedig für seinen Ruhm, die Vergrösserung
seiner Macht, wohl auch aus Herrschbegierde kämpfe, Polen
dagegen eine Schutzmauer der Christenheit wider die Heiden
1 Ebenda II, 169. Papst Julius starb am 21. Febr. ISIS Vgl. Tostam. 22 b. ff.
- Acta Tomic. II, 182.
3 Laski und sein Gefährte empfingen die Nachricht von dem Tode des
Papstes bereits unterwegs in Krakau: vgl. Decius 1. c. 317. Acta Tomic.
II. 141. Es war dies zu Anfang des April: vgl. Acta Tomic. II, 187.
Decius 1. c. 317. Am 8. April war Laski bereits in Olmütz. Testam. 23a.
4 Acta Tomic. II, 194. 195. 196. Theiner II, 345 nr. 372.
5 Decius 1. c. 317. 0 Acta Tomic. II, 178.
1 Vgl. die fleissige Arbeit von A. Hirschberg, 0 zyciu i pismach Justa
Ludwika Decyusza 1485 —1545, Lwow 1874 p. 11.
540
Zeissberg.
sei, indem es sein höchstes Glück darin linde, nicht fremde
Grenzen zu überschreiten, sondern das seinige zu bewahren,
letzteres eine von polnischer Seite oftmals ausgesprochene,
freilich nicht immer den Thatsachen entsprechende Behauptung.
Am anderen Tage wurde im Senate über private Verhältnisse
verhandelt; sodann setzten die polnischen Gesandten ihre Reise
fort. 1 Am 5. Juni betraten sie Rom. 2 Nach einigen Tagen
der Erholung begrüsste Laski den Papst und das Cardinal-
collegium in einer langen Rede, die späterhin in Druck er
schienen sein soll. 3 So viel man aus Wapowski 4 ersieht,
dürfte deren Inhalt ungefähr dem der Unterredung mit dem
Dogen entsprochen haben. ,Ieh sah' setzt dieser Chronist als
Augenzeuge hinzu, ,bei seiner Rede gar manchen Cardinal
priester seufzen und weinen, vor allem den von Gran, Thomas,
der aus Ungarn mit einem Gefolge von 300 Rittern vor
nehmlich deshalb gekommen war, um den Papst und die
heilige Versammlung für einen Türkenkrieg zu gewinnen.'
Doch blieb nur Laski in Rom, während sein Gefährte einen
Auftrag nach Spanien hatte 5 und schon im September auf der
Rückreise nach Polen sich befand. 5
Es kann nicht die Aufgabe unserer Lebensskizze sein,
die polnische Politik auf dem Lateran-Concil in allen Phasen
zu beleuchten. Nur wieweit Laski selbst an der Sache persön
lich betheiligt war, möge in Kürze angedeutet werden.
Vor allem sollte Laski dem neuen Papst die Obedieriz-
erklärung Sigismunds überbringen 7 und dem Danke des
letzteren für die jüngst erfolgte auszeichnende Uebersendung
von Schwert und Hut Ausdruck geben. 8 Er sollte ferner
seinem geldbedürftigen König Subsidien in der Form eines
Peterspfennigs zur Fortführung des Kampfes gegen die Türken
und Schismatiker (Russen) ,und zur Wiederherstellung' der
1 Decius 1. c. 318. 2 Testam. 23 b.
3 Decius 318. Nach Letowski, Katalog III, 272 fand die öffentliche Ein
führung der Gesandtschaft ins Consistorium am 15., nach Ciampi, biblio-
grafia critica I, 222 am 13. Juni statt.
4 1. c. 112.
5 Decius 1. c. 318. Acta Tomic. II, 141.
6 Acta Tomic. II, 249. 7 Ebenda III, 81. 343.
8 Ebenda II, 197, 198.
Johannes Lasld, Erzbischof von Gfnesen.
541
Grenzfestung Kamieniec, 1 dem Wunsche der Barone Litthauens
gemäss eine Kreuzbulle gegen den Moskowiter für Dänemark,
Schweden, Schottland, Norwegen und Livland'- und die päpst
liche Bestätigung gewisser Artikel, die der König- aus Anlass
der Wahl des Bischofes Fabian von Ermland mit diesem und
dessen Capitol zu Piotrkow (7. Dez. 1512) bezüglich der
künftigen Bischofs wählen vereinbart hatte, 3 erwirken. 1 Hiezu
kamen endlich Aufträge von geringerem Belange und des
Erzbischofes persönliche Angelegenheiten. Aber im Vorder
gründe stand auch hier der Streit mit dem Orden, der zur
Curie seine Zuflucht genommen hatte.
Die Aufträge waren ebenso wichtig, als ihre befriedigende
Erledigung schwierig, zumal der durch Sigismund’s Vermählung
mit Barbara Zapolya in seinen Plänen auf Ungarn gefährdete
Kaiser nunmehr gegen Polen entschieden feindlich auftrat und
sich des Ordens mit Nachdruck annahm. Laski hatte die be
stimmte Weisung, in der Ordenssache gemeinsam mit den in
Rom weilenden ungarischen Gesandten vorzugehen, namentlich
mit Thomas Bakäcs, dem sog. Cardinal von Gran,und mit
dem Protector Polens Achilles de Grassis, dem sog. Cardinal
von Bologna, stets in Coutact zu bleiben. Auch der Cardinal
von S. Croce förderte die Sache Laski’s. (i Zur schriftlichen
Widerlegung der vom Orden erhobenen Beschwerden lieh
dem Erzbischof der damals in Korn weilende Bernhard
Wapowski seine gewandte Feder. 7
Allein trotz dieser mehrfachen Förderung nahm der Streit
mit dem Orden anfangs keinen für Polen günstigen Verlauf.
Wohl heisst es, dass es Laski gleich anfangs gelungen sei, den
Papst, der den König und den Orden aufgefordert hatte, ihre
Sache dem Concil vorzulegen, bis zu dessen endlicher Ent
scheidung aber sich aller Gewalttluiten zu enthalten, s dahin
umzustimmen, dass er dem Hochmeister auftrug, seinen Ver-
1 Ebenda II, 195. 2 Ebenda II, 176. 3 Theiner 1. c. II, 837 ff.
■■ Acta Toraic. II, 136. 194. 229. 230. Vgl. Eichhorn, Geschichte der erra-
ländischen Bischofswahlen in Zeitsehr. f. Geschichte u. Alterthumskunde
Ermlands. 1. Bd. Mainz 1860. S. 269 ff.
5 Ebenda II, 200. 230. 0 Ebenda III, 79.
7 Wapowius 1. c. 113, dessen Darstellung indess hier nicht unbefangen ist.
8 Voigt, Gesell. Preussens IX, 450.
542
Z e i s s b e r g.
pflichtungen gegen den König von Polen ohne weiteres nach-
zukommen. 1
Wie es sich indess mit dieser Angabe auch verhalten
mag, jedenfalls trat bald wieder eine entgegengesetzte Strö
mung ein, in Folge deren die Aufforderung, sich der Ent
scheidung des Concils zu unterwerfen, erneuert wurde. 2 Ver
gebens suchte dagegen Laski die Entscheidung des Streites,
welche bei den auf dem Concil herrschenden Einflüssen für
Polen nur ungünstig ausfallen konnte, durch den Vorschlag,
den Cardinal von Gran als Legaten nach Preussen zu senden,
um dort eine strenge Untersuchung anzustellen, und daun im
Namen des Papstes das Endurtheil zu sprechen, den Schwer
punkt der Verhandlungen zurück nach Polen zu verlegen.
Allein so wenig der Papst in einem Augenblicke, da der
Kaiser seine grosse Allianz mit Dänemark, dem Grossfürsten
von Moskau, mit Sachsen und Brandenburg, mit dem Schwert
orden in Livland und mit dem deutschen Orden in Preussen
plante, von Laski sich bewegen liess, letzterem zu befehlen,
Sigismund wider die ungläubigen Russen beizustehen, 3 so
wenig kam es zur Absendung des Polenfreundlichcn Cardinais
dessen Legation sich vielmehr auf Ungarn, Böhmen, Dalmatien
und Croatien beschränken sollte, oder gar zur Ausführung der
Absicht, Laski selbst mit einer derartigen Sendung nach Polen
und Preussen zu betrauen. 1 Auch für eine Reise, die Laski mit
dem ungarischen Bevollmächtigten an verschiedene Höfe unter
nehmen sollte, um sie unter sich zu versöhnen und für den vom
Papste beabsichtigten Türkenkrieg zu gewinnen, womit indess
der polnische Hof vor allem den Zweck verband, den Kaiser
in der Ordenssache zu gewinnen, wurde schliesslich von dem
Generalconvent zu Piotrkow (26. März 1514) vielmehr Raphael
Leszczynski ausersehen. 5 Ja eben dieser Generalconvent be
schloss förmlich Laski’s Abberufung ,aus vielen vernünftigen
Gründen,' zumal weil der Clerus seine Abwesenheit zum Vor
wand nehme, sich den Leistungen — es sind damit wohl die
einst zu Piotrkow von dessen Seite übernommenen Ver-
1 Ebenda 453. Doch zweifelt Voigt, an der Richtigkeit der Angabe.
2 Ebenda 454. 3 Ebenda 460. 1 Ebenda 461.
5 Acta Tomic. III, 46.
Johannes Laski, Erzbischof von Gnesen.
543
pflichtungen gemeint — zu entziehen. 1 Wir werden kaum
irre gehen, wenn wir unter jene vernünftigen Gründe' auch
das Misstrauen rechnen, mit welchem wohl bereits damals der
polnische Clerus die Thätigkeit Easki’s in Rom beobachtete
und das kurz darnach die Synode zu Eeczyc offen äusserte.
Nicht minder vernünftige Gründe' hatte der König, den Erz
bischof von Rom abzuberufen. 2 Fast ein Jahr war seit Laski’s
Ankunft in Rom verflossen, und noch immer hatte er in allen
wesentlichen Punkten nichts erreicht. Die Ordenssache stand
schlimmer als zuvor, der Peterspfennig war noch immer nicht
erwirkt, die Ermländisehe Frage noch immer offen. Daher
richtete Sigismund an den Papst die Bitte (23. April), Easki
zu entlassen, nicht ohne die bittere Bemerkung, dass, da dieser
den ersten Platz in seinem königlichen Rathe einnehme, er
sich wenigstens daheim seines Rathes bedienen wolle, nachdem
ihm von anderer Seite keine Theilnahme geschenkt worden
sei. 3 Easki instruirte er, derselbe solle noch einen letzten Ver
such machen, für das Reich an der Curie einen Vortheil zu
erzielen; in der preussischen Sache dagegen empfahl der König
Vorsicht. Es genüge, wenn dieselbe unentschieden bleibe. 1
Wir wissen nicht, was Easki bestimmte, trotzdem in Rom
zu bleiben. Doch lässt sich vermuthen, dass sein längeres Ver
weilen mit einem Zwischenfalle zusammenhieng, der sich zu
trug, bevor noch die Abberufung ihn erreicht haben konnte.—
In der Sitzung vom 5. April 1514 legte Easki dem Concil
eine Denkschrift vor, welche sich über die verschiedenen
Stämme der Russen und deren Häresien verbreitete. 5 Am
5. Mai traten sodann die Gesandten des Kaisers und des
Ordens, wie jene der mit dem Kaiser verbündeten Mächte,
Spanien, England und Dänemark mit der Forderung auf, dass
Sigismund selbst vor das Concil citirt und verhalten werden
1 Ebenda III, 5G. 2 Ebenda III, 29.
3 Acta Tomic. III, 78. Dasselbe an die Cardinäle 79. 80.
■' Ebenda 81. nr. XCVI.
5 De liutbenorum nationibus eorumque erroribus scriptum Johannis de
Lasco arcliiepiscopi Gnesnensis in eoncilio Lateranensi a. 1514 pro-
duetum. Abgedruckt nach Albertrandi’s Copie aus einem Ms. der
Bibliotheca Vallicell. Eomae c. 20. pag. 53 in A. J. Turgeneuii, Historica
Eussiae monuinenta. T. I. Petersburg 1841. p. 123.
Sitzungsber. d. phil.-hist. CI. LXXV1I. Bd. III. Hft. 35
544
Z e i s s b e r g.
sollte, inzwischen nichts gegen Preussen zu unternehmen,
worauf taski die Gegenforderung stellte, dass man den König
zuvor in den Besitz des durch so viele Jahre besessenen Eides
des Ordensmeisters setze. Zwar drang jener Antrag der Be
vollmächtigten des Kaisers und des Ordens nicht durch, viel
mehr wurde die Sache des letzteren auf den 1. December
vertagt, 1 allein immerhin mochte sich Laski dadurch bewogen
fühlen, neue Instructionen abzuwarten, 2 die er sich vermuthlich
durch den am 11. Mai 3 nach Polen entsendeten Castellan von
Sochaczew Nicolaus Wolski erbat, oder doch die veränderte
Sachlage zum Vorwände nehmen, um noch länger persönlich
in Rom ihm am Herzen liegende Angelegenheiten zu be
treiben.
Jener Anschlag der Ordenspartei in Rom war indess nur
ein einzelnes Symptom der viel weiter reichenden Absichten
des Kaisers und seiner Verbündeten, von denen der Gross
fürst Wasilji Iuanovic bereits losschlug. 1 Da folgte der glän
zende Sieg, den Sigismund’s Feldherr Constantin von Ostrorog
bei Orsza, über den Russen erfocht (8. Sept.). Der Eindruck
dieses Ereignisses auf die römischen Verhandlungen Hess sich
sofort wahrnehmen. Nicht bloss, dass der Papst aus Anlass
der officiellen Mittheilung, die ihm Laski von dem errungenen
Siege über den Schismatiker machte, eine Festmesse und eine
Freudenfeier anordnete, 5 auch die Ordenssache nahm nun für
Polen eine bessere Wendung. Auf den Betrieb des Cardinais
Achilles 6 und Laski’s 7 wurde dem Wunsche Sigismunds ge
mäss 8 neuerdings die Entscheidung auf den 21. März 151o
hinausgeschoben und der Zorn des Papstes darüber, dass die
Kriegsgefangenen, die diesem der zurückkehrende Wolski als
Geschenk überbringen sollte, unterwegs 9 demselben abgenommen
wurden, von Laski klug benützt, um zwei Breve zu erwirken,
1 Acta Tomic. III, 152. 154. 155. 2 Ebenda III, 332.
3 Ebenda III, 332.
4 Vgl. J. Fiedler, Die Allianz zwischen Kaiser Maximilian I. und Vasilji
Iuanovic, Grossfürsten von Russland v. J. 1514 (Sitzungsber. d. Wiener
Akad. XLIII. 1863). A. Hirschberg, 0 zyciu i pismach J. L. Decyusza 103 ft.
5 Acta Tomic. III, 7, 245. 323. 325. Wapovius 1. c. 123.
8 Acta Tomic. III, 319. 7 Ebenda 325. 8 Ebenda 224.
9 Zu Hall bei Innsbruck wurde Wolski angehalten. Decius 322.
Johannes Laski, Erzbischof von Gnesen.
545
von denen das eine vom Kaiser die Herausgabe der Gefangenen
verlangte, das zweite dem Hochmeister des Ordens die Leistung
des Lehenseides auftrug. 1 Da trat aber immer entschiedener
jene Wendung der kaiserlichen, wie der ungarisch-polnischen
Politik hervor, die den Schwerpunkt der Verhandlungen zu
letzt vom Concil in den Congress zu Wien (1515) 2 verlegte,
und Laski’s Sendung nach Rom im wesentlichen abschloss.
Noch ist im Vorübergehen der Ermländischen Sache zu
gedenken, welche mit der Ordensfrage Zusammenhang. Die zu
Rom weilenden Frauenberger Domherren wirkten der Be
stätigung des Piotrkower Vertrages lange mit Erfolg entgegen.
Gegen die Denkschrift, welche Laski dem Papste übergab,
reichten sie eine Gegendenkschrift ein. Da sich inzwischen
zu Frauenberg selbst mehrere Domherren dem Proteste an
schlossen, erreichte dieser die capitulare Mehrheit. Die Partei
gewann an Stärke, als sich auch der Orden und in
dessen Interesse der Kaiser gegen den Vertrag erklärte. Ent
scheidend dagegen war, dass Fabian, der Bischof von Ermland,
selbst an- dem Vertrage festhielt. Die päpstliche Bestätigung
erfolgte endlich. 3
Wie wir bereits früher sahen, war die Stimmung, mit
der man in Polen Laski’s längeren Aufenthalt in Rom betrach
tete, für diesen nicht die günstigste. In einem Briefe des
Königs an Laski vom 25. Sept. 1514 heisst es, dass die jüngste
Synode zu Leczyc Sigismund im Namen des ganzen Clerus
gebeten habe, vorzusorgen, dass der Erzbischof nicht etwas zu
ihren Ungunsten an der Curie erwirke; denn sie hätten Laski
desslialb in Verdacht. 1 Dies veranlasst uns schliesslich, mit
1 Acta Tomic. III, 332.
2 Vgl. X. Liske, Der Congress zu Wien i. J. 1515 - (Forsch, z. deutschen
Gesell. VII, 3. 1807). (Derselbe, Congress Wiederislü w roku 1515. in:
Studia z dziejow wieku XVI. Poznan. 1867.
3 Das von Eichhorn a. a. O. angegebene Datum der Bestätigung (25. No
vember 1513) kann nach den dem Jahre 1514 angehörigen Briefen der
Acta Tomic. III, 00, 87 ff. 184 nicht richtig sein. Da inzwischen dem
erkrankten Ermländer Domherrn Andreas Kopernik der bekannte Johann
Dantiscus Flachsbinder zum Coadjutor bestellt war, sollte Laski auch
dessen Sache zu Rom betreiben. Acta Tomic. III, 123.
4 Acta Tomic. III, 184. 332.
35*
546
Zeissberg.
Uebergehung von Aufträgen untergeordneter Art, 1 die Thätig-
keit Laski’s in Rom als Erzbischof und Primas der Kirche
Polens zu beleuchten.
Es ist nicht unsere Absicht in dieser kurzen Lebensskizze
auf die lange Reihe kirchlicher Bestimmungen einzugehen, für
welche Laski die päpstliche Bestätigung erwirkte; sie gehören
in der That mehr der polnischen Kirchengeschichte als einer
Biographie Laski’s an. 2 Im allgemeinen nahmen dieselben vor
züglich auf die Art der Besetzung kirchlicher Aemter, auf den
Nachweis der dazu erforderlichen namentlich wissenschaftlichen
Befähigung Bedacht; im einzelnen enthalten die beiden päpst
lichen Bullen, in denen die Zugeständnisse sich finden, die
eine vom 14. Nov. 1513, 3 die andere, als ,compacta regno Po-
loniae concessa' bezeichnete, vom 9. August 1515 4 auch die
Bestätigung verschiedener polnischer Provinzial-Statute. Unter
andern 5 ist noch das politisch wichtige Ansinnen des Papstes
an Sigismund hervorzuheben, zu welchem Laski den Anstoss
gab, dass der König den Clerus nicht über jene 40.000 Gulden
hinaus, die zum Ankauf gewisser Güter bewilligt worden seien,
um daraus für die Vertheidigung des Landes aufzukommen,
beschweren möge. 0
Zu Rom erwirkte Laski dem Clerus seiner Provinz auch
das sog. ,Gnadenjahr' wonach jeder Geistliche bis zum Vicar
herab über seinen Tod hinaus, falls er in den ersten Monaten
des Jahres sterbe, den vierten Theil, in den drei nächsten Mo
naten die Hälfte, im dritten Quartal drei Viertel, im letzten
die Gesammtheit der Einkünfte geniessen d. h. über dieselben
frei verfügen sollte. 7
1 So bewilligte (25. April 1525) der Papst zu Gunsten des berühmten
Krakauer Bürgers Johann Bonar ,des Freundes des Erzbischofs von
Gnesen 1 und Patrons der Capelle Joliann’s d. T. in der Marienkirche
zu Krakau den Besuchern jener Capelle einen Ablass. Theiner 1. c. II,
357 nr. 384.
2 Das Materiale dazu findet man in ,T. Wezyk, constitutiones synodorum
metropolitanse ecclesie Gnesnensis prouincialium Craoouiae. 1630.
3 Ebenda II, 345. nr. 372. 4 Eetowski, Catalog II, 71.
5 Vgl. noch Theiner 1. c. II, 341 (mit Acta Tomic. VI, 165) u. ebenda II,
342. nr. 370. 1. Octob. 1513. II, 356. 30. April 1515.
6 Theiner 1. c. II, 361. nr. 389. 20. Juli 1515.
7 Wezyk 1. c. 177 vgl. Testam. 27 b.
Johannes Laski, Erzbischof von Gnesen.
547
Waren dies alles Errungenschaften, bei denen sich Laski
in voller Uebereinstimmung mit dem Clerus, den er vertrat,
befand, so waren andere geeignet, den entgegengesetzten Ein
druck zu erwecken.
Wir geben hiebei von einer scheinbar minder wichtigen
Sache aus, die jedoch in Anbetracht der Person, welche sie
betraf, wie sich deutlich erkennen lässt, dem Erzbischöfe in
seiner Heimat sehr geschadet hat und der wir es in letzter
Linie zuschreiben müssen, wenn sich in die Berichte über sein
späteres Wirken fast überall der Ton unverkennbaren Uebel-
wollens mischt. Zu den bedeutendsten polnischen Staatsmännern
jener Zeit gehört ohne Frage der königliche Secretär Tomicki,
Archidiakon von Krakau u. Cantor von Gnesen. Als nun der,
wie oben bemerkt wurde, zu Anfang des Jahres 1513 schwer
erkrankte Bischof von Kujawien Vincenz von Przerqb (20. Sept.)
starb, und diesem der Reichskanzler und Bischof von Przemysl
Matthias Drzewicki folgte, beauftragte der König Laski,
vom Papste die Erlaubniss zu erwirken, dass letzterem auf
dem Stuhle von Przemysl Tomicki mit Beibehaltung seiner
Pfründen folge. 1
Laski hatte bisher zu Tomicki in den freundlichsten Be
ziehungen gestanden. Wir finden 1508 2 , ja noch in dem auf
der Reise nach Rom zu Olmiitz (8. April 1513) aufgestellten
Testamente Laski’s 3 Tomicki unter den Testamentsvollstreckern,
von dem an der letzteren Stelle der Erzbischof sogar aus
drücklich die Hoffnung ausspricht, dass er ,aus angeborener
Tugend und Güte auf das Seelenheil des Verstorbenen dereinst
bedacht sein werde' und ebenso spricht Tomicki aus jenem An
lässe sein volles Vertrauen in die ,besondere Gnade' aus, mit
der Laski ihn stets in seiner unbedeutenden Stellung begünstigt
habe. 4 Selbst die eintretende Verzögerung mass Tomicki an
fangs nicht bösem Willen, sondern ,der dem Erzbischöfe eigenen
Schwerfälligkeit in Behandlung solcher Dinge' bei. 5 Allein als
der König und Tomicki sich nochmals nach Rom wendeten, 0
1 Acta, Tomic. III, 29. 31. 33 ff. 37 nr. XXXVII. 70 nr. LXXX. 73. nr.
LXXXIII. 74. 103. 145. 146 ff.
2 Test. 14 b. 3 Ebonda 23 a. 4 Acta Tomic. III, 37.
5 Ebenda III, 70. nr. L^XX. c Ebenda III, 74 fl. 103. 145 ff,
548
Z e i s s 1) e r g.
mussten sie erfahren, dass Bernhard Wapowski — es ist dies der
bekannte Chronist, der wie wir sahen Laski in Rom manch
wichtige Dienste leistete -— der Reservirung der Cantorie von
Gnesen für Tomicki entgegen wirkte, 1 obgleich Sigismund kurz
zuvor 2 Laski gebeten hatte, Wapowski als Entschädigung für
eine Krakauer Pfründe, auf die er verzichtet hatte, die erste
Nomination an derselben Kirche zu ertheilen. Ja Tomicki be
hauptet, 3 dass Laski zu Gunsten Wapowski’s die königlichen
Briefe vier Wochen zurückgehalten habe, statt sie dem Papste
zu übergeben, unter dem Vorwände, dass er befürchtet habe,
sie enthielten in der Ordenssache Dinge, die den Papst un
angenehm berühren könnten. Erst am 7. October 1514 traf die
Provision Tomiclci’s in Polen ein. 4
Den ungünstigen Eindruck, den dieser Vorfall auf den
König machte, wusste Laski bei der weichen Gemüthsart des
letzteren wohl bald zu verwischen. Nicht ohne Absicht wurde
in einer Sammlung von Gedichten auf den Sieg bei Orza, die
der Erzbischof mit einer Widmung an den König (22. Jan. 1515)
zu Rom herausgab, auch ein Poem Wapowski’s aufgenommen,
der in der That die Gunst Sigismunds als einer seiner Seeretäre
in kurzem wiedererlangte. 5
Hingegen zählt von da an Tomicki zu Laski’s Gegnern.
Bei dem Umstande, dass Tomicki bald darnach (5. März 1515)
Reiclisvicekanzler wurde, fiel dessen Feindschaft doppelt in’s
Gewicht. Wenn in dem Masse, als Tomicki’s Glücksstern sich
erhob, jener Laski’s sich zum Niedergange neigte, wenn der
Einfluss des letzteren bei Hofe mit den Jahren immer seltener
hervortrat, so war dies ohne Frage vor allem eine Folge der
Gegnerschaft Tomicki’s und seiner Sippe, zumal des Neffen des
letzteren Andreas Krzycki’s, der den Erzbischof in allerlei Ge
dichten mit der schärfsten Lauge seiner Witze übergoss. 6
Lud Laski in diesem Falle den Hass eines einzelnen ein
flussreichen, hochbegabten Mannes auf sich, so bot seine Thätig-
1 Ebenda III, 146. nr. CCIV. 2 Ebenda III, 126.
3 Ebenda III, 152. nr. CCXV. 28. Juli 1514. ■' Ebenda III, 158.
5 Das nähere hierüber, wie über die von Easki edirte Anthologie s. in
J. Szujski’s Einleitung zu Wapowski (Seriptores rerum Polonicarum T. II.
Cracouiae 1874. p. XI.) vgl. auch Janociana II, 222.
6 Vgl. Acta Tomic. V, 160. nr. 157. 364. Anm.
Johaunos Laski, Erzbischof von Gnesen.
549
keit in Rom andererseits auch dem polnischen Clerus in seiner
Gesammtheit Angriffspunkte dar. Vor allem vergass Laski seine
Verwandten nicht. So verlieh Leo X. (1. Juli 1513) Laski’s
Neffen Martin Rambiewski Canonicate zu Krakau und Plock 1
das letztere auf das falsche Gerücht, dass dessen Besitzer
Dr. Nicolaus Czepel gestorben sei, eine Vergünstigung, die man
später wider Laski benützte, zumal sich der König nach Czepel’s
wirklich erfolgtem Tode die Nomination vorbehielt. 2 Seinem
Marschall :l Nicolaus Wolski, dom oben erwähnten Castellan
von Socliaczew, an den er später eine seiner Verwandten
verheirathete, erwirkte Laski die päpstliche Erlaubniss zum
Genüsse gewisser Mensalgüter von Gnesen, und zwar so, dass
nach dessen Tode nur zwei Drittel des verliehenen Gutes an
den erzbischöflichen Tisch zurückfallen sollten. 4
Ebenso wurden auch dadurch der Gncsener erzbischöflichen
Tafel gewisse Erträgnisse dauernd entzogen, dass der Papst
Laski gestattete, dieselben der Kirche zu Lasko zuzuwenden. 0
Laski hatte bisher an der Universität Krakau aus eigenen
Mitteln einen öffentlichen Lector der Theologie unterhalten;
nun verpflichtete Laski sieh und seine Nachfolger zwei Lec-
toren, einen in der Theologie, den anderen in der Beredsamkeit
zu besolden, wogegen der Papst die Einverleibung eines Kra
kauer Canonicates, welches damals der Domherr Martin Slup
inne hatte, in den erzbischöflichen Tisch gestattete. (i Wie jene
anderen Begünstigungen ein Eingriff in den Besitz der Gne-
sener war diese ein solcher in den der Krakauer Kirche.
Von grosser Tragweite war die Bulle vom 31. Juli 1515,
welche im Sinne der zehn Jahre zuvor gefassten Radomer Be
schlüsse, den Kathedralkirchen Polens auftrug, nur Adeligen
von beiden Aeltern Canonicate zu verleihen, je vier Stellen
ausgenommen, die an Nichtadelige und zwar an zwei Doctoren
der Theologie und an zwei Doctoren der Rechte verliehen
werden sollten. 7 Man hat auch diese Bulle mit Laskis F eind-
schaft gegen Ciolek in Verbindung gebracht, was sich zwar
1 Theiner, Monum. II, 348. 2 Acta Tomic. VI, 65.
3 Testament 29 a. 3 Theiner II, 350. nr. 377. 17. Kl. Junü 1514.
5 Theiner. II, 358 nr. 385. 30. April 1515.
6 Ebenda II, 343. nr. 371.
7 Wezyk 1. c. 150.
550
Zeissberg.
nicht erweisen lässt, aber auch nicht unwahrscheinlich ist.
Denn zwar stellt sich die Bulle selbst als eine Erfüllung der
Wünsche des Königs dar, während Laski in derselben nicht
erwähnt ist; allein sicher hat sie der zu Rom weilende Erz
bischof erwirkt.
Schon damals bestand in Rom die Absicht, Laski zum
Cardinal zu erheben, eine Würde, die von seinen Vorgängern
bereits zwei (Vincentius Koth und Prinz Friedrich) bekleidet
hatten. Allein schon die Erhebung des Krakauer Bischofes
Zbigniew Oiesnicki zum Cardinal hatte Zerwürfnisse und auf
dem Generallandtage zu Piotrkow (1451) den Beschluss her
vorgerufen, dass ohne vorausgehende Genehmigung des Königs
und seines Rathes in Hinkunft kein Erzbischof noch Bischof
von Polen sich weder um den Cardinalat noch um den Rang
eines Legaten bewerben dürfe. 1 Auch die königliche Gewalt
war der Ausbildung einer derartigen Ausnahmsstellung abge
neigt. Sobald daher Sigismund von jener Absicht erfuhr, wen
dete er sich an den Cardinal de Grassis mit der Bitte, den
Papst davon abzubringen, wobei er sich auf jenen Reichstags
beschluss aus seines Vaters Zeit berief. 2 In der That unterblieb
für diesmal die Sache, um freilich später noch einmal aufzu
tauchen. Dagegen wurde mit Sigismunds Zustimmung Laski
für sich und seine Nachfolger auf dem Gnesener Stuhle durch
die Verleihung der ,legatio nata‘ ausgezeichnet. 3 Auch er
wirkte Laski der Gnesener Metropolitankirche einen Ablass
(27. Juli 1515). '
Die politischen Veränderungen hatten inzwischen den
Papst der Bitte des polnischen Königs um Subsidien zugäng
licher gemacht. Nach dem Siege bei Orza brachte Leo X. selbst
die Sache neuerdings zur Sprache und mit seinem Kreuzungs-
projecte in Verbindung, in welchem er Sigismund die Führung
der Landmacht zugedacht hatte. Sigismund, in dessen Interesse
wohl ein derartiges allgemeines Unternehmen wider den Halbmond
1 Vergl. meine Poln. Geschichtschr. im Mittelalter. 212.
2 Acta Tomic. III, 450. nr. 603.
3 Detowski, Katalog III, 272. Die Bulle (11. Juli 1515) allgedruckt bei
Wezyk, Constitutiones 82,
4 Theiner 1. c. II, 364. nr. 393.
Johannes Laski, Erzbischof von Gnesen.
551
lag, der aber gegen das Zustandekommen desselben begründete
Zweifel hegen mochte, folgte Laski’s Rathe, das päpstliche An
sinnen trotz der sich dagegen erhebenden Bedenken nicht völlig
abzulehnen. Vielmehr bildete die Sache einen Gegenstand der
auf dem Congress zu Wien gepflogenen Verhandlungen, deren
Ergebniss war, dass Sigismund durch Laski den Papst bitten
liess, mit ihm und seinem Bruder Wladislaw vor allem auf die
Herstellung der Eintracht unter den christlichen Fürsten hin
zuwirken. 1
Der hierauf bezügliche Brief Sigismunds an Easki datirt
aus Neustadt (3. Aug. 1515) 2 und enthält die Mittheilung von
den am 22. und 28. Juli zu Wien abgeschlossenen folgenreichen
Familienverbindungen. 3 Nicht lange darnach wird Laski die
Heimkehr angetreten haben. ■* Denn endlich erreichte er doch,
was von Anfang an einen der wesentlichsten Aufträge gebildet
hatte. Der Papst bewilligte für Polen ein Jubiläum, gleich jenem
zum Neubau der Peterskirche, in der Art, dass der Ertrag zu
gleichen Th eilen dem Kriege ,gegen die Ungläubigen und
Schismatiker', der Instandsetzung der Burg von Kamieniec
und der Gnesener Kirche zu Gute komme. Auch hatte Laski
den Königen von Polen ein ewiges Jubiläum mit Ablass in
der Art erwirkt, dass dessen jährlich an einem vom König zu
bestimmenden Marientage alle die theilhaftig werden sollten,
die sich entweder an desselben Aufenthaltsort befänden oder
eine der Domkirchen des Reiches besuchten. "'
Während seines Aufenthaltes in Rom hatte Laski unter
andern einen eifrigen Förderer seiner Aufträge in dem Consi-
storial-Advocaten Paulus Cronatus de Planco gefunden, der
schon mit Sigismunds Vater in Verbindung gestanden hatte
und dem nun der König die Abwickelung der Angelegenheiten
übertrug, welche Laski unerledigt zurückliess. ( >
1 Acta Tomic. III, 343. 347. 349 ff. Theiner II. 354. nr. 382.
2 Ebenda III, 415.
3 Acta Tomic. III, 378. 8. Juli 1515: Sigismund beauftragt den Dr. Ber-
nardinus de Comitibus, in Easki’s Gegenwart dem Papst die beabsichtigte
Familienverbindung' mit dem Kaiser zu melden.
1 Wapowslri 1. c. 138. 0 Acta Tomic. III, 441.
6 Acta Tomic. III, 81. 322. IV, 171. Vergl. Testam. 23 a.
552
Zßiasberg.
Auf Laski’s Rückreise bezieht sich Tomicki’s Aeusserung
in einem Briefe an den Bischof Johann von Posen: 1 ,Der
Herr Erzbischof hat von Wien nach Ungarn abgelenkt., um
sich zum Herrn Cardinal (von Gran), dann zur dortigen könig
lichen Majestät zu begeben. Was er dort verhandeln wird, weiss
ich nicht. Wir erwarten stündlich seine Ankunft; denn seine
Dienerschaft ist hier bereits eingetroffen/
Als ,legatus natus' forderte Laski den Bischof von Krakau
und dessen Capitol auf, ihn vor der Stadt festlich einzuholen.
Allein der Krakauer Clerus nahm die ,öffentliche Trauer' über
den am 2. October erfolgten Tod der Königin Barbara und
die in der Stadt herrschende grosse Sterblichkeit 2 zum Vor
wände, um dem Ansinnen Laskis auszuweichen, der sich end
lich damit begnügen musste, dass ihn die Praclaten und Ka
noniker am Stadtthor zunächst dem Wawel empfingen.
Am folgenden Tage hielt der Erzbischof eine Versamm
lung des Clerus ab, in welcher er die Erfolge seiner Gesandt
schaft aufzählte und sein langes Verweilen auf dem Concil mit
der Angelegenheit des deutschen Ritterordens entschuldigte, da
nur seine Anwesenheit die Citation, ja Excommunication des
Königs hintangehalten habe. Dagegen kam es über die erwirkte
Einverleibung jenes Krakauer Canonicats in die erzbischöfliche
Tafel vor dem Könige zu einem heftigen Streite zwischen dem
beeinträchtigten Bischöfe und Laski, auf dessen Vorschlag die
endgültige Austragung derselben auf eine Synode vertagt wurde. 3
Durch Laski selbst erfahren wir, dass er die letzte Vergün
stigung sich ohne Wissen des Königs erwirkt und später wegen
dessen Widerspruches aufgegeben habe. 1 ,Nachdem die Ver
sammlung auseinandergegangen war 1 berichtet Tomicki ,war
Frühstück bei dem Herrn Bischof von Krakau, wobei sie aller
lei mir tlieils bereits bekannte, theils noch unbekannte Dinge
heimlich unter sich verhandelten. Auch mit Sr. Majestät hatte
der Erzbischof viele heimliche Besprechungen und ich fürchte,
1 Acta Tomic. III. 437. Auf diese Reise scheint auch Easki’s Aeusserung
ebenda IV, 49 Bezug zu nehmen.
2 Ebenda III, 317. • 3 Ebenda III, 441.
4 Ebenda VI, 67,
Johannes Laslci, Erzbischof von Gneson
553
dass er von derselben in deren gegenwärtigen Schmerze manches
erwirken wird, was er sonst nicht erreicht haben würde/ 1
In der nächsten Zeit trat die Frage der Wiedervermählung
des Königs in den Vordergrund. 2 Kaiser Maximilian schlug
demselben zuerst seine eigene Enkelin Eleonora, sodann Bona,
die Tochter Johann Galeazo Sforza’s als Braut vor. Diesem
Plane, den auch Tomicki und dessen Anhang begünstigten,
arbeitete jedoch -Laski entgegen. Sein Wünsch ging vielmehr
dahin, dass Sigismund die Tochter der verwittweten Herzogin
Anna von Mazowicn oder diese selbst zur Gemahlin nehmen,
seine Töchter aber mit deren Söhnen verloben möchte, wodurch
er den Anfall Mazowien’s an Polen anzubahnen vermeinte. 3 Er
beredete also die Herzogin einen Gesandten an den Kaiser zu
schicken und denselben zu bitten, er möchte dem König die
Ehe mit ihrer Tochter anrathen. Der Kaiser ging scheinbar
auf den Wunsch ein und verwendete sich sogar schriftlich für
dieselbe, Hess aber zugleich durch den Cardinal von Gurk dem
Vicekanzler Tomicki andeuten, dass er dies nur zum Scheine
und nothgedrungen tliue, aber in Wirklichkeit nur an die Ver
ehelichung Sigismund’s mit seiner Enkelin denke. 1 Inzwischen
hatte die Plerzogin Tomicki selbst für ihr Project zu gewinnen
gesucht, der indess vielmehr sowol Laski entgegenwirkte, als
sich derselbe zu dem Könige nach Brzesc begab, 5 als auch
der Herzogin, welche noch im November 1517, als die Heirath
Sigismund’s mit Bona bereits beschlossen war, sich in Wilno
einfand, um den König unter dem Vorwände der Streitigkeiten
1 Ebenda III, 441. Dem Tomicki hatte Easlü kurz zuvor ein ,Confessionale‘
als Geschenk übersandt. Acta Tomie. III, 440.
2 Vgl. Przezdzieclci, Jagiellonki Polskie I, 53 ff. wo indess unter Hinweis
auf eine missverstandene Stelle der Acta Tomie. VI, 260 fälschlich be
hauptet wird, dass auch Radzywill, Wojwode von Wilno, dem Könige
seine Schwester, die verwittwete Anna von Mazowien zur Gemahlin vor
geschlagen habe.
3 Acta Tomie. IV, 48. nr. LIV.
4 Acta Tomie. IV, 39. nr. XLIII. Tomicki an den Bischof von Posen: ,He
omnes sunt artes illius omnifarii artificis (Joannis E. archiepiscopi Gnes-
nensis), qui humana et diuina omnia permiscet. 1
5 Ebenda IV, 51. nr. LV.
saiHH
554
Zoissborg.
in die sie mit iliren Baronen verwickelt war, zu einer Reise
nach Mazowien zu bewegen. 1
Nach Brzesz führte (Anfang des J. 1516) Laski ausser
dieser Sache eine persönliche Angelegenheit. Er selbst beziffert
die Summe, welche ihm die Erwirkung gewisser Vortheile für
seine Kirche und seinen Sprengel, die des Jubiläums und der
Legation gekostet, auf mindestens 3000 Gulden 2 und bezeichnet
diese Ausgaben als die vernehmlichste Quelle seiner Schulden, 3
die sich nach seiner Rückkehr vom Concil auf 12.000 Gulden
beliefen, 1 so dass er sich durch das Drängen seiner Gläubiger 5
gezwungen sah, Pupillengelder anzugreifen. (i Er bat daher den
König noch während jenes Krakauer Aufenthaltes, doch ver
gebens, dass er seine Schulden auf Güter in Polen und Litthauen
und dafür bis zur Bezahlung die Claue Skwyrniewice über
nehme. 7 Nunmehr — zu Brzesc — suchte er Nicolaus Wolski
das Marschallamt, dem Probst von Wilno, Laurentius Miedzi-
leski die Coadjutorie des Bisthums Chelm zu verschaffen, Tomicki
aber zu bestimmen, gegen einige erzbischöfliche Güter zu
Gunsten Latalski’s auf das Bisthum Przeinysl zu verzichten.
Gegen Tomicki äusserte er, er wünsche, dass der natürliche
Sohn Sigismund’s — es ist Johann, der Sohn der Telniczerinn
gemeint 8 — zum Bischof in Ungarn gewählt werde; schon
habe er daselbst 3 die ersten Schritte in dieser Richtung gethan
und hoffe, falls er däliin gesendet werden sollte, das übrige
dafür zu tliun. Wir dürfen wohl mit Tomicki als Motiv dieser
Vorschläge Laski’s Geldverlegenheit betrachten. Der Vice-
kanzler bezeichnet als Absicht des Erzbisehofes, die Boneficien
Latalski’s und jenes königlichen Bastards an sich zu bringen.
Wenn er dagegen sagt, dass der König auch diesmal Laski’s
Ansinnen, die Haftung für seine Schulden zu übernehmen, ab
gelehnt habe, 10 so ist zur Ergänzung dieser Angabe aus Laski’s
Testamente 11 zu bemerken, dass der König diesem damals aus
1 Ebenda IV, 205. nr. CCLXVIII. CCLXIX. Easki erfuhr von Tomicki’s
Gegenminnen. Vgl. ebenda IV, 194.
2 Testam. 26 b. 3 Ebenda 28 b. 4 Acta Tomic. IV, 49. nr. LlV.
5 Testam. 25 a: ,propter alia importunorum creditorum.‘
0 Testam. 20 b. 7 Acta Tomic. IV, 49. nr. LIV.
s Vgl. Przezdziecki, Jagiellonki Polskie I, 5.
0 S. oben S. 34, 10 Acta Tomic. IV, 48. nr. LIV.
11 Testam. 25 a.
Johannes Laski, Erzbischof von Gnesen.
555
einer Forderung zu Brzesc 1000 Gulden schenkte. Von dieser
Schenkung wurde, wie Laski ausdrücklich bemerkt, auch
Tomicki verständigt und für deren Richtigkeit spricht der zu
fällige und deshalb unverdächtige Umstand, dass auch Tomicki
die unmittelbar darnach erfolgte Reise Laski’s nach Kamieniec
erwähnt, um deren Beschleunigung willen, wie Laski sagt, die
Schenkung nicht in aller Form erfolgte,
,Von Kamieniec' sagt Tomicki ,will sich der Erzbischof
nach Lemberg begeben, um daselbst eine Synode abzuhalten,
zu dem Zwecke, von dem dortigen Clerus eine Geldhilfe zur
Deckung seiner römischen Ausgaben zu erwirken. Dasselbe
will er auch auf seiner Synode thun'. Es ist damit vielleicht
dieselbe Synode gemeint, von der es in Laski’s Testamente 1
noch im Jahre 1517 heisst, dass er auf derselben den Bischöfen
das zu Rom erwirkte ,Gnadenjahr' empfehlen wolle. Doch
hinderte ihn an deren Abhaltung zunächst ein Auftrag des
Königs, der ihn nach Ungarn führte.
Zu Anfang des Jahres 1516 erging an Sigismund die Ein
ladung, sich auf dem ungarischen Landtage (Georgi 23. April)
zu Ofen einzuiinden, auf welchem Jiber die Würde und das
Wohl des Königes Wladyslaw und seines Sohnes Ludwig und
über die Ordnung der Verhältnisse ihres Reichs verhandelt
werden sollte'. Sigismund lehnte für seine Person die Ein
ladung mit Hinweis auf schwierige und noch unentwirrte
Angelegenheiten seines eigenen Landes' ab, versprach jedoch
an seiner statt seine Räthe, den Erzbischof von Gnesen und
Christoph Szydlowiecki, Palatin vou Krakau, dahin abzusenden. -
Die Gesandtschaft erlitt zwar durch den damals erfolgten Tod
des Königs Wladyslaw (14. März 1516) eine kurze Ver
zögerung, ging aber auf dringendes Verlangen des jungen
Königes Ludwig und eines Theiles der Magnaten dennoch ab. 3
Dem Gesandten wurde aufgetragen, sich mit den wohlgesinnten
Magnaten zu verbinden, um die befürchtete tumultuarische
Erhebung eines Gubernators (Zapolya’s) wo möglich hintanzu
halten. Dagegen sollten sie, um nicht den Anschein unbefugter
Einmischung und um nicht Argwohn bei dem Kaiser zu erregen,
1 27 b. 2 Acta Tomic. IV, 14. nr. VI, 22. ur. XVII.
3 Ebenda 22. nr. XVIII. Testam. 25 a. b.
556
Zeissberg.
die Regentschaft und Vormundschaft über Ludwig, die der
verstorbene König Sigismund und dem Kaiser übertragen hatte,
nur dann zur Sprache bringen, wenn beides von den Ungarn
selbst angeboten werde, und ihr Streben in diesem Falle in
Verbindung mit Maximilians Gesandten dahin richten, dass sich
die Uebertragung auch auf den letzteren beziehe, es sei denn
dass ein Aufstand zu befürchten wäre. Ueberhaupt aber sollten
sie über die Zukunft des jungen Königs, über die Ordnung
der Dinge in beiden Reichen, über die Instandhaltung der
Burgen, den regelmässigen Einlauf der Steuern und die Be
seitigung der inneren Zwietracht mit den Ständen Ungarns
in Unterhandlung treten. 1 In letzterer Hinsicht wurde den
selben insbesonders aufgetragen, den Streit über die Güter
Sulmoss und Lippa zwischen dem Markgrafen Georg von
Brandenburg und dem Wojwoden Johann Zapolya, den einst
Sigismund zu Pressburg beigelegt, der aber inzwischen von
neuem ausgebrochen war und in welchem sich der erstere neuer
dings an den König gewendet hatte, friedlich auszugleichen. 2
Endlich weist der König die Gesandten an, da der Ofner
Landtag bereits nahe bevorstehe, durch einen Eilboten die
Versammlung von ihrer bevorstehenden Ankunft zu benach
richtigen und zu bitten, bis dahin die Verhandlung über jene
Fragen auszusetzen. 3 Denn am 11. April befand sich Laski
noch zu Krakau, wo er aus Anlass der Reise sein Testament
erneute. 4 Unmittelbar darnach 5 jedoch müssen die Gesandten
aufgebrochen sein, nunmehr so eilig, dass ihnen die Instruc
tionen nachgesendet werden mussten, wie Tomicki mit ge
wohnter, aber entschieden ungerechter Gehässigkeit bemerkt
,als hätten sie geglaubt, Ungarn sei jedes Schutzes bar und
könne nur durch ihren Rath und ihre Hilfe gerettet werden'.
Auf der andern Seite gedachte Laski allerdings auch
diese Sendung in der uns schon bekannten Eigenmächtigkeit
zu Gunsten seiner Freunde Wolski und Czykowski auszunützen,
1 Acta Tomic. IV, 10. (Comment.)
2 Ebenda IV, 33. nr. XXXIII. Vgl. H. Cuers, De Georgii marcliionis
Brandenbürgensis in aula Vladislai et Ludouici II. Ungariae et Bohemiae
regum vita et consiliis politicis. Part. I. (Diss.) Berolini 1867. p. 20.
3 Acta Tomic. IV, 23. nr. XIX. 36. nr. XXXVI. 4 Tcstam. 25 a.
5 Testam. 25 b. (11. April): ,ad iter Hungaricum, quod nunc ... ingredior.‘
Johannes Laski, Erzbischof von Gnesen.
557
die er mit sich nach Ungarn nahm, um sie daselbst zur Obhut
des jungen Königs zurückzulassen. Wir erfahren dies aus
einem Schreiben Sigismunds an den zweiten Gesandten Szydlo-
wiecki, dem befohlen wird, den Erzbischof daran zu hindern,
da, wenn der Wunsch der Ungarn wirklich dahin gehe, dass
jene Obhut Polen übertragen werde, er sich selbst die Bestim
mung der Personen Vorbehalte. 1
Indess erwies sich diese Sorge als überflüssig, da die
Ungarn weder des polnischen Königs noch des Kaisers An
sprüche auf die Vormundschaft berücksichtigten. Von dem
sonstigen Verlaufe der Gesandtschaftsreise wissen wir n-ur,
dass Laski und sein Gefährte ehrenvoll empfangen wurden 2
und durch Entsendung beiderseitiger Bevollmächtigter die be
stehenden Differenzen beider Reiche beizulegen beschlossen
ward. 3
Aehnliche Bewegungen, wie in Ungarn brachen in dem
selben Jahre in Mazowien aus. Die dortigen Magnaten weiger
ten sich, fernerhin die Herzogin Anna als Vormünderin ihrer
beiden Söhne Stanislaus und Janus anzuerkennen, da diese
bereits das zur Selbstregierung gesetzlich erforderliche Alter
besässen und suchten die Erziehung derselben und die Regent
schaft sich selbst anzueignen. 4 Wir finden Laski mit Sigis
munds Billigung bereits 1516 bemüht zu vermitteln 5 und
nachdem er zu Anfang des Jahres 1517 15 eine schwere Krank
heit, 7 überstanden hatte, beauftragt, sich auf einen Convent
zu Warschau zu begeben, der am Tage nach St. Thomae
(22. Dec.) zur Beilegung der andauernden Wirren Mazowiens
abgehalten werden sollte. 8
1 Acta Tomic. IV, 33. nr. XXXII.
2 Ebenda IV, 38. nr. XLII.
3 Ebenda IV, 109. nr. CXVIII. Wapowslci I. c. 140: ,rebus ex sententia
firmatis domum rediere. 1 Auf die ungarische Reise nimmt, das Testa
ment 25 ab. 26 b. 28 a. Bezug.
4 Acta Tomic. IV, 7. (Comment.)
5 Acta Tomic. IV, 68. nr. LXXX. vgl. Wapowski 1. c. 145.
G Am S. Januar war Laski zu Lowicz (Testam. 27b); am 27. Januar er
krankte er (Testam. 30 a. b. 31 a.) 7 S. Note 6.
s Acta Tomic. IV, 208. nr. CCLXXIV. Vgl. Testam. 34 b: ,ex Mazouia
redeundo. 1
558
Zeissberg.
Zu Anfang des Jahres 1518 wohnte Laski dem General
landtage zu Krakau 1 und der daselbst unmittelbar darauf
folgenden Hochzeit Sigismund’s mit Bona bei. 2 Er ging bei
dieser Gelegenheit dem im Gefolge der Braut befindlichen
Cardinal Hippolyt von Este zum Empfange entgegen und ge
leitete ihn zu des Königs Zelt. Hierauf begriisste er die
Braut selbst mit einer Ansprache (15. April). 3 Desgleichen
vollzog er, unterstützt von den Bischöfen von Krakau und
Posen (18. April) in der Domkirche den feierlichen Trauungs
act und die Krönung. 4 Bei dem Festmahle nahm er an dem
ersten Tische rechts vom Könige den obersten Platz ein. 8
Görski erzählt, Laski habe damals jenen Laurentius Miszkowski
von Spitkowice, der seinen Herrn, Herzog Johann von Zator,
auf der Jagd (1513) ermordet haben sollte, bei Orza (1514) je
doch sich ausgezeichnet hatte, der Königin als Haushofmeister
empfohlen, doch sei Barbara davor zurückgeschreckt, als Sigis
mund auf ihre Bitte erwiederte: Ihr wisst nicht, was ihr ver
langt ; dieser Mensch ist ein Mörder, der seinen Herrn um’s
Leben brachte. (i
Der Bischof von Wilno hatte unter dem Vorwände, dass
die betreffende Bulle eine Beeinträchtigung seiner Kirche in-
volvire, für seine Diöcese die Veröffentlichung des Jubiläums
unterlassen, obgleich ihm der König auf dem Convente zu
Brzesc 7 in Gegenwart Laski’s und des Bischofes von Luck
die Publication ausdrücklich aufgetragen hatte. s Ohne Zweifel
hing dies damit zusammen, dass man sich littlniuischerseits
überhaupt nur ungern unter den kirchlichen Primat Polens
beugte. Diesen zu betonen, scheint der wesentliche Zweck der
Reise nach Litthauen gewesen zu sein, die Laski am 27. Juni 1518
antrat und über die wir ihn selbst sprechen lassen wollen. 11
1 Laski daselbst am i). (Dogiel 1. c. I, 610) und 20. März (Bischoff, Urkk.
zur Gesch. d. Armen, in Lemberg nr. XXVI).
2 Acta Tomie. IV, 310. 3 Ebenda 305—7. Wapowski 1. c. 154.
4 Ebenda IV, 317. Wapowski 1. c. 5 Ebenda IV, 319.
6 Ebenda II, 143.
1 Es kann nur der zu Ende des J. 1515 abgelmltene gemeint sein. Man
ersieht daraus, dass Görski doeli nicht so ganz mit Recht die Absicht
einer Visitationsreise nacli Litthauen als blossen Vorwand bezeichnet, der
Laski damals nach Brzesc geführt habe. Acta Tomic. IV, 8. Vgl. oben S. 35 fl.
8 Acta Tomic. IV, 211. 0 Testam. 35 a. b.
Johannes Laski, Erzbischof von Gnesen.
559
,Aus drei Gründen/ sagt er ,ging ich nach Litthauen.
Einmal war mir durch ein päpstliches Breve aufgetragen, über
die Heiligkeit im Leben und über die Wunder nach dem Tode
des seligen Kasimir eine Untersuchung anzustellen. 1 Sodann
wollte ich jene Suffragan-Diöcese besuchen, die nie von den
Erzbischöfen visitirt worden war, desgleichen auch den Sprengel
von Medniki. Endlich trieb mich der Eifer für den Staat an,
nicht bloss durch Boten, sondern persönlich und brüderlich
mit den Herrn Litthauens zu verhandeln, um ein gedeihlicheres
Verhältniss zwischen dem Könige und ihnen herzustellen und
womöglich sie zur Beobachtung der Union und der gegen
seitigen Bündnisse zu bewegen. Vielleicht werden manche an
dieser Reise Anstoss nehmen, aber ich rufe Gott zum Zeugen
an, dass ich nicht aus Privatinteresse, sondern aus den drei
genannten Gründen mich der Mühe und den Beschwerden
unterzog und nicht ohne materielle Einbusse: denn ich ver
ausgabte zum Behufe der Reise 1000 Gulden, die ich zu leihen
nahm. Was den Beatificationsprocess und die Bemühungen um
die Union betraf, war denn auch mein Werk nicht fruchtlos.
Denn ich stellte die Untersuchung über die Heiligkeit des
Lebenswandels an und schickte das darüber verzeicknete Re
gister an den Papst, auf dass, wenn Se. Maj. der König will,
die Cänonisation erfolgen könne. In Betreff der Union zeigten
sich die Barone bereit, woferne der König nur demnächst
zwei Convente anberaume, den einen für Polen, den andern
für Litthauen, so dass Se. Majestät von diesem auf jenen
mit den zum erneuten Abschluss der Bündnisse bevollmäch
tigten litthauischen Grossen sich begeben könne. Dagegen
binderte mich an der ordentlichen Visitation die Weigerung
des Bischofes (von Wilno), welcher geltend machte, dass seit
der ersten Pflanzung des Christenthums in jenen Landen die-
1 Schon in Rom war Laski vom Könige ("24 Sept. 1514) beauftragt worden,
den Probst von Wilno Laurentius Miedzileski, der daselbst die Canoni-
sation des Prinzen betreiben sollte, hierin zu unterstützen. Vgl. Acta
Tomic. III, 325. Bei den Erhebungen, welche der päpstliche Legat Za
charias Ferrerius 1520 über denselben Gegenstand pflog, wird wiederholt
auf jenes frühere Breve hingewiesen, welches an den Erzbischof von
Gnesen und an den Bischof von Przemysl (Tomicki) gerichtet war. Act.
Tomic. V, 187. .
Sitzungsber. d. phil.-hist. CI. LXXV1I. Bd. III. Hft. 36
560
Zeissberg.
selben nie von den Gnesener Erzbischöfen visitirt worden seien.
Ja für seine Person wies er ein Breve Papst Leo’s X. vor,
worin es Iness, dass er Sr. Heiligkeit Familiaris und da
her keiner Visitation durch mich unterworfen sei. Inzwischen
informirte der Bischof seine Brüder, die Herren Käthe von
Litthauen, in gleichem Sinne und auch sie verlangten von mir,
dass ich die Visitation unterlassen möge, da es ihnen zweifel
haft sei, ob sie der Jurisdiction des Primas von Gneseu oder
des Erzbischofes von Riga unterstellt seien. Doch bekannten
sie als stets beobachtetes Herkommen, dass die Capitel von
Wilno und Modniki die Gnesener Provincialsynoden zu be-
senden pflegten 1 und dass Apellationen an die Gnesener Curie
gewöhnlich seien. Nichts destoweniger schritt icli an’s Werk.
Ich begab mich in die Wilnoer Kathedrale, berief das Capitel
und inquirirte, malmte sodann im Capitel privatim den Bischof
an seine Pflichten, citirte und examinirte auch die Domherrn,
jeden einzeln, den Probst, den Custos u. s. f., die nicht er
schienenen excommunicirte ich, nahm sie aber wieder zu
Gnaden an und absolvirtc sic, als sie sich unterwarfen. Des
gleichen that ich an vielen Pfarrern, Vicaren, Mansionarien
und Gracialisten, die insgesammt schworen, dass ich sie exami-
nirt; auch liess ich über die Inquisition ein Protokoll führen.
Ueber all das war zwar der Bischof ungehalten, nichts desto
weniger versah er mich mit allem Bedarf, mit Heu, Hafer,
Gänsen, Hühnern und Kleinvieh für die Küche und mit Meth,
freilich nicht zur Genüge. Doch immerhin nahm ich vorlieb
damit und kehrte so ruhig und amtsmässig, wie ich kam,
beide Male von den Baronen des Landes eine Meile ehrenvoll
geleitet, wieder zurück. Als ich am 7. September Wilno
verliess, schickte ich, da der Herbst mir die Strapazen wieder-
rieth, die mir auf einer persönlichen Fahrt nach Samogitien
bevorgestanden haben würden, auf den Rath der mich be
gleitenden Doctoren und Prälaten meiner Kirche, des Custos
Spitko von Buzenyn, des Canzlers Dominicus von Seczemyn
und des Canonieus Georg Myszkowsky meinen Commissär
den ehrwürdigen Herrn Decret. Doctor und Canonieus von
1 Dies war auch z. B. auf der Synode zu Piotrkow 1511 der Fall. S Ment-
Johannes Easki, Erzbischof von Gnesen.
561
Wilno Albinus dahin, mit dem Aufträge, auch jenen Sprengel
zu besuchen, vor dem die dortigen Cauoniker sich auch wirk
lich einfanden. Er hielt mit ihnen eine Synode ab; auch er
klärten sie sich mit seiner Absicht zu visitiren einverstanden.
Da er aber nun einzelne vor sich citirte, weigerten sie sich
zu erscheinen, worauf er sie excommunicirte. Sie aber appel-
lirten an mich und auch der König und der Palatin von Wilno 1
verwendeten sich für sie. Ich aber beauftragte den Commissär
brieflich, sie zu absolviren, wenn sie darum bäten und schwören
würden, dass sie den Weisungen der h. Mutter Kirche, zumal
jener von Gnesen gehorchen wollten. Ich machte jene Visita
tionsreise zu Ende des Sommers und kehrte nach Skwyrniewice
am Vorabend St. Michaels (28. Sept.) zurück/
Seit dem Jahre 1515 hatte das Verhältniss zwischen
Polen und dem Orden sich immer peinlicher gestaltet. War
von Seiten des Kaisers nach den Resultaten des Wiener Con-
gresses keine, von Deutschland überhaupt nur geringe Hilfe
zu erwarten, so setzte der Ordensmeister ausser auf Dänemark
namentlich auf die Verbindung mit Polens altem Feinde, dem
Moskowiter, seine Hoffnung. Im Jahre 1518 war die beider
seitige Spannung bereits so gross geworden, dass täglich der
Ausbruch der Feindseligkeiten zu erwarten stand. Wohl fiel
noch einmal ein Lichtstrahl durch das Gewölk, welches sich
über dem Ordenslande zusammenzog, als ein päpstlicher Legat,
der Prediger Mönch Nicolaus von Schömberg nach Krakau
und Königsberg zog, um im Aufträge der Curie die Streiten
den zu versöhnen und ihre Kräfte dem Kreuzzugsprojecte zu
zuwenden. So standen die Dinge, als Laski, aus Litthauen zu
rückgekehrt, durch Nicolaus veranlasst wurde nach Preussen
aufzubrechen.
,Aus Litthauen zurückgekehrt' schreibt Laski 2 ,wurde ich
durch neue Zwischenfälle veranlasst, eine andere Reise nach
Preussen zu unternehmen, wozu ich durch zwei Gründe be
wogen wurde, nicht durch eine eitle und thörichte Absicht,
wie es meinen Nebenbuhlern die Sache zu deuten beliebte,
sondern einmal, weil ich den Wunsch hegte, die Stelle des
1 Vgl. Buzenski, Zywoty arcybiskupöw Gnieznienskich. Wilno. 1800 str. 200.
dessen Zweifel unsere Stelle erledigt. 2 Testam 36 b.
36*
562
Zeissberg.
Martyriums meines heiligsten Patrons und Wolilthäters des
seligsten Adalbert zu besuchen und nur eine Gelegenheit dazu
suchte, zweitens, weil mich Bruder Nicolaus Schembeg
(= Schömberg) vom Orden St. Dominici im Namen des
Papstes Leo X. davon verständigte, dass der Papst sich
meines Beistandes und Rathes zur Beilegung des Zwistes zwi
schen dem König und dem Ordensmeister bedienen wolle, und
dass er ein Breve bei sich habe, das er mir zu Königsberg
oder bei dem Ordensmeister übergeben wolle, wo er sodann
auch des Papstes Wunsch mir mittheilen werde. So machte
ich mich auf und kam am 16. December nach Königsberg,
von da am 18. desselben Monates an den Ort des Martyriums
meines heiligsten Patrons, nach der Stadt Fischhausen, wo ich
zwei ihm geweihte Kirchen aus Stein auf einem von jener
Stadt eine halbe Meile entlegenen Felde besuchte, eine Messe
las und meinem Patron ein Opfer brachte. Von Fischhausen
kehrte ich am 20. desselben Monates wieder nach Königsberg
zurück. Unterwegs wurde ich im Auftrag des Herrn Meisters
allenthalben empfangen und begleitet von den Oomthuren und
Hauptleuten der Gegend, entsprechend bewirthet; zu Königs
berg selbst aber gaben mir beim Ein- und Auszug aus der
Burg des Meisters der pomesanische Bischof 1 und der Herzog
von Braunschweig 2 mit einer Schaar von etwa 200 Ordens
rittern ehrenvolles Geleit. Ja zu Königsberg hoben mich der
genannte Bischof und der oberste Comthur aus dem Wagen
und führten mich in die Gemächer des Schlosses; desgleichen
geleitete mich jener zu Pferd nach seinem Schlosse zu Fisch
hausen und bewirthete mich daselbst. So also trug die Reise
mir Ehrenbezeugungen ein und kehrte ich, nachdem ich mit
Bruder Nicolaus, dem päpstlichen Legaten, zu Königsberg
über die preussische Sache verhandelt, am 14. Januar 1519
glücklich mit Gottes Hilfe nach Lowicz zurück. Und da
Bruder Nicolaus im Namen des Papstes und unter dessen
Obedienz mir befahl, dass ich ihm zur Beilegung des Streites
behielflich sei, indem er sagte, er könne mir, falls mein Rath
erspriesslich sei, den Cardinalat versprechen, ja sofort ortheilen,
dass ich jedoch davon ausser ihm mit niemanden sprechen
1 Hiob. v. Dobeneck.
2 Erich, vgl. Voigt a. a. O. IX, 503.
Johannes Jjaski, Erzbischof von Gnesen.
563
sollte, so gab ich ihm, dem Befehle unseres heiligsten Herrn
Papstes gehorsamend, von dessen Heiligkeit er mir zweimal
ein Breve vorwies, da er zweifach Legat war. einige Artikel
an, die er selbst im Namen des Papstes den Streitenden Vor
bringen und dem König sowie dem Papste vorlegen sollte,
doch so als kämen sie von ihm selbst, während ich nur dann
mich über dieselben gegen den König aussprechen sollte, wenn
dieser selbst auf Anregung des Bruders Nicolaus darauf zu
sprechen käme; denn der Papst ist als gütiger Vater auf das
Zustandekommen eines Zuges gegen die Ungläubigen bedacht
und deshalb wünscht er die Lösung der preussischen Ver
wickelung-/
Die abermals auftauchenden Bemühungen Laski’s um den
Cardinalat scheinen nicht ausser Zusammenhang mit den auf
dasselbe Ziel gerichteten Bestrebungen seines .Feindes' 1 des
Plocker Bischofes Erasmus Ciolek zu stehen, der auch sonst
dem Erzbischöfe, seinem Metropolitan, überall entgegenwirkte.
So bewog er den Papst (30. März 1519), zu seinen Gunsten
die Einverleibung eines Krakauer Canonicates in die Plocker
bischöfliche Tafel zu gestatten, wobei er als uns bekanntes
Praejudiz geltend machte, dass zuvor in ähnlicher Weise ein
Canonicat der Plocker Kirche mit dem Gnesener erzbischöf
lichen Tische vereinigt worden sei. 2 Ciolek vergass dabei
freilich, dass der König, wie jetzt, auch damals einer der
artigen Vereinigung entgegentrat, weshalb der Papst die Sache
(1524) nochmals untersuchen liess. 3
Auch den Cardinalat erreichte keiner der beiden Gegner.
Laslti zerfiel über die Sache mit dem Palatin von Krakau
Szydlowiecki, der dem zu Rom weilenden Ciolek brieflich mit-
getheilt hatte, dass der Papst für Laski’s Beförderung sei und
dass er selbst den König dafür gewinnen solle. 1 Wahrscheinlich
wirkte der Palatin nun in entgegengesetztem Sinne. Aber auch
Ciolek musste auf Sigismunds Geheiss 5 den Gedanken fallen
lassen. Da strebte nun der Plocker Bischof wenigstens die
Loslösung seiner Kirche aus dem Gnesener Primatialverbande
1 Testam. 38 b. 2 Tlieiner 1. c. II, 398. nr. 413.
3 Ebenda II, 417. nr. 438. 4 Testam. 38 b.
5 Tomic. V, 47. nr. LI, 82. nr, LXXXV.
564
Zeissberg.
und wenn nicht die unmittelbare Unterordnung unter Rom, so
doch die unter das kujawische Bistlium an, welchem Mathias
Drzewicki Vorstand. Der längere Aufenthalt in Rom, wo er
als königlicher Gesandter weilte, gewährte Ciolek die will
kommene Gelegenheit,' diesen Plan zur Reife zu bringen. Er
erreichte die Exemption seiner Kirche, die denn sogleich in
der Plocker Diöcese promulgirt wurde. König Sigismund jedoch
war über diese Eigenmächtigkeit auf das äusserste erzürnt.
Er untersagte sofort dem Bischöfe von Kujawien das ihm zu
gedachte Amt eines Conservators der Plocker Kirche zu über
nehmen und dem Capitel zu Plock, sich dem Gnesener Stuhle
zu entziehen. Habe ihr Bischof gegen den Erzbischof Klage
zu führen, so möge er sie vor ihn bringen; er werde ihm ge
ziemende Gerechtigkeit nicht versagen. Zugleich rief er Ciolek,
der seinen Auftrag zu privaten Zwecken ausgebeutet habe,
von seinem Gesandtschaftsposten ab. 1
In Folge dessen übersandte Erasmus Ciolek, gegen den
auf dem Generalconvent zu Piotrkow (1521/22) auch von vielen
anderen Seiten Klagen sich erhoben, an den König einen bis
jetzt leider nicht an’s Licht gezogenen Brief, auf dessen In
halt wir nur aus dem Schreiben Laski’s an Sigismund vom
5. Mai 1522 2 schliessen können, das als rechtfertigende Er
wiederung der von Ciolek erhobenen Anklagen zu betrachten ist.
Sigismund hatte nämlich Cioleks Brief dem Erzbischöfe
mitgetheilt, Laski dagegen dem Könige eine Denkschrift über
sendet, deren Inhalt wir im nachfolgenden kurz skizziren, wo
bei wir uns freilich den Parteistandpunkt des Verfassers stets
gegenwärtig halten wollen.
Es falle ihm, beginnt Laski, nicht auf, dass er, der sich
von Jugend auf dem allgemeinen Wohl gewidmet und im
Staate stets als unbescholten bewährt, von Menschen anderer
Denkungsart, wie der Plocker Bischof angefochten werde. Er
habe deshalb dessen Verleumdungen bisher getrost ertragen,
eingedenk der Worte des Antisthenes: es sei königlich, übel
beleumundet zu sein, im Bewusstsein nur Gutes gethan zu
haben. Nun aber, da jener in seiner Frechheit soweit gehe, ihn
1 Acta Tomic. VI, 26. nr. XXIII. 27. nr. XXIV. 64.
2 Zu Gnesen.
Johannes Laski, Erzbischof von Gnesen.
565
bei dem Könige selbst zu denunciren, könne er nicht länger
schweigen.
Laski will es den übrigen Bischöfen, die sich mit ihm
zugleich darüber beschwerten, dass Ciolek seine Stellung als
Gesandter des Königs dazu missbrauchte, um vielen Personen
des Reiches, hohen und geringen Standes, Unbillen zuzufügen,
überlassen, ihre Sache zu vertreten, und nur in seiner eigenen
sich vertheidigen.
Und nun erinnert Laski an seine oben berührten ein
stigen freundlichen Beziehungen zu Ciolek, der in seinem
Briefe mit Unrecht über Drohungen klage, die Laski gegen
ihn geäussert habe. Denn nie, weder, wie jener behaupte, an
der Tafel, noch sonst sei dies geschehen, ausser dem, was er
(der Erzbischof) zu Piotrkow mit dem König über Ciolek ver
handelt habe. ,Es ist' fährt Laski höhnend fort ,eine allge
meine Sitte, dass man bei Tische nur von Dingen spricht, die
das Gemüth erheitern und belustigen; so hätte auch icli in
Folge seiner böswilligen Gesinnung höchstens das zur Erg'ötzung
Vorbringen können, dass er ein Citharoede, Sohn eines Mu
sikanten, auf Grund erbuhlten Adels Bischof geworden sei.
Zwar würde uns das zum Lachen gebracht haben; allein er
wird nie beweisen können, dass ich derartiges oder überhaupt
etwas anderes von ihm gesprochen, als was ich mit den
übrigen Herren zugleich Eurer Majestät vorgestellt/
Auch auf Synoden habe er, behauptet Laski, keine
Klagen noch Drohungen gegen jenen vorgebracht; was er
sagte, habe er in der väterlichen Absicht geäussert, ilm von
jenen Insulten abzubringen, die er sich gegen seine Landsleute
erlaubt. Und nun folgt eine Reihe von Anschuldigungen, die,
wenn man sie auch ihrer offenbar parteiischen Hülle ent
kleidet, uns Ciolek’s Gebühren allerdings in grellem Lichte
erscheinen lassen. Es wird ihm vorgeworfen, dass er einen
Plocker Priester Namens Tikiewka habe Nachts überfallen
und einkerkern lassen. Das gleiche sei durch ihn in Rom
Laski’s Neffen Loboczki, Dekan von Leczyc, widerfahren,
der nur auf Verwendung einflussreicher, Laski befreundeter
Personen wieder auf freien Fass g’esetzt worden sei. Auch
habe Ciolek den Posener Dekan Martin Rambiewski, der für
die Königin Bona Aufträge besorgte aus keinem anderen
566
Zeissberg.
Grunde mit Censuren verfolgt und gegen ihn seine Gläubiger
aufgehetzt, als weil er Laski’s Neffe sei. Auch Jacob Schucz,
Gnesener Domherr, der seit mehr als 30 Jahren in Rom weile,
und sich bei Polen und anderen Nationen daselbst der grössten
Beliebtheit erfreue, habe Cioleks Intriguen vielfach erfahren
müssen. Endlich habe er Adalbert Jaziorkowski, Domherrn zu
Warschau, Gabriel Parzniewski, Archidiakon von Wloclawek
und Johann .Liewiczki, gegenwärtig Schreiber Ihrer Majestät
der Königin. Laski’s Sollicitatoren in Rom, unter den nichtig
sten Vorwänden auf seine gesandtschaftliche Autorität gestützt,
verhaften lassen.
Aber selbst Todte verschone Ciolek nicht mit seinen
Schmähungen, wenn er schreibe, er wolle nicht bei seinem
Abgänge von Rom verhaftet werden, wie diess ihrerzeit anderen
geistlichen wie weltlichen Gesandten Seiner Majestät und dero
Vorfahren begegnet sei. Laski überlasse es denen, die noch
leben, dem Bischöfe von Przemysl, 1 dem von Kamieniec' 2 und
Victorin von Sienno sich selbst gegenüber solchen Verlästerungen
zu vertreten oder sie stillschweigend zu verachten, dagegen
halte er es für seine Pflicht, sich der inzwischen Verstorbenen
anzunehmen. Laski zählt nur die letzteren auf, welche zu Rom
als Gesandte des Königs, seiner Brüder oder seines Vaters
fungirt hätten; von geistlichen Personen: die Erzbischöfe
Roza von Gnesen und W^tropka von Lemberg, die Bischöfe
Johann Lubranski von Posen, Johann Targowicki von Przemysl,
den Gnesener Probst Johann Goslupski; von weltlichen: Czeslaw
von Kurozwanki, Castellan von Lublin, Jakob von Dainbno,
Castellan von Krakau, Ambrosius Pampowski, Palatin von
Sieradz, und die Castellane Dr. Johann Ostrorog von Posen,
Stanislaus Ostrorog von Kalisz und Raphael Leszczyriski von
Gnesen, die insgesammt nicht verhaftet, sondern auf das
ehrenvollste behandelt worden seien und deren Namen in den
Annalen von Rom leuchteten. ,Meint er aber‘ setzt Laski
hinzu ,dass etwa ich hei meiner Abreise von Rom hätte fest
gehalten werden sollen, so könnte ich ihm wohl schon jetzt
darauf erwiedern, will jedoch dies lieber bis dahin verschieben,
wenn Eure Majestät zwischen mir und ihm richten wird.
1 Andreas Krzycki.
2 Laurentius Miedzileski.
Johannes -Laslci, Erzbischof von Gnesen.
567
Denn nach dem Zeugnisse jedermanns war mein Benehmen
der Art, dass ich nicht nur nicht festgenommen wurde, son
dern für den Befreier anderer Personen galt. So ermöglichte
ich, als ich zur Zeit des verewigten Königs Albrecht als Ge
sandter nach Rom ging, dem Johann Turzo, später Bischof
von Breslau, die Stadt zu verlassen, da ich für dessen Schul
den daselbst Bürgschaft leistete. 1 Denselben Dienst erwies
ich später Albert, dem Bischöfe von Wilno, 2 der sich in
gleicher Lage befand, mit einem Schaden von etwa 1000 Gold
gulden, deren spätere Bezahlung durch den Bischof von Wilno
oder dessen Procuratoren in Rom der Plocker um jeden Preis
zu hintertreiben suchte. Ueberdiess habe icli Johann Rudnicki,
der in den Thurm geworfen war und aus der Stadt Rom ver
bannt werden sollte, auch täglich die Galeerenstrafe erwartete,
aus des Kerkers Dunkel an’s Licht gezogen, von vielen an
dern edlen und geringen Personen, Polen, Ungarn und Deut
schen, abgesehen, denen ich nach Kräften half/
Ciolek schreibe ferner, es freue ihn seine Abberufung,
schon längst habe er darnach gestrebt. Nun, es gäbe ja Men
schen, die immer nur an Neuem Freude linden. Neu sei aller
dings, dass ein Gesandter abberufen werden müsse.
Laski beklagt sich nun darüber, dass Ciolek in Rom die
einst von ihm daselbst erwirkten Privilegien rückgängig ge
macht, und da er ihn nicht zur Erlangung der Einwilligung
des Königs in den Cardinalat habe behilflich sein wollen, die
Losreissung seiner Diöcese von der Jurisdiction Gnesens zu
Rom durchgesetzt habe. Es sei nicht zutreffend, wenn Ciolek
sich für eine derartige Exemtion auf den ähnlichen Wunsch
einiger Achte und Domherren (Goreczki’s, Unyenski’s) berufe.
Wie es sich auch mit deren Ansprüchen verhalten möge, jedes-
falls sei die von diesen angestrebte Exemtion mehr privater
Natur und nicht von der Tragweite, wie sie die des Plocker
Bischofes als einer Standesperson und eines wichtigen Mit
gliedes im Reiche haben müsse. Seine Exemtion würde zu
einer Zersplitterung des Reiches führen. Denn seinem Bisthum
gehörten Reichsstände an, wie er selbst als Erzbischof und als
canonicus natus der Plocker Kirche, die Herzoge von Mazowien,
1 S. oben.
2 Vgl. Testam. 34 b. 24 b.
568
Z e i s s b e r g.
Palatine, Castellane, andere Würdenträger und Beamte, Edle
und Gemeine, insgesammt königliche Unterthanen, die so aus dem
allgemeinen Verbände losgerissen werden würden. Ueberdiess
würde die Folge sein, dass das gleiche auch andere Angehörige
der Gnesener Provinz, sowohl in als ausserhalb des Reiches
verlangen würden. Laski erinnert den König daran, wie einst
sein Vater, König Kazimir (me teste) nach vorausgegangenen
fruchtlosen Ermahnungen den Bischof von Lebus durch Angriff
auf seine Güter um Gross-Opatow und Kazimierz gezwungen
habe, sich mit vielen Geschenken vor ihm einzufinden und ihn,
den König von Polen, als seinen Wohlthäter und Herren an
zuerkennen, auch ihm von jeder dessen Reiche drohender Ge
fahr Anzeige zu erstatten. Was damals von den Senatoren des
Reiches bezüglich der Bischöfe von Kamin, die sich vom Reiche
trennen wollten, und bezüglich des Herzogs von Stolpe, sowie
der Herzoge von Sachsen, die sich schon längst vom Reiche
losgerissen hatten, geäussert wurde, wolle er mit Stillschweigen
übergehen. Würden jetzt der Bischof von Lebus und jener
von Breslau nicht dem Beispiele Oioleks folgen? Nicht viel
leicht sogar die Herzoge von Mazowien? Ciolek hoffe durch
die Exemtion sich den Weg zum Cardinalat zu ebnen, allein
er erinnere an den üblen Eindruck, den einst Zbigniews
Cardinalat hervorgerufen habe.
In Polen war es vielleicht in Berührung mit den russisch
griechischen Prälaten Sitte geworden, dass die lateinischen
Bischöfe gleich jenen über den Kleidern Kreuze und Bilder
trugen. Dagegen wurden jedoch von Seite des Posener Bischofs
Johann von Lubrancz und des Ermländischen Lukas Bedenken
laut und es war beschlossen worden, deshalb bei der Curie
anzufragen. Dies geschah durch Laski und die Folge war,
dass um nicht den Schein der Hinneigung zum Griechenthum
zu erwecken in den sog. Compacten (vom 9. Aug. 1515) 1 den
Bischöfen und Prälaten Polens das Tragen der Kreuze über
dem Gewände verboten wurde. Wenn nun der Papst später
auf Cioleks Betrieb das Tragen der Kreuze doch gestattete,
so meint Laski, dass dies Zugeständm'ss aus Rücksicht für den
König, nicht seinem Geschäftsträger zu Liebe gemacht worden
1 Ketowski, Katalog II, 71.
Johannes Easki, Erzbischof von Gnesen.
569
sei, der daher mit Unrecht behaupte, dass er ihm diesen Er
folg verarge.
Ebenso falsch sei es, wenn Ciolek Laski’s Gegnerschaft
als Ausfluss persönlicher Verstimmung darüber hinzustellen
suche, dass er der Gnesener Kirche ihren Antheil an dem
Jubiläum entrissen habe. Dies sei vielmehr längst erloschen
und eine Verlängerung nicht nachgesucht worden. 1 ,So wie
übrigens' fügt Laski hinzu, ,Eure Majestät, ohne meinen Rath
ihn (C.) zum Gesandten ausersah, so hat auch weder Eure
Majestät noch er selbst mir etwas betreffend das Jubiläum
oder andere Aufträge mitgetheilt. Aber da Eure Majestät
mich in dieser Sache ihm vorzuziehen unterliess, was doch
mit Erlaubniss gesprochen, Eure Majestät, wenigstens ohne
mich zuvor zu Rathe gezogen zu haben, nicht hätte thun
sollen, so hat sein Uebermuth sich nicht allein gegen meine
Person, sondern auf Erlangung der Exemtion und des Car-
dinalats und gegen andere Unterthanen Eurer Majestät ge
richtet, da es ganz natürlich ist, dass eine Inconsequenz die
andere nach sich zieht/
Irrig sei, heisst es ferner, die Behauptung Cioleks, der
Sammler des Peterspfennigs 2 sei mit seinen Untergebenen
immer eximirt; diese Exemtion beschränke sich stets auf
dessen Person und Familie. Laski vertheidigt hierauf die ihm
von Leo X. (1513) 3 bezüglich eines dem Gnesener Official
zu reservirenden Canonicats und der Pfarre zu Znene ge
währten Vergünstigungen, welche Ciolek zu beseitigen suche,
widerspricht der Behauptung des letztem, dass er um 1000 Du-
caten die Beneficien Czepels gekauft, von denen nur einen
Theil der Papst nicht ihm, sondern seinen Freunden zuge
wendet habe 1 und geht sodann zu einem anderen Streitpunkte
mit Ciolek, der das Gnesener Cancellariat betraf, über.
Auf Czepel war Przeczen in dieser Würde gefolgt, doch
bald darnach gestorben. Darauf ernannte der König auf Bitten
des Bischofs von Wloclawek Stanislaus Lypowiec, der sich
1 Vgl. Acta Tomic IV, 34S; jedoch auch ebenda 217.
2 Ciolek hatte sich nämlich in Rom dies Amt übertragen lassen, das sonst
die Bischöfe von Posen auszuüben pflegten.
3 Theiner II, 345. nr. 372. 4 S. oben S. 54C.
570
Z e i s s b e r g.
durch längere Zeit im ruhigen Besitze der Canzlerwürde be
fand , bis er die Absicht offenbarte, dieselbe dem Martin
Rambiewski, Laski’s Neffen zuzuwenden. Da erhob aber Ciolek
mit einem Male Ansprüche auf das Cancellariat, indem er be
hauptete, dass das Nominationsrecbt des Königs für dasselbe
mit Przeczens Tode erloschen sei; um aber nicht direct dem
Könige entgegenzutreten, cedirte Ciolek sein Recht dem Peter
Konarski, dem Neffen des Krakauer Bischofs und äusserte in
seinem Briefe, dass der Erzbischof ,mit den Rutbenen' nichts
gegen ihn vermögen werde, da derselbe ein neues Aergerniss
der Kirche Gottes bereitet habe. 1
Dem gegenüber spricht, Laski die Hoffnung aus, der
König werde den von ihm nominirten zu beschützen wissen.
Auch die Pfarre Znene habe sich Ciolek in Rom erwirkt, ob
gleich die frühere Verleihung derselben an die Gnesener
Kirche mit königlicher Zustimmung erfolgt sei. 2 Die Kruszwicer
Prebende habe Loboczki, sein Neffe, ohne sein Wissen nach
Krzyzanowski’s Tode in Rom erlangt, als er aber vernahm,
dass die Präsentation dem Könige zustehe, und diese durch
ihn (L.) nicht erwirken konnte, aufgegeben. Es stehe dahin,
ob Ciolek bezüglich des Gnesener Cancellariats und der Pfarre
Znene ein gleiches thun werde.
Laski wirft seinem Gegner ferner vor, dass er Rudnicki
an den Bischof von Wloclawek und dessen Capitel gesendet
und beide aufgefordert habe, sich ebenfalls der Gnesener Pro
vinz zu entziehen und die Vereinigung mit der P locker Kirche
unter eine Jurisdiction anzustreben.
Es sei ferner, setzt Laski fort, Verläumdung, wenn Ciolek
schreibe, Rambiewski und Rudnicki hätten sich gegenseitig in
den Kerker gebracht. Allerdings sei auf Verlangen des Eiscal-
procurators Rudnicki von diesem Schicksale öfters betroffen
worden. Rambiewski dagegen habe Ciolek vergeblich in die
gleiche Lage zu bringen gesucht, indem er Rudnicki anstiftete,
ein von jenem vorgebrachtes Instrument als Fälschung zu be
zeichnen. Rambiewski habe darauf sich unter einem Pönal
1 Auch Tomicki spricht (s. u. S. 582) einen ähnlichen Vorwurf wider
Laski aus.
2 Theiner 1. c,
Johannes Laski, Erzbischof von Gnesen.
571
von 1000 Gulden verpflichtet, den Notar zu stellen, habe aber
sodann längere Zeit in Polen verweilen müssen, um ver
schiedene Schulden einzutreiben, für die er sich in Rom ver
bürgt hatte, und endlich um seine Ehre zu lösen, jenen Notar
zu Thorn dem König und auf einer Synode zu Piotrkow dem
Erzbischöfe und den Bischöfen vorgeführt, wo derselbe die
Echtheit des Schriftstückes bezeugte und die Absicht äusserte,
binnen kurzem mit Rambiewski zur Ablegung derselben Zeugen
schaft nach Rom zu reisen. Inzwischen habe jedoch Ciolek
jenes Pönal von einem gewissen Czurilo zu Rambiewski’s Nach
theil erworben und diesen selbst mit kirchlichen Censuren be
legen lassen. ,Viele Männer 4 schreibt Laski, ,mein Fürst, geist
lichen und weltlichen Standes und von hohem Range sind ex-
communicirt worden und dennoch hält man sie nicht für schlecht.
Denn auch Kaisern und Königen ist ähnliches begegnet, ohne
dass sie deshalb an ihrer Ehre eingebüsst; gleiches ist Ciolek
selbst widerfahren und er war lange Zeit unter Excommunication,
ohne deshalb zu dulden, dass man ihn schmähe, da ja ein
solcher Fall nicht die guten Eigenschaften der Menschen zu
mindern pflegt. 4
Ebenso falsch sei die Behauptung, Rambiewski sei auf
Cioleks Verwendung absolvirt worden. Denn nach dem Briefe
des römischen Kaufmanns Ludouico, in welchem das breue
absolucionis enthalten war, wurde flies vielmehr durch den
Widerstand verzögert, den Ciolek entgegensetzte.
Ciolek freilich wasche sich, wie Pilatus, die Hände in
Unschuld: er sage, in den Acten der Curie finde man nicht,
dass auf sein Verlangen ein Pole je eingekerkert worden sei.
Allein Hieronymus, der Bote des Cardinais de Grassis, habe der
Königin auf die Frage, weshalb sein Herr deren Fürbitten
für Rambiewski und andere nicht entsprochen habe, erwidert,
dass der Cardinal wegen des Widerstandes, den ihm der Ge
sandte (C.) entgegensetze, nichts habe erreichen können.
Endlich schliesse Ciolek seine Schmähschrift mit der Be
merkung, er werde, zurückgekehrt, den Beweis liefern, dass er
wie Christus von den Kirchenfürsten angeklagt werde. Darauf
sei zu erwidern: schon die Propheten sagten, es werde einst
einer kommen und sich für Christum ausgeben, um die Men-
572
Z eissberg.
sehen zu verführen; wenn nicht dieser selbst, so sei doch
Ciolek dessen Ebenbild. 1
Wir wissen nicht, welchen Eindruck dieser Brief Laski’s
in dem Könige hervorrief. Uebrigens brach den Streit Cioleks
Tod ab, der bald darnach (22. Sept. 1522) eintrat 2 und den
Erzbischof von einem mindestens lästigen Gegner für immer
befreite. Dagegen wuchs die Spannung gegen Tomieki und
dessen Anhang immer mehr. Wir sind indess, um dies Ver-
hältniss zu verfolgen, genöthigt, zum Jahre 1519 zurückzu
kehren, von dem wir uns entfernten, um Laski’s letzte Be
ziehungen zu Ciolek im Zusammenhänge mit seinen eigenen
vorausgegangenen Bestrebungen zu beleuchten.
Bald nach der Rückkehr aus Preussen wohnte Laski dem
Generalconvente bei, der am 2. Februar 1519 zu Piotrkow er
öffnet wurde. 3 In der preussischen Angelegenheit hatte Laski
in Wahrheit nichts erreicht; auch der Versuch, den der Bischof
von Pomesanien noch in den letzten Tagen dos Jahres 1519
machte, durch Laski’s Einfluss die über Preussen herein
brechende Kriegsfurie Polens zu beschwören, blieb erfolglos. 1
Vielmehr berief Sigismund schon auf den 25. November einen
Convent nach Thorn, auf welchem unter andern der Krieg
gegen den Orden endgiltig beschlossen wurde.
Am 15. November verlicss der König Krakau, um sich
selbst auf den Convent zu begeben. Wenige Tage zuvor
jedoch erschien Laski in Krakau, nach Tomieki ,eiligst und
zur allgemeinen Verwunderung“. ,Er machte“ sagt dieser ,im
königlichen Käthe die Ansicht geltend, dass S. Majestät den
Convent nicht in Preussen, sondern anderswo abhalten möge,
indem er die Unsicherheit zum Vorwände nahm .... ferner
rieth er, dass der König mit den verfügbaren Truppen sogleich
den Krieg eröffnen möge.“ Doch fanden beide Vorschläge kein
1 Acta Tomic. VI, 57—G9. nr. L.
2 Janociana III, 119.
3 Vgl. Acta Tomic. V, 1. Laski als Zeuge in einer Urk.: ,dominica carnis-
priuii. 1 Vgl. auch Bischoff F. Das alte Recht (1er Armenier in Lemberg
(Sitzb. d. k. Ak. d. W. XL. Bd. Wien 18G2. S. 301.)
4 Voigt, Gesell. Preuss. IX, 573.
Johannes Laski, Erzbischof von Gnesen.
573
Geliör. 1 Laski scheint sodann dem Convent zu Thorn beige-
wohnt zu haben, wenigstens begegnet er als Zeuge einer am
Drei königstage 1520 daselbst ausgestellten Urkunde Sigismunds. 2
Wir troffen ihn, auch als der Krieg schon ausgebrochen
war, zu Thorn an des Königs Seite. Damals kam dem Bischöfe
von Pomesanien, auf dessen Gebiete sich das Unwetter zuerst
entlud, vom Gnesener Erzbischöfe das Anerbieten zu, sofern
er sich in des Königs Schutz und Gehorsam ergebe, solle
ihm das ganze Bisthum wieder eingeräumt und der erlittene
Schaden möglichst vergütet werden. 3 Wirklich wendete sich
ITiob auf das äusscrste bedrängt (23. Febr.) an Laski um Ver
mittelung. 1 Auch bei den zu Thorn gepflogenen persönlichen
Verhandlungen des Königs mit dem Grossmeister legten beide
Bischöfe wiewohl vergeblich sich ins Mittel. 5
Der Tod des Posener Bischofs Johann von Lubrancz
(22. Mai) brachte den Vicekanzler Peter Tomicki von dem
Przemysler auf diesen bischöflichen Stuhl. 5 Laski benützte dies,
um mit den entsprechenden Modificationen auf ein früheres
Project zurückzukommen. Er wollte jetzt Tomicki mit Ge
nehmigung des Königs und des Capitels zu seinem erzbischöfli
chen Administrator machen, wogegen dieser sich Latalski zum
Posener Coadjutor erkiesen sollte. Er verband damit die Ab
sicht seinem gleichnamigen Neffen, damals Custos von Leczyc
die Probsteieu Gnesen und Leczyc zu verschaffen, wogegen
Tomicki Latalski den gegenwärtigen Besitzer beider Pfründen
in seinem Bisthum schadlos halten und dafür selbst aus den
Einkünften des Erzbisthums entschädigt werden sollte.
1 ,Ain folgenden Tage* fährt Tomicki in diesem an Lucas von Görka, Ca-
stellan von Posen und Generalstarost von Gr. Polen gerichteten Briefe
fort ,hatte er, icli weiss nicht, welche Geheimnisse mit dem Könige zu
verhandeln, schied aber mit einem Schreiben S. Mjt. an Euere Gnaden,
dass ihr entweder für Kolo das Geld aushezahlt, oder ihm den Besitz
desselben überlasset. Ich habe mich dagegen gesetzt, doch S. Mjt. befahl
und so war ich gezwungen, das Schreiben auszustellen. Ihr wisst am
besten, wie Ihr Euch dem gegenüber zu verhalten habt, so dass mein
Rath überflüssig wäre. 1 Acta Tomic. V, 11 0. nr. CXI.
2 Acta Tomic. V, 138. nr. CXXX. 3 Voigt a. a. O. IX, 581.
4 Ebenda 584. 5 Schütz a. a. O. 466 b.
G Acta Tomic. V, *239. Vgl. den Glückwunsch Laski’s an Tomicki ebenda 3*26.
nr. CG GL.
574
Z eX8 8 b e r g.
Aber Tomicki war auch jetzt nicht Willens auf die
,Praktiken' des ,intriguanten' Mannes einzugehen. , Ich ziehe',
schreibt er 1 ,die Sache hin und rede mich damit aus, icli
könne mich dazu nicht so plötzlicli entschliessen, da ich kaum
das Bisthum Posen in Besitz genommen hätte; ausserdem seien
wir beide noch kräftig genug um keines Coadjutors zu be
dürfen. Doch hört er nicht auf, theils selbst, theils durch
andere in mich zu dringen, indem er mich daran erinnert,
wie so mancher ausgezeichnete Mann im Reiche jenen ersten
Bischofssitz mit aller Macht und doch vergeblich zu erlangen
suche. Aber er predigt an mir tauben Ohren. Denn ich kann
mich zu einer derartigen Verbindung mit einem Manne, dessen
Charakter mir missfallt, nicht entschliessen. Uebrigens will
ich ihn bei guter Laune zu erhalten suchen; denn selbst Frösche
habe ich lieber zu Freunden als zu Feinden.' 2
Zu Ende des Jahres 1520 (4. Dec.) fand ein stürmischer
Landtag zu Bydgosc (Bromberg) statt. Einen der Gegenstände
der Berathung bildete die Besteuerung des Clerus. 3 Wir
wissen nicht, ob Laski zugegen war, wol aber, dass er dem
König ein strenges Mandat an die Geistlichkeit im Sinne der
Bromberger Beschlüsse empfahl, das auch den Beifall der welt
lichen Räthe fand. 4
Zu Anfang des Jahres 1521 kamen der König und der
Hochmeister über Friedensverhandlungen zu Thorn überein,
die zu einem am. 5. April vereinbarten vierjährigen Waffen
stillstand führten. 5
Am 13. Januar heisst es in einem vom Hoflager zu
Brzesc an den damals erkrankten Tomicki gerichteten Briefe
Andreas Krzycki’s: ,Erzbischof Laski will sich krank 6 zum
Convent (von Thorn) führen lassen,' 7 und wenige Tage später
(21. Januar) in der jenem eigenthümlichen allegorischen Aus-
1 Au Nicolaus Bedienski, Scholastieus zu Krakau. Acta Toniic. V, 288.
2 Acta -Tqjnie. V, 288. 3 Ebenda V, 338.
4 Ebenda V, 364. 366. nr. CCCLXXXV, wonach Laski 600 Gulden ,secun-
dum constitucionem Bidgostiensem 1 übersendet. Vgl. .T. N. Roinanowski,
Otia Cornicensia. Poznan 1861. str. 168.
5 Voigt, a. a. O. IX, 632.
6 Laski litt damals, wie es scheint, an der Fussgicht; s. Testament 40 b.
7 Acta Tomic. V, 356. nr. CCCLXXIII.
Johannes haslci, Erzbischof von Gnesen. 575
drucksweise: ,Der Sohn Fortunens (Mathias Drzewicki) ist
heute von hier abgereist; er hat viel heimlich mit S. Majestät
verhandelt, doch hat dieselbe ihrem Kanzler bloss mitgetheilt,
dass er in Angelegenheiten jenes obersten Ardelio (Laski)
hi eher gekommen sei/ 1
•Laski kam nach Thorn; 2 zuvor scheint er jedoch einer
Synode beigewohnt zu haben, deren an den Papst gerichtetes,
dem König übersandtes Schreiben dahin ging, dass jener der
selben gegen den Orden zu Hilfe sei. Krzycki spottet über
dessen Inhalt und meint: ,Ich werde dasselbe Euch (Tomicki)
später senden, wenn ihr Euch erholt haben werdet, denn
jetzt fürchte ich, könnte Euch die Lectüre desselben schaden.
Doch rathen einige es abzusenden und der König zeigt sich
dem nicht abgeneigt, wie er, ihr wisst, immer thut, wenn
ihm von den Herren etwas angerathen wird/ 3 ,Um euch
zu besuchen' heisst es weiter in einem Schreiben Krzycki’s
vom 17. April aus Thorn 1 mit Beziehung auf jenes früher
berührte Tauschproject ,ist Erzbischof Johann Laski hieher
gekommen, in der Absicht, sich sodann nach Krakau und von
da nach Kamieniec zu begeben; soviel fehlt daran, dass er,
wie er vorgibt, sich krank oder dem Tode nahe fühlte. Er
möchte nämlich Euch um jeden Preis zum Nachfolger haben
und verwirft den anderen Candidaten ganz, wie er sagt, nur
aus Rücksicht für den Staat. Eure Herrlichkeit dürfte gut
thun, die Krankheit vorzuschützen, um es nicht ganz mit ihm
zu verderben und die Sache bis zur Genesung hinauszuschieben.
Ich rathe dazu nicht um Euret- sondern um der Euren Willen;
denn Eure Gnaden weiss, wie er den Menschen nützen und
lästig fallen kann, wenn es ihm darauf ankommt/ 5
1 Acta Tomic. V, 358. nr. CCCLXXVr.
2 Zeuge in einer Urk. vom 19. April 1521 bei Dogiel 1. c. IV. 224. Voll,
legg. I, 398.
3 Acta Tomic. V. 362. 4 Acta Tomic. V, 378. nr. CD. 379. nr. CDU.
Auf dieselbe Angelegenheit scheint sieh Act. Tomic. V, 381 zu beziehen.
Dunkel ist die in den Actis Tomic. V, ,380. 367. 369 angedeutete Ange
legenheit des Dr. Albinus, der vermuthlich mit dem oben erwähnten
(s. S. 561) identisch ist und auf Betrieb des inzwischen zum Bischof von
Kamieniec beförderten Laurentius Miedzileski von dem Legaten Zacharias
Ferrerius aus unbekannten Gründen verhaftet wurde. Krzycki bittet To-
Sitzungsber. d. phil.-hist. CI. LXXVII. Bä. III. Hft. 37
I
576
Zeissb erg.
Laski wohnte dem Generallandtage zu Piotrkow bei, der
auf Simon und Judas (28. Oct. 1521) zusammen berufen, erst
im folgenden Jahre endete. 1
,Die ehrwürdigen Herren, der Erzbischof und die Bischöfe',
heisst es in den Constitutionen dieses Generalconvents ,erboten
sich von freien Stücken und auf Bitten des Adels des Reiches
die Excommunication und die Interdicte, welche über die Adeligen
verhängt worden waren, die während des Feldzuges im vorigen
Jahre die Güter der Kirchen und deren Zehnten verletzt und
weggenommen hatten, 2 bis zu einem nächsten Generalconvente
zu Piotrkow (Michaeli) zu suspendiren. Auf diesen wurden
auch jene Aebte vorgeladen, die nur Deutsche oder nicht
Adelige in ihre Convente aufzunehmen pflegen.' 3 Auch wurde
bestimmt, dass dem nächsten Generalconvente eine vorbereitende
Synode vorangehen sollte, auf dass der Clerus bezüglich der
Punkte, über welche sich derselbe mit dem Adel bisher nicht
vereinbart habe, bestimmte Anträge zu stellen vermöge.- 1 Zu
diesen Punkten gehörte ausser den bereits erwähnten vor allem
die Zuziehung des Clerus zur allgemeinen Besteuerung. Deshalb
übersendete Laski bereits jetzt ein die Besteuerung und Ver
th eidigung des Landes betreffendes Memoire, von dem Tomicki
aus seiner Stimmung freilich nur zu sagen weiss, dass es unter
dem Anschein einer allgemeinen Erleichterung bloss des Erz
bischofs private Wünsche im Auge habe, dass aber der Adel
ihn zu durchblicken beginne. 5
Damals strebte der Wojwode der Walachei bessere Be
ziehungen zu König Sigismund an, dem er einen beabsichtigten
Einfall der Tataren in Polen meldete. 11 Laski mengte sich
auch in diese Sache, indem er dem Wojwoden Sigismunds
natürliche Tochter — vermuthlich Regina, das Kind der Tel-
inicki sich für dessen Freilassung zu verwenden (309. nr. CCCXC). Dle
Absicht des Legaten sei, ihn nicht eher freizugeben, als bis er mit dem
Erzbischöfe sich berathen habe, in der Hoffnung, jenen mit dessen Hilfe
so in die Enge zu treiben, dass er noch um Vergebung für das ihm zu
gefügte Unrecht bitte.
1 Acta Tomic. VI. 1.
2 Vgl. Testam. pg. 37 b: ,damna per terrigenas belligeros illata 4 und Acta
Tomic. VI, 337. Wapowski 1. c. 180. 3 Acta Tomic. VI. 11.
4 Ebenda VI, 12. 5 Acta Tomic. VI, 78. nr. LX.
6 Ebenda VI, 53.
Johannes Laski, Erzbischof von Gnesen.
577
niczerinu 1 — zur Gattin vorschlug. ; Seine Majestät' schreibt
Tomicki ,nahm es sehr übel auf, da er nicht nur keinen der
artigen Auftrag ertheilt, sondern nicht einmal etwas davon
gewusst hat, zumal aus derartigen leichtfertigen Abmachungen
und Versprechungen nur Krieg und Zwist zu erwachsen pflegen,
wie wir unlängst an dem Walachen selbst, als wir ihm die
früher zugesagte Princessin 2 verweigerten, erfahren haben. 3
Wie oben bemerkt wurde, starb der Plocker Bischof
Erasmus Ciolek am 22. September 1522. Sofort beförderte
der König den Bischof von Przemysl Raphael Leszczyhski
auf den erledigten, seinen Secretär, Tomicki’s Neffen, Andreas
Krzycki, Probst zu Posen, auf den Przemysler bischöflichen
Stuhl. 4 Um so unangenehmer berührte es den König, dass der
Papst (Hadrian VI.) das Plocker Bisthum einem brandenburgi-
schen Prinzen, 5 einem nahen Verwandten des Hochmeisters
verlieh. Er sprach darüber unverholen seinen Unmut.h aus.
Wenn der Papst sich auf Rechte der römischen Kirche stütze,
die ohne die Zustimmung der polnischen Könige geworden
seien, so bleibe nichts übrig, als denselben gegenüber die
Rechte Polens, die der König aufrecht zu erhalten vei’pflichtet
sei, zu vertheidigen. ,Wir wissen' äussert er ,wohl, wie weit
wir seiner Heiligkeit zu gehorsamen verpflichtet sind; und ist
der Papst so klug, wie es von ihm heisst, so hoffen wir, dass
er sich eine Tragödie ersparen wird. Aber das ist der Nutzen,
den wir von dem Aufenthalte des Plocker Bischofs und anderer
Gesandten in Rom haben, dass er eine Menge Geld aus dem
1 Vgl. Przezdziecki, Jagiellonki Polskie I, 6.
y 2 Elisabeth, Sigismunds Schwester. 3 Acta Tomic. VI, 119.
1 Acta Tomic. VI, 135. nr. CXXVIII.
5 Ebenda VI, 137 nr. CXXX. Vermuthlich ist Johannes Albreeht, Mark
graf zu Brandenburg-Ansbach, Bruder des Hochmeisters Albreeht, der in
Eom studirt und dem Leo X. früher das Bisthum Breslau zugesagt hatte,
gemeint. Vgl. Heyne, Docum. Gesell, des Bisthums Breslau III, 372.
Wie kommt es dann aber, dass der Cardinal von S. Croee vielmehr von
einer Provision des Cardinais von Bologna, Protectors Polens, mit Plook
unter gleichzeitiger Anweisung einer Pension von 1000 Ducaten aus dem
Bistlmm an den Cardinal von S. Sixtus spricht? (Acta Tomic. VI, 204.
nr. CCLVI.) Es ist dies um so auffallender, da der Papst fast um die
selbe Zeit dem Cardinal de Grassis das Bisthum Pomesanien verlieh.
S. Voigt, Gesch. Preussens IX, 693. War etwa das eine Entschädigung
für den Entgang des anderen?
37*
578
Zeissberg.
Reiche dahin schleppt, für das er uns nichts als ein paar
Indulgenzen erwirkt und diese Verwirrung angestiftet hat/ 1
Die Sache berührte auch Laski als Primas der polnischen
Kirche. Er schlug dem Könige vor, einen Gesandten nach
Rom abzuordnen, um dem neuen Papste Obedienz zu leisten,
unter diesem Vorwand aber zugleich sich einen günstigen Be
scheid zu erwirken. Sigismund beantwortete diesen Vorschlag
nicht ohne Würde. Er habe zuerst seinen Gesandten bei
Kaiser Karl in Spanien Johann Dantiscus beauftragt, dem
Papste zu seiner Erhebung Glück zu wünschen, da aber
Hadrian bereits vor des Gesandten Ankunft in Spanien dies
Land verlassen habe, so habe er dem Papst brieflich Glück
gewünscht und seine ,Observanz' ausgesprochen. Den Vor
schlag Laski’s aber weist er für diesmal ab. ,Auch der un
garische König und andere freie Könige gleich uns pflegen
nur, wenn Geschäfte es erfordern, Gesandte nach Rom zu
senden; Obedienz zu leisten steht Untergebenen und Vasallen
der römischen Kirche zu. Uns hat deren Leistung trotz der
damit verbundenen grossen Kosten nie genützt; im Gegentheil,
statt, dass der apostolische Stuhl uns gegen die Ungläubigen
Hilfe leistete, hat er uns noch allerhand Beeinträchtigungen
unserer Rechte zugefügt/ 2 Dennoch wurde später (1523) Laski’s
Neffe Hieronymus Laski nach Rom gesendet und sein Auftrag
entsprach wohl in den Grundzügen dem Vorschläge des Erz-
bischofes. 11
Den oben berührten Bestimmungen gemäss beabsichtigte
Laski noch vor dem bevorstehenden Generalconvent eine Synode
abzuhalten, wobei er jedoch auf den Widerstand der Capitel
stiess. Auch Tomicki war anfangs dafür, 1 dass zuvor jedes
Capitel für sich zu Rathe gehen und seinen Bischof, sowie
einige andere Bevollmächtigte aus seiner Mitte mit geheimer
Instruction auf eine Generalsynode entsenden sollte, machte
aber zuletzt, da der König das Zustandekommen der Synode
wünschte, Laski den Vorschlag, dass die Generalsynode sich eine
1 Acta Tomic. VI, 137. nr. CXXX.
2 Acta Tomic. VI, 100. nr. CLIX. Wilno. 28. Nov. 1522.
Ebenda VI, 214. nr. CXCJI.
4 Hierauf scheint sich auch ein in den Actis Tomic. VII, 03 nr. LXIV
später eingereihter Brief Laski’s an Tomicki zu beziehen.
Johannes Laski, Erzbischof von Gneseu.
579
Woche unmittelbar vor dem auf den Agnethentag (21. Januar
1523) anberaumten Generallandtage zu Piotrkow daselbst ver
sammeln sollte, da sich ja ohnedies die im früheren Kriege
beschädigten Clericer und die auf den Convent citirten Aebte
einfinden würden. 1 Indess zwang die damals um Piotrkow
wüthende Pest den König, den Generalconvent nach Krakau
einzuberufen, wovon Laski und die umwohnenden Landboten
zu Kalisz verständigt wurden. 2 Laski nahm an den Verhand
lungen des Generalconvents zu Krakau Theil. 3 Oh dagegen
zuvor eine Synode stattfand, lässt sich nicht ersehen.
Es brach der Monat Juli an, ohne dass die Ploeker
Frage endgiltig entschieden war. Wie es scheint liess die Curie
den brandenburgischen Candidaten als doch für Polen zu ge
hässig fallen, wogegen das Bistlium dem Cardinal-Protector
von Polen Achilles de Grassis Vorbehalten bleiben sollte. Doch
war es wohl auch damit schwerlich Ernst, sondern, wo nicht
alles trügt, nur auf ein gutes Geldgeschäft, wie man es in
Rom eben nicht verschmähte, abgesehen. Tomicki begann be
reits gegen ,die Hydra' (Laski) Verdacht zu schöpfen 4 und er
hatte diesmal guten Grund dazu; denn Laski suchte zu Krakau
den König dafür zu gewinnen, dass sein gleichnamiger be
rühmter Neffe Plocker Coadjutor werde. Doch ging der König
auf die Intrigue nicht ein, vielmehr kam es zu einem Wort
wechsel zwischen dem Erzbischöfe und dem Krakauer Palatin,
der ihm vorwarf, dass er bereits vieles zu seinem (des Palatins)
und des Reiches Nachtheil durchgesetzt, worauf Laski erwidert
haben soll, er habe bloss Tomicki entgegengewirkt. So er
reichte Laski vom Könige bloss ein Schreiben an den Papst,
des Inhaltes, dass die Probstei Leczyc bei nächster Vacanz
dem Neffen Laski’s verliehen werden möge. 5
Laski reiste noch vor dem 4. Juli von Krakau ab. 6 ,Vor
seiner Abreise' sagt Krzycki , speiste er bei dem Herrn Bischöfe
1 Acta Tomic. VI, 202. nr. CLXXX. 203. nr. CLXXXII.
2 Ebenda VI, 205 nr. CLXXXVI.
3 Ebenda VI, 260. (Urk. vom 9. März). Wuttke, Städtebuch 90. nr. LXXXV.
(31. März). 1 Ebenda VI, 291. nr. CCLIII. 295. nr. CCLVIII.
5 Acta Tomic. VI, 292. nr. CCLIII.
6 Acta Tomic. VI, 292 nr. CCLIII. Am 17. Aug. befindet sich Laski zu
Skwirniewice, wo er sein Testament erneuert. Vgl. Testam, 37a.
580
Zeissberg.
von Krakau. Auch ich war anwesend und er empfahl mir unter
allerhand Schmeicheleien und häufigem Zutrinken seine Neffen.
Auch sagte er, er zweifle nicht, dass der Herr Cardinal de
Grassis nicht von dem Bisthum Plock lassen werde, ausser
wenn man ihm den Rücktritt (regressus) Vorbehalte. Als ich
davon Sr. Maj. erzählte, bemerkte diese: -Laski habe darüber
auch mit ihr verhandelt und gebeten, dass er für den vom
Cardinal im Auge behaltenen Fall mit demselben zu Gunsten
seines Neffen sich auseinandersetzen dürfe, auch die Coad-
jutorie habe er vorgeschlagen, doch sei Sr. Maj. auf beides
nicht eingegangen.' 1 Wenige Tage später (7. Juli) trafen jedoch
die päpstlichen Schreiben in Krakau ein, welche die Ver
fügung des Königs bezüglich beider Bisthümer bestätigten. 2
Zu Krakau kam damals auch Luthers Lehre zur Sprache.
Um 1520 nahm die Gesetzgebung Polens auf dieselbe zum
ersten Male Bedacht. 3 Sigismund untersagte am 20. Juli 1520
zu Thorn die Einfuhr von Luthers Schriften. Eine vermuthlich
in demselben Jahre von Laski nach Piotrkow einberufene
Synode verbot die Begünstigung von Häretikern und Schisma
tikern. 4 ,Das Concil, so Laski unter Leo X. zu Gnesen zu
sammenberief, hatte gleichfalls zur Absicht, die Lutherische
Secte aus dieser Provinz zu vertilgen.' 5 Am 7. März 1523
aber, auf dem Generalconvente zu Krakau, erliess Sigismund
ein Edict, das an Strenge in Polen vielleicht einzig da
stand, und das in besonderem Hinblick auf diese Stadt
jeden der lutherische Schriften im Reiche einführen, ver
kaufen oder kaufen und lesen würde, mit dem Feuertode
bedrohte. 6 Zugleich veranlasste der König auf dem Krakauer
Rathhause eine Zusammenkunft seiner Räthe mit den Rath-
männern der Stadt, um die Art der Durchführung des
Edictes zu besprechen. 7 Bei dieser Gelegenheit forderte
1 Acta Tomic. VI, 292.
2 Ebenda VI, 294. nr. CCLV. Dass Easlti auch jetzt seine Bemühungen
um die Coadjutorie nicht aufgab, lehren die Acta Tomic. VII, 44. nr. XLV.
3 Vgl. vornehmlich W. Zaltrzewski, Powstanie i wzrost reformacyi w Polsce
1520—1572. Lipsk 1870.
4 Fliese, Beiträge zur Reformationsgeschielite in Polen und Litthauenll, 1, 36.
5 Friese, a. a. O. 37. 6 Zakrzewski a. a. O. 229.
7 Acta Tomic. VI, 292.
Johannes -Laslci, Erzbischof von Gnesen.
581
der Erzbischof den neuernannten Przemysler Bischof Andreas
Krzycki auf, in der Angelegenheit eine Schrift zu verfassen,
und gab diesem so den Impuls zu einem noch im Laufe des
Jahres 1523 im Druck erschienenen Büchlein, das, dem König
zngeeignet, unter dem Titel: Encomia Lutheri die gröbsten
Ausfälle wider diesen enthielt. 1 Als Ergebniss dieser Be
rathungen ist das königliche Edict vom 22. August 1523 an
zusehen , welches den Bischof von Krakau zu Haussuchungen
nach verbotenen Büchern ermächtigte 2 und als eine weitere
Folge die Synode zu Leczyc, welche Laski am 7. October
desselben Jahres eröffnete, deren Beschlüsse gegen das Luther
thum wohl nur desshalb milder lauten, als das vorausgegangene
königliche Edict, weil über Leben und Tod der Unterthanen
eben nur der König zu entscheiden hatte. 3 Auf der Synode
wurde auch über die häutige Citation geistlicher Personen vor
das weltliche Gericht Beschwerde geführt und für die Zukunft
Uebergriffe dieser Art mit Excommunication und Interdict be
droht; zugleich wurden bereits jetzt die Richter des Landes Rawa
von Laski aufgefordert, von der Vorladung der Aebte von
Sulejöw und Block abzustehen. 4
Zu Anfang des Jahres 1524 wurde Laski unter Ueber-
mittelung eines Reisegeldes von 300 Gulden vom Könige be
auftragt, sich zugleich mit anderen Commissären zu einem
Tage nach Danzig (28. Febr.) zu begeben, 5 wo am 9. März
ein Bündniss mit den Herzogen von Meklenburg Heinrich
und von Pomern Georg und Barnim zu Stande kam, das gegen
den deutschen Orden gerichtet war. (i
Die zu Beginn desselben Jahres erfolgte Erhebung
Tomicki’s zum Bischöfe von Krakau führte zu einem hitzigen
Briefwechsel zwischen ihm und Laski. ,Der Herr Palatin von
Sieradz, Euer Neffe' 7 heisst es in einem dieser Schreiben
Tomicki’s, ,hat mir von Euch Briefe übergeben, worin Euere
1 Friese, a. a. 0. 39.
2 Bei Friese a. a. O. 40, correcter bei Zakrzewski a. a. 0. 230. Es ist
leicbt zu ersehen, dass die hier ungeordnete Berathung ,in praetorio ciui-
tatis 1 mit der in Act. Tomic. VI, 292 erwähnten identisch ist.
3 Damit scheint sich Zakrzewki’s a. a. 0. 29 ausgesprochene Bemerkung
zu erledigen. 4 Wezyk 1. c. 115. 5 Acta Tomic. VII, 8. nr. VII.
6 Ebenda 8. nr. VIII. 9. nr. IX. 12. nr. X. 7 Hieronymus -Laski.
582
Z eissberg.
Väterlichkeit über meine Mühewaltung betreffend die Sachen,
die Euer Kanzler Myszkowski hier betrieb, sich zu beklagen
scheint, als wäre dieselbe gegen Euch gerichtet gewesen. Ich
bedauere sehr, dass mein Streben, das immer darauf zielte,
Euch Angenehmes zu erweisen, von Euch anders, als es
wirklich ist, gedeutet wird, da ich mich doch nicht entsinnen
kann, je einen Auftrag von Euch anders als in aufrichtiger
Geneigtheit ausgeführt und wo es mir möglich war, durch
gesetzt zu haben. Wenn es aber in Eurem Briefe heisst:
,Mein auserwählter Weinberg', so weiss ich nicht, wie Euer
Hoch würden diesen meinen Weinberg bestellt, noch wie oft
diese Bestellung mir sauer geworden ist. Wie dem sei, ich
habe bisher im Vertrauen auf meine reine Gesinnung und Ge
rechtigkeit alle feindlichen Schleichwege überwunden und hoffe
mit Gott gleiches für die Zukunft.' Hieran knüpft Tomicki
die Mittheilung, dass er vor wenigen Tagen auf Wunsch des
Königs und mit Zustimmung des Bischofs von Krakau Johann
auf den Krakauer bischöflichen Stuhl befördert worden sei.
Das Capitel habe sich sogleich bei ihm darüber beklagt, dass
Laski eine dasselbe berührende Sache vor seine Curie ziehen
wolle, womit sich auch die Beschwerden anderer geistlicher
und weltlicher Personen über diesen Punkt verbunden hätten.
Tomicki bittet Laski in den für die Kirche ohnedies äusserst
gefahrvollen Zeitläuften den Faden der Jurisdiction nicht allzu
straff zu spannen, auf dass sie nicht zerreisse und er nicht
gezwungen werde, nach einem Mittel dagegen auszuspähen. 1
Aehnlich lautet ein zweiter Brief, der die Erwiderung
eines Antwortschreibens Laskis auf den ersten enthält. An-
knüpfend an den von Laski erhobenen Vorwurf, Tomicki
habe seinem Neffen Lobocki entgegengewirkt, fährt der Vice-
kanzler fort: ,Ich gestehe, dass ich aus Pflicht und Anstands
gefühl gegen die römischen Errungenschaften für das liecht
des Königs eingestanden bin, da der niedrigste Edelmann
solche Unbill sich nicht bieten lassen würde. Mein Benehmen
in der Sache war indess jedenfalls anständiger, als das Ver
fahren mit dem Gnesener Cancellariat u. a. Beneficien, die
gegen päpstliche Verfügungen von Schismatikern und kleinen
1 Acta Tomic. VII, 19. nr. XIV.
Johannes Laski, Erzbischof von Hnesen.
583
Edelleuten in Besitz genommen wurden.* 1 Wenn sodann Tomicki
hinzusetzt, dass er Rambiewski, Laski’s Neffen, nicht geschadet,
ihn vielmehr gefördert habe, so macht diese Aeusserung den
Eindruck der Wahrheit, da ein Brief Ivrzycki’s an seinen
Oheim Tomicki vorliegt, in welchem diesem Rambiewski für das
Archidiaconat Krakau als eine versöhnliche Person empfohlen
wird, die jedenfalls besser sei als eine, die von Rom daher ge
flogen komme. 2 ,Ich habe*, schliesst der Brief, ,Euerer Tloch-
würden auch über meine Beförderung zum Bisthum Krakau
geschrieben; da indess mein Brief nicht Glauben zu finden
scheint, schicke ich Euch das päpstliche Schreiben, auf dass
Ihr wenigstens diesem Glauben beimesset. Wenn aber Eure
Hochwürden bemerkt, dass meine Beförderung geheim gehalten
worden, so habe ich nur zu erwidern, dass ich mich meines
Glückes nicht zu rühmen pflege und ich fand es nicht gerathen,
mit Euch eine Sache zu besprechen, die man nur zuverlässi
gen und aufrichtigen Freunden mitzutheilen pflegt, zu denen
Ihr meines Wissens nicht gehört.* 3
Laski wohnte zu Anfang des .Jahres 1525 4 dem General
convent zu Piotrkow bei. 5 Doch trat nun auch für Laski die
Luther’sche Frage neuerdings in den Vordergrund. War auch
die neue Lehre in Polen zunächst durch die erwähnten könig
lichen und kirchlichen Verfügungen zurückgedrängt, so tauchte
sie nur um so entschiedener in dem preussischen Reichsgebiete
auf. Der Mittelpunkt, von dem aus sich hier die Reformation
verbreitete, war Danzig, das unter der geistlichen Jurisdiction des
Bischofes von Kujawien, Mathias Drzewicki stand. Diesen und
den Kulmer Bischof begleitete in der Fastenzeit des Jahres 1524
Laski nach Danzig, fi um ihn in der Unterdrückung der Neuerung
zu unterstützen. Als nun Drzewicki einen lutherischen Prediger
verhaften liess, brach ein Aufruhr aus, der die Bischöfe
1 S. oben S. 570. 2 Acta Tomie. VI, 337. nr. CCCII.
3 Ebenda VII, 23.
4 Am 8. Dec. 1524 befand sich Easki noch in .seinem Schlosse Unieyow*.
Theiner II, 425. nr. 443.
5 Easki Zeuge in der Urk. Sigismunds vom 18. Jan. 1525 (Dogiel 1. c.. I,
579 nr. XI), in welcher das im vorigen Jahre mit den Herzogen von
Pommern geschlossene Bündniss ratificirt wird. c Acta Tomic. VII, 1.
584
Zeissberg.
zwang, die Stadt eiligst zu verlassen. 1 Die Wuth des Pöbels
batte sieb bei dieser Gelegenheit vorzüglich gegen den Bischof
von Wloclawek gerichtet, während man, wie wenigstens die
Danziger in ihrem Rechtfertigungssehreiben an den König be
haupteten, Laski alle gebührende Achtung bezeugte und ihm in
die Stadt und aus derselben mit mehr denn hundert Pferden
das Geleite gab. 2 Bald darauf (Januar 1525) brach in Danzig
ein neuer Aufstand aus, der zur Einsetzung eines neuen Stadt-
rathes, Schliessung der Klöster und Einziehung der Kirchen
schätze führte.
Die Gefahr, die hierin für den Katholicismus Polens lag,
wozu auch ähnliche Bewegungen in einem anderen Grenzlande
Polens, Schlesien, :t kamen, das, wenn auch freilich lose, sich
im Metropolitanverbande Gnesens befand, veranlasste König
Sigismund an den Papst das Ansinnen zu richten, um die
Solidarität der katholischen Interessen der neuen Lehre gegen
über zu fördern, ein allgemeines Concil einzuberufen. Auch
Laski erhielt den Auftrag, seinen Kanzler, Dr. Georg Mysz-
kowski, der um die Jahreswende, 1 um den neuen Papst Cle
mens VII. in Laskis Namen zu beglückwünschen und mit
,privaten und die Gnesener Kirche sowohl als die christliche
Republik im allgemeinen' betreffenden Aufträgen nach Rom
gegangen war, in gleichem Sinne zu instruiren. Auch richtete
Laski an den Papst ein Schreiben, worin er um ein allge
meines Concil gegen das Lutherthum bat und den König ent
schuldigte, der unter andern auch auf seinen Rath 5 mit den
Türken einen Waffenstillstand abgeschlossen hatte. 0
Im April treffen wir Laski und die Bischöfe seiner
Provinz zu Krakau, wohin sie Sigismund offenbar zu dem
Zwecke, der Huldigung des bisherigen Hochmeisters Albrecht
1 SS. rer. I’rüss. V, 554 ff.
2 Acta Tomic. VII, 375.
3 Ueber die Beziehungen Schlesiens zum Erzbisthum Gnesen zur Zeit
Easkis, vgl. Acta Tomic. V, 332. Dogiel I, 559 nr. XXV.
4 Theiner II, 425 m. 449. Empfehlung des Ueberbringers des Schreibens
M. 8. Dec. 1524, Ebenda 437 nr. 466. Empfehlung durch K. Sigismund
Piotrkow (wo der Reichstag bevorstand, s. o.). 26. Dez. 1526 (25 unserer
Zählung). Ebenda 246 nr. 450. Empfehlung durch die Königin Bona.
4. Jan. 1525 (vermuthlich auf der Durchreise).
5 Acta Tomic. VII, 69 nr. LXXIE 0 Ebenda 149. 282.
Johannes LasTri, Erzbischof von Gnösen.
585
von Brandenburg als Herzog von Preussen beizuwohnen, be
rufen batte. Am Tage vor der feierlichen Huldigung (9. April)
erliessen die Bischöfe ein gemeinsames Schreiben an den
Papst, worin sie unter Klagen über den religiösen Zustand
Polens und unter Berufung auf die nähere Meldung, welche
die Ueberbringer des Briefes, Georg Myszkowski und Felix
Naropinski, des Königs Secretär, Canonicus von Gnesen und
Kanzler von Wloclawek, zu machen hätten, baten, den König
zur Ausdauer im katholischen Glauben zu ermahnen. 1 Es
macht den Eindruck, als wenn dieser Schritt der Bischöfe
nicht ausser Zusammenhang mit der am folgenden Tage in
ihrer Gegenwart erfolgten Huldigung Albrechts 2 stände, bei
welcher der Erzbischof und der Krakauer Bischof das Evan
gelium, auf das der neue Herzog schwor, dem König auf den
Schoos legten. 3 Möglich, dass sie durch jene Bitte an den
Papst den Vorwurf, den sie von dessen Seite wegen der
Theilnahme an dem Acte erwarten mussten, von vorneherein
abzuschwächen suchten. Laski wenigstens versah für diesen
Fall Myszkowski mit bestimmten Weisungen. 4
Der Papst nahm indessen den Vorfall nachsichtig hin.
Er sprach zwar Myszkowski seine Verwunderung darüber aus,
wie der König von Polen einen durch drei Gelübde gebundenen
Mann zum weltlichen Herzog habe machen können, da aber
der Gnesener Kanzler sich darauf berief, dass er von Laski
keine Instructionen bezüglich der Ordenssache empfangen habe,
so entliess ihn der Papst gnädig und äusserte blos das Ver
langen, dass der Erzbischof ihm einen näheren Bericht über
den Hergang bei jener Huldigung einsenden möge. Audi die
Anzeige von Sigismunds Waffenstillstand mit den Türken nahm
er gütig auf, bezüglich des Concils entschuldigte er sich mit
dem gegenwärtigen Kriege zwischen Franz I. von Frankreich
und Karl V., 5 beauftragte dagegen den Erzbischof (durch ein
Schreiben vom 19. Mai), der Haeresie in Polen kräftig zu be-
1 Theiner II, 426. nr. 451.
2 Voigt, Gesell. Preuss. IX, 752. Ausführl. glchz. Beschr. in Fabel-, Preuss.
Archiv II. 109 ff. Schütz, p. 500 und Dogiel IV, 230, wo er in der
Friedensurk. zwischen Sigismund und Albrecht I. vom Palmsonntag 1525
als gegenwärtig bezeichnet ist. 3 Schütz a. a. 0. 501.
4 Acta Tomic. VII, 283. 5 Ebenda VII, 286,
586
Zeissberg.
gegnen, wozu das von demselben beabsichtigte Proviucialconcil
Gelegenheit darbieten würde. Laski solle nöthigenfalls selbst
mit Strafen einschreiten und den weltlichen Arm dabei zu Hilfe
nehmen. 1
Inzwischen fand Laski Gelegenheit auch in der Danziger
Sache ein Gutachten abzugeben. Den Anlass dazu gab die
von den Danzigern dem König überreichte Rechtfertigungs
schrift. Laski räth in deren Beantwortung Strenge an und
empfiehlt vor allen, dass der König selbst an Ort und Stelle
sich begebe. 2 Es ist bekannt, dass letzteres geschah und der
König ein strenges Strafgericht zu Danzig ergehen liess.
Auch in Polen ging jetzt Laski daran, die Aufträge Roms
bezüglich der ,Luther’schen Pest' zu erfüllen. Aus einem
päpstlichen Belobungsschreiben (29. Jan. 1526) ersehen wir,
dass in Folge seiner Bemühungen viele Cleriker, die sich be
reits verheirathet hatten, zur alten Kirche zurückkehrten, ihre
Weiber entliessen und öffentlich Busse thaten. Der Papst ge
stattet, vermuthlich auf seine Bitten, dass Mönche, die sich in
diesem Falle zu Gleichem bereit erklärt hatten, das Mönchs
kleid mit dem des Secularclerus vertauschen dürfen. 3 Des
gleichen ertheilte ihm der Papst die Erlaubniss, an jedem
Sonntag oder ,doppelten Festtage' Priester zu weihen, und
jederzeit von Fxcommunication und Interdict zu lösen. 4
Aus einem Briefe Tomicki’s ersehen wir, dass Laski im
Laufe des Jahres 1525 neuerdings den König anging, ihm zu
gestatten, bezüglich seines Erzbisthums ein Abkommen mit
einem Prälaten zu treffen, um den Rest seines vielbewegten
Lebens in Ruhe zu gemessen, 5 und wirklich scheint bald dar
nach der König hierauf insoweit eingegangen zu sein, dass er
die Nachfolge im Erzbisthum dem Bischöfe von Wloclawek
Mathias Drzewicki zusicherte. 6 Am 13. März 1526 treffen wir
1 Theiner II, 428 nr. 454.
2 Acta Tomic. VII, 386. nr. CXVIII. 387. nr. CXIX. 396. nr. CXXIX.
8 Theiner II, 438 nr. 469. 4 Ebenda 439 nr. 470.
5 Acta Tomic. VII, 356.
0 Act. Tomic. IX. nr. CLX. Ich verdanke diese so wie die folgenden Mit-
theilungen aus dem Gedruckten aber nicht im Buchhandel befindlichen
IX. Bande der Acta Tomic. der besonderen Güte des Herrn Professor
Dr. Liske in Lemberg.
Johannes Easki, Erzbischof von Gnesen.
587
Laski auf dem Generalconvent zu Krakau. 1 Zu Anfang- des
Jahres 1527 wohnte er dem Particularconvente zu Kolo und
dem nachfolgenden Generalconvente zu Krakau bei. 2 1527
fand die zweite Synode zu Lgczyc statt, deren Beschlüsse
sich gegen ,Haeresie‘ richteten. 3
Auf der Synode zu Leczyc erschien auch Johannes Magni,
der erwählte Erzbischof von Upsala, den Gustav Wasa ein
Jahr zuvor unter dem Anschein einer Legation nach Polen
entfernt hatte. 1 Die Schilderung, die derselbe von der Lage
der Kirche in seinem Heimathlande entwarf — vermuthlich
knüpfte er hiebei an die Vorgänge auf der Reichsversammlung
zu Westeräs an — gab den bald darnach auf dem General
convent zu Piotrkow (28. Jan. 1528) versammelten Bischöfen
Polens, an deren Spitze Laski, Anlass zu einem an den Papst
gerichteten Schreiben, mit der Bitte Johann Magni und die
anderen von ihren Capiteln gewählten Bischöfe Schwedens zu
bestätigen, da die Verwaisung der bischöflichen Sitze eine
Hauptursache der Vorfälle in jenem Lande sei, und da die
Gewählten, wenn sie erst in den Besitz ihrer Kirchen gelangt
seien, sofort der apostolischen Kammer alles Schuldige ent
richten würden. 5
Im Laufe des Jahres 1527 erreichte die Feindschaft
Laski’s und Tomicki’s eine bedenkliche Höhe, während die
gleichzeitigen Vorgänge in Ungarn 6 die Katastrophe vorberei
teten. Den nächsten Anlass zu neuen wechselseitigen An
feindungen gab die Starostei Marienburg, welche, obwohl diese
Burg seit längerer Zeit dem Palatin von Posen Stanislaus
Koscielecki anvertraut war, der König Laski’s Neffen Hiero
nymus (Jaroslaus) Laski, Palatin von Sieradz, übertrug. 7 (1525
1. August.) s Die Freunde Koscielecki’s und die Gegner Laski’s
verbanden sich dagegen zu einer Vorstellung an die Königin
1 Acta Tomic. VIII, 185 nr. CXLIV. 2 Act. Tomic. IX. nr. III.
3 Letowski 1. c. III, 286. Wezyk 1. c. 85 ff.
4 E. G. Geyer, Gesell. Schwedens II, 55. Anra. 2.
5 Theiner 1. c. 11, 455. nr. 490.
6 Für diese vgl.: X. Lislce, Studia z dziejöw wieku XVI. Poznan 1867: IV.
Dyplomacya polska w r. 1526. str. 281—274 u. desselben Dyplomacya
Polska w roku 1527 in der Bibliothek» Ossolinskich. T. XII. Lwow 1869.
7 Acta Tomic. VII, 321.
a Hubert in der Bibi. Warszawska 1861. 3. 100.
588
Zeissberg.
Bona, deren Einfluss sich bereits damals fühlbar machte und
wirklich nahm der König die getroffene Verfügung zurück,
wie aus einem Schreiben Tomicki’s an Lukas von Görka,
Castellan von Posen, vom 24. Mai 1527 1 ersichtlich ist. ,Der
Herr Erzbischof von Gnesen', heisst es da, ,war mir wohl schon
früher nicht hold gesinnt, vermuthlich deshalb, weil ich mich
seinen turbulenten Bemühungen und schädlichen Wünschen
zum Besten des Staates und des Königs widersetzte. Jetzt
aber seit er den letzten Landtag (zu Krakau) verlassen hat,
kündet er mir offene Feindschaft an. Denn er Hess die
Aeusserung fallen, dass ich, so lange er Erzbischof sei, keine
königlichen Briefe mehr besiegeln werde. Schon geht er, wie
es heisst, mit seinen Anhängern zu Rathe, wie er mich wohl
herabdrücken und mir die grössten Unannehmlichkeiten be
reiten könne, weil ich nicht zugab, dass die Starostei Marien
burg Eurem Landsmanne und Verwandten, dem Herrn Stanis
laus von Koscielec, Palatin von Posen, entrissen werde und
weil er das Land Wisna, für das er eine grosse Geldsumme
erhalten hat, nicht neuerdings durch List und Trug seinem
Schwager (genero) verschaffen konnte.' 2
So schuf sich der Erzbischof mit jedem Jahre neue
Gegner. Wir lernen die Häupter der Gegenpartei am besten
aus den Unterschriften jener der Königin Bona überreichten
Vorstellung kennen. An der Spitze derselben Anden wir To-
micki, daneben die Bischöfe von Kujawien, (Mathias Drzcwicki)
von Posen (Johann Latalski), von Przemysl (Andreas Krzycki,
Tomicki’s Neffen), von Ermland (Moriz Ferber) und von Cuhn
(Johann), von weltlichen Christoph und Nikolaus Szydlowiecki,
von denen jener Palatin von Krakau und Reichskanzler, dieser
Schatzmeister der Krone war, Nikolaus Koscielecki, Palatin
von Kalisz, Lucas von Görka, Castellan von Posen und Capitän
von Gross-Polen u. A. Besonderes Gewicht gab deren Allianz
die Abneigung der Königin Bona gegen Laski und dessen An
hang. ,Ihr fragt mich', heisst es in einem Briefe Tomicki’s an
Christoph Szydlowiecki aus diesen Tagen, ,wie die Königin
gegen jene zwei Männer gesinnt sei, die das schwarze weiss
1 Das Datum ergibt sich aus den Worten: ,Heri domini oratores regii
iuerunt in Olomuniec/A Liske.
2 Acta Tomic. IX, nr. LXXV1I.
Johannes Easki, Erzbischof von Gnosen.
589
zu machen suchen. Wisst, dass sie den Einen, den kurzen,
(Andreas von Tanczin) offen beschuldigt, über den Andern
(Hieronymus Laski) sich höchlichst wundert, dass er derartiges
anstrebt. Denn dem Erzbischof und seinen Praktiken ist sie
so abhold, dass sie ihn öffentlich einen Intriguanten nennt und
sie ist heftig erzürnt darüber, dass er sich das Patronatsrecht
über das Warschauer Archidiaconat vom Könige erwirkt und
dass Euere Gnaden die Urkunde darüber ausgestellt hat, in-
den sie bemerkte, dass, wenn sie zugegen gewesen wäre, sie
ihn gehindert haben würde, das Archidiaconat zu erlangen;
aber sie werde dafür sorgen, dass er Zeit ihres Lebens keine
seiner Praktiken fernerhin bei dem Könige durchsetze.' 1
Laski hatte allerdings die schwache Seite seines Feindes
richtig herausgefunden, wenn er darauf ausging Tomieki zum
Verzicht auf das Vicekanzleramt zu zwingen, 2 das er gegen
ausdrückliche Verfassungsbestimmungeu als Bischof nicht auf
gegeben hatte. Wagten andererseits die Gegner des Erzbischofs
in Hinblick auf seine kirchliche Stellung nicht sich unmittel
bar wider ihn zu wenden, so bot ihnen doch sein Neffe
Hieronymus willkommene Angriffspunkte dar.
Dieser hervorragende Staatsmann, 3 Wojewode von Sieraaz,
hatte bereits 1520 und 1523 als Gesandter an den Kaiser 1 und
an den König Franz 1. von Frankreich sich hervorgethan.
Nicht uninteressant ist es, dass Hieronymus vor Antritt der
zweiten Reise zu Vormündern seiner Tochter Hedwig Christoph
Szydlowiecki, Andreas von Teczyn, Wojewoden von Sandomir,
Johann Amor Tarnowski und seinen Oheim, den Erzbischof
bestellte, 5 von denen in Folge der schon erwähnten Ereignisse
der zuerst genannte später zu seinen persönlichen Gegnern
zählte. Im Jahre 1527 erhielt er vom König die Erlaubniss zu
einer Pilgerfahrt nach Loreto, von der Tomieki mit Recht
vermuthete, dass sie religiöse Zwecke nur zum Vorwand nehme.
Dagegen täuschte er sich, wenn er meinte, dass Hieronymus
1 Acta Tomic. IX, nr. LI1. 2 Acta Tomic. IX, nr. XC.
3 Er wird auch Hieroslaus o. Jaroslaus Laski genannt. Vgl. über ihn:
L. Hubert, Hieronim z Laska Laski wojewoda Sieradzki in Biblioteka
Warszawska 1861. 3. 93 ff., eine Abhandlung, in der zwar hie und da
neues ungedrucktes Material verwerthet wird, der Gegenstand jedoch nicht
erschöpft ist. 4 Tcstam. 39 b. 5 Hubert a. a. O. 98. .
590
Zeissberg.
nach Rom gehen und dort für sich oder seinen Oheim gegen
ihn ag'itiren werde und deshalb den in Rom weilenden Niko
laus Gramrat bat, auf den Wojewoden scharf Acht zu geben, 1
da sich Hieronymus vielmehr plötzlich an den Hof Johann
Zapolya’s begab und in dessen Dienste trat. Aber so uner
wartet auch dieser Vorfall sein mochte, so bot er doch bei der
Neutralität, zu der den König gegenüber dem nach der Schlacht
bei Mohacz in Ungarn ausgebrochenen Thronstreite die Um
stände nöthigten, den Gegnern des Hauses Laski eine will
kommene Handhabe dar, um dessen Stellung in Polen zu
untergraben.
,Wonach dem Herrn Erzbischof und seinem Neffen mit
ihrem Anhänge der Sinn steht/ heisst es wieder in einem
Briefe Tomicki’s an seine Gesinnungsverwandten Lukas von
Görka und Stanislaus Koscielecki, ,weiss der König so gut, wie
wir. Auch ist uns bekannt, dass er schon früher viel dergleichen
gethan und auch jetzt thut, wodurch sich Se. Maj., die als
überaus gütiger Fürst bisher seltene Milde und Langmuth ge
zeigt hat, endlich doch verletzt fühlen und zu gerechter Be
strafung bewogen finden dürfte. Denn Eure Gnaden mögen
wissen, dass all das, was der Palatin von Sieradz 2 versucht
und betreibt, ohne Wissen und Willen Seiner Majestät geschieht
und desshalb von ihm sehr übel vermerkt wird. Se. Maj.
hat ihm nämlich auf sein Bitten erlaubt, sich zur Erfüllung
eines Gelübdes nach Loreto zu begeben. Er aber hat statt die
Votivreise anzutreten, sich vielmehr nach Ungarn gewendet
und in des dortigen Königs 3 Dienst begeben, in dessen Auf
träge er nach Frankreich und England 1 ging. Und er macht
daraus durchaus kein Geheimniss, sondern hat unterwegs aus der
Schweiz und jüngst aus Paris Briefe 3 hieher gesandt/ Der König
theile, fährt Tomicki fort, die Besorgniss des Castellans und des
1 Acta Tomic. IX, nr. CXVI. 2 Hieronymus Häsin. 3 Zapolya’s.
4 Vgl. Urkk. z. Gesell, d. Anrechtes des Hauses Habsburg auf Ungarn von
Fr. Firnhaber. Archiv f. K. ö. G. Q. XXIV. 22. nr. VIII, wonach H. Laski
am 15. Juli 1527 bei Heinrich VIII. Audienz fand.
5 Den aus Paris ,sabbato octaue corporis Christi 4 geschriebenen Brief des
selben au den Bischof von Kamieniec Laurentius Miedzileslci, sowie die
im Namen des letzteren ertheilte Antwort Krzycki’s enthält die Hs. 44- fol.
der Krakauer Universitätsbibliothek fol. 4. u. fol. 2 b — 4 a.
Johannes Laski, Erzbischof von Gnesen.
591
Palatins von Posen, dass die diplomatische Reise des jüngeren
Laski, obschon sie im Grunde zu nichts führen werde, die
guten Beziehungen stören könne, welche er zum Kaiser und
zu König Ferdinand erhalten wisse wolle. Daher habe er
Dantiscus, seinen Gesandten in Spanien, beauftragt, den Sach
verhalt dem Kaiser darzulegen. 1
Es fehlte von Seiten Laski’s des Erzbischofes wohl auch
jetzt nicht an Versuchen, den Bund zu sprengen, der sich
wieder ihn gebildet hatte. Er kam daher nochmals ungeachtet
der bereits getroffenen königlichen Verfügungen auf den Vor
schlag einer Vereinbarung über sein Erzbisthum zurück, der,
wo wir nicht irren, vor allem Tomicki dem Könige entfremden
sollte. Aber Tomicki beantwortete das ihm von Laski’s Neffen,
Martin Rambiewski, Decan von Gnesen, gemachte Anerbieten
ablehnend: ,Wenn Ihr schreibt, es schmerze Euch, dass wir
auf dem jüngsten Convente 2 von dem Herrn Erzbischof nicht
so geschieden sind, wie es Freunden und ersten Fürsten des
Reiches gezieme, so seid versichert, dass ich mit demselben
nie in privater Feindschaft lebte und auch jetzt mich nicht
befinde, wofür ein untrügliches Zeug-niss darin liegt, dass ich
nie die schuldige Ehrfurcht und Rücksicht gegen ihn ausser
Acht gelassen und Alles, was er mir auftrug, gern und freudig
that, es sei denn, dass es ihn verletzt hat, wenn ich zuweilen
für Diener des Königs das Wort ergriff oder im Senat um
meine Meinung befragt mit ihm nicht übereinstimmte. Das
musste aber geschehen; denn es geschah nicht aus Missgunst
oder Abneigung, sondern wir sprachen nur, was uns für den
Staat gut und nützlich dünkte, frei und ohne Rücksicht auf
irgend jemandes persönlichen Vortheil aus, da in einem freien
Reiche auch Meinungsäusserungen und Abstimmungen frei sein
müssen. Bezüglich Eurer Mittheilung über das Unwohlsein des
Erzbischofes, der Aufforderung, mich um das Erzbisthum zu
bewerben und der Bitte, Euch meine Ansicht darüber mitzu-
theilen, zweifle ich keineswegs an Eurer guten Meinung und
Gewogenheit gegen mich, aber Ihr müsst wissen, dass ich nach
nichts Höherem strebe und mit dem zufrieden bin, was ich habe.
1 Acta Tomie. IX. nr. LXXX.
2 Es scheint der zu Ende des J. 1527 zu Piotrhow abgehaltene gemeint
zu sein, wo sich Easki ain 13. Dec. befand. Vgl. Dogiel 1. c. I, 013.
Sitzungsber. d. plül.-kist. CI. LXXV1I. Bd. III. Hft. 38
592
Zeissberg.
Uebrigens hat der König ja längst auf Verlangen des Herrn
Erzbischofs zu seinem Nachfolger den Bischof von Wloclawek
(Mathias Drzewicki) bestimmt und ich habe durchaus keinen
Grund dem entgegenzuarbeiten.' 1
Leider verlässt uns mit dem Jahre 1528 unser treuer
Führer auf dem Wege durch Laski's Leben. Die trotz ihrer
entschiedenen Parteistellung unschätzbaren Acta Tomiciana
liegen bisher nur bis zu jenem Jahre gedruckt vor. Die Lücke,
die sich daraus für die drei letzten Lebensjahre Laski’s ergibt,
berührt uns um so schmerzlicher, als uns in Folge davon für
einen der merkwürdigsten Vorfälle bis auf die Thatsache selbst
jede eingehendere Kunde fehlt.
Nachdem die zu Olmütz gepflogenen polnischen Ver
mittelungsversuche gescheitert waren, begann zwischen Fer
dinand und Zapolya der offene Krieg. Am 25. September 1527
verlor Zapolya das Treffen bei Tokaj, in Folge dessen er nach
Siebenbürgen floh. Als er sich auch hier nicht zu behaupten
vermochte, begab er sich nach Polen, wo er in dem Schlosse
des mit den Laski befreundeten Johann Amor Tarnowski von
Tarnow Zuflucht fand und auf neue Mittel zur Fortführung
des Krieges sann. Unter den Freunden, die seine Sache fand,
ragt besonders Georg Martinuzzi hervor, Kroate von Geburt,
welchen er jedoch in Polen kennen lernte, da derselbe damals
Prior des Paulinerklosters zu Czestochow war. Während dieser
im Laufe des Jahres 1528 dreimal zu Fuss nach Ungarn reiste,
um die Verbindung mit Zapolya’s Anhängern zu unterhalten,
begab sich Hieronymus Laski nach Constantinopel, wo er, unter
stützt von dem bekannten Venetianer Gritti, den Grossherrn
für Zapolya gewann, und so über den Westen Europas jene
1 Acta Toinic. IX. nr. CLX. Am 1. Nov. 1527 schreibt (ebenda nr. CLII.)
Andreas Krzycki an Tomicki: ,Miseram non ita pridein ad illum nostrum
Ardelionem causa visendi eius et säeerdotium illud, quod mihi debet,
exigendi. Non respendit mihi per meum nuncium, sed misit vicissim ad
me illum dextrum suum oculum. Qui cum ad prandiiun venisset, nescio
qua fortuna venit ordine euangelium adolescenti, qui ad mensam legere
solet: ,attendite a falsis prophetis, qui ad vos ueniunt sub habit.u ovimn,
intus vero sunt lupi rapacesh Puduit me, ne res videtur data opera in-
structa, sed rursus mirabar omen tarn appositum eius, quod sequutum
fuit, nam tota illa legatio id, quod euangelium predixit, continebat/
Johannes £raski, Erzbischof von Gnesen.
593
Gefahr heraufbeschwor, die in der Belagerung Wiens ihren
Höhepunkt erreichen sollte.
Es unterliegt keinem Zweifel, dass Zapolya’s Sache in
Polen eine populäre war, und dass der König selbst eine gegen
jenen wohlwollende Neutralität bewahrte. Dass es überhaupt
bei dieser sein Bewenden hatte, dass Sigismund nicht vielmehr
offen für seinen Schwager Partei ergriff, war eine Folge der
Gefahren, welche er selbst zu bestehen hatte, und die es ihm
nicht angezeigt erscheinen Hessen, mit dem mächtigsten Für
stenhause des Jahrhunderts, dem habsburgischen, zu brechen.
Daher finden wir trotz der Klagen, zu welchen ihn der eigen
mächtige Uebertritt des Hieronymus Laski in Zapolya’s Dienst
berechtigte, wenigstens anfangs sein Verhältniss zu diesem
nicht getrübt. 1 Ob Sigismund von den Aufträgen, die den
Palatin nach Constantinopel führten, Kenntniss hatte, ist uns
unbekannt. Aber auch wenn dies der Fall gewesen sein sollte,
lässt sich vermuthen, dass der König die in der Verbindung
Zapolya’s mit der Pforte für sein eigenes Reich beschlossene
Gefahr unterschätzen mochte. Die unerwartete Macht, mit
welcher der Sultan sich erhob, und dessen anfänglicher Erfolg
mussten dann freilich die Sache auch dem polnischen Hofe in
anderem Lichte zeigen und ein warnender Zuruf sein, dass,
was heute dem Nachbarreiche widerfuhr, nächstens dem eige
nen Lande drohen könne. Wir dürfen auch nicht vergessen,
dass die Königin Bona eine Anverwandte des Hauses Habs
burg und durch die bekannte Bari’sche Erbschaftsfrage auf
dessen guten Willen hingewiesen war. So erklären sich die
1530 von Neuem in’s Werk gesetzten Bemühungen Sigismunds
den Frieden zwischen Ferdinand und Zapolya anzubahnen.
Aber auch jenem zahlreichen Adel, der innerlich sich mit dem
Könige mehr zu Zapolya als zu dem deutschen Herrscher hin
gezogen fühlte, konnte gleichwohl der Verlauf der ungarischen
Sache willkommen erscheinen, einen Anschlag gegen die Laski
zu versuchen. So dürfte es gekommen sein, dass man, da
Hieronymus Laski, der Urheber der türkischen Allianz, un
erreichbar war, den greisen Erzbischof des Einverständnisses
mit seinem Neffen in dieser Angelegenheit beschuldigte. Wir
1 Encyel. powszechna s. v. Easki unter Berufung auf die Acta Tomic.
38*
594
Zeissberg.
wissen übrigens bloss, dass der Papst Clemens VII. Johann
Laski und seine Familie mit dem Banne belegte und eine
Untersuchung anordnete, in Folge deren der Cardinal von An
cona, Petrus, Bischof von Sabina, den Primas nach Rom vor
lud. Die in den leidenschaftlichsten Ausdrücken abgefasste
Citation bezeichnet Laski als ,nur dem Namen nach Erzbischof,
in Wahrheit ErzteufeP, stellt ihn auf eine Stufe mit Datan,
Korym, Abyron, Judas, nennt seinen Neffen einen zweiten
Herostratus und wirft dem Primas vor, dass er aus dem Erlös
veräusserter Kirchengüter habe Waffen anfertigen lassen, die
den Türken nach Ungarn gesendet worden seien. Laski, tief
gebeugt durch den Vorfall, dachte einen Augenblick daran,
seine kirchliche Würde niederzulegen. 1 Es heisst jedoch, dass
es Laski gelang, sich in einem Briefe an den König zu recht-
fertigen, indem er die Schuld auf seinen Neffen schob, der
ohne sein Wissen gehandelt habe. 1 In der That vollzog Laski
am 20. Februar 1530 zu Krakau Sigismund August’s Krönung, 2
auch wohnte er im Laufe dieses Jahres noch einer Piotrkower
Synode bei, auf welcher Drzewicld als Bischof von Kujavvien
und Johann Latalski, damals Bischof von Posen, um das Vor
recht der Krönung bei Abwesenheit des Primas stritten. Laski
entschied für Kujawien. Doch wurde der Streit erst nach
Laski’s Tode 1532 endgültig zu Gunsten dieser Kirche aus
getragen. :i
Laski starb in den oberen Zimmern der Residenz zu
Kalisz am 19. 4 Mai 1531. Vom 15. Mai datirt sein letztes
nicht mehr eigenhändig aufgesetztes Testament. 5 Den letzten
Dienst erwiesen ihm Johann Latalski, Bischof, und Lukas
von Görka, Castellan von Posen und Generalstarost, später
Bischof von Kujawien. 11 Ein in demselben Jahre (5. Juni) zu
Krakau bei Mathias Scharffenberg erschienenes .epicedium'
Laski’s hatte den ihm befreundeten Arzt Josef Struthius von
Posen, später in Diensten Solimans, zum Verfasser. 7
Als das Testament begonnen wurde (1495), iiberliess Laski
den Vollstreckern die Wahl seines Begräbnissplatzes ,in der
1 St. Buzeiiski, Zywoty arcybiskupow Gniezuienskich. Wilno 1860. T. II, 100.
2 Wapowski 1. c. 230. 3 f,etowski II, 98. 4 18. Mai. Bielski.
6 Testara. 42 a. c Jietowski III, 283. 7 Janociana I, 262.
Johannes Laski, Erzbischof von Gnesen.
595
Nähe des Ortes, wo er sterben werde, wenn in Polen, so in
der Kirche zu Lasko unter den Ahnen oder in einer der
Kathedralkirchen, deren Beneficien er geniessek 1
Als Kanzler hatte Laski sich sein Grab in der Gnesener
Kirche vor dem Chor zu Seiten oder zusammen mit seinem
Freunde, dem Decan Jaszko gewünscht und seine Testaments
vollstrecker gebeten, in letzterem Falle an dessen Monument
auch sein Wappen anzubringen, ,nicht zum Prunke, sondern
um andere zu veranlassen, uns im Guten nachzuahmen, wenn
anders dessen an uns zu rühmen ist'. 2 Als Erzbischof be
stimmte er 1511 zu seiner letzten Ruhestätte in der Domkirche
den Platz ,zwischen dem Grabe des h. Adalbert und dem Altar
an der Säule gegen die Mansionariek 3
In Rom erlangte Laski (27. Juli 1515) vom Papste die
Erlaubniss, Erde von den Friedhöfen des Campo Santo und
S. Gregorio in Rom nach Gnesen überführen und mit derselben
den Friedhof seiner Metropolitankirche bestreuen zu dürfen,
sowie für die daselbst Ruhenden alle jene Indulgenzen, deren
sich die auf jenen Gottesäckern der ,Stadt' Begrabenen er
freuen'. 4 In Folge dessen bestimmte er 1516 den Gnesener
,campo Santo' zu seiner Ruhestätte, über der sich ein Stein mit
Inschrift erheben sollte. 6
Zu diesem Behufe wurden zu Gran sechs Marmorsteine
bestellt: 6 für sein eigenes Grab und für die Gräber Krzeslaw’s,
seines Wohlthäters, 7 Andreas Roza’s, seines Vorgängers auf
dem Gnesener Stuhle, 3 seines Bruders Andreas Laski’s und
des Bischofs Radlica von Krakau, seines Ahnherrn. 9 Ueber-
dies Hess er auf jenem Friedhofe dem h. Stanislaus ein Kirch
lein erbauen, 19 zwischen welchem und der Domkirche er be
graben werden wollte, um unter dem Schutze der beiden gröss
ten Landesheiligen zu ruhen. 11 Es war Laski’s Absicht, an
der Stanislauscapelle einen oder mehrere Vicare anzustellen. 12
1 Testam. ‘2a. 2 Ebenda 13 a. 2 Ebenda 19 b.
4 Theiner 1. c. II, 3G4. nr. 393.
5 Testam. ‘27 a. vgl. 28 b. 30 b.
0 Ebenda 30 a. 33 a.
7 Eetowski, Katalog III, ‘225. 1523 war Krzeslaws Grabstein noch nicht
vollendet. Testam. 38 a. b. 8 Ebenda II, 74 mit der Inschrift.
9 Diesem auf dem Wawel. Ebenda III. 280 die Inschrift.
10 Testam. 39 a. 11 Ebenda 40 b. 39 a. 12 Ebenda 40 b.
596
Zeissberg.
Sterbend bedachte er sie reichlich 1 und verpflichtete er seinen
Neffen Johannes, daselbst eine Custodie zu errichten, für welche
jeweilig der Notar des Gnesener Capitels von den Herren von
Lasko präsentirt werden sollte, und zu anderen frommen Stif
tungen an derselben. 2 Laski fand die gewünschte Ruhestätte und
auch in letzterem Punkte scheint sein letzter Wille erfüllt zu sein. 3
Wie sein äusserer Lebensgang darthut, war Laski mehr
eine politische als kirchliche Persönlichkeit. So ist denn auch sein
Name am bekanntesten durch eine juristische Arbeit geworden,
die wir nur nach ihrer Aussenseite kurz besprechen wollen,
während wir die Verwerthung des Inhaltes rechtskundigen
Händen überlassen müssen. 4 Die Unzulänglichkeit der beiden
ersten Ausgaben der polnischen Rechte veranlassten König
Alexander auf dem oben erwähnten Landtage zu Radom 1505
seinen Kanzler Laski mit einer neuen Ausgabe der Statuten
zu beauftragen. Denn die beiden vorigen schon zu Ende des
15. Jahrhunderts zu Leipzig bei Lotter erschienenen Samm
lungen enthielten bloss das Wislicaer Statut Kazimir’s des
Grossen, das Statut zu Warta aus Wladyslaw’s JagioHo’s und
die Statute von Nieszawa (1454) und Korczyn (1451) aus seines
Sohnes Kazimir Zeit. Die Arbeit Laski’s erschien bereits am
28. Januar 1506 bei Johann Haller zu Krakau unter dem Titel:
,Commune inclyti Polonie regni priuilegiuufl etc. 5 Mit Recht
vermuthet man aus dem bald nach des Königs Auftrag er
folgten Erscheinen der Sammlung, dass dieselbe schon früher
vorbereitet worden sei. Sie wurde in zwölf Exemplaren auf
Pergament und 150 auf Papier abgedruckt, was uns deren
heutige Seltenheit erklärt, und diese theils im königlichen
Schatze zu Krakau hinterlegt, theils an die grösseren Capi-
tularkirchen des Reiches und in die einzelnen Starosteien ver
sendet. In sein Buch nahm Laski alle Privilegien und Statute
für die verschiedenen Stände und Körperschaften des Reiches
auf, soweit sie ihm zugänglich waren, fügte auch ausser dem
1 S. das Register unter: Stanislai. 2 Testam. 49 b.
3 JLetowski 1. c. III, 276.
4 Ich folge an dieser Stelle vorzüglich J. N. Romanowski, Otia Cornicensia.
Poznan. 1S61. str. 343 ff.
5 Der vollständige Titel in Wiszniewski, Historya literatury Polskiej T. V.
113. wo aber statt: MCCCCCY wohl MCCCCCVI zu lesen ist,
Johannes Laslci, Erzbischof von Gnesen.
597
hier zum ersten Male gedruckten Liede: Boga Rodzice die
,Summa* des Raimundus Parthonopaeus, das Magdeburger
Recht, wie es in Polen Geltung hatte, und einen kurzen Abriss
des polnischen Processes hinzu. Die Sammlung Laski’s er
langte Gesetzeskraft. Allein obgleich dieselbe gegenüber den
älteren Arbeiten als ein Fortschritt angesehen werden muss,
und insbesondere zum ersten Male in Marginalnoten auf Contro-
versen und Analogien im polnischen Rechte hinwies, so verfiel
doch auch sie dom Lose ihrer Vorgängerinnen, da fast jeder
folgende Reichstag ein neues Statut zu Stande brachte, das
alsbald im Druck erschien, bis man schliesslich deren mehrere
in einem Bande zusammenstellte. Noch mehr aber als der
Umstand, dass diese neu hinzukommenden Constitutionen in
ihm fehlten, musste Laski’s Statut die Menge der in demselben
vorhandenen ungelösten Antinomien und der gänzliche Mangel
einer bestimmten für das ganze Land geltenden Gerichtsproce-
dur mit der Zeit entwerthen. Daher wurde schon auf dem
Reichstage von 1511, sodann wiederholt auf jenem zu Bydgosc
1520 das Verlangen nach einer für das ganze Reich gütigen
Processordnung ausgesprochen, dem endlich Sigismund durch
die Veröffentlichung der Statuten aus seiner Zeit (1524 bei
Hieronymus Wietor zu Krakau) und einer im Anhänge dazu
abgedruckten ,formula processus iudiciarii* zu genügen suchte.
Doch war damit die zu Bydgosc verlangte Beseitigung der in
den früheren Constitutionen enthaltenen Widersprüche noch
keineswegs erreicht, und als endlich der König durch das un-
eigentlich nach Taszycki, der nur einer der vier Redactoren
war, genannte Statut von 1532 auch in dieser Hinsicht dem
Wunsche des Adels nachzukommen suchte, scheiterte die
Durchführung desselben an dem Widerstande, den dagegen auf
dem Tage zu Piotrlcow (1534) Peter Kmita erhob.
Auch in kirchlichen Kreisen erregte Laski’s Sammlung
Anstoss, da sie einige ältere Gesetze enthielt, welche Roms
Ansprüchen zuwiderliefen. So erklärt es sich, dass Laski
während seiner Anwesenheit auf dem Lateranconcil sich ein
am 20. Juli 1515 ausgestelltes Breve 1 erwirkte, das ihn vor
Anfeindungen in dieser Sache fortan sicherte.
1 Theiner 1. c. II, 362. nr. 390,
598
Zeissberg.
,Du hast Dich', heisst es darin, ,dieser Aufgabe zum ge
meinen Besten unterzogen und was Du in Archiven und an
andern öffentlichen Orten fandest, zusammengebracht, und um
dem Verdachte zu entgehen, diese oder jene Constitution be
vorzugt zu haben, so wie Du sie fandest, in ein Buch ver
bunden, das jetzt in jenem Reiche inner- und ausserhalb des
Gerichts Anwendung findet. Da aber in dieser Compilation
Constitutionen sich befinden, welche gegen kirchliche Personen
und kirchliche Freiheiten verstossen, obgleich andererseits viele
andere darin enthaltene denselben günstig sind und Du der-
halb zweifelst, ob Du nicht dafür kirchlichen Strafen und Cen-
suren unterliegst, von denen Du absolvirt zu werden wünschest,
so gewähren wir Dir diese Bitte, auf dass Dich darob ferner
hin niemand belangen könne. Doch tragen wir Dir auf bei
einem Beichtiger, den Du Dir selbst erwählen magst, Pönitenz
zu leisten, widrigenfalls dies Schreiben kraftlos werden würde.'
Im Grunde ist aber die berühmte Gesetzessammlung nicht
einmal -Laski’s Werk, dem es vielmehr nach seinem eigenen
Geständnisse an juristischen Kenntnissen gebrach, sondern das
des Jakob von Zaborow, der ihm dabei an die Hand ging.
Nichtsdestoweniger wird man ihm, glaube ich, einen gewissen
Antheil an dem Zustandekommen einer der ältesten Gesetzes
sammlungen Polens nicht streitig machen dürfen.
Ganz ähnlich ist sein Verhältniss zu einer zweiten weniger
bekannten Arbeit dieser Art. Einst hatte nämlich Kazimir der
Grosse, um seinen Staat in dieser Hinsicht zu consolidiren,
den Instanzenzug der polnischen Städte mit deutschem Rechte
nach Magdeburg aufgehoben und Krakau für sie zum Ober
hofe bestimmt, welcher nach dem auf seinen Befehl nieder
geschriebenen Magdeburger Rechte entscheiden sollte. Hatte
letztere Bestimmung den Zweck, Einheit im Rechtverfahren
anzubahnen, so verfehlte sie zum Theile denselben, da die
Städte dieselbe nach kurzer Zeit unbeachtet Hessen und nach
wie vor auf Grund von verderbten und lückenhaften Auf
zeichnungen jenes Rechtes, so wie sie ihnen gerade zur Ver-
fü gung standen, Urtheil sprachen. Da ertheilte Sigismund I.
(um 1527), um dem Uebel abzuhelfen, den Auftrag zu einer
Revision des Rechtes der Städte, und betraute mit dem Ent-
Johannes -Laski, Erzbischof von Gnesen.
599
würfe neuer zeitgemässer Bestimmungen unseren Erzbischof. 1
Doch übertrug Laski mit des Königs Billigung die eigentliche
Ausführung Mathias Slywnicki und beschränkte sich darauf,
demselben in schwierigeren Fällen behilflich zu sein.
Letzterer, welcher selbst Laski als seinen Wohlthäter
bezeichnet, ,der ihn von zarter Jugend an gefördert habe', ge
hört gleich seinem Gönner dem Wappen Korab an. Er war,
als er an die Arbeit ging, Doctor beider Rechte, Gnesener
Domherr und Archidiacon zu Kalisz; später wurde er Archi-
diacon zu Gnesen und Kanzler Laski’s, 2 der ihm sein beson
deres Vertrauen schenkte, 3 zuletzt Probst zu Posen. Er
starb 1551.
Sehr eigentümlich ist die Art, in der sich Slywnicki
seines Auftrages entledigte. Er hatte sich in Bologna die
Kenntniss des römischen Rechtes angeeignet, dem er nun auch
in Polen Eingang zu verschaffen dachte. Deshalb suchte er
durch seine Arbeit, die ganz auf römischen Rechtsanschauungen
beruhte, das geltende Magdeburger Recht zu verdrängen, ja
soga^- die subsidiäre Anwendung derselben in dem für den
Adel geltenden Landrechte durchzusetzen. Daher sendet er dem
Werke, das er: ,Sigismundina iura, constitucionesque Sigis-
mundinae' betitelt wissen wollte, ein angebliches hklict dieses
Königs voraus, kraft dessen das Magdeburger Recht aufgehoben
und durch jene neuen Anordnungen ersetzt werden sollte,
welch’ letztere auch die Lücken im ,Landrecht' auszufüllen
hätten. Die Arbeit hat jedoch nie Gesetzeskraft erhalten.
Bezüglich des Landrechtes stand ohnedies dem König kein
Recht zu einer einseitigen Verfügung, wie diese, zu, welche ohne
Zustimmung des Senates und des Reichstages erfliessen sollte;
zugleich würde ein Versuch, das fremde Recht, wenn auch zu
nächst nur subsidiär, in die Gesetzgebung des Adels einzu-
füh ren, voraussichtlich den letzteren auf’s äusserste erbittert
1 Wie es in dem der dadurch veranlassten Arbeit vorangestellten, freilich
sehr verdächtigen Schreiben des Königs heisst: ,sowohl wegen seiner
vielfältigen erprobten Erfahrung in Staatsgeschäften, als insbesonders
desshalb, weil derselbe einst als Kanzler unseres Reiches sich eitrigst
befliss, die allenthalben zerstreuten Constitutionen Polens und andere
Rechte zu einer Sammlung zu verbinden*.
2 Testam. 42 a. 3 Ebenda 87 a.
600
Zeissberg.
haben. Doch war der König zu besonnen, um dergleichen
auch nur den Städten gegenüber zu versuchen, für welche ihm
das Recht der Gesetzgebung allerdings in vollem Umfange zu-
stand. Vielmehr bestätigte er 1535 den Sachsenspiegel und
das Magdeburger Weichbild in der von Nikolaus Jaskier ver
anstalteten lateinischen Uebersetzung. Gleichwohl verdient
Slywnicki’s Versuch, das römische Recht in seiner Hcimath ein
zubürgern, einige Beachtung.
Zugleich zeigt uns derselbe, wo wir nicht irren, Laski in
eigentümlichem Lichte. Wir stimmen Helcl 1 gegen Bandt-
kie 2 vollständig darin bei, dass die Arbeit dem, was der König
gewünscht hatte, keineswegs entsprach; dagegen möchte be
züglich Laski’s nicht mit Helcl das Gleiche anzunehmen sein.
War auch das Buch eigentlich Slywnicki’s Werk, so schloss
doch des Königs Auftrag an Laski auch dessen Verantwortlich-
keit in sich. Wir linden auch sonst Laski nicht eben ängst
lich bemüht, sich des Königs Intentionen anzubequemen. Das
römische Recht mochte gerade bei einem Bischöfe, die Beseiti
gung des Magdeburger Rechtes durch dasselbe bei einem
Manne Anklang finden, der aus Adelsvorurtheil und in Folge
bitterer Lebenserfahrungen den ,Plebejerstand* auf’s äusserste
hasste.
In Laski’s Zeit fallen mehrere Provinzialsynoden, so die
zu Piotrkow zu Martini 1510 11 und die zu Leczyc, 10. August
1512 1 abgehaltene, sodann jene, welche in Abwesenheit Laski’s
und in dessen Vollmacht derPosener Bischof zu Leczyc (zwischen
dem 17. Juli und 25. September) 1514 einberief 5 . Vermuthlich
fand auch im Jahre 1520 ein Provinzialconcil statt, fi von
welchem zweifelhaft bleibt, ob es mit einem in Tomicki’s Cor-
respondenz vom Jahre 1.521 erwähnten 7 identisch ist. Für den
Anfang des Jahres 1523 ist die Existenz einer Provinzialsynode
1 Vgl. A. S. Helcl, Juriurn constitutionumque Sigismundinarum proposita
a Mathia Sliwnicio descriptio Cracouiae 1859, mit trefflicher Einleitung,
der ich im übrigen gefolgt bin.
2 In einem von Helcl p. III citirten Aufsatze.
3 S. oben und Acta Tomic. I, 107. nr. 107, 123 nr. 141.
4 Ebenda II, 108 nr. 104. 116 nr. 114.
5 Ebenda 138 nr. 191. 139. nr. 192. 140. nr. 194. 185 nr. 234.
6 Acta Tomic. V. 135 nr. 125. 1 Ebenda 361. nr. 381.
Johannes -Lasld, Erzbischof von Gnesen.
601
zu Piotrkow, obwohl sie in Absicht stand, zweifelhaft; 1 da
gegen steht für die zweite Hälfte des Jahres eine Synode zu
Leczyc fest. 2 Eine dritte fand daselbst 1527 3 statt. Einer
Provinzialsynode zu Piotrkow 1530 wohnte Laski bei; doch
scheint Drzewicki dieselbe bereits thatsächlich geleitet zu haben.
Auch in kirchlicher Hinsicht finden wir verschiedene Ar
beiten durch Laski angeregt. Zum Tlieile sind dies biblio
graphische Seltenheiten von hohem Werthe. Der treffliche
Chronist Justus Ludwig Decius, welcher auch als Buchdrucker
thätig war, erwirkte sich am 23. August 1518 ein königliches
Privileg auf vier Jahre für den Druck der: ,Breuiaria hora-
l'uni canonicarum ecclesie metropolitane Gnesnensis', wozu ihm
Laski den Auftrag ertheilte. Ob das Buch erschien oder nicht,
ist unbekannt,, da sich dasselbe bisher nirgends vorgefunden
hat. 1 Vielleicht ist es mit dem übrigens nur von Jocher er
wähnten : jBreuiarium seu Viaticum ecclesie Gnesnensis. Im-
pensis Jodoci Decii. Lugduni per Jacobum Sacco 1519‘
identisch. 5
Sehr selten scheinen auch die: ,Sanctiones ecclesiasticae
tarn ex pontificum decretis quam ex consuetudinibus syno-
dorum prouinciae imprimis autem statuto in diuersis prouin-
cialibus synodis a se sancita“' zu sein, die zu Krakau 1525,
und eine Sammlung der Gnesener Provinzialstatuten, die ebenda
(bei Scharfenberg) 1527 und in zweiter Ausgabe 1528 erschie
nen sein soll. 0 Nach den von derselben vorfindlichen Inhalts
angaben enthält die letztere Sammlung die Synode von Wielun
unter Nicolaus Trqba, drei Piotrlcower und zwei Leczycer Sy
noden (von 1522/23 und von 1527). Die Zusammenstellung
selbst rührt von Laski’s erzbischöflichen Kanzler, dem Gne
sener Domherrn Georg Myszkowski, und von dem Krakauer
Archidiacon Johann Choinski her. Davon verschieden ist eine
andere Schrift, welche unter dem Titel: Statuta prouincialia
toti prouincie Gneznensi valentia auctoritate apostolica edita,
ut clare patet ex bullis summorum pontificum hie insertis s. 1.
et a., die von Erzbischof Nicolaus Trqba 1420 publicirten
1 S. oben S. 576. 578. 2 S. oben S. 587. 3 S. oben u. Wezyk 1. c. 85.
4 Das Privileg aus der Metr. Kor. ks. 31. fol. 357 mitgetheilt von A. Hirsch
berg, o zyciu i pismach Justa Ludwika. Decyusza str. 19.
5 Ebenda S. 75. 6 Janociana II, 177.
602
Zoissberg.
Provincialstatuten enhält. Der Ausgabe, die wir im Auge haben,
geht ein an Johannes Laski, den Erzbischof gerichtetes Schrei
ben des jüngeren Rudolf Agricola voran (datirt: Krakau 1518),
aus dem erhellt, dass Laski den Auftrag zum Abdruck jener
Statuten gegeben hatte. 1
Auf dem Lateran-Concil hatte Laski das römische Mess
rituale kennen gelernt, wie es der päpstliche Protonotar und
Ceremonienmeister Johannes Buchardus geordnet hatte und
auch anderwärts beobachtet wurde. Laski liess dies Rituale
als: ,Manuale sacerdotum' 1513 zu Krakau Abdrucken und
versah es mit der Weisung an den Clerus seines Sprengels,
sich darnach zu halten, indem er dasselbe zugleich dem Erz
bischöfe von Lemberg und seinen Suffraganen für deren Diö-
cesen anempfahl. 2
1 Bei der grossen Seltenheit dieses Büchleins dürfte es manchem unserer
geneigten Leser nicht unerwünscht sein, in dieser Abhandlung den Brief
des Agricola abgedruckt zu finden. Derselbe lautet: .Reuerendissimo in
Christo patri, domino Joanni archiepiscopo Gneznensi et patrono colen-
dissitno Rudolphus Agricola iunior poeta a Caesare laureatus foelicitatem.
Maxinra profecto ueneratione, maximo honore, uereqne laudis pi-aeconio
dignos esse iudico, Reuerendissime domine antistes, non tarn ei solum,
quos vt posteros demerentur aliquid ipsi vel süo marte lucubrauerint,
quam illos etiam, quorum opera summe frugis plena Volumina a situ tan-
dem, cecis in qnarum delitescentes tenebris libri in sacrosancte Christi
seruatoris Uostri ecclesie vsum et vindicantur et restituuntur. Celebre po-
steritati nomen, qui apud Graecos primus bibliothecam condidit, Athenien-
sium tyrannus Pisistratus reliquit celebre in Persiden abducande ipsa
Xerxes, Seleucus Nicanor, Alexander Magnus, Philadelphus, apud-Ro
manos Paulus Emilius, Lucullus et qui Marco Yarroni eins constituende
copiam dedit Julius Cesar, Pollio et fidei nostre Painphilus inartyr, qui
triginta voluminum milia reposuit. Quis igitur tue Reuerendissime domi-
nationis sanc.to proposito tibi inquam optimo pastori non congratuletur,
cuius non segniter impensa diligentia diuinarum litterarum pro communi
sacerdotum vtilitate libri iterum iterumque restituuntur. Vera presnlis
laus est nullo vnquam tempore non ecclesie consulere prouidenter, quod
subinde tecum reuoluens nihil eorum, que ad eius vsum pertineant, pre-
termittis. Pergat itaque tua Reuerendissima dominatio nec vllo eadem
pacto ab Iioc celeberrimo instituto diuellatur, cui plurimum me commendo.
Cracouie anno 1518.“
2 Das ,Manuale sacerdotum 1 ist unter diesem Titel nach der Schlussbe
merkung erschienen: ,Craccouie ex officina Marci Scharfenberg bibliopole
Cracouien(sis). Impressum per Stanislaum Siradianu(m). Anno 1513‘ und
äusserst selten. Die Vorbemerkung lautet; ,Reuerendissimus in Christo
ln allen diesen Dingen erscheint Laski als Primas der
polnischen Kirche oder an der Spitze der gesammten Gnesener
Provinz thätig. Als Erzbischof linden wir ihn, von seinem
Antheil an der Einführung der Dominikaner zu Znene ab
gesehen, 1 besonders bemüht, der auf dem Erbgute Lasko be
findlichen Kirche, deren Patronat seiner Familie zustand,
reichliche Vortheile zuzuwenden. In seinem Testamente wird
sie mit Legaten vielfältig bedacht. 2 Eine von Leo X. hoch-
geschätzte, ,aus weissem Stein' meisterhaft gearbeitete Marien
statue, die Clemens VII. unserem Laski schenkte, will man
noch später in jener Kirche besessen haben. 3 Laski befestigte
die Kirche 1 und bestimmte zur Zeit, da er noch Kanzler der
pater dominus Joannes de Lasko dei gratia archiepiscopus Gneznensis,
primas et legatus natus in concilio Lateranensi anno 1513. Rome pro
inclito regni (!) Polonie et prouinciis eiusdem regni oratorem agens, vi-
dens tarn per suminmn pontificem, quam per reuerendissimos dominos
cardinales prelatos et vniuersos capellanos ad illam sanctam vrbem, etiam
ex remotioribus regnis ac prouinciis venientes, missas non differenter, sed
vno communi usitato modo (per reuerendissimum patrem dominum Joan-
nem Buchardum sedis apostolice protonotarium et cetera capeile sanc-
tissimi domini nostri pape magistrum ceremoniarum pro instructione
nouellorum sacerdotum edito et compilato) celebrari eundemque modum
Romane ecclesie a modo et ordine in sua et altera regni Polonie prouin
ciis per cappellanos obseruari solito in celebrationibus missarum non
mediocriter differri: quia sua paternitas legittimum fore putauit, membra
ad sui capitis nutuin dirigi. Iccirco modum et ordinem, quem sancta
Romana ecclesia in missis sine cantu et sine ministris, aut cum cantu
et cum ministris celebrandis obseruat (ne prelati aut capellani ex bis
prouinciis almam illam vrbem venientes et missas in ea celebrantes vi-
deantur barbarisare) suis Gneznensi et Leopoliensi prouinciis eum ipsum
modum Romane ecclesie prescripsit, deferendo arbitrio reuerendissimorum
dominorum archiepiscopi Leopoliensis et dominorum sue Gneznensis pro-
uincie suffraganeorum episcoporum, vt hune modum et ordinem ad cele-
brationem missarum assumant et in diocesi eorum publicent, sue vero
ecclesie et totius diocesis Gneznensis prelatis et capellanis, scilicet sacris
iniciatis clericis, et ad presbyteratmn promotis precipiendo: vt secundum
liunc modum et ordinem Romanum et non aliter se vsitent ad missas
celebrandas, vt sequiturJ
1 Letowski III, 281.
2 Vgl. das Register unter: Lasko, parrochialis ecclesia in.
3 Rzepnicki, Vitae presulum Poloniae. T. I. 1761. p. 1011. Das Testament
enthält nichts davon.
4 Testam. 29 b.
m
604
Zeissberg.
Krone war, den Erzbischof Andreas Roza an derselben eine
Probstei und Mansionare zu errichten, wozu einige Zehnten
der Probstei Leczyc verwendet werden sollten. In Rom er
wirkte er sodann als Erzbischof nicht nur die Genehmigung
dieser Stiftung, sondern auch die Erlaubnis», der Kirche zu
Kasko von seiner Mensa noch weitere Zehnten zuwenden zu
dürfen. 1
Wurden so der Gnesener erzbischöflichen Tafel gewisse
Erträgnisse dauernd entzogen, so durfte andererseits Laski in
seinem Testamente 2 sich darauf berufen, dass er so manches
Besitzthum, das in früheren Zeiten abhanden gekommen war,
an den Tisch zurückgebracht und manche Bauten zum Nutzen
und Frommen der Gnesener Kirche ausgeführt habe. 3 So
stellte er zu Skwyrniewice eine Kirche des h. Adalbert und eine
zweite des h. Romuald sammt Spital her, löste aus eigenen
Mitteln die verpfändeten Mühlen zu Lowicz und Znene ein, 4
liess zu Gnesen den Thurm des Domes mit Blei eindecken, 5
befestigte denselben, 6 liess Teiche graben u. s. f. 7
Im Jahre seines Amtsantrittes als Erzbischof von Gnesen
beauftragte Laski seinen Archidiacon Mathias Skotniki, einen
,liber beneficiorumf der Gnesener Kirche anzulegen. 8 Schon
früher hatte er über seine eigenen Benehmen ein ausführliches
Register angelegt, auf das als dessen Ergänzung das Testament
verweist. 9
Dagegen scheint — auch die Bestimmungen des Testa
mentes erwecken diesen Eindruck — der gegen Laski’s Nepo
tismus gerichtete Vorwurf nicht unbegründet. Vielleicht tritt
1 Theiner 1. c. II, 358. 30. April 1515.
2 Testam. 32 b. 40 b. 3 Theiner II, 358. nr. 385.
4 Testam. 41 a. vgl. Acta Tomic. IV, 12 nr. IV.
5 Testam. 29 b. 6 Ebenda 40 a.
7 Andere Einzelheiten lese man bei Letowski III, 280 nach.
8 Von Nakielski, Miechouia 389. 403 citirt. Vgl. meine Geschichtschr.
Polens 289.
9 Testam. 7 a. 7 b. 8 a. Andere Specialregister erwähnt 3 a. 15 a. 20 b.
26 a. 37 a. 39 b. 40 a. Was an der auf Fr. Modzrzewski’s Schrift:
O poprawie Rzeczypospolitej zurückfUhren den Behauptung, dass Laski
gerathen habe, eine Landesbank, Mons pietatis genannt, zu gründen,
wahres ist, muss ich dahin gestellt sein lassen. Vgl. Czacki, O litewskich
i polskich prawach I, 31.
Johannes Laski, Erzbischof von Gnesen.
605
dereinst aus dem Archiv der Gnesener Domkirche jener heftige
Protest an’s Licht, den dagegen das Capitel erhoben haben
soll. 1 Uns bietet dies den Anlass, schliesslich noch einen
flüchtigen Blick auf Laski’s Verwandtschaft zu werfen, der zu
gleich zur Commentirung der dieselbe berührenden Stellen des
Testamentes dienen mag.
Johannes Laski, der Aeltere, wie man ihn zum Unter
schiede von dem gleichnamigen berühmteren Reformator, seinem
Neffen, zu nennen pflegt, hatte drei Brüder: Michael, Andreas
und Jaroslaus. Von diesen scheint Michael früh gestorben zu
sein. 2 Andreas, der sich häutig in Rom aufhielt, 3 starb um
1510 1 als Gustos von Gnesen. 5 Jaroslaus, als der im welt
lichen Stande verbliebene, dürfte der älteste der Brüder gewesen
sein. Im Jahre 1496 war derselbe Tribun von Sieradz, 0 1504
und 1510 bezeichnet ihn Johann Laski als Palatin von Leczyc, 7
1511 als Palatin von Sieradz, welche Würde er fortan bis zu
seinem Tode bekleidete. 8 1523 war er bereits gestorben. 0
Laski bemerkt in seinem Testamente, dass er diesen seinen
Bruder in jeder Weise gefördert, ihm einige Güter gekauft,
seine Söhne und drei Töchter erzogen, letztere auch ausgestattet
und standesmässig verheiratet habe. 10
Von den Söhnen dieses Jaroslaus werden im Testamente
des Erzbischofs zwei genannt: Hieronymus und Johannes Laski.
Sie waren wohl beide Söhne der Frau des Jaroslaus, Lanclto-
ronska, die ihm Lanckoron zur Mitgift brachte.
Hieronymus 11 wurde für den weltlichen Stand ausgebildet.
1517 machte ihn Laski bereits mit seinem Vater zum Testa-
1 Czacki 1. c. I, 31 nach Albertrandy’s Sammlungen.
2 Im Testament wird er nur zweimal erwähnt :4 a. 9 b. Seit 1503 ver
schwindet er.
3 Testam. 6 a. Vgl. 9 b. 3 b. 7 a.
4 Letowski Katalog III, 269 gibt 1512 als Todesjahr an.
5 Testam. 16 a. Acta Tomie. I, 69.
0 Voll. legg. I, 281. Vgl. Muczkowski et Rzyszczewski, C. d. P. I, 360.
7 Testam. 11 b. 18 b.
s Ebenda 19 b. Vgl. Dogiel I, 120 (1512).
n Ebenda 38 a.
111 Testam. 26 b. Vgl. 16 a und 38 a.
11 Vgl. L. Hubert, Iiieronim z Easka Laski, wojewoda Sieradzki. (Bibi.
Warszawska 1861. III, 93 ff.) mit mehreren neuen urkundlichen Belegen.
606
Zeissberg.
mentsprocurator. 1 ,Meinem Neffen Jeroniinus', heisst es da, 2
,habe ich für die Fahrt nach der Ritterschaft 1000 fl. gegeben;
ich habe ihn davon verständigt, damit er nicht mehr von mir
erwarte, sondern so weit wandere, als es auslangtfl ,Da‘, heisst
es hingegen an einer späteren Stelle, 3 ,in diesem Jahre (1518)
oder vielmehr zu Ende desselben mein Neffe Jeronimus mir
anzeigen liess, dass er von seiner ritterlichen Wanderschaft
gesund zurückgekehrt sei und mich bat ihm ein Reisegeld zu
senden, um mit demselben sich auf der Rückkehr von Venedig
zu erhalten, wesshalb er nach Rom um Geld in die Bank ge
schickt hat, so will ich, obgleich ich nicht ermessen kann,
wie viel er zur Rückreise nöthig hat, dennoch die von ihm
bezeichnete Summe aus Liebe bezahlen, da ich ihn von Kind
heit an erzogen und zu Hause und draussen erhalten habe;
denn es wäre unbillig, ihn jetzt im letzten Augenblicke seiner
Wanderschaft im Stiche zu lassend 1520 wurde Hieronymus
(auch Hieroslaus genannt) königlicher Vorschneider (ineisor,
krajczy) 1 und als solcher an Franz von Frankreich und an
Karl V. abgesandt, an diesen, um ihn zu seiner Wahl zu be
glückwünschen. 5 Er war damals bereits vermalt und quittirte
die Vormünder seiner Frau Anna von Kurozwaki und Rituani
Koscielecka, den Primas Laski und Nikolaus Czykowski. f>
1522 wurde Hieronymus Capitän von Inowloclawek, am 10. De-
cember 1523, wie sein Vater, Wojewode von Sieradz. In dieser
Würde blieb er bis an seinen Tod. Bekanntlich nahm er
später am Hofe Johann Zapolya’s eine wichtige Stelle ein. Als
einen der gewandtesten Diplomaten seiner Zeit finden wir ihn
bald zu Ofen, bald zu Wien, bald in Siebenbürgen, bald an
1 Testam. '28 a.
2 Testam. 29 a. Aus der Hinterlassenschaft wird demselben unter anderem
ein vergoldetes Schwert von Silber zugedacht. Ebenda 31 a.
3 35 a.
4 Acta Tomic. V, 215. Damals war das Gerücht in Umlauf, der Erz
bischof habe den König gebeten, seinen Neffen zum Capitän von Camie-
niec zu machen.
5 Testam. 39 b.
6 Hubert 1. c. p. 94 nach der Metr. Koron. — Anna erwähnt im Testam.
37 a. Ygl. Hirschberg, O zyciu i pismach J. L. Decyusza str. 51.
Johannes Laski, Erzbischof von Gnesen.
607
der Pforte, aucli zu Venedig, Paris, London, für seinen neuen
Herrn thätig.
Nicht minder berühmt ist sein Bruder Johann Laski,
zum Unterschiede von dem Erzbischöfe der Jüngere genannt. 1
Frühzeitig dem geistlichen Stande gewidmet, setzte er, wahr
scheinlich bereits als Gnesener Decan, auf Kosten des Oheims
seine Studien (um 1517) zu Bologna fort, 2 wo unter den
Studenten Luther’s Auftreten nicht geringe Aufregung ver-
anlasste 3 und auch er die erste Anregung zu seiner späteren
Geistesrichtung empfangen haben mag. Auf des Erzbischofs
Betrieb verlieh ihm der Papst noch in demselben Jahre
(30. November 1517) die Custodie zu Leczyc und Canonicate
zu Krakau und Plock. 4 Ueberdies empfiehlt ihn, ,da er ge
lehrig sei', der Primas seinem Nachfolger. 5 Schon 1518 indess
trat eine kleine Spannung ein. ,Mein Neffe', schreibt Laski, 1 ’
,Johann, der Decan zu Gnesen, hat sich, ich weiss nicht in
Folge welcher Verirrung, Ueberredung oder Veranlassung, von
der Bologneser Schule entfernt, ich weiss nicht wohin; doch
fürchte ich, dass mir dieser Fall einige Auslagen verursachen
wird.' Wir finden später den jüngeren Laski in Rom, wohin
er sich vermuthlich von Bologna begab. Er wurde zu Rom
excommunicirt, doch nicht etwa aus religiösen Gründen, son
dern wegen Geldverlegenheiten, in die ihn sein Vetter Martin
Rambiewsky, Posener Decan, stürzte, undaus denen ihn der Oheim
zog. 7 Er kehrte jetzt nach Polen heim, doch um sich schon
1523 zu einer neuen ,Studienreise nach Italien' zu rüsten. 8 Er
reiste jedoch zuvor über Zürich, wo er mit Zwingli zusammen
traf, nach Frankreich und suchte sodann Erasmus von Rotter-
1 Vgl. P. Bartels, Johannes a Lasko, in K. R. Hagenbach, Leben und
ansgewählte Schriften der Väter und Begründer der reformirten Kirche.
Elberfeld 1861. (Für unseren Zeitabschnitt ungenügend.)
2 Testam. 27 b. 28 a.
3 Vgl. A. Wolf, Lucas Geizkofler S. 10.
4 Vgl. Testam. 29 a. mit meiner Anm. dazu. Das Krakauer Canonicat
war indess vorläufig bloss eine Coadjutorie. Vgl. 30 a.
5 Testam. 30 a. 0 Ebenda 35 a.
7 Testam. 39 b. Die Sache hing wohl mit den Ereignissen in Rom zusam
men, die Laski in Act. Tomic. VI, 59 bespricht.
8 Testam. 37 a.
Sitzungsber. d. pliü.-hist. CI. LXXV1I. Bd. III. Hft.
39
608
Z e i s s 1) e r g.
dam in Basel auf, der ihn im hohen Grade liebgewann. 1 Von
da ging er nach Padua. 1526 trat der jüngere Laski die
Heimfahrt an; zur Zeit, da sein Oheim starb, war er bereits
Probst zu Gnesen und L§czyc. So lange dieser lebte, hielt
Laski der Jüngere wenigstens äusserlich an der römischen
Kirche fest, wesshalb wir es uns erlassen dürfen, auf seine
späteren ebenso wechselvollen als merkwürdigen Lebensgeschicke
einzugehen. Er selbst schrieb später, als er sein Vaterland
auf lange Jahre hinaus verlassen musste: ,Ich war ein rechter
Pharisäer, mit Titeln und Pfründen von meinen Knabenjahren
her reichlich ausstaffirt; durch Gottes Gnade habe ich das
alles verlassen, verlassen mein Vaterland und meine Freunde,
unter denen ich nicht leben konnte als ein Knecht Christi;
nun will ich in der Fremde meines armen für mich gekreuzig
ten Herren Christi armer Knecht sein'.
Ein dritter Bruder, Stanislaus, der gleich Hieronymus
diplomatische Sendungen übernahm, wird in unserem Tesat-
mente nicht erwähnt. 2
Wie oben bemerkt wurde, war die Gemahn des Hiero
nymus Laski Anna Koscielecka, aus dem Hause Rituani, Sie
ist die in unserem Testamente mehrfach erwähnte: ,Rittfienska
uirgo', Tochter des Adam Ritwiensky oder Kurozwansky. 3
Wir besitzen noch einen Brief Tomicki’s, worin dieser Lukas
von Görka, Castellan von Posen und Generalstarosten von
Gross-Polen, vor der Verbindung seines Sohnes mit einem
jungen Mädchen, mit dem derselbe zugleich eine reiche Erb
schaft zu Rituani antreten würde, und vor der Vermälung
einer seiner Töchter mit einem jungen Laski warnt. 1 Da, wie
es heisst, bei beiden Angelegenheiten der Erzbischof, ,der nie
ruht, vielmehr stets Himmel und Erde in Bewegung setzt', die
1 Die Zuschrift des Erasmus an L. (1527), von der Bartels 9 spricht,
dürfte wohl an den jüngeren gelichtet sein.
2 Vgl. Acta Tomic. VIII. 310.
3 Eines Neffen des Bischofs Krzeslaw von Wloclawek. Vgl. das Register.
Die Identität erhellt aus dem Testam. 21 a., wo L. und Czykowski als
Vormünder bezeichnet sind: vgl. oben. Auch ist die ,uirgo R.‘ 1518
(Testam. 34 b.) noch nicht verheiratet, später wird dagegen nur mehr Anna
erwähnt.
4 Acta Tomic. IV, 39. nr. XLIII.
Johannes Laski, Erzbischof von Gnesen.
609
Hände im Spiele hatte, so dürfte auch das hier erwähnte Mäd
chen niemand anderer sein, als Anna Koscielecka. Man ersieht
in diesem Falle, dass Laski ursprünglich als Bräutigam der
selben nicht seinen Neffen im Auge hatte, wie er ja noch 1517
ausruft: ,Weiss Gott, an wen sie ihre Vormünder vermälen
werden'. 1 Der junge Laski 2 aber, von dem Tomicki spricht,
dürfte Hieronymus sein.
Wie wir aus jenem Briefe ersehen, trat sonach der junge
Laski durch seine Heirat ein reiches Erbe an. Allein miss
gönnten die Gegner Laski die Verbindung seines Neffen mit
einem angesehenen einflussreichen Hause, wie jenem des Ca-
stellans von Posen, so ist es nicht auffallend, dass sie auch
diejenige des jüngeren Laski mit der reichen Erbin von Rituani
mit scheelem Blicke betrachteten. 3 Wirklich sah sich Hiero
nymus bald in einen Process über das Heiratsgut seiner Gattin
verstrickt. Ohne Zweifel bezieht sich auf diese Angelegenheit
ein Brief Tomicki’s (1522), worin erzählt wird, dass in Laski’s
Aufträge dessen Neffe Rambiewski nach Wilno gekommen sei,
um den König zur Rückkehr in’s Reich und Einberufung der
Particularconvente aufzufordern. ,Ich meine aber', heisst es
weiter, ,dass er vielmehr über die Feindschaft der Familie
Pilcza betroffen ist, obgleich ich von meinem Bruder, dem
Castellan von Beiz, als er hier war, erfuhr, dass sie, obgleich
1 Testam. 29 b. vgl. 34 b: ,circa desponsacionem virginis Rytwenslsa, iu
quantum dei g'racia istud me uiuente erit.‘ Mit dem von Tomicki ver
eitelten Heiratsprojecte hängt es vielleicht zusammen, dass L. sich in
jenem Jahre (151(5) längere Zeit auf den Gütern zu Rituani aufhielt, um
Grenzstreitigkeiten beizulegen, und dass er das dortige Schloss aus
bessern liess, welches jedoch, während er sich daselbst aufhielt, ab
brannte. Testam. 26 a.
2 ,filius domini Laski.“
3 Die Hs. 44 fol. der Univ. Bibi, zu Krakau enthält u. a. ein Gedicht unter
dem Titel: ,Responsio pro Cimba ad Corbitam (Anspielung auf L’s Wap
pen) per G. Phi. Hispanum, das mit den Versen schliesst:
,At tua magna ratis roseis onusta relictis
Et quas technarum lerna parauit opes
Cum uelo et remis careat sitque auchora nulla
Die mihi quo recto nauigat illa modo?“
und dazu die Randnote derselben Hand: ,Intelligit bona Ritfiani vnacum
vxore de domo Kosarum illata in domum Lasko. 1 laec vxor nupsit Hiero-
nimo Xjasko.“
39*
610
Z e i s s b erg.
hoch erzürnt, sich vor Uebereilung gegen ihn hüten wolle. Es
wäre freilich nicht so übel gewesen, wenn der Erzbischof und
sein Neffe so grosse Güter in dem Krakauischen und Sandomir-
schen erlangt hätten; doch bei solcher Feindschaft werden sie
die Güter nicht ohne Anfechtung gemessen, wie er selbst
sehen wird.' 1
Jaroslaus Laski hatte auch drei Töchter. 2 Um nun
Hieronymus im Krakauischen die Unterstützung der daselbst
mächtigen Familie T§czyn zu verschaffen, vermalte Laski die
eine derselben, Katharina, an Johann Teczynski. 3 Die Namen
der beiden anderen Schwestern werden nicht genannt. Sie
waren 1523 bereits vermalt. ' 1
Unser Erzbischof hatte mehrere Schwestern. Zawisz von
Malyn bezeichnete er als Schwager. 5 Die bei Laski’s Tode
noch lebende Schwester Anna Malinska war wohl dessen Frau. 6
Ein anderer Schwager, Namens Raphael, — leider ohne Beinamen
— war 1502 bereits gestorben; zwei Söhne desselben studirten
damals auf Laski’s Kosten in Krakau. 7
Weniger klar sind andere verwandtschaftliche Beziehun
gen. Am Feste der Erscheinung 1511 eröffn ete der König
einen Generalconvent zu Piotrkow. ,Dahin kam Anna Radzi-
willowa, die Herzogin von Mazowien, Witwe Herzogs Semouit,
mit ihren Söhnen Stanislaus und Janussius, und kaufte mit
Einwilligung des Königs und des Senates das Land Wizna 8
an Mazowiens Grenze um 12.000 fl. von den Erben Jakob
Glinka’s. Das Geld wurde in die Hände Johann Laski’s, des
Erzbischofs von Gnesen deponirt, der Oheim und Vormund
der Erben dieses Glinka war'. 9 Wir besitzen noch die
1 Acta Tomic. VI, 90 nr. LXIX.
2 Testam. 26 b. 17 a. 20 a.
3 Testam. 37 b. 38 a. Vgl. 33 b. 34 b.
4 Testam. 38 a. Ist vielleicht eine davon die 20 b erwähnte an Gregor Saf-
nowsky vermalte ,neptis‘?
5 In welchem Sinne er ,gener‘ zu gebrauchen scheint. S. c]as Register
s. v. Malyn.
6 Testam. 45 b. 48 a. Vermuthlich identisch mit ,Anna soror (33 b).
7 Testam. 9 b.
8 ,Prouinciam Visnensem, quae supra Nareuiam amnem iacet.‘ Wapowius
1. c. 100.
9 Acta Tomic. I. 133. Comment. Vgl. II, 139; IV, 161.
Johannes Laski, Erzbischof von Gnesen.
611
Urkunde Johann Albrecht’s (8. März 1499), in welcher Jakob
Glinka, damals Starosten von Gostynin, und seinen Erben die
Städte Wizna, W^socz und Radzilow für 3000 fl. ungr. 1 und
jene Alexanders (17. Juli 1502), in welcher demselben, nun
mehr Capitän von Wizna, für 1000 fl. ungr. die Stadt Mlawa
verpfändet werden. 2 1506 erscheint ein Stanislaus Glinka als
Fähnrich von Wizna. 3 Im Testamente Laski’s werden nun die
,pupilli ( oder ,uirgines Wiznenses 4 1 Anna und Katharina 5
öfters erwähnt und als Töchter seiner Nichte Anna, Palatinin
von Brzesc, 0 als ,proneptes‘ 7 bezeichnet. Ob diese Palatinin
Glinka’s Gattin oder Tochter war, vermag ich nicht anzugeben.
1517 waren jene Mädchen noch nicht mannbar. 8 Uaski’s Hoff
nung, das eine derselben an den Sojin des damals bereits ver
storbenen Palatin von Plock, Andreas von Radziejowice, zu
vermälen, erfüllt sich nicht. 9 Ebenso zerschlug sich das Pro-
ject, eines der Mädchen an seinen Verwandten Nikolaus Rus-
socki (oder von Russoczyce), 10 später Castellan von Biechow,
zu vermälen. 11 Denn 1523 sehen wir die ältere (Anna) an
Nikolaus Wolsky, Castellan von Sochaczew und Haushofmeister
der Königin Bona, verheiratet; Katharina war damals noch nicht
an den Mann gebracht. 12
Als ,Schwäger' (gener) werden auch Myszkowsky 13 und
Koscielecki bezeichnet; letzterer war des Chelmer Bischofs
Nikolaus Koscielecki Neffe. 14 Ein Schwestersohn Laski’s war
der Leczycer Decan Mathias Lobosczki, 15 dessen Bruder ohne
Zweifel der in unserem Testament erwähnte Suantoslaus
1 (E.) Kodeks dyplomatyc.zny ksiestwa Mazowieckiego. W Warszawie
1863. str. 318. nr. CCLXIX.
2 Ebenda 322. nr. CCLXXII.
3 Ebenda 334. nr. CCLXXXII. woferne die Urkunde überhaupt echt ist.
S. oben S. 528.
4 S. das Register s. v. Wiznenses.
5 Testam. 39 a. 37 a. 6 Ebenda 39 a. 7 Ebenda 25 a.
8 Ebenda 27 b. 9 Ebenda 27 b. 31 a.
10 S. das Register s. v. Russoczyce.
11 Testam. 28 b. 29 b. Für R. suchte E. die Starostei Bolesiawöw zu er
reichen. Acta Tom. VI, 125. nr. CXII.
12 Test. 39 a. 13 Ebenda 25 b. 29 a.
15 Test. 37 a. Vgl. oben S. 565.
14 Ebenda 23 a. 25 a,
612
ZeissT) erg.
Lobeczki. 1 Ein dritter Schwestersohn, Nikolaus, befand sich
1517 zu Kamieniec. 2 Auch Martin Rambiewsky, Posener Decan, 3
der 1527 als Genesener Decan und königlicher Secretär starb, 4
war ein Neffe Laski’s. Es werden endlich auch Verwandte
zu Szczawin im Wielun’schen, 5 Martin Krauiczky, ,ein armer
Edelmann und Bruder (Verwandter)', dessen Tochter Laski
ausstatten hilft, 0 und Vytowski, ,Blutsverwandter und alter
Hausfreund', 7 erwähnt. 8
Auf der Innenseite des Pergamentdeckels:
In nomine domini Amen. Sub anno natiuitatis
eiusdein domini millesimo quadringentesimo nonagesimo quinto,
indicione tredecima, pontificatus sanctissimi in Christo patris
et domini domini Ailexandri Borgia pape sexti anno sanctitatis
sue quarto die uero Jouis quindecima mensis Octobris hora
terciarum in Pabyenyce opido Gnezn. dyeceseos in curiaque
nostra capitulari Crä (sic!) ibidem sita. Ego Johannes Andree
de Lassko decanus Wladislauiensis et cancellarius Gneznensis
ecclesiarum perpendens non solurn virum debilitatem mearum
uerum etiam memor quomodo humane condicionis semper vide-
licet fragilis atque mortalis, cui potissimiun mortis dominatur
imperium adeo, vt non aliud nobis quam die noctuque insecu-
ritatem vite et horis momentisque Omnibus mortem ineuitabilem
polliceri possumus, volens itaque sub ea corporis et animi
valitudine votiua, que deo fauente clementissimo mihi est in
presenciarum, de rebus vniuersis et singulis meis mobilibus et
immobilibus tarn spiritualibus quam temporalibus neenon
super debitis, que vel debentur mihi vel debeo ego, ipse ordi-
nacionem et testimonium habere facereque certum et indu-
bitatum ne videlicet me absumpto morte tamquam ab intestato
aut occupentur (auferat deus) aut discerpantur aliter quam
1 Testam. 33 b. 45 a. 2 Testam. 33 b. 3 Vgl. oben und das Register.
4 Theiner II, 455. 5 Testam. 28 b. 6 Testam. 21 a.
7 Testam. 50 a. 8 Testam. 23a: ,In Lypsk e fl. nepoti misi.‘ Welchem?
Johannes Easki, Erzbischof von Gnesen.
613
voluntas mea esset, recensitis et reuolutis diuturna deliberatione
labore et inquisitione regestris, libellis, notis, scriniis, scriptis,
inscriptionibus, instrumentis, obligacionibus ac quibuslibet car-
tellis, inuentariis et capsellis priuatis meis mecum et aliis vbi-
cunque existentibus, in quibus ab ineunte discretionis mee
tempore vel per me vel contra me noueram vnquam scriptum
notatum vel repositum quicquam esse, presertim libellum testa-
menti et voluntatis mee vltime, cuius scripta [unlesbare Stelle]
principali sexternorum parte in hoc 1 cuttis pergamene
libellum presentem implicente (sic) collegi et colligam in sex-
ternulis papireis tot quot necesse michi erat et erit, huic ipsi
cooperture adiectis et adiciendis, quorum sexternorum seu quin-
ternorum certi certas numero tarnen inpares continebunt cartas.
In quo libello nullius alterius nisi (?) meipsum habentur et
continentur litere [. . . . | 1 et regestra manu mea propria suc-
cessiue, tociens, quociens expediens erit et in futurum expediet,
scripta et scribenda, immuttataque et immuttanda. Quem qui-
dem libellum omnibus, quibus possum melioribus do
vra (?) stilo (?) causa et ordine et facie testa-
mentum meum verum, certissimum, indubitatum et vltimam
voluntatem meam in omnibus et per omnia sic tenendum,
habendum, seruandumque vt presens libellus manu mea propria
scriptus ostendit, vt denique racio necessitati commodanda
colligibilis erit ex notis et singulis manu mea propria in eo
ipso libello testamentoque . . , 2 scriptis et quia pro varietate
temporum diuersas vniuersi patimur muttaciones tarn in animo
quam in corpore quam in rebus ipsis momentaneis, super
quibus aliquando sic, aliquando aliter ..... muttarique necesse
est, qua propter dum inter deliberandum essem, an prius ac
qualiter executorum deputacio vel an libelli testamentique eius-
dem conscriptio per me debuerant (sic) scribi, sciens varium
et muttabile tempus esse, quod fortunas optimas aliquando
meliores aliquando nullas confert viuentibus nobis, sic ergo
faciundnm decreui mecum ipse, quod annis singulis scribam,
quibus deo dignante uiuam, quos executores et testamenti mei
heredes esse uelim et ellegei'im qualeque de rebus mihi a deo
1 Verwischt.
2 Ueber der ersten Silbe ein Tintenfleck.
614
Zoissberg.
l.Heft omnipotente gratiose largitis atque | collatis faciundum dispo-
la " suerim et in futurum dispositurus sum. Velim autem, vt
nullam (!) dubium, errorem, coufusionem aut ambiguitatem
gelieret cuipiam in futurum id, si quid incorrecte et incongrue
scriptum aut pollutum, muttatuni, cancellatum, additum aut
ademptum videbitur esse, cum quicquid in eo ipso libello testa-
ment(oque incorrecte) scriptum pollutum et cancellatum erit
nullius alterius quam mea manu propria ac de certa sciencia
et deliberacione mea factum est et fiet, sic enim cum obser-
uaturus sum, vt equum est, quod nemo vita mihi committe in
eodem libello aut manus aut oculos me inconsulto ponere
quibit. Ne vero hec ipsa deliberacio libellus testamentum et
voluntas mea quod quem quam a presenti actu scripsi et
in futurum in sexternis et cartellis diuersis in eodem libello
quomodolibet contentis infrascripturus sum diuersimode dignis
careat in futurum legittimitate, legalitate et testimoniis, vocatis
ac rogatis notariis publicis, qui tanquam connotarii presenti
actui manibus suis se subscripserunt, et successive subscripturi
sunt in vim protocollorum ipsorum, sic que cuilibet eorum me
de medio sublato licitum erit de presenti libello tamquam
cuiuslibet eorum speciali protocollo manu mea propria scripto
extrahere testamenti mei instrumenta, tot, quot erunt necessaria,
atque testibus videlicet pro prima diei liodierne vice dominis
Andrea de Lassko canonico Gneznensi, Joanne Jeronimi medico
et Joanne de Schadek magistro, Alberto de Gorzkouicze et
Zauissio de Malyn genero meo, item pro secunda uice vocatis
et presentibus secundis testibus videlicet Adamo de liubieszaw
vicario perpetuo Cracouiensi actu presbytero notario publico,
Nico.lao Migdal infrascripto, Stephano Auriga de Rubieszow et
Stanislao Malicz, Casper de Poznania Nicolai apotecarii fili o
et Francisco Dambiowskij gnauo meo strimost, similiter per
me rogatis, quos prima secunda et tercia vicibus secundum
vices subscriptorum notariorum presentibus anotaui, inserui et
inscripsi, solenniter protestatus sum ac protestor ac fassus sum
et fateor coram iisdem ac presentibus litteris manu propria
mea scriptis, omnia et singula premissa et in sexternis sequen-
tibus infrascripta in futurumque per me infrascribenda de mente
corde et deliberacione meis procesisse et procedent, que semper
etiam in futurum rata firma inuiolabilia et irreuocabilia in
Johannes Easlci, Erzbischof von Gnesen.
615
quantacunque condicione, statu aut dignitate constitutus habiturus
aum, clemenciam diuine Maiestatis implorando et uirtutes celo-
rum inuocando, quod quicunque presenti ordinacioni testamento
et voluntati mee vltime eciam in futurum in libello presenti
describende ausis priuatis contrauerierit re aut facto indigna-
cionom dei in futuro et in presenti rerum fortunarumque sua-
rum damnacionem ei inferent et ministrabunt procul dubio.
Scripsi manu propria ego Johannes qui supra anno iudictione
pontificatu die mense hora et loco quibus supra.
Et ego Albertus olim Jacobi de maiori Gorzkowyce cleri-
cus Gneznensis diocesis publicus sacra Imperiali auctoritate
notarius vocatus et rogatus suprascripto actui testamento prote-
stacioni et ordinacioni per suprascriptum dominum Johannen)
Andree de Lassko manu propria eins scriptis et oretenus re-
cognitis interfui meam notam sumpsi et presentibus in vim
protliocolli mei me subscripsi et subscribo anno die et loco
quibus supra presentibus primis testibus manu propria domini
ordinante scripta. 1
Mygdal. 2
Et ego Nicolaus Jacobi de Domanykow clericus Gn. d.
p. apostolica a. n. v. et r. s. a. t. p. et o. p. s. d. J. A. de
L. m. p. e. s. et o. r. i. m. n. s. et p. i. r. p. m. m. s. et s.
anno domini millesimo quadringentesimo nonagesimo septimo
pontificatus sanctissimi in Christo patris et domini nostri domini
Allexandri diuina prouidencia pape Sexti anno ipsius sexto
hora vesperarum in summo Pozuaniensi in domo ipsius domini
constitutus canonicali ex opposito hostii ecclesie cathedralis
versus meridiem sito presentibus secundis testibus manu propria
ipsius domini ordinante scripta. 1
f Anno 3 quo supra in Wolborzs die mense | Octobris
decima septima continuando meam testamenti voluntatem
eligo et deputo mei testamenti tutorem Reuerendum domi
num Creslaum episcopum Wladislawiensem, dominum et
benefactorem, vnicum, executores vero et heredes fratres ger-
manos dominos Jaroslaum et Aiidream quibus adiungo propter
Heftl.
Bl. 1 b.
Bl. 2 a.
1 Eigenhändig, jedoch erst 1497 eingetragen.
2 Von anderer Hand über das Folgende gesetzt.
3 Am unteren Rande beginnt wieder Easki’s Hand; anno sc. 1495.
616
Zeissberg.
seruicia et curam testamenti eiusque execucionem diligencius
faciendam et facienda fiendaque dominum Martinum de Swan-
czicze vicarium perpetimm ecclesie Gneznensis fratrcm dome-
sticum nostrum, quibus do facultatem plenissimam de rebus
mobilibus et immobilibus meis disponendi, in primis tarnen
debita soluendä et mea exigendi prouentus et definita vbique
mea percipiendi quittandique et sepulture locum ibi eligendi,
vbi proprius me mori contingat in regno Polonie videlicet vel
parocliiali ecclesia Lassko inter funera maiorum vel in cathe-
dralibus ecclesiis in quibus beneliciatus sum aut fuero et quia
1494. anno preterito ecclesiam Wladislaviensem Reuerendissimo domino
meo tutori suprascripto expediendo, Rome agens, debita con-
traxi septingentorum florenorum (nam CG duntaxat florenos
milii dederat pro expeusis, equos uero meos equites tres quar-
tum dextralem pape per dominum missum et quintum summa-
rium pannos et vestimenta domini portantem mecum babui et
Rome sollicitando reseruaciones et incorporaciones ad ecclesiam
in Sanyecz eos mecum necessario foui et tenui in maxima
caristia, quae tune erat propter duplicem exercitum vrbi se
inferentem videlicet et pape et Gallorum stantem Rome XVI
septimanis; 1 sic ergo mirum non erit, me indebitasse, sed do
minum meum me in solucione reliquisse), primum volo et
obsecro debitorum l'acio habeatur, tandem secundum sufficien-
ciam iusta funeri ministrentur, eciam si nudum deberet funus
solo reddi. Quum vero credo me dominis meis executoribus
aliquantula beneficia prestitisse et domino meo tutori fideliter
et constanter seruiuisse, itaque confidam, vt quiequid negli-
geretur ministrari in piis operibus de meis propriis propter
earum defectum saltem ipsi mei memores tarnen aliquid facere
dignabuntur, quantum poterint, pro anima mea et in remedium
eius et sine sufficiencia erit 7 sine non, hoc vnum singulariter
queso fieri et circa sepulturam fiat distribucio aliqua pecunia-
rum in sinus pauperum. Deinde tricesima vna vel quot fieri
possunt ordinentur, non precio sed precibus et elemosine medio,
tem oro et obsecro vt circa sepeliendum funus misse legantur,
vna de sancta trinitate, altera de sancto spiritu, tercia de
sancta cruce, quarta de beata virgine, quinta de sancto Michaele,
1 S. Einleit. S. 5.
Johannes Laski, Erzbischof von Gnesen.
617
Sexta de sancto Johanne Baptista, septima de apostolis Petro
et Paulo, octava de sancto Andrea 9. (sic) de sancto Adal-
berto, X. de sancto Stanislao, XL de sancto Laurencio, duo-
decima de sancta Katharina, 1 vt quomodocunque clemencia
saluatoris dei nostri iudicium mecum moderari dignabitur illis
laus, illis honor debetur, cultus quoque diuinus soluatur illis,
tarnen simboli nostri creditis articulis quibus et rectificata
tides est et lide saluacio promissa, sic orando: Credo in deum
patrem etc. moriar Christianus et presbyter vtinam dignus
sancte Romane ecclesie. Hec vero descripte misse legantur siue
in una siue in diüersis ecclesiis, vt fieri poterit. Fides enim
mihi est optima vt hic presbyteris obseruantibus illi in celo
patroni nostri non deerunt patrocinari ariime exalate, que
palpitans in corpore illorum patronorum patrociniis exultabatur.
Debita autem sunt hec Rome per me contracta: domino Johanni
Turzo Consuli Cracouiensi, qui pro me bancum soluit, vnde
commodaveram tantam sunnnam tenebar, Horen, noningentos,
iam tarnen deo me adiuuante partem eorum exolui sibi vide-
licet domino Turzoni, tantummodo ergo trecentos florenos debeo,
quorum terminus est solucioni concessus pro festo sancti Michaelis
anni 1496. Habet quidem recognicionem meam et domini
Andree fratris mei super septingentos florenos, sed quia com-
prestitis alibi exolui et per manus domini Johannis Floriani
de Luthomirsko canonici et ofticialis Vnyeouiensis quadringen-
tos florenos quorum prima rata erat pro festo sancti Michaelis 1495.
proxime preterito, sic ergo domino Thurzo predicto trecentos
duntaxat debeo predictos. 2
Item 15 debeo domine Katharine de Sprowa tenutarie in
Rogozno pallatine Brestensi centum florenos in auro centum
florenos in gr. alias quinquaginta sexagenas de quibus apo-
dixam habet meam et fratris domini Andree quos eins Magni-
ficencie soluere debeo pro festo sancti Adalberti in Mayo vel
quando potero et ipsa volet. Et facit summam marcarum
LXIHVu.
Item 3 debeo Reuerendissimo domino rneo tutori C florenos
in auro, quos accepi in mutuum debita expense Romane soluendo.
1 Vgl. 8 a.
2 Spätei - eigenhändig beigefügt: Solutum.
3 Das Folgende durcligestrichen.
618
Zeissberg.
Item 1 debeo Sigismundo Rodlicza illos sexaginta vel
forsan Septuaginta florenos quos dominus Jaroslaus frater meus
ei inscripsit in Lassko.
Item 1 debeo domino Petro capellano domini mei et cano-
nico Cruszwicziensi vel XX flor. vel paulo minus, vt ipse dicet.
Item 1 Vincencio Poznanie (?) de Michow cursori domini
Poznaniensis episcopi fl. XXX in solidum teneor cum domino
Andrea germano meo.
Item 1 debeo domino Johanni preposito oapelle in castello
Leopoliensi XXX fl. [solui per manus domini Parzimowskj
canonici Leopoliensis.| 2
Item 1 Mathie coco debeo XXII fl. canonici Leopoliensis.
Item 1 debeo Slonko ciui Proszouiensi LX fl. XXX per
'/ 2 (sic) scotos et XXX per */ 2 scotos soluam pro festo sancti
Martini anni presentis scilicet 149 quinti.
Item 1 domino Martino Krethkowsky X fl.
Item dictorum debitorum recogniciones meas et fratris
domini Andree babent. creditores pariter domini tutoris; sed
sunt solute.
Bl. 2 b. Clonowsky.
Item teneor de testamento olim Jacobi Clonowsky XX mar-
cas de quitancia stacionis in Suleyow perceptas de quibus infra.
Item ad racionem dictarum XX marcarum testamenti
exposui vnum florenum ad contirmacionem testamenti datum.
Item exposui ad racionem eiusdem testamenti 1 florenum
procuratori datum in causa pro reliqua statione mota domino
Pelici de Olesclmycza, quam causam adire indiffinitam fouit
Martinus de Wisliczia Cracouie.
Item vnam marcam dedi in Lublyn pro adamasco, quod
est miasta Cracouie cuius adamasci fuerunt forsan III vlne.
Cretkowsky.
Wladislawie 1 feria 3. pasche 1495.
Item 1 debeo et teneor domino Nicolao Krethkowsky
LXX fl. in auro, alias Castellano Brestensi eosdem scilicet
LXX florenos debeo et apodixam dedi promittendo sic quia
’ Das Folgende durchgestrichen.
2 Später eigenhändig beigefiigt.
Johannes iLaski, Erzbischof von Gnesen.
619
pro terraiuo competenti soluturas sum, existens per suam (?)
d(ominacionem) requisitus.
Item 1 Rome dominus Andreas frater meus ad racionem
sue et mee solucionis recepturus est in banco domini Turzo
ad minus LX florenos anno 1496. Istud debitum apud castel-
lanum Brestensem contraxi debita soluendo expense Romane.
Item impendi Cracouie 1496 in feste pentecosten citando
Felicem in facto dicti (?) testamenti impendi super cubicula-
rium citantem XY gr.
J497.
Item dominus Martinas Krethkowsky canonicus Wladis-
lauiensis tenetur mihi X fior. in auro soluere.
Item 1 dominus Johannes Turzo scholastious Gneznensis
rnutui debiti tenetur mihi nonaginta duos florenos aureos Hun-
garieales.
Item 1 dominus Petrus Sokolnyczky tenetur mihi forsan
V fl. aureos.
Item de predictis viginti marcis domini Jaeobi Clo-
nowsky credo me satisfecisse defuncto iuxta eius voluntatem
ad ecclesiam in G-orzno impendendo que ecclesia in Grorzno
situatur in dyocesi Cracouiensi prope Radom. Tarnen si domini
mei executores facere poterint rogo vt tanquam ex superabun-
danti detur ad illam ecclesiam aut tan tum aut medium illius
summe aut qua(n)tum poterit ad racionem XX marcarum.
Item domino Johanni Crowiczky deeano Leopoliensi
primum super c flor. quibus villam Wyessiola redemi tandem
super minora debita recogniciones dedi, non exolui autem ex
eo quod ipse me quitauit et licet recogniciones non restituit,
scripsit tarnen mihi literas manu propria, me quitando de Om
nibus debitis, que illi debeo; littere uero ille reperientur vel
apud dominum Jaroslaum fratrem meum, cui studiose propter
cautelam seruandas vel dedi vel dedisse volui 7 aut reperientur
in cisticulis meis presertim in Zagoscz. Sunt 2 vero presentibus
apposite iste littere de quibus supra manu propria domini
1 Das Folgende durcbgestrielien.
2 Dieser Satz in blässerer Tinte als das Vorhergehende und Nächstfolgende
ist auf dem leer gelassenen Zwischenraum, wie es scheint, erst später
eingetragen worden. Die Quittung fehlt.
620
Zeisßberg.
decani Crowiczky scripte in quibus continetur quitancia debi-
torum omnium que ego cum fratre domino Jaroslao illi debui-
mus et eramus soluturi (?) prout soluissemus nisi ipse quitasset
me vt disponunt litere sue hic legate. —• [Solutum est.]
Item Johanni Crowicza
presenti presentaui ad ecclesiam mei iuris patronatus in Mar-
szenyn et qui est frater forsan patruelis dicti domini Johannis
decani Leopoliensis dedi successiue forsan XX flor.; primum
enim dedi sibi vnum flor. cuius suprascripta est recognicio
manu propria illius scripta, item dum promouebat se ad sacros
Bl.3a. ordines dedi aliquot florenos, item quando despon|sabat virgi-
nem germanam suam in Calisch cuidam doleatori dedi ei
X marcas quarum et forsan tocius summe habetur recognicio
scripta in actis domini custodis et offlcialis Calissiensis, ad que
recurratur. Istud autem dedi et solui amore patris mei defuncti
non ex debito; nam pater debuit nescio quantum debiti eidem
Johanni presbytero super quo secum racio facienda esset ali-
quando. Super quibus reperi et alteram apodixam quitancie
manu propria eiusdem Johannis presbyteri scriptam, quam eciam
liic allegaui vt precedentem. 1
J 482. 2
Item domino Paulo Chodakowsky tune viceplebano domini
mei in Gambyn et factori decanatus Gneznensis debeo X mar
cas pro rnea et domini Jaroslai necessitate cum iuueramus
Lytuaniam commodatas. Item 1487 Piotrkouye infra octauas
epiphanie ab eodem d. Paulo XX flor. in mutuum recepi pro
mea et domini Jaroslai necessitate super que debita habet
recognicionem meam et fratris eiusdem sub vno contcxtu ver-
borum. Quoniam autem commisi ipsi domino Paulo villam
meam prestimonialem Byenkowo in gubernacionem ecclesie
videlicet capituli Poznaniensis de qua ad meam scilicet regentis
partem quolibet anno provenit forsan vna sexagena preter gallos
et oua etc. iccirco ab eo tempore quo gubernat villam ipsam
percipit omnia ex cadem ad racionem defalcacionis debitorum
suorum quiequid ibi ad me pertinet, itaque debitorum eorundem
sit solucionis continuacio et videbitur ex racione si vel ille
mihi vel ego sibi debeo et forsan percepit totalem solucionem.
1 Die Quittung- fehlt.
2 Blässere Tinte als das Uebrige.
Johannes Laslri, Erzbischof von Gnesen.
621
Erat enim per me requisitus quantum illi debeam, quod non
perceperit; respondebat mihi quia iam nihil illi debeam >. —
Igitur solutum.
Suprascripta recognicio continet que alligata est- hic supra
vbi dominns Creslaus tune cancellarius G-neznensis satisfaciendo
concordie inter suam p. et dominum Vnyensky facte super
cancellaria Gneznensi soluit XX flor. per manus meas; ego
tarnen proprios dedi pro parte sua, dedi quoque libens in
recompensam pecuniarum per me quandocunque inconsulta
parte sua de peccuniis partis sue perceptarum successiue pro
necessitate mea.
Item solui capitulo ecelesie Cracouiensis capales cuiusBl. Hb.
sollucionis hic allegata est presens recognicio manv propria
domini Strzechowsky tune procuratoris scripta. 3
Item tenebar Vincencio de Myechow XXX flor. per eum
Rome fratri domino Andree commodatos, 1 solucionem tarnen
impendi in toto prout in maiori parte extat recognicio infra
ligata; 3 [solutum, solutum 5 ].
Item l! domino Petro Anglik altariste Cracouiensi tenebar
flor. XL iam tarnen fortasse nihil vel parum debeo; nam per-
cepit in decimis mee prebende Cracouiensis 7 anno 1494 solu
cionem vt constabit ex racione, quam dicet vt bonus presbyter.
Item 1494 dominus Mathias Grodziezki de Poznania doc- Bl.4a.
tor medicine XXX ducatos Rome a me mutuauit et soluere
promisit Venecijs.
Item ad racionem dictorum XXX florenorum partem exo-
luit mihi dominus doctor et forsan maiorem debet vt vide-
bitur ex racione quam positurus est vbi et quociens soluit.
Item 0 Nicolaus prior prepositus de Sancto Marco Cracöüie
tenetur mihi XXX flor. Rome mutuatos sibi per me quorum
solucio debetur impendi pro festo s. Michaelis anni 149 quinti;
iam vero impendit per manus Mathie de Blonye baccalarei
solucionem in maiori parte et forsan iam totale soluit.
Item dominus Paulus Biesdrowsky custos Wladislauiensis
XX ducatos Rome accepit a me in mutuum quos soluturus
1 Vgl. S. 4 b. 2 Nicht mehr vorhanden. 3 Die Quittung fehlt.
4 Vgl. oben S. 2 a. 5 Später eigenhändig beigefiigt.
6 Das Folgende durchgestrichen. 7 Vgl. S. 4 a.
622
Zeissberg.
est pro eodem festo sancti Michaelis anni 14-9 quinti [et fratri
domino Andree tenetur florenos X]— Soluta vtrinque.
1495.
Item 2 Majestas r(egia) tenetur mihi pro bulla praelatura-
rum ad minus L flor. de quibus quitanciam liabeo et eam
eommisi de mandato regio Maiestatis domino Glowaczky zupario.
Item 2 Reuerendissimus dominus archiepiscppus Roza tene
tur mihi XXVII flor. quos solui pro parte sua suplendo sum-
mam quam domine Krethkowska tenebatur ducentorum flor. et
commisit p. sua r. domino Bussynsky peractori suo solucionem
mihi impendere de prepositura Lanciciensi.
Item 2 idem dominus archiepiscopus Leopoliensis tenetur
mihi pro decima in Possandza L fl. in auro; sic enim kmetho
suus emerat et se iiiscripserat ad faciendam pro carnispriuio
solucionem; tarnen sua p. r. mihi iniuriando nollet tantum
soluere sed cum quo proinde iure experiundum esset et faciliter.
kmethonis est obligacio in actis Cracouiensibus.
Item 2 dominus custos Cracouiensis alias Skabka tenetur
mihi pro decima in Tanye XIIII marc. quas repositurus esset
apud dominum Petrum Anglik. 3
Item 2 decimam in Boriwycze Adam meus vendidit pro
XVI marcis et debentur mihi.
1495. In cancellaria Gneznensi quam gubernat meo
nomine in temporalibus gener dominus Zawissius eodem anno
computato censu in Marzenyn theloneis decimis omnibus eciam
in Vyma et fertonibus Gneznensibus etc. collecti erant CXXI flor.
exceptis decimis in Rcbow, quas domino Michaeli 1 dedi ac in
Wronowicze et in Wyewierzyn quas dedi domino Jaroslao. —
Quittati sunt.
Item 1496 feria quinta in ista sillaba Got Florgot etc. 5
in Wolborzs facta racione cum domino Zawissio genero pro
decimis cancellarie eiusdem ac canonicatuum fraternorum vide-
licet Gneznensis et Lowiczensis anni proxime preteriti comperi
eum dedisse omnia, que perceperat. Tarnen 6 pro eodem anno
1 Späterer Zusatz. 2 Das Folgende durch strichen.
3 Vgl. S. 3 b. 4 de Lassko.
5 Nach dem Cisiojanus: Philip Crux Flor Got Johan latin.
6 Der Satz ,tarnen . . . XL fl.‘ durchgestrichen.
Johannes JLaslci, Erzbischof von Gnesen.
623
proxime preterito debebit aduc no(bis) et fratri de cancellaria
XXX fl. et de Lowiczensi XL fl. Cui pro seruiciis defalcaui
IX fl. in decimis cancellarie recipiendis vltra eandem descrip-
tam summ am.
Item 1 dominus Jacobus de Zerlissye doetor medicine
debet solucionem decime in Vyma anni eiusdem proxime pre-
teriti videlicet 1495.
Item eidem racioni non inclusi ex integro XIII marcas
de Gnezna per dominum Swancziczky missos sed duntaxat
V mrc.; residuum illarum XIII marcarum aut ipse Zauissiüs
aut Swancziczky exoluent. Nam non de cancellaria sed de
prebenda Poznaniensi percepte sunt per Swancziczky.
Item post eam raeionem nihil debeo in Wolborzs prout
debueram pro pannis, aurifabris et aliis fabris sed omnia debita
dofalcaui per dominum Zawissium soluenda eciam auenas equis
meis in Pabyenycze datas de preterito et presenti annis.
Item 1 debeo fratribus aut domino Michaeli aut domino
Jaroslao LXX marcas in >/ 2 gr.
Item dominus Clemens Bussynsky plebanus Lublinensis
mihi in mutuum dedit in '/ 2 grossis quadraginta vnam marcam
et in auro XIII flor.
Item ad raeionem eiusdem debiti mei quod debeo domino
Bussynsky dedi eidem domino Bussynsky XXVII flor. aureos
quos alias debebat mihi dominus archiepiscopus Leopoliensis
qui supra; sic ergo defalcatione facta non plus quam LI fl. et
XVIII gr. soluturus sum illi.
1496. Piotrkouye feria secunda post dominicam Pal- B1.4b.
marum comparando florenos domino Nicolao Krzyszlowsky dedi
de meis 1III marc et IIIP/n gr- ad raeionem debiti quod
debui illi.
Item dedi expediendo nunccium in Strakonycze pro in-
uestitura commendatorie Poznaniensis pro expensis nunccio
domini Kryszlowsky VIII flor. aureos in walachum per
VIII flor. emturn. — [Solutum.] 2
1 Das Folgende durchgestrichen.
2 Später eigenhändig hinzugefügt.
Sitzungsber. d. phil.-hist. CI. LXXVII. Bd. III. Hft.
40
624
Zeissberg.
Item 1496* feria cjuinta festi sancti Gotardi in Wolborzs
solui omnia debita sartori pro vestibus in hanc diem mihi
laboranti in curia domini.
Flandrie eram orator.
1497 in crastino omnium sanctorum me redeunte ex in-
ferioribus partibus Ahnanie et existente Gnezne, vbi steti in
curia archiepiscopali exceptus fraterne per dominum Paulum
Chodakowsky canonicum Gneznensem et capitulum clauis illius,
ibidem tune idem dominus Paulus facto mecum calculo racionis
super debitis meis summarie dixit se percepisse totalem solu-
cionem debitorum, que ei debui et apodixas dedi meas et
domini Jaroslai, percepit autem solucionem de censu ad me in
Byenkowo pertinente et insuper duas marcas mihi dedit quas
collegit vltra debita sibi exinde soluta et ita nihil illi debeo
et pro me et pro domino Jaroslao. 2
Wlad(islauie).
1497. 1 Wladislawie in capitulo pro festo epiphanie con-
stitutus facto computo cum procuratoribus calculo remanent
mihi in debitis vt infra.
Item 1 de corpore prebende anni preteriti VIIF/ n mrc.
Item 1 pro expensis ad sinodum Lanc(iciensem) V mrc.
Item 1 racione capitulorum presentis epiphanie et assump-
cionis preteriti II mrc.
Item 1 de corpore decanatus anni presentis XXIIII mrc.
Item 1 de corpore prebende anni presentis XVIII mrc.
Summa 1 debitorum eorundem facit LVIF/n mrc. et licet
scripserim anni presentis tarnen istud debetur pro anno pre-
terito sed anno presenti pro capitulo epiphanie solui con-
sueuit (?).
Item 1 ad racionem predictorum debitorum capituli Wla-
dislauiensis dominus Zambinsky procurator dedit mihi VII mrc.
Item 1 ad racionem eandem debitorum dicit se soluisse
pro contribucionem (!) regalem (!) racione decanatus et prebende.
Item 1 ad racionem dicte summe defalcanda est solucio
capalium et decanatus et prebende, residuum debetur mihi;
quod quidem residuum commisi exigere domino Johanni or-
ganiste de Coslow qui defalcatis proprii debiti XII11. residuum
1 Das Folgende durchgestrichen.
2 Vgl. S. 3 a.
Johannes JLaski, Erzbischof von Gnesen.
625
mihi soluet. Item pro capalibus XX mrc. solidorum com-
putantur.
Item 1 eodem anno in vigilia sancte Katherine dum re-
diissem ex inferiori Almania retulit mihi dominus Johannes
organista non plus ei datum quam V mrc. ad racionem debi-
torum suprascriptorum.
Item 1 Migdal attulit mihi a domino Zambinsky residui-
tatem debitorum eorundem.
1497.
Waganyczky plebanus in Sandzyno de altari sancte Bar
bare mihi dedit septem marcas et VI gr. in mediis gr. de de-
cimis eiusdem anni.
1497 1 feria 5 2 post pentecostes in Proszeuicze ego cum
Dobeslao Coslowsky recepi a Clemente Slonko tarnen nomine
domini Creslai episcopi in mutuum noningentos fl. in 1 / 2 gr.
C florenos per '/ 2 sexagenas. Jam tarnen debita hec sunt
compensata et soluta in vendicione Siroslawicze et Sumbo-
wicze etc. ,
149 septimo Raczansch scripsi XIX Junii debita, que B1.5a.
nouiter contraxi exoluendo debita prius contracta, que quidem
prius contracta superius scripta resignantur ad infrascripta per
commutacionem.
Item 1 primo antiqui debiti debeo reuerendissimo domino
meo episcopo domino Creslao C florenos mutuatos vt supra
in auro quando exoluebam debita Rome contracta.
Item 1 domino Jaroslao germano meo ducentos flor.
in auro.
Item 1 domino Nicolao de Krethkow Castellano Brestensi
XX flor. in auro quorum terminus pro tempore competenti
existens requisitus futurus etc.
Item 1 Vincencio de Mychow cursori flor. in auro X.
Item 1 magistro Poznanie (?) XL fl. in auro.
Item 1 domino Petro Barchardiensi XX fl.
Item 1 Mathie coco XII. in auro.
1 Das Folgende durehgestrichen.
3 Corrigirt aus: 4
40*
626
Zeissberg.
Clonowsky iudex.
Item debitum antiqui olim iudicis Clonowsky Cracouie
XX marc. sed exposui pro eius testamento forsam 1 sexagenum
citra vel vltra [et pro adamasco 1 marcam de quo supra 1 et
infra videbimus. Item Plebanbowa iain dedi pro eo
tres fl. 2
Item 3 Dobeslao Coslowsky 1 fl. solutum.
Item 3 Johanni plebano in Czyechoczyn 1 fl. in solidis.
Item 3 Clementi Slonko ciui Proschouicensi C fl. videlicet
in auro LX flor. et in '/ 2 gr. XX marcas et quinque marcas,
cui apodixam dedi eodem anno feria V. in Proschouicze post
pentecostes terminus pro tempore competenti describendo mone-
tam vt supra. 1
Item 3 Gdane domino Nedoroff ciui Gdanensi pro panno
XII fl. in solidis.
Item 3 in Wolborsz Otte notario curie pro panno forsan
sex flor.
Item 3 Johanni de Coslow organiste Wladislauiensi XII fl.’
Item 3 olim Floriano baccalario quadraginta fl. et V fl.
Item 3 domino Nicolao Czepel LX fl. per dominum An-
dream in eius vltimo ex vrbe recessu contractos.
Item 3 Nicolao Kryszlowsky fi pro equo VIII flor.
Item 3 domino Johanni Turzo ciui Cracouiensi LX ta fl.
in auro. 7
Item 3 domino Clementi Bussynsky plebano Lublinensi
teneor residui debiti LI florenos et XVIII gr. forsan in auro
tantummodo XIII fl. sed istud in apodixa mea continetur, quam
habet; verum quia apodixa continebat in y 2 gr. XLI mrc.
et in auro XIII flor. exin ergo dumtaxat ad eius racionem
debiti dedi ei XXVII flor. in auro alias quos debebat mihi
dominus archiepiscopus Leopoliensis. Itaque tantummodo [ . •
8 ] debeo eidem bono amico meo [forsan XII gr.
vel XIII S ] triginta mrc. et vnum florenum vt in littera propria
manu scripta hic imposita continetur. 9
1 S. 2 b. 2 Scheint erat nachträglich hinzugefügt zu sein.
3 Daa Folgende durchstrichen. 4 S. 4 b. 5 S. 4 b.
6 Wohl der oben 4 b. gemeinte Krzyszlowsky. 7 Vgl. 2 b.
8 Durchgestrichen bis zur Unleserlichkeit.
9 Fehlt. Vgl. 4 a.
Johannes Laski, Erzbischof von Gnesen.
627
Item anno quo supra assignaui et presentibus do et
assigno prouentus integros cancellarie Gneznensis domino Ja-
roslao fratri executorique meo ad causam debiti predicti sui
percipiendas sic quod de illis perceptis racionem redditurus
sit, vt constaret, quid defalcandum esset et quid insuper sol-
uendum hinc inde. Sic ergo dominus Jaroslaus iam est solutus
pro me.
Item 1 dominus Johannes Turzo scolastieus promisit mihi
quod vt primum conueniet personaliter cum domino Georgio
germano suo et affinibus dominis Fokkarn de Norumberga
immediate ordinäre debet, vt illi soluant domino Czepel ad
minus illos LX tiorenos, quos tenetur illi dominus Andreas
frater meus 2 , et si efficere poterit eciam efiiciet, quod totalis
summa, quam mihi debet dominus scolastieus, donetur in manus
domini Czepel Rome. Nihil tarnen egit sed debet iuxta apo-
dixam mihi debitum. 3
Item 1 domino Paulo de Wyeliczka commisi decimare et
vendere decimas mee prebende Cracouiensis anni presentis,
cui eciam debeo fl. VII pro equo wallacho gnyadj. 4
Item prebende Poznaniensis ac Wladislauiensis decanatus
et prebende pro festis propriis exigantur.
Item 1 decimam in Vymy et prouentus altaris sancte Bar
bare Wladislaviensis anni 1496 Mathias Mateyek habuit in
procuracione per me sibi commissa. Qui seit quit soluturus
est. Nain exinde eodem anno scilicet 1496 nihil mihi dedit
excepta contribucione et lectura altaris pro quibus forsan
satisfecit.
1497. Bl.
Item decimam in Vymy et decimas atque prouentus altaris
sancte Barbare Wladislauiensis commisi decimari et vendi per
plebanum in Sandczyno tanquam nomine Petri Cloteczky
altarista qui tarnen ficto nomine esse dicitur sed propter occul-
tandum titulum illum nomino; suin tarnen altarista. 5
Item plebanatum in Zagoscz commisi domino Johanni
comdatio (!) ibidem existenti qui procuraturus est illum anno
1 Das Folgende durehgestrichen.
4 Kastanienbraun, von Pferden.
2 Vgl. 2 b.
5 Vgl. i b.
3 Vgl. 2 b.
628
Zeissberg.
presenti in spiritualibus et temporalibus qui Mathie baccalareo
de Blonie soluit XX marcas.
Item de plebanatu Blaszky seu Chlewo circa Stawischyn
percepi XVIII fl. titulo non liabito sed per contractum comut-
tacionis; itaque rogo dominos executores vt aliquando eosdem
XVIII flor. convertant pro ecclesia in Chlewj.
1497 Caspar attulit mihi a plebano in Sandczyno V mrc.
et I fertonem, forsan pro decima in Vymy anni predicti;
erant autem predicte V marce et I ferto in moneta et auro
Cracouiensi.
Krethkowsky 1 solutus.
1498. Wladislauie die dominico palmarum presente Stanis-
lao Nicolai de LyjDowiecz direxi per manus Andree de Gtolye
notarii flor. LXX domino Nicolao Krethkowsky. Dedi vero
integre 5 florenos propter leues vt eligeret florenos ponderis
melioris et sic solutus est in LX fl. ; residuum restituit. 2
Wladislauie.
1498. recepi in mutuum a Gregorio de Czyechonow
florenos centum in mutuum super quibus dedi ei meam
appodixam.
Eodem anno Cracouie feria tercia rogacionum recepit a
me idem Gregorius in auro decem octo flor. et in y 2 gr. qua-
tuor flor. computatos per l / 2 sexagenam et tres grossos ad
racionem summe predicte C flor. Stanislaus de Lippowyec illi
dabat meo nomine. — Solutum. 3
1 Nicolaus; vgl. 2 b. 5 a.
2 Hierauf bezieht sich folgende in das Manuscript an dieser Stelle ein
geheftete Quittung:
Ego Nicolaus Crethkowsky, castellanus Brzestensis, recognosco,
quia a uenerabili domino Johanne Laszky decano Wladislauiensi Septua
ginta florenos hungaricales in auro boui et iusti ponderis ratione certi
debiti in mutuum recepi et dati per manus nobilis domini Andree necnon
reuerendissimi in Christo patris et domini domini Crzeslai episcopi Wla-
dislauiensis ac regni Polonie cancellarii recepi, de quibus ipsum quitto
per presentes. Datum Ckodecz, feria secunda post dominicam Ramispal-
marum anno domini millesimo quadringentesimo, nonagesimo octauo mco
sub sigillo. (Siegel).
3 Hiezu folgende eingelegte Quittung: Ego Gregorius Johannis de Czyecho
now recognosco me recepisse realiter et cum effectu leualle a venerabili
domino Joanne de Lasko decano Wladislaviensi etc. et per manus domini
Johannes Easky, Erzbischof von Gnesen.
629
1498.
Piotrkowie 1 XII Februarii dedi VI mrc. in Vag 1 ’- domino
Petro Kaczenowsky qxxas dominus Grochouiczky capitaneus
soluturus est.
Ibidem.
Item 1 eidem domino Grochouiczky dedi II marcas.
Item 1 V fl. de quibus x-acionem i - eddat aut soluat.
Item 1 Petro librorum venditori pro biblia comparanda I fl.
Item 1 eodem anno dominus Gregorius de Czyechonow in
mutuum mihi dedit fl. centum quos ei soluendos per appodixam
promisi vt supra. 2
Item 1 vt liquet ex littera per dominum Bussynsky mihi
sci-ipta tenebar XXX mrc. et I flor. 3 ; ipse vero in eodem debito
defalcauit sibi flor. XXX quos soluturus ei-at domino Jaroslao
fx-atri meo de mandato domini archiepiscopi Leopoliensis pro
eqixo itaque facta compensacione residuum sohxendum est per me.
Item 1 1498 Paulus de Wyeliczka soluit mihi decimas
canonicatus Cracouiensis anno 1497; attamen tenetur aduc mihi
IX marcas.
Item Petrus plebanus in Lelow mihi dedit Cracouie
XV mi-c. residuum debet debiti. — [Nihil debet; solxxtum.] 1
Eodem anno 1498.
die H (sic) Noueinbris per Stanislaum Schiszlowsky accepi
Poz(nan)iain domino doctori Czepel flor. hungaricales XXX ta
pi'o XX y 2 sexagenis de villa Sandzyno percept(os).
Gosczyszewsky. Bl.
1498 Ci-acouie ad petita domini Nicolai de Goszyszewicze
plebani in Wi'zoss Gnezn(eusi) dedi in anno flor. XX duos
vrbem per dominum Proszinowsky ad causam ecclesie Skrzyn,
item eidem domino Nicolao pro expensis 4 mrc. pro termino
Gneznam ituro.
Stanislai Lippovieez prefati domini Lasky notarium viginti et duos fiorenos
ad i-acionem centum flor. per me supradictum Gtregorium sue venerabili-
tati creditorum, de quibus quidem XXII florenis ipsum dominum Lasky
dominum meum graciosum per hunc recognicionis cirografum manu
propria scriptum quitto. Anno domini 1498. Cui me cum hiis humiliter
recommando.
1 Das Folgende durchgestrichen. 2 Steht bereits oben.
3 S. 5 a. ^Später eingetragen.
630
Zeissberg.
f 1498.
Item 1 Cracouie circa festum asscensionis domini, quod
erat in profesto Vrbani recepi in mutuiun C fl. in auro apud
dominum Johannem Turzo civem Cracouiensem ad soluendum
Cristini debitum de quo supra, de quibus C fl. Turzoni sol-
uendis appodixam dedi manu propria scriptam subscriptam,
quod et sigillatum sig-illo meo etc. et terminus est solucioni pro
festo sancti Michaelis proxime venturo. Anno 2 vero 1499 istud
debitum defalcando pro fllii :t domini Johannis debito, in quo
mihi tenebatur, me quitauit domina Turzovka.
Item eodem anno Clemens Slonko restituit mihi appo
dixam meam super C fl. anno preterito a me receptam; emit
enim a domino episcopo bona hereditaria pro quibus certam
florenorum summam daturus erat, vnde dominus episcopus con-
descendit acl meam solucionem et propterea appodixa per de
mentem mihi restituta est. 4 Attamen florenos C soluturus sum
domino episcopo pro Clemente eodem in quibus debent esse
XXX mrc. in '/ 2 8 T - residuum in flor. Attamen anno 1499
XXV mrc. domino episcopo dedi equos emendo et conducendo
de Cracovia; residuum eiusdem debiti pro cuppa a me recepta
compensatur [et solutum est debitum domino episcopo]. 5
Canonicatus Cracouiensis.
Eodem anno decima in Tanye pro XII marcis Mathie
Blonye data.
Item Zyelanky pro I sexagen. Item in Possandza pro
XIIII mrc.
Item in Boruuycze pro VII‘/n mrc. Item in Kothovicze
pro I sexag. et VI gr. et ibidem anni preteriti I mrc. Summa
intrans XXV mrc. VI gr.
Item facta racione cum Paulo de Wyeliczka factore
earundem decimarum 0 pro decimis predicti anni presentis
fateor eum satisfecisse sic tarnen quod plebano Sandomiriensi
XV florenos soluet et 1 insuper . . . am mihi in IP/n mrc. de-
betur. — [Solutum.] 6
1 Das Folgende durchgestrichen. 2 Später eingetragen.
3 Vgl. 2 b. 5 a. 4 Vgl. 4 b. 5 a. und unten.
5 Später eigenhändig binzugefügt. 6 S. 5 a.
Johannes Laski, Erzbischof von Gnesen.
631
1499 die dominico Februarii eundo Piotrkouiam pro con-
ueneione siue sinodo Lanc(iciensi) quodcunque eorum prius
tenebar pro dominica Inuocauit executores testamenti mei dis-
positoresque rerum ac negociorum meorurn iuxta ordinacionem
presentis libelli codicillique mei deputo et assigno dominum
Andream canonicum cum fratre altero domino Jaroslao ger-
manos ut supra 1 et ratum babiturus sum quicquid de me
rebusque meis statuerint faciendum. Item propter absenciam
domini Andree qui aliquando Romani ire consueuit deputo co-
executorem alium videlicet dominum Johannem Dombrowsky
decretorum doctorem archid(iaconum) Pomeranie in ecclesia
Wladislaviensi fratrem, quibus intimaturus sum necessario quod
dominus Turzo defalcauit mihi C fl. quos ei debui pro C aliis
quos dominus scolasticus eius filius - debebat mihi; sic ergo
domino Turzoni vel nihil vel LX fl. debebo. Dubito enim an
soluerim vel non eosdem LX fl. de antiquis debitis 3 et in eo
dubio sum an debeam vel non.
Gregorius.
Item Gregorio notario ad racionem C fl. dedi XX et
III 1 / n flor. citra vel vltra quod cedule sue deuunciant isti
libello imposite vt supra. 4
Item domino episcopo ad racionem C fl. quod a Slonko
debui soliii iam in moneta XXV marcas sicut supra. [Solutum.] 5
Item dominus Jaroslaus ad racionem suorum debitorum
percepit duorum annorum prouentus cancellarie mee videlicet
anni 1498 et anni 1499 sicque solutus est in toto pro me et
pro domino Andrea fratre.
Item Clonowsky debitum non est solutum; nam jure ex-
perior cum domino Felice de Olesznyza et impendo contra eum
ad racionem debiti predicti. 0 [Solutum.] 3
Item domino Petro plebano Sandomiriensi solui X mar
cas ad racionem XXX florenorum quas illi tenebar per XIIII
scott. computatos.
Anno eodem quo supra die vero Jouis ante Viti qui erat
XIII. Junii Raczansch honorabilis dominus Waganyeczky ple-
banus in Sbiacldyno mihi dedit quatuor marcas et VI gr. in
V 2 gr. pro decima in minori Vyma ad cancellariam Gneznensem
1 S. 2 a. - S. oben. 3 2 b. 4 S. oben BI. 5 b.
5 Später eigenhändig beigefiigt. 6 S. 2 b. 5 a.
632
Z e i s s b e r g.
pertinenti quam videlicet anno 1498 vendiderat. — [Solutum;
aduc debet forsan 1 l /. l mrc. in solidis de eodem anno pre-
terito.] 1
Bl. 6 b. 1499.
Cracouie constitutus pro festo translacionis sancti Stanislai
facta racione per me cum domino Paulo de Wyeliczka plebano
in Nyepolomycze factore decimarum canonicatus mei Craco-
uiensis fateor eum mibi satisfecisse cum hiis condicionibus
quia ipse soluet et soluere debeat ex eisdem decimis atque ex
deretentis anni preteriti decimarum domino Petro plebano
Sandomiriensi triginta florenos per sexagenas, item soluet
4 marcas vicario meo Cracouiensi pro salario anni presentis
per me debito, item soluet pannos, quorum debui solucionem,
sic quod nibil cuipam debebo Cracouie ex antiquis debitis
preter 2 bec que infrascriberentur.
Insuper 2 idem dominus Paulus remansit mihi in septem et
media marcis ac 4 gr. racione earundem decimarum anni pre
sentis de quibus VIF/ n mrc. commisi eidem soluendo contri-
bucionem anni presentis.
Item in racionis buius calculo indulsi eidem domino Paulo
tantum quantum vis um erat ei dari pro seruicio mihi impenso
videlicet 1 sexagen.
Item decimam in Possandza non vendidit sed recepit eam
dominus archiepiscopus Leopoliensis prout infra.
Item fateor ipsum dominum Paulum mibi dedisse prout
dedit anni preteriti IP/ n mrc. retentas.
Ibidem in capitulo Cracouiensi Reuerendissimus dominus
Andreas Iloza archiepiscopus Leopoliensis dedit mibi in soli-
dum Cracouie suam domum cui tarnen renuncciaui tandem.
Decime.
Item anno eodem vendite sunt domino Roze arcbiepiscopo
vna in Possandza pro XIIII mrc.
Item Boruuicze pro VIII mrc.
Item Kothowicze pro 1 sexag.
Item Thanie Gregorius vendidit et percepit.
Item idem aliam in Zyelonky. 3
1 Das Folgende eigenhändig beigefügt, später jedoch durchgestrichen.
2 Das Folgende durchgestrichen, 3 S. 6 a.
Johannes -Laski, Erzbischof von Gnesen.
633
Cvrozwanky argentum.
Eodem anno 1499 Cracöuie immediate ante festum natiui-
tatis Christi dedi infra scripta Majestati regie nomine domini
episcopi in spem tarnen restituendorum bonorum Curozwakj.
Item X cuppas magnas vniformes inauratas.
Item II cuppas vniformes inauratas alciores cum floribus.
Item IT cuppas planas in modum calicis.
Item II cuppas cum argenteis floribus laboris Hungarici.
Item I cuppam cum coronis Polonici laboris.
Item I cuppam reg(is) antiqui cum aquilla.
Item I cuppam duplicatam.
Item I cuppam Vngarici laboris cum sunca supereminente.
Item I cuppam in toto inauratam cum 4 floribus super-
eminentibus.
Item I cuppa Vngarici laboris cum albo flore super
eminente.
Item octo sartellas maiores.
Item II mediocres.
Item II przystawcze. 1
Item XII talaria.
Item I peluis cum cantaro alias nalewka.
Sandzy n o.
Eodem anno 1499. die XXV aprilis dominus Andreas
germanus rneus meo nomine dedit domino doctori Czepel
XXII Vj sexag. in solid(is) pro quibus floreni forsan sunt empti
per 40 gr. cum VII solidis de villa Sandzyno.
1500. Bl
Wladislauie die XXVII. Januarii venerabilem dominum
Andream fratrem charissimum ad evincendum canonicatum
Cracouiensem per eum post mortem olim Sigismundi Syenyensky
acceptatum Romain expediui pro cuius expedicione recepi in
mutuum a domino Jaroslao et aliis vt infra et florenos et pec-
cunias et equos.
Item domino Jaroslao teneor simul cum domino Andrea
fratre florenos L quos commisi soluere de decimis prebende
Gneznensis fraterne que decime stant in Radomskye anni 149
1 ,Tunksehüsselehen‘, Linde.
634
Zeissberg.
noni; iam tarnen decime sunt vendite et debitum L florenorum
predictum ex aliis soluendum erit.
Item domino Johanni Ottonis de Krzepczow plebano in
Malyn teneor simul cum domino Andrea flor. L. 1
Executores testamenti mei ratifico eos videlicet qui supra
anno 1499 X. Februarii scribuntur.
Sandzyno.
Eodem anno scilicet 1500 die XXIIII. Jannarii dedi do
mino doctori Czepel Wladislauie XVIII sexagenas in solidis
sicvt computari solidi consuerunt, que sunt de censu anni
proxime preteriti videlicet 1499 de villa Sandzyno. Nam illi
Kmethones censum non soluunt nisi in festo puriticacionis et
tarn de isto censu quam de aliis annis ville Sandzyno quitauit
me dominus Czepel litteris suis hic insertis. 2 [Solutum.] 3
Item de anno 1499 teneor domino Spithkoni in solidis
IX. marc. de Biczyna perceptas. [Solutum.] 3
Gregorius.
Item anno 1500 eiusdem anni decimam in Thanye con-
signaui Gregorio ad racionem sui debiti videlicet Gregorio de
Czyechonow; tenebar enim sibi C fl. sed exolui iam supra XX
et insuper hanc decimam consignaui suntque recogniciones sue
in presenti libello 4 super solutione non tarnen de decima de
qua eciam recognicionem ab eo recepturus suin cum eam ven-
det et si in Zyelonky aliam vendet 5 isti vicinam totum quic-
quid ex vtraque percipiet ad racionem debiti mei computandum
sibi erit, de qua decima qualiter vendita sit anno presenti
sciendum erit per aliam inquisicionem vt constaret quantum
percepit ad racionem debiti sui et videbuntur quoad hunc
punctum regestra beneficiorum de quibus infra reminiscor. 4 —
Solutum.
Bl. 7b. -j- Peregrinor Romain.
Anno quo supra quingentesimo die vero sabbati in pro-
festo S. Stanislai translacionis, que erat XXVI. Septembris,
egredimur de Wladislauia in almam vrbem Romanam pro
1 Am Rande zu beiden Posten später eigenhändig hinzugefügt: Solutum.
- Fehlt. 3 Späterer eigenhändiger Zusatz.
4 S. oben Bl. 5 b. 5 S. ö b. 0 7 b.
Johannes Laski, Erzbischof von Gnesen.
635
obtinenda gracia Jubilei sancti per ciuitatem Cracouiam versus
Austriam ac Viennam profecturi, in quanturn tarnen It. Serenitas
nos sinit progredi. Itaque iuxta ordinacionem hnius mei codi-
cilli voluntates meas et causam liodierne peregrinacionis vlti-
mam continentis fateor me constituisse et constituo executores
mei presentis testamenti et voluntatis vltime executores im-
primis protectorem Reuerendissimum dominum meum episcopum
dominum Creslaum benefactorem non ea quidem necessitate,
vt tueretur testamentum, cum de collectis rebus minus sit quam
debeam, tarnen sed vt sua p. pietate eonsueta sua respectu
seruiciorum meorum non solum consuleret sed eciam si quid
difficile esset ad quod executorum non sufficeret facultas rebus
adiuaret vt proximis satisf'actum per me esset prout de eins
paternitatis Reuerendissime pietate conüdo eamque obsecro
miseratur mei miselli vernaculi sui qui tot annos et labores
egi in seruicio paternitatis sue r. absque persone et fortunarum
augmento vt tarn pro exequiarum quam sepulture deduccione
ac eciam debitorum solucione executores adiuuet liberaliter.
Sic quidem scripserim me egisse secum absque fortunarum
augmento. Nam licet ex eius paternitatis bcneiicencia conse-
cutus fuerim beneficiola aliquot tarnen quia ob eius fauorem
ommisi et postposui sepius principum seruicia, e quibus absque
dubio condicio aucta fuisset mea, tarn olim Maiestate defuncta
Kazimiri regis per se et ore suo regio quam dominis certis et
pro illa et pro hac Maiestate serenissimi domini nostri regis
Johannis Alberti mihi omnem felicitatem futuram si seruiuissem
promittentibus itaque conlidentius obsecro vt eius paternitas r.
me et in vita et morte non des erat, quemadmodum ego eam
non desoruerim et iccirco executores eos ipsos esse velim
dispositoresque meos, quos circa annum 149 nonum supra
notaui' dando eis omnem facultatem disponendi cum corpore
et rebus meis derelictis pro quoruin informacione quid cui
debeam quid eciam in benoficiis debetur mihi presentem libel-
lum consigno; verum quia non omnia hic scribuntur, que
annuatim sunt in beneüciis gesta, itaque sexternos seu regestra
videbunt, in quibus percepta et distributa beneficiorum meorum
scripsi; sunt autem regestra scripta in modo integro papiri in
1 6 a.
636
Zeissberg.
quibus connotaui soluciones eciam prepositure Cruszwicziensis,
que est domini archiepiscopi Roza et Sandzyno que est doctoris
Zelik et pro tanto (?) isto libello inseram tantummodo debita
communia mea et domini Andree cum reminiscencia generali
rerum mearum.
Gregorio de Czyechonow debeo adhuc forsan LX florenos
citra vel vltra, prout docebit deduct.io decime vel decimarum
per eum anno presenti perceptarum. — [Solutum.] 1
Item domino Martino Strambowsky canonico Wladis-
lauiensi ducentos florenos. — [Solutum.] 1
Item ecclesie in Lassko aut XXIII fl. aut duos anulos
meos auieos sig(illarios) elenodii mei paterni in lapillis conti-
nentes, quorum vnum maiorem qui XX fl. continere debet
relinquo apud Audream alium minorem mecum accipio.
Item vestes et coclearia et quicquid in rebus est eonuer-
Bl. 8 a. tant executores | ad debitorum solucionem et pia opera.
Item teneor domino wladario Pomeranie forsan XVIII fl.
in solidis. [Solutum.] 1
Iudex.
Item teneor peccuniarum testament.i olim Jacobi Clo-
nowsky in solidis florenos X in '/ 2 gr. vero XVI mrc.; erant
quidem XX mrc. sed exponere consueui impendendo pro liti-
bus repetendo eius debita infrascripta. — [Solutum; fiat tarnen
^ sic vt supra folio altero^ a principio.] 2
Imprimis dominus meus generosus dominus episcopus
tenetur ei, scilicet iudici, tantum quantum vnius pro diei sta-
cione in Strzelno dari solitum est, eamque solucionem suam
p. r. commisit oretenus impendere dominis Johanni Groclio-
wiczky et Martino Strambowsky canonicis et factoribus suis
de censibus et decimis mense episcopalis anni presenttis. —
[Solutum. ] 1
Item in Mogila prope Cracouia tenetur abbas cum con-
uentu vnam stacionem exoluere de qua forsan L mrc. proue-
nient, quam eciam debet soluere pro festo S. Martini proxime
futuro. — [Solutum.] 1
1 Später eigenhändig hinzugefiigt.
2 Später eigenhändig hinzugefiigt. Vgl. Bl. 5 a: Clonowsky iudex.
Johannes Laski, Erzbischof von Gnesen.
637
Item in Coprzywnycza debetur ei vna stacio que anno
presenti eciam pro festo S. Martini soluenda esset et cicius,
sed propter vastata monasterii illius bona agendum erit de me
dio competenti et deifico qu(od) et defuncto compaciatur et
destructis monachis. — [Solutum.] 1
Item dominus Felix de Olesclmycza tenetur ei iuxta or-
dinacionem testamenti L mrc., cum quo iure experior Cracouie 2
apud Goslawsky vicarium in spiritualibus, et forsan tantum
XV mrc. recognoscit; iccirco quicquid medio iuramento re-
cognoscet se debere tollendum censeo, de qua lite et eius pro-
ductis seit dominus Jaeubowsky procurator Cracouie per me
constitutus, qui eciam testamentum habet. [Absolutum.] 1
Et quia in testamento suo idem olim Clonowsky hec
omnia legauit pro eclesia in Gorzno prope Szelechow seu in
Polessye sita 3 , itaque ego anno presenti ecclesiam illam visi-
tabam et condixi cum domino Zauissio herede illius ville, quia
L mrc. in */ 2 gr. ei dare debui pro editicio ecclesie; iccirco
oro, vt exactis collectisque peccuniis istud fieret. [Et factum.] 1
Item supra easdem L marcas pro ecclesie editicio per me
promissas de collectis eiusdem olim Clonowsky peccuniis den-
tur X marce Wylnam ad ecclesiam fratrum minorum vbi
quiescit suum corpus, que per manus aliorum fratrum in regno
porrigentur et residuum testamenti protector curabit. — [So
lutum.] 1
Item cuidam presbytero pro lectura missarum altaris s.
Barbare forsan teneor aliquid, de quo Johannes Coslowitha
Wladislauie* seit et eum dicet. [Solutum.] 1
Item quicquid de beneficiis anno presenti percepi in
registris beneficiorum 5 scripsi et propterea ingrediendo in dei
nomine iter peregrinacionis proposite me deo sueque inteme-
ratissime et purissime virgini Marie sanctisque Petro et Paulo
atque Andree apostolis ac martiribus Adalberto, Stanislao,
X millibus martyrum, s. Katharine et aliis sanctis in vita
vtraque comendo’’ et oro charissimos executores, quatinus pro
1 Später eigenhändig bemerkt. 2 S. 6 a. 3 S. 2 b.
4 Wohl: Johannes organista de Coslow, vgl. 4b. 5a.
5 S. 7 a. 7 b. 6 S. 2 a.
11
I
■
Solutum.
638
Zeissberg.
liberacione anirae XXX tricesimas legi procurent; liberatus de
peuis merebor (?) id ill(ud?)- in gracia salutis repositus.
Bl. 8 b. 1500. Rome constitutus exposui de peccuniis domini
episcopi in primis XX florenos pro dispensacione ad incompa-
tibilia doctoris Georgii de Wisliczia quas debet.
Item X fl. mutuo dedi tnagistro Johanni Blander soro-
rino domini Turzo quos dominus Johannes Turzo custos Cra-
couiensis soluturus erit.
Item insuper forsan exposui pro mea neeessitate X fl.; sic
ergo XL erunt restitueudi domino episcopo.
1501 ex vrbe veniens.
Item ad racionem istorum debitorum emi domino episcopo
caletam 1 pro XVIII gr.
Cracouie.
Item in Wolborzs pro expensis Mathie in Inowladz ad
causam remissorie eunti contra Dvnynawa dedi 1 fertonem.
Item in Rytwaui et Schicllow exposui 4 gr.
Item quando ibam Lytuaniam cum Majestato regia 3 dedi
adolescenti Dzyk cubiculario domini episcopi 7n mrc. pro ex
pensis, qui caruit expensis; prouidi ergo illum et computo ad
racionem debiti illius racione vt supra.
Bl. 9 a. 1501.
De decimis istius anni Paulus de AVyeliczka dedit mihi
in manus nouem mrc.
Item dedit vicario meo I 1 /,, mrc. declit (!), ego vero residuum
solui, nam 4 mrcas sibi do.
Anno presenti percepit Gregorius ad racionem sui debiti
de decimis Tanye et Zyelonky mrc. XIIII.
Item eodem anno Paulus tenetur mihi respondere de resi-
duo videlicet XVII marcis, quas daturus erit in manus Gregorii,
vt Gregorius de illis mihi responderet. [Solutum.] 1
Testament]’.
1502. feria 4. rogacionum egredior de Cracouia cum
Maiestate regia versus Lytuaniam, 5 itaque testamenti mei
1 Geldbeutel von Leder. L.
2 Am Rande später eigenhändig- bemerkt.
3 1502. S. 9 a. 4 Später eigenhändig liinzugefügt.
5 S. Einleitung.
Johannes Laski, Erzbischof von Gnesen.
639
executores deputo qui supra anno 1499 sunt descripti et tuto-
rem in anno peregrinacionis Romane descriptum. 1 Adiungo
tarnen executorem venerabiletn dominum Stanislaum Goreczky,
cui canonicatum Poznaniensem dari procuraui, et eum plus-
quam consanguineum amo, virtutibus et sciencia literarum sua-
rum id exigentibus; vtinam ipse Stanislaus vicium ingratitudinis
non incidat.
Secretariatus.
Regente Allexandro rege Polonie.
1502. Craeouie marcii XII. Maiestati regle iuramentum
prestiti fidelitatis et secretariatum recepi cum sigillo sue Maje-
statis regie annullari. 2
Item Lytuaniam me de Cracouia cum Majestate regia
expediendo contraxi debita infrascripta.
Item recepi in mutuum apud dominum Johannem Bonar
ciuem Cracouiensem fl. Hungaricales in auro centum bonos et
nouos super quibus dedi ei appodixam non designando termi-
niun solucioni sed tantummodo recognoscendo debitum soluen-
dum. — [Solutum.]
Item ibidem eodem tempore et necessitate eadem recepi
in mutuum apud dominum Johannem Jordan de Zaltliczyn
procuratorem generalem Cracouiensem florenos in auro centum
et in moneta alios centum per mediam sexagenam eosdem in
moneta computando, quos ducentos florenos sibi inscripsi per
appodixam manus proprie soluere pro festo natalis domini pro-
xime futuro. — [Solutum.] 3
Item ibidem scilicet Craeouie ingrediendo iter Lytuaniam Bl.
versus domino custodi Gneznensi commisi summam negociorum
meorum beneficiorum, dedi ei preposituram Cruszwicziensem,
quam quando vult sibi resignari procuret. 4
Item commisi domino eidem custodi decanatum Wladis-
lauiensem.
Item eidem commisi villan: Slawsko graciosam vnacum
decima in Zyrnyky vicina Slawsko.
1 S. S. 7 b. 2 S. Einleit. S. 523.
3 Später eigenhändig hin/.ugefügt.
4 Doch erhielt sie Rybienslci, vgl. 13 a.
Sitzungsber. d. phil.-hist. CI. LXXVI1. Bd. III. Hft.
41
640
Zeissberg.
Item decimam in Vymy eciam dominus custos Gneznensis
percipiat.
De hiis anno ipso videlicet 1501 nihil percepi et prop-
terea et illius et presentis videlicet 1502 anni prouentus deputo
ad soluendum domini Strambowsky debitum.
Item canonicatum Cracouiensem Gregorio de Czyechonow
commisi alias dominus custos deberet committere cum prouen-
tibus anni presentis scilicet 1502. Quicquid dominus custos
decernit faciendum rat'um babiturus sum sic tarnen, quod
nepotes orphani Cracouie studentes prouideantur per Gregorium
de peccuniis decimarum eiusdem canonicatus. Sunt autem nepotes
duo pueri olim Raphael generi.
Item cancellariam Gneznensem commisi domino Michaeli
germano; forsan tarnen thelonea alius cxiget. Si dominus Michael
decimas tantummodo curabit, ratum haberem, vt dominus Jaroslaus
Marzenyn villam teneret et theloneum Siradiensem, theloneum
Piotrkouiensem autem gener Zauissius 1 prouideat aut Otta
plebanus de Marzenyn, theloneum in oppido Skrzyn alias foralia
Stanislao plebano in Skrzyn commisi. Item fertones in Orchow
prope Gneznam dominus custos committat vel Martino Swan-
cziczky vel Ade de Rubieszow vicario Gneznensi.
Clonowsky.
Item fateor presentibus me recepisse de peccuniis olim
Jacobi Clonowsky prim um XX marcas de stacione compo-
sicionem pro toto faciendo in Suleow. — [Solutum.] 2
Item pro residuitate componendo pro toto in Mogilno X 11.
in solidis. — [Solutum.] 2
Item pro totali solucione stacionis in Strzeluo XXX mar
cas solidorum. — [Solutum.] 2
Item de stacione Pokrzywnyczensi quantum percepi videan-
tur acta consistorii Cracouiensis apud dominum Johannem Gos-
lawsky. — [Solutum.] 2
Item de stacione Mogila alias Claretumbe quantum per
cepi videantur acta eadem. [Absolutum.] 2
Item exposui aliquid hec exigendo et forsan invenirentur
exposita superius hic annotata. — [Absolutum.] 2
1 de Malyn.
2 Später eigenhändig 1 hinzugefügt.
Jobaunes Laski, Erzbischof von Gnesen.
641
Item Felix de Oleschnycza in actis Cracouiensibus inseripsit
pro festo Pasche futuro soluere quicquid debet; jurauit autem
quicquid debet visis actis et finali solucione percepta conuer-
tere debeo quicquid ex hiis colligeretur ad ecclesiam in Gorzno.
— [Solutum vtrumque.] 1
f Testament] - .
Item fateor me forsan bis iuissc in podwodis tempore
Kazimiri regis de Cracouia Poznaniam in priuatis negociis;
itaque illa opida reconcilianda aut soluenda erunt pro tribus
vcl forsan quatuor equis podwodorum et ita oro.
Item Stanislaus Maldrzik tribunUs Leopoliensis tenetur
mihi forsan L mrc. alias tantum quantum est sibi inscriptum
quolibet anno soluendum de zupa Drohobiczensi. Nam licet
inscriptam sibi in eadem zupa ccrtam summam quam ex eadem
zupa cleberet percipere annuatim vsque ad extenuacionem ipse
vero mihi dono dedit pro labore et seruiciis meis tantum quan
tum vno anno debebitur ei .itaque vnius anni jnea percepcio
erit iutegra dono data quam domino Grouiczky decano Leopo-
liensi committam exigere. [Item anno 1502 in Exyszky domi
nus Maldrzik dedit mihi 11. LX ad racionem predictorum. —
Solutum.] 1
Item Otte plebauo in Malyn forsan teneor XXVI fl. per
XVII scott. solut.
1503. per Nicolaum Cottlicz notarium regium direxi quit-
tanciam vnam super CLXX fl. alteram super 40 mrc. ad do
minum Jaroslaum germanum meum ad racionem exaccionum
mihi datas.
Idem Cottficz attulit mihi a domino Jaroslao fl. 300 in
auro et dedit eos mihi Wilne feria secunda carnispriuii ad
racionem predictarum quittanciarum.
Item eodem anno direxeram per eundem Cottficz ad
Stanislaum Syrchowsky exactorem racionum quittanciarum super
170 fl. ad racionem exaccionum sibi commissarum.
Idem Cottficz attulit mihi a domino Sirocbowsky 66 fl.
in auro; vnus quidem in moneta fuit de eisdem sexaginta sex.
Bl.
10 a
Später eigenhändig eingetragen.
41*
Solutum.
642
Zeissberg.
Item facta racione cum Cottficz pro debitis que mihi
debet remanet mihi obligatus seu debitor flor. XIIII. — [Solutum.] 1
Bl. Item eodem fere die Johannes Carwowsky attulit mihi
10 ,J ' quinquaginta sexagenas in '/ 2 gr. per dominum Nicolaum de
Cosczielecz prepositum Wladislauiensem mihi mutuatas quas
debeo soluere. — [Solutum.] 1
Item exposui de meis (?) ad mandatum Maiestatis regie
pro expensis Jacobi Buczaczky flor. XXX.
Item pro expensis Cottficz fl. X Piotrkouiam 2 missos
datos debentur mihi.
Paulus Gosczyszewsky tenetur mihi 40 m. — [Solutum.] 1
Item Sirchowsky tenetur mihi III fl. — [Solutum.] 1
Item ego teneor fratri domino Jaroslao XXXV fl. et
XX gr. — [Solutum.] 1
1504.
Item teneor preposito Cosczyeleczlcy 100 fl. in 1 /. 1 gr. per >/ 2
sexagenam [et est istud debitum infrascriptum in summa debi-
torum pro coadiutoria etc.] 3
Item 4 eidem teneor L marcas in 1 /. 1 gr.
Item 4 teneor domino Drzeuiczky vicecancellario fl. in
auro 400.
Item 4 domino Martino Stranbowsky forsan aduc debeo fl.
in auro 100, sed Stanislaus Dambouiecz seit quid debeam.
Bl. f 1504. Cracouie fateor me in mutuurn recepisse apud
dominum Johannem Bonar mille fl. apud dominum Petrum
Wapowsky cantorem Cracouiensem in plumbo mille fl. apud
dominum Johannem Carnkowsky canonicum Cracouiensem in
auro mille fl. apud dominum Nicolaum de Cosczyeleczky pre
positum Wladislawiensem in auro quingentos et in l /-2 §’ r - P er
'/ 2 sexagenas quingentos, Item apud Bonar cedulam pro alio
mille ad bancam Fokkarorum Romain et apud eundem fl. ex
Lytuania in auro mutuo conquisitos milium summam supplendo
duodecim scilicet millium reposui, residuum Johannes Turzo dedit.
1 Später eigenhändig“ hinzugefügt.
2 Wo damals ein Generallandtag stattfand. vol. legum I, 292.
3 Später eigenhändig hinzugefügt. Links am Rande: Solutum.
4 Das Folgende durchgestrichen*, am Rande: manu propria deleui ista.
Johannes Laski, Erzbischof von Gnesen.
643
[Solutum in versura sed aliis debetur vt infra sub archi-
episcopatu.] 1
Item eodem anno Cracouie dedi in auro quatuor millia
floren. et per cedulam in banco, vnum mille in banco Fokkar
recipiendo, que millia dedi domino Nicolao Czepel ad expe-
dicionem coadiutorie ecclesie Gneznensis.
Item expediui literas insuper ad bancum a domino Bonar,
vt cum fieret expedicio coadiutorie darent domino Nicolao
Czepel quicquid necesse esset pro literis redimendis ad coad-
iutoriam.
Item quamuis auisamenta habuerim ex vrbe quod coad-
iutoria non expedietur nibilominus ere (?) alibi conquisito
solui dobita que tenebar millium suprascriptorum dominis Bonar
Wapowsky et Carnkowsky de qua solucione seit Johannes
Rybiensky prepositus Crusszwicziensis.
Item 1506 per manus domini Jaroslai palatini Lanci-
ciensis germani mei dedi in Bresczie domino Nicolao Cosczie-
leczky quingentos fl. in auro ad racionem debitorum que
illi debeo.
Item dominus Nicolaus Czepel ex vrbe veniens non red-
didit mihi fl. quatuor millium sed fassus est sua et domini
Erasmi episcopi Ploczensis necessitate distratos; commisi quod
vterque quicquid distrahendo summam quilibet eorum percepit
apud dominum Bonar reponeret ex cuius domini Bonar registris
constabit si reposuerint nec ne.
Item commisi quod dominus Erasmus in Bresczie quin-
gentos fl. daret domino Cosczieleczky dandos de quibus supra.
Bl.
12 a.
Cancellarius regni creatus. 2
I
Vacat 12b.
Item 1506 Wilne die sexta Aprilis executores testamenti bi.
iuxta ordhiacionem presentis codicilli constituo et describo do- 1,,a -
minum custodem germanum, dominum doctorem Dambrowka
archidiaconum Pomeranie et Joliannem Rybiensky prepositum
1 Später eigenhändig hinzugesetzt.
2 S, Einleit. S, 524,
Solutum.
644
Z eissherg.
Bl.
13 b.
Cruszwicziensem, tutorem vero testamenti mei dominum Gnez-
nensem archiepiscopum pro tempore existentem, quibus exe 1
cutoribus do facultatem disponendi de bonis meis mobilibus et
immobilibus vniuersis.
In ea qua modo suni condieione existens vt cancellarius
designo locum sepulture mee in ecclesia Gneznensi ante choruni
in latere Jasszlconis decani aut secum yna quia domesticus
mihi frater erat [et si secum sepeliar innovetur in monumcnto
signum nobilitatis mee non in pompam sed vt alii excitentur
ad imitandum nos in bono si quid memoratu dignum esset.] 1
Item 2 fateor me non esse cuipam debitorem preter domi
num prepositum Cosczieleczky modernum vidolicet ellectum,
confirmatum Chelmensem cui fortasse restant per me soluendi
aut sexingenti aut quingenti fl. [vt infra in annis inferius
scriptis.] 1
Item fateor me post mortem et in vita olim domini mei
Creslai episcopi Wladislaviensis et regis Polonie cancellarii
nihil rerum bonorumque suorum derelictorum percepisse preter
scutellas et talaria argentea pro edificio Camyenyecz per ipsius
olim paternitatem donata, pro quibus solucionem impendi, nam
non plus quam noningentos fl. continebant. Exposui eos in
Castro Camyenyecz et supra videatur in regestro expositorum
pro Camyenyecz.
Attamen fateor habuisse post mortem domini Creslai
monilia tria que mercatoribus dedi pro debitis sue olim pater-
nitatis in summa quingentorum valore.
Item fateor et deum testiticor me iniuste calumniari per
consanguineos domini Creslai domini mei tanquam thezaurum
eins vsurpassem cum tarnen illi tantum, quantum habuit, distraxe-
runt in preiudicium sue vltime voluntatis et meum,
Item fateor quia de propriis meis bonis impendi pro
euincenda iusticia olim domini mei Creslai contra distractores
bonorum olim eius videlicet dominum Nicolaum 3 palatinum Lubli-
nensem et dominum Stanislaum 1 Dobkonis filium.
1 Später eigenhändig beigefiigt. 2 Durchgestriehen.
3 de Curozwanky.
4 Solin des Dobeslaus de Curozwanky, welcher 1494 palatinus Lublinensis
war. Vgl. Bischoff, Urkk. z. Gesell, d. Armenier in Lemberg, nr. XVII.
Johannes Laski, Erzbischof von Gnesen.
G45
Item fateor, quia pia racione ductus fundaui in Wladis-
lauiensi ecclesia missam sancte trinitatis et alia pietatis opera
pro salute anime olim domini mei et id feceram de bonis
meis alias ex industria [non ex vllis perceptis domini Creslai.] 1
Item fateor quia proeuraui salue cantari ac elemosinam
in scolas scolaribus cum hospitate dari pro cuppis inauratis
que in ecclesia Wladislauiensi relicta erant et easdem cuppas
nomine executorio dedi reuerendissimo doinino Vincencio epis-
copo qui illis vtatur et successores sui episcopi, semper vero
oeclesie reddant vt sic ista suppellex sit perpetua mense epis-
copalis Wladislaviensis.
Item cuppas R. dominus Mathias de Drzeuicza restituit
suntque conuertende ad elemosinas vt supra ordinatas.
Item 2 fateor mille H. in '/ 2 gr. per ‘/ 2 sexagenas me in
mutuum recepisse apud dominos'Sbaszne capitaneos Strigenses
ad municionem castri Camyenyecz quod mille soluendum est
illis de peccuniis in Ploczko per olim dominum Rapsztynsky
legatis aut de aliis peccuniis per sedem apostolicam pro Ca
myenyecz donatis. — [Est solutum.] 1
Item fateor commisisse et commisi domiuo Jolianni Turzo Bl.
comitti Cremnycziensi vt denuo pro expedicione coadiutorie 14 “■
Rome diligenciam faceret per procuratores et sollicitatores banci
cui promisi soluere quicquid exponet litteras coadiutorie ad
Gneznensem ecclesiam redimendo ad quod denuo consensit et
me stimulauit Reuerendissimus dominus Andreas dei gracia
Gneznensis aröhiepiscopus et primas. Fateor quingentos pri-
mum in auro, tandem ducentos florenos in */ 2 gr. bungaricales
in pondere bono in mutuum recepisse apud dominum doctorem
Blonye, ego denique in mutuum dedi de eisdem quingentos
zupario Cracouiensi Jordan sed eam totam summam tempestiue
accumulo pro literis Turzoni soluendis si venerint; istud debi-
tum est infrascriptum in summa coadiutorie etc. [Solutum.] 1
Item cancellarius existens fateor me habere argen tum
equiueos et vestes et omnem supellectilem liberam de quibus
domini executores disponant.
Ueber das Gebahren der Verwandten bei Krzeslaw’s Tode vgl. S-etowski,
Katalog III, 226. vgl. auch unten 38 a.
1 Späterer eigenhändiger Zusatz.
2 Das Folgende durchgestrichen; am Hände: manu propria pollutum.
646
Zeissberg.
Bl.
14 b.
Item fateor quia aliquando mille fl. aliquando plus mecum
habere consueui de quibus victum mihi comparo [ante coad-
iutoriam istud testificatum]. 1
Item 2 fateor me in debitis habere Gdani apud zuparium
Cracouiensem, apud dominum Nicolaum Lanezkoronsky et alibi
tantum quantum regestra probant que Rubiensky scripsit
et habet.
f 1508 die septima Julii exercitibus castrisque stantibus
in nemore super fluuium Nacza tune me in exercitu eunte cum
sacra Majestate Regia domini Sigismundi regis contra Moskos
et ducem Glynsky Michaelem rebellantem seu pocius prodi-
torem 3 ego Johannes de Lassko qui supra dubitans de vita et
saluuo transitu redituque nostro cum nihil certius morte et
incertius exitu rerum esset, denuo executores testamenti supra-
scriptos reuocando aliquos istos constituo voluntatis mee vltime
germanum dominum custodem Gneznensem, dominum Tomyczky
archidiaconum Cracouiensem, Johannem Rybyensky prepositum
Cruszwicziensem et Mathiam de Gorka capellanum meuin qui
istis seruiret onus execucionis obeundo, tutorem testamenti
archiepiscopum Gneznensem pro tempore deputando cum facul-
tate vt supra circa constituciones priinas.
Et quia admonitus et tanquam tractus per Reuerendissi-
mum dominum Andream archiepiscopum Gneznensem moder-
num direxi Romain pro expedicione coadiutorie Gneznensis
octo milia fl. Hungaricalium in auro, Item nonum mille domi
nus Johannes Bonar et decimum mille ac vndecimum duodeci-
mum et supra dominus Johannes Turzo soluturi essent in banco,
si erit expedicio, que istis Julii et Augusti diebus fieri deberet,
itaque fateor, quia sic istud contraxi suprascriptum coad
iutorie debitum, quod debeo videlicet mille apud dominum
Cosczyeleczky episcopum Chelmensem in moneta per sexa-
genas, quas Martinus Swancziczky attulit, item duo millia
apud Petrum Salomonen! consulem Cracouiensem in auro,
item mille apud dominum Spithkonem de j 4 Jaroslaw castel-
1 Späterer eigenhändiger Zusatz.
2 Das Folgende durchgestrichen; am Rande: manu propria pollutum.
3 S. Einleit. S. 529.
4 Unter dieser Blattseite: solutum in versuris suprascriptjs.
Johannes Laski, Erzbischof von Gnesen.
647
lanum Cracouiensera in auro. Item duo milia apud do- Bl.
minum Nicolaum Nicolai Radywyl palatinum Troczensem. loa "
Item aliquot milia apud Turzonem et Bonar, que milia
sunt soluenda pro terminis in regestris Rvbiensky scriptis.
Item doctori Blonye forsan circiter octingentos debeo fl. [Item
mille meorum propriorum aureorum et . . . Item de propriis
suppleui mille a Blonye.] 1 Iste florenorum summe pro coad-
iutoria exponuntur, que sic redimetur de cancellaria apostolica
et ego mererer; successor domini archiepiscopi immediatus tarnen
mihi reddet siue executoribus meis quantum pro annata ecclesie
Gneznensis dari consuet et forsan tantummodo quinque milia
fl. reddendi in eo casu essent; residuos quinque milia fl. soluen-
dos designo atque lego de infrascriptis rebus meis ac debitis 2
sic quia designo pro iilis soluendis mille quadringentos fl.
Gdani in quittanciis que mihi debentur vt Rybiensky seit, cui
credatur.
Item 2 Maiestas regia tenetur mihi fortasse duo millia flore
norum et vltra duo eadem milia florenorum in quitanciis de-
signata tenetur Majestas mihi circiter septingentos florenorum
eciam recognitorum. Designauit tarnen sua Majestas ad racionem
eorundem debitoruin mille fl. ad Boturzynsky et aliud mille ad
Siradienses et Lancicienses exactores; igitur quiequid vltra ista
duo milia remanet Majestas regia istud designo ad exoluendum
debita ista coadiutorie.
Item domino Luce capitaneo Poznaniensi teneor mille flor.
sed eos dedit domino Jaroslao meo fratri. 3
Item teneor mille fl. eciam in 4 / 2 g' 1 ’- P ei ' V2 sexagenas Bl.
domino Nicolao Czylcowsky gladifero Cracouiensi. — [Solutum.] 4 1,,a '
Item 5 domino Castellano Rapstynsky de Tanczyn sueque
genitrici 6 teneor octingentos fl. per V2 sexagenas.
1 Oben am Bande mit Vermerk eingetragen.
2 Das Folgende durchgestrichen; am Seitenrande: deletum manv propria.
3 Am unteren Rande: Johannes qui supra cancellarius deleuit et correxit
vt supra manu propria per totum.
4 Später eigenhändig beigefügt.
5 Das Folgende durchgestriehen; am Seitenrande: infra videatur; deleui
manu propria.
6 Barbara Rapsztynska de Vnyeczka. Vgl. 18 a.
648
Zeissfoorg.
Item 1 quiu istud vtrumque debitum contraxi pro cxpensis
Lytuaniam eundu cum Majestate regia itaque roganda erit Ma-
jestas sua, vt ista saltem debita pro me soluat. Nam ad racionem
seruiciorum meorum non plus mihi dedit sua Majestas nisi
in Radom anno preterito quadringentos flörenos de Lytuania
veniendo.
Item 1 anno preterito Wilne 2 centum fl.
Item 1 anno presenti quadringentos florenos de Cracouia
eundo Lytuaniam. 3
Item Stephanus Fischei tenetur mihi tricentos fl. — [So-
lutum.] 4
Item Johannes Buczaczky capitaneus Rauensis tenetur mihi
tricentos. — [Solutum.] 4
Item Torunensis pro priuilegio cere rubee tenetur mihi
centum fl. — [Solutum.] 1
Item dux Mazouie pro litteris donatorum ducatuum tenetur
mihi mille fl.
Item 5 teneor domino Bronowsky fl. quadringentos in auro.
Item teneor Jacobo Slankowsky ducentos in auro. — [So
lutum.] 1
Item presbytero Szawlowsky vicario Cracouiensi in Castro
teneor fl. centum in auro. — [Solutum.] 4
f 1509. die quindecima Nouembris legatus existens ex
Bl. Leopoli per Maiestatem regiam in Camyenyecz 11 scripsi infra-
16a, scl -iptam vltimam voluntatem meam. Imprimis sepulture locum
approbo vt supra 1506. 7 Tutorem priorem testamenti [confirmo
scilicet 8 ] regiam Maiestatem constituo, executores testamenti
creo et facio et constituo dominum Jaroslaum palatinum Ry-
biensky prepositum Cruszwicziensem et dominum Paulum Cho-
dakowsky canonicum (jrneznensem atque Mathiam de Grorka
capellanum meum cum hac descripcione: Si jure presertim pro
1 Das Folgende durcligestriclien; am Seitenrande: deletum manv propria
2 Vg'l. Einleitung- S. 529.
3 Am Rande: deletum manu propria, infra videatur.
4 Nachträglich eigenhändig hinzugefügt.
5 Durch gestrichen; am Rande: deletum manv propria.
6 S. Einleit. S. 530. 2 S. 13 a.
8 Scheint erst nachträglich über einer Rasur mit schwärzerer Tinte ein
getragen; scilicet steht über der Zeile,
Johannes Lasld, Erzbischof von Gnesen.
649
annata et euentibus meam iusticiam concernentibus agendum
erit, dominus Mathias agat et considat. Ad sepulturam dominus
Chodakowsky auctoritatem habeat omnia dirigendi; sue enim
virtuti et industrie confido. Ad res feruandas (!) et vendendas
Rubiensky commissionem tarnen a me istarn quam ab coexecu-
toribus habeat et eis racionem faciat. Dominus palatinus sua
auctoritate et caritate fratorna memor meorum pro se et sua
domo laborum et beneficiorum se commodet ad alia que execu-
tores intelligent cum vtilitate testamenti per eins auctoritatem
melius seu facilius facienda. Dominum custodem infirmum 1
non onero cum sibi ipsi consulere non valeat tarnen ad 2 quoque
executores fiducialiter respectum habeant vt auxilia et consilia
eis prestet possibilia.
Item quoniam volente Reuerendissimo domino Andrea
archiepiseopo moderno Gneznensi involui me labori et oneri
infrascripto pro coadiutoria, quia eius paternitas prouidere voluit
suos fratres presertim Reuerendissimum dominum Leopoliensem
archiepiscopum dominum Bernardinum Wylczek (rec.epit enim
a ipso sua paternitas episcopatum Premisliensem, item deca-
natum et canonicatuiu Wladislauiensem, item plebanatum
Sochaczeuiensem, item ins in canonicatu Cracouiensi post
Goslawsky, pro quo dominus Bussynsky non nihil habet et est
habiturus) itaque orandus est dominus Gneznensis archiepiscopus
vt interim donec vivit — vivat autem dei fauente gracia diu,
vti enim suae anime saluti esset — quatinus census, prouentus,
prouentus, decimas, maldratas, piscinas, predia et quicquid vtili-
tatis est in tenutis meis, quas sua paternitas mihi dedit, vide-
licet Opatow et Wyelun, executores perciperent solucionem
debitorum colligendo, donec sua paternitas reuerenda viuit feli-
citer, proptereaque suam paternitatem prepono domini tutori
et executoribus ad eum vnum actum, vt scilicet sua paternitas
auctoritate sua adiuuet eos ad omnia bonegerenda et euincenda
vtque racio per executores reddatur paternitati sue de perceptis
et distributis et si compertum esset, quia debita dissoluerentur,
tune quum primum dissoluta essent sua paternitas suas illas
claues rehaberet, sed interim donec inexoluta essent propter
1 Vgl. Acta Toraiciana I, 69. nr. XLV. 2 Fehlt: eum.
650
Zei ssb erg.
Bl.
10 b.
deum oro sua paternitas dignetur donare istas tenutas mihi
mortuo vsque ad exolucionem debitorum, [quorum sua quoque
paternitas erat et est occ(asi)o et c(aus)a precipua ac prima
vt supra]. 1
Debeo autem id quod sequitur et est arduum debitum
mee condicioni imp9 te (ossibile?).
Inprimis domino Nicolao palatino Troiczensi florenos duo
milia in auro et pondere bono anno, quo mortuus erat Alexander
rex, mutuatos ad coadiutoriam per apodixam [que restituta est,
quia solui; cum fenore etenim Romain direxi per bancum so-
luto cambio]. 1
Item domino Nicolao Cosczyeleczky opiscopo flor. mille
per mediam sexagenam. — [Solutum.] 1
Item Nicolao Czykowsky gladifero Cracoulensi mille per
mediam sexagenam. — [Solutum.] 1
Item duo milia in auro quo supra domino Cristofero de
Schidlowiecz. —■ [Solutum.] 1
Item domino Bonar tria milia flor. in auro quo supra, quia
aemit pro me et soluit; nam dedit solus vnum mille, exoluit
pro me vnum canonico Cracouiensi et pro vno mille cauit do
mino Turzoni. — [Solutum.] 1
Item duci Mazouie mille fl. in */ 2 gr- per { / 2 sexag. — [So
lutum.] 1
Item consulibus Gdanensibus vnum mille per i / 2 sexag. —
[Solutum.] 1
Item doctori Blonye vt supra anno 1506. 2 — [Solutum.] 1
Item domino Petro Ilodnowsky vnum mille sic quia in
auro quo supra 500 et in \U gr. alios 500. — [Solutum.] 1
Item domino regni Polonie vicecancellario episcopo Pre-
myslieusi 3 1000 in eadem moneta qua et domino Hodnowsky.
— [Solutum.] 1
Item Slonkowsky j sicut suprascripti anno • 1508. 4 —
Item Szawlowsky I [Solutum.] 1
Item domino Mathie Lukouiensi plebano 400 in auro. —
[Solutum.] 1
1 Erst später hinzugesetzt. 2 Vielmehr 1508.
3 Mathias Drzewiclu. 4 15 b.
Johannes -Laski, Erzbischof von Gnesen.
651
Item domino Jarossky marszalco 700 in 1 / 2 gr. per
sexag. — [Solutum.] 1
Item domino olim Rapsztynsky et sue olim genitrici 2 600
in y 2 gr. per '/ 2 sexag.; nam 200 exolui in act(ionem) doctoris
Valentini debitam. — [In toto solutum.] 1
Item domina palatina Odrowanschaua 400 r (!) in auro absque
pondere bono seu leues tanquam dono dedit quando coadiutor
sum creatus; pro pectorali illud datum intellexi. — [Solutum.] 1
Item coclearia Johannis Dambnyczky et szuba inexoluta;
coclearia tarnen sunt integra. — [Solutum.] 1
Item Stanislao Hynek 600 in '/ 2 gr. per */., sexag. [Solut.] 1
Item Stephanus Phiszel di eit se exposuisse fl. 300 pro
argento in mitris equestribus meis cui credo. — [Et soluta sunt.] 1
De istis summis coadiutoriam exposui et ornatum compa-
raui quando legatus eram per Majestatem regiam in legacionem
sponsalem in Melceniburg (sic). 3
Item debentur mihi per Buczaczky et Fyszel vt supra. 1 —
[Solutum],
Item gladii in argento.
Item eateno auree in suppellectili equestri computentur.
[De hiis infra.] 1
Item argentum omne lego ad debita dissoluenda. Domini
executores illud vendant et soluant et forsan palatinus Tro-
czensis accipiet argentum amore earitatis et fraternitatis mecum
habite. — [Solutum palatino vt supra.] 1
Argentum equestre. Item in mitris, gladiis, cultris. Item
eos ipsos gladios, cultros, pectoralia argentea seu scuta pro tubi-
cinibus in calcaribus argenteis comparata et quicquid comparatum
erat ad pompam, quum illud fecerim non curiositate mea sed
necessitate pro regie Majestatis gloria et regni, dentur hec omnia
summarie Majestati regie cum ornatu tunicellarum et capute-
orum atque ipse tunicelle et caputij cum perlis integre, item Bl.
eciam | dentur Majestati sue tunicelle axametee puerorum. Item 17 a '
dentur Majestati sue margarite, que Craeouie sunt in labore, de
quibus dominus Bonar consul Gracouiensis seit; etenim auri-
textor de illis brachialia seu cubitalia texere debuit pro mili-
1 Später hinzugesetzt. 2 Barbara liapsztynska de Vnyeczka. S. 18 a.
3 Vgl. 17 b und Einleit. S. 529. 4 15 b.
tibus duobus et per istos debeo debitum in auro plebano Luko-
uiensi ac pro monilibus certis; alia mea sunt, que meo germano
domino palatino dentur, alia in debita conuertantur. Racione
Imins donacionis Majestati regie facto, roganda est Majestas regia
et presentibus eam obsecro, vt patronus sit clementissimus salut (!)
me vtque debitis dissoluendis sic patrocinetur, quatinus medii
fructus ecclesie Gneznensis mihi reddantur per successorem
moderni Reuerendissimi Gneznensis arcbiepiscopi, qui facient
5000. Sola Maiestas sua clementissima ob respectum meorum
seruiciorum dignetur exoluere. Omnia vero quecumque dignetur
habere sibi offerantur tarn in equis quam suppellectili vniuersa;
quicquid non regium esset vendatur, de quibus venditis salaria
familie soluantur. Et quia non teneor salaria illa currencia igitur
pro expensis cuilibet donetur per parum alicui vna marca,
alicui 1 li. alicui '/ 2 alicui ferto etc. et rogabuntur vt non egre
ferant. Expectauerunt mecum fortunam pinguiorem; dum deus
aliter transegit mecum, equo ferant animo et indulgeant debitis
meis ac defectibus. Ad racionem ergo vendendarum rerum ro
ganda erit Majestas regia, vt mutuet vel de gracia det pro
sepultura quantum sufliceret non ad pompam scd ad sue Maje-
statis et meam honestatem; nam debita hec contraxi pro sue
Majestatis honorificentia ab eaque non exigebam adeo vt eciam
expensas de sue Majestatis prouisione habere non potuerim sed
me semper indebitabam. Et irapresenciarum recepi de 600 ab
Ilynkone pro municione Camyenyecz receptis florenis pro ex
pensis 400 de quibus exoluebam debita bic contracta, residuum
mecum tuli et videbitur, quicquid mecum erit. [Soluta in ver-
sura et absoluta, aliter in archiepiscopatu.] 1
Item anulos in cisticula lego fratri palatino propter pueros
et istos quos gesto.
Item Baruczky percepit ad labores in Camyenyecz peccu-
nias meas mutuatas.
Igitur racionem reddat et quicquid vltra percepta post
vltimam racionem exposuit, istud debetur mihi. Ego nihil in
ea municione reipublice debeo, nam semper impendi de meis
non nihil et specialiter emolumenta cantorie dabam in pecco-
1 Später hinzug’efügt.
Johannes Laski, Erzbischof von Gnesen.
653
ribus etc. Sed hec pro republica deus retribuat et Majestas
domini dignetur fauoribus rependere. 1
Item prouentus anni presentis de beneficiis et clauibus
archiepiscopalibus, quas teneo, commutentur ad debita, de quibus
quoniam parati esse debeant debitum solatiorum famulis soluatur.
Item omnia alia domini executores faciant que intelligent
saluti mee conveniencia quibus do facultatem cum sciencia
Majestatis regie et palatini fratris ad omnia aliter facienda quam
scripserim dummodo salutis et honoris mei ratiouo ducantur,
quibus me infelicem comendo.
Item confirmo testamenti tutorem, quia sue Majestatis
beneiicencie confidam, vt sua Majestas foueat, quod debita sol-
uantur per successorem archiepiscopum saltem cum sedis apo-
stolice consilio et auctoritate.
Mekelburgensis expeditio. 2
Anno presenti seu suprascripto legatus eram per Maje-
statem regiam ad postulandum procandumque Majestati sue in
vxorem virginem Mekelburgensem seu Magnopolensem; quando
vero Bogdan wayewoda Moldauie invaserat Russiam regia
Majestas me ab itinere reuocauit et voluntatem vxoracionis
immutauit Russiamque profecta est ad insequendum woyewo-
dam aut propulsandum et niliilominus jiro sue Majestatis et
regni gloria et pro illius muneris mihi impositi cohonestacione
comparaueram apparatum pro duobus militibus me precessuris
vbique et pro quatuor pueris equos statuosos equitaturis in
perlis et argento proque istis sex et meis specialibus dextra-
libus ambulatoribus equis etc. quorum omnia summa est infra-
scripta.
Summa argenti in gladiis militum et equorum continet
380 1 marcas minus 1 lotli argenti.
Item super deauracionem puri auri expositi 657; quemlibet
tarnen emebam florenum per 42 gr.
Summa aurifabris data 433 fl. et 6 gr.
Summa pro margaritis exposita 535 fl.
1 Die Administration und Befestigung von Kamieniec ging 1508 von Easki
an Johann Boner über. Vgl. T. X ze L., Trzy rozdzialy z historyi skar-
bowosci w Polsce. Krakow 1808. str. 15. 2 S. Einleit. S. 529,
Bl.
17 b.
654
Zeissberg.
Bl.
18 a.
Summa pro necessariis eiusdom itiiferis exceptis equis et
pannis sed tantummodo rebus minutis computatis facit exc.lusis
eciam supra et int'ra scriptis facit 400 fl. per l / 2 sexagen.
Summa margaritariis exposita facit 220 fl.
Regia autem Majestas tantum modo fl. in auro 800 mihi
dederat et pannum pro 40 equitibus ad equitandum vestiendis,
reliqua meo damno comparaui. Quando tandem sum Majestatem
regiam secutus in Russiam sua Majestas nihil mihi dedit tan-
quam illos 800 fl. compensando; igitur et cum equis et cum
novo armorum apparatu nouam feci expedicioncm meorum et
meo damno. Hec ergo fecerunt cumulum dcbitorum, non prodi-
galitas; nam licet argentum vendiderim, sed cum damno magno
laborem axamenta ferrum et alia ommittendo, que conflata nihil
fecissent, prout in nihilum sunt versa. Igitur oraturus sum
deum vt pro virtute regia couerttet deus suam mecuin graciam,
sic inquam, quum regia virtute non repensum est mihi ymmo
in archiepiscopatu sua Majestas alienum exhibebat vultum michi;
prouisio tarnen apostolica erat finaliter vcnerata.
Item anno 1510 computaui debita que debeo infrascripta.
Sunt autem suprascripta vel soluta vel per versuras permutta
(sic). Igitur solucionem debeo infrascriptorum debitorum tantum
modo sed vires excedit.
Item exeeutores testamenti et tutores sicut suprascripti 2
sunt eosdem esse velim.
t
Nicolao Nicolai Radywil palatino Troczensi in
auro 2000. [Solutum.] 3
Nicolao Cosczieleczky episcopo Chelmensi et preposito
Wladislauiensi in J / 2 gr. per l / 2 sexagenas fl 1000.
[Solutum.] 3
Stanislao Jarossky marszalco curie per
700 i/ 2 sexag. fl. [Solutum.] 3
Episcopo Premisliensi et vicecancellario regni 4 in auro
flor. [Solutum] 3 500
Nicolao Czykowsky gladifero Cracouiensi per */ 2
sexag. fl. [Solutum.] 3 2000
1 Vgl. Einleit. S. 52!). 2 16 a. 3 Später eigenhändig bemerkt.
4 Mathias Drzewicki.
Johannes Laski, Erzbischof von Gnesen.
655
Andree Gorra doctori in x / 2 gr- V2 P er sexag. i ( 800
et in auro j [S°lut.] 1 gOO
Domine olim Barbara Rapsztynska de Vnyeczka 2
per y 2 sexag. fl. solut. 600
Doctori Blonye medico in auro j 500
in i/ 2 gr. per l / 2 sexag. j I- 0 ut '] 200
N(obili) Slonkowsky in auro [Solntum] 1 200
M(athie) Szawlowsky vicario Cracouiensi in auro.
[Solutum] 1 100
Beate Odrowanschowa quia mihi donauit pro pecto-
rali quando futurus fuissem episcopus fl. in auro lectos 1400
Igitur dubito si valet repetere eosdem fl. [Soluti] 1 400
Sed ego intellexi esse donatos pro labore et solli-
citudine per me adhibito quod fuisset Sambor restitutum
pro (!) est restitutum.
Item Petro Salomoni in auro [Soluti] 1 1000 Bl.
Item Caspar Bar in auro [ „ ] 1 500 18 b ‘
Item Petro Hodnowsky in auro 1 500
et in l / 2 gr. per i / 2 sexag. j t 0 u * ;um ] 500
Matliie plebano in Lukow in auro 400
Consulibus Gdanensibus 1000.
Joanni Bonar in auro 1000
et in */ 2 g 1 '- per V 2 sexag. 500
Item eidem in auro 500
Georgio Turzoni in auro 1000
d. Johanni Jarand Castellano Calissiensi mfc. 300
Item consulatui Louicziensi in '/ 2 gr. seu in mi-
nuta marc. 100
Suffraganeo Ploczensi Sexagenas ‘/ 2 gross. 200
Thoma plebano in Lanky marc. 80
et in auro fl. 17
Vir gini Powiezka mre. 200
et in y 2 gr. per l / 2 sexag. fl. 30
Item Prandothe palatino Bauensi in '/•, gr. per V 2
sexag fl. 30
Anne duci Mazovie per l / 2 sexag. 2000
1 Später eigenhändig’ bemerkt. 2 Vgl. 15 b. 16 b.
Sitzungsber. 1. pbil.-biut. CI. UXXVII. Bd. 111. Hft.
42
Solutum.
Solutum.
Z e i s t> b e r g.
[Pars exoluta forsan tarnen restant soluendi 1300.]
Item Jaroslao palatino Lanciciensi germano per me
de Boleslauiecz pro expedicione archiepiscopatus expo-
3500
149
89
sitas in y 2 gr. per l / 2 sexag.
Item eidem flor. in auro
Item Matliie plebano in Ossyek mrc.
Domine Russoczka centum in auro in quibus fere
100
1000
maior pars leuium erat
Domino Johanni episcopo Poznaniensi in auro
[Sed restant soluende marce prout infra.] 1
In isto loco per me duo folia sunt extracta absque
19 a- iniuria et iactura cuiuslibet. 2
Anno quo supra 1510 summa summarum soluendarum
mearum debetur hie et scriptorum vt supra et non scriptorum.
In auro 10376- j qui faciunt ) 13835
Summa per me floreni aurei j per [ / 2 sexag. j gr. 10.
soluende (!). , In moneta I 11821 1 qui ex versura
debeo fl. | gr. 19. j accreuerunt.
/2Ö662 flor.
/
Summa om(n)i resoluendo
florenos aureos in flor.
monetarum per ' l / 2 sexag.
facit
Iste summe sunt soluende successiue vt infrascripturus
sum fauentibus deo, fortuna et amicis.
1511. die Jouis quarta mensis Septembris in Lowicz,
19 b. quando dominus Johannes Ribensky prepositus Krutzwicziensis
a domino Bonar de Cracouia rediit, quem direxeram ad facien-
dum compvtum super argento et debitis, deportauit eciam
argentum ecclesie mee vendendum pro municione ecclesie eius-
dem quod non venditum apud dominum Bonar reliquit.
Conscripsi quicquid anno isto soluerim debitorum anno
preterito proxime conscriptorum. Solui quidem non parum, non
de prouentibus eclesie sed suppellectili argentea mea, cuppis,
caraffis, lagenis, et apparatu equestri pro familia et pueris
1 Später liinzugesetzt.
2 Vgl. Einleit. S. 520.
Johannes taski, Erzbischof von Gnesen.
657
condam 1 per me ad pompam curie quando eancellarius eram
regni ex metallo auri argenti comparato. Omnibus ergo istis
venditis exolui debita infrascripta.
Salomoni qui supra solut. fl. auri 1000
Item Caspar Bar fl. aurei 500
Item Stanislao Hynek y 2 gr. 1000
Item Johanni Potoczky */ 2 gr- 450
Item duci Zatoriensi 2 fl. auri 1000
Item Herbordo Hodnowsky in auro 500
et in i/ 2 gr. 500
Item Johanni Bonar in auro fl. 1000
Item eidem in y 2 gr. 500
Item eidem in auro fl. 500
Johanni Turzonis in auro fl. 1000
Item suffraganeo Ploczensi in 1 / 2 gr. per sexag. fl. 200 j
Item domino Mathie episcopo Premisliensi et can-
cellario regni sohii in l / 2 gr. per y 2 sexag. fl. 500
Item Mathie Schalowsky vicario in Castro Craco-
uiensi solui in auro fl. 700
Item Reverendissimo domino Poznaniensi episcopo
in auro fl. 1000
Item domino Jaroslao palatino Siradiensi germano
pro peccuniis de Boleslaviecz per me expositis debeo
iu '/2 g r - 3500
[Quid vero hoc anno sibi soluerim ex Ploczko redeundo
infrascripsi.] 3
Testamenti.
Item ordinaciones testamenti suprascriptas presertim vlti-
mam probo et confirmo cum hac condicione: dum dei et sedis
apostolice gracia sum archiepiscopus, sepeliri debeam in ecclesia
Gneznensi circa sepulcrum patroni sanctissimi Adalberti inter
illud et altare circa columpnam versus mansionariam. Exe-
cutoribus ergo adiungo dominum Vincencium Lagyewnyczky
1 Vgl. 17 b.
2 Janussio; dieser wurde am 17. Sept. 1513 von seinem Vasallen Laurentius
Miszkowski de Spitkouice auf der Jagd erschlagen. In Folge davon kam
Zator an Polen. Vgl. Acta Tomiciana II, 143.
3 Später von ihm hinzugeffigt. Vgl. 27 a.
42*
658
Zeissberg.
Bl.
20 a.
of’ficialem meum. Non tarnen sepeliar inter mansionaviam et
columnam sed inter columnam predictam et sepulcrum patroni
sanctissimi vt supra scripserim. | Sed de sepultura infra viden-
dum aliter.] 1
t 1512. die decima octaua Januarii in Louicz reuoluendo
testamentorium processum executores mee voluntatis vltime et
istius codicilli constituo executores testamenti dominos Vin-
cencium Lagyewnyczky, Paulum Chodakowsky et Gfrotonem
decretorum doctorem et Dominicum de Seczemyn tanquam
consiliarios, Johannem vero Rybiensky et Matliiam de Gorka
canonicum Calissiensem tanquam factores et actores, dominum
autem pro tempore existentem archiepiscopum successorem
meum protectorem eiusdem testamenti.
Circa Barbare regine coronacionem. 2
Testificor autem quia anno preseuti omnia quecunque
habui in argento, auro et gemmis, sericeis pannis, sobellis et
aliis pellibus preciosis, monilibus., anulis dedi domino Jaroslao
palatino Siradiensi germano pro necessitate ornandarum suarum
filiarum, 3 quia ista non habui de bonis ecclesie. ßelique vestes
et suppellectiles in chamchatis 1 et cortenis ac lodicibus mi-
noris precii non sunt eciam de bonis ecclesie sed de seruiciis
comparate, scilicet scutelle, talaria, coclearia et alia communia.
Attamen ista pro alia informacione sunt seruata et tanquam a
fraternis impedimentis liberata, ex quo plus dederim quam
mihi reliquerim, que relicta et si que alia de bonis ecclesie
invenirentur in depositis, scriniis aut cameris meis committo
dominis executoribus predictis per factores convertenda ad ne-
cessitatem iustam meam et salutis mee.
Testificor quia nulli familiarium meorum scio me debi-
torem esse. Soluere consuetus solaria consueta eis in quolibet
quartali anni consueui eciam dicere illis, vt contenti liiis essent;
ad maiora nolim esse obligatus. Nam de liberalitate et gracia
possem aliquid facere, quod arbitrio meo asscriptum sit.
Item eciam spiritualibus quoniam consueui dare solaria
igitur neque illorum aliquos presumo dicturos debitorem me
1 Später von ihm hinzugefügt. Vgl. 27 a. 2 Vgl. Einleit. S. 537.
3 Vgl. 11 a. 4 Von Kamcha, Seidenstoff.
Johannes Laski, Erzbischof von Gnesen.
659
esse; illi expectarunt et expectant provisiones beneficiales propter
deum eis per me faciendas, que, dum pie faciende essent, non
cedunt in sortem debiti neque sum eis debitor vltra ea, que
per tempora anni sicut secularibus sic illis soluo; vires et-
enim mee non se ad plura extendunt, ymmo eciarn conuen-
cione 1 hac pro quadragesima proxime futura vbieunque cele-
brabitur absoluta, aliam facturus sum in domo ordinacionem
.... aliam scripturus ad familiäres in euentum mortis in-
formacionem. Interim ista generalis sufficiat orando deum vt
viuere tribuat tantum quod satis faciam quibus debeo. Igitur
debita denuo infrascripserim cum designacione qualiter consti-
tuam ea soluere dei et saluatoris gracia adiuuante me.
Debita hoc anno repetuntur sic inprimis in auro. BL
Domino Nicolao 2 palatino Wilnensi et cancellario ducatus
Lytuanie carissimo et fauentissimo amico a tempore mortis 2000
olim Alexandri regis teneor florenos in auro et pondere bono solut-
duo millia hungaricales.
Domino 3 Mathie episcopo Premisliensi et cancellario regni
teneor fl. 500 eiusdem auri et ponderis. [Solutum; manu propria 500. 3
archiepiscopus.] 4
Nobili 3 Jacobo Slonkowsky familiari meo teneor ducentos 200. 3
eiusdem auri et ponderis [solut. manv propria arcbiepiscopus.] 4
Venerabili 3 Andree Gorra doctori preceptorique meo 5
canonico Cracouiensi 200 eiusdem auri et ponderis. [Solut. 200. 3
manv propria archiepiscopus.] 4
Tome 3 plebano in 1000 mrc. et 18 auri et ponderis eius- 18. 3
dem. [Solutum vt infra.] 4
Item in moneta.
Eidern 3 doctori Gorra mille fl. in moneta per 4 / 2 sexag. 1000. 3
[Solut. m. p. archiep.] 1
Domino 3 Jarosslcy marszalco curie Majestatis regie 70 0 700. 3
in moneta et numero eisdem. [Solutum m. pr. archiep.] 4
Domino 3 Johanni Bonar 2000 fl. eisdem monet. et numero. 2000. 3
1 Vermuthlich ist der Convent von Sieradz gemeint. Vgl. Eiuleit. S. 537.
2 Radywyl, früher Palatin von Troki, vgl. 16 a.
3 Durchgestrichen. 4 Später hinzugefiigt. Siehe dieselbe Seite unten.
5 Einleit. S. 521.
660
Zeissberg.
600 Domini olim Rapsztinsky castellani testamentorios 600 in
solut. eisdern moneta et numero. [An solutum sit dubito.] 1
1000 Reuerendissimo Nicolao de Cosczelecz episcopo Chelmensi
13. 1000 in eisdem moneta et numero et XII mrc. [Solutum.] 1
1000 Consulatui 2 Gdanensis ciuitatis 1000 in eisd. in. et n.
[Solutum vt infra scribitur.j 1
230 m. Virg-ini 2 Powiczka 230 mrc. Poznanie in conuencione ex-
positas. [Solut. m. pr. archiep.] 1
100 m. Tome 2 plebano qui supra 100 mrc. [Solut. vt infra. Solutum.] 1
100 m. Mathie 2 a Colo plebano erant (centum durchgestrichen)
89 mrc.; nam percepit 20 mrc. Sed forsam non sunt iam ex
integro. Dominus Ribiensky seit, quantum ille a me percepit
solut. a d racionem debiti huius. [Et in regestro Thczami (?) curie Gwas-
dowsky scripsit quociens illi aliquid dedit. Solutum ut infra.] 1
147m. 2 Stepliano 2 Fischel tenutario in Powidz pro redimendo
censu spirituali teneor centum marcas et specialiter teneor
sibi 47 cum ‘/ 2 mrc. [Solut. m. p. archiep.] 1
Domino Roze archiepiscopo pro rebus perceptis per me
700fl. 2 apud Bussynsky et apud nepotem teneor 700 fl., ad quorum
racionem soluturus sum Mathie aduocato in Louicz pro festo
6000 S. Martini centum marc. vt infra.
Pupillis Wiznensibus 6000 teneor exposita pro coadiutori
flor. alias quia istos dissolui alia pro coadiutoria contracta ut supra.
40 m. Kwiathkowski 40 mrc. promisi soluere pro fratribus
meis. [Solutum] 1
100 Gregorio Sarnowsky teneor 100 sexag. pro dote neptis
sexag. sibi deputate.
130fl. 2 Item 2 eidem commisi dare 100 fl. et 30 pro domino olim
Creslao. [Solutum m. pr. archiep.] 1
Bl. Martin o 2 Craniczky pauperi nobili et fratri promisi dare
a - pro dotanda filia centum marcas, pro festo natalis domini fu-
turi. [Solut. m. p. a.] 1
Johanni 2 Grodziczky ciui Poznaniensi teneor pro pannis et
rebus aliis 94 cum media marca pro festo sancti Johannis Baptiste
proximo.
Bartholomeo 2 Raszkoni teneor pro pannis et iopulis fa-
milie datis et dandis 26 mrc. et 27 gr. pro festo s. Johannis.
1 Später bemerkt.
2 Durchgestrichen,
Johannes Easki, Erzbischof von Gnesen.
661
Item 1 Matliie advocato in Louicz teneor pro domino
Roza 100 mrc. et pro fratre domino palatino 35 mrc. quod
vtrumque si pro festo S. Johannis soluere non potero aliquam
partem istius summe tune ex integro pro festo S. Martini solu-
turus sum. [Sol. m. p. archiep.] 2
Item 1 Bartholomeo predicto pro domino Jaroslao palatino
teneor 24 sexagen. siue XYgr. [Solutum manv propria archiep.] 2
Item inter debita suprascripta vbicunque non est signatum
ad quid aut de qua causa debitum erat contractum ibi intelli-
gatur in veritate sic esse, quia omnia ista debita sunt con-
tracta circa expedicionem et in expedicione ecclesie Gneznensis
primurn coadiutorie postea palii et literarum sed successiue ex
versuris creverunt summe, quia, dum impediebar per dominum
Johannem de Lubrancz episcopum Poznaniensem, qui ad Gnez-
nensem aspirabat, comittendo et emendo fl. perdidi quolibet
annorum aliquando 1000 aliquando paulo minus et ista erat
continuacio a die obitus Alexandri regis cuius Majestas obiit
1506 20. Äugusti 3 ymmo incepit duobus annis ante obitum
mortis vsque ad annum 1511. Non possumque non culpare
dominum ipsum episcopum, quia miris modis impediebat me
tune cum iam cedere non potui ymmo eciam post meam pro-
nuncciacionem suggerebat, quatinus sicut olim Syeneyensky
erat factum sic mihi non esset impossibile perpeti etc. cum
tarnen ego cum consensu et olim clementissimi Alexandri regis
et Serenissimi domini Sigismundi regis Rome et vbique tractaui
negocium domino Roza sic volente, quo eciam volonte dominus
Poznatiiensis ipse episcopus moliebatur ista impedire. Deus det
illi suam graciam conscyenciam purgandi pro nocumentis et im-
pedimentis ambiciose proximis suis illarum et presertim post
pronuncciacionem meam ambiciose factis igitur in leuipendium
appostolice prouisionis mihi facte.
Item assumpsi onus solendorum debitorum forsan non parue
summe que est scripta in regestro domini Nicolai Czykowsky,
contutoris puere olim domini Ade Ritwienslcy seu Curozwanczky,
1 Durch gestrichen, 2 Späterer Zusatz.
3 Vielmehr am 19. Aug. Vgl. Mathias Miechou. 254, J. L. Decius, De
Sigism. regis temporibus bei Pistorius II, 300 u. a eine Differenz, die
dadurch erklärt wird, dass der König nach dem erstgenannten starb
,XIX Augusti noctis sequentis hora quartaS
662
Z e i B 8 b e r g.
in quibus Borzyslauicze fratri domino palatino est inscriptum
[a quo mntuatio est facta et soluta debita domine Ade.] 1
Bl- 1512. Quamuis anno eodein decimo descripseram debita
mea sicut supra tarnen nonnulla sunt iam exoluta ita quod
vbicunque scriptum est j solutum manv propria archiepiscopus | 2
ibi debitum est solutum; nam soluciones non asscripsi in locis
specialibus integras sicut descripsi 1513 infrascripto. Itaque
velim vt suprascripte solucioni credatur predicto modo signate
scilicet solutum. [Manu propria archiepiscopus et videatur
anno 1516.] 3
Bl. Vacat.
22 a.
Bl. Romain eundo ad concilium.- 1
22 b.
1512.
Anno isto presente designo prouentus archiepiscopatus
mei ad debitorum solucionem.
In primis quia in clauibus Cainenen(sibus) 400 fl. oneribus
deductis,
Item in Znenense 300 mrc. et vltra,
Item in Gneznensi aliquando minus (?) aliquando plus pro-
uenit marcarum. De istis ergo tribus clauibus anni presentis
prouentus committo dari in manus domini Pauli Chodakowsky,
de quibus soluturus erit capitulo Gneznensi pro residuo calic(um)
125 flor. pro 1 / 2 sexag. Item Sossnyczky genero cui desponsaui
virginem orphanam Powiczka daturus est illas 230 mrc. de
quibus supra 5 Poznanie per me expositas. Item pro Stephano
Fischei genero eidem desponsate orphane daturus est mrc. 25.
Item pro eodem Stephano ad redimendum censum in Powidz
inscriptum daturus erit 100 mrc. Item offic(ialibus) Gnezn(ensibus)
gracie racione 20 mrc. Item Grotoni doctori 15 mrc. et sibi
ipsi 15 eadem racione. Item Mathie Sluszowsky canonico Gnez
nensi racione visitacionis x mrc. Item familiam curie et onera
ecclesie Gneznensis soluet cum flabare (?) canalium et granarii (?).
1 Später eigenhändig bemerkt.
2 | 1 sic.
3 Dieser Satz ist durchstrichen. Darunter: Jo. archiepiscopus deleuit manu
propria.
4 S. Einleit. S. 538.
5 S. 20 b.
Johannes Laski, Erzbischof von Gnesen.
663
1513.
Post 1 decessum meum ex Polonia Johanni Bonar 5200 fl.
solutj.
f 1513. Romain evndo. El
sa a.
Anno domini 1513 die Veneris octaua mensis Äprilis in
ciuitate Olonmnczensi constitutus reuoluendo regestra debitorum
et vltimas voluntates meas prius inscriptas scripturus sum
infrascriptum regestrum debitorum meorum et voluntatis
vltime in presencia notarii publici et testium infrascriptorum.
Inprimis si in isto Romano itinere vbicunque humanis exuar
sic sepeliar vt tune per dei omnipotentis misericordiam potero
ordinäre, ad quem eventum constituo executores voluntatis
vltime duplices vnos qui mecum erunt, alios in regno Polonie
existentes. In regno autem existentes constituo R um in Christo
patrem dominum Johannem dei gracia episcopum Poznaniensem
de Ludbrancz 2 cuius paternitas se obtulit mihi futurum integrum
fieri fautorem et fratrem, venerabiles dominos Petrum Tomyczky
cantorem ec.clesie mee et r. Majestatis secretarium, qui saltem
propter suam bonitatem et virtutem innatam non contemnet
consulere saluti anime mee, et Johannem Ribiensky prepositum
Cruszwicziensem et canonicum ecclesie mee et pro vtrisque
executoribus ac in aminiculum defensionis Rome existentem
dominum Paulum Planka advocatum consistorialem.
Item anno ipso 1513 me Rome agente Johannes Ribiensky
prout mihi scripsit exoluit debita infrascripta de prouentibus
archiepiscopatus mei ideo deleui ea ct in parte versuras nouas
scilicet mutuaciones.
[Inprimis contribuoionem ecclesie 450 fl.
Item Johanni Bonar 2400 fl.
Item domino Trzebicnsky 500 fl.
Item genero Cosczieleczky 1000 fl.
Item mansionariis Schadek 100 mrc.
Item Johanni Grodzyczky mercatori
Poznaniensi 25 fl.
1 Dieser Satz durehstrichen.
2 Der damals auch ,locum tenens prouincialis 4 des abwesenden Erzbischofs
war. Acta Tomiciana II, 202.
664
Zeissberg.
Bl.
23 b.
Item advocato Lovicziensi 100 mrc.
Item Leonardo canonioo Ynyeouiensi fl. in auro. 100
Item officiali Louicziensi Almano 100 fl. in auro.
Item Tome alias Tomek plebano 100 mrc. et fl. in auro
forsan 16.
2000 fl.
3000 fl.
1000 in monet.
solutum.] 1
[Solutum.] 2
Item Sczauinsczy 62 fl. solut. | 1
ln Lypsk c fl. nepoti missi.
Item duci Mazouie Anne in moneta
Item Jolianni Przerambsky castellano
Siradiensi fl. in moneta
Item consulatui Gdanensi
Item Matliie a Colo plebano aduc vt dicit
debeo sibi
lconomo pro domino Roza . . .
f Rome 1514.
dederam litteras infrascriptas sed tandem solui.
Johannes dei gracia arehiepiscopus Gneznensis primas
reeognoscimus presentibus, quia post nostrum ad vrbem istam
Romain ingressum, quam anno preterito die quinta mensis
Junii ingressi sumus spectabilis et famosus dominus Johannes
Bonar consul Cracouiensis pro nostra in predicta vrbe proui-
sione nobis dedit summam flor. in auro quam in baneo per-
cepimus infraseriptam, inprimis 1200 fl. in auro quos conuerti-
mus ad exolucionem debitorum in lite prepositure Ploczensis
contractorum. Item pro singulo mense incipiendo a mense
Januario proxime preterito et eo ineluso vsque ad mensem
Octobrem futurum eciam eo ipso mense Octobre futuro ineluso
nobis procurauit dari et percepimus hic Rome eo ipso domino
Bonar ordinante singulis mensibus fl. 200 in auro, qui per
menses nobis dati et per nos in baneo ordinante domino ipso
Johanne Bonar percepti fl. faciunt summam 2000 fl. in auro.
Itaque predictam summam tarn 1200 fl. in auro quam eandem
2000 fl. eciam in auro per menses perceptorum ipsi domino
Johanni Bonar debemus et super quibus predictis omnibus
1 Das Eingeschaltete durchgestrichen,
2 Scheint später hinzugefügt.
Johannes Laslci, Erzbischof von Gnesen.
665
summis recogniciones eciam nostras ad bancum triplicatas
dedimus vnam que in banco man et, alteram que ad dominum
Fokkar et tercia, que ad dominum eundem Bonar mitti con-
suevit. Insuper rogauimus dominum eundem Johannem Bonar
vt pro aliis sing'ulis mensibus, quibus nos hic Rome inmorari
contingat scilicet pro Novembre, Decembre, Januario, Februario,
Marcio, Aprili et Mayo, si quidem immorari tamdiu hic neeesse
erit, prouideret, quod pari modo singulis eisdem mensibus
200 fl. in auro darentur nobis, quos tan dem, sicut nostre re-
eogniciones ad bancum post singulas perceptiones post mensem
Octobrem proxime futurum eo mense Octobre excluso dande
continebunt, debebimus eklem domino Johanni Bonar exoluere.
Item rogauimus eundem dominum Johannem Bonar vt pro
nostra ex ista vrbe expedicione ac pro expensis redeundi
2000 fl. nobis velit prouidere saltem in mense Februario dari,
que 2000 sic eidem domino Bonar debebimus et soluere pro-
mittimus, sicut venerabilis dominus Johannes Ribienssky pre- Bl.
positus Kruszwicziensis et canonicus Gneznensis factor generalis “ ta '
noster sua manv propria recognoscet. Et in fidem premissorum
omnium presentes manv propria subscripsimus et sigillo anullari
nostra sigillavimus. Datum Rome 14. mensis Augusti 1514.
Johannes archiepiscopus qui supra manu propria scripsit. 1
DebitaRome, contracta 1515 circa meum ex vrbe egressum. Bl.
Lodovico de Caponibus pro Stanislao et
Johanne de Tanczyn. 2
Item pro Janussio Latalssky
Item pro residuo Johannis Longi de Tarnow
Quia licet isti tune cum in Jerusalem
egrediebantur contracta in bancos debita pro
quibus ego üdeiussi soluturi erant in Julio
anni 1514 tarnen quia in spem solucionis per
eos mittende faciebam prorogaciones sic ergo
1 Vgl. Acta Tomic. III, 29. XXIV.
2 Vgl. Acta Tomic. TU, 89, wo Johannes als ,eques Hierosolymitanus*
und ,familiaris III. principis Georgii ducis Saxonie 1 bezeichnet und seiner
Pilgerfahrt nach Jerusalem erwähnt wird. Stanislaus war sein Bruder;
beide waren Söhne des Nicolaus v. T. Palatins von Russland und Ale
xandras von Chozowa. Vgl. Helcl, Pomniki II, 941 nr. 4535; 947 nr. 4643,
pro istis Omni
bus in Decem-
bri anni 1515
. soluturus sum
fl. 438 si illi
non curarent
soluere.
f
666 Heinsberg.
Ludouico eidem de Caponibus per "j
me muttuati 400 fl. pro quibus Martinus (
Rambiessky est principalis quos soluturus J
sum
Jacobo Fokker et nepotibus pro
pontifice 1 intercedendo soluturus sum
■ totum Januarium anni domini 1516
tur mihi
pro arg-ento
sibi mu-
tuato fl. tot
quot sub
consciencia
seit et dicet.
fl. 1516. (sic)
Stanislaus Borg 2 faetor seu the-
zaurarius et in urbe magister domus mee
dicit se exposuisse pro meis negociis
atque expensis vltra summas a me Rome
habitas videlicet 471 fl.
Sunt ista
debita so-
luta iam
quo modo
dominus
Stanislaus
Borg tene-
In Decembri
400
In Januario
anni 1516 so
luturus sum do-
minis vt supra
eisdem 1800.
471 fl. in Polo-
nia soluendi.
Solutum; tarnen pro se Borg tenetur mihi pro argento de
quo supra et infra
Bl. Correxi manu propria in executoribus et Strykow archi-
2o a ' episcopus. Anno 1516 Cracouie xi. Aprilis testamenti executores
designo et presentibus inscribo dominos
Spitkonem de Buszenyn, cancellarium meum et Johannem Ri-
biensky et palatinum fratrem germanum tanquam patronum (?)
qui nihil meum habet preter Strykow opidum quod sibi dono.
Debita que memoror sunt ista mea inexoluta.
Sex millia flor. teneor in moneta per 30 gr. proneptibus
orphanis Wisnen(sibus), ad cuius summe racionem dominus
Andreas de Radzyoyowicze palatinus Plocensis percipit im-
primis 300 mrc. forsan et x mrc. sicut dominus palatinus frater
meus seit melius, quia eo presente Warschouie a domina duce
percepit istam summam.
1 Albert von Wilno? Vgl. 34 b.
2 Borek. Vgl. Acta Tomic. III, 21. XXIX. Peter Tomicki an ihn (18. Febr.
1514): ,Scio, vos oecupatos esse in euranda re domestica et familiari
reuerendissimi dni. nostri archiepiscopi Laski“.
3 Hier sind die betreffenden Namen durchgestrichen,
Johannes Laski, Erzbischof von Gnesen.
667
Item de claue Squirnyeuiczensi percepit primum forsan
600 florenos, super quibus ad me Romain scripserat, et item
vti dominus Rybiensky seit percepit anno presenti ex eadem
claue forsan 300 florenos. Committo istud veraciter compu-
tandum bonis conscientiis tarn eiusdem d. Andree palatini quam
Jo(hannis) Ribiensky; quando vero dei fauente gracia ex Hun-
garia saluus rediero 1 daturus sum operam, vt dominus ipse
palatiuus id quod percepit inscribat in jure terrestri in per-
sonam vtriusque illius orphane et tune eciam eadem dei gracia
adiuuante me prouidere velim vt ex prouentibus auni pre-
sentis pars saltem media tocius liuius debiti soluatur quia propter
alia importunorum creditorum 2 anno isto vix plus soluere ad
istius debiti racionem potero. [Sed est nichil solutum.J 3
Item de consensu domini episcopi Ohelmensis assignaui
suo nepoti et meo genero 1000 flor. in inscriptis summis Pauli
Czarny super ßresezie, 1 qui 1000 debebantur Majestati regie.
Sed eius Majestas mihi illas donauit et circa redempcionem
Bresczie percipere oretenus commisit et in litteris commissionis
ad redimendum genero meo predicto per me expeditis sua
Majestas istud scripsit ac reuerendissimo domino Petro vice-
cancellario dixit et commisit sed propter meam in Camyenyecz
festinacionem 5 non satis prouide, vt equum erat. Qonfido tarnen
quod regia Majestas istud et memorabitur et habebit ratum.
[Et est solutum domino genero vt supra.] 6
Ttem mutuaui flor. [sed iam solui per manus Stanislai
Lippovieczj (i Hör. in auro et pondere bono 1000 a domino
Stanislao Szafranyecz, quos pro natali domini futuro soluturus
eram per bancum dandos pro expedita ecclesia Medniczensi.
Ad mandatum domini Nicolai Radywil palatini Wilnensis hoc
feceram; igitur tantuinmodo debeo eodern domino Wilnensi
Palatino flor. in auro 1000.
Item Mathie Blonye doctori teneor flor. 1000 diu mutuo
mihi datos in moneta per 30 gr. quos in Piantek percipiet et
racionem debebit ex Piantek. [Solutum.] (i
Item illustrissime domine Anne ducisse Mazovie debeo
2000 flor. per 30 gr. vrbem missos per me ad solueionem debi-
1 Vgl. Einleitung S. 555. 2 S. Einleitung S. 554.
3 Scheint später von h. hinzugefügt. 4 S. Einleitung S. 565.
D Vgl. Einleitung S. 556. c Von h. nachträglich bemerkt.
668
Zeissberg.
toruin illinc per me contractorum et duci (!) iterum rediturus
sum iuxta arbitrium eius. [Pars tarnen est soluta; forsan restant
1300 soluendi.] 1
Item teneor mutuatos per 30 gr. flor. 200 Gregorio de
Czyechanow capellano amico veteri meo ; quos eciam Romain
direxi sicut 2000 vt supra. [Solutum.] 2
Item debeo bono et religioso militi domino Bronowsky
fl. 500 sed iam solutus est. [Solutum.] 2
Bl
25 ],. Item ad iter Hungaricum, quod nunc ad vota Hungarie
et serenissimi domini mei Polonie regum ingredior 3 contraxi
nova Cracouie debita.
Imprimis domino Joanni Bonar 200 in auro et pondere
stas/bono et 200 per 30 gr.
e P'l Item eidem pro panuis ad iter istud forsan 400 flor. 4
Item debeo 200 in auro domino Nicolao Jordan castellano
Woynycziensi pro natali domini soluendos. [Solutum. 5 ] 6
Item domino Nicolao Schidlovieczky castellano Sandomi-
riensi 100 per 30 gr. pro quibus ei facturns sum securitatem
cum felix ex Hungaria rediero. [Sed in generum meum trans-
tulit dominus (!) Myszkowsky istud debitum. 5 ] 7
Item de istis expositi sunt priusquam de Cracouia exiui
flor. per 30 gr. 300 et insuper pro panno domino Bonar et pro
barcbany 8 mercatoribus forsan 1 (?). Non soluti sunt sed per me
soluendi. 9
Item Budam cum venero, constabit, quantum ex banco
quando suprascripti deficiem floreni, recipiam.
Item redeundo ex Hungaria debeo instare, vt regia Ma-
jestas ab istis saltem nouis debitis me liberet, quia non pro
mea sed sue Majestatis necessitate liec exposita sunt et Bude
1 Von -Jj. nachträglich bemerkt; 1300 s. durchgestrichen.
2 Von £. nachträglich bemerkt.
3 Einleitung S. 555.
4 Acta Tomic. IV. 23 nr. XIX: Sigism. an L. und Christof Szydlowiec:
Commisimus vero Joanni Boner, ut viaticum vobis et pannum pro fa-
milia subministret. 1
5 Späterer eigenhändiger Zusatz.
c Am Bande: Eciam ad iter Hungarie.
7 Am Rande: Solutum. 8 Barchent. 9 Am Bande: Jam solutum.
Johannes Laski, Erzbischof von Gnesen.
669
exponentur. [Tandem sua Majestas exoluit mille ducatos sed in
veritate sua Majestas pro illo itinere domino Jordan et genero
vt supra solutura esset, prout oranda est meo nomine.] 1
Item teneor testamento domini olim Andree Rapsztinsky
castellani fl. 600 [absque 60], 1 [Soluta sunt in expedicione
funeris et solariorum familie eiusdem olim domini Andree.] 1
1516. Rytwani.
In Rytwiany facta racione cum Stanislao Grzynraltowsky
vexillifero remansit forsan 300 fl. et tantummodo mihi dedit
marcas 90 de prouentibus trium annorum scilicet 1512, 13, 14
et 15; sed duodecimi predicti anni percepit prouentus in aliqua
parte dominus Nicolaus Czykowsky, quem quietaui et ipse ra-
cionem seit et faciet de annis, quibus tenuit Rytwiani vsque ad
vexilliferi intromissionem; primorum enim annorum percepta
conuersa sunt ad conseruacionem et lutorie (?) et castri, sievt
dominus Czykowsky regestra habet. Annorum autem trium vsque
ad presentem faciebat racionem Grzymultowsky et remansit
tantum quantum in libro inventario bonorum Rytvyani est per
Ribiensky scriptum, cui facienda est indulgencia seu dimissio
ad maximum 100 flor. et non plus, quia revera vt ex racione
comperi indiscrete et prodige se gessit in illa factoria bonorum,
quia tantummodo percepi ab eo de 3 annis, quibus Rome steti,
90 marcas.
Item predictas 90 marcas dedi ad reformacionem castri
Rytwyani in manus domini Dobeslai Coslowsky, cui illa commisi
bona gubernanda, in quibus bonis hoc anno steti multis diebus
granicies et defensionem bonorum faciendo exposuique non pa-
rum et ex ea necessitate me ibi agente et commissarios alios-
que juris consultos seruando Casus insperatus conflagrati castri
contigit.
Item eidem Stanislao Grzymultowsky tenor (!) mutuatos
700 fl. per 30 gr. vel circa, vt domino Ribiensky constat.
Späterer eigenhändiger Zusatz.
G70
Zeissberg.
Igitur defalcandi erunt sibi ad debiti sui racionem flor., qui vltra
indulgenciam predictam remanebunt; reliquum soluturus sum.
[Solutum.] 1
Bl. 1516.
■26 b.
Bude constitutus die 2 designaui infrascripta ad
solucionem debitorum ac pro sepultura et piis operibus.
Item assigno, designo et inscribo presentibus anni presentis
proventus integros mense mee archiepiscopalis.
Item designo, inscribo et assigno arendatorum bonorum,
clauium Squirnyeuicze et Lagouycze per sex annos arendatorum
cum sedis apostolice consensu singulis annis 2000 fl. prout
littcre disponunt apostolice.
Item designo, assigno et inscribo bona omnia mea mobilia
et res tarn mecuin quam in Vnyeow existentes videlicet ar-
gentum in scutellis, talariis, pelium, cantarorum et quecunque
cuiuscunque generis sunt res mee proprie, quia non de bonis
ecclesie sed labore et seruicio ante assecutam ecclesiam G-nez-
nensem per me comparate et liabite, vestibus et aliis quibus-
libet rebus ineis inclusis.
Item argentum mihi per dominam regni thesaurariam
Katherinam mutuatum committo et oro sibi restitui, cuius seit
et numerum et valorem dominus Ribieusky [prout est datum
seu restitutum.] :l
Item eciam designo, assigno et inscribo equos, currus,
quadrigas et quiequid rer um est mearum; sed pro fabrica
ecclesie mee hoc domini executores conuertant, quod dominus
Ribiensky seit verisimiliter comparatum tempore archiepisco-
patus scilicet equi., quorum ambulator melior et quadrigales (!)
meliores dentur domino successori meo vt misereatur anime mee
et executores iuuet non solum consiliis sed eciam patrociuiis
et auxiliis cuius protectioni et hoc meum testamentum et meam
voluntatem vltimam presentem et aliam si quam fecero committo.
1 Spätere, eigenhändige Eintragung.
3 Später von L. selbst beigefügt.
2 Lücke.
Johannes -Laski, Erzbischof von Gnesen.
671
Item quum Rome exposui pro expedicionibus perpetuis
ecclesie mee tociusque prouincie Gneznensis, item pro jubileo,
item pro legacione ad minus 3000 flor. igitur isto respectu do
minus successor velit esse pyus protector, prout eum inscribo
protectorem, prout supra immediate seripserim.
Item oro fratrem carissimum dominum palatinum, velit
amice et iideliter curare cum collegis executoribus, vt debita
soluantur, saltem summam in Boryslauicze inscriptam daturus
ad solucionem debitorum. Sufficiat sue fraterne caritati mea
fraterna in eum benivolencia et amor, quia de seruiciis meis (?)
eum extuli, nonnulla bona sibi comparaui, filios educaui et tres
iilias educaui et tres Alias dotaui nuptuique lioneste et suffi-
cienter locaui et extradidi, sed spero, quia premissa designata
et inscripta sufficient ad solucionem debitorum.
Item seruitoribus consueui solaria soluere et anni pre-
sentis Cracouia egrediendo eciam quatuor .tempora eis sancti
Spiritus futura solui. Igitur petantur, vt cum eorum bona volun-
tate expectent tantum tempus quantum domini executores opta-
bunt, quod interim domini executores intelligant, si quid vltra
debita liabituri erunt pro eorum consolacione, prefigentur eis
tempus et locus veniendi, in quo diceretur eis et daretur id quod
fieri posset ab eorum defuncto et paupere archiepiscopo, quibus
daretur secundum quod racio et discrecio sua dabit; Specialiter
agazoni Alberto quondam Tartaro dandi essent ad maximum
centum flor. pro seruiciis domino Creslao et mihi prestitis. Item
agazonibus et aurigis et quibuslicet plebeis detur aliquid, quod
non eant a meo cadauere manibus vacuis. Item specialiter eciam
oro dari Mathie Pyrzynssky carissimo familiari meo, si bene-
ficium ecclesiasticum non fuerit ex me assecutus marcas ad
minus 20 sed iuxta eius merita et meam voluntatem quod eciam
darentur ei C flor.; sed si fieri non potest dentur marce vt supra;
quem domini executores velint commendare domino successori,
quia est optimus camerarius rectus fidelis diligens et obsequen-
tissimus. Item Christoforo coco detur tantum quantum plus va-
lebit discrecio dominorum executorum dare; sed si tarn Pyrzynsky
quam ipse cocus beneticia consequentur ex me sint contenti in
ea expedicione.
Item sepulturam eligo et inscribo faciendam non in ec-
clesia sed in cimiterio sacro, vbicunque dominus successor aut
Sitzuugaber. d. pliil.-hiat. CI. LXXVII. Bd. 1JI. Ht't. 43
Bl.
27 a.
672
Zeiasberg.
Bl.
27 b.
ego viuens sacrum conspergemus cimiterium; placeret autem
mihi, quod aspergatur cimiterium ex vtraque parte chori ec-
clesie mee extratinus. In signum sepulture saxum poneretur,
sicut visum esset domino successori; in honorem vero proque
auctoritate loci saci’ati poneretur aliqualis . . . dicio supra
columnellas circum saxum.
1517.
In Lowicz die octaua Januarii descripsi debitorum non
quidem solucionem, quia insoluta magna in parte ad hunc quo-
que annum remanent, sed versuram vt infra.
Anni 1516 alias proxime preteriti domino doctori Blonye
commisi dauern Piantek, vt ex ea debiti sui 1000 flor. per
30 gr. pei'cipiat solucionem.
Igitur anno eodem faciet racionem inclusis stacionibus
mihi datis quantum percepit, residuum anno suprascripto pre-
senti scilicet 1517 percepturus, si viuam; quocunque vero rnense
deus oinnipotens animam quam infudit reposcit, domini exe-
cutores anni gratie partem exigere debeant vigore bulle per
me pro episcopis ad habendum annum gracie impetrate, quam
in sinodo commendaturus sum dominis episcopis aut dominus
successor cum executoribus commendet. 1
Puerorum 2 Visnen(sium) debitum sex millium per 30 gr.
hoc modo procedat ad solucionem. Imprimis dominus olim
Andreas de liadzieouicze palatinus Ploczensis existens capi-
taneus Squirnyeuiczensis percepit 1000 fl. ad racionem eorun-
dem sex milium, percepit quidem ea spe, quia optabat vnam ex
illis orphanis proneptibus filio suo desponsari; sed dum fuerit
premortuus et virgines nondum nubiles sint ille, tune dei gracia
fiat desponsacio, quando unquam futura sic aut aliter, relicta
tarnen domini palatini eiusdem vxor debet et vult pro eisdem
1000 fl. respondere sieque mihi per Curdwanowsky exac.torem
[personaliter in (?)] 3 Squirnyeuiezensem intimauit, quia vult cum
pueris aut soluere(?) aut inscripcionem pro securitate puerorum
facere. Ego tarnen opto, vt senior daretur filio, ex quo iam
mille flor. percepere.
1 S. Einl. S. 555. ‘ 2 Mädchen; vgl. 20b 25a.
3 Am Rande hinzugefügt.
Johannes Laski, Erzbischof von Gnesen.
673
In Squirnyeuicze et Lagouycze claues arendaui domino
Nicolao Oosczieleczky episcopo Chelmensi et nepoti meo Johanni
Bononiensi scolari singulis annis pro 2000 flor. per */ 2 sexagenos
incepitque arendacio ab anno integro preterito proxime. Igitur
eiusdem anni predicti proxime preteriti assigno ista duo millia
ad solucioneni predictam sex milliuni. Recepi quidem ex eodem
anno preterito apud Curdwanowsky forsan 500 flor. sed tam-
quam in mutuum, restituere etenim velim ad eum ex aliis
clauibus percipiendos eosdem 500 fl., vt integra ipsa duo millia
conuertantur ad debiti illius sex milium solucioneni, quam
restitucionem spero me faciendam hinc ad festum S. Johannis
si viuam, si moriar, tune ex anno gracie supplementum sit
querendum.
Item anni presentis scilicet 1517 eiusdem arende integra
duo millia assigno ad eiusdem debiti proneptium exolucionem;
et similiter quiequid restabit inexolutum tarn pro isto quam
pro | aliis infrascriptis debitis hoc successiue de arenda ipsa sit
soluendum.
Arende istius est notarius (?) et Rome tutor Stanislaus
Borg carissimus amicus meus, cui vt michi*ipsi confido.
Item debita Romana que supra 1 anno 1515 descripsi sunt
per me exoluta eciam Stanislao Borg cui argentum mutuaui,
vt seit Jacobus Gwiasdowsky in eam spem, quod arendare
defendat.
Item Stanislao Schaffranyecz exolui 1000 aureos, de qui-
bus supra.
Item Duci et Tutrici Mazovie Domine Anne teneor 2000 flor.,
que supra, [scilicet forsan 1300 iam enim pars est exoluta]. 2
Item teneor Gregofio de Czyechonowo Cracouie manenti
Mazoviano(?) meo speciali amico 200 fl. vt supra.
[Solutum.] 2
Item Bronowsky militi solui [totum]. 2
Item debita Hungarici itineris solui domino Jordan sed
300 flor. domino Bonar vel circa non exolui. •*
Item debitum 700 flor. Stanislao Grzymultowsky a lurek
mutuacionem faciendo, cui Turconi commisi dauern Camyen
Bl.
28 a
1 24 b. 2 Später eigenhändig- hinzugesetzt.
3 Am Rande: eciam solutum. Darunter durchgestrichen: archiepiseopus
correxit.
674
Zeiasberg.
Bl.
28 b.
cum integris prouentibus anni preteriti scilicet 1516. Igitur ex
racione cum eodem Turek facienda constabit, quantum deficiet,
quod nou pereepit. Quicquid ergo deficiet, hoc anno presenti
scilicet 1517 percepturus est in eadem claue vel executores
secum componant; sed anno futuro percipiet residuuin.
Item ad annum presentem et futuros, si vixero et si aliter
non scripsero, executores mei testamenti in partibus 1 Spitkonem
de Buzenyn curie mee cancellarium [et Joliannem Ribiensky
vt supra 2 scilicet (?) cum palatino fratre], 3 in curia Romana
Stanislaum Borg et Joannem nepotem Bononie studentem. Isti
alii in regno manentes executores faciant, sicut poterunt melius
absque illis. Protectores sint in partibus dominus successor
meus ecclesie ac frater germanus mens dominus Jaroslaus pala-
tinus et Jeronimus eius iilius. Non habituri sunt occupaciones
multas, quia pauca mobilia relicta bona raea reperient, sed
circa manutencionein arende erit non insperata defensio, quia
successor conabitur impedire, sed facilis erit defensio bulle
presidio. Juste autem staciones debebuntur domino successori
archiepiscopo in eisdem clauibus arendatis; pro quibus stacio-
nibus qualitercunque ordinäre velit dominus meus successor
sic fiat, dummodo duo milia singulis annis flor. ex eadem
arenda executores mei perciperent ad soluciones debitorum
supra et infra scriptorum, pro quibus debitis eciam mobilia
bona lego sic vt scripsi supra anno preterito scilicet 1516.
Item de Boryslauicze aliam scripseram voluntatem infra-
scriptam, sic quia domino palatino daturus sum illa milia, que
in Borislauicze habet inscripta. Borislauicze vero designa-
buntur ad dotacionem vnius proneptium Wisnen(sium); sed de
hoc videnda erit infrascripta ordinacio, quam velim in con-
vencione Piotrkouiensi 1 facere [et forsan sic quod Boryslauicze
daret cum pronepte Nicolao Russoczky, tercium mille dimit-
tatur] 5 [virgini Ritffienska, quia forsan non omnia exolui debita
sui patris. 3 Sed anno futuro racionem mecum sum facturus.] 1
1 Die folgende Zeile durchgestrichen. Am Rande: Executores. 2 25a.
3 Am Rande naeligetragen. Zwischen: cancellarium und in curia ein f, unten
am Rande der Seite: f cörrexi arehiepiscopus manu propria executoribus.
4 Welche 1517 am 10. Februar stattfaud. Vgl. Acta Tomie. IV, 103.
5 Späterer eigenhändiger Zusatz.
c Adam Ritwiensky vgl. 21a. 1 Am Rande nachgetragen.
Johannes -Laski, Erzbischof von Gnesen.
675
Item pro familia et sepultura sicut supra.
Item designaui declique consanguineis meis de Sczawin
tei-re Wielunensis terrigenis ad racionem exoluendi eorum debiti
1000 fl. auni preteriti proxime prouentus integros clauis Wyelu-
nensis; facta racione constabit, quicquid restabit inexolutum, et
id quidem per executores meos eis sit solueudum de arenda
suprascripta. [Solutum.] 1
Item debeo domino Nicolao Radiwil palatino Wilnensi
compatri meo fl. 1000 in auro, quos assigno ex arenda sol-
uendos. [Solutum.] 1
Item 600flor. domino Andree Rapsztinsky de quibus supra;
quicquid est solutum dominus Johannes Ribiensky seit, resi-
duum ex arenda erit soluendum. [Solutum circa sepulturam.] 2
Item de(beo) 1000 domiui episcopi Cosczieleczky; sic res
estintegra, vt supra anno preterito scripsi scilicet 1516. [Solutum.] 1
Item plebano a Colo Mathie videlicet doctori forsan vt
ipse dicit aliquid ei debeo, quod seit dominus Ribiensky; cui
soluatur ex arenda, sicut dominus Ribiensky fatebitur debitum
vel non debitum esset sibi. [Retulit tandein coram me pater
Ribiensky solutum istud debitum integrum per eum. Solutum.] 1
Item quod scripseram de modo contractorum debitorum,
sic vt supra s a. 1512 ita esse semper fatebor et sic inscripta
permaneat voluntas preter dominum episcopum Poznaniensem,
cui indulsi, quia invicem reconciliati sumus et forsan sua domi-
nacio suam 4 conscientiam hac racione resoluebat in eo casu,
quia se doctiorem et vtiliorem vtrique reipublice mihi indocto
et invtili preferre voluit, quod si ita intellexit sibi jure lieuit,
tarnen et ego tan tum curo prodesse vtrique reipublice eccle-
siastice et mundane in hoc regno Polonie. calamitoso, vt facere
deberet quisquis doctissimus et fidelis fauere volens aügmentis
ecclesie et regni, cuius vtriusque racione me ad concilium con-
tuleram Romanum perpessus ibi multa aduersa in corpore et
iacturas in rebus et nihilominus plus ibi seruitum est per me
ecclesie et regno quam persone, quod ex effectu expedicionum
constat, quia nihil persone intuitu obtinui preter beneficiorum
1 Späterer eigenhändiger Zusatz.
2 Gleich der Hand, welche die späteren eigenhändigen Zusätze macht.
3 21a. l Am Rande: quod tarnen opinatiue scripserim.
676
Zeissberg.
aliquorum reseruacionem attamen ea racione factam, vt per illa
t assecuta evincerem alia in perpetuam ecclesie commoditatem
29 a. impetrata, | prout videbit ita esse si assequar vnita pacifice.
Romana nova debita.
Item noviter hoc scilicet anno contraxi debita ad expe-
diciones Romanas apud dominum Bonar forsan 300 ducatos vel
supra que direxit Romain vel circa istam summam plus vel
minus qui tarnen sic dicet vt in veritate exposuit. [Solutum.] 1
Item apud Petrum Swianthkowssky recepi mille quadrin-
gentos florenos per */ 2 sexag(enas) pro festo S. Joannis sol-
uendos, quos eciam ex arenda suprascripta committo soluendos
si aliter ei non soluero.
Istos autem 1400 fl. in 1000 aureos permuttatos Romam
direxi ad expediciones in causa Ploczensis et Lanc(iciensis)
custodiarum exponendos sicut Nicolaus Wolssky marszalcus
meus seit ordinem faciendam eorundem expositorum dictorum
M flor. et hoc fit in fauorem nepotis Joannis 2 nec est solutum
preter vnum centum, quod est datum per dominum Petrum
Swantkowsky ad capsam jubilei pro anima domini olim Reueren-
dissimi Roze archiepiscopi et includendum est per me istud
C summis jubilei.
Item nepoti Jeronimo pro milicia deducenda dedi fl. 1000,
quem de hoc auisatum effeci, vt non plus expectaret a me sed
cum istis tantummodo peregrinaretur quantum poterit et eosdem
mille apud dominum Andream Dvnyn in mutuum recepturus
sum, prout recepi, soluturus pro natali domini anni presentis
per V-2 sexag(enas) [needum solui.] 3
Item domino Jaroslao palatino Lanciciensi germano meo
teneor pro meipso forsan 580 fl. de quo scire debent domini
Clemens Bussinsky et Joannes Ribiensky et pro genero Mys-
szkowsky nescio quantum 3 sicut exposuit pro expedicione ne
potis Jeronimi; dedi autem hoc anno domino palatino fratri
fl. 100 nescio ad cuius debiti racionem perceptos a Jacobo
Gwiasdowsky Torunie. Quicquid debebitur ei ex arenda vt
1 Späterer eigenhändiger Zusatz.
2 Dem jüngeren Johann Daski verlieh der Papst noch in demselben Jahre
(30. Nov.) die Custodie an der Marienkirche zu Deczyc und Canonicate
zu Krakau u. Plock. Vgl. Theiner II, 378 nr. 405, 3 25 b.
Johannes Laslri, Erzbischof von Gnesen.
677
supra soluendum assigno et committo [sed iara solutum vtrum-
que hoc debitum, scilicet et domini palatini et Mysszkowsky
generi. — Solutum.] 1
Item debeo domino Czasznyczky decano Lovicziensi cen
tum flor. per 30 gr. forsan et 70 flor.
Item domino Schamowsky preposito Lovicziensi sexag.
centum.
Vtrumque istud debitum pro festo s. Joannis promisi sol-
uendum ex fluitacionibus, [sed facta est dilacio solucionis ad
frumentorum (?) fluitacionem futuram. Solutum] 1
Item Bukowsky familiari pro equo teneor X sexag(enas).
[Solutum.] 1
Item Widawsky Wanszyk familiari pro equo X marcas
teneor.
1517 2.
Item pro municione ecclesie in Lassko omnes proventus
percipiebat quietabatque dominus Nicolaus Przeczen tenutarius
clauis Klvky et Sandzcouicze de qua eciam claue curiam Pie-
ldonie edibcabat. Igitur secum fiat racio.
Item de racionibus exactorum.
Item ecclesie Gneznensi teneor fl. 100 residuos a calice
aureo, qui est conuersus pro fabrica turris ecclesie plumbo
tectae, quos 100 fl. mandaui, vt dominus Ribiensky Znene ac-
cipiat detque capitulo [prout iam solutum.] 1 [Solutum.] 1
Domini Creslai, quando Romain ibam 2 forsan commiseram
Joanni Ribiensky flor. per '/ 2 sexag(enos) 60, quos consumpsi
eo dispensante de Cracovia usque Viennam sed exposui tandem
[vt infra] 3 tripliciter pro saxo marmoreo. [Igitur solutum.] 1
Putat Joannes Ribienssky, quia teneor pro equo olim
Hinkonis succamerarii fl. 30 vel 25; sed Janussius Swirczewsky
presumit de hoc scire. Ego tarnen puto me eam solucionem
fecisse in manibus olim Andree Cosczieleczky zuparij. Tarnen
in ea incertitudine pyum esset vt darentur pro anima Hinkonis
interrogato Janussio Swirczewsky.
Mansionariis in Scbadek soluit Joannes Ribiensky C marcas;
sed apodixam non restituerunt(?). [Solutum.] 1
1 Später eigenhändig beigefiigt. 2 1500; vgl. 7 b.
3 Am Rande.
Bl. •
29 b.
678
Zeissberg.
Bl.
30 a.
Abbati Svleouiensi Salomoni teneor mrc. 100. [Solutum.J 1
Pro Krznez (!) 40 marcas, quas commisi per Znenyczky
exactorem Vnieouiensem soluere. [Solutum.] 1
Martino Kromeczky teneor 140 marc. in vlla Manczkawola
inscriptas. [Ergo solutum.] 1
Boryslauicze sunt quittancie solutorum debitorum in summa
473 fl., alie quittancie sunt apud dominum palatinum fratrem
meum. Item eciam in priuilegio Wedercoff summe sunt scripte,
ita quod iuste habiturus est frater meus dominus palatinus
castrum Boryslauicze in tribus milibus [et vltra], 2 sed quia
forsan non exolui tercium mille, nam sunt nonnulla debita
domini Ade 3 inexoluta, igitur debebit dominus palatinus
frater meus pietati et iusticie deferendo dare castrum Borysla
uicze pro dote pronepti sicut supra 4 de domino Russoc.zky
scripsimus, residuum mille virgini Ritliwiensska dimitteret, quam
cui desponsabunt tutores deus seit, ego tarnen de ista virgine
Rytwenska sic dispono, vt dominus palatinus daret eam contu-
toribus meis cum sciencia et voluntate patrui cuius conseruetur
fauor et beniuolencia. Ausim tarnen fateri me exposuisse circa
voluntatem vltimam et tutoriam domini Ade plusquam tria
millia. [Sed videatur infra post racionem mecum factam alia
descripcio.] 5
Rytwyensky.
Item sciendum de 20 fl. Nicolao Przyborowsky per me
solutis; cuius debitum illud erat [incertus sum] 5 an domini
Creslaj vel Ade nepotis eius.
Teneor fratri domino palatino fl. 180 pro debito Ca"' (!)
Sirad( ) quos anno presenti a me exegit, anno scilicet
1515 (!); [sed est iara solutum per me.] 5 [Solutum.] 5
Consules Louiczienses nolunt habere domum, quam eis
assignaueram apotecariam. Igitur contentandi sunt pro 100 mar-
cis; sed quia non habeo tantum in rebus, igitur domum acci-
piant et intuitu fauorum nostrorum eis per nos exhibitorum
reliquum dimittant rogamus et rogandos comittimus; [sed anno
futuro verius scriptum erit.] 5
Stanislaus capitaneus Wyelunensis seu Crzepiozensis de
Cvrozwanky tantummodo sexingentos florenos mihi dedit ad
1 Später eigenhändig beigefügt. 2 Am Rande.
3 Ritwiensky vgl. 21 a. 28 b. * 28 b. 3 y on j,. später bemerkt,
Johannes Laski, Erzbischof von Gnesen.
679
racionem debiti per eum in actis domini Cracouiensis episcopi 1
mihi inscripti; optat vt sibi residuum dimittam. Ego quoque sum
eiusdem voluntatis vt dimittam [defalcatis 60 qui supra . . ]; 2
tarnen, quia ego pro debitis olim domini Creslai ac ad exe-
cucionem eins voluntatis vltime multa impendi de meis, igitur
si moriar debitis meis non exolutis volo; quod executores mei
vltra predictos 600 11. quicquid ipse dominus Stanislaus debet
soluat(!) et executores mei ab eo exigant, cuius debiti quadrin-
gentis(!) florenis pro meis debitis extradantur, residuum ad
pia opera pro anima domini Creslai conuertantur imprimis vero
saxum ex Strigonio marmoreum adducatur.
IIic squinancia (!) 3 suffocabat me, anno quo supra 1517.
Si moriar liae in re (?), siquidem 27. Januarii egritudo
squinancie me molestat, in qua si moriar volo, quod mille fl. a
Swiantlikowsky mutuati restituantur; pocius volo destituere
earum defensionem et nepotum prouisionem, quam hoc debitum
esset inexolutum quod cum magna caritate et beniuolencia mu-
tuauit mihi Swianthkowssky.
Militem Wolssky 1 familiärem et Johannem ncpotem sco-
larem Bononiensem committo et commendo domino successori.
Miles erit pro honore prelatus; nepoti, quia docilis est, pyum et
gratum eri, patrocinari, qui coadiutor est in canonicatu Cra-
c(ouiensi) meo.
Item bullas commendo manibus domini Buszensky vna
cum cisticula corrigio obvoluta; de et pro illa sic faciet, sicut
successori nostro placebit et capitulo.
Doctor Dominicus 5 ad fideles manus habuit a me pre-
bendam s. Marti(ni); ipse quidem voluit eam simpliciter habere
et postea obtulit se facturum id quod bona consciencya pro
voto meo faciendum optarem, tarnen ego sic ei resignaui vt
tandem ab eo repetiturus essem eandem prebendam, sed ipse
forsan duriorem se wlt in ea re gerere. Igitur oro vti carum
fratrem, velit sic facere, permuttet eam ad contontacionem
duorum familiarium scilicet Nicolai Krzyszanowsky et Bra-
nyczky quia in veritate satis a me prouisus est dominus doctor;
1 Johannis Konarski vgl. 38 a. 2 Am Rande nachgetragen.
3 Grössere Schrift. 4 Vgl. Einleit. S. 568. 5 de Seczemyn,
Zeis.sberR.
680
nam tantummodo triennium mihi seruiuit, postea peregrina-
batur etc. Sed habeat cancellariam pro sua Sorte et seruiat
sanctissimo Adalberto. 1
Item dominus Joannes Ribiensky prebendam Curzelowien-
sem mihi debet ; quam tenet. Igitur sic faciat: duos familiäres
30 b. meos Mathiam Pirzinsky et | Cristoforum cocum prouideat
beneficiolis eorum victui satisfaciens, prebendam autem Cvrze-
louiensem conuertat pro suo nvtu sicut de hoc nonnihil meus (?)
loculus (?) erat eciam in hac egritudine mea. [Sed iam tandem
dimisit eandem prebendam ad mandatum meum; ergo de ser-
uitoribus istis anno futuro videndum.] 2
Item de Squirnyeuiczensibus prouentibus anni 1516 de-
ducatur eadauer miserum meum ad sepulturam, cui tradatur
absque omni pompa, vel sic ut supra pecii ac scripsi, vel sicut
domini de capitulo decernent sepeliendum, quibus do facultatem
locum deligendi inhumandi mei. Deus ex sua iinmensa pietate
supplebit meos defectus cui et credo et confido, quia miserabi-
tur anime per eum create corpore et sensibus meis vanis et
curiosis irreligiöse recte atque curate.
Proventus Langouiczenses anni 1516 sunt apud dominum
Syrchowsky; de illis sic disponant domini executores, vti frater
carissimus dominus palatinus decernet. [Solutum.] 2
Item prouentus Opatouienses anni 1516 in parte maiori
debentur mihi, de quibus scilicet de decimis et censibus anni
presentis Stanislaus Lypouiecz et'Syszkowsky respondeant exe-
cutoribus. [Solutum.] 2
Item in clave Ynyeowiensi similiter de eodem anno exactor
Zyrnyczky respondeat et faciat racionem. [Solutem.] 2
Petrus Prussynowsky eciam racionem faciat sufficientem,
quia faciebat quidem eam antea vti seit dominus Rybienslty;
sed de tribus forsan annis non fecit. Ideo racionem reddat, cum
non plus quam viginti marce pro salario computeutur. [Solutus
et quittatus.] 2
Item Cvrzelouien(sis) clauis carrissimus amicus dominus
Cholinsky faciet racionem faciliter, quia forsan plus exponebat,
1 Am Rande: Attamen ipse doctor (.lebet mihi istam prebendam reddere,
quia familiäres istos prouidi, sed eam in nepotam conuertat.’ Sed aliter
infra.
? Späterer, eigenhändiger Zusatz.
Johannes £aski, Erzbischof von Gnesen.
68!
quam percipiebat, cui pro solario computemus viginti inarce.
[Yidendum inf’ra anno inferiori aliter descriptum.] 1
Prouentus in Camyen dentur anni predicti scilicet 1516
domino Tvrek; pro residuo secum componatur. [Fuereque dati
sed anno inferiori racio secum est facienda.] 1
Quando morbo squinantico opprimebar timens periculum
vite istius temporalis incepi scribere sic vt infra voluntatem
vltimam; iam vero tune loqui vix lieuit, ideo per manus Lau-
rencii de Powidz notarii publici continuatam supplere de-
scripcionem sic vt infra 2 immediate post manus mee scripturam
continetur.
Summa summarum debitorum die 27. Januarii anno 1517 Bl.
• • 3i a
senptorum sequitur.
Duci Mazouie 2000"“ in '/ 2 gr. fi. [Sed iam tandem minus
sic vt supra 3 ac infra scribitur.] 1
Palatino Wilnensi Radywil 1000 ,e in auro absque 50 pro
cambio prioris 4 mille dati. [Jam tandem solutum.] 1
Item virgini Wisnensi 5 5000 11 "; nam sextum est apud do-
minam et pueros olim domini Andree de Padzeouicze 11 [cuius
filius senior promisit in forma camere (?) pro festo s. Joannis
anni 1518 soluendos sub censuris]. 1
Item Andree Rapsztinsky 540. [Solutum.] 1
Item domino Blonye vt supra [et est solutum]. 1
Item Sczawiensky vt supra [et infra et est solutum], 1
Item Bonar quos anno presenti Romani direxit 205 et
Cursor soluendi; sed dominus Czykowsky cum plebano Grorzko-
uiensi 7 ab seque b,ls (!) eos exigant et soluant. [Solutum.] 1
Item eidem d. Bonar antiquioris debiti forsan minus quam
300; tarnen dominus Ribiensky seit. [Solutum.] 1
Item 8 domino iconomo Lowycz et domino Buzenski
Vnyeoyw interim commendentur. [Sed iam iste claues suos
habent juratos capitaneos.] 1
1 Späterer eigenhändiger Zusatz. 2 31 a. 3 28 a.
4 Vgl. 25 a. 20 b.
5 Wohl: uirginibus Wisn.; vgl. 20b. 25 a. 27 b. 28b. 34 b.
6 Am Rande links: infra videndum.
7 Josephus de Clepacz.
8 Von hier beginnt der Notar Laurentius von Powidz.
682
Zeissberg.
Bl.
31 b.
Item camchatcs, lodices et quecunque res possunt vendi
vendantur.
Item due tunice cum gemmis scarlatice; que preciosior
est detur pro ecelesia Gneznensi per capitulum vendenda pro
amiiuersario, alia vero nepoti Jeronimo. Alias sit ad disposi-
cionem patris sui domini palatini.
Item de armis meis propriis dentur decem nepoti Jeronimo,
quatuor Nicolao Wolski.
Item de toto equestri apparatu disponat frater dominus
palatinus sicut wlt cum argento et sine argento.
Item gladium argenteum deauratum nepoti Jeronimo.
Item gladium sacratum, qui est in lecto, Jerosolimitanum
cum vagina [in Ynieow] 1 argenteum domino palatino fratri
suo lego.
Residuum armorum detur pro Castro ccclesio, que arma
sunt propria nostra.
Item equos walacbos curriles domino Wolski Castellano
Socliaczouiensi lego.
Item equum Ropyel eidem Nicolao Wolski; [attamen pa
latinus recepit et ratum liabeo.] 2
Item frumenta anni preteriti omnia nauiganda conuortantur
pro solucione debitorum.
Et generaliter disponant executores cum domino palatino
de equis et curribus et aliis cortinis lodicibus.
Bulla arende detur domino palatino vt vadat vel mittat
cum ea ad regiam Majestatem rogatum, ut sua Majestas digna-
retur illam conseruare in suo robore et ut arcliiepiscopus
successor non impediret eam. Aut si vellet archiepiscopus suc-
cessor habere istas claues liberas, daret quolibet anno ad debita
(donn) duo milia florenorum vsque ad quinque annos.
Item peluis minor argentea cum nalyewka restituatur
ecclesie Gneznensi.
Item peluis minor argentea cum nalyewka, scutellis et
talariis ac coclearibus et toto argento ad solucionem debitorum
detur, in quantum summa de arenda non sufficeret, aut si
arenda suum non fuerit sortita effectum et quiequid superfuerit
1 Am Rande.
2 Später von Laski hinzugefügt,
Johannes -Laski, Erzbischof von Grnesen.
683
cle argento vltra solucionem debitorum cedat domino palatino
fratri et iiliis eius.
Item pecunie misse Cracouiam ad dominum Bonar vide-
licet mille quinquaginta floreni Hungaricales in auro, qui empti
sunt pro pecunia a domino Swyanthkowskj recepta, videlicet
mille et quadringentis florenis per mediam sexagenam, quos
idem dominus Bonar debuit mittere ßomam ad defensionem
causarum benelicialium restituantur eidem domino Swyantli-
kovvski et si sunt misse Romain quod repetantur et cedula
retrahatur et quod restitucio ipsarum pecuniarum domino
Swyanthkowsky fiat per manus domini Joannis Ribyenski.
Item domini Thurek septingenti fl., quos persoluit pro
domino reuerendissimo domino | Grzymultowsky, in quibus
data est sibi clauis Camyen, ex qua recipiet omnes prouentus
anni preteriti videlicet 1516, qui facient ad minus quingentos fl.
Residuum executores sibi soluant, ut illa bona deoccuparet, ne
faceret successori aliquam difficultatem, ex paratis prouentibus.
[Sed de hoc aliter infra.] 2
Item calicem argenteum deauratum cum armis Rose et
ampullis eciain cum eisdem armis ad sepulcrum s. Adalberti
Gnezne, alium calicem maiorem cum armis Corab 3 ac ampullis
grossioribus et pacificalibus Omnibus ecclesie parochiali in
Lassko, vnurn tarnen pacificale ex eisdem quod successor ar-
chiepiscopus eligeret, legauit (!) pro ipsius successoris vsu.
Item voluit, quod sexingenti floreni in auro recepti in
banco Rome pro composicione certorum beneficiorum et pre-
sertiin custodie Plocensis 4 per dominum Nicolaum Wolskj et
alios factores soluerentur per dominum Stanislaum Borgk ex
argento, quod sibi dominus Reuerendissimus mutuauit per manus
Jacobi Gwyasdowskj thezaurarii sui. Et si non sufficeret dictum
argentum ad solucionem dictorum sexingentorum florenorum,
ex tune soluatur per executores residuum. [Solutum.] 2
Item centum floreni per mediam sexagenam debiti pro
residuitate calicis aurei soluatur de prouentibus clauis Zney-
nensis anni proxime preteriti ecclesie Gnezn(ensi). [Solutum.] 2
Item Reuerendissimus dominus commisit, vt omnia fru-
menta anni preteriti vendantur relictis duntaxat aliquibüs in
1 Vgl. 32 a. 2 Später von laiski selbst hinzugefiigt.
3 JLaski’s Wappen. 4 Vgl. 31 b.
Zeissberg.
Bl.
32 b.
Bl.
33 a.
684
Lowycz pro conseruacione castri et similiter in aliis loeis et
presertim in V:nyeyow de maldratis victus castri conseruetur
et in Squirnyewice duntaxat pro conseruacione curie.
Item peccora et peccudes in prediis per medium cum
successore diuidantur et vendantur pro solucione debitorum.
[Quia et ego solui ea post mortem domini Roze et post mortem
domini cardinalis 1 erant eciam vendita.] 2
Item equiream in Chroslyn, vbi sunt circa 30 iumenta,
donauit [(Jeronimo nepoti) 3 et ecclesie Gneznensi eciam illam,
que in Vnyeow est.] 2
Item anulum magnum cum zaphiro, qui est in mitra ponti-
ficali, ac spinulas de palio pro ecclesia Gneznensi.
Item apparatum album totum Rome comparatum preter
cappam albam et liumerale ecclesie Gneznensis.
Item crucem auream panvam, que est cum mitra ponti-
ficali et cum cathenula aurea, ecclesie in Lassko.
Item crucem parwam auream, que est circa ocularia, pro
sepultura legauit et reliquias in ea contentas pro ecclesia in
Lassko. Et alie reliquie, que continentur in cisticulis, diuidantur
ecclesie Gneznensi et ecclesie in Lassko.
Item alios apparatus ecclesiasticos pro ecclesia in Lassko
[pro sepultura; tarnen aliter infra videndum.] 2
Item albam humeralem, stolam et manipulare, antependium
cum pallis, que erant in communi vsu ac medium atlassy eius-
dem coloris quod est in thezauro Vnyeyouiensi dentur pro altari
in capella Rosensium in ecclesia cathedrali Cracouiensi domi-
norum de Curoswyank.
Item res, que ordinabantur in Veneciis, iam sunt solute
videlicet atlassium adamascum, quas dari mandauit pro ecclesia
Gneznensi, tarnen mandauit ut de simplici iiat ornatus ad ec-
clesiam in Lassko.
Item dominus Stanislaus Curoswyancskj obligauit se sol-
uere Reuerendissimo domino | mille quingentos fl. in actis domini
episcopi Cracouiensis; 4 persoluit sexingentos florenos ,aducnonin-
' Friedrich, Prinz-Cardinal, Erzb. von Gnesen. Vgl. 40 b.
2 Später von Läski beigefügt.
3 Früher stand: fratri sno domino palatino, wurde aber durchgestrichen.
4 Vgl. 30 a. 38 a.
Johannes Laski, tirzbisckof von Gnesen.
685
genti floreni apud eum sunt. Ex quibus legauit centum flo-
renos ad jubileum pro anima olim domini Creslai et 50 fl.
Georgio Thurzo mutui debiti. [Solutum Turzo.] 1
Item ad sex sepulcra marmorea, que dominus Reueren-
dissimus excudere et sculpere fecit in Strigonio, quorum lapi-
d(um) iam dominus Reuerendissimus inagnam partein exoluit.
Reliquum quod supererit soluendum et pro adduetione lapi-
d(um) ad loca per Reuerendissimum dominum deputata ac ad
ponendum eosdem lapides ad sepulcra videlicet olim domini
Creslai, Audree Rosa, suum et domini Andree fratris sui et
domini Radlicza episcopi Cracouiensis ipse dominus Stanislaus
Curoswyauczskj soluet ad racionem prefati debiti et quicquid
prefati debiti super erit vltra omnia premissa de hoc commisit
ipsum quittandum dominis executoribus. [Iam tarnen ego ipse
per se de istis disposui realiter et apposui monumentum.l 1
Item fateor per Laurencium - suprascripta de mandato et
voluntate mea scripta.
Item fratri domino palatino dono raffliky 20 in auratas,
item duas scutellas argenteas maiores.
Item duo przystawky argentee maiores. Item coclearia
12 duodecim (!)
Item mitram sobellinam, item futro sobellinorum bonorum,
in quo sunt excisi pro mea necessitate scilicet. ad nepotis or-
natum aliquot sabelli, domino palatino fratri dono.
Item corallorum ramos dono sanctissimo Adalberto.
Item mando et volo vt de arenda Squirnyuicziensi et
Lagouicze de anno isto preterito soluatur debitum domino pala
tino. [Et est solutum.] 1
Item volo, quod domini executores nihil faciant incon-
sultis domino episcopo Poznaniensi et domino palatino fratre,
quos tutores executoribus constituo et facio. 3
Bl.
Item duos sobellos bonos dono, vnum soron Anne, al- 3:ii>.
terum nepti virgini adulte. [Aliter inf’ra.] 1
Item pelliceam meam marduriham dono sorori Anne.
1 Später eigenhändig von L. zugefügt. 2 de Povvidz.
3 Unten: arehiepiscopus scripsit (?) von der Hand des Notars.
686
Z eis sb erg.
Bl.
84 a.
Item pelliceam mardurinäm, que est in Vnyeow dono
virg'ini nepti. [Recepit eam pr (!) me inscio.] 1
Item vestem panterinam sub harassio dono domino can-
(cella)rio meo curie et executori 2 , quia fodera eins est velud
perpetua.
Item domino iconomo Clementi 3 dono de vestibus epis-
copalibus vnam vestem bonam.
Item nepti dono virgini predicte pallium cappe consisto-
rialis, que pro pallio muliebri valebit.
Item dono et volo exnane vt detur Reuerendissimo domino
episcopo Poznaniensi ambulator paruus de duobus paruis; eligat
quem mavult.
Item dominus palatinus eligat sibi de currulibus equis
propter tilie virginis desponsacionem quos vult quatuor.
Alios ambulatores, qui non sunt hie descripti, recipiat pro
se dominus palatinus frater.
Item equum iuuenem ab abbate Czynviensky dono nepoti
ex sorore Swantoslao.
Item equum vnum qui erat in quadriga sub manu dono
Felici Krzyszanowsky.
Item Nicolao nepoti ex sorore qui est in Camyenyecz
dono de equis currulibus quatuor quoscunque dominus palatinus
sibi dabit.
Item eligantur equi non omnino mali pro funere ad ec-
clesiam deducendo.
Item capucium sobellinum fratri domino palatino dono.
Item vestes alias executores vendant, sicut poteruut.
Item committo, vt sepulto corpore statim prandio peracto
dentur familie solaria integra et rogentur vt sint grati, quum
non sunt diu seruientes preter aliquot, quibus dentur j solaria
triplicata et intelligantur qui seruitores a decem annis seruientes.
Spiritualibus cuilibet vna tantummodo solaria dentur.
Jozeplio capellano dono palium vnum apertum brunaticum
et biretum rubeum subductum sobellis licet non bonis; tarnen
vt aliquid liabeat boc sibi detur cum solariis vnius integri
quartalis.
1 Von f.aalri selbst hinzugefügt.
3 Bussynski.
2 Spitko de Buzenyn vgl. 28 a.
Johannes Laski, Erzbischof von Gnesen.
687
Ad hoc omnia habeantur peccunie de clauibus Squirnye-
wicze, Lagouycze etc., que non responderunt hoc anno mihi
scilicet preterito 1516.
Inprimis tarnen domino palatino soluantur floreni forsan
500 sicut seit Ribienssky. [Solutum.] 1
R. D. E. Pozn(aniensis). 2 Bl.
34 b.
Item 1517 Reuerendissimus dominus Poznaniensis epis-
copus mutuauit mihi marcas 1200, quas dicit se habere apud
Bonar, quarum solucionem sum pollicitus impendere pro festo
ascensionis anni futuri. Scriptum Piotrkouie.
Mutuacionem hanc fecerat dominus episcopus ad liberan-
dum me a caucione episcopi Wilnensis Rome. Tarnen exposita
est partim per debita episcopi Wilnensis 3 , videlicet 600 fl.; re-
siduum Cracouie expositum exoluendo minuta debita mea, que
Joannes Ribiensky soluit. Ipse enim sciebat quantum alicui et
pro me ipso et pro domino Creslao debui itaque ista summa
mutuata sic exposita.
Item eodem anno innouaturus sum codicillum istum ex
Mazouia 1 redeundo et raciones faciendo cum exactoribus.
Item 1518 non innouaui codicillum, quia toto eo ipso
anno non quieui; ideo ad annum futurum suspensa manet de-
scripcio. Nikilominus debita inferius scripsi, quia hoc anno ali-
qua sunt soluta, aliqua per versuram in alios amicos mutuanter
permuttata.
Teneor:
Imprimis Wiznen(sibus) virginibus fl. per ! /2 sexag. 6000.
Item reu. domino Joanni Poznaniensi episcopo duodecim
centena marcarum.
1 Eigenhändig von Easki beigefiigt. 2 Von liier an wieder eigenhändig.
3 Albert. Vgl. Testament 24 b., Einleit. S. 527 u. 567. Acta Tomic. VI, 61.
4 Vgl. Einleit. S. 557.
Sitzungsber. d. phil.-histor. CI. LXXV1I. bd. 111. Hft. 44
Bl.
3ö ä>
688 Zeissberg.
Item ecclesie Gneznensi de jubileo tantum quantum con-
stabit ex racione anni futuri, nam mois peccuniis hactenus
laboratum est.
Item domino Andree Dvnyn mille fl. debeo.
Item pueri Petri Swantkowsky mille tricentos per l / 2 sexag.
Item domino Bonar teneor sed racio secum facienda erit.
Item domino Michel Spiss debeo forsan 130 per 1 / 2 sexag.;
sed Mylkowsky cercius seit de hoc debito.
Item duci Mazouie teneor mille tricentos vel circa.
Item domino Czassznyczky decano Louicziensi debeo cen
tum Septuaginta quatuor florenos per */ 2 sexag.
Item abbati Suleouiensi centum marcas debeo.
Item Louicziensibus ciuibus nescio si quid debeo.
Item dominis palatini Rauen(sis) 1 de Trczana filiis sexin
gentos in auro debeo.
Item promisi dotandam Katherinam filiam domini palatini
Siradiensis in summa trium milium florenorum et id quidem
non ex voluptate sed ex necessitate, vt infra circa despon-
sacionem virginis Rytwenska in quantum dei gracia istud me
viuente erit factum.
Item Turkonis debitum est hoc anno exolutum. Nam
dominus Stanislaus Lypouiecz commissionem habuit exoluere
illud, itaque nihil Turkoni pro anno futuro debeo.
Verum quia hoc anno alias in line eiusdem anni signi-
ficauit Jeronimus nepos se ex peregrinacione sua militari re-
diisse saluum, petens mitti sibi pro expensis et commeatu, vt
haberet quo mediante se in reditu sustiueret ex Veneciis, di-
rexit vero Romain pro mutuo ad bau cos, vnde licet non potui
estimare, quanta illi ad reditum summa opus erit, tarnen quam-
cunque significabit summe designacionem ex pietate soluenda
erit per me, qui eum ab ineunte puei’icia educaui ac domi
forisque alui; indignum esset, relinquere in vltiino processu
sue peregrinacionis improuisum. Anno igitur futuro videbitur,
quid dandum erit.
Item nepos Johannes decanus Gneznensis nescio quo
errore suasu aut ordinacione se transtulit de Bononiensi scola
1 Prandothe.
Johaunes iLaslfi, Erzbischof von Gnesen.
689
nescio ad que Joca. Igitur et ip'sius occasione verebor sumptum
aliquem mihi incumbere faciendum. Sed de hoc infra.
Item hoc anno in capitulo constitutus arendaui Johanni
predicto nepoti meo decano et capitulo Gneznensi claues Squirnye-
uicze et Lag'ouycze; sic enim necesse erat arendam innouare,
quia mortuus est Reu. dominus episcopus Chelmensis scilicet
dominus Nicolaus de Cosczielecz. Sub quibus ergo condicionibus
arendauerim, scripsi inferius scilicet folio inferiori.
Item die mensis Julii XXVII. egressus in Lituaniam.
Item eodem anno descendi Lytuaniam triplici de causa;
vna, quia per breue apostolicum mandatum mihi erat facere
inquisicionem de vite sanctitate et post mortem de prodigiis
beati Kazimiri. Altera, quia volui visitare illam suffraganeam
dyocesim, que nunquam visitata erat per archiepiscopos et non
solum illa sed eciam Medniczensis. Tercia, quia zelo rei-
publice instigabar videri et non per nunccios sed personaliter
conferre fraterne cum dominis Lytuanie pro meliori statu pro-
curando publico inter regem et illius Magniducatus Lytuanie
dominia et si esset possibile persuasurus eis coniunctionis et
federum obseruanciam. Sunt fortasse, qui iter hoc leuitati mee
asscribunt, sed deus nouit, quia non priuata cupiditate sed
tribus causis predictis me monentibus subii et fatigam et labores
non absque damno priuato; exposui enim pro expensis et ex-
pedicionis impensis fl. 1000 alibi mutuatos. Vbi in processu
inquisite sanctitatis canonisandi principis et pro coniunccionis
et federum obseruancia functus sinn non invtiliter officio as-
sumpto. Etenim j sanctitatis et vite inquisicionem fecerim et Bl.
in regestr(is) conscriptam procuraui mitti suinmo pontifici, vt ' iob
si Majestas regia volet procedatur ad canonisacionem. Item pro
conjunccione Polonorum et Lytuanorum aperte responderunt
domini, eorum voluntatem esse, dummodo regia Majestas con-
uenciones instituat proximas vnam Polonis aliam Lytuanis,
quatinus de vna eorum scilicet Lytuanie celebranda rediret
Majestas regia ad conuencionem Polonie receptis secum Ly
tuanis cum facultate summa ad coniunctionis et federum inno-
uacionem seu conscriptionem. Pro visitacione tarnen ordinaria
impediebar quia noluit episcopus permittere se et dyocesim
suam visitari allegans, a tempore plantate fidei nunquam per
archiepiscopos Gneznenses visitatam, de persona autem sua
44*
690
Z e i s s b e r g.
pi’oduxit breue Leonis pape X. eum insinuantis esse familiärem
Sanctitatis sue ideoque per me non visitandum. Interea eciam
dominus episcopus fratres suos dominos Lytuanie consiliarios
suggesserat, qui insteterunt, vt non visitassem, dicentes apud se
dubium esse an Gneznensis aut Rigensis primaciali seu metro-
politice jurisdicioni subessent, fassi tarnen sunt me interrogante
consuetudinem banc esse et semper obseruatam, quia de istis
Wilnensi et Medniczensi dyocesibus mittere consu(eueru)nt
capitula ad sinodos prouincie Gneznensis, quodque commune
esset, quia appellatur eciam ad Gneznensem curiam et cognos-
cuntur ibi cause de istis dyocesibus appelacionum.
Nihilominus processi ad inquisicionem, descendi ad eccle-
siam cathedralem Wilnensem, convocaui capitulum et inquisiui.
Item eciam priuatim episcopum cap(itu)larit(er) mecum seden-
tem de ipsius vita et moribus reformandis sum hortatus inter
me et ipsum, item singulos canonicorum prepositum, custodem
et alios citaui, examinaui et alios contumaces pronuncciaui exco-
municatos, quos tandem dum declarandi erant hu(m)iliatos ad
graciam recepi et absolui. Item specialiter multos citatos ple-
banos, vicarios, mansionarios et gracialistas citaui juratos quod
examinaui et inquisicionem conscripsi. Super quibus erat im-
paciens episcopus, attamen insuper me prouidit, sei licet daudo
fenum, avenam, ancas, gallos, peccora pro coquina et medoues
non tarnen sufficienter; sed vtcunque est, ego tuli et habui pro
sufficienti prouisione sicque pacifice et officiose redii tarn in
ingressu quam egressu per dominos barones associatus honori-
lice ad vnum miliare.
Item egrediendo 7. Septembris Wilna, quum tempus autum-
nale me vetabat subire incommoditates duriores, quas perpeti
necesse fuisset si personaliter Samugittiam descendissem, igitur
de consilio doctorum mecum existencium prelatorumque ecclesie
mee scilicet Spitkonis de Buszenyn custodis, Dominici de Se-
ezemyn cancellarii et Georgii Mysszkowsky canonici ecclesie
mee direxi commissarium meum venerabilem dominum Albinum
decretorum doctorem canonicum Wilnensem et dedi ei autenti-
catam commissionem visitandi illam dyocesim, qui primum per
processum suum cum inserta commissione intimauit se visita-
turum. Quando venit paruerunt coram eo canonici cum eisque
sinodum celebrauit et proposuit se inquisiturum, que canonici
Johannes Laski, Erzbischof von Gnesen.
691
habiiere rata. Cum vero citaret singulos ad sui presenciam,
parere coram eo neglexerimt, quos ut | contumaces pronunc-
ciauit excommunicatos. Racione contumacie illi ad me appella-
runt, pro quibus etMajestas regia et dominus palatinus Wilnensis
scripserunt petentes illos per me absolui. Ego autem dedi litteras
ad commissarium mandando vt absoluat eos si petent et si jurare
volent de parendo mandatis s. matris ecclesie et presertim Gnez-
nensis ecclesie.
Obibam visitacionem istam in' fine estatis, rediique in
Squirnyeuicze in vigilia s. Michaelis.
Prussiam exeo XXVI. Nouembris.
Redeundo ex Lytuania itorum nouis sum incitatus euentibus,
vt aliud ineam iter scilicet Prussiam, ad quod dnplici causa
mouebar non quidem quadam vana et inconsulta vt emulatorum
meorum interpretaciones wlgati sunt, sed hac vna, quia diu
desiderabam visere locum martirii sanctissimi patroni et bene-
factoris mei beatissimi Adalberti sed commoditatem queritabam,
altera, quia frater Nicolaus Schembeg ordinis s. Dominici nomine
pontificis Leonis X. me auisatum reddidit, quia pontifex wlt,
vt sibi assistam et consulam ad faciendam pacem inter regiam
Majestatem etMagistrum Prussie, haberetque breue ad me, quod
mihi in Kynsperg seu apud Magistrum daturus esset et ibi vo-
luntatem pontificis relaturus mihi. Sic ego hac commoditate
visendi sancti illius loci assumpta peregre sum profectus veni-
que vsque in Kynsperg XVI. Decembris. Exinde ad locum
martirii patroni mei sanctissimi XVIII. eiusdem mensis vide-
licet in oppidum Fiszhavss veni, visito ecclesias duas muratas
sub titulo s. Adalberti in campo prope opidum illud in milliario
nostro sito, celebro et offero patrono meo, et ex Fiszhavss in
Kynsperg XX. eiusdem mensis redeo. Inter eundum vbique
exceptus de mandato domini Magistri et associatus per commen-
datores et flageros seu capitaneos locorum, prouideor competenter
ac vbique et in Kynsperg ad Magistri castra inducor et veneror
vbique honorifice per vnum scilicet episcopum Zambiensem et
ducem Brnnczwicziensem introductus et reductus de ciuitate
in comittatiua aliorum cruciferorum circiter 200. Item in Kyns
perg episcopus Pomezaniensis cum supremo comendatore me
Bl.
06 a.
Bl.
36 b.
692
Zeissberg
inter brachia receptum de quadriga ad castri liabitaciones intro-
duxere, similiter episcopus Zambiensis ad suiim castrum in
Fiszhauss personaliter eques me associando conduxit, induxit et
prouidit, sicqne peregrinacionem obeo bonorilice et cum fratre
Nicolao pontificis nunccio in Kynsperg de re Prutenica melius
stabilienda consulto et in Louicz die 14. Januarii a. d. 1519
feliciter redeo et deo gracias. Et quia frater Nicolaus nomine
pontificis et in virtute sancte obediencie mandauit et voluit vt
consulam ad sistendam istam tricam dicens quia posset mihi
promittere ymmo eciam ordinäre cardinalatum si recte consulam,
quodque de hoc nemini loquar sed sibi tantummodo, igitur
parendo mandato sanctissimi domini nostri pape cuius Sanctitatis
breuia bis mihi offerebat idem frater, nam bis missus legatus
erat, dixi mee deliberacionis aliquas resolutas condiciones, quas
ipse frater deberet nomine pontificis inter partes promouere
et iret cum eis ad Majestatem regiam tandem ad pontificem
sed tamquam motu proprio per eum inventas seu cogitatas, ego
autem pandere non deberem eas nisi Majestati regie si sua
Majestas ex publicacione fratris Nicolai volet mecum de liiis
loqui, quum sunnnus pontifex pijssime sicut clementissimus pater
sollicitus est pro expedicione contra infideles, cuius expeditionis
in fauorem componere nitebatur tricam Prussianam.
Bl. 1523 die XVII. Augusti.
37 a.
In Squirnyewicze innouandum duxi codicillum istum volun-
tatis mee vltime et testamenti si quidem aliter non ordinavero.
Inprimis quamuis iam evacuaverim scrinia, que continebant
res et suppellectilem non contemnendam ac que superioribus
annis presertim vero 1516 et anno 1517 et iterum sequentibus
non singulis seu omnibus annis currentibus sed certis supra-
scriptis annis erant per me nominata et legata, nihilominus
in spem gracie diuine, que me ex nihilo in altum erexit, con-
stituo executores mee voluntatis vltime prcsentis si quidem
non subsequitur aliter scriptum.
Executores testamenti.
Dominos palatinum 1 nepotem dominum Jeronimum de
Lassko, decanum enim nepotem intellexi iturum extra regnum
1 Damals c.apitaueus Inowlailisl. Vg*l. Hilbert in Bibi. Warszawska 1861. 3. 94.
Johannes LasTri. Erzbischof von Gnesen.
693
ad studia litterarum versus Italiam, item dominum Latalssky
Gneznensis et Lanciciensis etc. prepositum ecclesiarum et Jo-
hannem Rybiensky canonicum Gneznensem. Sunt quidem mihi
alii carissimi amici, videlicet dominus decanus Lanc(iciensis)
nepos ex sorore 1 ac domini doctores Mysszkowsky et Slyw-
nyczky, quorum singulis tantum confido quantum cuilibet ex
dominis suprascriptis executoribus; tarnen quia isti alii forsan
ex sua facultate non impenderent ad necessitatem execucionis,
dominos vero executores suprascriptos non dubitabo non solum
diligentias facturos in execucione voluntatis mee sed eciam
iuxta posse pie impensuros, ideo confidam, quod ipsi supra-
scripti et alii hic non inscripti amici equo animo ferent dominos
istos tres tantummodo inscriptos executores et nihilominus tarn
eosdem suprascriptos quam alios non descriptos nepotes et
amicos obsecro per viscera dei misericordie et per eam beni-
uolenciam et amiciciam, quam ex me vnquam erant consecuti,
assistant consiliis et auxiliis non quidem directe dominis mei
testamenti executoribus suprascriptis sed infelici anime inee
miserti. Idem domini executores liberent meum nomen et ani-
mam ab accusacionibus proximorum quibuscunque quocunque
reus aut debitor fuerim, quibus misericors deus humanitatis
graciam mihi mortuo per eos impensam retribuet et in hac
vita temporalis felicitatis augmento et in futuro dono dei gracie
salutifero.
Sed quia consueui aliquando per versuras, aliquando per
facultates meas proprias debita aut permuttare aut dissoluere,
igitur quorum hoc anno debitor sum describam sic vt sequitur.
Item, quando nepos dominus Jeronimus redimere voluit
vxoris de bonis eius vxoris sue domine Anne dedi
sibi tria millia flor. que tria millia apud eundem dominum Je-
ronimum lego et designo danda virgini Katherine Wisnyenska
pronepti.
Item eidem Katherine virgini pronepti designo in cen-
sibus et prouentibus anni presentis eciam molemdinorum clauis
Znenensis pro ornatu et vestitu eiusdem virginis fl.
Item teneor domino Johanni Bonar burgrabio et zvpario
Cracouiensi fl. per >/ 2 sexag. 4020, in quibus tarnen ipse
1 Loboacüki. Vgl. Acta Tonne, I, 50 u. Einleit. S. 565,
3000
300
4020
694
Zeissberg.
dominus Bonar seruat argentum meum secundum regestrum
Aron mei familiaris, qui illud dabat descriptum, item argentum
domini Jeronimi nepotis sicut ipsi domino Jeronimo et suo
familiari domino Johanni Braniczki constat, super quo debito
direxi ad eundem dominum Bonar eundem dominum Joannem
Branicium rogando, quatinus eum beniuolencia et bona volun-
tate expectaret, vt illud debitum sibi de facultatibus propriis
exoluam non faciendo versuras.
Illustrissime olim 1 domine Anne duci Mazouie genitrici
dominorum Stanislai et Janussii ducum modernorum de Om
nibus debitis, que sibi olim debebam, tantummodo florenos qua-
dringentos non exolui. Dicunt vero duces ipsi filii seu eorum
Bl. nomine scribe ipsorum, quia vltra | eosdem quadringentos eciam
37 b - quiuquaginta non exolui; mihi tarnen videtur, quod non plus
quam quadringent(os) ; niliilominus si importune dicerent quadrin-
gentorum et quinquaginta me esse debitorem, tune sic erit fa-
ciendum, quum Cracouie anno presenti dominus castellanus
Prasszmowsky nomine dominorum ducum fl. 200 forsan, ut
bursula per eum exhibita indicabat, aureos mihi dabat, ego
vero nolui illos recipere propterea quod teneor ducibus quadrin
gentos, igitur defalcandi erunt isti ducenti floreni aurei, quos
in spem debiti defalcandi nolui percipere; reliquum ducibus si
400 instabunt soluendum ad racionem eiusdem debiti 400 fl. soluendi,
quod sic vt infra declaratio continet.
Domino Costka teneor fl. 1000 iuxta descriptionem infra-
scriptam; quingentos in auro licet non boni seu pocius leuissimi
ponderis tarnen aureos Hungaricales et in moneta alios quin
gentos ; qui isti modo compositi faciunt mille flor., in quibus
mille fl. dauern Grzegorzow sub condicione arende tenet singulis
annis tricentos tantummodo florenos defalcando seu ad racionem
sui illius debiti percipiendo annuatim. Quia vero anno preterito
incepit ista percepcio, igitur demisi illi fl. centum propter damna
per terrigenas belligeros 2 illata, residuum eiusdem anni preteriti
conputandum erit ad racionem mille flor. predictorum exoluen-
500 dorum. Anno autem presenti scilicet 1523 si damna non evenient
in deci(mi)s integrum annum arende percepturus erit de Grze-
monete§ 01 ' zow i uxta condiciones arende.
1 Sie war am 15. März 1522 gestorben; vgl. Acta Tomiciana VI, 39.
2 Vgl. Einleit. S. 576.
Johannes Laski, Erzbischof von Gnesen.
G95
Domino Johanni Lathalsky preposito debeo fl. 1550 in- 1550.
clus(is) ducentis et quinquaginta pro quibus dominus decanus
Louicziensis Czassznyczky sibi cauit.
Bussynssky canonico Gneznensi teneor forsan 600 fl. 600.
Pywoni tenutario Sczerczouiensi debeo. 600.
Contribucionis Gneznensis ab olim domino Spitkone Bu-
szensky collecte sed de capitulo per me recepte sunt marce
quingente quadraginta et grossi 14 in moneta, in auro vero fl.
duo, que faciunt in toto summam fl. per mediam sexagenam
computatorum (!) octingentos Septuaginta tres florenos et gr.
duodecim. Igitur in futura contribucione, quando volent et
petent restitucionem, facienda erit secundum quittancias, si
quas exhibebunt; si eas non exhibebunt, maneat debitum in
fundo municionis perpetuo, quia ibi est impositum. 873.
Castrum Boryslauioze est obligatum pueris olim domini S r - 12
Jaroslai Sokolowsky capitauei Colensis in summa trium millium
et forsan quingentorum fl.; sic scripserim forsan, quia nepos
dominus Jeronimus, qui jus hereditarium habet ibi, eosdem
quingentos'fl. fertur recepisse pro sua priuata necessitate, sed
tria illa millia flor. sunt data pro dote Katherine nepti domino
Johanni Tanczynsky decopulate matrimonialiter. Igitur licet
ego dotacionem hanc fecerim studiose propter nepotem Jero-
nimum vt sibi in terris Cracouie patrocinia domus et familie I
Tanczynensis comparassem propter acciones quas non dubi- B1 -
tabam eum habiturum difficiles pro bonis vxoris sue, 1 licet
eciarn si viuam et dei gracia istud efficere valuero velim ista
tria millia exoluere, tarnen in eventum, quo opus esset inter
fratres germanos nepotos meos scilicet Jeronimum et Johannem
pro Boryslauicze diffinire, si dubium aut trica inter eos oriretur,
tune nihilominus, si ego non exoluerem omnes (?), fratres vnum
mille deberent soluere alias computare pro eorundem debito
communi, quia sororem istam (si isto modo non fuisset des-
ponsando dotata) debuissent dotasse dando scilicet vnum mille fl.
sicut ceteris sororibus per olim genitorem eorum fratrem vero
meum dos per vnum mille soluebatur de omnibus paternis et
maternis bonis. Noluit olim earum pater plus quam flor. quin-
gentos sing-ulis filiabus dedisse sed ego quingentos apponebam
1 Anne; Vgl. 37 a. u. Hubert in Bibi. Warszawska 1861. 3. 94.
696
Ze i ssb erg.
propter materna bona. Sic tarn pro paternis quam maternis
3500. bonis fl. tantum vnum mille dabatur singulis flliabus domini
3400. olim Jaroslai germani nostri seu forsan scilicet in Borzys-
lauicze sunt.
Propter mortem et expedicionem illam corporis et anime
1000. m ee vltimam familieque protunc expedicione 1000 fl. essent
habendi, pro quibus habendis si annum superviuam futurum
me accommodare velim.
Ecclesie in Lassko libros in pergameno scriptos et notatos
ecclesiasticos scilicet graduale, antifonarium, psalterium etc.
magno precio comparatos qui circiter fl. tricentos constant dono
3000(!)et pro supplemento fundacionis habendi essent fl. mille ad emen-
dum censum § (?)
Monumentum domini olim Creslai mei benefactoris nondum
est perfectum. Nam quicquid habui rerum et peccuniarum suarum
eciam earundem, quas magna cum difficultate, odiis contractis peri-
culosis et meis impensis extorsi a nepotibus de Curozwanky 1
heredibus, exposui pro solucione debitorum predicti olim domini
900. Creslai. Igitur noningentos fl. per mediam sexag. mihi in actis
R mi in Christo patris domini Johannis dei gracia Conarssky
episcopi Cracouiensis per olim dominum Stanislaum de Curoz-
wanzwanczky (!) tenutarium Kropiczensem obligatos seu in-
scriptos designo sub condicionibus infrascriptis ad eiusdem monu-
menti erreccionem et quia jure experior pro solucione ipsa cum
matre prefati domini Stanislai, que sicut tutor puelle Stanislai
filie et sicut possessor bonorum illius orphane tenetur ad satis-
faccionem, quam primum ergo debitum illud solueretur, im-
primis committo impendere, quantum sufficiet ad erigendum
monumentum Wlad(islaui)e circa columnam, vbi prope illam
est corpus domini olim Creslai inlmmatum. Reliquum eiusdem
debiti sic exponendum committo, quia due nobiles mulieres
Rosensis nacionis 2 ex Jemyelno videlicet Katherina Jemyelenska
vxor nobilis Stanislai Pilath Wilczkowsky, altera Anna Jemye
lenska vxor nobilis Nicolai Przelanczky, sorores germane circa
Lelow et Proscheuicze residentes, pretendunt, sibi debitores
esse pro debito patri eorum inexoluto, quod nesciunt per quem
1 Vgl. 13 b.
? Russischer Herkunft,
Johannes Laski, Erzbischof von Gnesen.
697
dominum ex dominis olim Lubelczylkowye debeat exolui sed ad
me recurrere consueuerunt pro solucione ipsa credentes mihi
aliquid de eodem debito constare. Igitur q(uu)m sic forsan in
veritate fuerit, quia olim dominus Dobeslaus 1 vendita advocacie
Cracouiensis parte, que erat patris istarum mulierum et expo-
sitis peccuniis pro suis sumptibus tune contra Mathiam regem
Hungarie factis cum quo rege bellum gessit occasione castrorum
Lekawa(?) Iiyczow etc , | non curando vero illius debiti Bl.
solucionem impendere, que debebatur pro advocatia patri illorum 34 b '
mulierum, neglexit eam solucionem facere et dominus olim
Creslaus amore fraterno permotus, quia erat cum domino Dobes-
lao indiuisus eumque plurimum dilexisset, de patrimoniis sibi
scilicet Dobeslao cessit. Igitur sicut multo plura fratris illius
intuitu facere consueuerat sic eciam vicibus aliquot me teste
patrem istarum nobilium mulierum contentabat dando pannum
harassium etc. pro eisdem mulieribus tune virginibus. Igitur
deducto monumento suprascripto eciam mulieres istas committo
consolatas facere, sic tarnen, quia olim dominus Creslaus non
sufficienter expediuerat fratres tres germanos sibi seruientes
Grauissios prope Piotrkouiam videlicet Nicolaum, Johannem
et Georgium, quia eciam nobilis Stanislaus Maleszowsky circa
Sanyecz terrigena pretendat inexolutum esse suo patri olim
Johanni Maleszowsky debitum domini olim Creslai viginti flo-
renorum, itaque sic committo deducendam monumenti illius errec-
tionem, quod de residuo tarn mulieres ille, quam isti Garuis-
son(u)es et Maleszowsky contentari possent. Pro monumento
enim iam est paratum et exsculptum per me propriis impensis
saxum marmoreum Wladislauie positum. Igitur cum primum
exactum erit illud debitum noningentorum fl. erigatur illud
saxum si fleri poterit fundamentum ex alio saxo marmoreo
fabricando. Tantum vero censerem Garuissonibus dandum scili
cet cuilibet eorum per marcas triginta et similiter illis mulieri
bus per alias triginta marcas, singulis earum et eorum triginta
marcas dando et Stanislao Maleszawsky viginti fl. per mediam
sexag. Licet autem super istis omnibus debitis nulla habeant
testimonia, sed quia mihi familie illius baronum dominorum de
Cvrozwanky consilia secreta non ignoranti eciam constat, vt,
1 de Kurozwanki,
698
Zeiesberg.
300.
Bl.
39 a.
tanquam verisimiles et iuste essent istorum peticioncs, igitur
pie faciendum est vt ex eodem debito Hat ista solucio et con-
tentacio, reliquum pauperibus Wladislavie daretur, et si lieri
posset daretur eciam virginibus sanctimonialibus in Bussko
saltem viginti aut decem marce quod pie indulgerent domino
Creslao si eorum bonis erat vsus cum earundem virginum pre-
iudicio.
Domino Cristoforo de Schidlowieez palatino Cracouiensi
daturi erant annuatim arendatores mei clauium Squirnyevicze
et Langouicze fl. tricentos, quia sponte et ex beniuolencia se
tutorem et protectorem esse foreque obtulerat testamenti mei
et vltime voluntatis, que arenda interrupta est morte Leonis
pape, qui eam debuit confirmare nec minus mea voluntate,
quia dominus palatinus assumpto hoc onere tutorie mee mox
deinde inimici mei domini Erasmi Cziolek episcopi Ploczensis
assumpsit onus promocionis et defensionis scripseratque ei Ro-
mam, quod apud papam obtinuissem eam graciam promocionis
in cardinalatum, ipse vero dominus palatinus debuit ei ordi
näre consensum regium, quod amicis meis Rome dixit dominus
Erasmus. 1 Igitur tarn arenda quam tutoris ofticium propter
eius eam immuttacionem adeo viluere, vt non curauimus vsque
ad hec tempora pro conflnnacione arende impendere, sicut iuste
et racionabiliter solucio tricentorum fl. vna cum arenda sunt
in nihilum verse, nisi denuo apud novum pontilicem veilem
instare pro arende noue concessione.
De loco inhumandi corporis mei sic erit vt deus pius
voluerit, siquidem si in regno isto existens moriar poneretur
circa sacellum diwi Stanislai in campo sancto Gnezne, quia
enim indignum me putabam ponendum inter ossa piorum pre-
decessorum meorum, archiepiscoporum Gneznensium, in ecclesia
metropolitana, ad quam illi forsan beacius erant vecti, quam
ego ipse. Etenim multis contranitentibus regia quoque Maie-
state illis per dissimulacionem fauente me ad ecclesiam hanc
intuli, ideo extra ecclesiam meam ciniterium (!) nowm, sacellum
et sepulturam errexi, vbi inter ossa Christi fideliuin comunium
quiescat gleba mei corporis in dei omnipotentis patris et tilii
et Spiritus sancti nomine.
1 S. Einleit. S. 563 ff.
Johannes «Laski, Erzbischof von Gnesen. 699
Officium vero funerale in ecclesiis et extra domini exe-
cutores suprascripti sicut eis videbitur et facultas se extendet,
facient. Si in arcliiepiscopatu moriar facilis erit sumptus de-
ducendi corporis, quia per claues iretur et vbique adhibito ico-
nomo necessaria darentur, quia interim dum alius successor
nows non se insinuabit, qui coniirmatus esset, erunt bonorum
fructus presentes corporis mei insepulti.
Si autem contingat me mori extra hoc regnum Polonie
quod metuo sic futurum, natura sic pertimescente, tune sepeliar
sic vt videbitur fratribus amicis seu sodalibus tune scilicet
extra regnum corpori et morti mee adessentibus.
Declaracio debitorum Wiznensium.
Vt vero circa debitorum solucionem facilius esset con-
sultum post mortem meam, si quidem debita, sievt supra scrip-
serim, permanebunt et forsan sic erunt mansiua, nisi anno isto
presenti seu de istius anni presentis prouentibus aliter esset
ordinatum seu aliquid solutum, prout infra annotare tandem
illud velim, si deus volet, igitur ea, que supra sunt scripta sic
declaraturus sum. Namque debitum trium millium florenorum
Katherine Wiznensi dandum sicut ego iuste debeo sic eque
iuste dominus Jeronimus nepos debet illud dissoluere, si ego
viuens non exoluam. Item pro vestitu eiusdem virginis sicut
300 fl. vt supra assignaui sic in eis contenta sit, quia de pro-
priis eos illi assignauerim, si autem vixero et me viuente des-
ponsabitur possem et veilem ex pietate plus pro ornamentis eius
dem impendere sicut impendi pro sorore illius seniore Nicolao
Wolssky desponsata, et quia matri earum scilicet domine Anne
pallatine Brestensi nepti mee dixi et commisi tune cum sibi
margaritas et cing(u)los argenteos commisi, vt Anna ipsa soror
senior easdem margaritas et argentum in cingulis cum Ivatlie-
rina per medium liaberet, ideo, si Katberina non esset per me
viuentem desponsata sieque necesse liaberet alio ornatu vltra
eum, qui de predictis 300 fl. Znene sibi assignatis comparabitur
ita videlicet, quod sicut orphana si benefactore careret, qui pro
ornatu sibi complendo impenderet, tune dimidiaret secum soror
senior margaritas et argentum, tantummodo non vestitum, quod
domina mater, mea neptis, efficiat, quia seit sibi per me tune
sub hac condicione traditas margaritas et argentum in cingulis
3000.
700
Z e i s s b e r g.
per eam Anne predicte traditas et ita credo plane declaratum
iam esse de 3000 fl. Wiznensi Katherine per me debitis, quia
si in vita hac mortali existens non exoluero dominus Jeronimus
illud soluet aut bona hereditaria debit in vim debiti. Igitur
tarn virgo quam Jeronimus mecum vna dei implorent graciam, vt
mihi tantum vite et facultatum tribuat, quod solus ipse soluam
prout si vixero veilem.
B1 - Domini Bonar.
39 b.
Debitum domini Johannis Bonar 4020 fl. sic | sie creuit
sicque erit resoluendum: quia in eadem summa includitur mille
vnum per dominum Jeronimum pro sua priuata necessitate re-
4020. ceptum, in quo argentum posuit dominus Jeronimus illud, quod
a me habuit, tune sibi comparatiun, quando ad eleccionem im
perialem 1 erat legatus. Ideo illud suum argentum iuste con-
vertetur ad racionem soluende illius integre summe 4020 fl.
Item in eadem summa eciam continentur 400 et singulis
computatis 50 fl. per me ad soluendam villam Dobrilow apud
dominum Bonar recepti, quam villam comparaui alias dimidium
ville propter commoda mense archiepiscopalis et presertim vt
facilius molendinum Corab Znene pacificarem. Igitur ro-
gandus erit dominus successor, vt sua paternitas B m ' 1 de bonis
ecclesie contribuat ad soluendum illud debitum domino Bonar;
quia vero dominus successor commoditates reperiet in archi-
episcopatu per me non parcendo impensas factas confidam,
quod sua paternitas liberaliter contribuet non solum 450 pre-
dictos fl. sed eciam plus nonnihil dando, si quidem ex facul-
tatibus meis et de anno gracie non possent debita solui, nau-
quo annum gracie non successoris sed mea deseruita esse velim,
qui annus gracie tantum afferet, quantum dei gracia fauere
dignabitur. Et si in mensibus anni tribus vltimis deus omni-
potens me ex hac miserrima vita suscipiet letabuntur carrisismi
amici superstites me cum dei omnipotentis gracia corpore ex-
utum esse.
1 Nicht zur Kaiserwahl, sondern um Karl zur Thronbesteigung zu beglück
wünschen wurde 1520 Hieronymus E. entsendet. Vgl. Acta Tomic. V,
99, 199, Er war damals ,incisor mense regie 1 . Sein Auftrag ging auch
au König Franz von Frankreich. Ebenda 204.
Johannes iLaski, Erzbischof von Gnesen.
701
In eadem eciam summa 4020 fl. includuntur 670 fl. in
auro per dominum Bonar ad vota mea Rome soluti, in quibus
includitur cambium, quos 670 fl. dominus Martinus Rambiessky
Rome inscripsit nomine domini Joliannis decani Gneznensis
nepotis mei eo ipso nepote Johanne inscio; nihilominus quum
nepos Johannes excommunicabatur ego misertus isti casui im-
petratus, quia dominus Bonar eosdem 670 fl. in auro Rome
soluit per manus domini Jacobi Szucz. Debet ergo Martinus
Rambiessky eosdem 670 aureos fl. soluere; si non soluet me
viuente exigat eosdem fl. ab ipso Martino dominus Johannes,
nepos meus et in eam spem dominus Johannes nepos contri-
buet ad solucionem desuperscripti debiti domino Bonar sol-
uendi, tantum contribuendo si plus nollet, quantum vt supra
soluit dominus Bonar Rome pro eo ad meas instantes postu-
laciones. Reliqumn summe solueretur ex valore rerum mo-
bilium mearum que res diuersorum generum continentur in
regestro in thezauro curie mee seruato, quod capellanus dominus
Christoferus seruat, solueretur eciam ex anno gracie sicut deus
annum gracie donare dignabitur graciosum et liberalem.
Ducum Mazouie.
Debitum Anne ducisse Mazouie aut forsan 450 fl. sic velim 400 (!)
esse solutum vt scilicet solutis soluendis Omnibus debitis, si
facultates se extendent ad tantum et illud soluatur per dominos
executores, si domini duces illud petent. Sic enim reman-
sit inexolutum quia mater dominorum ducum modernorum
promiserat michi dandam in ducatibus Mazouie donacionem
magnam, si adiuuarem aut saltem non impedirem, quod regia
Majestas relaxaret jus feodale seu resolueret in hereditarium,
quatinus duces vnus alteri succederet etc. ad quod impetrandum
ego semper eram inclinatus motu proprio et prius quam ducissa
peteret ego cum olim R'"° domino Johanne de Lubrancz epis-
copo Poznaniensi gestiebamus eam fecisse impetracionem
prout fuerit presenti anno Cracouie concessa, dabatque
castellanus Zakroczynsky mihi dono fl. fortasse tricentos Cra
couie nomine ducum, quos renui recipere dicens, quia plus
tenerer ducibus, cuius responsi mei est conscius dominus
Praszmowsky castellanus, qui eosdem fl. mihi porrigebat, si
702
Z eissb e rg.
percipere voluissem. Insuper donaueram ducibus equos septem
tune cum Lytuaniam cum genitrice proficisci debuerant et in
veritate sex quadrigales equi sicut erant staturosi et venustissimi
sic iusta estimacione valuere saltem 150 fl. ambulator vero iusto
valore estimari potuit 50 fl. valuisse.
Igitur compensatis beniuolenciis et istud debitum cum
Bl. honestatis | ducalis racione defalcari deberet vt intelligatur pro
40 a ' eo satisfactum. Sic autem tune componatur cum illis et sub
tempore de bonorum mobilium residuo et anno dei gracie sol-
ueretur illis.
Costka.
1000. Debitum domini Costka facilem habet declaracionem, vt
sciatur, quomodo in eiusdem solucione respondeatur. Mille
quidem fl. sicut supra 1 sibi debeo. Itaque quum arendauit meam
dauern Grzegorzow ita quod singulis annis in eadem claue
percepturus erat ad racionem sui debiti inille fl. id totum quod
pro arenda esset soluturus et anno preterito dimisi sibi de
arenda fl. centum propter damna, que dicit se perpessum esse
a belligeris terrigenis, anno vero presenti integram arendam
debebit.
Igitur defalcatis ad racionem 1000 fl. predictorum annis
arende residuum sibi erit soluendum de bonis mobilibus et
anno gracie.
Domini canonici Bussynsky.
600. Debitum domini Bussynsky velim anno presenti exoluere
dei graciae inuento auxilio; si non exolucio, fiat solucio sievt
supra de bonis mobilibus et anno gracie.
Pywo.
000. Debitum Pywonis licet nepotes inscripserunt in villis pa-
ternis Wronouicze et Janowicze, tarnen quia vtrunque istud et
domini Bussynsky et Pywonis sicut cetera debita non nepotum
sed meum proprium fuerit, id cii’co velim, si deus volet, sic
vt supra domini Bussynsky soluere eciam istud aliud scilicet
Pywonis soluere anno presenti vel sic vt supra de bonis etc.
solueretur.
1 37 b.
Johannes Laski, Erzbischof von Gnesen.
703
Domini Latalssky.
Domino Lathalssky. 1550.
Contribucionis.
Debitum contribucionis per se loquet, quo (!) se gestituri (!) 873
sunt pro eo domini executores vt supra scripserim. gr. 12.
Boryslavicze.
Debiti in Boryslauicze talis est iustificacio, qualem supra-
scripserim, tarnen si vixero tune deo volente facultas si aderit,
illud soluere velim.
Fateor quia post expiratum jubileum, quem pro municione
Cameneczen(sis) et mee ecclesie impetraueram, propriis impensis
meis laboratur quiequid Gnezne in curia et circa ecclesiam labo-
ratur. Dudum enim expositum est, quiequid ex jubileo obuenerat.
Item omnia debita ante annum presentem scripta sic vt
supra scribitur sunt soluta.
Bona ergo mobilia quecunque erunt inuenta post mortem
meam in camera mea in thezauro curie ac in Vnieouien(si)
et Calissien(si) testitudinibus secundum regestrum 1 quod est in
tbezauro in manibus Aron et Christoferi thezaurii (!) vltime
voluntati seu pocius necessitati mee accomodari committo.
Namque ex opposito cuiuslibet registrate rei scripsi super
eadem re voluntatem vltimam.
Item peccora et peccudes in prediis arcbiepiscopalibus
mea sunt. Nam sicut post R"" Illustrissimique | domini Fre-
derici etc. Cardinalis regia Majestas sicut frater, successor et
executor vendidit, sic post domini Roze archiepiscopi, mei
immediati predecessoris mortem ego redemi ea ab oxec.utoribus
domini Roze videlicet a Clemente Bussynsky iconomo et Spith-
kone Buszensky cancellario. Itaquo si solutis debitis moriar,
relinquam eadem peccora integra successori, tantummodo pro
hospitalibus designo dari in Lowicz 6 peccora, in Piantek tria,
in Vnieow quinque ad hospitale presbiterorum et ibidem ad
hospitale vetus tria, item in Gälisch pro singulis hospitalibus
tria, item Gnezne pro singulis tria, item Znene tria, item in
Wyelun tria, Piotrkouie tria, item Lanc(icie) tria, item in
Gassko tria. Si vero non exolutis debitis moriar sieque necesse
1 Vgl. 37 a. 39 b.
Öitzungsber. d. phil.-hist. CI. LXXVII. Bd. III. Hft.
45
704
Zeissberg.
esset vndecunque supplere defectus, tune omnium et singulorum
peccorum et peccudum medietas integra vendatur successori si
volet, et de altera medietate detur hospitalibus sic vt supra
in tribus locis tantummodo scilicet Gnezne, in Ynyeow et Lassko;
item equiream (!) qualiscunque fuerit in Ynieow dono ecclesie
alias successori pro mense sue seu Status sui vsu vt pyus et
fauens esset patronus voluntatis et necessitatis mee vltime.
Quoniam autem non parum impenderim pro commoditatibus
mense archiepiscopalis municiones editicia faciendo, piscinas et
inolendina erigendo, nonnulla eciam bona redimendo 1 — nam
preter alia, que liic ommittum specificare pro deciinis per olim
Reuerendissimum dominum Johannem Gniszczynsky capitulo
Sandomiriensi venditis in Langouiczensi claue exposui eam
summam, que continetur in redemptionis priuilegiis — idcirco
domini successoris mei ad necessitatem mee voluntatis vltime
et solucionis debitorum imploretur patroeiniiun, fauor et auxilium.
Arma bellica equestria, quorum circiterLerant, viuens peten-
tibus distribui; itaqueque suntinLowicz non mea sed ecclesie sunt.
Equos quadrige, quia illi glebam corporis sunt deuecturi
Gneznam, sic committo distribuendos, vt, si extra Gneznam
moriar et in curru deueHendum erit funus, quatuor cum qua-
driga dentur ad communem distribucionem inter vicarios metro-
politane (!) et inter errectum seu errectos capellanos campi
sancti vicarios et sacelli s. Stanislai missarum lectores in
eodem campo sancto. Cum enim non in metropolitana ecclesia
sed extra eam in campo sancto et inter patrocinia sanctissi-
morum Adalberti, cuius basilica latus ambit campi, et et (!)
Stanislai, cui dedicandum duxi sacellum campi sancti, quie-
scendum est mortaliter, absque iniuria commutacio (?) ista sit
in distribucione suprascripta. Item duos equos quadrigales
lego de quatuor familiaribus scilicct Nan(u)o (?) Mach camerali
puero, strenuoso (?) equisoni, qui ambulatores meos guber-
nabat pro tempore et duobus eciam pro tempore aurigis
quadrige, vt precium eorundem duorum equorum inter se diui-
1 Vgl. Theiner, Monuin. IE. 358 nr. 885: ,castra, piscinas et molen-
dina ac bona alia dicte mense archiepiscopalis magna in parte
nonnulla collapsa, nonnulla uetustate seu negligentia predecessorum anni-
cliilata restaurauit, et in eis augmenta fieri procurauit impensis propriis
et non modico sumptu.‘
Johannes Laski, Erzbischof von Gnesen
705
dant equaliter. Sint quoque isti equi duo, qui ante alios primi
redas sustinent.
Equos ambulatores, qnia abusus sum illis propter egritudi-
nes pedum, ideo paruos et non preciosos habere consueui, in quibus
tantummodo ad ortos descendebam aut ad piscinas nihilominus
qualescunque eruntper (!) tempore dono illos dominis executoribus.
Equum cruciferum dono crucifero pro tempore existenti.
Equos alios domini executores conuertant sicut videbitur illis.
Apparatus ecclesiastici secundum regestrum conuertantur.
Item apparatus comunis curie ecclesiasticus, quo dietim
capellani vestiuntur ad mensam domini et altaris sacra suppellex
eciam communis inclusis cuiuslibet generis et metalli rebus pro
eisdem capellanis si non ordinauero cessurus esset. Ordino
tarnen sic et lego, quod domini executores illum appa | ratum
eciam si duplex esset cum Omnibus rebus predictis redimant Bl.
ab ipsis capellanis et clerico capeile seu curie, quos intelligi 41 a '
velim eos tantummodo, qui mihi aderunt in curia tune morienti
cum deus volet, non adessentibus nihil detur, pro qua suppellec-
tili sufficiant dari marce decem.
Familiäres antiquos habeo nullos, qui non essent expediti.
Itaque quiun singula quatuor temporum solaria dare consueui
illis oro vt deseruita illis soluantur et post inhumatum funus
licencientur honeste et cum graciarum accione, quod mihi
viuenti et mortuo fideliter seruierunt ac cuilibet eorum vltra
predicta deseruita solaria dono dent domini executores pro
expensis ad domos redituris alia integra cuilibet quatuor tempora.
Antiquo familiari meo Marassio opidano in Lassko licet
bis eum expediuerim prima vice scilicet quando vxorabatur in
Wolborzs, altera vice in Lassko domicilium sibi comparantem,
tarnen rogo vt de equis currulibus coquinariis aut aliis qui
erunt dentur equi duo.
Camerali puero suprascripto vidolicet Machoni oro vt
dentur marce decem.
Alberto condam Tataro antiquo familiari olim R mi domini
Creslai et mihi eciam per annos circiter decem seruienti, qui
se in itinere Romano asscripsit me eciam inscio seruituti domini
Jeronimi nepotis, dentur de equis currulibus coquinariis equi
tres vel dentur sibi de illo debito domini Creslai mihi quidem
obligato 900 florenorum a domina Crepiczka fflor (!) exacto
46*
r
706
Z eissberg.
deductis, que sunt- deducenda, ut supra fl. dentur sibi centum
et si deductis deducendis suprascriptis tantum sibi dari non
poterit, tune tantum ei detur, quantum poterit magis deductis
deducendis supra scriptis scilicet circa debitum hic suprascriptum.
Petro Znenensi condam Ebreo per me tarnen in filium
spiritualem adoptato et Znene baptisato licet post professum
et susceptum baptisma sibi dono dederim marcas centum quas
nescio quomodo absumpsit tarnen domini executores piam in
eum discrecionem habentes dare velint id quod oquum illis
videbitur et facere possent. Ego quidem darem viginti aut ad
minus decem marcas si solus 1 ipse meam exequerer volun-
tatem et si efficere possem.
Habendo racionem benefieiorum, quibus vsus sum ali-
quando, raro illa personaliter visitando, idcirco- pro fabricis
ecclesiarum infrascriptarum per me aliquando possessarum
designo et lego dandum si facultates aderunt, vt sequitur:
Beneficia asscripsi Gneznensis
quorum sub tempore et
successiue non pro vno
tempore possessor eram;
presentabar quidem ad
aliain minoribus existens
sicut sunt inBorzanczicze
prope Cosszmyn et in
Camyona prope Iwano-
uicze pl(e)b(ana) tus, sed
non eram illorum posses
sor aut prouisus auetori-
tate episcoporum, tan-
tummodo presentabar ad
evincendum jus mala fide
per Cossmidiones occu-
patum. Ideotantunnnodo
istorum successiue eram
possessor, que sunt in la
tere isto scripta.
Craeouiensis
Wladislauiensis
Poznaniensis
Cruszwicziensis
In Cosszmyn
intra muros
Ad S. Adalbertum extra-
muros Poznanie
Malyn
ad s. Petrum Öandomirie
intra muros
Zagoscz prope Wislicziam
Primum omnium bene- i
fleiorum erat altare in
opido Skoky valoris for-
sandsexagenarum. Nam
II tantummodo marcas
deductis oneribus ex
eo percipiebam. Niliilo-
minus ecclesie non al-
tari dentur
trigenta
viginti
quindecim
decem
decem
due
tres
quatuor
tres
due
quinque
1 Polonismus: sam, selbst.
Johannes JLaski, Erzbischof von Gnesen.
707
—- Andrzeiow
In opidorum istorum Malogoscz
poduodis equitabam re- Przedborzs
ge irrequisito existens Piotrkouia
in minoribus et licet Szadek
cum regii officii scitu et Wartha
forsan in priuata ne- Stauischyn
cessitate semel nihilo- Pisdrj
minus libens viderem, Srzoda
quod daripossitillis, pe- Poznania
tendo quod ignoscant. Gnezna
Wassnyow opidulum
XVIII. gr. i
XVIII. gr.
XVIII. gr.
XVIII. gr.
media 1
.. }• mrc.
media mrc.
media mrc.
media mrc.
XVIII. gr.
media mrc. Bl.
j. 41 b
media mrc.
Testamenti 2 1531 die vero quintadecima Maji in Calysch Bl.
liora vespertina et sextadecima terciarum uel quasi. Reueren- 42 a
dissimus in Christo pater dominus Joannes de Lassko archi-
episcopus Gneznensis primas et legatus natus testamentum ab
annis aliquot a se conditum licet sint quedam res et argentum
ex tezauro iminuta confirmauit et per hoc ratum habere voluit,
cuius vna et presente existente reuerendo gracioso et venera-
bilibus dominis Johanni de Lassko preposito Gneznensis et
Lanc(iciensis) ecclesiarum etc. nepoti, Nicolao de Russoczyce
Castellano Byechoviensi etc., Mat(hie) Slywnyczki archidiaeono
Gneznensi etc. cancellario et Troiano de Slessye ju(ris) doc-
toribus preposito in Lasko illis duobus veluti fratribus domin o
cancellario a consiliis et domino Troiano a seruiciis charissi-
mis fact(am) et fiend(am) commisit.
Inprimis debitum domino Czasnyczkj facta primum ra-
cione de fructibus per ipsum venerabilem dominum Stanislaum
Czasnyczky scolasticum et iconomum Gneznensem ac decanum
Gneznensem etc. exPyqtek ac Camyena perceptis eidem domino
Joanni de Lasko nepoti pro eius necessitate cum dominis fratri
bus suis contractum existit soluere ex argento et repetita summa
a generoso domino Alberto A . . a (?) de Crzepczow capitaneo Vye-
linensi ex eadem clave mandauit et commisit, ita ut iusticia
vtrinque esset.
1 Hier endet die Hand Laski’s.
2 Hier beginnt eine andere Hand, welche alles Folgende eintrug.
708
Zeissberg.
Generoso domino Petro Opalenyskj eastellano et regio
curie magistro bona archiepiscopalia Gosczanow tenenti mille
florenos ex prouentibus sancti Adalberti et sancti Joannis soluere
commisit.
Contribucionem ecclesie ex anno graeie soluere mandauit.
Familiam cui vllum est quartale non solutum secundum
merita consolari iussit.
Bl. Marsalko Poradowskj, (Georgio) 1 succamerario, fratri eins,
42 b ' Glouaczki cubiculario 2 etsi seruiant ab annis paucis tarnen
consolentur.
Felici coco dentur due sexagene peccunie.
Quicquid est in camera argenti omne illud domino succa-
merario cum omnibus rebus, que sunt in camera, legauit.
Priuilegia ecclesie ad eius tesaurum reddantur.
D.Pallium de sitta 4 roza cum capucio [domino Pyrzynsld
legauit.] 5
Aliud scarlati rubei [vendatur.] (i
Tunicam scarlati rubei domino cast(ella)no Byechouiensi
legauit equestrem.
D. Aliam brunaticam venerabili domino Martino Lopateczki
legauit.
Tunicam rubei scarlati domino Joanni nepoti legauit.
Pallium cum capucio nigri czamleti 7 Italicum domino
Troiano legauit.
Rubei czamleti capucium domini Trojani in manus dan-
dum commisit pro stolis et aliis apparamentis ecclesie. 8
Bl. Capucium scarlati rubei Italicum venerabili domino Jacobo
43 a ' de Cracouia medico legauit.
D. Tunicam saye 9 rubee domino cancellario 10 legauit.
Capucium minus czamleti domino Troiano pro ecclesie s
suppellectili legauit.
1 Laskowski. 2 Vgl. 48 a.
3 Dies und die folgenden D., von anderer Hand am Kunde vermerkt,
scheinen: datum anzudeuten.
4 sajeta, sagieta, Kleid aus Soje. Linde.
5 Ursprünglich stand: archiepiscopo novello vendant . . . res. Durchgestrichen.
6 Ursprünglich : similiter; durchgestrichen.
7 Camelot. 8 in Lasslco. 8 Soje, ein Kleiderstoff.
18 Mathias Slywnyczky s. pg. 42 a.
Johannes Laski, Erzbischof von Gnesen.
709
Capucium minus scarlati rubeum domino Yenceslao Czyrka D.
legauit.
4 rokyetas duas videlicet domino Troiano et duas pau-
peribus suffraganeis legauit.
Tredecim kamchete 1 pro sepultura, ex quibus duas ad
sanctum Stanislaum capelle terre sancte, duas ad ecclesiam
1 ..ascen(sein) et reliquas pro ecclesia G-neznensi legauit. 2
Puluinar ad stalla Gneznensi ecclesie rubei atlilasii legauit.
Sandalia alba alia rubei axameti pro ecclesia Gneznensi
legauit.
Diploides atblasii brunatici duo sunt, quorum vnum domino B.
Georgio Laskowski succamerario et alium fratri Martino 3 le
gauit.
Item diploides tres parvi sunt, quorum vnus domino Glo-
uaczkj cubicülario alii pueris dentur.
Cubiculariis sex Ultra distribuere mandauit.
Puluinar zlothoglowowy (?) 4 detur ecclesie Gneznensi pro Bl.
sedili archiepiscopali.
Alie res minute in pulla minori alba dominus Joannes
nepos et exeqwtor accipiat.
Cirotecarium vnum par cum fimbriis auro textis doc(tori) D.
Jacobo 5 et aliud venerabili domino Ambrosio de Belemow ca-
nonico Loucensi medico dentur.
Item vnum par ad manus seu 2 p. si eum mori obtigerit
imponatur.
Alia distribuat dominus Joannes nepos exeqwtor.
Schyrzynka cum aliis rebus detur pro eclesia Gneznensi.
Tabulas et ymagines pictas pro eclesia Gneznensi legauit.
Kegestra antiqua dominus Joannes nepos habebit.
.... natas litteras similiter reuerendissimi domini arclii-
episcopi idem dominus nepos babebit.
Sellam inauratam domino Joanni nepdti legauit nigram.
Alias septem rubeas sellas dominus Joannes nepos distri-
buet sicut ei videbitur.
1 Von kamcha, Seidenstoff.
2 Am Rande von anderer Hand: Ad Lasko nihil datum.
2 Wohl Lopateezki; vgl. 42 b. ^ Von Goldstoff, Rrocat, Tjinde.
5 de Craeouia; vgl. 43 a.
710
Zeissberg.
Bl- Corallorum medietas pro ecclesia ad Lasko et alia pro
Gneznensi distribuatur. 1
Cultelli incisorii ad disposicionem domini Joannis nepotis
cedunt.
Jopule de zamesch 2 cum caligis cubiculariis quibus volu-
erit dominus Joannes nepos distribuet.
Tres pecie tele seruentur pro feretro.
Due pecie Lythuanice flauee dentur in Lasko pro ornati-
bus et alie pro capella s. Stanislai. 3
Due pecie incepte sunt quarum vna ad Lasko, alia pro
S. Stanislao dentur.
Pecie tres nigre tele, vna ad s. Stanislaum, alia ad Lasko
detur. 4
Pecia coloris viridi tele detur ad Lasko. 5
Pectines octo distribuantur inter presbyteros.
Palla ecclesiastica tele Colen(sis) detur pro ecclesia s.
Stanislai.
Bireta octo rubea, vnum doctor Jacobus, aliud dominus
Ambrosius tollat, alia distribuantur, vnum Cruschewski habeat.
Nigra duo vnum domino Lopa(tecz)ki, aliud domino Czyrka
legauit.
Bl. Scutelle argentee maiores sex, minores 8, talaria, coclearia
441,1 dominus Joannes nepos in dispensione recipiat.
Credencia ecclesiastica in cista pro s. Adalberto et eius
ecclesia et in vsum successoris si ei videbitur dari debet.
Baculum pastorale ecclesie Gneznensi restituere mandauit.
Asperiolum argenteum ecclesie Gneznensi legauit.
Calicem maiorem in auratum cum ampullis duabus planis
ecclesie sancti Stanislai legauit.
Alium cum ampullis in quibus sunt rose s. Adalberto ut
celebretur in illo ad altare. 11
Calix sacerdotum ab eis cum clerica redimatur fl. sex.
1 Am Rande von anderer Hand: Non datum; vgl. 33a.
2 Von Sämisch Leder. L.
3 Am Rande von anderer Hand: Dubitatur si datum.
4 Am Rande von anderer Hand: Non datum.
5 Am Rande von anderer Hand: data.
0 Am Rande von derselben Hand: et pixidem argenteum pro oblatione
inavratum.
Johannes Laski, Erzbischof von Gnesen.
711
Pallium et tunica nigra domino Mathie Domaraczki. D-
Pallium seu tunicam brunatici coloris domino cancellario 1 ß.
legauit.
Pallium scarlati rubei cum tunica domino .Toanni nepoti
leg-,-mit.
Sitta 2 rosa vendatur alicui suffraganeo uel disponat vt Bl-
velet dominus Joannes exeqwtor.
Szamletum rubei coloris dominus Troianus diuidet inter
ecclesiam Lascensem et s. Stanislai pro ornatibus. 3
Brunatici czamletum coloris doctori Jacobo legauit.
Nigri harasii 4 pallium doc(tori) Ambrosio legauit.
Atlilasii nigri tunicam novam venerabili Martino Lopateczki D -
canonico Gneznensi legauit.
Czamlati dzykj h(onorabili) Gregorio Sokolowski tunicam
legauit.
Trabeam panterinam domino Suantoslaö Lobeczki legauit
nigri athlasij.
Capucium cum mitra sabellina domino Joanni nepoti
legauit.
Trabeam cismicam rubei scarlati virginibus in Lopathki D.
legauit.
Trabeam tabynovam 6 virginibus eisdem legauit. 1).
Cappam brunaticam cavdatam eisdem legauit. D
Pelles panterinas tres domino Joanni nepoti legauit.
Marderinas XX“ eidem.
Cismeas quadraginta domino Joanni nepoti legauit. Bl.
Foderam generöse domine Anne Malinska sorori legauit h '
cismeam.
Aliam ventrinam cismorum venerabili domino Laurencio D.
Gyeskowski canonico et officiali Calissiensi legauit.
Harasii peciam viridis ad antipendia ferialia dominus
Joannes nepos pro ecclesiis Lascensi et s. Stanislai expendet. 7
Brunatici aliam ad easdem ecclesias pro vexillis legauit. 8
1 Slywnyczky. 2 Soje.
3 Am Rande von späterer Hand: Non est datum.
4 Aras, Rasa, Rasch, ein zu Arras gefertigter Wollenstoff.
5 Von rauhem Camelot. 6 Von Tabinet, Tobin, einer Art Taffet. L.
7 Am Rande von späterer Hand: Diuisum (?).
8 Am Rande von späterer Hand: Non sunt.
712
Z e i 8 s b e r g.
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In:
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Nigri incepti harasij pecia scindatur et pro sacerdotibus,
qui missas legent, diuidatur.
D- Vnam czamleti peciam dzykj inceptam honorabili domino
Joanni Byelowice procur(ator)i in Louicz legauit.
Vnum früstum atblasii discolorati domino Trojano ad ec-
clesiam Lascensem detur. 1
Kytayky 2 peciam inceptam ad ecclesiam Gneznensem
propter camcbatas subducendas legauit.
Bl. Frusta duo athlasii nigri domino Czyrka pro jopa seu
4b a ‘ lanka legauit.
Tres pecias tele ad ecclesiam propter ornatus Gneznensem
legauit.
Peciam tele Colensis inceptam ad pallas ecclesie in Lasko
legauit. 3
Peciam tele« nigre inceptam et aliam rubeam ad Lasko
donauit. 4
Fodera candidarum pellium et decem . . . legauit.
Scatulam margaritarum et lapillorum reformatam ecclesic
Gneznensi benefactrici sue et sancto Adalberto legauit cum
schyrzynka.
Czypryssova detur doctori Ambrosio peregrinacionis Jero-
solimitane.
Cultelli tredecim argento reformati domino Joanni nepoti
legati.
Cincaturam auro intextam domino ... 5 legauit.
Peciam kytayki rubee ecclesie in liasko legauit. (i
Frustum parvum tabini; 7 ibidem sclioda alba ad Lasko.
Frustum taffte rubee ibidem.
Frustum albe kytayka ad Lasko legauit.
Coclear ligneum aura reformatum.
Aliud cristalli.
Tercium de osse vnicorni cum manubrio aureo domino
Joanni nepoti legauit.
1 Am Rande nachträglich: non datum.
2 russ. KHTaHKa, chinesischer Baumwollenzeug 1 . L.
3 Am Rande später: Non datum. 4 Am Rande später: Datum.
5 Hier ist der Name durchgestrichen und ganz unleserlich.
6 Am Rande später: Non datum. 7 Tobin.
Bl.
46 b.
Johannes Easlri, Erzbischof von Gnesen.
713
Eidern salselky 1 cristalli.
Taffte nigre frustum ad Lasko legauit.
Cappam rubeam cum Corabye 2 athlasy ad
ecclesiam Lascensem legauit. 3
Aliam adamasci albi ad Lasko legauit. 1
Aliam athlasy rubei sancto Adalberto paitrono suo Gnez-
nensis ecclesie legauit.
Cappa axamenti nigri ad Lasko si non est alia alioque
ad Gneznenensem ecclesiam detur. 4
Cappam vnam camszaua 5 ad ecclesiam Lascensem aliam
ad Gneznensem legauit sancti Stanislai capellam. 4
Ornatum zlotoglow r ’ cum apparatu ad Lasko legauit. 7
Adamasci albi cum toto apparatu ecclesie Lascensi legauit. 7
Athlasii rubei vnum ornatum cum apparatu ecclesie in
Lasko legauit. 7
Alium similem ad s. Stanislaum terre campi sancti legauit.
Ornatus axamenti nigri pro corpore dabitur.
Athlasii nigri ornatum ad ad (!) Lasko uel si ibi est pro
s. Stanislao legauit. 7
Tunicelle albe kythanki, eciam (?) rubee s. Adalberto
Gneznensis ecclesie legate.
Discolorate Gneznensi ecclesie legate.
Dahnatice 4 rubei athlasy ad Lasko legate. 8
Cainczane due dahnatice ecclesie Gneznensi legate.
Tunicellas duas nigras ad ecclesiam Gneznensem donauit.
Antipendia athlasii rubei ad Lasko legauit. 11
Adamasci albi presbiteri capellani cum clerica habeant
vel vendant et inter se diuidant equali diuisione.
Faldisterium cum globis quatuor argenteis pro ecclesia
Gneznensi et usu successoris legauit.
Infule tres sunt, vnapro corpore, duosvero in Lasko legauit. 8
Crucem pectoralem cum catenula aurea ecclesie in Lasko Bl.
legauit. 10
D.
47 b.
1 = salserka, fr. sauciere. Linde.
3 Am Rande später: non est data.
5 Von Kamcha, einem Seidenstoffe.
7 Am Rande später: datum.
9 Am Rande später: Omnia sunt data.
10 Am Rande später: Non data.
2 Dem Wappen Laski’s.
4 Am Rande später: data.
6 Brocard, Linde.
8 Am Rande später: dato.
714
Zeissberg.
Bl.
48 a.
E alt cum siue cingulum ecclesie Gneznensi legauit.
Szyrzynki tres vna pulcherrima ecclesie Lancic(iensi),
aliam Louicensi et terciam ad Lasko legauit. 1
Gremiale pro ecclesia Lascensi legauit. 2
Vnam sclioda (!) ad ecclesiam Louicen(sem), aliam ad
Lascensem donauit. 3
Pellas duas auro intextas ecclesie Lascensi legauit. 4
Faciletum vnum ad maius altare Gneznense.
Aliud ad s. Stanislai legauit.
Sandaliörum duo paria ecclesie Gneznensi legauit.
Vnum tarnen pro pedibus debebit esse.
Fj'usta duo lcytayki ad infulas ecclesie Lascensis legauit.
Aliam viridem ibidem.
Parui pilei episcopales duo ad easdem infulas dentur ec
clesie Lascensi.
Hvmerale Italicum pro corpore tegendo et rokyeta. 5
Duo paria cirotecarum ecclesie Lascensi et vnum Gnez
nensi ecclesie legauit. c
Axamenti vnum pulvinar pro cerimonia ecclesie Gnez
nensi aliud Lascensi legauit.
Superpilicia capellanis tria dentur.
Libri ecclesiastici 4 cum teguminibus axamenti domini (!)
Joanni nepoti (!) disposicioni reliquit.
Frusta duo adamasci pro pulpite in Lasko dedit. 7
Taciam argille ex terra Egipti domino Johanni nepoti
legauit.
Lodices 8 e quibus vnum bonum ecclesie Louicensi ad
stalla, alium Lascensi legauit, alios dominus Johannes cum
domino Stanislao diuident inter se. 8
Opponi 9 quinque quarum vnam pro ecclesia Louicensi
donauit, quatuor dominus Joannes nepos distribuat pro ecclesiis.
Pelliceam mardurinam domine Anne Malinska legauit.
1 Am Rande später: Data. 2 Am Rande später: Datum.
3 Am Rande später: non.
4 Am Rande später: Data vna sed simplicis tele absque auro.
5 Chorhemd der Bischöfe und Domherren, rochetum. Linde.
6 Später am Rande: Datum par. 7 Später am Rande: Non sunt data.
8 Später am Rande: Datus vnus. 9 Opoua, Decke, Vorhang. Linde.
Johannes Laski, Erzbischof von Grnesen.
715
Georgius succamerarius cum fratre et Glouaczki cubi- D.
culario duas subductas habebunt.
Axamenti tegumentum pro corpore fiat.
Ornatu(s) pro corpore pulatlasye 1 fiat.
Domino Slupeczki eqwm ad equicium receptum soluere Bl.
sua R(euerenda) p(ateraitas) mandauit. Solutus est.
Ambulator a domino marsalko 2 detur domino Troiano 3
pro itinere Romano. 1
De curie suppellectili alia dominus Johannes nepos et
exeqwtor disposicionem habebit.
Redarii equi valenciores pro domini Johannis nepotis dis-
posicione relinqwntur.
Antiquiores poterunt converti in pios et alios usus.
Cisticulam, in qua reponitur pallium inauratum ecclesie
Gneznensi legauit.
Annulum cum Turco successori per dominum Johannem
nepotem, ut esset fauorabilis sui antecessoris fundacionum in
beneficiis factis, donandum voluit.
Pacificale argenteum pro s. Stanislao terre sancte legauit,
reliquias tarnen ad Lasko ex illo vel vbi videbitur domino
Joanni nepoti dispensandum commisit. ä
Pro redemcioue equorum vicariis Gneznensibus quadra-
ginta | marce ponantur ad offertorium et equi dabuntur pro ec
clesie Gneznensis fabrica.
Si dominus Joannes nepos suis esset impeditus a ... essio-
nibus extunc dominus castellanus Byechouiensis 6 cancellarius
et Troianus amic(is) quos volent funus sepelient.
Storie in Chodecz Pyzdrique aduehende (?).
Peccunias pro necessitatibus sicut dominus marsalkus cum
domino Lopateczki canonico dare mandabit dabit.
Acta sunt hec presentibus dominis Martino Jacobo Am-
brosio et Gregorio Sokolowsky tesaurario quibus supra testibus
specialiter vocatis et rogatis.
Et ego Venceslaus Czyrka clericus Vilnensis diocesis
sacra auctoritate apostolica . . . r latus et descriptus notarius
1 Halbseide. 2 Poradowsky. 3 de Slessye.
4 Später am Rande: Non datus.
5 Am Rande später: Nec pafficale (!) nec reliquie date.
6 Nicolaus de Russoczyee.
Bl.
49 b.
Bl.
50 a.
716 Zeisfiber g.
coram sua ßeuerenda paternitate causarum seriba rogatus et
requisitus testamento huiusmodi per prefatum dominum archi-
episcopum condito et oreteiius recognito interfui et in notam
sumpsi et presentibus in vim mei protocolli me snbscripsi.
Ita est; Wenceslaus, qui supra, manv propria subscripsit.
Item medietatem reliquiarum de s. Stanislao ad Lasko
dare ex pectorali (?) mandauit.
Item sua Reuerenda paternitas onerauit conscienciam domin i
Johannis nepotis execvtoris, vt custodiam s. Stanislai ex ple-
banatu Janyew permutacione pro Oskouicze cum doctore Am-
brosio facta erigat, ad quam py (pii) (!) domini Mathie de
Myelecz, qui debet esse custos, notarius capituli electus per
dominos de Lasko presentabitur, ut perpetuo notarius tiat
custos, et qui pro quinque sacerdotibus, qui regulam (?) sin-
gulis diebus sub novem lectionibus decantarent cum vi-
giliis et illarum vesperas; quod si hoc onus mansionarii vellent
habere haberent, quibus pro communi mensa darentur quadra-
giuta marce, qui custos vicecustodein ex suis prouentibus pro-
uideat et missam de beata virgine sabbato, aliam de s. Stanislao
feria tercia pro summis missis decantare similiter et festis mobi-
libus tenebuntur, quod si renuerent extunc contentarentur per
marcas decem ex canonicatu cuius est dominus Naropinski
custos possessor. Ut sic canonicatus posset retinere vberiorem
fructum sit vnus reqijsta (?) Pyrzynski.
Centum fl. in auro dominus Troianus percipiet a domino
decano Gneznensi datos, alios centum in auro recepturus a do
mino Zbaski et adiectis 500 ex prouentibus anni gracie eat
Romam consilio domini Johannis nepotis uel residuitate a do
mino decano Gneznensi etc. repetita. 1
Vagyenyeczkidentur duo equi dyslove - redarii vel marce X.
Felici coco duos redarios qui peterint esse.
Forzitorzovij Vaganyeczki duas marcas.
Slupeczki pro eqvo soluantur viginti fl. Solutum est.
Quatuor redarii domino marsalko 1 dentur per Reueren-
dissimum dominum archiepiscopum euntem in Mnychouiecze
empti.
1 Nichil est datum. Johannes (?) recepit omne. Spätere Randbemerkung.
2 Deichselpferde. 3 Vorreiter. 4 Poradowsky.
Johannes Laski, Erzbischof von Gnesen.
717
Domine uxori Przeczeny si potest esse tres dentnr equi
aliqui minores cum curru.
Vytowsky prouideatur sicut a sanguine et veteranus familie.
Pro Schiskowski et Przeczeny 200 fl. dominus Joannes
nepos soluet domino Sopiechowski prout habetur in scriptis;
vbicunque recepta racione dominus Przeczeny quittandus anno
preterito et presenti si careat (?) quitto et reddantur .... de
600 aureis.
Laurencius gibbosus commendetur alicui uel sit in camera
domini prepositi.
M. Przynsky 1 prouideatur 50 fl. uel quot fieri poterunt
aut instrumenta coquinaria dentur illi.
Canonicatus in 20 marcis fructuum Borzislavicze erigatur,
ad quem presentetur dominus Cruscliewski, reliquum 2
Si erit dominus canonicus Lanc(iciensis ?) dominus Scza-
winski extunc in Janislauieze resignet Jaroslao Laskowski.
BI.
50 b.
1 Mathias Pyrzynsky.
- Am Rande: 50 (!) mrc. von derselben Hand.
INDEX.
Abkürzungen: can. — canonicns. — J. de <L. :— Johannes de <Lasko. — Joli. — Johannes
Wladisl. = Wladislauiensis.
A.
Adalberti s. basilica Gnezne 40b,
42 a, 44 b, 46 a, b, 47 a.
— sepulcrum 19 b, 32 a, 33 a, 36 b.
Adam 4 a.
Albertus, agazo, quond. Tatarus 27 a.
41a.
(Albertus) Wilnensis episcopus 34b.
Albinus, decret. doct. can. Wilnensis
35 b, 36 a.
Alexander, Poloniae rex 9 a, 10 b,
16a, 20b, 21a.
Almania 4 b.
Almanus, officialis Louiczensis 23 a.
Andreas, arcliiep. Gnezn. v. Koza.
Andrzejow 41b.
Anglik Petrus 3 b, 4a.
Anna (de Ritvani, Koscielecka), uxor
Jeronimi de Lasko 1 37 a, 38 a.
— palatina Brestensis, neptis Johannis
de Lasko 39 a.
— ducissa Mazouie 15 b, 16 b, 18 b,
23 a, 25a, 28a, 31a, 34b, 37a, b,
39 a, b.
Anna soror Johannis de Lasko 33 b. 2
— (Wiznensis) proneptis J. de L.
39 a 5 v. Wiznenses pupilli.
Aron, familiaris 37 a, 40 a.
Auriga, Stefanus de Rubieszovv la.
Austria 7 b.
B.
Bar, Caspar 3 18b, 19b.
Barbara, regina Poloniae 20 a.
Barbarae, s. altare Wladislauie 4b,
5 a, 5 b, 8 a.
Barchardiensis, Petrus 5 a.
Baruczky 17 a.
Belemow, Ambrosius de, 4 can. Loui-
censis, medicus 43 b, 44 a. 45 a,
46 a, 48 b, 49 b.
Bernadinus Wylczek, archiepiscopus
Leopoliensis 16 a.
Biesdrowsky, Paulus, custos Wladislau.
4 a.
Blaudre (er), Johannes, magister, so-
rorinus Turzo 5 8 b.
Blaszky, plebanatus, seu Chlewo circa
Stawischun 5 b.
1 v. Rittfienska uirgo und Einleitung S. 608 ff.
2 Vermuthlich identisch mit Malinska.
3 1514 ,consul CracouJ Act. Tomic. III, 272.
4 Als Baccalar ,Ambr. de Bolijemow 4 erwähnt in Muczkowski, Statuta 158
zum J. 1514, als Magister und ,Medicus 4 ebenda 170 zum J. 1520.
5 Ich halte diesen für identisch mit dem in meinem ,Matrikelbuch der
Universität Krakau 4 S. 67 erwähnten : ,Johannes protoconsis (= proto-
consulis) Antonii Brenderlers frater de Cracouia, dessen Bruder
Paprocld, Herby ryc. Polsk. (ed. Turowski) 896: Anton Beindler nennt.
Johannes Laski, Erzbischof von Gnesen.
719
ßlonye, Mathias de, baecalareus (po-
stea artium et medieinac) doctor,
medicus 1 4a, öb, 6a, 14a, 15a,
16b, 18a, 25a, 27b, 31a.
Bogdan, wayewoda Moldauie 17 b.
Boleslauiecz 18 b, 19 b.
Bonar, Johannes, ciuis Cracouiensis 2
9a, 11b, 12a, 14b, 15 a, 16 b, 17 a,
18 b, 19 b, 20 b, 22 b, 23 a, b, 25 b,
28a, 29a, 31a, b, 34b, burgrabius
et zuparins Cracou. 37 a, 39 b.
Bononia 27 b, 28 a, 30 a, 35 a.
Borg, Stanislaus, 3 factor et thezaura-
rins et in vrbe magister domus
J. L. 24 b, 28 a, 32 a.
Boriwycze 4a, 6a, b.
(Boryszowslci) v. Roza.
Borzanczicze prope Cosszmyn 41a.
Borzyslawicze 21a, 26b, 27b, 29b,
37b, 38 a, 40a, 50 a.
Boturzynsky 4 15 a.
Branyczky, Job., familiaris 30a, 37a.
Brunozwieziensis, dux 36 b.
Bresczie 12a, 25a.
Brestensis eastellanus v. Crethkowsky,
Nicolaus.
Brestensis palatina 2 a, 39 a.
Bronowsky, miles 15b, 25a, 28a.
Bnczaczky, Jacobus 10 b.
Buczaczky, Johannes, capitaneus Ra-
uensis 15b, 16b.
Buda 25 b.
Bukovvsky, familiaris 29 a.
Bussko 36 a.
Bussynsky, Clemens, peractor (exe-
cutor) (iconomus) Roze, archiepis-
copi Leopoliensis, plebanus Lubli-
nensis 4a, 5a, 5b, 16a, 20b, 29a,
30 a, 33 b, 40 b.
Buszenyn (Buszensky), Spitko de, 5 can-
cellarius, executor testamenti 25 a,
28a, 33 a; custos 35b, 40b.
Bussynsky, 6 can. Gneznensis 37 b,40a.
Buzensky 8 31a.
Byechouiensis eastellanus 42 b, 49 a.
Byelowice, Johannis 45 b.
Byenkowo 3 a, 4b.
C. K. 7
Kaezonowsky, Petrus 5b.
Caliscb 3 a, 40 a, 42 a.
— hospitale in 40b.
Calissiensis canonicus 20 a.
— eastellanus 18 b.
— offieialis 45 b.
Camyen, elaues in 22 b, 28 a, 30 b,
32 a, 42 a.
Camyenyecz 13a, 13b, 16a, 17a, 25a,
33 b, 40 a.
Camyona prope Iwanowicze 41a.
Caponibus, Ludouicus de 24 b.
Carnkowsky, Job., can. Cracou. 8 11 b.
1 Vgl. Muczkovvski, Statuta nee non über priuilegiorum pliilos. ordinis in
univ. studiorum Jagellonica 107, und Acta Tomic. IV, 188. Letowski,
Katalog II, 39. Er war Leibarzt Sigismunds und Alexanders.
2 Einer der angesehensten Bürgerfamilien Krakau’s angehörig. Zupuilc
und Burggraf von Krakau, Starost von Rapsztyn und Oswiecim f 1532.
Vgl. Przezdziecki i Rastawiecki, Monuments du moyen-age et de la
renaissance. Serie III. Decius 302.
3 Borek; Letowski, ICatalogllb, 61 und mein Matrikelbnch d. Univ. Krakau 64.
4 Acta Tomic. 1,83; 1511 war er teleonator Posnaniensis, vgl. ebenda 215.
5 Canonicus Gnezn. Theiner II, 342 (1513) ; vgl. Letowski I. c. II, b, 103.
Ein Sbigneus de Buzenyn als Baccalar 1518 bei Muczkovvski 1. c. 166.
6 Identisch mit Clemens B., oder mit Spitko de Buszenyn.
7 Aus leicht begreiflichem Grunde wurden C und K verbunden.
8 Letowski 1. c. III, 105, später Bischof zu Wloclavvek.
Sitzuugsber. cl. phil.-hbt. Cb L XXVII. Bd. HI. mt. 46
720
Zeisskerg.
Carwowsky, Johannes 10 b.
Caspar 5 b.
Katharina, filia Jaroslai palatini Si-
radiensis, neptis J. de L. 17 a,
(20 a), 26 b, (33 b), 37 b, 38 a.
Katharina Wiznensis, proneptis J. deE.
37 a, 39 a; v. Wizneuses pupilli.
Katherina (Telniczerinn), regni the-
sanraria 1 26 b.
Kazimirus rex 7 b, 10 a.
Ifazimirus b., Kazimiri regis filius 35 a.
Clielm v. Cosczieleczky, Nicolaus.
Chlewo, plehanatus in 5 b.
Chodakowsky, Paulus, 2 uiceplebanus
in Gambyn et factor decanatus
Gneznensis 3 a, can. Gnezn. 4 b,
16 a, executor testamenti 20 a, 22 b.
Chodecz ö b, Anm. 49 a.
Cholinsky. 30 b.
Christoforus cocus 27 a, 30 b.
Christoforus capellanus (= thezau-
rarius) 39 b, 40 a.
Chroslin 32 b.
Ciolelc, Erasmus, episeopus Plocensis
12 a, 38 b.
Clara tumba v. Mogila
Clonowsky, Jacobus, iudex 2 b, 5 a,
6 a, 8 a, 9 b.
Cloteczky, Peter (Pseudonym = Jo
hannes Laski) 5 b.
Kluky, clauis 29 b.
Colensis capitaneus 37 b.
Colensis tela 44 a, 46 a.
Colo, Mathias a, plebanus, doctor 20 b,
23 a, 28 b.
Conarsky, Job., episeopus Crac. 38 a.
Coprzywnycza 8 a.
Corab 32 a, 39 b.
Corabye 46 b.
(Kosczielecka) v. Anna.
Cosczieleczky, Andreas, zupparius 29b.
Cosczieleczky (= de Cosczielecz),
Nicolaus, episeopus Chelmensis,
prepositus Wladislauiensis 10 b, 1 la,
b, 12 a, 13a, 14b, 16 a, 18a, 20b,
25 a, 27 b, 28 b, 35 a.
Cosczieleczky, nepos Nicolai C. epis-
copi Chelmensis, geiler J. de L.
23 a, 25 a.
Coslovv, Job. de, orgauista YVladisl.
(= Coslowitlia) 4b, 5a, Sa.
Coslowsky, Dobeslaus 4b, 5a, 26a.
Cosszrnyn 41 a.
Cossmidioues 41 a.
Costka 37 b, 40 a.
Kothouicze 6 a, 6 b.
Cottficz, Nicolaus, 3 notarius regius 10 a.
Cracouia 5 b, 6 a, b, 7 b, 8 a, 9 a, b,
10a, 11b, 15b, 19b, 25a, b, 26b,
30 a, 31 b, 32 b, 34 b, 37 b, 38 a,
39 b, 41 a.
Craeouie, prepositus S. Marci 4 a.
— judex 5 a.
Cracouia, Jacobus de, medieus 43 a,
b, 44 a, 45 a, 48 b.
Cracouiense capitulum 3 a, b, 6 a, I).
— eastrum 19 b.
Craeouiensia acta 4 a, 9 b.
— aduocatia 38 a.
— altarista 3 b.
— arcbidiaconus 14 b.
— burgrabius et zuparius 37 a.
Craeouiensis canonicatus 5 b, 6 a, 7 a,
9 b, 16 a, 30 a.
— canouieus 11b, 16 b.
— ciuis 5 a.
—• cantor 11 b.
— castellauus 14 h-.
1 Katharina Telniczerinn (von Telnitz in Mähren), Geliebte König Sigis
munds I., von der er einen Sohn Johannes batte, später Gemalin dos
Andreas Coscielecki, Podskarbek der Krone (f 6. Nev. 1515). Sie selbst
starb 1528. Vgl. A. Przezdiecki, Jagiellonki Polskie. T. I. Krakow 1868,
str. 3 ff.
2 S. Muczkowski 64. 3 Vgl. Janociana II, 133. Voll. leg. I. 316 sqq.
Johannes Laski, Erzbischof von Gnesen.
721
Craconiensis consistorii aeta 9 b.
— consul 17 a; v. Turzo.
— custos 4 a, 8 b.
— gladifer 15 b, IG a, 18 a.
— palatinus 38 b.
— prebenda 3 b, 5 a.
— procurator generalis 9 a.
— uicarius J. de 3b. 1 a, G b, 15 b,
18 a, 19 b.
— zuparius 14 a, 37 a,
Crauiczky, Martin 21a.
Cremnyeziensis comes 14 a.
Crepiczka 43 a.
Creslaus (de Curozwanky), episoopus
Wladislauiensis 1 2 a, 3 a, 4 b, 5 a,
Anm. 5 b, 6 a, b, 7 a, 8 a, b, 13 a,
b, 20 b, 27 a, 29 b, 30 a, 33 a, 34 b,
38 a, b, 41 a.
Krethkowsky, Martinus, cau. Wladisl.
2 b.
ICrethkowska 4 a
Cretkowsky (Krethkow de), Nieolaus,
castellanus Brestensis 2 b, 5 a, b.
Cristinus 6 a.
Kromeczky Martinus 29 b.
Kropiczensis v. Krzepiezensis
Crowicza (= Crowiczky), Johannes,
2 b, 3 a.
Crowiczky, Johannes, decanus Leo-
poliensis 2 b, 10 a.
Cruschewslcy 44 a, 50 a.
Cruszwieziensis eanonicus 2 a.
— ecclesia 41a.
— prepositura 7 b, 9 b.
— prepositus 11 b.
Krzepczow, Job., Ottonis, plebanus in
Malyn 7 a.
Crzepiczensis capitaueus 30 a, 38 a.
Crzepcow, Albertus, capitaueus Vyeli-
nensis 42 a.
Krzyszanowski, Felix 33 a.
— Nicolaus, familiaris 30 a.
Krzyszlowski, Nicolaus 4 b, 5 a.
Curdwanowsky 27 b.
Curozwanczky v. Ritwiensky 21 a.
Curozwanky 6 b.
(Curozwanky) Dobeslaus (Dobko) de
13 b, 38 a, b.
(Curozwanky) Stanislaus de, capit.
Wyelun. seu Crzepiczensis 13 b,
30 a, 32 b, 33 a, 38 a, b. Vide:
Adam, Creslaus, Nicolaus.
Curzelow 30 a, b.
Kwiathkowski 20 b.
Cyeehonow, Gregorius de, uotarius,
capellanus J. 3L. 5 b, Ga, 7 a, b,
9 a, b, 28 a.
Kynsperg (= Königsberg) 36 b.
Czarni, Paulus 2 25 a.
Czasznyczky, 3 decanus Louicziensis
29 a, 34 b, 37 b.
— Stanislaus, scolastieus et ieonoinus
Gnezn. et decanus Gnezn. 42 a.
Czepel, Nicolaus, doetor 4 5a, b, 6 b,
7 a, 11b, 12 a.
Cyechozyn 5 a.
Czykowski, Nicolaus, gladifer Craeo-
uiensis 15 b, 16 a, 18 a, 21 a, 26 a,
29 b, 31 a.
Czyrka 5 Venceslaus, clericus Vilnen-
sis, notarius 43 a, 44 a, 46 a, 48 b.
Czyrwiensky, abbas 33 b.
1).
Dambiowsky, Franciscus 1 a.
Dambuyczky, Job. 16 b.
Dambowiecz, Stanislaus 11a.
1 Gewählt 1494; starb 1503, 5. April.
2 ,Alias Scbworcz“ Helcl, Pomniki II, 928, ,ciuis Cracouiensis*. Acta
Tomiciana I, 20.
3 Stanislaus, vgl. Letowski II, 160. Vermutblieb identisch mit dem folgenden.
4 Vgl. Detowski 1. c. II, 160 ff. Gneseuer Kanzler.
5 De Volkowisko, Lithuanus. (Vgl. Acta Tomic. III, 350, 374), weilte als
Scolaris Romauus 1515 in Rom, von wo ilm 3b. an den König sendet,
46*
722
Zeiseberg.
Dobeslaus (Dobko) v. Curozwanky.
Domanykow, Nicol. Jacobi de, clericus
Gnezn., notarius 1 b.
(Dobenek, Hiob de), episcopus Poine-
zanie 36 b.
Dobrilow 39 b.
Domaraezki, Mathias 44 b.
Doinbrowka (= Dombrowsky Johan
nes), 1 doctor decret., arehidiaconus
Pomeraniae in ecclesia Wladisl.
frater, executor testamenti 6 a, 13 a.
Dominici, s., ordo 36 b.
Dominicus, doctor, v. Seczemyn.
Drohobicz 10 a.
Drzeuiczky (=deDrzeuieza), Mathias,
vicecancellarius (regni, episcopus
Premisliensis) 11 a, 13 b, 16 b, 18 a,
19 b, 20 b.
Dunyn, Andreas 29 a, 34 b.
Dunynawa 8 b.
Dzyk, eubieularius Creslai 'episcopi
Wladisl. 8 b.
E.
Egipti (Aegypti) terra 48 a.
Erasmus, v. Ciolek.
Exyszky 10 a.
F.
Felix cocus 42 b, 50 a.
Fischei, Stephanus, tenutarius in Po-
widz 15 b, 16 b, 20 b, 22 b.
Fiszhavss 36 b.
Flandria 4 b.
Florianus, baccalarius 5 a.
Fokkor (Folcker) de Norumberga
(=Fugger 2 ) 5 a, 11 b, 23 b, 24 b.
Friderieus, filius Cazimiri regis, car-
dinalis, archiep. Gnezn. 32 b, 40 b.
G.
Gambyn 3 a.
Gdana (Danzig) 5 a, 14 a, 15 a, 16 b,
18 b, 20 b, 23 a.
Georgius, succamerarius,v. Laskowski.
Glouaczki, eubieularius (J. de E.)
42 b, 43 a, 48 a.
Glowaezky, zuparius 4 a.
Glyrisky, Michael, dux 14 b.
Gnezna 4 a, b, 6 b, 9 b, 39 a, 40 b, 41 a.
Gneznense, sepulcrum s. Adalberti v.
Adalberti.
Gneznenses fertones 4 a.
— mansionarii 19 b.
— officiales 22 b.
— vicarii 48 b.
Gneznensis archiepiscopus 13 a, 14 b,
17 a, 20 a, 28 a, 42 a.
— Adalberti, s., basilica 40 b.
— cancellaria 3 a, 4 a, 5 a, 6 a, 9 b.
— cancellarius 3 a.
— canonicatus 4 a, 7 a.
— canonicus 16a, 22b, 37 b,40a, 44b.
— capitulum 22 b. 31 a.
— castrum ecclesie 31 a.
— clauis 22 b.
— clericus 1 b.
— coadiutoria 11b.
— curia archiepiscopalis 4 b.
— custos 9 b, 14 b.
— decanatus 3 a.
•— decanus 13 a.
— ecclesia 13a, 14a, 15a, 19 b, 21a,
26 a, 28 a, 29 b, 31 a, b, 32 a, b,
34 b, 36 a, 39 a, 40 a, 41b, 42 a,
43 a—44 b, 45 b—48 b.
— prepositus 37 a.
— prouincia 35 b.
— seholasticus v. Turzo.
Golye, Andreas de, notarius öb.
Gorezky, Stanislaus, can. Pozna-
niensis 3 9 a.
Gorka, Mathias de, capellaniis J. de h.
can. Calissiensis 14 b, 16 a, 20 a.
(Gdrka, Uriel), episcopus Poznan. 2 a.
1 Job. de Dambiowa bei Theiner II, 348.
2 Vgl. Acta Tomic. I, 56. III, 35.
3 Stanislaus de Gorka canonicus Pozrianiensis (1502) in (L.) Kodeks dypl.
Mazowski 322 nr. CCLXX1I.
Johannes Laski, Erzbischof von Gnesen.
723
Gorra, Andreas 1 , doctor, ean. Cracou.
praeceptor J. de Z,. 18 a, 20 b.
Gorzkouicze, Albertus Jaeobi de, cle-
ricus Gnezn., notarius 1 a, b.
Gorzkow 31 a.
Gorzno 2 b, 8 a, 9 b.
Gozlawski, Johannes, uiearius J. de
Z, Cracou. 8 a, 9 b, 16 a.
Gosczanow 42 a.
Gosczyszewski, Paulus 10 a.
Goszyszewicze (= Gosczyszewski), Ni
colaus de, plebanus inWrzoss 6 a.
Grochowiczky, Johannes, canonicus
5 b, 8 a.
Grodziczki, Mathias de Poznania,
doct. med. 4 a. 2
Grodczyczky, Johannes, mercator
Poznan. 21 a, 23 a.
Groto, decr. doctor 20 a, 22 b.
Gruszczynski, ,Toh., arehiep. Gnezn.
40 b.
Grzegorzow 37 b, 40 a.
Grzymultowsky, Stanislaus, vexillifer
26 a, 28 a, 32 a.
Gwasdowsky (Gwiasdotvsky), Jaco-
bus, thezaurarius J. de Z*. 20 b, 28 a,
29 a, 32 a.
Gyeskowski, Laurencius, canonicus
et officialis Calissiensis 45 b.
H,
Hinko, succamerarius 29 b.
Ilodnowsky, Petrus (= Herbordus),
1,6 b, 18 b, 19 b.
Ilungaria 6 b, 25 a, b, 28 a, 38 a.
JTynek, Stanislaus 1Gb, 17 a, 19 b.
J.
Jaeubowslcy, procurator J. de £,.
Cracouie 8 a.
Janoslawicze 50 b.
Janowicze 40 a.
Janussius, dux Mazouie 37 a, 39 b.
(Janussius), dux Zatoriensis 19 b.
Janyew 49 b.
Jarand, Johannes 3 , castellanus Calis
siensis 18 b.
Jaroslaw, Spitko de, castellanus Cra
cou. 15 a.
Jarossky, Stanislaus, marszalcus curie
regle 4 16 b, 18 a, 20 b.
Jasszko, decanus Gnez. 13 a.
Jemyelenska, Anna 38 a.
— Katharina 38 a.
Jerusalem 24 b, 31 a, 46 a.
Inowladz 8 b.
Joannes v. Johannes.
Johannes 5 b.
— Albertus rex 4 a, 6 b, 7 b, 8 b.
— de Lubrancz, episcopus, Poznan.
18b, 19b, 21a, 23a, 28 b, 33a,b,
34 b, 39 b.
— Jeronilm, medicus 1 a.
(Johannes II. Saluet), episcopus Sam-
biensis 36 b.
Johannes, plebanus in Czyechoczyn 5a.
— praepositus in castello Leopoliensi
2a.
Jordan, Johannes de Zakliczyn, pro
curator generalis Cracou. 9 a.
— Nicolaus (de Zakliczyn) zuparius
Cracou., 5 postea castellanus Woy-
nycziens 0 25 b, 28 a.
1 Cetowski, Katalog II b, 265.
2 S. Muezkowsky 1. c. 85. Vgl. Letowski, Katalog III, 44.
3 Johannes Jarandi de Brudzewo.
4 f 10. Oct, 1515, Decius 1. c. 331.
5 Vgl. Acta Tom. I 229.
0 Vgl. Acta Tomic. III, 317, 437.
724
Zeissberg.
Jozephus, 1 capellanus J. de L. ple-
banus in Gorzkow 31a, 34 a.
Italia 37 a, 43 a, 47 b.
Iuanouicze 41 a.
L.
Lagouycze (Langouycze) 26 b, 27 b,
30 b, 33 a, 34 a, 35 a, 38 b, 40 b.
Lagyewnycky 2 , Vincentins, officialis
J. de L. 19 b, 20 a.
Lancicienses exactores 15 a.
Lanciciensis custodia 29 a.
— decanus 37 a
— ecclesia 40 b, 47 b.
— palattnus v. Lasko, Jaroslaus de.
— praepositus 4 a, 37 a.
— synodus 4 b, 6 a.
Lanczkoronsky, Nicolaus 3 14 a.
Lanky 18 b.
Laskowski, Georgias, succamerarius
42 b, 43 a, 48 a.
— Jaroslaus 50 b.
Lassko, ecclesia parrochialis in 2 a,
7 b, 29 b, 32 a, b, 38 a, 40 b, 41 a,
42 a, b, 43 a, 44 a, 45 a, b, 46 a, b,
47 a, b, 48 a, b, 49 a, b.
—, praepositus in v. Slessye.
— Andreas de, custos Gnezn., frater
J. de L. 1 a, 2 a, b, 3 b, 4 a,
5 a, b, 6 a, b, 7 a, b, 13 a, 14 b,
16 a, 20 b, 33 a.
— Andreas de, pater J. de L. 1 b,
3 a, 7 b.
— domini de 49 b.
Lassko Jaroslaus de, frater J. de L.
palatinus Lanciciensis, Siradiensis,
2 a, b, 3 a, b, 4 a, b, 5 a, b, 6 a, 9 b,
10 a, b, 11 b, 15 a, 16 a, 17 a, 18 b,
19 b, 20 a, b, 21 a, 25 a, 26 b,
28 a, b, 29 a, b, 31 a, b, 33 a, b,
34 a, 38 a.
— Jeronimus de, filins Jaroslai, ne-
pos J. de L. 28 a,\ 29 a, 31 a, 32 b,
35 a, 37 a, b, 38 a, 39 a, b, 41 a.
— Johannes de, nepos J. de L. Bo-
nonie scolaris, postea decanus
Gnezn., praepositus Gnezn. et Lan
ciciensis 27 b, 28 a, 29 a, 30 a, 33 a,
35 a, 37 a, 38 a, 39 b, 42 a, b, 43 b,
44 a, b, 45 a, b, 46 a, b, 48 a, b,
49 a, b.
— Michael de, frater J. de L. 4 a,
9 b.
Latalssky, Janussius, 4 Gnezn. et
Lanciciensis prepositus 24b, 37 a, b,
40 a.
Lekawa 38 a.
Lelow 5 b, 38 a.
Leo X., papa 35 b, 36 b, 38 b.
Leonardus, can. Unyeouiensis 23 a.
Leopoliensis tribunus 10 a.
Leopolis 1 6 a.
Lippouiecz v. Lypowiecz.
Lobeczki, Suantoslaus, nepos ex so-
rore 33 b, 45 a.
(Lobosczki), decanus Lanciciensis,
nepos ex sorore 5 37 a.
Longus, Johannes de Tarnow 24b.
1 ,Josephus de Clepacz alias de Nouacinisau rector parrochialis ecclesie
de Goizkow (recte Gorzkow) Cracou. diocesis/ Theiner, Monum. II, 367,
nr. 395.
2 ,Vinceneius de Lagiewinski, archidiaconus, .... archiepiscopi Gnez
nensis . . . vicarius in spiritualibus et officialis Gneznensis generalis. 4
Theiner, Monum. II, 395, nr. 411 (a. 1518).
3 f 1520. Vgl. Acta Tomic. V, 215.
4 Später Bischof von Posen, dann von Krakau, endlich Erzbischof von
Gnesen.
5 J- Muczkowski Statuta necnon Über promotionum philos. ord. in uniuers.
Jagellonica Cracouiae 1849 p. 153: ,Mathias Lobodzsky (decanus
Lanciciensis)Vgl. p. 160.
Johannes Laslri, Erzbischof von Gnesen.
725
Lopateczki, Martinus, can. Gnezn.
42 b, 43 a, 44 a, 45 a, 48 b.
Lopathki 45 a.
Lowicz 19 b, 20 a, b, 27 b, 31 a, 32 a,
36 b, 40 b.
— aduocatus in 20 b, 21a, 23 a.
— procurator in 45 b.
Lowicziensis canonicatus , canoni-
cus 4 a.
— consulatus, consules 18 b, 29 a, b,
43 b.
— decanus 34 b, 37 b.
— ecclesia 47 b, 48 a.
— officialis 23 a.
— prepositus 29 a.
Lubelczylkowye, domini 38 a.
Lublyn 2 b.
— palatinus 13 b.
Lublinensis plebanus 4 a, 5 a.
Lubrancz, Job. de, v. Joh., episcopus
Pozn.
Lucas, capitaneus Poznaniensis 15 a.
Lukouiensis plebanus v. Mathias.
Luthomirsko, JohannesFloriani, cano-
nicus et officialis Vnyeouiensis 2 a !
Lypowiecz, Stanislaus Nicolai de, 1
5 b, 25 a, 30 b, 35 a,
Lypsk (Leipzig) 23 a.
Lytuania 3 a, 8 b, 9 a, 11b, 15 b,
20 b, 35 a, 39 b, 44 a.
M.
Macho, cameralis puer 40 b, 41 a.
Magnopolis v. Mekelburg.
Maldrzik, Stanislaus, tribunus Leo-
poliensis 2 10 a.
Maleszowski, Johannes 38 b.
— Stanislaus .38 b.
Malicz, Stanislaus 1 a.
I Malinska, Anna, soror 45 b, 48 a.
Malogoscz 41 b.
Malyn, 7 a, 10 a.
Malyn, Zauissius de, gener J. de L.
4 a, 9 b.
Manczkawola 29 b.
Marassius, oppidanus in Lassko, fa-
miliaris J. de L. 41 a.
Marci, S. ecclesia Cracou. 4 a.
Marszenyn 2 b, 4 a, 9 b.
Martini s., prebenda 30 a
Mateyek, Mathias 5 a.
Mathias 8 b.
Mathias a Colo v. Colo.
Mathias, aduocatus in Lowicz 20 b.
21 a, (23 a).
— cocus 5 a.
— cocus canonici Leopoliensis 2 a.
— episcopus Premisl v. Drzewiczky.
— plebanus Lukouiensis 16 b, 17 a,
18 b.
— plebanus in Ossyek 3 18 b.
— rex Hungarie 38 a.
Mazouie dux, v. Anna, ducissa M.
! Medniczensis ecclesia 25 a, 35 a, b.
Mekelburg (Mekemburg) 16 b, 17 b.
Miechow (Mychow), Vincencius de,
Cursor episcopi Poznan. 2 a, 3 b, 5 a.
Migdal, Nicolaus, 1 a, b, 4 b.
Mnychouiecze 50 a.
Mogila 8 a, 9 b.
Mogilno 9 b.
Moldauia 17 b.
Moski 14 b.
Myelecz, Mathias de, custos s. Sta-
nislai, notarius capituli electus 49b.
Mylkowski 34 b.
Myszkowsky gener (25 b?) 29 a.
— Georgius, can. Gnezn., doct.or 4
35 b, 37 a.
1 Nachfolger Przeczen’s im Gnesener Cancellariat.
2 Vgl. (X. Liske) Akta grodzkie III., 258.
3 Vielleicht identisch mit Mathias a Colo.
-< fietowaki, Katalog III., 356. Janociana II., 177. Nachfolger des St. Ly
powiecz als Gnesener Kanzler, doctor utrinsque iuris. Vgl. Acta I omic.,
VII., 282.
726
ZeisBberg.
N.
Nacza, fluvius 14 b.
Naropinski, custos 1 49 b.
Nederoff, ciuis Gdanensis 5 a.
Nicolaus, apothecarius 1 a.
—, ex sorore nepos J. de L. 33 b.
— (de Curozwanky) palatinus Lubli-
nensis 2 13 b.
— prepositus de S. Marco Crac. 4 a.
Niepolomycze 6 b.
Norumberga 5 a.
O.
Odrowansehaua, Beata, palatina 3 19 b,
18 a.
Oleschnycza, Felix de 2 b, 6 a, 8 a,
9 b.
Olomuncz 23 a.
Opalensky, Petrus, castellanus et,
regie curie magister 42 a.
Opatow 16 a, 30 b.
Orchow 9 a.
Oskouicze 49 b.
Ossyek 18 b.
Otta, notarius curie 5 a.
— plebanus in Malyn 10 a.
— plebanus in Marszenyn 9 b.
P.
Pabyenycze 4 a.
Petrus, Barcliadiensis 5 a.
— capellanus episcopi Wladislauiensis,
can. Cruszwicziensis 2 a.
— librorum venditor 5 b.
— plebanus in Lelow 5 b.
— plebanus Sandomiriensis 6 a, b.
— Znenensis, condam Ebreus 41 a.
— uicecancellarius v. Tomyeky.
Pliiszel v. Fischei.
Piantek 25 a, 27 b, 40 b, 42 a.
Pieklonie 29 b.
Pilath v. Wilczkowski.
Piotrkouia 4 b, 5 b, 6 a, 9 b, 10 b,
28 b, 34 b, 38 b, 40 b, 41 a.
Pirzinsky v. Pyrzynsky.
Pisdrj 41 b, 48 b.
Piwo, tenutarius Sczerczouiensis 37 b,
40 a.
Planka, Paulus, aduocatus consisto-
rialis 4 23 a.
Plebanbowa 5 a.
Plocensis, custodia 29 a, 32 a.
— palatinus 25 a.
— prepositura 23 b.
— sufi'ragaueus 18 b, 19 b.
Plocko 13 b, 19 b.
Pokrzywnycza 9 b.
Polessye 8 a.
Pomerania 6 a, 8 a, 13 a.
Pomezaniensis, episcopus, v. Dobenelc.
Popyel, equus 31 b.
Poradowsky, marsalcus 42 b, 48 b,
50 a.
Possaudza 4 a, 6 a, b.
Poznania 1 b, 2 a, 5 b, 10 a, 20 b.
— Caspar de 1 a.
Poznanie, magister 5 a.
Poznaniense, beneficium 41 a.
— capitulum 3 a.
Poznaniensis, capitaneus 15 a.
— ciuis 21 a.
— commendatoria 4 b.
— ecclesia 41 a.
— mercator 23 a.
— prebenda 4 a, 5 a, 9 a.
Potoczky, Johannes 19 b.
Powiczka, orphana, virgo 18 b, 20 b,
22 b.
Powidz 20 b, 22 b.
1 Vermuthlich Johann N. Custos von Kujawien. Vgl. Letowski III., 364.
2 Vgl. Bischoff, Urkk. zur Gesell, der Armenier in Lemberg nr. XXI.
3 Act. Tom. III, 292 wird Beata de Tanezyn als Mutter des Palatin von
Russland Johann Odrowancz, ebenda 338 als tenutaria Pilsnensis be
zeichnet.
1 Vgl. Einleit. S. 551.
Johannes Laski, Erzbischof von Gnesen.
727
Powidz, Laurencius de, notarius publ.
30 b, 33 a.
Prandotha de Trczana, palatinus Ra-
uensis 18 b, 34 b.
Prasszmowsky, castellanus 1 37 b, 39 b.
Premisliensis, episeopatus IG a; v.
Drzeuiezky.
Proszeuicze 4 b, 5 a, 38 a.
Proszinowsky G a.
Prussia 36 b.
Prussynowsky, Petras 30 b.
Przeezeu, Nicolaus, tenutarius clauis
Kluky et Sandzkouicze 2 29 b.
Przeczeny 50 a.
Przedborz 41 b.
Przelanczky, Nicolaus 3S a.
Przerambsky, Johannes, castellanus
Siradiensis 23 a.
(Przerebsky) v. Vincentius.
Przyborowsky, Nicolaus 29 b.
Przynsky v. Pyrzynslcy.
Pyrzynslcy, Mathias, eamerarius J.
de L. 27 a, 30 a, 42 b, 49 b, 50 a.
E.
ltaczansch 5 a, 6 a.
lladlicza, episcopus Cracou. 33 a.
Radom 15 b.
Radomskye 7 a.
Radywyl, Nicolaus, Nicolai, palatinus
Troczensis, postea palatinus Wil-
nensis et cancellarius ducatus Ly-
tuanie 15 a, 16 a, b, 18 a, 20 b,
25 a, 28 b, 31 a.
Radzyeyowicze, Andreas de, capita-
neus Squirnyeuiczensis, postea
palatinus Plocensis 25 a, 27 b,
uxor, pueri 31 a.
Rainbiessky, Martinus 3 24 b, 39 b.
Raphael, gener J. de L. 9 b.
Rapsztynska, Barbara, de Vnyeczka
15 b, 16 b, 18 a.
Rapsztynsky, Andreas, de Tanczyn,
castellanus 13 b, 15 b, 1Gb, 20 b,
25 b, 28 b, 31 a.
Raszko, Bartholoinaeus 21 a.
Raua 15 b, 18 b, 34 b.
Rcliow 4 a.
Riga 35 b.
Ritffienska, virgo 21 a, 28 b, 29 b,
34 b.
Ritwiensky, Adain 21 a, 28 b, 29 b.
Rodlicza, Sigismundus 2 a.
Roma 2 a, b, 3 b, 4 a, 5 a, 6 a, 7 a, b,
8 a, b, 11 b, 12 a, 14 a, b, IG a, 22 b,
23 a, b, 24 b, 25 a, 26 a, b, 28 a, b,
29 a, 31 a, b, 32 a, li, 34 b, 35 a, 38 b,
39 b, 48 b, 49 b.
Rose (Roze), arma 32 a.
Rosensium capella 32 b.
Roza, Andreas (de Boryszewice), ar-
chiepiscopus Leopoliensis, deinde
Gneznensis 4 4 a, 5 a, b, G b, 7 b,
14 a, b, 16 a, 17 a, 20 b, 21 a, 23 a,
29 a, 32 b, 33 a, 40 b.
Rubiensky v. Rybiensky.
Rubieszaw, Adam de, vicarius per-
petuus 1 a, 9 b.
Rubieszow v. Auriga.
Russia 17 b, 38 a.
Russoezka 18 b.
Russoczky, Nicolaus, v. Russoezyce.
1 Ohne Zweitel Laurentius P., der nach dem Tode der beiden letzten
Herzoge von Mazowien Stanislaus und Janussius zum Palatin des Landes
und Stellvertreter Sigismund’s I. ernannt wurde. Vgl. Janociana II., 225.
2 Nach Czepels Tode Gnesener Kanzler.
3 Theiner, Mohum. II., 348: ,Martino Ramebysky, canonieo Cracou. . . . qui
Johannis archiepiscopi Gneznensis a rege Polonie ... ad sedem apo-
stolicam . . . oratoris missi nepos ac eiusdem regis scriba exist.it 1 . Vgl.
ebenda 455 und Acta Tomiciana VI., 59.
4 1503—1510.
728
Zeissberg.
Russoc'zyce, Nicolaus de (= Russocz-
ky), castellanus Byechouiensis 1 28b,
29 b, 42 a, 49 a.
Rybiensky, Johannes, prepositus Crusz-
wicziensis, canonicus Gnezn 11b,
13a, 14 a,b, 15a, 16a, 19 b, 20a,b,
23 a, 24 a, 25 a, 26 a, b, 28 a, b,
29 a, b, 30 a, b, 31 a, b, 34 a, b, 37 a.
Ryczow 38 a.
Rytwani 8 b, 26 a, vgl. Ritffienska,
Ritwiensky, Anna.
s.
Salomon, abbas Suleouiensis 29 b.
Salomon, Petrus, eonsul, Cracouien-
sis 2 14 b, 18 b, 19 b.
Sambor 18 a.
Samugittia 36 b.
Sandomirie, ad S. Petrum 41 a.
Sandomiriense, eapitulum 40 b.
Sandomiriensis, castellanus 25 b.
— plebanus v. Petrus.
Sandzcouicze 29 b.
Sandzyno 4 I), 5 b, 6 b, 7 a, b.
Sanyecz 2 a, 38 b.
Sarnowsky, Gregorius 20 b.
Sbachlyno 6 a.
Sbaszne (?) 13 b.
Schadelc 41 b.
—, Johannes de, magister 1 a.
— mansionarii in 23 a, 29 b.
Schamowsky, prepositus Louicziensis
29 a.
Schembeg, Nicolaus, ord s. Dominici 3
36 b.
Schidlow 8 b.
Schidlowiecz, Cristoforus de 16 b;
palatinus Cracon. 4 38 b.
Scbidlowieczky (= de Schidlowiecz),
Nicolaus, castellanus Sandomirien
sis 4 25 b.
Sehiskowski 50 a.
Schiszlowsky, Stanislaus 5 b.
(Schworcz) v. Czarny.
Sczawin 28 b.
Sczawinski, canon. Lancieiensis 50 b.
Sczawinski (Sczauinsczy) 23 a, 31 a.
Sczerczowiensis tenutarius 37 b.
Seczemyn, Dominicus de, doctor 5 ,
cancellarius J. de 1,. 20 a, 30 a,
35 b.
Sigismundus, rex Poloniae 14 b, 15 a, b,
16 a, b, 17 a, b, 21a, 23 a, 25 a, b,
31 b, 35 a, b, 36 a, b, 39 a, b, 40 b.
Siradia 9 b, 15 a.
Sirad .... ca m 29 b.
Siradiensis, palatinus 34 b.
Sirehowsky v. Syrchowski.
Siroslawicze 4 b.
Skabka 4 a.
Slcoky -II a.
Skrzyn 6 a, 9 b.
Slankowsky, Jaeolms, liobilis 15 b,
16 b, 18 a, 20 b.
1 Vgl. Einleit. S. 611.
2 Die Familie Salomon war eines der angesehensten Bürgerhäuser
Krakan’s. Grabmäler von Bronze, die sieb auf sie beziehen, enthält die
Marienkirche zu Krakau. Von Peter Salomon, der 1515 starb, heisst es,
er sei gewesen: ,uir magni consilii et iustitiae cultor peramplus, magnus
et elemosynarum erogator et diuini cultus ampliator fundatorque missa-
rum in uariis ecclesiisJ Vgl. A. Przezdziecki i Edw. Rastawiecki,
Wzory sztuki sredniowiecznej. Serya III.
3 Recte Schönberg, nuncius apostolieus.
4 Ueber beide vgl. (T. Dzialynski), Liber geneseos illustris fainilie Sclnd-
louieie. Paris (1848).
5 V. Acta Tomic. I., 54.
Johannes Laski, Erzbischof von Gnesen.
729
Slawsko 9 b.
Slessye, Trojanus de, juris doctor,
prepositus in Laslco 42 a, b, 43 a,
45 a, b, 48 b, 49 b.
Slonko, Clemens, ciuis Proschoui-
eensis 4 b, 5 a, 6 a
Slupeczki 48 b, 50 a.
Sluszowski, Mathias, Canon. Gnezn.
22 b.
Slywnyczky, Mathias, doctor, arclii-
diac. Gnezn. et cancellarius 1 37 a,
42 a, 44 b.
Sochaczewiensis, castellanus 31 b.
— plebanatus 16 a.
Sokolnyczky, Petrus 2 b.
Sokolowski, Gregorius, thesaurarins
45 a, 49 b.
— Jaroslaus,capitaneusColensis 37 b.
Sopiecliowski 50 a.
Sossnyczky 22 b.
Spiss, Michael 2 34 b.
Sprowa, Katharina, tenutaria in Ro-
gozno, palatina Breatensis 2 a.
Squirnyeuicze 25 a, 26 b, 27 b, 30 b,
32 a, 33 a, 34 a, 35 a, 36 a, 37 a,
38 b.
Squirnyeuiczensis, capitaneus 27 b.
Srzoda 41 b.
Stanislai s. sacellum Gnezn. (ecclesia)
39 a, 40 b, 43 a, 44 a, b, 45 a, b, 46 b,
47 a, b, 48 b.
— reliquiae 49 a.
— custodia 49 b.
Stanislaus, Dobkonis filius (de Cu-
rozwanky) 13 b.
— dux Mazouie 37 a, 39 b.
Stanislaus, plebanus in Skrzyn 9 1>.
Stawischun(in) 5 b, 41 b.
Strakonycze 4 b.
Strambowsky, Martinus, canon. Wla-
dislau. 7 b, 8 a, 9 b, 11 a.
Strigenses eapitanei 13 b.
Strigonium 30 a, 33 a.
Strylcow 25 a.
Strzechowski, procurator 3 a.
[ Strzelno 8 a, 9 b.
Suleyow 2 b, 9 b, 29 b, 34 b.
Sumbowicze 4 b.
Swanczicze (Swancziczky), Martinus
de, uicarius perpetuus eeclesie
Gnezn. 2 a, 4 a, 9 b, 14 b.
Swantoslaus v. Lobeczki.
Swiauthkowsky, Petrus 29 a, 30 a,
31b, 34 b.
Swirczewski, Janussius 3 29 b.
Syenyensky, Sigismundus 7 a.
Syrochowski (Syrcliowski), Stanis
laus, exaetor 10 a, b, 30 b.
Syszkowsky 30 b.
Szadek v. Schadeck.
Szafranyecz, Stanislaus 25 a, 28 a.
Szalowsky, Mathias, viearius in Castro
Cracou. 15 a, 16 b, 18 a, 19 b.
Szelechow 8 a.
Szucz, Jaeobus 4 39 b.
T.
Tanczyn v. Rapsztynsky.
Tanczyn (Tanczynsky), Johannes de
24 b, 37 b.
Ta.nczynensis familia 38 a.
Tanye 4 a, 0 a, b, 7 a, 9 a.
1 Vgl. Einleit. S. 599 ft', und Jurium constitutiomunque Sigismnndinarnm pro-
posita a Mathia Sliwnicio descriptio. Opera A. .1. Helcl. Cracouiae 1859.
2 Acta Tomic. V., 311.
3 Acta Tomic. III, 67, 123, 251. 1514 war er: ,Capitaneus Trebowlensis
et llopezicensis“ und ,capitaneus stipendiariorum*.
4 Acta Tomic. VI, 59: ,.Jacobum Schucz, Gnesn. eeclesie . . . canonicum, qui
a triginta et amplius annis in urbe moratus et Polonis et aliis exteris
nationibus adeo se graturn seinper exhibuit, ut ab Omnibus passim et
amaretur et tanquam communis vltramontanorum patronus veneraretur 1 .
730
Zeissbor g.
Tarnow v. Longus.
Tatarus 27 a, 41 a.
Tczani (?) 20 b.
(Telniczerinn) v. Katharina.
Thomas, plebanus in Lanki 18 b.
— alias Tomek, plebanus 18h, 20b.
Tomycky, Petrus, cantor Gnezn., ar-
chidiaconus Cracou., vicecancella-
rius regis 14 b, 23 a, 25 a, b.
Torun 15 b, 29 a.
Trczana v. Prandotha.
Troczensis (Troiczensis), palatinus
15 a, 16 a, 18 a.
Trzebiensky 23 a.
Turek 28 a, 20 h, 31 b, 35 a.
Turzo, Georgius, filius Johannis
T., consulis 5 a, 18 b, 33 a.
— Johannes (de Betlemvalua), 1 comes
Cremnyecziensis, consul Cracou.
2 a, b, 5 a, 6 a, 11b, 14 a, b, 15 a,
16 b, 19 b,
— Johannes, custos Cracou. 8 b.
— Johannes filius Joli. T., consulis,
scholasticus Gnezn. 2 b, 5 a, 6 a
Turzovka 6 a.
V. 2
Valentinus, doctor 16 b.
Venetiae 4 a, 32 b, 35 a.
Vienna 7 b, 29 b.
Vincentius (Przerebslcy), episcopus
Wladislauiensis 13 b.
Vnyeczka v. Rapsztynska.
Vnyensky 3 a.
Vnyeow 26 b, 30 b, 31 a, 32 a, b.
33 b, 40 a.
—, hospitale in 40 b.
Vnyeowiensis, canonicus 2 a, 23 a.
— exactor 29 b.
— officialis 2 a.
Vyma 4 a, 5 a, b, 6 a, 9 a.
Vytowski 50 a.
W.
Waganyczky, plebanus in Sandzyno
4 b, (5 b).
Waganyeczky, plebanus in Sba-
chlyno 6 a.
— forzytorz 50 a.
Wapowski, Petrus, cantor Cracou. 3
11 b.
Warscbouia 25 a.
Wartha 41 b.
Wassnyow 41 b.
Widawsky Wanszyk 29 a.
Wilczkowsky, Stanislaus Pilatli, no-
bilis 38 a.
Wilna, 10 a, 12 b, 15 b.
—, ecclesia fratrum minoruin in, 8 a.
Wilnensis clericus 48 b.
— diocesis 35 1).
— episcopus 34 b.
— palatinus 20 b, 36 a.
Wisliczia 41 a.
—■, Georgius, de, doctor 8 b.
— Martinus 2 b
Wiznenses pupilli (pueri, proneptes,
uirgines) 20 b, 25 a, 27 b, 28 b,
(29 b), 31a, 34 b, 39 a.
Wladislaus, Ungar, et Bobern, rex.
25 b.
Wladislawia 2 b, 5 b, 7 a, b.
Wladislauiense, capitulum 4 b.
— altare s. Barbare 5 a, b.
Wladislauiensis, canonicus 7 b, 16 a.
— custos 4 a.
— decanatus 4 b, 5 a, 9 b, 16 a.
— ecclesia 2 a, 6 a, 13 b, 38 a, b, 41 a.
— mensa episcopatis 13 b.
— prebenda 5 a.
1 Vgl. Decius 303. Dieser J. T. f 10. October 1508.
2 Vgl. auch unter W.
3 Oheim des Chronisten Bernhard W. Vgl. Eetowski 1. c. IV', 203, sqq.
und Szujski, Einleit, zu Wapowski (SS. rer. Polonic. 11. p. VII. sqq.)
Johannes Laski, Erzbischof von Gnesen.
731
Wladislauiensis, prepositus, v. Cos-
czieleczky.
Wolborz l b, 4 a, b, 5 a, 8 b.
Wolssky Nicolaus, miles, marszal-
scus, castellanus Socliaczeuiensis
29 a, 30 a, 31 a, b, 32 a, 39 a.
Woynycziensis castellanus 25 b.
Wronowicze 4 a, 40 a.
Wrzoss 6 a.
Wyeliczka, Paulus de, plebanus in
Nyepolemyeze 5 a, b, 6 a, b, 9 a.
Wyelun 16 a, 28 b, 40 b.
Wyelunensis, capitaneus, v. Curoz-
wanky, Crzepcow.
Wyessola 2 b.
Wyewierzyn 4 a.
Wylczek, Bernardinus, archiepisco-
pus Leopoliensis 16 a.
Z.
Zagoscz 2 b, 5 b, 41 a.
Zakliczyn v. Jordan.
Zakvoczynsky, castellanus 39 b.
Zambiensis episcopus v. Johannes II.
Zambinsky 1 4 b.
Zatoriensis dux 19 b.
Zauissius v. Malyn.
— lieres in Gorzno 8 a.
Zbaski 49 b.
Zelik, doctor 7 b.
Zerlissye, Jacobus de, doctor medic.
4 a.
Znene 22 b, 29 b, 32 a, 37 a, 39 b,
40 b, 41 a.
Znenyczky, exactor Vnieouiensis 29 b.
Zyelanky 6 a, b, 7 a, 9 a.
Zyrnyczky 30 b.
1 Wohl der Act. Tomic. II, 168 erwähnte ,canonicus Wladislauiensis 4 .
Vgl. Theiner II, 367 ,Stanislaus Zamburski 1 .
SITZUNGSBERICHTE
DER
KAISERLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN
PHILOSOPHISCH-HISTORISCHE GL ASSE.
LXXVII, BAND, IV, HEFT.
JAHRGANG 1S74.
JULI.
;i.,^T an
XYIII. SITZUNG VOM 8. JULI.
Vorgelegt wird der mit Unterstützung der k. Akademie
von Herrn Dr. Wendelin Foerster herausgegebene altfran
zösische Roman Richars li biaus.
Herr Prof. Caro in Breslau schickt für die Schriften der
historischen Commission den 2. Theil des über cancellariae
Stanislai Ciolek, dessen erster Theil bereits im Archiv für
Oesterreichische Geschichte Aufnahme gefunden hat.
Das corr. Mitgl. Herr Prof. Werner in Wien schickt
eine Abhandlung ,Zur Metaphysik des Schönen'.
Das wir kl. Mitgl. Herr Prof. Miklosich legt vor ,Bei
träge zur Kenntniss der Zigeunermundarten'.
An Druckschriften wurden vorgelegt:
Academia Olimpica die Vicenza: Atti. 2 d0 Semestre 1873. Vicenza; 8°.
Akademie der Wissenschaften und Künste, Südslavische: Bad. Knjiga
XXVII. (I Zagrebu. 1874; 8°.
Annali della K. Scuola Normale superiore di Pisa. Filosofia e filologia. Vol. II.
Pisa, 1873; 8°.
Brandl, Vincentius, Lihri citationum et sententiarum seit, knihy pülionne a
nalezoye. Tomus II. Brumme, 1873; 8°.
Catalogue, A supplementary, of Sanskrit Works etc. Bombay, 1874; in
Folio.
Central-Commission, k. k. statistische: Statistisches Jahrbuch für das
Jahr 1872. II., V. und VI. Heft. Wien, 1874; kl. 4 n .
Commissione archeologica municipale: Bullettino Anno II, Nr. 1. Roma,
1874; kl. 4".
Fried mann, Alexander, Officieller Bericht über das Marinewesen auf der
Weltausstellung 1873 Wien. Wien, 1874; 8°.
Sitzungsbev. d. pliil.-hist. CI. LXXVII. Bd. IV. Hft.
47
736
Gesellschaft. Deutsche Morgenländische: Zeitschrift. XXVIII. Band, 1. Heft.
Leipzig, 1874; 8°.
Förster, Wendelin, Richars li Biaus. (Mit Unterstützung der kais. Akademie
der Wissenschaften). Wien, 1874; 8°.
Istituto, R., Veneto di Scienze, Lettere ed Arti: Atti. Tomo 111°, Serie IV“>
Disp. 4“. — 6*. Venezia, 1873—74; 8°.
Loomis, Isaacs, The Epoch of the Beautiful in Knowledge. Nantucked, Mss.,
1874; 8“.
Mittheilungen aus J. Perthes’ geographischer Anstalt. 20. Band, 1874.
Heft VI. Gotha; 4«.
Picliler, Friedrich, Die Ritter und Freiherren Pögel. 8°.
Puyals de la Bastida, Don Vicente, Ortografia de la lengua Castellana.
Madrid, 1874; 12°. — Numeracion perfecta braquiloga e ideografica.
Madrid, 1874; 12°.
Revista de la Universidad de Madrid. 2"- Epoca. Tomo III. Nr. 2—4.
Madrid, 1874; gr. 8°.
— de Portugal e Brazil. 2° Vol., Nr. 5. Liboa, 1874; 4°.
,Revue politique et litteraire“ et ,Revue seientifique de la France et de
l’etranger 1 . 111° Annee, 2 e Serie, Nr. 52; IV e Annee, 2 e Serie, Nr. 1.
Paris, 1874; 4».
SociÄte des Antiquaires du Nord: Aarboger, 1873, 1.-4. Hft. Kjebenhavn; 8°.
Society, The Asiatic, of Bengal: Bibliotheca Indien. N. S. Nrs. 297 & 298.
Calcutta, 1874; 8°.
Verein für hamburgische Geschichte: Zeitschrift. N. F. III. Band, 3. lieft.
Hamburg, 1874; 8°.
Werner. Zur Metaphysik des Schönen.
737
Zur Metaphysik cles Schönen.
Von
Ur. Prof. Werner,
corresp. Mitglied der k. Akademie der Wissenschaften.
Öofern die Lehre vom Schönen Aesthetik heisst, ist damit
schon ausgedrückt, dass das Schöne zunächst Sache einer
seelischen Anempfindung sei, und zwar einer unmittelbaren
Anempfindung, weil nur dasjenige, was unmittelbar gefällt,
auf den Namen Schön Anspruch hat, und auch daun nur unter
der Voraussetzung, dass dieses unmittelbare Gefallen in einer
gemeinmenschlichen und gleichsam naturnothwendigen Empfin
dung begründet ist. Eben diese Gemeingiltigkeit der subjec-
tiven Schönheitsempfindung verleiht derselben objective Bedeu
tung und Giltigkeit, und schliesst die Aufforderung in sich,
nach dem objeetiven Wesen des Schönen zu fragen, die objec-
tiven Gründe und Ursachen des subjectiven Gefallens zu
ermitteln.
Zum allgemeinen Wesen des Schönen gehört die Ueber-
einstimmung desselben mit sich selber oder die Harmonie;
nur das Harmonische gefällt, alles Disharmonische missfällt.
Somit wäre Harmonie eine objective Bedingung und ein objec-
tives Gesetz des Schönen. Aber nicht alles, was harmonisch
in sich selbst zusammenstimmt, verdient darum schon den
Namen des Schönen; Alles, was zweckmässig geordnet ist,
ist eben dadurch auch mit sich selbst in Uebereinstimmung
gebracht, ohne dass es desshalb schon den unmittelbaren Ein
druck der Schönheitsempfindung hervorzubringen im Stande
wäre. Das Zweckmässige ist eben seinem Begriffe nach von
jenem des Schönen verschieden; und der Unterschied Beider
wird darin liegen, dass die Zweckmässigkeit durch den Ver-
738
s a
Werner.
stand erkannt und begriffen wird, während das Schöne un
mittelbar durch sich selbst gefällt und anzieht, ohne und bevor
die Gründe des subjectiven Gefallens erkannt und begriffen
worden sind. Daraus folgt, dass für das Gefallen am Schönen
ein besonderer, vom rationalen Denken specifisch verschiedener
Seelensinn postulirt werden muss, mittelst dessen das Schöne
als solches, so wie auch das vom Schönen Abweichende oder
in sein Gegentheil sich Verkehrende an empfunden werden
muss. Nur wird man sofort nicht auch sogleich behaupten
dürfen, dass dieser Sinn etwas schlechthin Einfaches sei, was
sich nicht in seine besonderen, constitutiven Elemente auf-
lösen Hesse; im Gegentheile, am Gefallen am Schönen wird
zufolge der tiefstgreifenden Macht des wahrhaft Schönen der
ganze innere Seelenmensch betheiliget sein, wie derselbe be
theiliget ist im Gefallen am moralisch Guten das selber eigentlich
nur eine besondere Art oder Gattung des Schönen ist, ohne
indess mit dem Begriffe des Schönen als solchen sich zu
decken. Denn Gegenstand des moralischen Gefallens kann
nur dasjenige sein, was in irgend einer Weise unter die Kate
gorie des sittlichen Handelns fällt; das als schön Erscheinende
aber steht oft genug ausser aller Relation zur sittlichen Idee,
obschon es andererseits niemals mit derselben im Widerspruch
stehen kann, weil ein solcher Widerspruch einen Defect am
Schönen selber involviren würde. Das Schöne und das Gute
können einander nicht widerstreiten; die specifische Wesens
form des Schönen ist jedoch eine andere als jene des Guten
als solchen. Der Gegenstand des Gefallens ist im Schönen
das Erscheinende als solches, im Guten dasjenige, was durch
das Erscheinende sich kundgibt; identificirt sich aber im Guten
das Erscheinende mit demjenigen, was durch das Erscheinende
offenbar wird, so sehr, dass das Erscheinende als solches um
seiner selbst willen gefällt, so geht das Gute selbst auch un
mittelbar in das Schöne über, ohne desshalb aufzuhüren, seiner
Natur nach etwas vom Schönen als solchem specifisch Ver
schiedenes zu sein.
Das Wesen des Schönen ist, unmittelbar durch seine
Erscheinung und mittelst seiner Erscheinung zu gefallen;
dadurch unterscheidet es sich vom Wahren, dessen Gründe
oft tief verborgen sind, und selbst wenn sie augenfällig daliegen,
Zur Metaphysik des Schönen.
739
rein geistig durch das Denken aufgegriffen werden, während
das Schöne ohne Verbildlichung seiner selbst nicht fassbar
ist, ja gerade in dieser Verbildlichung seiner selbst sein Dasein
hat. Das Schöne ist nicht ohne das Wahre denkbar und hat
mit demselben die Geistigkeit gemein ; sein specifisches Wesen
aber im Unterschiede vom Wahren ist die Versichtbarung
seines Geistinhaltes durch eine demselben specifisch adäquirte
Erscheinungsform. Das Schöne ist im Wahren und hat das Wahre
zu seiner nothwendigen Hinterlage, zu seinem unmissbaren Geist
gehalte; eine geistlose Schönheit ist eben keine Schönheit, sondern
bedeutungsleere Form. Während aber das Wesen des Wahren
darin besteht, an sich zu sein, gleichviel ob dieses an sich
Seiende in die Erscheinung tritt oder nicht, ist umgekehrt das
Schöne nur als Erscheinendes vorhanden; der unmittelbare
und unwillkürliche Reiz desselben aber kann nur darin be
gründet sein, dass sich in demselben etwas Innerliches, geistig
Tiefes darstellt und unmittelbar vernehmbar macht. Das Schöne
ist die adäquate oder mindestens congruente Selbstverbild
lichung dessen, was an sich ist und in diesem seinem Ansich-
sein um seiner selbst willen ist und gilt. Um seiner selbst
willen gilt alles dasjenige, was in der Idee begründet oder
selbst Idee ist; demzufolge wird das Schöne in einer adäqua
ten oder congruenten Selbstverbildlichung dessen bestehen,
was entweder selbst Idee, oder doch in der Idee begründet
ist. In diesem durchaus idealen Wesen des Schönen ist sein
innerer unzerreissbarer Zusammenhang mit dem Wahren und
Guten begründet, und das Schöne ausserhalb des Standpunktes
der Idee philosophisch gar nicht zu begreifen.
Eine Metaphysik des Schönen hat es mit dem Schönen
an sich und mit dem Schönen als solchem zu thun. Der
scheinbare Widerspruch, der darin liegt, von einem Ansichsein
des Schönen zu reden, während es doch zu seinem Wesen
gehört, ein Erscheinendes zu sein, wird sich dadurch lösen,
dass ein abstractes todtes Sein, das nicht schiene und erschiene,
überhaupt nicht ist, ein wirklich Seiendes aber, je mehr und
wahrhafter es ist, desto mehr auch Scheinendes und Erschei
nendes sein werde, was im höchsten und absoluten Sinne vom
absolut Seienden gelten muss, das seinem Wbsen nach lauter
Licht und Glanz ist, und als absolute Centralität nach allen
■'«
740 Werner.
Richtungen Licht und Glanz ausstrahlt. Gehört es zum Wesen
des Schönen, ein Erscheinendes zu sein, so kann es sein
Urbild und urbildliches Sein in nichts Geringerem, als im
göttlichen Sein selber haben; in der wahrhaften Kunst wird
somit etwas Göttliches sein, und das metaphysische Wesen des
Schönen wird sich nicht significanter bestimmen lassen, als
dass es ein Abglanz des Göttlichen selber sei. Darin wird
der Zauber, den es auf Sinn und Gemüth des Menschen übt,
begründet sein.
Licht und Glanz sind bildliche Bezeichnungen der Natur
des Schönen, die nichts anderes besagen wollen, als dass uns
dasjenige, was schön ist, durch diese seine Qualität des
Schönseins in eine über die gewöhnliche Wirklichkeit hinaus
liegende ideale Wirklichkeit hineingerückt erscheint. Die ideale
Wirklichkeit in absolutem Sinne ist das göttliche Sein selber;
die ideale Wirklichkeit des Weltdaseins ist die in Gott voll
endete Welt, wie sie urbildlich zunächst im göttlichen Denken
existirt, und am Ende der zeitlichen Weltentwickelung im
realen Weltdasein sich darstellen soll. Demzufolge ist alles
wahrhaft Schöne, das von Menschen gedacht, empfunden und
im freischöpferischen Thun und Gestalten dargestellt wird,
eine relative Anticipation der vollendeten zukünftigen Welt,
in 'welcher das in den Bereich unserer Erfahrung fallende
Wirkliche seiner gottgedachten Idee adäquirt sein wird, und
das künstlerische Schaffen wesentlich Cultus der Idee, obschon
nicht, wie beim Forschen nach dem Wahren die Idee als solche,
sondern die der Idee adäquirte Wirklichkeit das von der
kunstschöpferischen Thätigkeit angestrebte Ziel ist. Die Schön
heit nach ihrem absoluten Ansichsein ist uns zwar im reinen
Denken erreichbar, aber nicht mehr und nicht anders, denn
als absolute Voraussetzung und lebendiger Wirkungsgrund des
in den Bereich unserer Anschauung und Erfahrung fallenden
Schönen erkennbar; das absolute reine lucht ist in seiner
absoluten Durchsichtigkeit etwas völlig Unselibares, umgibt
aber Alles, was in seinen Ort hineingerückt ist, als göttliche
Glo rie und verleiht ihm den Glanz der vollendeten Schönheit.
Das Ziel der kunstschöpferischen menschlichen Thätigkeit
ist die ihrer Idee adäquirte Wirklichkeit. Es lassen sich nun
verschiedene Grade dieser Adäquation denken, von einem
Zur Metaphysik des Schönen.
741
niedersten angefangen bis zu einem höchsten hinan. Die
absolute Adäquirung des Wirklichen mit seiner gottgedachten
Idee ist kein menschliches, sondern ein göttliches Werk,
welches mit dem göttlichen Acte der Weltvollendung zusam
menfällt und desshalb über die menschliche irdische Zeit
hinausfällt. Demzufolge wird sich alle irdisch - menschliche
Kunst mit einer relativen Adäquirung zu begnügen haben,
deren Wesen darin besteht, über die erfahrungmässig gege
bene Wirklichkeit hinauszugreifen und dieselbe ideal umbil
dend zu verschönern. Die menschliche Kunst ist aber nicht
nur ausser Stande, das vollendet Schöne zu erreichen, sondern
sie vermag auch das in der gottgegebenen Wirklichkeit des
irdischen Menschendaseins ausgedrückte Schöne nicht von ferne
voll und erschöpfend wiederzugeben, und soll es auch nicht
in seiner Unmittelbarkeit erschöpfend wiedergeben, da ihre
Aufgabe und ihr Beruf vielmehr dieser ist, einen geklärten
und vereinfachten Ausdruck der unmittelbaren natürlichen und
geschichtlichen Wirklichkeit der zeitlich irdischen Daseinswelt
der Menschen zu schaffen, in Folge dessen sie über die von
ihr nicht absolut zu bewältigende unmittelbare Wirklichkeit
hinausgreift, und sie in die Vergegenwärtigung einer höheren
vollendeteren Wirklichkeit umzuschaffen bemüht ist. Das durch
die menschliche Kunstthätigkeit geschaffene Schöne nimmt
somit eine mittlere Stelle ein zwischen dem Schönen, das in
der unmittelbaren Wirklichkeit des zeitlich-irdischen Menschen
daseins sich darbietet, und zwischen dem Schönen, das in der
absolut vollendeten Welt seine Wirklichkeit hat.
Die zeitlich-irdische Erfahrungswelt, die den Menschen
umgibt, auf deren Boden und unter deren Anregungen er
steht, fällt unter die Idee des Schönen, sofern göttliche Gedan
ken in ihr verwirklichet und in fortschreitender Verwirklichung
begriffen sind. Der Mensch steht aber innerhalb einer doppel
ten Erfahrungswirklichkeit, der natürlichen und der geschicht
lichen, und steht unter den Eindrücken von Erfahrungen, die
theils seinem Innenleben, theils seinen Beziehungen zur Aussen-
welt angehören. Jene doppelte Erfahrungswirklichkeit ist für
ihn etwas schlechthin Gegebenes, das er, soweit es sich um
die darin verwirklichte Idee des Schönen handelt, einfach
nur nach seinem ästhetischen W erthe zu begreifen und zu
742
Werner.
verstehen hat; das doppelseitige innere und äussere Erfahrungs
leben aber, das er in jene zweifache Erfahrungswirklichkeit
gestellt lebt, muss durch ihn selber gestaltet werden, auf dass
es eine edle, menschenwürdige Wesensform erlange, die als
durchgebildete Form eine künstlerisch vollendete, dem Gesetze
der Schönheit entsprechende Form sein wird. Bleiben wir
vorerst bei der objectiv gegebenen Erfahrungswirklichkeit
stehen, die, so gewiss sie ein göttliches Werk ist, auch nach
dem Gesetze der Schönheit geordnet sein wird. Der innere
Grund ihres Schönseins wird dieser sein, dass sie eine Ver
wirklichung und Verleiblichung göttlicher Ideen ist. Diess
gilt zunächst von der sichtbaren Naturwirklichkeit, die eben
nichts anderes, als die plastisch-reale Ausprägung der gött
lichen Naturidee im sinnlichen Stoffe ist. Die sichtbare Natur
wirklichkeit ist schön, weil und insoweit sie eine ihrer imma
nenten Idee adäquirte Gestaltung des Weltstoffes ist. Nur
wird diese Art von Schönsein, an die absolute Idee des Schönen
gehalten, untergeordneten Ranges sein in dem Grade, als die
unmittelbar gegebene Naturwirklichkeit sich als untergeordnetes
Substrat zu höheren, auf Grund des Naturdaseins vor sich
gehenden Entwickelungen verhält, und insofern sie weiters in
ihrer unmittelbaren jetzigen Gegebenheit selber noch nicht
jene vollende Welt und Wirklichkeit ist, zu welcher sie in
der vollendeten Auswickelung ihres gottgedachten Seins werden
soll. Als geschlossenes Ganzes, als ucpodps; ist die sichtbare
Naturwirklichkeit allerdings schon an sich ein in seiner Art
vollendet Schönes; aber die Frage ist, ob sie als dieses in
sich geschlossene Totum vor der vollkommenen Auswickelung
ihrer immanenten Idee schon wirklich ist, und ob sie überhaupt
ein solches geschlossenes Totum durch sich allein und ausser
dem Zusammenhänge mit einer höheren und vollkommeneren
Wirklichkeit, deren Substrat sie ist, constituiren könne. Ja es
scheint in der Idee ihres Seins begründet zu sein, ein solches ge
schlossenes Totum niemals aus sich selber entwickeln zu können,
weil sie dasjenige nicht aus sich entwickeln kann, worin sie sich
selbst zur vollkommen geschlossenen Einheit in sich selbst
zusammenfassen könnte; es fehlt ihr eine, ihrer unermesslichen
Ausbreitung in’s Weite entsprechende Innerlichkeit, die so
mächtig wäre, dass sie kraft derselben sich zu einem in sich
Zur Metaphysik des Schönen.
743
selbst geschlossenen Ganzen zusammenzufassen vermöchte.
Dasjenige, worin die sichtbare Wirklichkeit thatsächlich zu
einem in sich geschlossenen Ganzen zusammengefasst ist,
nämlich der Mensch, steht über der sichtbaren Naturwirklich
keit, hat sie als denkender und erkennender unter sich, be
herrscht sie mit den Mitteln seines erfindungsreichen Ver
standes, und kann das Verhältniss einer allerdings thatsächlich
vorhandenen Abhängigkeit von ihr, die ihn die Mächte der
Natur als ihm überlegene Gewalten fühlen lässt, nicht als das
normale und für immer bleibende anerkennen. In der edlen
Erscheinung der Menschengestalt ist eine Idealform entwickelt,
die den Menschen schlechthin nicht nur über alle einzelnen
Gebilde der sichtbaren Naturwirklichkeit, sondern über diese
in ihrer Ganzheit und Gesammtheit hinausstellt; in ihm stellt
sich jene Form und Gestaltung des Sichtbaren dar, welche von
den Bildungkräften der Natur zwar als Höchstes angestrebt
aber nicht erreicht wird; er ist der Gipfel und die Krone der
sichtbaren Schöpfung, aber in seiner Person und in seinem
Wesen zugleich auch der Anfang einer neuen höheren Welt
und Ordnung, in deren vollendete Entwickelung dereinst auch
die sichtbare Wirklichkeit in verklärender und Vollender Um
bildung hineingenommen werden soll.
In der Menschengestalt ist eine schlechthin höhere Schön
heitsform verwirklicht, als im Bereiche des gesummten sicht
baren Weltdaseins möglich ist; und obwol der Mensch die
von den Bildungskräften der sichtbaren Natur angestrebte
Idealform des sichtbaren Schönen darstellt, ist doch das
Menschlichschöne nach Art und Charakter etwas vom Natur
schönen durchgreifend Verschiedenes. Wie in Gestalt und
Wesen des Menschen eine dem Stoffe aufgeprägte höhere
Idealform sich darstellt, welche über alle Formen des sicht
baren Weltdaseins hinausgreift, so soll der Mensch in selbst-
thätigem Thun und Schaffen zunächst sich, weiter aber auch
die ihn umgebende Wirklichkeit gemäss der Idee seines Seins
und Wesens gestalten, wird aber in dieser seiner selbstthätigen
Gestaltungsthätigkeit zugleich auch das Organ und Vehikel
höherer Mächte und Ideen , welche im zeitlichen Menschheits
leben gestaltend durchgreifen und dasselbe nach sich bestim
men. Hier beginnt also ein Reich höherer Ordnung, dessen
744
Werner.
Bildungen und Gestaltungen, soweit sie den Charakter des
Menschenwürdigen und Menschlichedlen an sich haben müssen,
unter das Richtmass des vom Naturschönen wesentlich ver
schiedenen Ethischschönen fallen, obwol durch diese Kategorie
das charakteristische Wesen des Menschlichschönen nur ganz
im Allgemeinen angegeben, ja eigentlich nur die wesentliche
Grundvoraussetzung und unerlässliche Vorbedingung des Mensch
lichschönen bezeichnet ist. Denn das Ethische als solches be
zieht sich nicht auf das menschliche Bilden und Gestalten
als solches, sondern auf die Behauptung der Macht und Freiheit
des sittlich guten Willens und auf die sieghafte Vorherrschaft
des dem Guten um seiner selbst willen dienenden Geistwillens
gegen jedes unedle und selbstische Interesse. Indess bethätiget
sich die Macht des ethischen Willens durch sich selber auch
schon als gestaltende Macht, welche, indem sie die menschliche
Daseinswirklichkeit der Idee des Menschendaseins adäquirt,
derselben einen unter das Mass der Schönheitsidee fallenden
Charakter aufdrückt, und die notliwendige Unterlage für die spe-
cifisch auf die Verwirklichung des Schönen als solchen gerich
teten Thätigkeiten bereitet. Auch ist die sittliche Bethätigung
des Menschheitsgeistes eine denknothwendige Vorbedingung der
Herbeiführung der vollendeten Welt und Ordnung, oder jener
absolut schönen Wirklichkeit, welcher der Mensch im unsterb
lichen Sein angehören soll und will; der Eintritt dieser
vollendeten Wirklichkeit selber ist ein Werk Gottes, das in
der ursprünglichen Welteinrichtung grundgelegt, durch die
Thaten der göttlichen Weltleitung seiner Vollendung entgegen
geführt werden soll.
Hier nun, im weltleitenden göttlichen Walten, welches
das gesammte irdische Zeitdasein des Menchen durchleuchtet,
tliüt sich eine neue Art von Schönheitsoffenbarung auf, grösser
und erhabener als jene in der Natur, lichter und herrlicher
als jene, die sich in der menschlichschönen Gestaltung der
irdischen Daseins weit des Menschen aufthut. Das menschlich
Edle und menschlich Schöne hat seinen absoluten Bestand
und Halt nicht in sieh selbst, sondern in einem Höheren iibei
ihm; und wie es nach Unten auf dem Boden der natürlichen
Wirklichkeit steht, so muss es nach Oben durch ein unmittel
bar in s Menschendasein eingreifendes Continuirliches göttliches
Zur Metaphysik des Schönen.
745
Wirken getragen sein, in dessen Kraft es continuirlich über
sich selbst erhoben werden und der göttlichen Urbildung alles
Menschlichhohen und Menschlichschönen zugewendet bleiben
soll. Es gibt eine unmittelbare Selbstoffenbarung des Gött
lichen in der Zeit, so gewiss als es eine heilige Macht gibt,
die über dem Menschheitsleben waltet, und rettend, helfend,
ordnend, richtend und vergeltend in dasselbe eingreift. Diese
Selbstbekundung des Göttlichen im Menschheitsdasein hat den
Zweck, demselben die Form des Göttlichen aufzudrücken, und
verwandelt die gesammte zeitliche Selbstentwickelung der
Menschheit in einen Process der Selbstauseinandersetzung des
Menschheitsgeistes mit seinen letzten, absoluten Zielen. In
Folge des unmittelbaren Hineinleuchtens des Göttlichen in das
menschliche Zeitdasein gestaltet sich die geschichtliche Aus
wickelung desselben zu einem Gemälde, über dessen dunklen
Untergrund aus einem verborgenen göttlichen Lichtmeer der
Glanz überirdischer Heilung sich verbreitet; sofern aber das
in dieser überirdischen Heilung sich offenbarende Göttliche
gestaltend in das geschichtliche Zeitdasein der Menchheit ein
greift, gestaltet sich dieses zu einer dramatisch-epischen Ex
position göttlicher Ideen, deren Tiefgehalt jedoch in dem engen
Mass der irdischen Zeitlichkeit sich nicht vollkommen zu
expliciren vermag, sondern das Verhältniss der Inadäquatheit
zwischen Endlichem und Göttlichem, Zeitlichem und Ewigem
zum Ausdruck bringt. Daher die durchgreifende Verschieden
heit des ästhetischen Eindruckes dieser Art von Schönheits-
offenbarung von jener, die im Naturschönen und im Menschlich
schönen sich ausspricht. Schlägt im Naturschönen die produc
tive Fülle und Mannigfaltigkeit, im Menschlichschönen Mass
und Begrämzung als specifischer Charakter vor, so trägt die
Selbstmanifestation des Göttlichen im geschichtlichen Mensch
heitsleben jenen des Erhabenen an sich, und das menschliche
Zeitdasein verträgt keine andere Versiehtbarung der reinen
und absoluten Erhabenheit, welche mit dem Göttlichen als
solchem identisch ist, als diese Art unmittelbarer Selbstsetzung
des Göttlichen in verhüllter Glorie und als absoluter Wirkungs
macht, die durch ihre, das begränzte Mass der unvollendeten
Zeitlichkeit überragende Selbstbekundung für das absolute
Recht und den dereinstigen absoluten Sieg alles dessen einsteht,
746
Werne r.
was unter Menschen wahr und gut, heilig' und gerecht ge
nannt wird.
Dem Gesagten zufolge gibt es für uns drei Hauptarten
der Anempfindung des Schönen, nämlich das Gefallen an der
füllenhaften Mannigkeit in harmonischer Zusammenordnung des
Mannigfaltigen, das Gefallen an Mass und Begränzung in der
Hervorstellung reiner, edler Bildungsformen, das innere Er
griffensein von der Macht und Hoheit der Selbstbekundungen
des in zeitlich unergründlicher Verborgenheit waltenden Heili
gen und Göttlichen. Diese drei Hauptarten der Anempfindung
des Schönen sind aber zugleich die constitutiven Elemente
jedes ächten und wahren Schönheitseindruckes, und geben
demzufolge dasjenige an, was in untheilbarer Einheit in jeg
lichem Schönen vorhanden sein muss, damit es wahrhaft und
wirklich schön sei. Monotonie und Leere, Mangel an Mass
und Begränzung, das Fehlen jeden Anhauches von Weihe und
Würde sind absolute Feinde des Schönen, und lassen einen
Schönheitseindruck schlechthin nicht aufkommen. Die drei
constitutiven Elemente des Schönheitseindruckes müssen dem
nach in jeder der drei Hauptarten des Schönen, im Natur
schönen, im Menschlichschönen und im Göttlichschönen ent
halten sein; nur ist ihr Mischungsverhältnis in diesen drei
Arten des Schönen ein verschiedenes, indem in jeder derselben
ein anderes der drei Elemente vorschlägt, und der bestimmten
Art von Schönheitsoffenbarung ihren eigenthümlichen Charak
ter verleiht. So beruht der Reiz des Naturschönen zunächst
und primär in der quellenhaften Fülle und reichen Mannig
faltigkeit seines Lebens und seiner Gestaltungen; aber dieses
Mannigfaltige muss sich, um einen gefälligen Eindruck zu
machen, zu einem sinnig geordneten Ganzen abschliessen, und
über diesem Ganzen muss die Weihe eines höheren, ahndungs
voll darin sich aussprechenden Gedankens schweben. Die
sichtbare Natur als ganze erhebt durch ihre Grösse und wunder
volle Ordnung; sie offenbart sich zwar in jeder einzelnen
ihrer Erscheinungen und Hervorbringungen als das in sich
unvollendete und unvollkommene Sein, aber in der Gesammt-
heit ihrer Erscheinungen stellt sie sich als eine Offenbarung des
Ewigen dar, und das ahnende Gemüth empfindet, dass durch
die Natur in ihrer Ganzheit etwas Göttliches sein Dasein ver-
Zur Metaphysik des Schönen.
747
künde und bezeuge. Das Mensclilicliscliöne bekundet sich
specifisch durch Mass und Begränzung; aber Mass und Be-
gränzung macht für sich allein noch nicht das Wesen des
Menschlichschönen aus, wenn darin nicht zugleich die Macht
einer klärenden Idee sich offenbart, die den Reichthum des
Lebens und der Empfindung dem regelnden Masse edler Ge
staltung einordnet, um darin selbst Gestalt zu gewinnen. Auch
das Göttlichschöne muss Mass und Gestaltung haben, und
ist ohne dasselbe nicht denkbar, da es die directeste Ver
neinung des Formlosen und Ungeheuerlichen ist; und in seinen
Offenbarungen muss sich eine unendliche Tiefe, die Tiefe des
göttlichen Seins und Wesens aufschliessen, und diese muss
den Offenbarungen des Göttlichschönen ihren göttlichen Inhalt
geben.
Der Schönheitseindruck und das Schöne selber in seiner
objectiven Existenz ist das Product dreier Coefficienten: des
Stoffes, der Form und der Idee. Das Wesen des Schönen als
solchen ist die aus der Wechseldurchdringung von Stoff und
Idee resultirende Form, die als vollendete Form den Stoff
vollkommen in ihr aufgehen macht, und eben hiedurch auch
einen in seiner Art vollendeten Ausdruck der Idee erwirkt.
Zur vollendeten Schönheit gehört, dass der Stoff völlig in der
Form aufgeht, und so die Idee im geformten Stoffe zu einem
vollkommen reinen, ungetrübten Ausdrucke ihrer selbst ge
langt. Ein solches vollkommenes Aufgehen des Stoffes in
der Form ist aber nur da möglich, wo der Stoff völlig un-
sinnlich ist; daraus folgt von selber, dass die absolut voll
endete Schönheit eine ganz unsinnliche, rein geistige sein
müsse, deren stoffliches Element die reinste geistige Wesenheit
ist, die als selbstleuchtende luminoseste Wesenheit ihr sicht
bares Abbild im Lichte hat und selber lauter Licht und
Leben ist. Die absolute Geistigkeit kann aber nicht anders
denn als absolute Selbstfassung und absolute Sammlung in
sich selber gedacht werden, die als solche eben ein actives
Scheinen luminosester Art zur Folge haben wird, ein Scheinen,
dessen Glanz und Helle eine absolut überwältigende Macht
haben muss, und demzufolge eine verklärende Durchdringung
der gesammten Weltwirklichkeit mit der Macht dieses gött
lichen Glanzes und dieser göttlichen Helle als denknothwendi-
748
Werner.
gen ewigen Abschluss der zeitlichen Weltentwickelung in un-
abweislich sichere Aussicht stellt. Alles creatürliche Schöne
wird demnach die vollendete Hervorbildung der ihm eigenen
Schönheit in der zukünftigen verklärten W 7 elt erlangen, welche
der Ort der absolut verwirklichten Ideale ist.
Selbstfassung und Sammlung in sich selber setzt ein sich
fassendes und in sich sammelndes Sein voraus, absolute Selbst
fassung und Selbstsammlung ein absolutes Selbst. Das absolute
göttliche Selbst hat sein geschöpfliches Gegenbild im Menschen,
in welchem das creatürliche kosmische Sein sich in sich selbst
zur concret durchgebildeten Einheit zusammenfasst und in der
leiblichen Aeusserlichkeit des Menschen den sichtbaren Aus
druck dieser centralisirten Selbstfassung und Selbstinnerung
des kosmischen Seins aus sich hervorstellt. Diese centrali-
sirende concrete Selbstinnerung und Selbstfassung des Uni
versums muss eine geistige sein, weil sie ohne dem keine wahr
hafte Selbstinnerung und Selbstfassung sein könnte, kann aber
keine absolute und absolut geistige sein, weil sie eben das
sinnlich Stoffliche in das Geistige zurückzuvermitteln, und um
gekehrt die selbstige Geistigkeit dem Stofflichen als lebendige
selbstige Bildungsmacht einzugeisten hat. Das eigenste Wesen
des Menschen ist, eine plastische Ineinsbildung des Geistig-
Selbstigen und Stofflich-Sinnlichen zu sein, in welcher das
Geistig - Selbstige sich in dem ihm angebildeten Stoffe ab
gestaltet, und in dieser Abgestaltung sich einen sichtbaren Aus
druck seiner selbst schafft. So wäre also der Mensch wenig
stens seiner Idee nach dasjenige Wesen, in welchem der Stoff
dem in ihm ausgedrückten und verwirklichten Gedanken voll
kommen eingeordnet ist, obschon diese durch das Ebenmass
der menschlichen Gestalt angezeigte vollkommene Einordnung
erst in einer zukünftigen vollendeten Welt zur vollendeten
Wirklichkeit werden kann.
Das Ebenmass der menschlichen Gestalt zeigt an, dass
in ihr der Stoff vollkommen dem in ihm ausgedrückten Ge
danken eingeordnet sei. Nicht so verhält es sich mit allen
übrigen Bildungen der sichtbaren Wirklichkeit; in diesen mani-
festirt sich offenbar ein relatives Ueberwiegen des Stoffes über
die ihn bewältigenden Bildungformen, daher in keiner der
selben die reine Schönheit zum Ausdrucke kommt. Grund
Zur Metaphysik des Schönen.
749
dessen ist das Unvermögen der schaffenden und producirenden
Natur, sich innerhalb ihres Lebensbereiches zur selbstigen
Innerlichkeit zusammenzufassen, die ihr eben einfach abgeht.
Dasjenige, was sich in ihr darlebt und gestaltend durchgreift,
ist nicht ein selbstiges persönliches Princip, sondern ein an
sich seelenhaftes unpersönliches Sein und Wesen, das zufolge
seiner Unselbstigkeit nur in stofflicher Veräusserung sein
Dasein haben kann und eine unerschöpfliche Zahl von Wand
lungen und Gestaltungen seiner selbst zulässt, ohne in irgend
einer derselben zum absoluten Abschlüsse ihres Lebens- und
Wandelungsprocesses aus sich selbst gelangen zu können.
Daher die im Grossen wie im Kleinen stetig sich wieder
holende kreisläufige Wiederkehr zum Anfang und Ausgangs
punkte ihrer Lehensentwickelung, der Umtrieb ihres Lebens
im steten Wechselspiele von Entstehen und Vergehen, Auf
lösung und Neubildung, und der hiedurch bedingte unaufhör
liche Wandel und Wechsel der Gestaltungen. Dieser kreis
läufige Process kann aber weder als anfangslos noch als ziellos
gedacht werden; er ist die Verwirklichung einer dem an sich
seelenhaften Stoffe eingesenkten Idee, die in demselben als
lebendige Bildungsmacht thätig ist und eben keine andere
Idee, als die in den Stoff projicirte göttliche Idee der sicht
baren Naturwirklichkeit ist, die vom Schöpfer mit Beziehung
auf den Menschen und auf das im Menschen mikrokosmisch
zusammengefasste Weltganze gedacht und geordnet ist. Daher
das Hinanstreben der lebendigen Erdnatur zum Menschen, und
der im sichtbaren Weltganzen versichtbarte Ausdruck der
Gesammtwelt, die keineswegs in der sinnlichen Erscheinungs
welt aufgeht, sondern eine dem Bereiche des Sichtbaren über
geordnete unsichtbare Welt und Wirklichkeit in sich fasst,
die den denknothwendigen Abschluss der makrokosmischen
Welt bildet, wie der mikrokosmische Mensch nach seiner sicht
baren Erscheinung- der Abschluss des dem makrokosmischen
o
Lebensprocesse eingegiieddrten Lebens- und Bildungsprocesses
der tellurischen Sphäre ist.
Obschon die sichtbare Naturwirklichkeit in keiner ihrer
besonderen Bildungen etwas vollendet Schönes hervorzubringen
vermag, ist sie doch in der Totalität ihrer Erscheinungen
augenfällig etwas wahrhaft Schönes, dessen Anblick sich dem
sinnigen Beschauer zu einer Offenbarung höchster und er
habenster Ideen, zu einer Offenbarung des Göttlichen selber
vertieft. Im Anblick jener wundervollen Verknüpfungen und
Wechselbeziehungen, die das Niederste mit dem Höchsten,
das Nächste mit dem Fernsten und Entlegensten in causale
Verbindungen setzt, geht dem Beschauer die Idee einer hohen,
hehren Ordnung auf, die selber göttlich, Göttliches verkündet,
und in der unübersehbaren Weite und Grösse ihrer Fassung
ihm den Gedanken des Unermesslichen und Unendlichen nahe
rückt. Ohne die geschlossene Totalität des Weltganzen durch
sich selber darzustellen, offenbart das sichtbare Weltganze
durch sich selber doch die Idee derselben in dem Gegensätze
zwischen der lichten Oberwelt und der dämmernden Nieder
welt, in welchem sich der Gegensatz zwischen der unsicht
baren Geistwelt und dem ihr untergeordneten Reiche der Sicht
barkeit reflectirt; der Gegensatz zwischen der lichten Tagseite
und der dunklen Nachtseite des Naturdaseins deutet in aus
drucksvoller Symbolik tiefer liegende Geheimnisse des Lebens
an, die einem über die sichtbare Wirklichkeit erhabenen Be
reiche angehürig, auch in dieser selber sich abschatten und
die sichtbare Wirklichkeit in den Zusammenhang mit der
moralischen Ordnung und dem Gesammtdasein der Welt
verschlungen erscheinen lassen. So ersetzt die Natur, was
ihr an plastischer Vollendung ihrer Gestaltungen abgeht,
durch die Grösse und Hoheit ihrer Gesammterscheinung, durch
die ahndungsvollen Tiefen jener Offenbarungen, die sie als
stumme Prophetin schweigend andeutet, durch die Erhaben
heit höchster und ewiger Gedanken, welche sie laut redend
verkündet.
Das Naturschöne steht als solches hinter jeder höheren
Art des Schönen zurück. Aber die Natur in ihrer Ganzheit
ist wahrhaft schön, und die Schönheit der Natur als Ganzen
lehrt, dass in dem wahrhaft Schönen sich etwas Hohes und
Heiliges offenbare, und demzufolge die ästhetische Wahr
nehmung und Empfindung eine über das Gefallen an der
blossen Form als solcher hinausgreifende Seelenempfindung
sei. Die ästhetische Empfindung schliesst in ihren Tiefen mehr
als ein blosses Gefallen in sich; sie ist ein Ergriffensein von
der Macht des Schönheitseindruckes, das in seinen höchsten
Zur Metaphysik des Schönen.
751
Graden sich zur tiefsten Seelenerschütterung, zu einem völli
gen Aussersichversetztwerden steigern kann. Selbst das ruhige
Gefallen am wirklich Schönen kann nicht ohne ein bestimmtes
Pathos der inneren Seelenempfindung gedacht werden; es muss
ihm wesentlich der Affect der Bewunderung beigegeben sein,
weil im wahrhaft Schönen dem Betrachter in der That etwas
Wundervolles entgegentritt. Die sichtbare Naturwirklichkeit
in ihrer Ganzheit ist etwas Wundervolles und wundervoll
Erhabenes: sie weckt aber durch sich selbst den ahn untre-
vollen Gedanken einer noch höheren, wundervolleren Ordnung
der Dinge, die hinter ihr und über ihr steht, und auf welche
sie durch sich selbst einerseits durch ihre Symbolik, anderer
seits durch ihre eigene zeitliche Unvollendung hinweist. Dass
diese höhere, vollendete Ordnung, und wäre es vorläufig auch
nur in Gottes ewigen Gedanken, existent sein müsse, ist dem
sinnigen Betrachter der sichtbaren Natur so gewiss, als er die
denknothwendige Ueberzeugung hat, dass das Schöne, das in
der in den Bereich unserer zeitlich-irdischen Erfahrung fallen
den Naturwirklichkeit ausgedrückt ist, nur die Abschattung
oder Vorbildung seines vollendeten Ausdruckes sein könne.
Am richtigsten wird man annehmen, dass sie sowol das eine
wie das andei'e, theils Abschattung, theils Vorbildung sei; die
nähere Auseinandersetzung dessen gehört aber nicht hieher,
sondern wäre einer speculativen Kosmologie zuzuweisen.
Die sichtbare Natur gränzt in ihrer wundervollen Er
habenheit an’s Göttliche an, und gibt sich doch andererseits
wieder zufolge ihrer allüberall nach Aussen gekehrten Materia
lität und materialen Veräusserlichung als das Unterste im Be
reiche alles wahrhaft Seienden zu erkennen. Sie kann auch
demzufolge nur als Unterlage zur Verwirklichung höherer
Schönheitsformen dienen, die nicht mehr ihr selber als solcher
angehören, sondern durch ein höheres, unmittelbar göttliches
Wirken in sie hineingetragen werden müssen. Ein solches
Schönheitswunder höherer Art, dessen Verwirklichung die sicht
bare Naturwirklichkeit als Unterlage diente, ist zunächst der
in die tellurische Sphäre hineingesetzte primitive Mensch in
seinem der geschichtlichen Forschung entrückten Anfangs
stande und vor seiner geschlechtlichen Differenzirung, in
welchem der Ewige ein sichtbares Bild seiner selbst in die
Sitzungsber. d. pliil.-kist. CI. LXXVII. Bd. IV. Hft. 48
■ -mit —
752 Werner.
sichtbare Wirklichkeit setzte. Da nun aber der Mensch als
Gattungswesen existiren sollte, so konnte jene Manifestation
des Ewigen in einem sichtbaren Bilde seiner selbst durch den
noch nicht geschlechtlich gewordenen Anfangsmenschen nur
eine vorübergehende sein, eine Weissagung auf eine künftige
bleibende sichtbare Verbildlichung des Ewigen in höherer Art,
in welcher das Menschliche unmittelbar in’s Göttliche hinein-
genommen und zum Mittel der sichtbaren Selbstdarstellung
Gottes gemacht werden sollte. Denn die Menschwerdung
Gottes ist eine ewige Idee, die durch die Gottesebenbildlich
keit des Menschen unterbaut ist, und in Bezug auf ihre Möglich
keit und Realisirbarkeit aus der Idee der menschlichen Gott
ebenbildlichkeit sich begründet. Die durch die Idee des Gott
menschen involvirte unmittelbare Hineinnahme des Mensch
lichen in’s Göttliche hat eine causale Beziehung auf die ge
summte Weltvollendung, sofern nämlich das unmittelbar in’s
Göttliche hineingenommene Menschliche die absolute Form
und Fassung der in ihre vollendete Gestaltung einzurücken
den Weltwirklichkeit in sich enthält, und zugleich auch das
von göttlichen Wirkungskräften durchgeistete Medium der
Erwirkung dieses künftigen Vollendungsstandes ist. Die liiemit
indicirte Art der Weltvollendung ist, wofern die gegenwärtige
zeitliche Ordnung der Dinge nicht als bleibende, ewige ge
nommen werden, andererseits aber das Menschliche als Gegen
bild des Göttlichen der absolute Idealtypus des sichtbaren und
creatürlichen Schönen sein soll, der denknothwendige Abschluss
der zeitlichen Weltentwickelung, und die daraus resultirende
Schönheitsform die einzig mögliche höhere Schönheitsoffen
barung der ewigen Gottheit nach und auf Grund der in der
sichtbaren zeitlichen Weltwirklichkeit verwirklichten Schönheits
offenbarung derselben. Damit soll nicht nur jenes Göttlich
schöne, das bereits in der dem Menschen subjicirten und doch
ihn unermesslich überragenden zeitlichen Weltwirklichkeit sich
offenbart, vollendet werden, sondern das gesammte creatürliche
Sein in die absolute Form des vollendet Schönen hinein
gebildet werden und so sich zur vollendeten Offenbarung des
Göttlichschönen im Weltdasein gestalten. Man sage nicht,
dass die überirdische unsinnliche Geisterwelt in dieses Ideal
der absolut vollendeten Weltschönheit sich nicht einfüge: es
Zur Metaphysik des Schönen.
753
gibt keine absolute Geistigkeit ausser Gott; die in Gott als
ihren absoluten Ort eingerückte Weltwirklichkeit aber wird
allüberall und in jeder Weise von der absoluten Macht des
Göttlichen durchgeistet sein. Dieses vollendete Göttlichschöne
zu erahnden und das Erahndete in sinnestiefen Conceptionen
dem Sinne und Gemüthe des zeitlichen Erdenmenschen nahe
zu rücken, ist das höchste Thun und der absolute Beruf der
kunstschöpferischen irdischen Menschenthätigkeit, dessen Er
fassung ihr die Weihe eines gotteswürdigen Thuns verleiht.
Die absolute Bedeutung des Schönen ist, eine Offen
barung des Göttlichen zu sein, und das wahrhaft Schöne und
vollendet Schöne wird demnach, wo immer es sich zeigt, ein
Abglanz des Göttlichen, ein Göttlichschönes sein, welches
die Arten und Formen des Menschlichschönen in sich auf
gehoben trägt und zu ihrem Vollendungsgrade emporgehoben
vorweist. Das Göttlichschöne wird als Projection des gött
lichen Urschönen in die gottgeschaffene Weltwirklichkeit so
viele Arten und Stufen seiner Selbstdarstellung haben, als es
überhaupt Arten und Stufen der Selbstoffenbarung des Gött
lichen gibt. Die erste Selbstoffenbarung des Göttlichen nach
Aussen ist nun schlechthin die Setzung der gottgeschaffenen
Weltwirklichkeit selber; die zweite ist die Selbstsetzung des
Göttlichen im menschlichen Zeitdasein, die sich dem defect
gewordenen labilen Zeitdasein des Menschen als haltender und
tragender Grund zu subjiciren und ihm einen unvergänglichen
göttlichen Lebensinhalt einzugeisten hat. Zufolge der centra
len kosmischen Bedeutung des Menschen zweckt diese in das
menschliche zeitdasein fallende Selbstoffenbarung des Gött
lichen auf die Vollendung alles Geschaffenen in Gott ab, und
bereitet die absolute Selbstoffenbarung Gottes in der vollende
ten Zeit und Welt vor. Man pflegt die beiden ersten, der
irdischen Zeiterfahrung des Menschen angehörigen Selbstoffen
barungen des Göttlichen als die zwei aufeinander folgenden
Offenbarungen Gottes in Natur und Geschichte zu bezeich
nen, hat aber jedenfalls den Begriff der ersteren zu jenem
einer allgemeinen kosmischen Offenbarung zu erweitern, und
ihnen beiden als dritte gleichwesentliche zeitliche Selbstoffen
barungsweise des Göttlichen die Offenbarung im Geiste zur
Seite treten zu lassen, die durch alle Zeit neben jenen beiden
48*
754
Werner.
anderen einhergeht und die grundwesentliclie Bedingung der
Auffassung und des Verständnisses derselben ist. Wollte man,
wie es schon hin und wieder geschehen ist und im heutigen
Zeitbewusstsein liegt, drei Weltalter des menschheitlichen
Culturlebens unterscheiden, deren ersteres der vorchristlichen
antiken Weltzeit angehört, während das zweite specifisch die
Signatur des christlich-kirchlichen Wcltgedankens trägt, das
dritte aber die vom Standpunkt des Selbstdenkens aus unter
nommene Verständigung über den geistigen Lebensinhalt der
beiden vorausgegangenen Culturepochen zu bedeuten hätte: so
würde der vorchristlich-antiken Menschheit specifisch die Wahr
nehmung und der Cultus des im Reiche der Sichtbarkeit und
im kosmischen Sein ausgedrückten Göttlichschönen, Erhabenen
und Heiligen zuzuweisen sein, der darauf folgenden christlich
kirchlichen Weltepoche hingegen die Hinwendung zu den
einer überweltlichen Wirklichkeit angehörigen Idealen des
Schönen und Heiligen. Da in diesen beiden Arten von Schönheits
idealen der Substanzialgehalt des Göttlichschönen erschöpft
ist, so kann die Aufgabe der Gegenwart, die auf dem Grunde
der Vergangenheit steht, zunächst nur darin bestehen, ihr
Streben nach Gewinnung und allseitiger Durchbildung des
Menschlichschönen in Gedanke, Leben und Sitte am Schönheits-
culte der vorangegangenen beiden Weltzeiten des universalen
Culturlebens zu orientiren, und die in den Denkmalen jenes
Cultus niedergelegten Offenbarungen des Geistes als solche zu
erkennen, in deren Verständniss wie die Gegenwart, so jede
folgende Zeit sich zu vertiefen hat, um in dem Cultus des
Menschlichschönen von der Naturtreue und göttlichen Tiefe
des wahrhaft Schönen niemals abzukommen. Daneben ist aber
nicht zu verkennen, dass die Neuzeit als das dritte Weltalter
der menschheitlichen Culturentwickelung ihre eigenthümliche,
von den Culturaufgaben der beiden vorausgegangenen Weltalter
specifisch unterschiedene Aufgabe hat, die darin besteht,
neben den Offenbarungen des Göttlichschönen und Erhabenen
in Natur und Geschichte die Offenbarungen derselben im
Geiste zur Anschauung zu bringen, und die künstlerische Ver
wirklichung des von ihr angestrebten Schönheits- und Bildungs
ideals in der ganzen Breite und Allgemeinheit der modernen
Culturthätigkeit anzubalmen und durchzuführen. Denn einzig
Zur Metaphysik des Schönen.
755
wol darin wird die im Geiste, d. h. im bewussten Selbstdenken
erfasste Aufgabe des Cultus der Schönheitsidee bestehen. Die
vollkommene Durchführung dieser Aufgabe wird aber einer
vollkommenen Rückvermittelung der modernen Culturbestrebun-
gen in die dem Monschheitsgeiste schon in den beiden voraus
gegangenen Weltaltern des menschheitlichen Culturlebens zum
Bewusstsein gekommenen Menschheitsideale gleichkommen.
Denn nicht um die Auffindung neuer Schönheitsideale handelt
es sich — diese sind uns vielmehr durch die Offenbarungen
des Göttlichen in Natur und Geschichte schon für immer ge
geben — sondern um die Gestaltung des gesammten zeitlichen
Weltdaseins des Menschen auf allen Gebieten seiner Lebens
und Schaffensthätigkeit nach jenen Idealen, wodurch eben dem
Menschlichschönen nach allen seinen wesentlichen Seiten und
Erscheinungsformen zum Ausdruck verholfen werden soll. Dass
diese der menschlichen Daseinswirklichkeit zugekehrten Ver-
schönerungstrebungen auch im Gebiete des sogenannten Kunst
schönen sich reflectiren werden, ist selbstverständlich; und
damit ist der neuzeitlichen Ivunstthätigkeit ein unermesslich
weiter ja geradezu unerschöpflicher Wirkungskreis eröffnet,
innerhalb dessen sie trotz ihrer stetigen und unerlässlichen
Orientirung an den grossen Kunstleistungen der vergangenen
Weltalter in Neuschöpfungen voll urthümlicher Frische und
Tiefe sich ergehen kann. Wie der Inhalt des Lebens un
ermesslich reich ist, so wird und muss auch die in den Fluss
des Lebens getauchte künstlerische Schöpferkraft sicli nach
allen Seiten und Richtungen angeregt und geistig befruchtet
fühlen, und die im Geiste des Künstlers wiedergeborne Wirk
lichkeit des gestaltenreichen und ereignissreichen Zeitdaseins
wird dem Geschlechte, das inmitten dieser Wirklichkeit steht,
das Bild seiner selbst im verklärten Wiederscheine als ideale
Vergegenwärtigung seiner höchsten und heiligsten Hoffnungen
und Strebungen, seiner Ahnung und Sehnsucht nach einer im
Geiste geschauten Vollendung seines Daseins Vorhalten. Der
sogenannte realistische Zug, welcher der Kunst der Gegenwart
anhaftet, wird wol eben nur der Reflex der auf die ver
schönernde Umbildung der gesammten Lebenswirklichkeit ge
richteten Strebungen sein; er wird aber nicht der für immer
herrschende sein können, sondern nur dazu dienen, ideal ver-
756
Werner.
tieften Griffen in die künstlerisch bewältigte Wirklichkeit die
Wege zu bereiten, und die in die Form des Schönen gefasste
reale Wirklichkeit einer künstlerischen Vermittelung mit den
gottgedachten ewigen Ideen, unter deren Wirkungsmacht und
Richtmass alles Zeitliche gestellt ist, darzubieten.
Die absolute Verwirklichung des Schönen fällt einer
über die irdische Zeit hinausliegenden Vollendungswelt anheim,
und fällt mit der absoluten Verwirklichung der göttlichen Welt
idee zusammen. Alles wahrhaft Schöne, welches unserer zeit
lichen Erfahrungswelt angehört, muss etwas von dem Glanze
und der Hoheit jener vollendeten Welt und Wirklichkeit an
sich haben; dieser Glanz und diese Hoheit muss über allem
Schönen als die höhere Weihe der Verklärung schweben, die
das Schöne zum wahrhaft Schönen macht. Demzufolge ist
alles Schöne und Hohe, was in unserer zeitlichen Erfahrungs
welt, in Natur und Geschichte, im kosmischen und menschlichen
Dasein sich offenbart, ein rückwärts gewendeter Reflex des
Glanzes und der Herrlichkeit der zukünftigen Vollendungs
welt, und die menschliche Kunstthätigkeit eine relative Anti-
cipation und freischöpferische Vergegenwärtigung derselben.
Diese Art von Vergegenwärtigung kann keine andere, denn
eine dichterisch erfindende sein; denn die zukünftige Voll
endungswelt liegt ausserhalb unserer irdischen Zeiterfahrung,
und wird von uns nur im Denken erreicht, im Denken aber
vermögen wir uns wol der Idee jener Vollendungswelt zu be
mächtigen, aber keine Anschauung von der jener Idee ent
sprechenden Wirklichkeit zu gewinnen. Diese Anschauung
muss demnach durch eine vom rationalen Denken verschiedene
Seelenthätigkeit supplirt werden; und diese ist eben keine
andere als jene der Phantasie oder der aus der irdisch-mensch
lichen Erfahrungswelt schöpfenden Einbildungskraft, welche,
sofern ihre Imaginationen nach der dem intuitiven Seelen
sinne präsenten Idee des Schönen umgebildet werden, Phan
tasie heisst. Die Phantasiethätigkoit ist eine dichterische,
sofern sie Wirklichkeiten imaginirt, die ausserhalb der zeitlich
menschlichen Erfahrung liegen; dieselben sind aber nichts
weniger als Fictionen oder willkürliche Erfindungen, sondern
haben in dem Grade auf Wahrheit Anspruch, als sie der Idee
des Schönen conform sind. Die Imaginationen acht dichte-
Zur Metaphysik des Schönen.
757
rischer Conceptionen sind eben nichts anderes, als die in ihre
absolute Vollendungsform umgebildeten Vorstellungen und Bilder
der zeitlichen Erfahrungswirklichkeit, und sind demnach nur
mentale Anticipationen dessen, was dereinst bleibend sein
wird, wenn die vergänglichen Erscheinungen der zeitlich un
vollendeten Welt vorübergegangen sein werden, im Reiche der
ewigen Ideen aber seit ewig wirklich ist. Es ergibt sich hier
aus, dass das dichterische Bewusstsein, das sich in den Hervor
bringungen des Kunstschönen ausprägt, auf einen höheren Grad
von Wahrheitsgehalt Anspruch hat, als das bei der erfahrungs-
mässigen Wirklichkeit stehen bleibende Denken; die Idee des
Schönen hat metaphysische Realität, und tritt kraft derselben
den Ideen das Wahren und Guten, mit welchen sie unlöslich
verschlungen ist, gleichwürdig und gleichberechtiget zur Seite.
Das Schöne hat für uns seine nächste und unmittelbarste
Wirklichkeit in der sinnlichen Erscheinung, sofern diese als
ausdrucksvolle Vergegenwärtigung einer höheren idealen Wirk
lichkeit sich darbietet; aber schon im Bereiche des sinnlich
Erscheinenden unterscheiden wir das Schöne im engeren Sinne
von den über die vollkommene harmonische Geschlossenheit
desselben hinausgreifenden Darstellungen des Würdigen, Grossen,
Erhabenen, die bereits auf ein über die sinnliche Anschau
lichkeit hinausliegendes Gebiet eines Schönen höheren Art
hinweisen. Ueber dem Sinnlichschönen liegt das Geistig
schöne, und das Absolutschöne muss wol als ein Schönes
geistigster Art gedacht werden. Es wird zusammenfallen mit
dem göttlichen Sein als Urform alles geschöpflichen Seins, und
im überweltlichen Reich der Ideen oder göttlichen Urbildun
gen alles Geschaffenen seine Wirklichkeit haben. Diese Ideen
sind aber zugleich auch als lebendige Gestaltungsmächte zu
denken, deren Wirken darauf ausgeht, den ihnen immanenten
Geistinhalt in der nach ihnen zu gestaltenden Wirklichkeit
vollkommen zur Erscheinung zu bringen, oder das Geschaffene
vollkommen schön zu machen. Die absolute Freiheit und Be
weglichkeit der kunstschöpferischen Thätigkeit ist im rein
geistigen Elemente, und der grösste, absolut grosse Kunst
schöpfer wird derjenige sein, welcher, in seinen Conceptionen
von einem gegebenen Stoffe absolut unabhängig mit der Form
auch den Stoff schafft, so dass dieser im Voraus in das Ver-
758
Werner. Zur Metaphysik des Schönen.
hältniss absoluter Dienstbarkeit zu der mittelst seiner zu ver
wirklichenden Form gesetzt ist, und nichts anderes als die im
Schöpfergeiste präconcipirten Formen darzustellen vermag, diese
aber in allen Arten und Wandlungen ihrer selbst zur Erschei
nung bringt. Darum ist der sichtbare Kosmos schon in seiner
zeitlich noch unvollendeten Erscheinung ein wahrhaft gött
liches Kunstwerk, die Wunder seiner vollendeten Ausgestal
tung aber sind für uns Zeitmenschen nur Gegenstand sinnen
den Ahndens, in dessen Tiefen jede ächte Künstlerseele sich
versenkt.
Alle ächte Kunst ist von dichterischem Geiste angeweht,
und ihre Hervorbringungen sind dichtende Vergegenwärtigun
gen einer höheren idealen Wirklichkeit, die hinter und über
der erfahrungsmässigen Wirklichkeit des irdischen Zeitdaseins
steht. So setzt sich die Architektur edlen, grossen Stils in
ihren erhabensten Hervorbringungen keine geringere Aufgabe
als jene, die Architektonik des Weltbaues und die Fassung
des Endlichen im Göttlich-Unendlichen symbolisch zur An
schauung zu bringen; die Plastik will die reinen Formen der
Gestaltungen des Sichtbaren an’s Licht ziehen, die Historien
malerei hohen Stiles das Göttliche in der Geschichte offen
baren, und die grossen, bedeutungvollen Momente des Drama
der Weltgeschichte in ausdrucksvollen Scenen lebendig ver
anschaulichen. Die Tonkunst ist eine Verlautbarung der dem
LTniversiun eingeschaffenen Harmonien, der demselben einge-
geisteten Zahl- und Massverhältnisse für das menschliche Ohr;
die in Worte gefasste Dichtung eine seherische Offenbarung,
eine Aufdeckung der in’s zeitliche Weltdasein hineingesproche
nen Worte des Ewigen. Die absolute Bedeutung des kunst
schöpferischen Wirkens ist, Denkmale des Ewigen und Gött
lichen in’s irdische Zeitdasein zu setzen; die vom mensch
lichen Kunstschaffen angestrebte schöne Wirklichkeit des Zeit
daseins wird jene sein, die mit Erinnerungen und ausdrucks
vollen Vergegenwärtigungen des Hohen, Ewigen, Göttlichen
geschmückt ist.
Beiträge zur Kenntniss der Zigeunermundarten.
I. II.
Yon
Franz Miklosich,
, wirklichem Mitgliecle der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften.
I.
Die ältesten Denkmäler der Zigeunersprache.
A. Andrew Boorde.
Als älteste Quelle unserer Kenntniss der Zigeunersprache
führt A. F. Pott I. Seite 3 die Schrift von Bonaventura Vul-
canius an: De literis et lingua Getarum seu Gothorum.
item de notis Lombardicis. quibus accesserunt speci-
mina variarum linguarum cet. Lugduni Batavorum. 1597.
Dieses Werk enthält ausser der Flexion des Präsens von piaua
bibo sieben und sechzig zigeunerische Wörter. Im Jahre
1870 ist nun eine um ein halbes Jahrhundert ältere Quelle
aufgetaucht in den von Herrn F. J. Furnivall herausgegebenen
Schriften von Andrew Boorde. Das Werk führt den Titel:
The Fyrst Boke of the Introduction of Knowledge
made by Andrew Borde of Physycke Doctor. A Com-
dyous Regyment or A Dyetary of Helth made in
Mountpyllier, compyled by Andrewe Borde of Phy
sycke Doctour. Barnes in the Defence of the Berde: a
Treatyse made, answerynge the Treatyse of Doctor
Borde vpon Berdes. Edited, with a life of Andrew
Boorde, and large extracts from his Breuyary, by
F. J. Furnivall. London. 1870. Die erste der angeführten
Schriften hat von dem Verfasser folgenden ausführlicheren Titel
BS^BRS^^S^n^KKSE
760 Hiklosich.
erhalten: The fyrst boke of the Introduction of know-
ledge. The whych dothe teache a man to speake parte
of all maner of languages, and to know the vsage and
fashion of all maner of countreys. And for to know
the moste parte of all maner of coynes of money, the
whych is currant in euery region, und umfasst in 39 Ca-
piteln die Beschreibung vieler Völker und Länder in den im
Titel angedeuteten Richtungen. Die Beschreibung beginnt mit
England und behandelt in den Capiteln 17, 18 und 19 Böhmen,
Polen und Ungern, im Capitel 38, Seite 217, 218, Aegypten
und legt dem Leser als Probe der aegyptischen Sprache eine
Anzahl von Sätzen vor, die man auf den ersten Blick als zi
geunerisch erkennt. Es entsteht nun die Frage nach dem Alter
der Aufzeichnung und nach dem Lande, wo sie geschehen. Die
erste Frage erledigt sich durch die Bemerkung, dass das be
treffende Werk Boorde’s 1542 geschrieben wurde. Seite 14.
Was die zweite Frage anlangt, so ist mitzutheilen, dass Boorde
viermal ausserhalb Englands war und Dänemark, Frankreich,
Flandern, Spanien, Italien, Deutschland und Griechenland be
reiste und nach Jerusalem wallfahrtete, Seite 63, dass demnach
die Zahl der Länder, aus denen die zigeunerische Sprachprobe
stammen kann, eine nicht unbedeutende ist, da in die meisten
der angeführten Länder die Zigeuner nachweislich zu Anfang
des sechzehnten Jahrhunderts bereits eingewandert waren. In
dessen steht kaum etwas der Annahme entgegen, der Verfasser
habe die zigeunerischen Sätze in seiner eigenen Heimath auf
geschrieben, wo Zigeuner 1531 bereits vorhanden waren, denn
in diesem Jahre wurde die erste Verordnung gegen sie erlassen.
Die Sprache der von Boorde aufgezeichneten Sätze enthält
nichts, was uns nöthigte ihre Heimat ausserhalb Englands zu
suchen, während wir begreifen, wie gerade die englischen Zi
geuner durch ihren Namen — gipsy Aegypter—zu der Annahme
Veranlassung geben konnten, ihre Heimat sei Aegypten gewesen.
Boorde selbst bemerkt: ,There be few or none of the Egipcions
(d. i. Zigeuner) that doth dwel in Egipt, for Egipt is repleted
now with infydele alyonsJ
Libri glaubte die älteste Probe der Zigeunersprache in
einer italienischen Comödie gefunden zu haben, nämlich in
La Cingana von Gigio Arthemio Giancarli Rhodigino, welche
Beiträge zur Kenntniss der Zigeunermundarten. I. II.
761
ihm in der Ausgabe Venedig 1550 vorlag. Die Originalausgabe
war in Mantua 1546 erschienen. Es bat jedoch Herr Gr. J. As-
coli, Zigeunerisches Seite 123, nachgewiesen, dass die Wörter
und Sätze, welche die Zingana mit ihrem verdorbenen Italienisch
mengt, vulgär arabisch sind.
Die folgenden Blätter enthalten I. Boorde’s Text. II. Er
klärung der zigeunerischen Wörter. III. Alphabetisches Ver
zeichniss der zigeunerischen Wörter.
I. Boorde’s Text.
The xxxviii chapter treteth of Egypt, and of theyr
mony and of theyr speclie.
Egipt is a countrey ioyned to Iury.
The countrey is plentyfull of wine, corne, and Hony.
Ther be many great wyldernes, in the which be many
great wylde beastes. In the which wildernes liuid many holy
fathers, as it apperyth in vitas patrum. The people of the
country be swarte, and doth go disgisyd in theyr apparel, con-
trary to other nacyons: they be lyght fyngerd, and vse pyking;
they haue litle inaner, and euyl loggyng, and yet they be
ples(a)unt daunsers. Ther be few or none of the Egipcions
that doth dwel in Egipt, for Egipt is repleted now with infy-
dele alyons. There mony is brasse and golde. yf there be
any man that wyl learne parte of theyr speche, Englyshe and
Egipt speche foloweth.
1. Good morow! Lach ittur ydyues!
2. How farre is it to the next towne? Cater myla bar-
foras?
3. You be welcome to the towne. Maysta ves harforas.
4. Wyl you drynke some wine? Mole pis lauena%
5. I wyl go wyth you. A vauatosa.
6. Sit you downe, and dryncke. Hyste len pee.
7. Drynke, drynke! for God salce! Pe, pe, cleue lause!
8. May de, geue me bread and wyne! Achae, da mal
manor la veue.
9. Geue me fleshe! Da mal müsse!
7(52
Miklosicli.
10. May de, come hytlier, harke a worde! Achae, a wordey
susse !
11. Gene me aples and peeres! Du mal paba la ambre.ll!
12. Much good do it you! Iche misto!
13. Good nyg'ht! Lachira tut!
II. Erklärung der zigeunerischen Wörter.
1. Laci tutty dyves! statt: lach ittur ydyues! good morow!
Wörtlich: bonus tibi dies, lacö bonus bei Paspati, lasö bei
den rumänischen Zigeunern, bei Bath 50. lajipen goodness.
laSö lo dives, neugriechich: x,aXvj gou vjp.epa. Bei Paspati 211,
bei den rumunischen Zigeunern: laSö tu des. lasö j tu des.
lasö turne des. Der dat. tutty, bei Paspati tüte, bei Leland 235.
tute. Statt des Possessivum findet sich auch heutzutage in der
Sprache der englischen Zigeuner und sonst der Dativ: tooty
cokko your uncle. tooty rinkenny pen your pretty sister Bath 80.
Befremdend ist, dass dyves fern. ist. Das Wort lautet divvus bei
Bath 34, bei Leland 29. 65. 202 u. s. w.
2. Cater myla barforas? statt: cater myla bar forasf how
farre is it to the next towne? Wörtlich vielleicht: quot milliaria
(sunt) in urbem? Klar sind myla und foras: jenes ist milia
tausend Paspati, mija, mije .bei den rumunischen Zigeunern,
mea Meile bei Bath 54, mee bei Leland 29. 51. 232; dieses
ist föros Markt grösserer Städte bei Paspati, in allen anderen
Zigeunermundarten ist foros, foro u. s. w. Stadt, in der Mund
art der englischen Zigeuner forrus a market-town Bath 36.
In slavischen Denkmälern ist forosT> Markt: na foroselrt in einer
bulgarischen Urkunde, sedu. na foros r n für sedu, na torgu> in einem
russischen Denkmal op. 2. 3. 23. Hinsichtlich der beiden
anderen Wörter kann ich nur Vermutlmngen aussprechen: cater
mahnt an katdr, das bei Paspati ,woher', bei den rumunischen
Zigeunern auch ,von hier' bedeutet. Wenn man diese letztere
Bedeutung dem Worte zuschreibt, dann fehlt ein Wort für den
Begriff ,wie viele' (Meilen), der nach Verschiedenheit der Mund
arten durch söde, soden, abör, azöm, kazöm, kaz’hm, kebör, kobör,
keti und ldt somu, hi’ som Borrow, Zincali 263, ausgedrückt wird.
barforas scheint für ,in urbem' zu stehen: allein ,in' ist andre,
ande bei Paspati, bei den englischen Zigeunern adrey, drey
Beiträge zur Kenntniss der Zigeunermundarten. I. II.
763
Bath. Wahrscheinlich hat man es mit myla bar Meilensteine
zu thun: mea bar Gr. Borrow, Romano lavo-lil 65. 137: bar
wurde in Nr. 2 als eine Präposition aufgefasst und so entstand
wohl das Missverständniss in Nr. 3.
3. Maysta ves barforas statt: mayst aves bar foras you be
welcome to the towne, wörtlich wol: bene venis in urbem.
Das mir unverständliche bar ist in Nr. 2 erwähnt, mayst für
maysto ist wohl mistö, mistö bonus, bene bei Paspati, misto well
bei Bath 54. aves venis: avdva venio bei Paspati; av, avel,
aivel, wel bei Bath 18. foras ist in Nr. 2 erklärt.
4. Mole pis lauena f wyl you drynke some wine? eigent
lich wohl etwa: vinum bibis (an) cerevisiam ? mole ist mol vinum
bei Paspati, mol, mul bei Bath 52. pis bibis: pidva, piesa bei
Paspati, pee bei Bath 60. lauena ist lovina cerevisia der ungri-
schen, böhmischen, deutschen, polnischen und russischen Zigeuner:
die englischen Zigeuner sprechen dafür livenah, livvennah bei
Bath 50, 80, levinor bei Leland 222. 255. Es ist asl. olovina
sicera. Dass Borde lauena durch Wein übersetzt, kömmt
wahrscheinlich daher, dass er in Nr. 8 la von vene trennt und
so ein an vinum anklingendes Wort erhält. Wein heisst
stets mol.
5. A vauatosa für avaua tosa I wyl go with you veniam
tecum. avaua: avdva venio bei Paspati, av, avel, awel, wel bei
Bath 18. Die Präsensform hat neben der Präsens- auch die
Futurbedeutung, tosa ist der sing, instr. von tu: tüsa bei Pas
pati 66. und bei den rumunischen Zigeunern.
6. Hys telen pee für hys tele n pee sit you downe, and
dryncke. Unter der Form hys birgt sich entweder ac mane,
sede oder bes conside; jenes tritt dem Laute, dieses der Bedeu
tung näher: für dieses spricht dessen Verbindung mit telen.
acava bei Paspati, ac (atch) to stand, to halt, to stop Bath 18.
besdva bei Paspati, besh to sit Bath 20. telen scheint tele und
die englische Conjunction and, an’ zu enthalten, die jetzt der
englische Zigeuner ausschliesslich gebraucht: tele unten, nieder
bei Paspati, talay down: bes (besli) talay sit down bei Bath,
best (besht) a lay bei Leland 207. 209. pee: pidva, Imperativ
pi bei Paspati, pee bei Bath 60.
7. Pee, pee, deue lasse für pee, pee, deuel asse drynke, drynke!
for God sake! pee ist erklärt, deuel deus: devel bei Paspati,
764
Miklosich.
doovvel bei Bath 34. duvel bei Leland 236. asse scheint vas
zu sein, das bei den rumunischen, ungrischen, böhmischen
und russischen Zigeunern ,wegen' bedeutet. Rumun. vaS e ratdi
wegen der Tochter, ung. vas pro dacl um seinen Vater, böhm.
te kelel vas o löve um Geld spielen. Ob zig. vas mit arm. vasen
pour, a cause de und mit abaktr. vasna volonte (Patkanov 156)
zusammenhängt, wage ich nicht zu entscheiden, bemerke jedoch,
dass zig. s zu s passt. For God’s sake wird bei Leland 184.
235 durch for mi duvel’s kom und durch for duveleste aus
gedrückt. Vielleicht ist zu lesen: develeste.
8. Achae, da mai manor lavene für achae, da mai manor
la veue mayde, geue me bread and wyne! richtig: puella, da mihi
panem (et) cerevisiam. acliae ist cdi, cei Tochter bei Paspati,
chye Tochter, Mädchen bei Bath 28: a scheint ein Vorschlag
zu sein: vergl. asundv audio bei den rumunischen Zigeunern
für Sundv. ddva, Imperativ de, geben bei Paspati, dal, dey bei
Bath 34. mai ist wohl englisch me: der sing. dat. der ersten
Person lautet bei Paspati mdnde, bei Bath 84 mandy. Vergl. da
me Borrow, Zincali 9. de me, de ma, du, m bei den rumunischen
Zigeunern, manor Brod ist manrö, marnö, marö, mandö, marly
bei Paspati, morro bei Bath 52, ebenso bei Leland 29. 251.
lauene ist bereits in Nr. 4 erklärt.
9. Da mai masse! geue me fleshe! da mai ist klar, masse
ist caro: mas bei Paspati und bei Bath 52. muss bei Leland
51. 225. mass 211.
10. Achae, aw ordey. susse für achae, a wordey, susse mayde,
come hyther, harke a worde! achae ist erklärt, aw (av) veni von
dem bereits erwähnten avdva. ordey ist orde hieher der un
grischen, ordi, urdi, urde (au urde) der rumunischen Zigeuner,
die auch orddl ,von dorther' kennen, susse ist mir dunkel: es
steckt darin ohne Zweifel das Verbum Sunäva audio, Imperativ
Sun bei Paspati, Sun (shoon) bei Bath 68, slioon bei Leland 232.
Vielleicht ist sune für shune, shun zu lesen.
11. Da mai paba la ambrell! geue me aples and peeres!
da mai da mihi, paba ist pabdi, papdi bei Paspati, bei
den rumunischen Zigeunern phabdj, in Sirmien hdbaj, bei
Bath 60. pobby, bei Leland 248. pCibo. Auch bei den rumu
nischen Zigeunern ist pliabd der Plur. la für ,und' ist mir nicht
klar: es ist vielleicht vom Aufzeichner aus dem missverstandenen
Beiträge zur Kenntniss der Zigeunermundarten. I. II.
765
Nr. 8 fabricirt. ambrell lautet bei Paspati ambröl, bei Batb 18.
ambrol.
12. Iche misto! much good do it you! eigentlich: mane
bene, iche ist ac bei Paspati von aMva, atch bei Bath 18,
hac in vooclrous mane in lecto Mscr. vergl. hys in Nr. 6. und
ac devlesa adieu, eigentlich: mane cum deo bei Paspati. ac
devle in Serbien, sasti ac sa-na mane bei Puchmayer 72.
13. Laci rat tut! für lachira tut! good night! laci ist
in Nr. 1. erklärt, rat: ratt bei Paspati, ratty bei Bath 66, rätti
bei Leland 218. 227. 256. tut für tuty ist in Nro. 1. erwähnt.
Der Gruss lautet bei Paspati: laci ti ratt entsprechend dem
neugriechischen y.a/,73 neu v6xra, laci ci (für ft) rjat in Sirmien,
lasi rati bei den rumunischen Zigeunern. Vergl. Nr. 1.
III. Alphabetisches Verzeichniss der zigeunerischen Wörter.
Die irgendwie dunklen Wörter sind mit einem Sternchen bezeichnet.
achae 8. 10.
ambrell 11.
asse 7.
avaua 5.
aves 3.
aiv 10.
bar 2. 3.
cater 2.
da 8. 9.
deuel 7.
dyu.es 1.
foras 2.
11.
* hys 6.
iche 12.
* la 11.
lachi 1. 13.
lauena 4.
lavene 8.
mayst 3.
misto 12.
mai 8. 9. 11.
manor 8.
masse 9.
mole 4.
myla 2.
ordey 10.
paba 11.
pee 6. 7.
pis 4.
rat 13.
* susse 10.
* telen 6.
tosa 5.
tut 13.
tuty 1.
B. Bomivcntura Yulcanius.
Die Zweitälteste Quelle unserer Kenntniss der Zigeuner
sprache ist die in dem oben bezeichneten seltenen Büchlein
von B. Vulcanius Seite 100—105 enthaltene Notiz: De Nubia-
nis erronibus, quos Itali Gingaros appellant, eorum-
que lingua. Vulcanius sagt: Non possum adhuc manum, quod
aiunt, de tabula, quin de lingua Nubianorum, qui erronum instar
766
Miklosich.
incertis sedibus catervatim Universum orbem terrarum perva-
gantur, pauca liisce cbartis illinam, quae ab illustri viro Ioseplio
Scaligero accepi, quod ea ad gentis et linguae paucis notae
cognitionem pertinentia philoglottis non ingrata fore confidam.
Nubiani inferioris Aegypti partibus contermini sub patriarcha
Alexandrino sacra lingua Elkupti celebrarunt. multi episcopatus
in eorum finibus fuerunt. ante hos clx plus minus annos a sultano
Aegyptii (Aegypti) sedibus suis pulsi Palaestinam, Syriam et
Asiam minorem mendicorum specie pervagantes, traiecto Helles-
ponto, Thraciam et circumdanubianas regiones incredibili multi-
tudine inundarunt. Itali Cingaros vocant, Gralli Bohemos, quod
indidem ex Boemia prima illorum eis notitia: item Aegyptios,
quod Nubiam etiam ipsi Nubiani minorem Aepyptum vocent.
Nubae Stephano ipsi et vcp.aoec vocantur. Und weiter: Omnino
nomades et latrones sunt, cuiusmodi etiam illorum progenies
Cingari isti, quo non solurn mores maiorum suorum et furtorum
licentiam sed etiam linguam retinuerunt, cuius nos quaedam
pauca hie coniecimus, non solum, ut eam lectori proponeremus,
sed etiam eos argueremus, qui hariolantur, lianc linguam ab
ipsis confictam esse, neque uspiam terrarum nisi inter ipsos
errones Cingaros in usu esse: in quo sane non sunt audiendi.
I. Index voeabulorum linguae Nubianorum erronum.
aclian oculus.
bacro aries, vei’vex.
bal capillus.
bar lapis.
5 beinck diabolus.
bern rota fasciis involuta,
quam capiti imponunt
mulieres nubianae.
brischindo pluvia.
buchos über.
bul cuius.
10 cheleue tripudiare :(c)h fortis
aspiratio.
cheron caput.
chiral caseus.
chor barba: hic ch pronun-
tiandum ut hispanice.
chouri culter: c/thispanicum.
15 christari scrinium.
dade pater.
daio mater.
deMel coelum, deus.
eratii nobilis matrona.
20 for penna, calamus scri-
ptorius.
foros urbs mopo?, vulgare
idioma Graecorum.
gad camisia.
Beiträge zur Kenntuiss der Zigeunermundarten, f. II.
767
gagi mulier.
gaue burgus.
25 gourou bos.
guigiebe cantare.
hanro ensis: h fortis aspi-
ratio.
harmi thorax: h fortis as-
piratio.
haue comedere.
30 heroy tibia cum coxendice.
iuket canis.
lcan auris.
kangheri ecclesia.
krali rex: bohemicum est.
35 kascht tu bibis.
lein fluvius.
loue argentum.
maasz caro: boliemicum.
manosch vir.
40 manron panis.
moi os, oris crtop.a.
mol vinum.
momeli candela.
mucia brachium.
45 nak nasus.
nay unguis.
panin aqua.
papieris papyrus.
p-hou terra: p et h sepa-
ratim una syllaba effe-
rendo, non ut ®.
50 philatri castrum ©uXoowj.
piassa nos bibimus.
piaud ego bibo.
piela ille bibit.
piessd kan vos bibitis.
55 plachta linteus.
rai nobilis.
ser buchos? quomodo no-
minaris? ch hispanicum.
sonakai aurum.
taxtai patera argentea: x
hispanicum.
60 thuochan vestis.
tirachan pallium.
troupos corpus.
valin calix vitreus.
vast manus.
65 vodros lectus.
vouda porta.
xai filius.
xauea filius: x pronuntian-
dum ut hispanice.
yago ignis.
70 yangustri anulus.
yanre ova.
II. Erklärung.
Zur Bezeichnung’ der einzelnen Zigeunermundarten dienen die römischen
Ziffern, und zwar bedeutet I. die Mundart der griechischen, II. die der rumu-
uischen, III. die der ungrischen, IV. die der mährisch-böhmischen, V. die der
deutschen, VI. die der polnisch-litauischen, VII. die der russischen, VIII. die der
finnischen, IX. die der skandinavischen, X. die der italienischen, XI. die der
baskischen, XII. die der englisch-schottischen, XIII. die der spanischen und
XIV. die der aussereuropäisehen, namentlich asiatischen Zigeuner.
1. achan oculus ist der Plur. acc.: i.jak Plur. jakd. ii. jak
Plur. jakhd. in. jakh und jak: ch ersetzt wohl die Aspirata kli.
Sitzuugsber. d. pkil.-kist. CI. LXXVII. Bd. IV. Hl’t. 49
768
Miklosich.
2. bacro aries, vervex: i. bakrd m. Hammel, bakri f.
Schaf u. s. w.
3. bal capillus: i. bal u. s. w.
4. bar lapis: i. bar. in. bar, bär. iv. bär u. s. w.
5. beinah cliabolus : i. bencj. m. beng, bengo. xm. bengui u. s. w.
6. bern rota fasciis involuta, quam capiti imponunt mit-
lieres nuhianae. bern ist trotz des abweichenden Anlautes iv.
pclierno Kitze, Kopftuch.
7. brischindo pluvia: i. brisindd, brisin neben bursind'o,
bursin. II. brisin, sing', abl. brisindestar. m. brisind u. s. w.
8. buchos über ist das deutsche Buch.
9. bul culus: i. bul, vul m. f. in. bul m. f. bliul f. iv. bül.
vii. xm. bul.
10. cheleue tripudiare: l. keldva tanze, spiele, n. kelao,
kchaldü. iv. kchelav u. s. w. Auch hier steht ch dem aspirir-
ten kh gegenüber.
11. cheron caput: l. Sero, serd. in. Sero. iv. Sero, xm. jero.
Dieses Wort möchte auf französischen Ursprung der Quelle
hindeuten. Das auslautende n ist mir dunkel.
12. cliiral caseus: i. kerdl. n. kchirdl und tiral. m. thiral.
xm. quird. Vergl. 1. 10.
13. chor barba: i. cor, dzor f. in. chöra. iv. cor. vii. cora.
xm. chon.
14. chouri culter: i. curi, cori f. ii. suri. iii. curi. iv. curi.
vii. curi. xm. chwci.
15. christari scrinium ist aus ngriech. oupvap 1 . Schublade
entstellt und scheint jetzt nur den spanischen Zigeunern in der
Form jestari bekannt zu sein. Vgl. kristdr bei Dorph.
16. dade pater: i. dad u. s. w. xm. dadd.
17. daio mater: i. daj u. s. w. xm. dai.
18. deuel coelum, deus: i. devcl Gott, Himmel, in. devel,
del Gott. iv. devel. xm. debel.
19. erani nobilis matrona. i. raj m. rdnni f. n. raj. rani.
in. raj. räni. iv. raj. rähi u. s. w. xin. eray. erand, erani. Das
anlautende e ist nicht der Artikel fern., sondern ein auch sonst
vorkommender Vorschlag.
20. for penna, calamus scriptorius. in. pör. iv. por f-
xin. por. f für p ist mir dunkel.
21. foros urbs tpipo(: i.foros. n. foro. in. föro. iv.foros u. s. w.
Beiträge zur Kenntniss der Zigeunermundarten. I. II.
769
22. gad camisia: i. gad u. s. w. xm. gute.
23. gagi mulier: i. gadzo in. gadzi f. Mensch, Person;
Gemahl, Gemahlin, in. gadzo. gadzi. iv. gadzo. gadzi. xtn. gaclw.
gachi. g für dz, 6 befremdet.
24. gaue burgus: i. gav m. Dorf. ii. in. iv. gav. xm. gau.
25. gourou bos: i. guruv, guri m. n. gurü. m. guruv.
iv. guruv. vii. guruv. xm. goruy, gruy, jurü Ochs, Stier, juri Kuh.
u durch ou bezeichnet wie 14.
26. guigiebe cantare: i. gilidbava singe, ii. gelabdü. iv. gi-
lavav. vi. gijaba. xm. gillabar, guiyabar u. s. w. guigiebe scheint
der spanischen Form am nächsten zu stehen.
27. hanro ensis: i. khanrd. (d. i. chanrö), klianlö, khandö.
ii. chanrö. m. häro für charo. iv. clidro. xm. janrö. vergl. 1.
10. 12.
28. harmi thorax: h soll hier wie 27 und wie cli in 10
eine ,fortis aspiratio' sein. Das Wort steht auch in den Peters
burger Yocabularien. Vulcanius scheint die Quelle dafür zu sein.
29. haue comedere: i. khdva, (d. i. chdva) n. chaii. ni. hav
(d. i. chav). iv. chav. xm. jalar: der Inf. beruht auf der in. sing,
praes. chal. vergl. 27. 28.
30. heroy tibia cum coxendice: i. gher, ghür, yür f. Schenkel.
iii. hero (d. i. chero) Fuss. iv. cheroj f. Schenkel, vii. ger. ch ist
wohl der wahre Anlaut.
31. iuket (für juke d. i. zukel, dzukel) canis: l. dzukel,
cukel. n. zuköl. iii. dzukal. iv. dzukel. xm. chuquel (d. i. cukel).
32. kan auris: i. kann. ii. iii. iv. kan u. s. w.
33. kangheri ecclesia: i. hangheri (d. i. kangeri). ii. kclian-
gyri, kangeri. iv. ghangeri. vii. kchaugiri. xm. cangari, cangri.
34. krall rex: i. krdlis. xm. crally. ngriech. y.pd^c.
35. kasclit tu bibis: falsche Übersetzung des franz. bois,
tu bois für du bois: i. käst, kas u. s. w. xm. caste, cate.
36. lein fluvius: i. len f. n. len, Ivii, lyn. iv. len f. Fluss,
x. i len das Wasser, xiii. len, leste Fluss, lein ist vielleicht len
zu lesen.
37. loue argentum. Falsche Übersetzung des franz. argent:
i. lovö Münze, plur. love Geld. ii. love. m. löve, loj u. s. w.
38. maasz caro ist nicht, wie es heisst, böhmisch: i. mas
m. u. s. w. xm. mads.
39. manosch vir: i. manus u. s. w. xm. manu.
49*
770
Miklosich.
40. manron panis: i. manrö, marnö, marö, mandö, marly.
ii. manrö. in. iy. märo u. s. w. xm. manrö. Hinsichtlich des n
vergl. 11.
41. moj os, oris axoga: i mui. ii. muj u. s. w. xm. mui.
42. mol vinum i. ii. iv. mol f. u. s. w., auch xm. mol,
jedoch id.
43. momeli candela: i. mom Wachs, momeli Wachskerze
u. s. w. xm. mumeli.
44. mucia brachium, eigentlich wohl brachia. i. musi plur.
musia. m. mus. xm. murcia f., plur. murciales.
45. nak nasus: i. nah f. iii. nakh. iv. nak u. s. w. xm. naqui.
46. nay unguis: l. ndi. iv. naj u. s. w. xm. nai.
47. panin aqua: i. ii. pani m. iv. päni u. s. w. xm. pani,
pani. Vergl. 11. 40.
48. papieris papyrus aus dem Deutschen: iii. papiro,
papirosi.
49. p-liou terra, die angegebene Aussprache stimmt mit
der heutigen überein, so weit die Mundarten aspirirte Conso-
nanten kennen: i. pliuv, puv, pu neben pfuv. n. m. phu. iv.
pchu u. s. w. xm. pu.
50. pliilatri castrum fSkayp. ph ist hier wie f zu sprechen.
tr ist wohl falscli. Vergl. iv. felicin bei Wrat. 4. 5. v. felecin.
xi. filatcia. xn. fillissin Schloss, xm. filichija (d. i. filicicha)
torrija. ngriech. filaci fSkca:q.
51—54. piassa nos bibimus. piaud ego bibo. piela ille
bibit. piessa kan vos bibitis: i. pidsa. pidva: die Accentuation
piaud ist wohl unrichtig, piela. In ,piessa kan‘ ist mir kan dunkel:
piessd ist wohl piesa bibis.
55. plachta linteus ist slavischen Ursprungs: iii. plahtica.
v. blachto Leintuch, ix. plaktan Betttuch.
56. rai nobilis. vergl. 19.
57. sar buchos? quomodo nominaris? ch hispanicum, daher:
sar bucos? Das Wort findet sich nur in ii: sar busösf c geht
hier wie sonst in s über.
58. sonakai aurum: i. sovnakdi, somnakdi. ii. somnakaj u. s. w.
xm. sonacay. Dem Worte liegt aind. suvarna zu Grunde.
59. taxtai patera argentea: x hispanicum, daher taclitai
zu lesen: i. takhtdi (d. i. tachtdj) Kanne, ii. takta. vn. tachtaj
Wirthshaus. Pott, Zeitschrift der d. morgenl. Gesellsch. vii. 396.
Beiträge zur Kenntniss der Zigeunerrauudarten. I. II.
771
60. tlmochan vestis. Das Wort ist dunkel. Vergl. iv. tclian
Tuch, daher etwa aus t-lian, und vir. cocha. xii. clioko (d. i. öoko
Rock), xm. cliojindin (öochindia) Kleid.
61. tirachan pallium kann ich nicht erklären.
62. troupos corpus: in. trupo. iv. trupos. xii. troopo (d. i.
trupo). xm. trupo, drupo: slav. trupu..
63. valin calix vitreus: v. välin. vi. bctlun Glas. ix. alt.
xii. vallin. ngriech. üaXt, dialekt. jali. verg-1. 11. 40. 47.
64. vast manus: i. n. in. u. s. w. vast,.
65. vodros lectus: in. vodro. xii. vadros, woodrus, vnderns :
slav. odn>.
66. vouda porta: i. vudär. ii. vüdar u. s. w.
67. 68. xai filius. xauea hlia: x pronuntiandum ut
hispanice, daher wohl: chai, chauea. (vergl. 59), was jedoch nicht
richtig sein kann: i. cavö. cäi (caj) aus cavi u. s. w. xm. chabö
(d. i. cabö). cliabi (d. i. cabi).
69. yago ignis: i. jag u. s. w. xm. yaque. Kein jngo, jagos.
70. yangustri anulus: i. angustri, angrusti, angrust u. s. w.
xm. anguströ.
71. yanre ova: i. vandö, vanrö, arnö. n. anrö. iii. järo.
vii. jarö. xm. anrö.
II.
1 Die Aspiraten der Zigeunermundarten.
A. Allgemeines.
1. Gegenstand dieser Abhandlung sind die Aspiraten der
Zigeunermundarten.
2. Unter Aspiraten versteht man Lautverbindungen, in
denen sich an einen Consonanten unmittelbar der Hauch h
anscliliesst. Die Zigeunermundarten besitzen die Aspiraten
Ich, th, ph; selten ist bh, zweifelhaft cli.
3. In der Aussprache wird mit k, t, p und b der Hauch
h verbunden. Es gibt jedoch Mundarten, in denen statt des
Hauches li die Spirans ch eintritt. Dies ist der Fall: 1. in der
772
Miklosicli.
Mundart der mährisch-böhmischen Zigeuner, die nach Puch
mayer kchakch Vetter, tchuv Rauch, pchak Flügel sprechen;
2. in der Mundart der bessarabischen Zigeuner, wie aus dikchaü
ich sehe, tchud Milch und pcliej Schwester für pcken hervorgeht.
Vergl. meine Abhandlung über die Mundarten und Wanderungen
der Zigeuner II. Seite 24—26. Dasselbe gilt 3. von den Moskauer
Zigeunern: kcher Plaus, te tchoves neben te coves stellen, pcliabäj
Apfel. Vergl. 0. Böhtlingk im Bulletin de la Classe hist.-philol.
St. Petersbourg. 1853. X. Seite 1. 261; und 4. von der Mundart der
polnisch-litauischen Zigeuner: jakcha Augen, tlian Tuch, pchaka
Flügel, obwohl man phuma terra geschrieben findet, bh scheint zu
fehlen: baryolau ich wachse. Dagegen sprechen die Zigeuner
der Bukowina nicht kch, tck und pch, sondern kh, th und ph:
khrbr Haus, thovö ich lege, phu Erde.; nur in pcliiko, wofür auch
psikö vorkömmt, Schulter, hört man die Spirans ch: doch finde
ich auch pchjer neben phjer ambula geschrieben.
4. Wenn aus aind. bhumi zig. phuv, pchuv entsteht, wenn
also an die Stelle des tönenden b das tonlose p tritt, so liegt
der Grund dieser Erscheinung in der Natur des auf b folgenden
Lautes, mit dem das tönende b nicht vereinbar ist. Um diese
Veränderung zu erklären, braucht man nicht nothwendig an die
Spirans zu denken, indem der Hauch dieselbe Wirkung hervor
bringt, wie das hind. zeigt, wo bei der Aussprache das gh zwar
mit g angesetzt, aber mit k geschlossen wird. E. Brücke,
Sitzungsberichte XXX. Seite 219. G. Curtius, Grundzüge der
griechischen Etymologie. IV. Auflage Seite 425. Dagegen wird
bharö gross gesprochen, nicht pJiaro.
Dass zig. khakh, thuv, phcik gesprochen wird, ist unzweifel
haft ; auch im armen, k’, t’, p’ höre ich zwei Laute; auch daran,
dass im hind. kh, gh u. s. w. zwei Laute unterschieden werden,
kann nach den Mittheilungen Brücke’s und Arendt’s und nach
der Bezeichnung dieser Laute in der arabischen Schrift nicht
gezweifelt werden. Wenn nun J. Beames, A comparative
grammar of the modern aryan languages of India. I. Seite 264.
265, versichert, dass die Aspiraten nie als blosse Verbindungen
eines gewöhnlichen Buchstabens mit h angesehen werden, dass
es ganz und gar eine europäische Ansicht sei, sie so zu be
handeln, dass k nicht ein k-Laut sei gefolgt von einem li, dass
kh vielmehr ein k sei — uttered with a greater effort of breath,
Beiträge zur Kenntniss der Zigeunermundarten. I. II.
773
with a greater expenditure of breath, tlian ordinary, ein
mahäpräna im Gegensatz zum alpapräna, so scheint dies
darauf zu beruhen, dass Beames irrthümlieh meint, dass, wenn
kh wirklich k-h wäre, zwischen k und h eine Pause — a stop
or pause — eintreten müsste. Was Beames a greater etfort
of hreath nennt, ist wohl nichts anderes als das auf k folgende h.
Dass im Neuhochdeutschen die Tenues aspirirt gesprochen
werden, hat erst die Vergleichung derselben mit den wahren
Tenues der Slaven und Romanen und die physiologische Unter
suchung dargethan. Das oben Bemerkte wird natürlich nicht
alterirt durch die Thatsache, dass in Indien ph von den unteren
Volksclassen der Städte wie f oder, wenn nicht wie f, at least
with something very closely approaching to it, und nur von
Puristen oder in abgelegenen Theilen des Landes wie ein
klares unzweifelhaftes ph gesprochen und dass in den östlichen
Theilen Indiens bh von den Eingebornen als dem englischen
v gleich (equivalent) angesehen wird. Beames I. Seite 264.
5. Wie sonst ch in s übergeht: hast und baclit Glück, mosto
und moclito Truhe, postan und pochtan Leinwand, so wird in
mehreren Zigeunermundarten cli, h nach k, p und t durch s,
eigentlich polnisch selten durch § ersetzt: khil Fett: vi. ksii.
phiko Schulter: vi. psike. vn. psilcö. n. pchikü, psikü. pliivLo
Verwitwet: vi. psivlo. plieraü, phjerau gehe: n. pSidel aus
phirel. vi. psirau. phradas öffnete: vi. psirau. phral Bruder:
vi. vn. psai. th ersetzen manche Mundarten durch ts, wofür
ich c schreibe: das dem Spanischen fehlende c wird bei den
spanischen Zigeunern durch ch (8) ersetzt, thovö lege: vii.
tclioves, coves. tliovdü wasche: xm. chohar (cobar), chobelar
(Sobelar). tliulö dick, fett: vii. culö. xm. chullö (8ul6). thud
Milch: xm. cliuti (cuti). thuv Rauch: xm. chubalo (cubalö).
tliern Land: xm. eben (een), cliim (8im). Wenn dem g-ot. tiuhan
alul. ziohan d. i. tsiolian gegenübersteht, so ist dieses aus *thiohan
dadurch hervorgeg’angen, dass an die Stelle des h ein s trat.
Der Unterschied besteht darin, dass im Zigeunerischen h nach
k, p und t, im Hochdeutschen nur nach t in s übergeht; ferner
darin, dass in zigeunerischen Wörtern ts, c auf der aspirirten
Tönenden des altindischen (dh) beruht, während das hochdeutsche
ts, z zunächst auf t und dieses auf altindisches d zurückgeht:
aind. dhä zig. in der rumuu. Mundart tlioves, in der russischen
774
Miklosich.
thoves und coves d. i. tsoves du wirst stellen, got. ga-ded-s, ahd.
töm ich thue; dagegen aind. danta-s, got. tunthu-s, ahd. zand
d. i. tsand aus *thand; zig. dant. Das Gemeinsame ist die Ver
wandlung des h in s nach t. In vn. findet man latches, laces
(latses) neben rakch. Da v keiner Aspiration fähig ist, so wird
es durch pli ersetzt: aind. vidhuva: phivlo. vrddha: phurö. Es
ist jedoch richtig ph auf b zurückzuführen.
6. Nicht aus allgemeiner Vorliebe der Sprache für aspi-
rirte Laute, sondern aus ihrer Vorliebe für aspirirten Anlaut
scheint die später zu erwähnende Metathese der Aspiration er
klärt werden zu sollen.
7. Es wird sich aus der Abhandlung ergeben, dass die
Zigeunermundarten hinsichtlich der aspirirten Consonanten von
einander sehr abweichen. Die grösste Vorliebe dafür wird man
in m. wahrnehmen; iv. und vii. möchten sich wohl als mass
gebend erweisen; in ii. wird selbst in der genauen Schreibung
meines Gewährsmannes einiges Schwanken bemerkt; in v. findet
man leer Haus Lieb, und kheer Zipp, bei Pott 2. 153: ersteres ist
wohl ungenaue Schreibung; xn. hat keine Spur der Aspiration be
wahrt, während xm. in ch (8) für th an diese erinnert. Aus der
Betrachtung der hieher gehörigen Erscheinungen dürfte hervor
gehen, dass allen Zigeunermundarten Europa’s eine Sprache
zu Grunde liegt, welche die Aspiraten kli, th, ph besass, neben
die Andere vielleicht gh, dh, hli zu stellen geneigt sein möchten.
Wenn aus aind. ghäsa Futter in i. kas entstand, so ist dafür
eine Mittelform khas anzunehmen. Ob indessen in i. wirklich
die aspirirten in dem Maasse den unaspirirten Consonanten ge
wichen sind, als diess in Paspati’s Werk dargestellt wird, halte
ich nicht für unzweifelhaft. Wie sollen wir es uns erklären,
wenn khinö und kind müde, khnvdva und kuvdva flechte u. s. w.
geschrieben wird?
8. Zwischen bestimmten Consonanten und den Vocalen e
und i, seltener anderen schiebt sich in der Mundart der rumä
nischen und manchmal der ungrischen und mährisch-böhmischen
Zigeuner ein parasitisches j ein; daher ratji ii. aus rati: tj geht
in erweichtes t d. i. <’ über : rati. Dieselbe Erscheinung tritt
bei aspirirten Consonanten ein, wodurch Lautverbindungen ent
stehen, die nur von zigeunerischen Sprachorganen ohne Mühe
bewältigt werden können: k geht in diesem Falle in t über.
Beiträge zur Kenntniss der Zigeunermundarten. I. II.
775
i. kil Fett. ii. khii, kchil. m. Iclul. iv. t'hil. i. pirava gehen, n. phjer,
phjerdds u. s. w. vergl. Über die Mundarten und die Wan
derungen der Zigeuner Europa’s IV. I. Einleitung.
ß. Specielles.
I. Über Ul>.
9. a) Zig. Ich entspricht aind. gh.
gkarma Wärme. — ii. m. kham. iv. vn. kcliam Sonne, ii. auch
heiss. Dagegen i. xn. xjn. kam.
ghäsa Futter, liind. ghas f. Gras, Heu, Stroh. — n. Mas
und kas. m. khas, khaSe. iv. vn. kchas. Dagegen i. kas.
ghrS reiben, liind. ghisnä. — iv. kchosav wische ab.
vii. te kchoses. Dagegen koSdva, kosäva neben gosdva. ii. kosao.
Mit ghrs hängt auch griech. -/piw zusammen. Curtius, Etym. 203.
ghuta, ghunta Fussknöchel. liind. ghüti. — khur, kfur,
für, kur i. Ferse. Dagegen v. kur. Aind. khura Huf passt weder
begrifflich noch lautlich.
Hieher ziehe ich auch die mit aind. grha und göta
zusammenhängenden zig. Wörter.
grha Haus, präkr. ghara und giha. hind. gliar. sindh. gharu
Haus.ghare zu Hause. Trumpp XIII. XX. Beames 1. 166.192.199.
Auszugehen ist für das zig. von ghara. — i. klier, kyer neben
ker, her. n. klier und leer. Mezzofanti schreibt /er. m. kher
und ker. iv. kcher. vn. kcher. Dagegen vi. ker. ix. ker, kjer.
xii. kair (leer), xm. quer. xiv. guri und xi. yßra.
göta Pferd, hind. ghöda, ghörä Pferd, ghur-dau Pferde
rennen. Der Ausgang ist bei khurö vom hind. ghörä, ghur zu
nehmen. — i. khurö, kfurö und kurö Füllen, in. khuro und khro.
iv. kcliurdo Puch. 21. wohl für kchuro. vn. kcliurö. Dagegen
ii. Jcurön>, churorö. ix. lcuro. xm. curorö. Daneben findet man
ii. gard m. garani f. xiv. agori, agora, wobei vielleicht an aind.
göta gedacht werden kann.
Mit kh, kch für gh vergleiche man das österreichische
khapt, kchapt aus ghabt, gehabt.
10. b) Zig. kh entspricht aind. les (ks).
aksi Auge. hind. ükh. sindh. akhi. präkr. acchi. Beames
1. 309. — ii. jak, plur. jaklid: Mezzofanti schreibt jak-ha.
776
Mi klosicli.
in. jaldi und jak. iv. jakch. vi. jak, jakcha. vii.jakcli. Dagegen
i. jak, jakd. x. jak, jakja. xi. aka. xn. jak, jaka. xiv. aki.
kSina vermindert, orscliöpft. — i. kliinö, kinö müde: dass
Ich liier als aspirirtes k, nicht als ch aufzufassen ist, zeigt kinö.
Dagegen selbst vii. kinynö.
ksira Milch, hind. khlr. sindh. klnru: klar für Milch statt
dudh ,is ratlier an affectation of modern times', eine Ansicht,
der das Vorkommen des Wortes im zig. zu widersprechen
scheint. Beames 1. 20. 309. — ii. kb.il Butter, khil Ohl. in.
kliil, t'hil Fett, Butter, iv. thil Schmalz, vr. ksil Butter. Da
gegen i. v. ix. xir. kil Fett, Butter, xm. quir. xiv. kül. Damit
vergleiche man n. khiräl Käse, das i. keräl, in. kiral, thiral,
iv. ciral, vi. kiral lautet.
dräksä Weintraube, hind. däkh. sindh. däkh. guz. daräkh.
Beames 1. 310. — in. dräkJii und draki. Dagegen i. n. iv.
drak. xm. draca, traquia.
*drkS: drs sehen, präkr. dekkli. hind. deklmä. Dagegen
beruht sindh. disanu auf aind. drs. Der Reflex von drs würde
zig. dis lauten. — n. dikhdü. in. dikliav sehe, dit'hol es ist
sichtbar, iv. dikchav. vii. dykch impt. Dagegen i. dikhdva, dikava.
vii. dykava. ix. dikha. x. dekav. xn. dik. Vergl. vii. dykchlö Tuch,
Frauenkopftuch, das sonst k bietet. In diar sehen xm. ist ein
Herabsinken des kh zu j anzunehmen, wie sie in muj Mund
und naj Nagel stattfindet. Ascoli, Zig. 29. In Asien hört man
dilidva, dijava. Paspati, Journal of the american oriental society
VII. 214.’
pale Sa Flügel, präkr. pakkliö. — ni. phakh. Dagegen i. ii.
pale. iv. pchak. vi. pchaka. In pchak scheint eine Metathesis der
Aspiration eingetreten zu sein.
bubhukSä Hunger, hind. bhükli. — ii. in. bokh. iv. vi.
bokeh. Dagegen i. bok. v. buk. ix. hokk. xi. bokali hungrig, xii.
bokolo. xm. boqui, boque.
makSikä Fliege, hind. makkhi neben präkr. machiä. Bea
mes 1. 218. 310. — ii. makhe. in. mäfha. iv. 7iiat’ha, matkin.
Dagegen i. maki. xi. maMn. xm. machä (maSd), macltui (macin).
*muk§: muß loslassen. —m. mukhav. mukh Impt. neben
mukav. j. bietet mulcdva und mulihdva. Dagegen ii. mekao.
iv. mukav, milcav. vii. te viekes. xii. viook. xm. mucar, mecar.
Beiträge zur Kenntuiss der Zigeunermundarten. I. II.
777
kh ist nicht vollkommen sicher, weil es iv. und ln. nicht haben.
Ist muh die wahre Form, dann kann das angesetzte aind. *muks
entbehrt werden.
mrakS: reiben, bestreichen, abhimraks einreiben, salben,
hind. mäkhan, makkhan Butter. — tu. makhav. vn. te makches.
Dagegen i. makäva.
rakS hüten, bewahren, präkr. rakkh. hind. rakhnä. sindh.
rakhanu. aind. laks Ascoli, Zig. 35. — n. arakhö und arakäü.
in. ardkhel er gibt Acht, alakhehn du wirst finden, vn. te rakcli
schonen. Dagegen i. arakdva bewahre, finde, iv. arakav. sm.
arcicatear bewahren, alachar (alacar) finden. Damit verbinde
ich vii. te latclies, te lacds finden, te laces suchen, ix. lattja
(laca) finden, xii. latcli (lac) finden.
rikSä, liksä neben likhja Niss. — m. Ukhd plur. Dagegen
i. iv. lik. xm. liquia und xii. likyor plur.
Hieher ziehe ich das mit aind. duskha zusammenhängende
duskha aind. Schmerz, hind. dukh. dukhnä. — in.
dukhal und dukal schmerzt, iv. dukch. vii. dvkchal.. Dagegen
i. dukdva. n. dukao. vi. dukalo. xm. duca.
Uber die Schicksale von ks und sk im Mittel- und Neu
indischen handelt Beames 1. 306. 309. Zig. ruk Baum, aind.
vrksa, präkr. rukkho, hat gegen die Erwartung kein aspirirtes 7c.
Zusatz über zig. eh.
11. Anlautendem aind. kli entspricht zig. ch.
khad'ga aind. Schwert, hind. khändä. — i. khanrö, khanlö,
khandö (Paspati schreibt kh für ch), hanlö. ii. chanrö. m. hdro
(chäro). iv. chdro. xm. janrö (chanrö). Pott 2. 48. 161. Ascoli,
Zig. 55. Zeitschrift XVII. 245.
khanda aind. Bruch, Lücke, hind. khand, känd Theil.
—• i. khandi, khanrik, khanlik wenig, n. hanri.
klian aind. graben, khani Mine. hind. khän. kän Mine. ■—
i. khanddva grabe, khaning, kliaing Brunnen (kh für ch). n. chaing.
in. hanik. iv. chanig. vi. lianynk. xm. jani (chant). janique
(chanike).
käs aind. husten, hind. khasnä, konkhnä. — i. Ichäs (chas).
ii. hasao. iv. chas. xm. Jas (chas). jasar (cliasar). Dagegen in. klias.
778
Mi kl osi ch.
khäd aind. kauen, essen, präkr. khä. liind. khänä. sindh.
khäinu. Beames 1. 202. — i. Jchdva. n. chaü. in. hav. iy. cliav.
vi. chabe Maki. vii. te ebas essen, xm. jalar (clialar).
Dem Gesagten gemäss dürfte n. Jcharaü, akhardü rufe
nicht mit aind. khara, rauh, hart und, wegen seines Geschreies,
Esel, Zusammenhängen. Hier ist kch durch iv. man kcharav ich
heisse, akcharav seufze, und durch vn. te kcharav rufen.
iii. akharau rufe, aklijnrda rief gesichert, i. bietet akardva,
akiaräva (alcjardva) und acarava. Vergl. Pott 2. 153.
Wenn dem aind. krld, ved. kril, das hind. khel und das
zig. kliel gegen überstellen, so ,ist wie in ghas (Gras) ein r aus
gefallen, nachdem es den vorhergehenden Consonanten aspirirt
hatte'. A. Weher, Indische Studien 2. 88. Auch Beames 1. 239.
244. findet den Grund des aspirirten Anlautes für das hind.
in dem elidirten r. Vergl. Trumpp, Sindhi V. XXIV. Dasselbe
dürfte vom Zig. gelten. Hinsichtlich des Vocals e vergl. man
geha (grha).
krid, kril spielen, hind. khelnä. kliel subst. sindh. khedu.
Beames 1. 239. 244. — ii. klvhldu neben keldü. in. khelav und
kelav. iv. kchelav. vi. hchel. vn. te kcheles. Dagegen i. keldva.
II. Über th.
12. a) Zig. th entspricht aind. dli.
dha stelle, hind. dhonä. sindh. dhöinu. — ii. thovö, tao
werde legen, iii. thovel legt, thut. iv. vi. tchovav. vn. te tchoves
und te coves. Dagegen i. tovdva.
dliäma, dhäman Wohnstätte. — iii. tliem Land, Reich,
iv. tchem Herrschaft, vi. tcliem Land. xm. chen (den). cliim (cim).
Dagegen i. tem Land, Leute, e für ä macht diese Erklärung
etwas zweifelhaft. Desshalb wird trotz dem th in tliem griech.
Oqi.a herangezogen. Pott 2. 295. Bei Paspati’s tharava für öappö
ist wohl nicht an th zu denken.
dhäv rinnen, rennen, hind. dhänä. — iv. tdiadövav fliesse.
Dagegen i. tdvdava. Dieses ist mit da verbunden; jenes be
ruht auf dem Part. ■ tchado aus tchavdo.
dhav waschen, hind. dhönä. sindh. dhuanu. Beames 1-
183. 241, •— ii. thov: tliovelas pe er wusch sich, tliovel wäscht.
Boiträge zur Konntniss der Zigeunermundarten. I. II.
779
tholo rein, eigentlich gewaschen, iv. tchovav. xm. cliobar (cobar).
chobelar (cobelar). Dagegen i. tovdva. x. tovdv. xn. tove.
dhüma Rauch, hind. dhüm, dhüa. Beames 1. 257. —
n. tliu und tu. m. thuv, thu und tuv. iv. tchuv. vi. tchu. xm. cliu-
balö (cubald) Cigarre. Dagegen i. v. tuv. ix. töi. xn. toov.
13. bj Zig. th entspricht aind. sth.
sthäna Ort. päli thäna. hind. thänä. thän Stall, sindh.
thänu Stall. — n. than und tan. m. tlian. Dagegen i. tan.
xn. tan, tano.
Mit der Wurzel sthä hangen auch zwei zig. Wörter zu
sammen, von denen das eine Tuch, das andere Faden bedeutet.
Vergl. aind. sthavi Weber, griech. lat. stamen. asl.
postav r i> tela u. s. w.
a) hind. thän Tuch. — iv. vi. tchan. vn. can. xm. clian
(San). Vergl. m. thal.
b) n. tliau Zwirn und tao Strick, in. thau Band. iv. tchav
Faden, vi. scliava für tcliava. xi. caua. Dagegen i. tav. v. tuv.
ix. xii. tav. xiv. def. Pott 2. 298.
stlmla dick. — n. tlndo und tulo. Mezzofanti schreibt
t-liulo. m. tliulo und tulo. iv. tclmlo. vi. tchulo. vii. cido. xm.
chullö (Sul’6). Dagegen i. tulo. xii. tidlo. tullopen.
Uber die Veränderungen des st, sth, st, sth im Mittel
und Neuindischen vergl. Beames 1. 313—31G.
III. Über pli.
14. Zig. ph entspricht aind. bh.
*bhag: bhaüdz, bhanakti brechen, pälibhagga. hind. bhang
Brecher, sindh. bhahanu. — ii. pliagaü breche und pagl’dü brach.
iii. phagä, pliagerel. iv. pchagerav. vir. te pchagires. Dagegen
i. pangdva, bangdva. ix. paggra. xn. pog, poggar.
bhaginl Schwester, hind. bliän, baliin aus bhain. sindh.
bhenu. Trumpp XX1I1. Beames 1. 183. 187. 202. — n. phen und
pen. Mezzofanti schreibt p-hen. m. phen. iv. vn. pchen. vi. pchen
und palitni. Dagegen i. pen und ben. v. xn. pen. xiv. ben, beno
und bhanu. Bopp 2. 160. glaubte pen mit svasr vermitteln zu
können.
780
Milclosich.
bhan reden, aind. selten, mar. mhanane. — n. phendü
neben pendas. m. phenel sagt. iy. pchenav. vi. pchenau. vn.
pchenes. Dagegen i. penäva und bendva. v. penäva. ix. penna.
x. pena’. xii. pen. xm. penar, penelar.
bhara Last. bind, bhärl schwer, sindb. bhari. — n. pliarö
neben paro schwer: bhara Schwere bei Vaillant 98. ist wohl
fingirt. in. pharo. iv. pchäro. vir. pcharö. Dagegen i. paro. v.
paro. ix. pari trächtig. Verschieden ist xm. barresquerar. Vergl.
ii. phjeravd werde ertragen.
bliumi Erde. hind. bhüm, bliü. Beames 1. 257. — i. pliuv,
pfuv neben puv, pu, fu. n. pbuu, phu und pu. Mezzofanti schreibt
p-hu. in. phu. iy. pchuv. vi. pcliu. vn. pchuv. Dagegen ix. pu.
XII. poov (puv). X. XIII pu. XIV. püv.
busa Spreu, hind. bhüsi: dieses liegt den zig. Formen
zu Grunde. — m. plivs. iv. vi. pchus Stroh. Dagegen i. pus,
bus. vii. pus. xii. poos (pus). xm. pus, puy. Hinsichtlich des
Überganges der Bedeutungen vergl. man lat. palea Spreu und
it. paglia u. s. w. Stroh.
bhr füllen Böhtlingk-Roth 5. 206. hind. bharnä, bhar
denä füllen, bharä voll, sindh. bharanu füllen, bharjö gefüllt,
päna bharü selbstisch, sich selbst füllend. Trumpp V. XXVIII.
84. 270. ,Le verbe bhar n’a plus d’autre sens dans les langues
modernes que cclui de ,etre plein, remplir', il en etait deja de
meine en mähärästriJ Journal asiatique VI 0 Serie. XX. Seite 213. —
ii. pherdü: pher(e)l füllt, m. pherdo voll neben pardel füllt,
iv. pcherdo: pcheribnaskeri Flinte, vii. pcherdd. Dagegen i. perdva
fülle, perdu voll. ix. perdo. xii. pordo. xm. perdo. Wenn man
erwägt, dass aind. pr, prn füllen, dann mit Luft füllen, blasen
bedeutet, Böhtlingk-Roth 4. 471, so überzeugt man sich, dass
auch folgende zig. Wörter hieher gehören: ii. pliurdav blase,
in. phudä neben pfudel. iv. pcJiurdav. vii. te pchurd.es. Dagegen
i. purdava, piidava, phüdava, pfudava. vi. purdyno engbrüstig,
xii. pood (pud). Gegen die Zusammenstellung von purdava mit.
aind. prd pedere spricht die Bedeutung: flare, pedere, nicht
umgekehrt, und die Accentuation purdava, nicht purdava, so
wie das Part, purdind.
blirätr Bruder, präkr. bhää. hind. bhäl. sindh. bhäu. —
ii. phral und pral. m. phral. iv. pchral. vi. vn. psal. Dagegen
i. pral und plal. x. pral. xii. pal. xm. plal.
Beiträge zur Kenntniss der Zigeunermundarten. I. II.
781
bhru Braue, liind. bhaü. —• n. phuvjä plur. iv. pchova.
vii. pchuv. Dagegen i. pov.
Man vergleiche etwa das österreichische pfiet (zweisilbig)
aus bhüte, behüte (dich Gott).
Man merke, dass in bokh n. in. boJcch iv. vi. vii. der Anlaut
die Aspiration eingebtisst hat: *bhuksä, aind. bubhuksä.
Die Zusammenstellung von buti, bukt, puti Arbeit i. n.
in. iv. buti. vi. vii. buty. xm. bucht (buci) mit aind. bhüti
Entstehung, Dasein, Heil lässt sich lautlich nicht rechtfertigen,
obgleich b neben p i. Beachtung verdient.
ph beruht auf aind. sph. Im Mittel- und Neuindischen geht
sp in ph über. Beames 1. 307. sphat aind. spalten, hind. phatnä
gespalten sein, phärna spalten, to tear open, sindli. phäranu,
phätanu. Trumpp 252. 274. iv. pcharavav spalte, öffne: pcharav.
Puch. 46. heisst wohl nicht öffnen, sondern eher offen stehen.
pcharuvav berste, pchradas wohl aus pcharavdas er öffnete, vi.
psirau aus pchirau öffne, vii. te pcharaves hauen: pcharivjola es
ist geplatzt ist ein praes. pass. Dagegen i. poravdva, pinravava,
pintavavci, pinavdva öffne, n. panrao, porrav. xn. pirriv. xm.
pindrabar. Pott 1. 446, 2. 374. Beames 1. 307.
IV. Über hh.
15. bli ist sehr selten.
bhüri hind. gross. — bharo und barö n. gross: i. barö.
in. bäro. iv. bäro vn. bar6. ix. xi. xii. baro. Das Wort ist viel
leicht mit ii. phard. i. parö, baro u. s. w. schwer identisch.
Vergl. in. phabhi Apfel Bornemisza 93. n. pliabäj.
Hier folgt h unmittelbar auf b. In einem in Asien ge
sprochenen Zigeunerdialekt findet man bihemi fürchte (aind. bhi)
Pasp. 180: biliemi ist nicht etwa aind. bibhemi, sondern steht
statt bhemi. Das syrische bciharur ist nach Ascoli, Zig. 80, als
ein Deminutivum aus bliral-uv zu fassen.
V. Über ch.
16. Ob die zig. Mundarten ein aspirirtes c kennen, ist
zweifelhaft, und es verdient hervorgehoben zu werden, dass
gerade jene Mundarten, welche hinsichtlich der übrigen Aspi
raten am genauesten sind, nämlich iv. und vii, kein aspirirtes
782
Mi klosich.
c haben. Hier werden jene Wörter angeführt, in denen
namentlich die Mundart der ungrischen Zigeuner diesen Laut
allerdings neben c besitzt.
bechan in. schicke. Dagegen i. biSavava. iv. bicavav.
vii. te bicaves u. s. w. Das Wort hängt nach Ascoli, Zeitschrift
XVII. 244, mit hind. bhedznä zusammen. Aus dieser Zusammen
stellung ergibt sich kein ch.
cacho neben caSom. wahr. Dagegen i. cacipe. m. cäco u. s. w.
— Aind. satja. präkr. sacca. hind. sac. Das anlautende c für s
ist eine Folge der Assimilation an das inlautende c aus tj.
chavo, chai neben cavö n. Kind. in. cliavo, chaj neben
cavo, caj. Dagegen i. cavö. iv. cavo. vi. cavo. vn. cavo, caj. —
Man kann das Wort mit aind. vatsa Junges, Kalb, Kind und
dem präkr. vacchö Kind. bang, väcchä. hind. bächä, bacä ver
gleichen und eine Umstellung der Consonanten annehmen.
Für die Aspiration wäre eine neuiudische Parallele gefunden,
allein der ganze Vorgang ist zweifelhaft. Über ch aus ts
vergl. Beames 1. 317.
cliinav und daraus chingerav m. schneide. Dagegen i.
cindva. iv. Sinav, cingerav. vii. te eines, te cingires u. s. w. —
Dem zig. Worte liegt aind. chid, zunächst das Part, chinna,
zu Grunde.
chon in. Mond. Dagegen i. iv. vii. con. — Aind. candra.
präkr. candö. hind. candar, cäud.
cliorav und corav iii. stehle. Dagegen i. iv. vii. cor. —
Aind. cur: cörajämi. hind. cör u. s. w.
chuco iii. leer. Dagegen i. öuöb. iv. cüco. — Aind. tuccha.
hind. chüchä. Es hat Assimilation stattgefunden.
churi und curi in. Messer. Dagegen Huri. iv. curi. vii.
curi u. s. w. — Aind. churi aus dem älteren ksuri. hind.
sindh. churi.
uclio, viSlio und ueö n. hoch. Dagegen i. uöö, vuöö. iv. uco.
vi. vvees. vii. vueö. — Aind. ucca. hind. üncä.
VI. Metathese der Aspiration.
17. Viele Aspiraten beruhen auf einer Metathese der
Aspiration, die darin besteht, dass die Aspiration von einem
inlautenden Consonanten auf den von ihm durch einen Vocal
Beiträge zur Kenntniss der Zigeunermundarten. I. II.
783
oder einen Yocal und Consonanten getrennten anlautenden Con-
sonanten übertragen wird. Es scheint eine dem Zig. eigen-
thümliche, in einer Vorliebe für aspirirten Anlaut wurzelnde
Erscheinung zu sein. Ähnliches, aber nur Ähnliches zeigt
sich im Mittel- und Neuindischen. ,There are‘, sagt Beames
1. 191, ,instances where the sibilant forms the first member of
a nexus in the middle of a word, and in going out has affected,
not only the letter to which it is joined, but also the initial.
Thus, skr. puspa flower becomes in pr. puppha, but iu old
liind. puhupa, and finally phuta or phüpa; skr. kastürl civet,
sindh. khathuri; skr. väspa vapour, liind. bhäpha, and the same
in pändz., bang., and orijä, where both letters are aspirated.
The form bäpha also occurs in bang, and hind., and in sindh.,
gudz., and mar. It is the only form in use u. s. w.
gandha Geruch, hind. gandli. — i. khan und kan Gestank,
in. khan Geruch, Gestank, iv. kchandav. vii. te kchandes. Da
gegen n. kandini Schwefel: vergl. aind. gandha idem. ix. kanla.
xii. cander a stink, xm. candi mumeli Phosphor.
garbhini trächtig, schwanger, päli gabbhinl. hind. gäbhin.
Beames 1. 145. 319. — ui. khdmni. iv. kchäbni. vii. kchabny.
Dagegen i. kabni, kämm. x. kabeiri. xii. ca.rfny.
guph, gumph winden, knüpfen. •— iv. kcliuvav. tu. te
kchuves flechten. Dagegen i. kuvdva, khuvdva. ii. kuvav.
dugdha Milch, hind. dudh. döhnä melken, sindh. duhanu
Inf’., dudhö Part. Trumpp 253. 275. •— n. tliud und tud. in. thud.
iv. vi. tchnd. vii. cud. xi. suta. xm. chuti (Sufi). Dagegen i. ix.
tud. x. tut (tud).
prSch: prcöhämi frage, präkr. pucch. hind. püchnä. sindh.
puchanu. — m. phuöav. iv. pchuSel pes er fragt, nach dem
cechischen reflexiv. Dagegen i. pucdva. ii. puces fragst, vn.
te puces. ix. puttja (puca). xii. pootcli (puc). xm. puchar (pucar).
pucharar (pucarar). puchabar (pucabar).
prstha Rücken, päli pittha. präkr. puttlia. hiud. pTtli und
pust. Beames 1. 162. 165. 315. — n. pcldko, psikö Schulter,
ui. phiko. iv. pchiko. vi. psike. vii. psikö. Dagegen i. piliö, vilcö.
xii. pilcio. xm. pico (piko). k für aind. sth gibt noch zu denken.
bandh binden, hind. bandhnä gebunden sein; bändhnä
binden und band Band, sindh. bandhanu — ii. pchandimny
bessarab. Knoten neben panddü binde, in phandel bindet.
Sitzungnber. d. pliil.-liist CI. LXXVII. Bd. 1Y. Hft. 50
784
Mi kl o sich.
it.pchandav. vi. zapchandava. vii. te pcliandes. Dagegen i. panddva,
banddva. ix. panla. x. panddva. xii. pan, pander. xiv. le ben.
vidhavä Witwe, hind. bewä. npers. blvä aus bij(a)vä. —
m. phivlo. iv. pchivlo. vi. psivio. Dagegen i. pivlo. ix. piblo.
xii. peevlo (pivlo). xiii piuli. Das Masc. erklärt sich wie lat.
viduus. Hinsichtlich des 1 aus dh vergl. man vrddha. phivlo ist
zunächst aus philvo entstanden. Uber die Bedenken dagegen
vergl. Pott 2. 378.
vrddha alt, eigentlich adultus. präkr. vuddha. hind.
buddhä, büdhä. sindh. budhö. Beames 1. 163. Man gehe vom
hind. aus. Mit aind. puräna früher dagewesen von purä vor
mals darf phurö nicht zusammengestellt werden, es ist davon
lautlich und begrifflich verschieden. Pott 2, 381. — i. phurö,
pfurö und purö. n. phurö und purö. m. phurö und puro. iv.
pchüro. vn. pchuri f. neben puranö welk. Dagegen ix. puro. x.
purö. xi. xii .puro. xm. purö. xiv. pünari, bunari. Vergl. xiv. vidi.
Eine Metathesis der Aspiration findet sich in den mit dem
aind. gar dab ha zusammenhängenden zig. Wörtern.
gardabha Esel, präkr. gaddahö. sindh. gadähu. hind.
gadhä aus gadahä. bang, gädhä. pers. /ar (char). Beames 1.
335. Trumpp 99. Auszugehen ist vom hind. gadhä. — i. Mer,
kfer, fer. in. Jeher. Dagegen ix. har.
VII. Verzeiohniss der entlehnten und jener Wörter, deren
Aspiraten nicht erklärt werden können.
18. Im Vorhergehenden sind jene zig. Wörter behandelt,
deren Aspiraten mit grösserer oder geringerer Sicherheit
aus der Geschichte der Sprache durch die Nachweisung der
jenen Wörtern zu Grunde liegenden altindischen Formen be
gründet werden können. Es gibt jedoch eine nicht unbedeutende
Anzahl von Wörtern, deren Aspiraten auf diese Art nicht er
klärt werden können. Sie werden hier alphabetisch aufgeführt,
und ich bemerke über dieselben Folgendes: 1. Bei einigen dieser
Wörter ist die Aspiration hysterogen: jekh aind. eha. Ichamav
aind. kam. khan aind. karna. phurd aind. *prtu. thaj, the.
aind. Pronominalstamm ta: Pott 2. 295. vergleicht atha.
tha.bä aind. tap. Dergleichen Erscheinungen müssen einfach
als eine in mehr als einer Sprache zu Tage tretende Verwir-
Beiträge zur Kenntniss der Zigeunermundarten. I. II.
785
rang hingenommen werden, die in der Vorliebe für aspirirte
Consonanten wurzeln mag. Curtius, Etymologie Seite G71.
2. Bei einigen entlehnten Wörtern ist die Aspiration der
fremden Sprache bewahrt worden: ihalik armen, t'ayilc c (nach
Lepsius). 3. Bei anderen wird es Anderen gelingen, die Aspiration
als protogen nachzuweisen. 4. Einige von den hier verzeichneten
Wörtern haben die Aspiration nicht in allen jenen Mundarten,
welche wir in dieser Hinsicht als genau kennen und daher als
massgebend ansehen.
aJcchdr iy. Nuss: i. alchör, das für achör stehen kann, und
akdr. m. akhor und akor. — Aind. kar-a-ka Curtius 144. ist
wohl nicht herbeizuziehen, eher aind. aköta Betelnussbaum.
jekcli iv. ein: in. jekh und jek. vn.jeJcch. — Aind. eka.
hind. ek.
kliaini und kajrd iii. Henne: i. kaglini, kayni, kahni.
iv. kähni. vii. kagny. xm. cani. Pott 2. 91. — Eine Vermuthung
über den Ursprung dieses Wortes bei Ascoli, Zig. 54.
kchakch iv. Vetter: i. hak. vii. kok. — Hind. käkä aus
dem Pers. Beames 1. 210. Pott 2. 91.
kliamav und kamav in. liebe: i. kamdma. iv. kamav.
vn. te kames. — Aind. kam.
khäni, kliöni iv. Unschlitt: in. kani.
kchangyrl, kliangiri und kangwi ii. Kirche: i. kangheri.
in. khdngeri und hangen, vn. kchangiri. iv. ghangeri. Pott 2.
150. Ascoli, Zig. 25.
lclian und kan in. Ohr: i. kann. n. khand (plur.) bei Mezzo-
fanti und kan. iv. vii. kan. — Aind. karna. päli kanna. hind. kän.
klidta iii. Thränen. Dieses Wort findet sich nur in in.
und auch da nur in einer einzigen Quelle: khäta th’ avena
lacrimae venient. Müller, Rom. Sprache I. 203.
kchatav iv. spinne: i. Icatdva. iii. katel. — Aind. krt:
krnatti den Faden drehen, spinnen. Pott 2. 149.
khedel und kedel in. sammeln, n. kliiden, t’hiden ihr
sammelt, vn. te kcliedes razvoditi, neben te zakades zusammen
raffen. Dagegen i. gedava.
khhre und hbre plur. Stiefel n.
kliöro und koro in. Krug. iv. kchöro. — Pott 2. 154.
Vergl. aind. ghata. hind. gharä Topf.
khudinav iii. decke. Nur in iii.
50*
786
Miklosich.
khuli in. Excremente: i. Jad, kful, fuL vi. kfui. vii. kful.
Pott 2. 391.
kcliurmin iv. Hirse, Brei. Pott 2. 155.
kcliurö vii. braunroth (von Pferden). Nur in vii.
mort’hi iv. Leder, i. morti. — Armen, morth gleichfalls
mit aspirirtem t. Pott 2. 452.
nakli und nak n. in. Nase. i. iv. vii. nak. — Aind. näsä,
näsikä. hind. näk. Dem nakli liegt vielleicht, näskä aus näsikä
zu Grunde. Pott 2. 320.
phabdj ii. Apfel: vergl. pabhaj Knollen, in. pliabhi. iv.
vi. vii. pchabaj. i. pabdi, papdi und das befremdende khapdi.
— Vergl. hind. phämpnä schwellen. Pott 2. 378.
pcliabaterdo n. zerbrechlich bei Zuevu.. — Pott 1. 447.
ist geneigt, das Wort mit pkutravav zusammenzustellen.
phäbul’öü n. verbrannte neben pabol intrans., pabarel
trans. verbrennt, pchabon in gredepchabon Feuersbrunst ZuevT>. —
grede, wohl ein Subst., ist dunkel: pliab kann ich ebenso
wenig erklären.
pchal vi. Brett, vn. pchal. v. pal, pai. Das Wort hängt
wohl nicht mit aind. phal bersten, phaläka Brett (vergl. oyßr h
z'/ßct), eher mit sphat spalten zusammen. Vergl. Beames 1. 307.
phar ui. Seidenstoff, iv. pchar Taffet. v. pär. — Aind.
pata Gewebe. Pott 2. 378. Bugge 152.
pcherno iv. Kitze, Kopftuch. — Bugge 152. vergleicht hind.
pheta m. phentä f. kleiner Turban. Pott 2. 358.
pherdü, phjerdü und pjerdü n. gehe: m. phirav. iv. pclnrav.
vi. psirau: i. pirdva. — Ilind. phirnä gehen. Pott 2. 382.
phiränä trans. Das zig. und hind. Wort hängt vielleicht mit
aind. bhr zusammen: die Bedeutungen werden durch ,ferri‘ ver
mittelt.
pliosavel in. sticht, iv. pcliosavav, pchosadi Gabel: i.
vusavdva. vii. vusädv Stecknadel, xn. poosomenqvo (misomanciro)
Gabel. Pott 2. 389.
pchaj iv. Interj. pfui, adj. nichts würdig: i. pif Interj. —
Vergl. ngriech. iroü^oo.
pchukavav iv. klage an: xn. pooker (puker) sagen, xm.
pucanar bekannt machen. Pott 1. 448.
phulclo v. Gerste. Pott 2. 375. — Vielleicht: das Schwel
lende. Vergl. puko i. angeschwollen.
Beiträge zur Kenntniss der Zigeunermundarten. I. II.
787
phukni lii. pcliukni iv. Blase. Vergl. vn. te pehucoves gross
thun, eigentlich wohl: sich aufblasen: dagegen i. pukd ange
schwollen. pukinräva anschwellen trans. n. pucarao aus pukiarao
werde stolz. Vergl. hind. phüknä, phuknä blasen.
phumb m. Eiter: i. pumb. n. bub. v. pomb. Vergl. hind.
pib. Pott 2. 377.
phurd m. pchurd iv. Brücke: i. purt pers. dialekt. purd.
Vergl. abktr. peretu, das aind. prtu (Wurzel pr hinüberführen,
übersetzen und tu) lauten würde. Pott 2. 382.
pcliutravav iv. trenne los: i. putrava. ii. puterdel’ou
öffnete sich. — Aind. sphut. hind. phütna. Pott 1. 447.
thaj ii. und. m. thaj und tcij. iv. tche: i. ta. vii. te. —
Pott 2. 281. 295.
thabd, thava ui. brenne, tchäv koche, imperat. iv. tcha-
bövav brenne uror: i. tabld warm, tdpiovava, täbiovava brenne
uror. iv. tävav kochen. — Aind. tap. hind. tävnä wärmen, sindh.
täu Hitze. Pott 1. 424. Ascoli, Zig. 42.
thalik ii. schafwollenes Kleid: auch ui. thalik. iv. tchalik.
Pott 2. 295. armen, t'ayik', nach Lepsius’ Transcription 133.
134. aus einem älteren, im Zig. erhaltenen t'alik', dichtes Haar
gewebe, das man als Kleidung gebraucht zu haben scheint. Es
findet sich bei keinem Classikcr, hängt jedoch mit dem bei
Moses von Choren vorkommenden t'al zusammen, das eine Be
deckung bedeutet, die als Panzer getragen wurde. Dem t'ayilc'
entspricht türk, kece feutre, etoffe grossiere de laine non tressee.
Bianchi.
tham in. Arzenei. Nur in in.
thar und tarn. weg. kothdr von hier. g%lö thar er gieng:
i. tar.
tharav in. ich brenne, iv. tchärav: i. tardva zünde an.
tard hastig, eigentlich brennend, vi. targi mom (mol) Brant-
wein. Pott 1.424 ; 2.299. Vergl. sindh. taranu to fry.
t’hilava iv. aus kchilava Obst, Zwetschke, xm. quillaba.
,In Armenien und Georgien führt die Pflaume den Namen
Scbluer und Kliawih Pott 2. 108.
tliinä m. gehe zu Grunde. Nur in in. Vergl. aind.
ksina vermindert, erschöpft.
thind’ar n. benetze, imperat. n. tindo. vii. Icmdo. Welches
ursprünglich ist, ( t oder k, ist mir unklar. Vergl. aimen.
788
Mi lcl os ich.
tliimel 7 thanal benetzen; das erstere hängt vielleicht mit aind.
stim, tim feucht sein zusammen.
Man merke das wohl aus dem Slav. entlehnte iv. pcliolii-
növav neben pokchinöuav ruhe aus. Puchmayer 15. 46: asl.
pocimjti.
VIII. Hichtaspiraten für Aspiraten.
19. In manchen Wörtern tritt für die erwartete Aspirata,
namentlich im Inlaut ein nicht aspirirter Consonant ein.
dzangliä aind. Hüfte, hind. dzangh der obere Schenkel.
— i. cang Bein. n. Sanga plur. in. iv. Sang u. s. w.
lubli aind. verlangen, hind. lubhnä. — i. lubni, lumni
Hure. in. iv. lubni. vu. lubny. Ascoli, Zeitschrift XVII. 245.
sikS aind. lernen, caus. lehren, päli sikkhä Lehre, präkr.
sikkh. hind. slkhnä lernen. — i. silcdva zeige, n. s r hkavdü.
in. iv. sikaväv. vii. te sykaves. Statt s erwartet man für aind. s
zig. S, das in keiner Mundart vorkömmt. Eine Metathesis der
Aspiration ist bei diesem Worte unmöglich.
slghra aind. schnell, päli slgha. sindh. sighö. — i. sigd,
singö. in. sik, sikeder neben sigeder. iv. sik. siköro: sid’övav eile
setzt sig voraus, vu. sygo. s für s wie oben.
suika aind. trocken, präkr. sukkha. hind. sükhä. süklmfi.
— i. Sukd trocken, in. iv. tsuko. vu. te isSutes. $ ist der Ver
treter des s.
sugliräna aind. Duft. hind. sünghnä riechen. — i. ii. in. iv.
sung Geruch, vu. tesunges riechen, xm. sunjelo (sunchelo) Gestank.
IX. Einzelheiten.
20. Man beachte noch folgende abweichende Formen.
nakhci aind. Nagel, Kralle, hind. nakh, nah. — i. n.
ü. s. w. naj.
mukha aind. Mund. hind. müh. Beames 1. 266. sindh. mühü
neben mukhu. Trumpp XXVI. — i. n. u. s. w. muj.
In beiden Fällen ist kh zu h geschwächt und h durch j
ersetzt worden. Aus aind. labh entsteht präkr. Iah. sindh.
lahanu erlangen, aus lall das zig. Thema la nehmen: läva, läsa
und lesa u. s. w.
i
Beiträge zur Kenntniss der Zigeunermundarten I. II.
789
likh aus rikh aiud. ritzen, schreiben, bind, likhnä. präkr.
lih. — i. Ul und lir. 11. in. iv. u. s. w. lil.
Hier ist, wie es scheint, an die Stelle des erwarteten j
ein l getreten. Ascoli, Zig. 48, geht vom hind. likhan aus, aus
dem sich zig. likhal entwickelt hätte.
Es liegt nahe i. terdva halte mit aind. dlir halten, hind.
dharnä legen zusammenzustellen: der Richtigkeit einer solchen
Annahme stehen jedoch iv. som terdo stehe und vn. te terd’ovdv
stehe entgegen, wofür, wenn die Zusammenstellung richtig
wäre, therdo, therd’ovav stünde.
lokö i. leicht u. s. w. ist slavisch, und ist daher nicht
unmittelbar auf aind. lacjhu zurückzuführen. Ascoli, Zeitschrift
XVII. 244.
posik i. Boden, Erde: ii. pos Staub, m. pöM Sand ist
armen, pliosi Staub.
X. Indices.
a) Zigeunerischer Index.
akhor Nuss 18.
arakho finde 10.
baharür Bruder 15.
bharo gross 15.
bichaü schicke 10.
bihemi fürchte 15.
holdi Hunger 10. 14.
buti, buki Arbeit 14.
cacho wahr 16.
Sang Bein 19.
cliavo Kind 16.
chinav schneide 16.
chon Mond 16.
cliorav stehle 16.
chuco leer 16.
clturi Messer 16.
dikhaü sehe 10.
dräkhi Traube 10.
dukhal schmerzt 10.
chandav grabe 11.
cliandi wenig 11.
chanro Schwert 11.
chas Husten 11.
cliava esse 11.
jaklia plur. Augen 10.
jekh einer 18.
Ichaini Henne 18.
kharn heiss, Sonne 9.
khainav liebe 18.
khamivi trächtig 17.
khan Ohr 18.
klian Geruch 17.
khangiri Kirche 18.
khani Unschlitt 18.
kharaü rufe 11.
khas Heu 9.
kliata Thränen 18.
Idtatav spinne 18.
790
M i k 1 o sich.
kliedel sammelt 18.
khelav spiele 11.
klier Haus 9.
klier Esel 17.
khil Butter, Ölil 10.
khino müde 10.
khosav wische ab 9.
khvdinav decke 18.
klml Excremente 18.
khurmin Hirse, Brei 18.
khvro Füllen 9.
kliuro braunroth 18.
khuvav flechte 17.
likha plur. Niss 10.
lil Brief 20.
loko leicht 20.
lubni Hure 19.
makhav schmiere 10.
makhe Fliege 10.
mort’hi Leder 18.
mvj Mund 20.
mukhav loslassen 10.
naj Nagel 20.
nakh Nase 18.
phabaj Apfel 18.
phabaterdo gebrechlich 18.
pliabnl’oü verbrannte neutr. 18.
pliagaü breche 14.
phakh Flügel 10.
phal Brett 18.
phandav binde 17.
phar Seidenstoff 18.
pharavav spalte 14.
pharo schwer 14.
phen Schwester 14.
phenau rede 14.
pheraü fülle 14.
plierau gehe 18.
pherno Kopftuch 18.
phiko Schulter 17.
pliivlo Witwer 17.
pliokinövav ruhe aus 18.
phosavav steche 18.
phal Bruder 14.
plmSav frage 17.
plmj pfui 18.
phukavav klage an 18.
phuklo Gerste 18.
plmkni Blase 18.
phumb Eiter 18.
pliurd Brücke 18.
phurdav blase 14.
phuro alt 17.
phus Stroh 14.
phvtravav trenne los 18.
phuv Erde 14.
phuvja plur. Brauen 14.
posik Boden, Erde 20.
sigo schnell 18.
sikava zeige 19.
sang Geruch 19.
suko trocken 19.
terava halte 20.
thad’ovav fliesse 12.
thaj und 18.
thalik schafwollenes Kleid 18.
tham Arzenei 18.
than Ort 13.
tlian Tuch 13.
thar, tar weg 18.
tharav brenne trans. 18.
thau Zwirn 13.
thava brenne 18.
them Land 12.
thinä gehe zu Grunde 18.
thind’arav benetze 18.
thovav lege 12.
thovav wasche 12.
Beiträge zur Kenntnies der Zigeunermundarten. I. II.
791
thu Rauch 12.
thnd Milch 17.
thulo dick 13.
b) San
aköta Betel nuss 18.
aksi Auge 10.
ucca hoch 16.
eka ein 18.
kam lieben 18.
karna Ohr 18.
käs husten 11.
krt, krnatti spinnen 18.
krid spielen 11.
ksina erschöpft 10.
ksira Milch 10.
kbadga Schwert 11.
khan graben 11.
khanda Bruch, Lücke 11.
khara rauh 11.
khäd kauen, essen 11.
gandlia Geruch 17.
gardabha Esel 17.
garbhinl trächtig 17.
gvph winden 17.
grlia Haus 9.
göta Pferd 9.
gharma Wärme 9.
ghäsa Futter 9.
ghrs reiben 9.
Sandra Mond 16.
cur stehlen 16,
chid schneiden 16.
chttrl Messer 16.
dzanghä Hüfte 19.
tap wärmen, brennen 18.
tuccha leer 16.
dugdha Milch 17.
duskha Schmerz 10.
t'hilava Zwetschke 18.
vcho hoch 16.
kritindex.
drks* drs sehen 10.
dräksä Traube 10.
dliä stellen 12.
dhäman Wohnstätte 12.
dhäv rinnen 12.
dhäv caus. waschen 12.
dhüma Rauch 12.
dhr halten 20.
nakha Nagel 20.
näsikä Nase 18.
palcsa Flügel 10.
pata Gewebe 18.
prccli fragen 17.
prStha Rücken 17.
bandh binden 17.
bubhvkSü Hunger 10. 14.
busa Spreu 14.
bhag* brechen 14.
bliagini Schwester 14.
bhan reden 14.
bhara Last 14.
bhüti Entstehung 14.
bhümi Erde 14.
bhr füllen 14.
bhrätr Bruder 14.
bhrü Braue 14.
maksikä Fliege 10.
muks * muc loslassen 10.
mukha Mund 20.
mraks reiben 10.
raks hüten 10.
riksä, liksä Niss 10.
lagliu leicht 20.
UkTi, rikh schreiben 20.
792
Miklosich. Beitrüge zur Kenntniss der Zigeunerinundarten. I. II.
lubh verlangen 19.
vatsa Junges 16.
vidhavü Witwe 17.
vrddha alt 17.
silcs lernen 19.
SigTira schnell 19.
suSJca trocken 19.
sn tja wahr, 16.
sughräna Duft 19
sthäna Ort 13.
sthüla dick 13.
sphat spalten 18.
sphut platzen 18.
Inhalt,
I. Die ältesten Denkmäler der Zigeunersprache.
A. Andrew Boorde.
B. Bonaventura Vulcanius.
II. Die Aspiraten der Zigeunermundarten.
A. Allgemeines. 1—8.
B. Specielles. 9 —20.
i. Über zig. kh. a) Aus aind. gh. 9.
b) Aus aind. ks (ks). 10.
Zusatz über zig. ch. 11.
II. Über zig. th. a) Aus aind. dh. 12.
b) Aus aind. sth. 19.
in. Über zig. ph aus aind. bh. 14.
iv. Über zig. bh. 15.
v. Über zig. ch. 16.
vi. Metathese der Aspiration. 17.
vii. Verzeichniss der entlehnten und jener Wörter, deren Aspiiaten
nicht erklärt werden können. 18.
viii. Nichtaspiraten für Aspiraten. 19.
ix. Einzelheiten. 20.
x. Indices. a) Zigeunerischer Index, bj Sanskritindex.
Ein dem Verfasser dieses Aufsatzes befreundeter Engländer liest bei
Boorde in Nr. 1. tiro für lutty. Derselbe erklärt in Nr. 2. und 3. bar form
für baro forus und bemerkt zu Nr. 6: Tbc ,and‘ discernible in len marks fliese
Gipsies to have been English. In Nr. 7. steht ihm cleue lasse für duveleste.
Die Deutung mit vas ist wogen der Stellung der Praeposition aufzugeben:
man vergl. for duveleste for god’s sake. Lei. 235. In Nr. 8. könnte vinni,
das heutzutage im englischen Zigeunerisch Bier bedeutet, als richtig angesehen
werden, wenn in Nr. 4. nicht lauena für Bier stünde. In Nr. 10. wird tur
susse t.nsar mit dir oder so se? was ist esV in Nr. 11. te für ln veimuthet.
XIX. SITZUNG VOM 15. JULI.
Vorgelegt werden:
1. das von Herrn Dr. Constantin von Böhm mit Unter
stützung der kais. Akademie herausgegebene Supplement zu
dem früher von ihm publieirten Katalog der Handschriften des
k. und k. Haus-, Hof- und Staats-Archivs;
2. der 27. Band des von Herrn Regierungsrath Dr. von
Wurzbach mit Subvention der Akademie publieirten biogra
phischen Lexikons des Kaiserthums Oesterreich;
3. ferner von Herrn Dr. Emler in Prag eingesendete
6 Hefte der Regesta Bohemiae et Moraviae und das 8. Heft der
Reliquiae tabulae terrae.
Von wissenschaftlichen Abhandlungen kommen zur Vorlage:
von Herrn Dr. N. Porges eine Untersuchung über die
Verbalstammbildung in den semitischen Sprachen,
und von Herrn Prof. Dr. Savelsberg in Aachen Beiträge
zur Entzifferung der lykischen Sprachdenkmäler I.
Ferner wird vorgelegt eine von dem wirkl. Mitgl. Herrn
Prof. Dr. Julius Fick er in Innsbruck zum Abdruck in den
Sitzungsberichten übersendete Abhandlung: ,Ueber die Ent
stehungszeit des Schwabenspiegels'.
An Druckschriften wurden vorgelegt:
Akatl emie der Wissenschaften zu Krakau: Die zwei ersten öffentlichen
Sitzungen. Krakau, 1873; 4°. (Polnisch.)
Böhm, Constantin Edler von, Die Handschriften des k. u. k. Haus-, Hof-
und Staats-Archivs. Supplement. (Mit Unterstützung der kais. Akademie
der Wissenschaften in Wien.) Wien, 1874; 8°.
Ellero, Pietro. La questione sociale. Bologna, 1874; 8°,
55
BKaaZüSSZZnS
333
794
Eraler, Joseph, Regcsta diplomatica nee non epistolaria Bohtmiae et Moraviae.
Pars II. Annorum 1253—1310. Vol. 1—6. Pragae, 1812—1814; 4°. —
Reliquiae tabvlarum terrae Regni Bohemiae anno MDXL1 igne comump-
tarum. Tom. II. Vol. 3. 4°.
Gesellschaft der Wissenschaften, kgl. böhm.: Sitzungsberichte. 1874, Nr. 3.
Prag; 8°.
Hortis, Attilio, Scritti inediti di Francesco Petrarca. Trieste, 1874; gr. 8°.
Protocollüherdie Verhandlungen der 50. General-Versammlung der Actionäre
der a. pr. Kaiser Ferdinands-Nordbahn. Wien, 1874; 4°.
Revista de Portugal e Brazil. 2° Volume, Nr. 6. Lisboa, 1874; 4°.
,Revue politique et litteraire“ et ,Revue scientifique de la France et de
l’etranger: IV c Annee, 2° Serie, Nr. 2. Paris, 1874; 4°.
Verein, historischer, für Oberfranken zu Bamberg, XXXV. Bericht. 1872.
Bamberg, 1873; 8°. — Bericht über das bisherige Bestehen und Wirken
des hist. Ver. des Ober-Main-Kreises in Bamberg. 1834. (2. Auflage.)
Bamberg, 1873; 8°.
Wriglit, W., Fragments of the Homilies of Cyril of Alexandria on the
Gospel of S. Luke edited from a Nitrian Ms. London; 4°.
Ficker Ueber die Entsteliungszeit des Seliwabenspiegels.
795
Ueber die Entsteliungszeit des Seliwabenspiegels.
Von
Julius Ficker.
is auf den Beginn des letztvergangenen Jahrzehents
machte sich bezüglich der Entsteliungszeit des sogenannten
Schwabenspiegels keine wesentliche Verschiedenheit der An
sichten geltend; man nahm an, er sei in der früheren .Regie
rungszeit König Rudolfs entstanden. Als massgebend dafür
wurde insbesondere das Ergebniss der eingehenden Unter
suchungen von Merkel De republica Alamannorum 99 ff. be
trachtet. Der mögliche Entstehungszeitraum umfasste danach
nur wenige Jahre; das Werk müsse nach dem Jahre 1275 ent
standen sein wegen Nennung des Herzogs von Baiern unter
den Kurfürsten; aber vor dem Jahre 1281 wegen Nichtkennt-
niss der damals erlassenen Friedensgesetze, womit stimme, dass
Handschriften erwähnt werden, welche bereits 1282 geschrieben
sein sollen. Wurde beiläufig wohl noch eine andere Ansicht
ausgesprochen, so galt im allgemeinen jenes Ergebniss für so
wohl .begründet, dass sich ihm auch solche anschlossen, welchen,
wie insbesondere v. Daniels, die Annahme einer früheren Ent
stehungszeit die Vertheidigung anderweitiger' Behauptungen
über das Verhältnis der Rechtsbücher wesentlich hätte erleich
tern können. Führte mich die Auffindung des Deutschen
spiegels auf diese Frage, so fand ich gleichfalls keinen Grund,
das Ergebniss der Untersuchung Merkels insbesondere bezüg
lich des Terminus a quo in Frage zu stellen; eher war ich
damals geneigt, denselben wegen der Beziehungen zum Augs
burger Stadtrechte noch etwas später zu setzen; ich glaubte
796
Ficker.
mich dahin aussprechen zu sollen, das Rechtsbuch könne nicht
lange vor, aber auch nicht lange nach 1280 entstanden sein;
vgl. Sitzungsber. 23, 281.
Der Ansicht Merkels trat dann zuerst 1861 Laband in
seinen Beiträgen zur Kunde des Schwabenspiegels bestimmt
entgegen. Er ging dabei aus von der Annahme, dass der be
rühmte Prediger Bertold von Regensburg der Verfasser des
Werkes sei. War das richtig, so war damit auch die Ent
stehung vor der Zeit König Rudolfs unumstösslich erwiesen,
da uns 1272 als Todesjahr Bertolds bekannt ist. Nahm ich
damals Veranlassung, eine andere Annahme Labands genauer
zu erörtern, so ging ich dabei auf die Zeitfrage nicht bestimmter
ein; ich begnügte mich, den Grund anzugeben, wesshalb ich
den Beweis für die Abfassung durch Bertold nicht als zwingend
betrachten könne, und bemerkte nur beiläufig, dass ich an der
Ansicht festhalte, die staatsrechtlichen Sätze könnten nicht vor
der Zeit König Rudolfs so entstanden sein; vgl. Sitzungsber. 39,23.
Der Beweisführung Labands fehlte es auch sonst nicht an Wider
spruch; und fand sie daneben auch wohl Zustimmung, so würde
sie doch schwerlich ausgereicht haben, die bis dahin geltende
Ansicht zu beseitigen.
Wenige Jahre nachher schien sich dann aber eine jeden
Zweifel ausschliessende Unterstützung zu ergeben. In der
Sitzung der historischen Classe der Münchener Akademie vom
9. November 1867 gab Rockinger Erörterungen zur näheren
Bestimmung der Zeit der Abfassung des sogenannten Schwaben
spiegels. Er theilt darin eine bisher nicht beachtete Angabe
mit, wonach eine Handschrift des Werkes schon 1268 aus der
Schweiz in die Oberpfalz kam. Ist dieser Angabe Glauben
beizumessen, so war natürlich die Abfassung vor der Zeit König
Rudolfs nicht länger zu bezweifeln. Und das ist seitdem die
allgemein angenommene Ansicht geworden. So weit ich sehe,
hat lediglich G. v. Wyss im Anzeiger für Schweizerische Ge
schichte 1870 Nr. 3 die Stichhaltigkeit der Beweisführung
Rockingers bestritten. Aber wie ich selbst erst kurz vor Ab
schluss dieser Untersuchung auf die Arbeit des Schweizer
Gelehrten aufmerksam gemacht wurde, so scheint dieselbe auch
andern Forschern durchweg unbekannt geblieben zu sein. Von
TJeber die Entstellungszeit des Scliwalienspiegels.
797
diesem ausdrücklichen Widerspruche abgesehen finde ich nur
da, wo Rockingers Entdeckung überhaupt unbeachtet blieb,
auch später noch vereinzelt die frühere Ansicht festgehalten.
Wo sie beachtet wurde, fand sie auch durchweg ausdrückliche
Zustimmung. Und zwar auch bei denjenigen, welche sich gerade
mit solchen Fragen genauer beschäftigten, für welche die Ent
stehungszeit des Rechtsbuches, von besonderem Gewichte ist.
So bei Meyer in der Einleitung zur Ausgabe des Augsburger
Stadtrechtes; so bei allen, welche in den letzten Jahren die
Kurfürstenfrage erörterten.
Dieser allgemeinen Zustimmung habe ich mich nie an-
schliessen mögen; sogleich bei der ersten Einsichtnahme der
Mittheilungen Rockingers ergaben sich mir die gewichtigsten
Bedenken. Mich darüber öffentlich auszusprechen, hatte ich
damals keine nähere Veranlassung, da meine Arbeiten sich mit
ganz fernliegenden Gebieten beschäftigten. Auch schienen mir
einzelne Bedenken so naheliegend, dass ich wohl erwartete, sie
würden anderweitig beachtet und zur Sprache gebracht werden.
Wenn das inzwischen allerdings durch v. Wyss geschehen ist,
so blieb einmal sein Widerspruch unbeachtet, während er an
dererseits auf die Frage der Entstehung selbst nicht eingeht,
diese offen lässt. Ist aber die früher herrschende Ansicht ein
mal so allgemein aufgegeben, so ist nicht wohl zu erwarten,
dass man sich ihr ohne erneuerte eingehendere Untersuchung
einfach wieder zuwenden wird, auch wenn man das Gewicht
der von v. Wyss geltend gemachten Bedenken anerkennt. Be
sondere Gründe mussten es mir nun nahe legen, die sich hier
bietende Aufgabe nicht länger zu umgehen. Bei Untersuchungen,
welche lange vor dem Auftreten der neuen Ansicht unternom
men, aber bis jetzt nicht veröffentlicht wurden, war ich natür
lich überall von der Annahme der Abfassung zur Zeit König
Rudolfs ausgegangen; manche meiner Folgerungen aus staats
rechtlichen Sätzen des Werkes setzen jene Annahme als richtig
ausdrücklich voraus, würden hinfällig, wenn die Entstehung des
Sehwabenspiegels in die Zeit des Interregnum zu setzen wäre.
Da ich nun nach Beendigung anderer Arbeiten jene frühem
Untersuchungen wieder aufnahm und sie behufs der Veröffent
lichung überarbeitete, musste ich mich darüber entscheiden,
was der geänderten Sachlage gegenüber zu thun sei. Ich über-
798
Ficker.
zeugte mich bald, dass es durchaus unzweckmässig sein würde,
die Frage nach der Entstehungszeit des Werkes nun als eine
offene zu behandeln; gerade die für meine Zwecke wichtigen
staatsrechtlichen Sätze scheinen so vielfach durch die besondern
Verhältnisse der Zeit beeinflusst, in der sie niedergeschrieben
wurden, dass ihr Werth für die Forschung sich aufs wesent
lichste mindern müsste, wenn das ausser Rechnung gelassen
werden sollte. Dachte ich nun zunächst daran, einfach zu er
klären, dass ich an meiner früheren Ansicht auch jetzt noch
festhalte, die genauere Darlegung der Gründe aber auf eine
spätere Gelegenheit verschieben müsse, so wird ein solches,
immer missliches, aber oft kaum zu vermeidendes Vorgehen
sich doch wohl nur dann rechtfertigen lassen, wenn der For
scher wenigstens zugleich auf diesen oder jenen Fachgenossen
hinweisen kann, der seine Ansicht theilt, wenn er da nicht
völlig isolirt steht. Einer so allgemeinen Zustimmung gegen
über, wie sich deren die Beweisführung Rockingers zu erfreuen
hatte, wird es nicht gestattet sein können, einfach die ab
weichende Meinung hinzustellen, ohne dieselbe zugleich zu
begründen. Sah ich ein, dass das in solcher Kürze nicht mög
lich sein würde, als sie die gelegentliche Berührung der Frage
bei andern Untersuchungen gestattet, so blieb mir nichts übrig,
als mir durch eine selbstständige Untersuchung derselben die
Berechtigung zu wahren, in weiteren Arbeiten nach wie vor
von der früheren Ansicht ausgehen zu dürfen. Und dass es
mir dafür an Gründen nicht fehlt, dass es nicht ein hartnäckiges
Festhalten an einer früher vertretenen Annahme ist, was mir
verbietet, mich der neuern Ansicht anzuschliessen, das dürften
mir nach Erwägung des hier Darzulegenden wohl auch solche
zugeben, welchen meine Gründe zum Aufgeben ihrer abweichen
den Ansicht nicht genügen sollten.
Der angegebenen Sachlage nach wird es sich um eine
doppelte Aufgabe handeln. Es wird zunächst nachzuweisen
sein, dass den Gründen, welche für eine Entstehung des
Schwabenspiegels vor der Zeit König Rudolfs geltend gemacht
sind, keine zwingende Beweiskraft zukommt, dass die Annahme
späterer Entstehung mit ihnen nicht schlechthin unvereinbar
ist. Ist damit der Weg für die Vertretung der frühem Ansicht
überhaupt wieder eröffnet, so werden dann weiter die Gründe
Ueber die Entsteliungszeit des Schwabenspiegels.
799
zu erörtern sein, welche mir die Annahme einer Entstehung 1
vor der Zeit König Rudolfs zu verbieten scheinen.
A.
Unter den Gründen, welche die angebliche Entstehung
des Schwabenspiegels vor der Zeit König Rudolfs er
weisen sollen, sind wohl nur die zwei bereits erwähnten mit
dem Ansprüche auf zwingende Beweiskraft geltend gemacht,
nämlich das Vorhandensein einer Handschrift schon im Jahre
1268 und die Abfassung durch den im Jahre 1272 gestorbenen
Bertold von Regensburg. Was sonst für jene Annahme vor
gebracht wurde, beanspruchte durchweg nur unterstützende
Bedeutung, sollte die Entstehung zur Zeit König Richards nur
wahrscheinlicher machen, ohne doch die Annahme späterer Ab
fassung bestimmt auszuschliessen. Wir werden es, so weit das
überhaupt nothwendig sein wird, im zweiten Theile der Erörte
rung berücksichtigen, uns hier auf die angeblich ausschlag
gebenden Gründe beschränken.
Die Annahme des Vorhandenseins einer Handschrift
im Jahre 1268 stützt sich auf Eintragungen in einer im Be
sitze Föringers befindlichen, von Rockinger genauer unter
suchten spätem Handschrift des Schwabenspiegels. Einem
früheren Besitzer derselben wurde 1609 die Benutzung einer
alten Pergamenthandschrift des Rechtsbuches, welche wir nach
Rockingers Vorgänge mit P. bezeichnen, gestattet, aus welcher
er dann auf leeren Blättern und am Rande seiner eigenen Hand
schrift das eintrug, was ihm bemerkenswert!! schien.
Danach fand sich nun in P. insbesondere folgende In
schrift: Hiss pergamene recht puech hob ich Heinrich der Precken-
dorffer, zue dem Prekhendorff vnd Krebliz doheim, mit mir miss
Schweyttz gebracht. Schankht vnd vererdt mir ein ritter vnd
burger auss Zürikh als ich der zeyt bey graff Rudolff von Habs-
purg mit. vier heim edler knecht gewesen, vnd er damals sarnbt
andern rittern vnd knechten auss Zürich meinem hem dem graffen
zu hiljf geschikht ward, der dan disser zeit wider di hem von
Regensperg, den bischojf von Bassel vnd zwayen grafen von Toggen-
burg krieg gefürth hat. Vnd bin anno 1264 zu graff Rudolff
von Habspurg körnen, vnd anno 1268 uff zuschreiben meines
Sitzungsber. der phil.-hist. CI. LXXYII. Bd. IV. Hft. 51
800
Ficker.
*
prueder Georgen dem, Prekhendorjfer abgezogen, laut meines
schriftlichen redlichen vnd gnedigen abschidt, wie auch in meinem
raysbuech verzaichnet. Es war dann weiter in P. der Precken-
dorfer mit seinem in die neuere Handschrift übertragenen
Wappen abgebildet, darunter eine Inschrift in Reimen, in
welcher der Preckendorfer erzählt, dass er ein und dreissig
Jahr Edelknecht und Krieger war, fünf Schlachten und zahl
lose Scharmützel mitmachte und fünf Sprachen redete, wie
man das in seinem Reishuche finde.
Ergeben nun die sonstigen Eintragungen, dass P. nicht
etwa den Deutschenspiegel oder eine sonstige Vorstufe, sondern
den vollständigen Schwabenspiegel enthielt, und zwar in einer
Form, welche wenigstens meiner Ansicht nach kaum zu den
ursprünglichsten gehörte, so wäre natürlich die Frage der Ent
stehungszeit, so weit sie uns beschäftigt, endgültig gelöst, falls
wir jene Angaben für unbedingt glaubwürdige zu halten haben.
Da lässt sich nun nicht läugnen, dass mehrere Umstände
durchaus geeignet sind, ein günstiges Vorurtheil für ihre Glaub
würdigkeit zu erwecken. Vor allem der Umstand, dass die
Handschrift P. wirklich einst einem Ritter und Bürger aus
Zürich, Herrn Rüdiger dem Manessen, gehörte; es ergibt sich
das aus einem andern Eintrag aus P., einer Schlussbemerkung,
welche wohl vom Schreiber von P. selbst herrührt und deren
volle Glaubwürdigkeit in keiner Weise zu bezweifeln sein wird.
An und für sich ist damit freilich für die Zeitfrage nichts ent
schieden; denn Rüdiger der Aeltere, an den zweifellos zu denken
ist, seit 1252 urkundlich vorkommend, 1264 und 1268 im Rathe
nachweisbar, ist erst 1304 gestorben.
Aber auch für die Glaubwürdigkeit der Nachricht, wo
nach die Handschrift schon 1268 oder kurz vorher von Rüdiger
an den Preckendorfer gegeben sein soll, lässt sich manches
geltend machen. Von Heinrich von Preckendorf selbst ist uns
allerdings keine Nachricht erhalten, die nicht auf jene Inschrift
zurückginge. Aber wir wissen anderweitig wenigstens, dass
Graf Rudolf 1267 mit den Regensbergern, 1268 mit dem
Bischöfe von Basel und den Toggenburgern kriegte und dass
er bei diesen Fehden von Zürich unterstützt wurde; jene An
gaben können demnach schwerlich in einer spätem Zeit ganz
willkürlich erfunden sein. Damit scheint mir aber auch alles
Ueber die Entßteliungszeit des Scliwabenspiegels.
801
erschöpft, was sich zu Gunsten der Glaubwürdigkeit jener In
schrift geltend machen lässt.
Gehen wiz* zu den Bedenken über. Dass Hei'r Rü d i g ei*
sich schon in verhältnissmässig jungen Jahren eine solche Hand
schrift fertigen Hess, mag sein; sie gibt uns dann eben, wie
auch Rockinger bemerkt, den Beweis, wie früh er neben krie
gerischem und politischem Treiben doch auch friedlichem Be
strebungen zugewandt war. Eher mag es auffallen, dass er
sich so bald von einer Handschrift wieder trennen mochte, die
eigens für ihn gefertigt war, auf die er doch gewiss in einer
Zeit, wo die Abschriften des Rechtsbuches' noch schwerlich
leicht zu haben waren, besondere Werth legte. Und auch das
mag auffallen, dass er die Handschrift eines Rechtsbuches als
das passendste Geschenk für einen Kriegskameraden betrachtete,
der in spätere Zeiten bedauert, dass Schlachten und Blutver-
giessen den Hauptinhalt seines Lebens bildeten.
War der Preckendorfer seit 1264 beim Grafen Rudolf,
so dürfte er doch auch an der Fehde gegen Peter von Savoien
1265 betheiligt gewesen sein. Erwähnt er diese nicht, so mag
sich das allerdings genugsam daraus erklären, dass er eben nur
von der Fehde sprechen will, während der er von Herrn Rü
diger die Handschrift verehrt erhielt. Dann aber scheint er
die Fehde gegen die Regensberger im Jahre 1267 mit der Fehde
gegen den Bischof von Basel und die Toggenburger zusammen
zuwerfen, welche erst im Jahre seines Abzuges zum Ausbruche
kam. Freilich, so genau sind wir über diese Dinge nicht
zznterrichtet, dass sich da nicht vielleicht alles leicht ordnen
würde, wenn uns die vom Preckendorfer erwähnten Schriften
noch zu Gebote ständen. Bedauei’t Rockinger wiederholt den
Verlust des Reisbuches, so würde mir da das ihm vom Gi’afen
Rudolf von Habsburg ausgestellte Dienstcertificat kaum von
geringerem Interesse sein. Insbesondere auch desshalb, weil
mir etwas, was sich diesem schriftlichen, redlichen und gnädigen
Abschied an die Seite stellen Hesse, bisher erst im folgenden Jahr
hundert aufgefallen ist zznd auch da nur in Italien, wo der
handwerksmässige Söldnerdienst zur vollsten Entwicklung ge
langt war.
Doch waren es in keiner Weise derartige Erwägungen,
welche mich von vornherein jener Inschrift misstrauen Hessen.
802
Ficker.
Entscheidend war mir, dass die Inschrift nicht echt sein kann
und damit denn doch auch Zweifel an ihrer Glaubwürdigkeit
ihre ausreichende Berechtigung- finden dürften.
Da die ganze Inschrift in erster Person gefasst ist, so
wird ihre Echtheit davon abhängig zu machen sein, ob sie
wirklich von Heinrich von Preckendorf selbst herrühren kann.
Schrieb sie dieser angeblich nach einem Kriegerleben von ein
und dreissig Jahren, während er mindestens schon 1264 Kriegs
dienste that, so muss sie, soll sie echt sein, wohl noch im
dreizehnten Jahrhunderte geschrieben sein.
Dass sie so, wie sie vorliegt, schon ihrer Sprache und
Schreibweise wegen dieser Zeit nicht angehören kann, wird
einer genaueren Beweisführung wohl nicht bedürfen. So fallt
schon auf den ersten Blick die häufige Verdoppelung der C011-
sonanten auf, wie sie doch erst in den späteren Zeiten des
vierzehnten Jahrhunderts beginnt. Halten wir uns an ein nächst-
liegendes Beispiel. Rockinger hat in seinem erwähnten Auf
sätze, dann insbesondere in einer zweiten Abhandlung: Auf
zeichnungen über die oberpfälzische Familie von Präckendorf
(Münchener Sitzungsber. 1868. 1, 152 ff.), alle urkundlichen
Erwähnungen der Familie zusammengestellt. In allen Erwäh
nungen des vierzehnten Jahrhunderts heisst es Preckendorf er,
mit Ausnahme einer einzigen der Erwähnungen aus dem
leuchtenbergischen Lehenbuche (a. a. O. 176), wo zwar auch
Pregendorf, daneben aber einmal Pregendorjfer geschrieben ist.
Seit 1408 linden wir dann eben so regelmässig die Schreibweise
Preclcendorff und Prechendorffer. Und nicht anders ist das bei
der dreimaligen Erwähnung des Namens in der Inschrift, wie
diese denn auch entsprechend graff, Rudolf, lvilff, schriftlich,
fünjf schreibt. In ihrer jetzigen Gestalt wird die Inschrift
schwerlich einer früheren Zeit, als dem fünfzehnten Jahrhun
derte angehören.
So wenig das zu bestreiten sein dürfte, so nahe liegt
freilich auch der Ein wand, dass uns die Inschrift nicht im
Original, sondern in einer Abschrift von 1609 vorliegt und
demnach nur der Abschreiber die Schreibweise seiner Zeit an
gewandt haben wird. Diese Annahme aber, so zulässig sie
unter andern Verhältnissen sein möchte, wird hier aufs be
stimmteste ausgeschlossen.
Ueber die Entstehungszeit des Schwabenspiegels.
803
Hätte der Abschreiber nämlich an dem ihm in P. vor
liegenden Texte in solcher Weise geändert, so müsste sich das
nicht blos bei der Inschrift, sondern auch bei den andern Ein
tragungen zeigen. Das ist nicht der Fall; alles, was sonst aus
P. mitgetheilt wird, entspricht in sprachlichen Formen und
Schreibweise durchaus den spätem Zeiten des dreizehnten Jahr
hunderts, der Abschreiber ist seiner Vorlage sichtlich bis auf
den Buchstaben gefolgt.
Weiter aber müsste der Abschreiber gerade nur bei der
Inschrift nicht blos die Schreibweise, sondern auch die wört
liche Fassung dem Sprachgebrauche seiner Zeit entsprechend
in willkürlichster Weise geändert haben. Bringt nach der In
schrift der Preckendorfer die Handschrift miss Schweyttz, so
wird nicht leicht jemand behaupten wollen, es sei dabei an das
Thal Schwyz zu denken, während doch diese Bedeutung allein
der angeblichen Entstehungszeit entsprechen würde. Dem
Schreiber ist die Schweiz offenbar schon Gesammtbezeichnung
des Gebietes, auf dem sich die erwähnten Kämpfe Rudolfs von
Habsburg bewegen, dem er weiter insbesondere auch schon
Zürich zuzuzählen scheint. Damit ist die Annahme der Echt
heit der Inschrift durchaus unvereinbar. Wird der Ausdruck
Schweiz in der ersten Hälfte des vierzehnten Jahrhunderts
wohl schon in etwas weiterer Bedeutung gebraucht, so umfasst
er doch auch dann ausser Schwyz nur noch Uri und Unter
walden. Erst in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts entwickelt
sich ein Sprachgebrauch, nach dem auch Zürich als in der
Schweiz gelegen bezeichnet werden kann. Belege dafür zu
bringen, wenn es deren für den nächsten Zweck überhaupt
bedürfen sollte, ist jetzt jedenfalls überflüssig, nachdem ein
hier so competenter Forscher wie G. v. Wyss im Anzeiger für
Schweiz. Gesch. 1870 Nr. 3 sich gerade über diesen Umstand
eingehend geäussert hat.
Ist die Inschrift unecht, ist sie in späterer Zeit entstan
den, ihr aber absichtlich eine Fassung gegeben, welche auf
Entstehung im dreizehnten Jahrhunderte deutet, so muss sie
desshalb nicht gerade unglaubwürdig sein. Aber mindestens
berechtigt das zu den gewichtigsten Zweifeln an ihrer Glaub
würdigkeit. War die Handschrift später im Besitze dei Piecken
dorfer, so ist damit natürlich nicht erwiesen, dass sie gerade
8.04
Ficker.
auf die angegebene Weise in den Besitz derselben gekommen
ist. Wie wir aus den dankenswerthen Nachrichten Rockingers
über die Familie ersehen, waren spätere Mitglieder derselben
Liebhaber von Handschriften. Dass ein solches eine Handschrift,
die einst dem Rüdiger Maness gehörte, erwarb, ist doch viel
wahrscheinlicher, als dass dieser, der auf solche Dinge selbst
grossen Werth legte, sie an einen Kriegskameraden verschenkte.
Hatte man nun, wie bei dem UebSsr ein stimmen der Jahres
angaben mit den geschichtlichen Ereignissen in der Inschrift
nicht unwahrscheinlich sein dürfte, eine Ueberlieferung, dass
ein Ahnherr des Geschlechtes unter Rudolf von Habsburg in
der Schweiz kämpfte, so konnte es doch sehr nahe liegen,
beides durch eine gefälschte Inschrift in nähere Verbindung zu
bringen, der Handschrift damit eine erhöhte Bedeutung für die
Familie beizulegen.
Handelt es sich bei dieser Annahme nur um eine nächst-
liegcnde Vermuthung über den Hergang, so scheinen sich doch
auch einige bestimmtere Anhaltspunkte dafür zu ergeben, dass
die Handschrift erst später in den Besitz der Familie kam.
Diese besass insbesondere auch eine Handschrift des um 1350
vollendeten Buches Konrads von Megenberg von den natür
lichen Dingen, welche zugleich zur Eintragung von Familien
notizen benutzt wurde; vgl. Rockinger a. a. 0. 158 ff. Darin
befindet sich nun die Abbildung eines vor einem Crucifix
knieenden Ritters, welche sich nach der Beschreibung in Färin
gers Handschrift genau ebenso bei der Inschrift der Hand
schrift P. befunden hat; weiter auch das Wappen, dann die
Jahreszahl 1389 und die Verse: Mein grae har vnd altte gstalt
liombt mir von krieg vnglükh vncl vbl manigfalt; grosz sorg vnd
arheith mir wardt angeleyth, machet mich gra vor rechter zeith.
Hier fehlt also nicht allein jede Beziehung auf jenen altern
Heinrich, sondern in der Familie selbst sah man in dem Ritter
laut einer von anderer Hand zugefügten Unterschrift einen
Stefan von Preckendorf, der in jener Zeit auch urkundlich
nachzuweisen ist und mit dem überhaupt die eingetragenen
Familiennachrichten beginnen.
Die auffallende Uebereinstimmung beider Handschriften
bezüglicli der eingemalten Bilder bringt Rockinger a. a. O. 192
auf den Gedanken, sie sei auf eine gemeinsame dritte Quelle
Ueber die Entstelmngszeit des Scliwabenspiegels.
805
zurückzuführen, etwa auf ein altes Denkmal im Erbbegräbnisse.
Viel naheliegender ist doch wohl die Annahme, dass das eine
Bild nach dem andern gefertigt wurde. Dann aber wird es
doch keinen Augenblick zweifelhaft sein können, dass das in
der Handschrift P. befindliche fiir die Copie zu halten ist.
Denn während einmal das Wappen von 1389 ältere Formen
zeigt, erinnert das aus der Handschrift P. entnommene so be
stimmt an die heraldischen Formen des sechszehnten Jahr
hunderts, dass Rockinger (1867 S. 425) den Ausweg sucht, es
dürfe später übermalt sein. Doch wäre dem gegenüber noch
der Einwand möglich, es sei dem Wappen nur in der Hand
schrift Föringers eine andere Gestalt gegeben, so wenig das
bei der Sorgfalt, mit der die Eintragungen aus P. sichtlich
gemacht, irgend wahrscheinlich ist. Gewichtiger vielleicht noch
ist ein anderer Umstand. Denken wir uns P. als die Vorlage,
so ist es doch fast undenkbar, dass ein späteres Mitglied des
Geschlechts das ganz unberücksichtigt liess, was es hier über
einen kriegsberühmten Ahnherrn verzeichnet fand; wie es denn
an und für sich auffallen muss, dass dieser in der als Familien
buch benutzten Handschrift gar nicht erwähnt wird. Und man
könnte sogar versucht sein, anzunehmen, dass derjenige, der
später P. mit Bild und Inschrift ausstattete, selbst einsah, dass
eine ganz übereinstimmende Abbildung Stefans aus späterer
Zeit Bedenken gegen sein Machwerk erregen müsse; ist näm
lich Stefans Name später ausgerissen, nur noch au Resten der
Buchstaben kenntlich, so ist das eine Impietät gegen einen
jiingern Ahnherrn, welche, wie ich denke, in dem Bestreben,
einen altern Ahnherrn möglichst sicher zu stellen, die nächst-
liegende Erklärung finden dürfte. Nehmen wir hinzu, dass
nach früher Gesagtem die Inschrift in P. schwerlich bis 1389
zurückreichen dürfte, so scheint mir zweifellos, dass das Bild
von 1389 als Vorlage für das angeblich hundert Jahre ältere
benutzt wurde.
Mit Bestimmtheit ergibt natürlich dieser Umstand nicht,
dass die Handschrift P. nicht schon früher im Besitze der
Familie war. Für unsern nächsten Zweck würde das ja über
haupt nur von Bedeutung sein, wenn sich überdies wahrschein
lich machen liesse, dass sich von jeher zugleich an die Hand
schrift eine Ueberlieferung anknüpfte, wie sie später in der
806
Kicker.
Inschrift fixirt wurde. Machen die berührten Umstände das
nicht unmöglich, so machen sie es auch gewiss nicht wahr
scheinlich. Wurde die Inschrift jedenfalls mit dem Bewusstsein
der Fälschung gemacht, so erscheint mir ein solches Vorgehen
viel erklärlicher, wenn es sich um eine neuerworbene Hand
schrift handelte, nicht um eine altererbte, welche ohnehin schon
mit den Traditionen der Familie verwachsen war, bei welcher
ein späterer Besitzer immerhin auf den Gedanken kommen
mochte, die Uebcrlieferung in ihr zu fixiren, bei welcher dann
aber doch gewiss weniger Veranlassung vorlag, dafür jene fäl
schende Form zu wählen.
Weiter wird zu beachten sein, dass Nachrichten über die
Familie aus dem Ende des sechszehnten Jahrhunderts, welche
von einem Gliede derselben herrühren und in eine Hand
schrift von Hunds baierischem Stammbuche eingetragen sind
(vgl. Rockinger 1868 S. 167 ff.), in folgender Weise beginnen:
Hainrich von Präckhendorf zu Kräbhitz ist anno 1264 bej graff
Ruedolph von Habspnrg mit 4 helmb edler knecht gewesen vnd
er damahls sambt andern rittern vnd knechten aus Zirch seinem
herrn zu hilff geschickht worden, der dan diser zeit ivider die
herrn von Regenspurg, den bischojf von Basel vnd, 2 grafen von
Poggenburg krieg gefilirt hat vnd anno 1268 auf zuschreiben
seines brueders Georg den Präckhendorffer abgezogen lauth seins
schriftlichen redlichen vnd genedigen abschidts, wie auch in seinem
raisz buecli zu finden, worauf dieselben Verse, wie in P., mit
nur, geringen Abweichungen folgen, und weiter: Dessen solm
soll gewesen sein Stefan von vnd zu Präckhendorf ; ist jhr kay
serlichen mayestat Carls des 4. als er gehn Rom zog mit 3 heim
edler knecht 5'/ 2 jahr gewesen im 1355 jahr. Ich halt, es sei)
des Hainrichs enikhl vnd nit sein sohn gewesen, dan die jahrzahl
reimt sich nit woll zusammen.
Wir haben hier also den vollen thatsächlichen Bestand
der Inschrift in überwiegend wörtlicher Uebereinstimmung, nur
mit dem Unterschiede, dass alles fehlt, was sich auf die an
geblich in der Schweiz erworbene Handschrift bezieht. Dass
diese Nachrichten hier nicht zuerst schriftlich fixirt wurden,
ergibt, von anderem abgesehen, schon der berichtigende Schluss
zusatz. Entweder wurden diese Nachrichten der Handschrift P.
entnommen oder einer gemeinsamen dritten Quelle. Wäre
Ueber die Entstehungszeit des Schwabenspiegels.
807
letzteres zu erweisen, so würde der Hergang kaum noch einem
Zweifel unterliegen können; eine von der Handschrift ganz
unabhängige Familientradition würde zur Fertigung der un
echten Inschrift benutzt sein, es würde jeder Grund für die
Annahme entfallen, es habe sich au die Handschrift auch nur
eine mündliche Familienüberlieferung angeknüpft. Ich gestehe,
dass ich mir da ein sicheres Urtheil nicht erlauben möchte.
Die Worte aus Zircli seinem herrn, die sich hier auf Heinrich
beziehen, scheinen allerdings der Beziehung auf Rüdiger, wie
sie sich in der Inschrift findet, besser zu entsprechen und
demnach darauf zu deuten, dass diese spätere Notiz aus der
Inschrift unter Weglassung des auf die Handschrift Bezüglichen
entnommen wurde. Müsste dabei das Missverstehen der deut
lichen Angaben der Inschrift auffallen, so wäre andererseits
doch auch die ursprüngliche Beziehung jener Worte auf Hein
rich nicht gerade undenkbar, zumal wenn wir etwa annähmen,
der Verfasser der Inschrift habe bei Benutzung der Notiz die
Angabe nicht auf Rüdiger, sondern auf Heinrich beziehen
w r ollen und nur übersehen, das er damals seiner Vorlage in
ich damals zu ändern. Dann aber, und das scheint mir wich
tiger, können die Nachrichten über Stefan überhaupt nicht der
Inschrift entnommen sein, während sie doch andererseits schon
in der Vorlage mit den Nachrichten über Heinrich verbunden
sein mussten, da beide als Vater und Sohn in Verbindung ge
setzt sind. Und weiter wird diese Vorlage lediglich die Nach
richten über Heinrich und Stefan enthalten haben, da die weiter
folgenden Familiennachrichten aus einer uns bekannten Q,uelle,
den Eintragungen in die Handschrift des Konrad von Megen-
berg entnommen sind.
Nach allem Gesagten dürfte der Hergang etwa folgender
gewesen sein: Eine früher dem Rüdiger Maness gehörige Hand
schrift wurde in späterer Zeit von einem Preckendorfer er
worben. Da sich in der Familie eine Ueberlieferung von einem
Ahnherrn vorfand, der unter Rudolf von Habsburg in der
Schweiz gekämpft, so brachte ihn das auf den Gedanken, der
Handschrift für die Familie grössere Bedeutung zu geben, in
dem er eine Inschrift fälschte, wonach der in der Handschrift
als früherer Besitze]' erwähnte Bürger von Zürich sie jenem
Ahnherrn schenkte. Er benutzte dazu eine in der I amilie
808
Ficker.
bereits vorhandene Aufzeichnung, die er entsprechend umge
staltete und der er das in einer andern Familienhandschrift
befindliche Bild eines andern Ahnherrn zumalen liess.
Ist das richtig, so hat die Inschrift natürlich für unsere
Zwecke nicht den geringsten Werth; die Handschrift P. erweist
dann überhaupt nichts weiter, als dass der Schwabenspiegel
vor 1304 vorhanden war, wie das ohnehin nicht zweifelhaft ist.
Ich gebe nun gern zu, dass die Sache sich auch anders habe
verhalten können, dass sich gegen meinen Versuch, den Her
gang bestimmter nachzuweisen, noch manche Einwände würden
erheben lassen. Aber doch schwerlich gegen die Behauptung,
welche für unsern nächsten Zweck ausschlaggebend ist, dass
nämlich die Inschrift erst im fünfzehnten oder sechszehnten
Jahrhunderte und demnach in einer auf Täuschung berech
neten Fassung gefertigt wurde. Das wird jedenfalls, mögen
nun meine weitern Annahmen Zustimmung finden oder nicht,
genügen müssen, ihr jede zwingende Beweiskraft für die Ent
stehungszeit des Rechtsbuches abzusprechen. Würde sich ganz
unabhängig von ihr erweisen lassen, dass dasselbe 1268 bereits
vorhanden war, so könnte uns das allerdings der Annahme
geneigter machen, es habe der Fälschung wenigstens eine
glaubwürdige Ueberlieferung zur Grundlage gedient. Ergeben
sich aber anderweitig irgend begründete Zweifel gegen eine
so frühe Abfassung, so können bei solcher Sachlage die An
gaben der Inschrift gewiss in keiner Weise zu ihrer Entkräf
tung benutzt werden.
Eben so wenig wird aber auch dem, was Laband in den
Beiträgen zur Kunde des Schwabenspiegels S. 1 ff. für die
Annahme der Abfassung durch Bertold von Regensburg
geltend machte, zwingende Beweiskraft zuzuerkennen sein. Ich
kann da im wesentlichen nur wiederholen, was ich schon früher
Sitzungsber. 39, 22 gegen diese Annahme einwandte. Dass
der Verfasser in geistlichen Kreisen zu suchen sei, ist mir
durchaus wahrscheinlich. Ebenso dass clor sich vorwiegend
zu Augsburg aufhaltende Bertold dem Verfasser nahe stand,
dass seine Kenntnisse dem Werke zu gute kamen, dass er
vielleicht an den Vorarbeiten für dasselbe betheiligt war. Aber
weiter zu gehen, in ihm den eigentlichen Verfasser zu sehen,
denjenigen, der das Werk 'ziim Abschlüsse brachte, scheint
doch in keiner Weise geboten. Dass Stellen seiner Predigten
wörtlich oder fast wörtlich aufgenommen sind, wird eher da
gegen geltend zu machen sein; es ist kaum anzunehmen, dass
Bertold sich selbst abgeschrieben haben würde. Laband legt
denn auch das grössere Gewicht darauf, dass es sich vielfach
nicht so sehr um wörtliche Uebereinstimmung handle, als darum,
dass der Verfasser sich so sehr in die Gedanken und die Rede
weise Bertolds eingelebt habe, dass sie ihm unwillkürlich in
die Feder kamen, und sich damit eine geistige Identität ergebe,
welche zu der Annahme der Abfassung durch Bertold selbst
dränge. Hat dem gegenüber Frensdorff, Göttinger Gel. Anz.
1862 S. 258. 264, darauf hingewiesen, dass doch eine aus
reichendere Begründung dieser Behauptung wünschenswerth
gewesen sein würde, so können wir davon absehen. Auch bei
genügender Begründung würde sie meiner Ansicht nach die
Autorschaft nicht erweisen müssen. Die Annahme einer Be
theiligung Bertolds an den Vorarbeiten würde zur Erklärung
ausreichen. Ebenso aber auch die Annahme einer Abfassung
durch einen Schüler Bertolds öder einen ihm anderweitig Nahe
stehenden. Laband weist selbst auf die enge Verbindung Ber
tolds mit David von Augsburg hin, dessen Werke er in seinen
Schriften benutzte, dessen gehaltreichen Gedanken er oft nur
den universellen Stempel aufdrückte. Nichts hindert doch,
ähnliche enge Beziehungen des Verfassers des Schwabenspiegels
zu Bertold anzunehmen. War er sein Schüler, war er, wie die
weitgreifende Benutzung zeigt, mit seinen Predigten aufs ge
naueste vertraut, lag weiter in oberdeutscher Prosa noch fast
nichts anderes vor, das ihm für die Schreibweise als Muster
hätte dienen können, so hat es gewiss nichts Befremdendes,
wenn ihm Gedanken und Wendungen Bertolds häufig in die
Feder kommen. Ich denke daher, dass ein irgend ausschlag
gebender Grund auch hier nicht vorliegt, dass der Umstand,
dass Bertold erweislich schon 1272 starb, die Annahme einer
spätem Entstehungszeit in keiner Weise ausschliesst, wenn sich
dieselbe überhaupt anderweitig genügend begründen lässt. Und
das scheint mir allerdings in ausreichender Weise der Fall
zu sein.
810
Ficker.
B.
Stellen wir uns die Aufgabe, die Entstehung des
Schwabenspiegels zur Zeit König- Rudolfs zu erweisen,
so wird das Hauptgewicht auf die Feststellung der möglicher
weise frühesten Entstehungsgränze zu legen sein. Denn dass
die Entstehung spätestens unter König Rudolf fallen muss, ist
schon durch die Handschriften erwiesen. Ist die Lassbergische
nicht selbst im Jahre 1287 geschrieben, so hat ihr Schreiber
mindestens eine Vorlage aus diesem Jahre benutzt. Auch wenn
jetzt verschollene Handschriften von 1282 datirt sein sollen, so
haben wir keinen Grund, der Angabe zu misstrauen. Setzt
Merkel als Terminus ad quem weiter noch das Jahr 1281, weil
der Landfriede dieses Jahres dem Verfasser unbekannt gewesen
sei und dem Rechtsbuch in einzelnen Handschriften zuge
schrieben wurde, so wird ein zwingender Grund darin kaum
zu sehen sein, so wenig die Behauptung an und für sich auf
Widerspruch stossen dürfte.
Werden wir unsere Aufmerksamkeit vorzugsweise dem
Terminus a quo zuwenden, vorläufig die Wahl König Rudolfs
als solchen festhaltend, so rechtfertigt sich das einmal dadurch,
dass eben nur dieser bestritten wurde. Weiter aber ist nicht
zu verkennen, dass gerade dieser für die Würdigung des In
haltes des Rechtsbuches von ganz besonderer Bedeutung ist.
Dass der Verfasser insbesondere bei seinen staatsrechtlichen
Angaben sich vielfach von der besondern Sachlage zur Zeit
der Abfassung beeinflussen Hess, wird nicht leicht in Abrede
zu stellen sein; die folgenden Untersuchungen werden genügende
Belege dafür bringen. Dann wird es aber auch kaum eines
bestimmteren Hinweises bedürfen, wie wichtig es für die rich
tige Würdigung seiner Angaben ist, gerade die Frage zur
Entscheidung zu bringen, ob er vor oder nach der Wahl Ru
dolfs geschrieben hat, in einer Zeit, wo zumal für die Gegend,
wo er schrieb, das Reich ohne Herren, oder aber erst dann,
als es wieder einen allgemein anerkannten König gab. Ist das
Letztere einmal hinreichend sicher gestellt, so wird es immer
hin wiinschenswerth sein, genauer bestimmen zu können, in
welche Regierungsjahre Rudolfs die Entstehung zu setzen
ist; aber eine auch nur annähernd gleiche Bedeutung für die
Ueber die Entstehunguzeit des Scliwabeuspiegels.
811
Würdigung des Werkes hat das nicht. Wären wir genöthigt, die
mögliche Entstehungsgränze auch nur um wenige Monate vor
die Wahl zurückzusetzen, so würden diese schwerer ins Gewicht
fallen, als die Unsicherheit über ein ganzes Jahrzehent, sobald
nur anerkannt wäre, dass dieses jedenfalls seinem ganzen Um
fange nach in die Regierungszeit König Rudolfs fallen müsse.
Für die möglichst sichere Bestimmung des Terminus a quo
würde es nun von besonderem Wertlie sein, wenn wir eine Be
nutzung von Quellen nachweisen könnten, welche erweislich
erst zur Zeit König Rudolfs entstanden sind. Auf diesen Halt
punkt ist meiner Ansicht nach zu verzichten; für die Beweis
kraft von dem, was Merkel für die Benutzung von Quellen
aus der Zeit König Rudolfs geltend machte, möchte ich
nicht einstehen.
Er stützt sich einmal darauf, dass die Angaben des
Schwabenspiegels über das Richteramt des Pfalzgrafen über
König und Fürsten, dann über die königlichen Hoftage aus.
bis zum Jahre 1275 erlassenen Constitutionen König Rudolfs
abgeleitet seien. Diese letzteren sind nicht genauer angegeben,
da der Nachweis über die Quellen des Rechtsbuches, auf den
er verweist, leider nie veröffentlicht wurde. Handelt es sich
aber um die allgemein bekannten Constitutionen dieser Zeit,
wie doch wahrscheinlich ist, so ist zweifellos nicht zu erweisen,
dass der Verfasser die betreffenden Urkunden gekannt haben
müsse. In wie weit aber die ihnen zu Grunde liegenden Tliat-
saclien als ihm bekannt vorauszusetzen sind, wird später zu
erörtern sein.
Weiter würde hier insbesondere das Verhältniss zum
Augsburger Stadtrechte zu beachten sein. Merkel hielt
es wenigstens für wahrscheinlich, dass das Stadtrecht im
Schwabenspiegel benutzt sei. Ich stimmte dieser Annahme
nach einer Vergleichung, zu welcher mich die Auffindung des
Deutschenspiegels veranlasste, im allgemeinen zu, ohne zu ver
hehlen, dass mir ein sicheres Ergebniss da schwer erreichbar
scheine; um so weniger trug ich Bedenken, später der Beweis
führung Labands zuzustimmen, dass jenes Verhältniss die An
nahme einer Entstehung nach 1276 wenigstens nicht nöthig
mache; vgl. Sitzungsber. 23, 269 ff. 286; 39, 24.
812
Ficker.
Die vorliegende Arbeit musste mich natürlich zu einer
nochmaligen Untersuchung veranlassen, bei der ich mich zu
nächst auf eine möglichst genaue Vergleichung einzelner Ab
schnitte beschränkte. Dabei gewann ich nun allerdings die
Ueberzeugung, dass es sich nicht um eine nur sachliche Ver
wandtschaft handle. An vielen Stellen ergibt sich freilich bei
sachlicher Uebereinstimmung eine so durchaus verschiedene
wörtliche Fassung, dass die Annahme, dass beide Werke zu
Augsburg entstanden, beiden Verfassern demnach auch das
dort herkömmlich geltende Recht bekannt war, zur Erklärung
der Uebereinstimmung vollkommen ausreicht. An anderen
Stellen aber ist die Uebereinstimmung auch der wörtlichen
Fassung doch grösser, als dass sie auf Zufall beruhen könnte;
es muss die eine Quelle die andere, oder aber eine dritte, in
welcher die betreffenden Sätze bereits schriftlich fixirt waren,
beide beeinflusst haben. Dieser letzte Fall hat von vornherein
nichts Unwahrscheinliches. Ich habe schon früher (Sitzungsber.
23, 285) betont, dass nach der ausdrücklichen Angabe des
königlichen Gnadenbriefes 1276 bereits ältere Aufzeichnungen
über das Augsburger Stadtrecht Vorlagen, welche bei Abfassung
sowohl des Deutschenspiegels, wie des Schwabenspiegels be
nutzt sein und dann zur Erklärung der ohnehin seltenen wört
lichen Uebereinstimmung der drei Quellen ausreichen könnten.
Auch die Ergebnisse der Textvergleichung schienen wenigstens
dadurch auf solche Sachlage zu deuten, als sich nirgends ein
bestimmter Halt für Ableitung der einen Quelle aus der andern
ergeben wollte, die Anzeichen ursprünglicherer Fassung bald
hier, bald dort hervorzutreten schienen. Einer eingehenderen
Untersuchung dürfte es vielleicht gelingen, die Ableitung aus
gemeinsamer dritter Quelle bestimmt zu erweisen; wenigstens
einige Haltpunkte schienen sich da zu ergeben.
Allerdings möchte ich damit auch nur meine persönliche
Ansicht in keiner Weise endgültig ausgesprochen haben. Dazu
habe ich die genauere Vergleichung nicht weit genug durch
geführt. Denn ich glaubte mich bald überzeugt halten zu
dürfen, dass ein für meinen nächsten Zweck gewichtiges Er-
gebniss doch nicht zu erreichen, der Versuch einer genügenden
Lösung der sich hier noch bietenden Fragen aber mit so eigen-
thümlichen Schwierigkeiten verknüpft sein werde, dass es sich
Ueber die Entstehungszeit des Schwabenspiegels.
813
nicht empfehlen könne, dieselben hier nur beiläufig zu behandeln.
Würde die eingehendere Vergleichung, wie mir das jetzt am
wahrscheinlichsten ist, Ableitung aus einer gemeinsamen Quelle
ergeben, so wäre die Arbeit für den nächsten Zweck überhaupt
ohne allen Werth. Würde sich nachweisen lassen, dass das
Stadtrecht den Schwabenspiegel benutzte, so ergäbe sich ledig
lich, dass der letztere vor dem Jahre 1281, in welchem das
Stadtrecht spätestens entstand, vorhanden gewesen sein müsse.
Damit würde die Endgränze etwas genauer bestimmt sein; aber
für die uns zunächst beschäftigende Bestimmung der Anfangs-
gränze wäre nichts gewonnen. Für diesen nächsten Zweck
würde lediglich das Ergebniss von Werth sein, dass das Stadt
recht im Schwabenspiegel benutzt sei, da dieser dann nach
1276 entstanden sein müsste. Aber einmal schien mir die Ver
gleichung der Texte selbst, so weit ich sie jetzt durchführte,
an und für sich gegen ein solches Verhältniss zu sprechen.
Dann aber kam hinzu, dass das genauere Verfolgen anderer
Anhaltspunkte mich kaum bezweifeln liess, die Abfassung des
Schwabenspiegels müsse in die ersten Jahre König Rudolfs
fallen, er müsse demnach älter sein, als das Stadtrecht. Diese
Erwägungen bestimmten mich, liier von einer genaueren Unter
suchung jenes Verhältnisses abzusehen. Stimmt man meiner
auf anderer Grundlage gewonnenen Beweisführung über das
Alter des Schwabenspiegels zu, so ist damit auch die Lösung
jener Frage vereinfacht; es wird sich bei etwaiger Wieder
aufnahme der Untersuchung nur noch darum handeln können,
ob die Verwandtschaft des Stadtrechts mit dem Schwabenspiegcl
aus Benutzung dieses selbst, oder gemeinsamer Quellen zu er
klären ist.
Wenn ich mich schon früher zunächst der Ansicht La-
bands gegenüber dahin aussprach, dass das Werk wegen der
staatsrechtlichen Bestimmungen nicht vor die ersten
Jahre König Rudolfs zu setzen sei, so ist das auch jetzt noch
für meine Annahme der ausschliesslich massgebende Grund.
Habe ich mich damals mit der blossen Behauptung begnügt,
so wird nun ihre Begründung meine Hauptaufgabe sein müssen.
Die staatsrechtlichen Angaben des Schwabenspiegels sind
zum Theil dem Deutschenspiegel fast ungeändert entnommen.
In solchen Fällen werden sie als Haltpunkte für die Ent-
814
Ficker.
stehungszeit unberücksichtigt bleiben müssen. Der Verfasser
zeigt sich vielfach so abhängig von seiner Vorlage, dass der
Schluss zweifellos nicht zulässig wäre, der Schwabenspiegel
müsse in irgend einer frühem Zeit entstanden sein, weil er es
unterlassen habe, die Vorlage in einer den spätem Zeitumständen
entsprechenden Weise zu ändern. Wer das in Abrede stellen
würde, müsste folgerichtig etwa auch die Richtigkeit des
Schlusses zugeben, dass das Werk vor 1235 entstanden sein
müsse, weil es unter den sächsischen Fahnlehen das Herzog
thum Braunschweig noch nicht nenne.
Für unsern Zweck werden nur solche Bestimmungen ver-
werthbar sein, bei welchen der Verfasser entweder seine
Vorlage ändert, oder ganz unabhängig von ihr schreibt. An
solchen fehlt es nicht; insbesondere ist es in dem längeren,
mit Ldr. Lassb. 118 beginnenden staatsrechtlichen Abschnitte
überwiegend der Fall. Dass der Verfasser dabei ausser dem
Deutschenspiegel noch andere schriftliche Quellen benutzte, ist
weder nachweisbar, noch irgend wahrscheinlich. Ergibt sich
zuweilen sachliche Uebereinstimmung mit einem Reichsgesetze
oder sonstigen uns bekannten urkundlichen Zeugnissen, so ist
auch da eine unmittelbare Benutzung nirgends anzunehmen;
dem Verfasser mochte der Inhalt bekannt sein; nirgends aber
bietet sich ein Halt, der die Annahme nahe legen müsste, es
sei ihm auch die wörtliche Fassung bekannt gewesen.
Wir sind demnach auf die Annahme hingewiesen, dass
das, was unabhängig vom Deutschenspiegel über das Staatsrecht
mitgetheilt wird, lediglich auf die eigene Kunde des Verfassers
von den bezüglichen Verhältnissen zurückzuführen ist. Dann
aber werden wir von vornherein vermuthen dürfen, dass die
Zeit der Abfassung nicht ohne Einfluss auf die Darstellung
selbst geblieben sein wird. Gerade im dreizehnten Jahrhun
derte war das Staatsrecht in den verschiedensten Richtungen
in einer, wenn auch äusserlich wenig bemerkbaren, doch ver-
hältnissmässig rasch sich vollziehenden Entwicklung begriffen.
Auch dem wohlunterrichtetsten Verfasser, mochte er nun zur
Zeit des sogenannten Interregnum, oder zur Zeit König Rudolfs
schreiben, würde es da schwer geworden sein, von der zeit
weiligen Sachlage ganz abzusehen, das schon von altersher und
allgemein als Recht Anerkannte von neuaufgekommenen, erst
lieber die Entstehungszeit des Scliwabenspiegels.
815
theilweise anerkannten Forcierungen und Auffassungen zu schei
den, und so eine Darstellung zu geben, welche von den be-
sondern Zeitverhältnissen ganz unbeeinflusst gehliehen wäre.
Um so weniger wird das bei dein Spiegler anzunehmen sein,
der zweifellos nicht als wohlunterrichtet bezeichnet werden
kann, dem vom alten Reichsherkommen schwerlich Genaueres
bekannt war, der, wofür es an Belegen nicht fehlen wird, zu
nächst auf das angewiesen gewesen zu sein scheint, was er
gerade da, wo er sich aufhielt, weniger von feststehenden staats
rechtlichen Sätzen, als von staatsrechtlich bedeutsamen That-
sachen und Behauptungen in Erfahrung brachte. Es ist doch
kaum denkbar, dass sich unter solchen Verhältnissen nicht
genügende Haltpunkte ergeben sollten, um ein Urtheil darüber
zu gewinnen, ob seine Darstellung einer Zeit entspricht, welche
für die Gegend, wo er schrieb, mit allem Fug als Interregnum
bezeichnet werden darf, oder einer Zeit, wo das Reich wieder
ein allgemein anerkanntes Haupt hatte.
So scharf dieser Gegensatz nun auch ist, so schwer würde
sich bei ungünstiger Sachlage trotzdem die Aufgabe gestalten
können, einzelne Punkte hervorzuheben, welche an und für
sich mit zwingender Beweiskraft die Entstehung vor oder nach
einem bestimmten Zeitpunkte ergeben würden. Für den, der
mit genügender Aufmerksamkeit und genügender Kenntniss der
Zeitverhältnisse den bezüglichen Angaben folgt, wird vor allem
der Gesammteindruck entscheidend sein. Meine eigene Ansicht
hat sich insbesondere dadurch festgestellt, dass ich behufs
meiner verfassungsgeschichtlichen Arbeiten, jeden bezüglichen
Satz des Schwabenspiegels prüfend und dabei von der früher
üblichen Annahme der Entstehung unter König Rudolf aus
gehend, niemals auf Schwierigkeiten stiess; dass eine Reihe
von Angaben sich ungezwungen auf die besondern Verhältnisse
dieser Zeit beziehen liess; dass es mir fast undenkbar schien,
das Werk könne während der Ausnahmsverhältnisse des Inter
regnum entstanden sein, ohne dass das irgendwie die Darstel
lung beeinflusst hätte. Wenn aber der Gesammteindruck für
das eigene Urtheil genügen mag, so lässt er sich nicht wohl
verwerthen, wenn es gilt, auch Andere von der Richtigkeit der
eigenen Ansicht zu überzeugen. Man wird da Einzelbeweise
verlangen. Die Sache könnte nun so liegen, dass sich wohl
Sitzungsber. d. pbil.-Uist. 01. LXXVII. ßd. IV- Hft. 52
816
Ficker.
eine Reihe von Stellen anführen Hesse, welche Entstehung nach
der Wahl Rudolfs höchst wahrscheinlich, vor derselben höchst
unwahrscheinlich machen, aber doch die Möglichkeit früherer
Abfassung nicht ausschliessen würden. Auch das müsste meiner
Ansicht nach wenigstens so lange die spätere Entstehung be
weisen, als ihnen nicht in entsprechender Zahl Fälle entgegen
gestellt werden, welche die frühere Entstehung wahrscheinlicher
machen, oder ein Grund, der diese zwingend erweist.
Aber ich werde mich damit nicht begnügen müssen. Ein
zelne Stellen scheinen mir die Annahme früherer Entstehung
unbedingt auszuscliliessen. Und nicht allein das; sie scheinen
zugleich mit grosser Bestimmtheit geradezu das Entstehungs
jahr zu ergeben. Wir werden mit ihrer genaueren Erörterung
beginnen, um dann zur Unterstützung noch weitere Angaben
hervorzuheben, welche gleichfalls auf jenes Jahr oder doch
auf die Zeit König Rudolfs im allgemeinen Hinweisen, welche
vereinzelt vielleicht als massgebend nicht anzuerkennen wären,
welche aber in ihrer Gesammtheit und in ihrer Verbindung
mit den von mir als ausschlaggebend betrachteten Stellen
wenigstens meiner ITeberzeugung nach das Ergebniss durchaus
sicher stellen.
I.
Als ausschlaggebend für die Entstehungszeit des Rechts
buches möchte ich vor allem die Angabe über die Hoftage
in Bischofsstädten, Ldr. L. 137, betrachten: Der kunc
gibt, er sul in allen steten, da bistum inne sint, hof gebieten; da
criegten etwenne die pfaffen fürsten wider; die hant ir criec nn
gelaezen.
Schon Merkel S. 99 behauptete, dass diese Stelle sich
auf die Zeit Rudolfs beziehen müsse. Aber leider hat er es
unterlassen, diese Behauptung irgendwie zu begründen. Aller
dings weist er auch S. 102 nochmals auf die Stelle hin als eine
solche, wmlche aus den bis 1275 erlassenen Constitutionen des
Königs abzuleiten sei. War das für ihn der massgebende
Grund, so wird man Laband S. 23 zustimmen müssen, der ihn
als unberechtigt zurückweist, da sich in jenen Constitutionen
eine entsprechende Angabe nicht findet. Weist aber Laband
Ueber die Entstehungszeit des Scliwabenspiegels.
817
selbst auf bezügliche Ereignisse aus der Zeit Otto’s IV. und auf
Friedrichs II. Privileg für die geistlichen Fürsten von 1220
hin, so wird auch das zurückzuweisen sein; auch abgesehen
davon, dass sich keine genügende sachliche Uebereinstimmung
zeigt, ergibt die Fassung der Stelle doch zweifellos, dass der
Verfasser nicht längst vergangene Thatsachen im Auge hat.
Eben darin scheint mir der besondere Werth dieser Stelle
für die Zeitbestimmung zu liegen, dass es sich bei ihr nicht
um die blosse Vermuthung handelt, der Verfasser habe sich
durch die Verhältnisse gerade seiner Zeit bestimmen lassen.
Denn er weist hier, und so weit ich sehe nur hier, auf be
stimmte geschichtliche Vorgänge ausdrücklich hin. Gelingt es,
diese Vorgänge sicher nachzuweisen, so wird auch der weitere
Schluss keinem Bedenken unterliegen, die Stelle könne ins
besondere wegen des nu nur kurz nachher geschrieben sein.
Die besondere Tragweite der Stelle in dieser Richtung ist mir
nie entgangen. Aber meine früheren Versuche, die bezüglichen
Vorgänge nachzuweisen, waren ohne Erfolg; aus der ganzen
Zeit, welche für uns überhaupt in Frage kommen kann, hat
sich, so weit ich sehe, keinerlei unmittelbare Nachricht über
einen solchen Streit des Königs mit den Pfaffenfürsten erhalten.
So glaubte ich denn auch, da mir die etwaigen Gründe Mer
kels unbekannt waren, bei früheren bezüglichen Erörterungen
von irgendwelcher Verwerthung der Angabe absehen zu müssen.
Wurde ich seitdem erst auf die hier zu erörternden Umstände
aufmerksam, so ergibt sich da ein so überaus günstiges Inein
andergreifen derselben, dass wenigstens ich selbst nicht den
geringsten Zweifel mehr habe,, es sei mir die sichere Deutung
jener für die Zeitfrage so vorzugsweise massgebenden Angabe
gelungen.
Zunächst wird es doch gerade bei dieser Stelle an und
für sich durchaus unwahrscheinlich sein müssen, dass sie wäh
rend des Interregnum geschrieben sein könne. Es ist auch
schon anderweitig behufs der Zeitbestimmung wohl darauf hin
gewiesen, dass der Verfasser überall einen anerkannten König
im Auge habe, dass jede Hinweisung auf die besonderen Ver
hältnisse des Interregnum fehle. So wenig ich das Gewicht
dieses Umstandes verkennen möchte, insofern es sich um den
Gesammtein druck handelt, so schwer dürfte es doch im allge-
52*
meinen sein, bestimmte Stellen als solche zu bezeichnen, in
welchen jene besondern Verhältnisse nothwendig zum Ausdrucke
hätten gelangen müssen, wenn das Werk während der Dauer
derselben geschrieben sein sollte. Ein Rechtsbuch wird nicht
die zeitweiligen anormalen Verhältnisse, sondern die normalen
ins Auge zu fassen haben; ein Verfasser, der seiner Aufgabe
gewachsen war, mochte immerhin weniger den Zustand, wie
er war, als den Zustand, wie er hätte sein sollen, berücksich
tigen, konnte also auch in einer Zeit, wo es überhaupt oder
doch für ihn keinen anerkannten König gab, dennoch vom
Könige schlechtweg sprechen, von der zeitweiligen Störung
ganz absehen. Aber gerade für unsere Stelle wird sich solche
Auffassung nicht festhalten lassen. Hier handelt es sich um
bestimmte Einzelthatsachen; also auch nicht um den König
schlechtweg, sondern um einen bestimmten König, um den
eben regierenden. Wenn sich auch die Behauptung des Königs
immerhin als eine dauernde, von jedem Könige festgehaltene
fassen liesse, so handelt es sich mindestens beim Nachgeben
der Bischöfe um einen bestimmten Einzelvorgang; den König,
dem sie nachgeben, muss auch der Verfasser als den nu re
gierenden betrachten.
Richard war wesentlich nur in den Rheinlanden als König
anerkannt. Aber selbst bei der Annahme, der Verfasser habe
den Standpunkt dieser Gegenden eingenommen, würde die Ent
stehung der Stelle während des Interregnum den grössten Be
denken unterliegen müssen. Eine anscheinend an die Gesannnt-
heit der deutschen Bischöfe gestellte, von der Gesammtheit
derselben nach anfänglichem Widerstreben schliesslich zuge
standene Forderung scheint doch einen allgemein anerkannten
König durchaus vorauszusetzen.
Diese Bedenken steigern sich nun aber ausserordentlich,
wenn wir den Entstehungsort des Werkes berücksichtigen. Die
Annahme, dass als solcher Augsburg zu betrachten sei, hat
wohl nirgends bestimmteren Widerspruch gefunden, und ich
werde daher, ohne die dafür sprechenden Gründe zu wieder
holen, hier, wie weiterhin, von ihr ausgehen dürfen. Das führt
uns auf die Länder, wo die Geschichtschreiber von keinem
König Richard wissen, wo nicht nur sie das Reich als erledigt
betrachten, sondern wo das sogar seinen urkundlichen Ausdruck
Ueber die Entstellungszeit des Schwabenspiegels.
819
findet, wenn der Rheinpfalzgraf vacante imperio Reichsbeleh
nungen ertheilt. Und nicht das allein; betrachtete man das
Reich als erledigt, so kannte man hier auch bereits den künf
tigen König, zweifelte nicht daran, dass der junge Schwaben
herzog den Thron seiner Väter besteigen werde, dass Beleh
nungen mit Reichsgut, welche man sich schon jetzt von ihm
ertheilen liess, gewichtiger seien, als wenn sie der vollzogen
hätte, der am Rheine den Königstitel führte. Wenn irgendwo,
so muss gerade zu Augsburg diese Auffassung die herrschende
gewesen sein. Von unmittelbaren Besitzungen Konradins um
geben, zunächst seinem vertragsmässigen Schutze, dann seiner
Vogtei unterstehend, während auch der Bischof trotz mancher
Zwistigkeiten mit Konradin und dem Baiernherzog Ludwig
nie Miene gemacht zu haben scheint, an Richard eine Stütze
gegen sie zu suchen, ist Augsburg zweifellos der Ort, wo von
einem anerkannten Könige während des Interregnum am wenig
sten die Rede sein kann.
Endlich wird doch zu beachten sein, dass es sich bei
Richard wohl nur um einen Conflict mit linksrheinischen
Bischöfen handeln könnte. An Bischöfe, welche dem Gesichts
kreise eines zu Augsburg schreibenden Verfassers näher lagen,
hat Richard schwerlich jemals die Forderung gestellt, in ihren
Städten Hoftage zu halten; sicherer noch würde an ein Nach
geben solcher nicht zu denken sein. Handelte es sich um
Streitigkeiten links vom Rhein, so würde es unwahrscheinlich
sein, dass der Verfasser davon wusste, noch unwahrscheinlicher,
dass er das, und zumal in so allgemeiner Fassung, erwähnt haben
sollte. Und sehen wir selbst davon ab, so findet sich nicht
das Geringste, was einen solchen Conflict zur Zeit Richards
auch nur wahrscheinlich machen könnte. So weit er überhaupt
anerkannt war, hat er auch in den Bischofsstädten willige Auf
nahme gefunden; wir finden ihn, zum Tlieil wiederholt, zu
Köln, Mainz, Worms, Speier, Trier, Lüttich, Kammerich; nichts
deutet da auf irgendwelche Anstände.
Scheint es diesen Erwägungen gegenüber nahezu undenk
bar, dass zur Zeit Richards eine solche Stelle zumal zu Augs
burg geschrieben sein sollte, so stösst die Annahme, sie gehöre
den ersten Zeiten König Rudolfs an, nicht allein auf keinerlei
820
Ficker.
Schwierigkeiten, sondern das Zusammentreffen der Umstände
weist aufs bestimmteste gerade auf diese Zeit hin.
Wenn Rudolf auch von allen Reichsbisehöfen anerkannt
war, ihm durchweg guter Wille derselben entgegenkam, so
musste dieser doch auf eine harte Probe gestellt werden, wenn
der neue König an seiner Auffassung festhielt, dass ihm alles
gebühre, was dem Kaiser Friedrich bis zu seiner Entsetzung
zugestanden war. Wenn Otto und Friedrich auch auf viele
althergebrachte Befugnisse des Königthums gegenüber den
Reichskirchen zu Gunsten der Pfaffenfürsten verzichtet hatten,
so waren doch sehr gewichtige auch von ihnen jederzeit auf
rechterhalten. Als die lästigste und drückendste von diesen
wurde jedenfalls die empfunden, dass der König das Recht
hatte, in den Bisehofsstädten Hof zu halten. Der nächste Zweck
wird es nicht erfordern, auf eine nähere Erörterung dieser
Befugniss einzugehen; habe ich mich viel damit beschäftigt,
so hoffe ich die Ergebnisse bald anderweitig veröffentlichen
zu können. Nur daran wird mit nächster Rücksicht auf die
hier zu besprechenden Umstände zu erinnern sein, dass es sich
dabei nicht blos um die Abhaltung der feierlichen Iioftage,
sondern um den Aufenthalt des Königs in den Bischofsstädten
überhaupt handelt. Dieser veranlasste schon an und für sich
eine Reihe von Leistungen des Bischofs und seiner Unter
gebenen, zu denen sie ausdrücklich verpflichtet waren oder
denen sie sich nicht füglich entziehen konnten. Die Lasten
steigerten sich dann bei einem eigentlichen Hoftage; nicht blos
wegen der zahlreicheren Umgebung des Königs, sondern ins
besondere auch dadurch, dass während des Hoftages und acht
Tage vorher und nachher die Einkünfte aus Gerichtsbarkeit,
Zoll und Münze, also aus den ergiebigsten Einnahmequellen der
Bischöfe, dem Könige zukamen. Das hatte Kaiser Friedrich
im Gunstbriefe von 1220 ausdrücklich Vorbehalten, es wird
1238 als geltendes Recht erwähnt. Und diese Befugnisse wurden
vom Königthume, so lange dieses sieh noch nicht zu scheuen
hatte, von dem, was sein Recht war, auch wirklichen Gebrauch
zu machen, in weitgreifendster Weise ausgebeutet. Die Auf
enthalte der Könige wechseln zwischen den Städten und Burgen
des Reichs und den Städten der Bischöfe. Aber während wir
sie dort, auf die eigenen Hülfsquellen angewiesen, durchweg
lieber die Entstellungszeit des Scliwabeuspiegels.
821
mit wenig zahlreicher Umgebung finden, nur selten grosse Tage
dort gehalten werden, fallen diese ganz überwiegend in die
Bischofsstädte. Es mag genügen, an den letzten Aufenthalt
Kaiser Friedrichs in Deutschland zu erinnern. Die Tage,
welche als Hoftage ausdrücklich bezeugt sind oder bei welchen
die besonders zahlreiche und angesehene Umgebung auf solche
seldiessen lässt, treffen ausschliesslich Bischofsstädte; nämlich
1235 Worms, Mainz, Augsburg, 1236 Speier, das trierische
Koblenz, Würzburg, Augsburg, 1237 Regensburg, Speier und
Augsburg. Man sieht leicht, wie es sich da um ein Recht von
ganz ausschlaggebender Bedeutung für die wirthschaftlichen
Verhältnisse des Königthums handelte. Entfiel die Möglichkeit,
in solcher Weise die Kosten der königlichen Hofhaltung zum
grossem Tlieile auf das Reichskirchengut abzuwälzen, fielen
dieselben ganz dem ohnehin geschmälerten unmittelbaren Reichs
gute zur Last, so war nicht wohl abzusehen, wie das König
thum seiner Aufgabe noch gewachsen sein sollte.
Wenden wir uns nun zu König Rudolf. Zunächst nach
der Krönung bewegt sich da alles im alten Geleise. Der König
geht von Aachen nach Köln und hält sich vom 1. November
1273 bis zum 21. Januar 1274 fast ausschliesslich in Bischofs
städten auf, zu Köln, Worms, Speier, Strassburg und Basel;
es fällt in diese Zeit lediglich ein etwas längerer Aufenthalt
zu Hagenau, ein anscheinend kurzer zu Kolmar.
Da zeigt nun das Itinerar des folgenden Jahres vom
21. Januar 1274 bis zum 23. Januar 1275 den allerauffallend
sten Gegensatz. Trotzdem, dass der König sich das ganze
Jahr in Franken, Schwaben und Eisass aufhält, also in Gegen
den, wo die sonst am häufigsten besuchten Bischofsstädte lagen,
können wir ihn nur dreimal und nur an einzelnen Tagen in
solchen nach weisen, am 4. Februar zu Basel, am 30. März zu
Würzburg, am 12. Juni zu Strassburg, und zwar unter Ver
hältnissen, welche die Annahme irgend längeren Aufenthaltes
ausschliessen oder doch unwahrscheinlich machen. Er hält sich
ausschliesslich in Reichsorten auf, ist insbesondere wiederholt
monatelang unbeweglich zu Hagenau. Und doch hätte die alte
Sitte es verlangt, dass der neuerhobene König baldmöglichst
alle Länder des Reichs besucht und dort Hoftage mit den
Landesgrossen gehalten hätte. Auch das muss auffallen, dass
822
Ficker.
der König, obwohl doch so viel zu ordnen war, über ein Jahr
vergehen liess, ohne einen Hoftag zu halten. Freilich wissen
wir, dass er einen solchen auf Ostern 1274 beabsichtigte
(Mon. Germ. L. 2, 399 n. 1), den er dann verschob, angeblich
weil so viele geistliche Fürsten damals auf dem Concile waren;
das ist richtig, schliesst aber nicht aus, dass auch andere
Gründe einwirkten. Und wieder kann es auffallen, dass der
Tag zunächst bis Ostern 1275 verschoben, dann aber doch
schon vor Juni (Keg. Kud. n. 92) ein im November und zwar
in der Reichsstadt Nürnberg zu haltender Hoftag angekündigt
wurde.
Dass ein König ein Jahr lang keinen Aufenthalt in
Bischofsstädten nimmt, ist etwas so Beispielloses, dass man
nur aufmerksam darauf zu werden braucht, um überzeugt sein
zu dürfen, dass da besondere Verhältnisse massgebend waren.
Es ist undenkbar, dass der König 1274 freiwillig auf die
finanziellen Vortheile verzichtet haben sollte, welche der Be
such der Bischofsstädte bot. Er war damals, wie das von vorn
herein anzunehmen ist, in nichts weniger als günstigen Geld
verhältnissen. Seine Boten sendet er bis zum äussersten Norden,
um von Lübeck, wie andern Städten des Reichs, die ausge
schriebene Bede einzutreiben, nur bei Willigkeit Bestätigung
der Privilegien in Aussicht stellend (Reg. Rud. n, 85). Um
mit Anstand den Nürnberger Tag halten zu können, wendet
er sich wieder um Beisteuern an die Reichsstädte, ihrem guten
Willen durch die Bemerkung nachhelfend, dass es ihnen nicht
zum Vortheile gereichen würde, wenn er sie necessariarum
rerwn cogente defectu pro nostris deliitis verpfänden müsse
(Dipl, et acta Austr. 25, 260). Musste das Meiden der Bischofs
städte zu erhöhten Leistungen der Reichsstädte führen, so ist
es sehr wahrscheinlich, dass die vielfach hervortretende Miss
stimmung dieser gegen den König (vgl. Böhmer Reg. S. 55
und Rud. n. 246) damit zusammenhängt.
Dem gegenüber finden wir nun im Jahre 1275 völlig ver
änderte Verhältnisse. Das Itinerar zeigt, wie wenig Rudolf
dem Aufenthalte bei den Bischöfen an und für sich abgeneigt
war. Im Januar hält er zu Würzburg Hoftag; den März scheint
er fast ganz zu Speier und Mainz zugebracht zu haben; den
Mai und Juni füllen die Aufenthalte zu Basel, Augsburg und
TJeber die Entstelmngszeit des Schwabenspiegels.
823
Konstanz; auch weiterhin finden wir das althergebrachte Ver-
liältniss, dass der König, so weit er sich überhaupt in den be
treffenden Ländern bewegt, seine langem Aufenthalte theils
in Bischofsstädten, theils in Reichsstädten nimmt.
Wenn ich nun annehme, der Verfasser des Schwaben
spiegels habe bei der fraglichen Stelle eben diese Verhältnisse
im Auge gehabt, dieselbe sei in Veranlassung derselben kurz
nachher geschrieben, so dürfte das kaum noch einer nähern
Begründung bedürfen. Versuchen wir es noch, uns den Her
gang von jener Stelle ausgehend genauer zu vergegenwärtigen,
so mag das weniger wichtig erscheinen wegen der weiteren
Haltpunkte, welche sich für die Richtigkeit der Beziehung er
geben, als wegen des Nachweises, ein wie überaus wichtiges
Hiilfsmittel zur richtigem Würdigung mancher Vorgänge der
ersten Regierungszeit König Rudolfs uns in jener Stelle vorliegt.
Wurde der König nach der Krönung anstandslos in den
rheinischen Bischofsstädten aufgenommen, so kann das nicht
auffallen. Zu Köln, Speier, Worms war man von den Zeiten
Wilhelms und Richards her an die Aufenthalte des Königs ge
wohnt geblieben; niemand wird hier daran gedacht haben, dass
dem allgemein anerkannten Könige weniger Recht zustehen
solle, als jenen. War Strassburg anscheinend nie von Richard,
Basel auch nicht von Wilhelm besucht, so durfte Rudolf in
diesen ihm näher stehenden Landestheilen auf bereitwilliges
Entgegenkommen ohnehin rechnen.
Das wird sich nun geändert haben, als Rudolf im folgen
den Jahre auch Reichsländer besuchte, welche seit langen Zeiten
keinen König gesehen hatten. Ob Rudolf schon im März, als
er nach längerem Aufenthalte zu Hagenau von dort nach Oppen
heim und Gelnhausen ging, die rheinfränkischen Bischofsstädte
mied, weil die Aufnahme auf Schwierigkeiten stiess, mag frag
lich sein. Speier und Worms hatte er früher schon besucht.
Auffallender könnte unter andern Verhältnissen das Vermeiden
von Mainz sein, wo er jedenfalls noch keinen langem Aufent
halt genommen hatte; aber es erklärt sich wohl genügend
daraus, dass der Erzbischof den König bisher begleitet hatte
und nun nach kurzem Aufenthalte zu Mainz zum Concile auf
brach; vgl. v. d. Ropp Werner von Mainz 179.
824
Ficker.
Spätestens aber, wenn nicht alle Anzeichen trügen, muss
der Conflict ausgebrochen sein, als der König sich nun nach
Würzburg wandte. Würzburg war eine der Städte, in welcher
die früheren Könige am häufigsten Hof hielten. Aber seit den
Aufenthalten König Heinrichs 1234 und Kaiser Friedrichs 1236
hatte es keinen König in seinen Mauern gesehen. Es ist be
greiflich, wenn man dort von der Aussicht auf einen langem
Aufenthalt des Königs nicht angenehm berührt war. Schon
der Umstand, dass der König kurz vor seiner Ankunft die
Würzburger auffordern muss, von dem Widerstande gegen
Annahme seiner Münze abzustehen (Reg. Rud. n. 72), deutet
auf Zwistigkeiten. Wir haben dann nur eine einzige am zweiten
Tage vor Ostern zu Würzburg ausgestellte Urkunde. Sieben
Tage früher soll der König zu Heilbronn geurkundet haben;
am dritten Ostertage urkundet er bereits zu Rotenburg. Er
kann also Würzburg nur flüchtig berührt haben, obwohl doch
gerade das Zusammentreffen mit dem Osterfeste auf die Absicht
langem Aufenthaltes schliessen lässt. Wahrscheinlich war für
den auf Ostern angesagten Hoftag Würzburg ausersehen ge
wesen; war dieser dann verschoben, vielleicht nicht ohne Ein
fluss dieser Verhältnisse, so wird der König zunächst nur für
seine Person am frühem Plane festgehalten haben. Würde das
Vermeiden anderer Bischofsstädte wenigstens in dieser Zeit
sich etwa auch durch das Goncil erklären lassen, an welchem
die meisten deutschen Bischöfe Theil nahmen, so scheint das
hier nicht zuzutreffen. Allerdings wurde auf dem Concile der
damalige Erwählte von Würzburg seinem Gegner gegenüber
endgültig als Bischof anerkannt (vgl. Ohr. Sampetrinum); aber
seine eigene Anwesenheit ist sehr zweifelhaft; unter den uns
sehr vollständig bekannten Theilnehmern wird er nie genannt;
vgl. Mon. Germ. L. 2, 396; Ried Cod. Ratisb. 1, 530; Lepsius
Kl. Schriften 2, 284.
Von Rotenburg ging der König nach Ulm. Nichts hätte
nun doch für einen König, der zum erstenmale in diese Gegen
den kam, näher gelegen, als ein Besuch von Augsburg, zumal
dessen Bischof nicht auf dem Concile war. Und wenn der
König nach Beseitigung der zu vermuthenden Schwierigkeiten
im folgenden Jahre zunächst gerade zu Würzburg und Augs
burg Hoftage hielt, so muss das es doch doppelt wahrscheinlich
Ueber die Entsteliungezeit des Sclnvabenspiegels.
825
machen, dass auch jetzt ein Aufenthalt zu Augsburg- in Aus
sicht genommen war. Aber wir wissen nicht allein nichts von
einem solchen, sondern das Itinerar lässt überhaupt keinen
Raum dafür. Sollte etwa von Ulm aus darüber verhandelt sein,
so muss der König sich überzeugt haben, dass auf guten Willen
des Bischofs nicht zu rechnen sei. Auch der Bischof voi> Kon
stanz war nicht auf dem Concile und ein Besuch seiner Stadt
würde der Richtung, in welcher der König sich bewegte, durch
aus entsprochen haben. Statt dessen kehrt er von Ulm auf
geradestem Wege, da die Berührung von Achalm bezeugt ist
(Reg. Rud. n. 1146), nach Hagenau zurück, wo er nun das
folgende halbe Jahr verweilt, inzwischen nur auf kürzere Zeit
die Reichsorte Oppenheim, Lautern, Wesel, Gmünd und Rot
weil besuchend. Nur am 12. Juni bekundet er zu Strassburg,
und zwar im Hause des Herrn von Klingen, eine vor ihm ge
schlossene Sühne; er hat die Stadt damals zweifellos nur flüchtig
auf der Durchreise von Hagenau in seine Landgrafschaft be
rührt, da er schon drei Tage später zu Ensisheim urkundet,
Reg. Rud. n. 1258.
Alle diese Umstände deuten nicht auf ein Widerstreben
nur einzelner Bischöfe. Mag der nächste Anstoss von dem
Würzburger oder einem andern Bischöfe ausgegangen sein, so
lässt das mit den grössten finanziellen Opfern verbundene
Meiden der Bischofsstädte durch ein ganzes Jahr auf einen
Widerstand des gesammten Bisthums sehliessen, welches sich
wohl endgültig der drückenden Last der Aufnahme des Königs
entziehen wollte. War das der Fall, so war von Verhandlungen
mit einzelnen Bischöfen in einer Zeit nichts zu erwarten, wo
die Mehrzahl ausser Landes war, sich demnach jedem die Aus
rede bot, dass er den Entschlüssen der Gesammtheit nicht vor
greifen dürfe. Gegen einzelne sein Recht nöthigenfalls zu er
zwingen, daran konnte der König, der schon der päbstlichen
Anerkennung wegen damals mit dem Bisthume nicht brechen
durfte, der ganzen Sachlage nach nicht denken. Ein möglichst
rascher Austrag mit der Gesammtheit war wegen des Concils
nicht zu erreichen. Schrieb er nach Beendigung desselben einen
Hoftag in eine Bischofsstadt aus, so war zu fürchten, dass die
Bischöfe von vornherein nicht folgen würden. So musste er
826
Ficker.
sich entschließen, auch den Hoftag in die Reichsstadt Nürn
berg auszuschreiben.
Es fehlt weiter in dieser Zeit auch nicht an sonstigen
Andeutungen einer Spannung mit den Bischöfen. Lediglich
mit den baierischen Bischöfen von Salzburg, Passau und Regens
burg linden wir im August den König in engeren Beziehungen,
der ihnen Gnadenbriefe ertheilt. Das erklärt sich durch die
gemeinsamen Interessen gegen den Böhmenkönig; doch mag
auch das zu beachten sein, dass Salzburg und Passau über
haupt nicht zu den Städten gehörten, in welchen der König-
Hof zu halten pflegte, während für den Besuch von Regens
burg, wo überhaupt schon seit langer Zeit nur selten noch
Hoftage gehalten wurden, die Beziehungen des Königs zum
Herzoge wohl mehr ins Gewicht fielen, als die zum Bischöfe.
Dagegen fehlen alle Gunstbriefe für andere Bischöfe. Und
wenn der König kurz vor dem Nürnberger Tage den Bürgern
von Köln, deren Erzbischof eben gestorben war, feierlich zu
sichert, nicht dulden zu wollen, dass ihr Erzbischof sie ver
gewaltige oder bedrücke, so lange sie bereit seien, vor dem
Könige zu Rechte zu stehen (Lacomblet U. B. 2, 399), so ist
das doch kaum anders aufzufassen, als dass Rudolf sich nach
Bundesgenossen umsah für den Fall, dass die Verhandlungen
zu Nürnberg nicht zum erwünschten Ziele führen sollten. Auch
der Erzbischof von Mainz war eben damals mit seinen Bürgern
in heftiger Fehde. Musste der König auch wünschen, mit den
Bischöfen zu einem Einvernehmen zu gelangen, so lagen die
Sachen doch keineswegs so, dass er genöthigt gewesen wäre,
dasselbe durch Gewährung jeder Forderung zu erkaufen; das
Bedürfnis einer Verständigung dürfte auf der andern Seite
nicht geringer gewesen sein.
Mit unseren bisherigen Annahmen stimmt nun wieder
alles aufs genaueste, was wir über den Nürnberger Tag wissen.
Hieher fällt zweifellos das im Schwabenspiegel erwähnte Nach
geben der Bischöfe. Schon das ist schwerlich Zufall, dass zu
Nürnberg nur ein Laienfürst, aber zwölf Pfaffenfürsten an
wesend waren; es wird danach doch von vornherein festge
standen haben, dass es sich vorzugsweise um Angelegenheiten
dieser handeln werde. Der König erreichte einmal Unter
stützung des gegen den Böhmenkönig beabsichtigten Vorgehens.
Ueber die Entstehungszeit des Schwabenspiegels. 827
Er muss aber weiter von den Bischöfen das Aufgeben ihres
Widerstandes gegen das Hofhalten in Bischofsstädten erlangt
haben. Denn schon am 19. November wird nun mit Zustim
mung der geistlichen Fürsten der nächste Hoftag, auf dem
Ottokar sich stellen sollte, nach Würzburg angesetzt; und auch
fernerhin, wie schon bemerkt, stösst der König beim Besuche
der Bischofsstädte auf keine Schwierigkeiten mehr.
Können die Gegenbewilligungen des Königs keinem Zweifel
unterliegen, so stehen auch sie zu unserm Gegenstände in näherer
Beziehung. Von anderm abgesehen handelte es sich insbeson
dere um die Erneuerung aller vom Kaiser Friedrich der Ge-
sammtheit, wie den einzelnen geistlichen Fürsten ertheilten
Gnadenbriefe, wie sie der König am 21. November zunächst
in allgemeiner Fassung gewährte. Dazu gehörten ausser dem
Privileg von 1220 insbesondere die weitgreifenden Verfügungen
gegen die Bischofsstädte von 1232; einige Monate später hat
der König beide in Erfüllung seiner jetzigen Zusage dem
Mainzer Erzbischöfe ausdrücklich bestätigt. Ob Rudolf geneigt
sein würde, in den Streitigkeiten zwischen den Bischöfen und
Städten so entschieden für jene einzustehen, wie die Bestätigung
der Verfügungen Friedrichs das voraussetzte, musste sehr zweifel
haft sein; sein bisheriges Walten gab keine Gewähr dafür. Was
konnte nun näher liegen, als dass der König erklärte, er fühle
keinen Beruf, für die Rechte der Bischöfe in den Städten ein
zutreten, so hmge ihm von den Bischöfen das, was sein Recht
sei, in eben diesen Städten verweigert werde? dass er darauf
hinwies, wie eben in dem Privileg von 1220, dessen Erneuerung
man ihm zumuthete, die königlichen Rechte, welche die Bischöfe
bestritten, ganz ausdrücklich Vorbehalten waren? So musste
das Aufgeben des Widerstandes der Bischöfe geradezu als
unerlässliche Vorbedingung für die Erfüllung ihrer Wünsche
erscheinen.
Danach wird nicht zweifelhaft sein können, welche Tliat-
saclien der Verfasser des Schwabenspiegels im Auge hatte.
Auch dass gerade er sie erwähnte, während uns jede andere
Nachricht fehlt, kann nicht auffallen. Abgesehen davon, dass
der Inhalt seiner Arbeit ihm den Gegenstand näher legte, als
Anderen, war der Bischof von Augsburg selbst zu Nürnberg;
es hat sich weiter, wie ich nachzuweisen suchte, auch bei der
828
Ficker.
Weigerung höchst wahrscheinlich gerade um Augsburg gehan
delt; wieder war dann Augsburg eine der ersten Städte, in
welchen die Wiederherstellung des Einvernehmens zum Aus
druck gelangte, indem der König dort im Mai 1275 seinen
Hoftag hielt.
Das Zusammentreffen aller Umstände scheint mir ein so
vollständiges zu sein, dass ich nicht anstehe, die Stelle als aus
schlaggebend für die Zeit der Entstehung des Rechtsbuches zu
betrachten. Und das ist um so wichtiger, als damit nicht allein
der Nürnberger Reichstag im November 1274 als Anfangsgränze
gegeben ist, sondern, auch die Fassung bestimmt darauf deutet,
dass die Stelle nicht lange nachher geschrieben sein kann.
Sind wir damit zunächst auf das Jahr 1275 hingewiesen, so
wird die Erörterung eines zweiten Haltpunktes uns auf das
selbe Ergebniss führen.
II.
Wurde der Haltpunkt, den wir an die Spitze stellten, bis
her bei den bezüglichen Untersuchungen kaum berührt, so wurde
ein anderer um so häufiger und ausführlicher erörtert, nämlich
Kurstimme und Schenkenamt des Herzogs von Baiern.
Dass der Schwabenspiegel diesen als vierten weltlichen Kur
fürsten nennt, wurde früher als Hauptbeweis für die Entstehung-
unter König Rudolf betrachtet; erst seit der Wahl Rudolfs oder
der den bezüglichen Hergang feststellenden Urkunde von 1275
könne davon die Rede sein.
Aber dieser Beweisgrund ist im allgemeinen als zu schwach
befunden, um die Annahme Rockingers auszuscliliessen. Von
dieser ausgehend, nahm man auch die Folgerung hin, es müsse
schon vor 1268 eine Kurstimme für Baiern in Anspruch ge
nommen sein. Nur Hädicke, Kurrecht und Erzamt der Laien
fürsten S. 41, hält trotzdem an der frühem Annahme in so
weit fest, als er annimmt, Handschriften des Rechtsbuches, in
welchen der Herzog von Baiern als Kurfürst genannt werde,
könnten erst nach 1273 geschrieben sein. Aber er meint, das
schliesse eine frühere Abfassungszeit nicht aus; nur müsse die
ursprüngliche Lesart dann den König von Böhmen genannt
haben. Bezieht er sich dann aber für die frühere Abfassungs-
TJeber die Entstellungszeit des Scliwabenspiegels.
829
zeit und insbesondere für die Geltung' der geschlossenen Sieben
zahl schon im siebten Jahrzehnt auf die Entdeckung Rockin-
gers, so muss ihm entgangen sein, dass das eine und das andere
unvereinbar, dass seine Annahme für den nicht mehr zulässig
ist, der an die Entstehung der Manesse’schen Handschrift vor
dem Jahre 1268 glaubt; denn auch diese nannte Rai er n.
Die Frage nach der ursprünglichen Lesart wird allerdings
vor jeder weitern Erörterung zu bereinigen sein. Die ältesten
und besten Handschriften nennen den Herzog von Baiern. Da
gegen ist schon mehrfach betont, dass die nach Aufzählung
der weltlichen Kurfürsten in allen Texten folgenden Worte:
Bise vier suln tusche man sin von vatev und von muter oder von
ir eintwederm, doch wohl nur berechtigt seien, wenn ursprüng
lich der König von Böhmen genannt war. So ganz unbedingt
möchte ich das gerade nicht zugeben. Auf Berührung der
Nationalität überhaupt an diesem Orte wurde der Verfasser
durch den Deutschenspiegel geführt; wollte er da etwas Ent
sprechendes zufügen, so war es doch nicht so gar ungereimt,
auch in Bezug auf ausschliesslich deutsche Fürsten an den Fall
zu denken, dass die Mutter einmal keine Deutsche sein könne.
Aber wir können davon absehen, da ich glaube, einen ganz
bestimmten Beleg dafür boibringen zu können, dass der ur
sprüngliche Text den König von Böhmen nannte.
Allerdings sind die Texte des Rechtsbuches, welche den
König von Böhmen nennen, nicht allein an und für sich die
weniger beachtenswerten, sondern es zeigen sich sehr häufig
auch die bestimmtesten Anzeichen, dass die Lesart erst später
geändert ist. So war in der Manesse’sfthen Handschrift noch
ersichtlich, dass die Erwähnung des Herzogs von Baiern be
seitigt und dafür der König von Böhmen gesetzt war. In
zwei nächstvenvandtcn, von Rockinger untersuchten Texten
(Sitzungsber. 73, 459) erscheint als vierter Laienfürst der liertzoy
von Belieym, wo zweifellos auf die Aenderung des Herzogstitels
vergessen ist. Auch wenn in einer Chiemseer Handschrift des
baierischen Reichsarchivs (Münchener Sitzungsber. 1867. 1, 229)
im Lehnrechte als erster Laienkurfürst erscheint: der chünich von
Pehaim oh er ein tewtsclier man ist von vater oder von der müter,
so wird das spätere Aenderung sein, wie darauf schon die
Verschiebung an die erste Stelle deutet, weiter, dass im Land-
830
Ficker.
rechte auch dieser Text den Herzog von Baiern nennt und
durch Auslassung des oder von ir etwedern die Beziehung
auf Böhmen noch mehr verwischt. Man sieht nur, dass die
Angabe über die Nationalität doch auch damals gerade auf
Böhmen bezogen wurde; und es ist wegen des näheren An
schlusses an den Deutschenspiegel wenigstens nicht unwahr
scheinlich, dass auf die Aenderung im Lehnrechte hier eine
ältere Lesart von Einfluss war.
Nur ein einziger der mir bekannten Texte nennt den
König von Böhmen in einer Weise, dass ich die Lesart für
die ursprünglichste halten muss, nämlich der Text der ersten
Drucke. Dass sich gerade hier eine ursprünglichste Lesart
erhalten haben soll, mag auf den ersten Blick befremden. Aber
schon in der von mir versuchten Classification der Texte
(Sitzungsber. 23, 264) glaubte ich ihn der ersten Classe zu
weisen zu müssen nach Massgabe der als ursprünglich zu er
weisenden Vollständigkeit der ersten Tkeile des Landrechts,
welche er lediglich mit der Freiburger Handschrift theilt. Zeigt
er gemeinsam mit dieser eine, wenigstens meiner Ansicht nach
spätere Gestaltung durch Hinzufügung des dritten Theils des
Landrechts, muss er weiter auch der Freiburger Handschrift
gegenüber als spätere Form betrachtet werden wegen des Ver-
lassens der alten Ordnung und Hinzufügung von dem Urtexte
fremden Bestandteilen, so schliesst das die Erhaltung ur
sprünglichster Lesarten allen andern Texten, auch der Frei
burger Handschrift gegenüber nicht aus. Ich habe schon früher
gerade mit Rücksicht auf den Schwabenspiegel die Behauptung
zu begründen gesucht, dass eine zunächst den Umfang und die
Anordnung ins Auge fassende Classification nicht auch für die
Güte des Textes massgebend sein müsse; vgl. Sitzungsber. 39,26ff.
Zeigt sich nacli jenen Haltpunkten der Text der alten Drucke
als abgeleitet aus der Form der Freiburger Handschrift, so
wird er desshalb nicht gerade aus dieser Handschrift selbst
abgeleitet sein; es ist nur eine beide Texte näher verbindende
Vorlage anzunehmen, und diese kann an und für sich eben so
wohl mit dem einen den König von Böhmen, wie mit dem
Freiburger den Herzog von Baiern genannt haben. Dass sich
an manchen Stellen nur in den ältesten Drucken die ursprüng
lichste Lesart wirklich erhalten hat, bestätigt der Vergleich
lieber die Entstehungszeit des Schwabenspiegels.
831
mit dem Deutschenspiegel; ein auffallendes Beispiel erwähnte
ich Sitzungsber. 23, 152. Auch wo dem Deutschenspiegel Ent
sprechendes fehlt, lässt sieh das zuweilen erweisen. So in der
sachlich wichtigen Stelle Lhr. L. 8: (Den aber die des reiches
dienstman seind) und die nicht lehen von dem reich hond, den
gebeut doch der Icunig wol ein herfart; wo, so weit ich sehe,
die einen durchaus andern Sinn bedingenden eingeklammerten
Worte allen andern Texten fehlen, während sich doch leicht
näher begründen liesse, dass der Satz sich ursprünglich nur
auf unbelehnte Reichsdienstmannen, nicht auf Unbelehnte über
haupt bezogen haben kann.
Es blieb nun meines Wissens bei den bezüglichen Er
örterungen bisher ganz unberücksichtigt, dass es in diesem
nach Massgabe des Gesagten immerhin beachtenswerthen Texte
im Landrechte heisst: Der vierde ist der kunig von Behem des
reiches schenck und sol dem kunig den ersten becher bieten; doch
ist ze wissen, das der kunig von Bekam kein kure hat, wann
er nicht ein teutscher man ist; aber die vier sollen teutsch
man sein von vatter und von muter oder von eintwederm; im
Lehnrecht aber: Und der pfaltzgraff heg dem Reyn und der
hertzog von Sachsen, der marggrajf von Brandenburg, der hertzog
von Beyern, der kunig von Bekam, ob er ein teutscher man ist.
Schon der früher berührte Umstand, dass der hier ganz
zweifellos zunächst mit Rücksicht auf den Böhmenkönig ge
schriebene Schlusssatz des Landrechtes sich auch in den andern
Texten findet, müsste die Ursprünglichkeit der Lesart fast
ausser Frage stellen. Der letzte Zweifel muss aber schwinden
bei einem Blick auf den Deutschenspiegel, wo es im Land
rechte heisst: Der chunicli von Behaim des reiches schenke; ern
hat aver dliein cliure dar umbe, daz er niht taeutzhe ist;
und im Lehnrechte: und der chunicli von Behaim, ob er ist ein
taeutzher man. Wollen wir nicht zu der ganz unzulässigen
Annahme greifen, es sei in diesem Texte nicht allein im Land
rechte der König von Böhmen statt des Herzogs von Baiern,
im Lehnrechte neben diesen gesetzt, sondern es sei für diesen
Zweck auch auf den Wortlaut des Deutschenspiegels zurück
gegriffen, so müssen wir anerkennen, dass der ursprünglichste
Text den König von Böhmen nannte. Der Verfasser wird
sich zunächst an die Verneinung im Deutschenspiegel gehalten,
Sitzungsber. d. phil.-hist. CI. LXXVII. Bd. IV. Hft. 53
832
Ficker.
dann aber mit Rücksicht auf Ottokar die Beschränkung hinzu-
gefügt haben. Nach der Aenderung zu Gunsten Baierns musste
die Verneinung fortfallen, während die Bedingung, wie schon
bemerkt, immerhin stehen bleiben mochte, ohne gerade unge
reimt zu sein, so wenig auch Veranlassung für sie vorlag, wenn
schon ursprünglich der Herzog von Baiern genannt war. Im
Lehnrecht war nach der Aenderung der Zusatz einfach zu
streichen.
Blieb im besprochenen Texte der Herzog von Baiern im
Landrechte ganz unbeachtet, so wird er im Lehnrechte später
eingeschoben sein, ohne dass der Böhmenkönig beseitigt wäre,
ln der sehr beachtenswerthen Schnalser Handschrift findet sich
im Lehnrechte der Herzog vou Baiern an ungewöhnlicher Stelle
zwischen dem Pfalzgrafen und dem Herzog von Sachsen, eine
Verschiebung, die gleichfalls auf spätere Aenderung zu deuten
scheint. Und in der derselben Classe angehörenden Chiemseer
Handschrift glaubten wir in der Nennung des Königs von
Böhmen zwar spätere Aenderung erkennen zu müssen, während
doch wieder die Art der Erwähnung sich aufs engste dem Texte
der alten Drucke anschliesst.
Nennen nun die beachtenswerthesten Handschriften der
verschiedensten Classen den Herzog von Baiern, ist dieser selbst
in dem einzigen Texte, in dem wir die Nennung des Königs
von Böhmen als ursprünglich zu betrachten haben, schon neben
diesem erwähnt, so ist gewiss anzuuehmen, dass die Veran
lassung zur Aenderung jedenfalls sehr bald nach der Abfassung
des Rechtsbuches gegeben sein musste. Ich glaube aber noch
weitergehen und behaupten zu dürfen, dass der Verfasser, noch
ehe das Rechtsbuch ganz vollendet war, bereits den Herzog
von Baiern als Schenk betrachtete. Ich stütze mich dabei auf
den entsprechenden Grund, dass das in der zweifellos ursprüng
lichsten Fassung einer andern Stelle vorausgesetzt ist.
Schon Sitzungsber. 23, 125 habe ich darauf aufmerksam
gemacht, dass Lhr. L. 41 die Schnalser Handschrift den ur
sprünglicheren Text erhalten haben muss. Es heisst hier:
Und so der chunich von tutschein lande vert, so mag er des riches
marschalich wol den gewalt gehen, daz er den jian an seiner
stat lilie, daz ist der lierzog von Sahsen; der sol daz tun in
Sahsen und in Durigen und in Hessen vnze an Pehem und über
Ueber die Entstelmngszeit des Schwabenspiegels.
833
al Franken swer der ist, der sein undertan ist. Und git im der
chunicli den gewalt, daz er den pan lihet, so hat der scheuch
reht, daz er den pan lihet über al Swaben vnze an den Rein und
biz durh die berge vntz enhalb Triende ein mile. So hat der
phalnzgrave von dem Rein gewalt den pan ze lilien iensit Reins
vntz für Metz ein mile und vntz an die Use und in Flandern
laut. — Dise ere und ditze rehte liabent die dri fürsten, so der
chunicli von tutschem lande ist und so daz liehe an chu
nicli ist.
Alle andern mir bekannten Texte weichen hier insbeson
dere dadurch ab, dass sie statt des Schenken nochmals den
Marschall nennen. Da die Stelle ganz selbstständig ist, so gibt
der Deutschenspiegel keinen Anhalt. Ist S. eine der beachtens-
wertheren Handschriften, so würde doch ihr Ansehen an und
für sich in keiner Weise massgebend sein können. Aber eine
Erwägung des Inhaltes und der Fassung der Stelle selbst in
Verbindung mit der Berücksichtigung noch anderweitiger Text
abweichungen scheint mir mit voller Sicherheit die Ursprüng
lichkeit der Lesart in S. zu erweisen.
Dass der Herzog von Sachsen als Marschall nicht blos
in Norddeutschland, sondern auch in Schwaben und Tirol den
König vertreten solle, ist doch etwas so Ungereimtes, dass das
bei nachlässiger späterer Aenderung des Textes stehen bleiben
mochte, schwerlich aber ein selbstständig schreibender Verfasser
darauf verfallen konnte. Den Werth der gesammten Stelle
genauer zu prüfen, wird hier nicht unsere Aufgabe sein. Ich
glaube nicht, dass ihr, etwa vom Pfalzgrafen abgesehen, fest
stehendes Reichsherkommen zu Grunde lag, möchte annehmen,
dass der Verfasser sich da wohl nur durch einen Einzelvorgang,
von dem er überdies nur ungenaue Kunde haben mochte, be
stimmen liess. Ohne darauf für die Zeitfrage Gewicht zu legen,
mag daran erinnert werden, dass der König 1275 einen Zug
nach Italien beabsichtigte. Kam etwa auf dem Augsburger
Tage die Vertretung des Königs während seiner Abwesenheit
zur Sprache, so liegt die Annahme nahe, dass man dafür zu
nächst des Königs Schwiegersöhne, den Pfalzgrafen und den
Herzog von Sachsen, in Aussicht nahm und das auf die An
gabe eingewirkt hat. Mag das aber richtig sein oder nicht,
eine Theilung der Vertretung des Königs in der Weise, dass
53*
834
Ficker.
sie dem Pfalzgrafen links vom Rheine, dem Herzoge von Sachsen
aber rechts vom Rheine, also auch über die schwäbischen Be
sitzungen des Pfalzgrafen selbst, zugestanden hätte, ist etwas
den thatsächliclien Verhältnissen so Widersprechendes, dass
natürlich nicht daran zu denken ist, es sei das wirklich Reichs
herkommen gewesen oder auch nur für einen Einzelfall so be
stimmt; dass aber weiter auch schwerlich nur das anzunehmen
ist, der Verfasser habe auf einen solchen Gedanken verfallen
können, wenn er auch noch so schlecht unterrichtet war.
Aber auch abgesehen vom Inhalte sprechen ganz aus
schlaggebende Gründe für die Ursprünglichkeit der Lesart in S.
Denn zunächst zeigt die ganze Gliederung der Stelle, dass die
selbe auf eine Dreizahl von Fürsten berechnet war. Für eine
Fassung, welche von vornherein neben dem Pfalzgrafen nur
den Marschall im Auge hatte, fehlte jede Veranlassung, das
über diesen zu Sagende in solcher Weise zu zerlegen.
Weiter aber wird vor allem die Unsicherheit des Schluss
satzes in allen andern Texten zu beachten sein, welche sich
nur daraus erklärt, dass die Ersetzung des Schenken durch
den Marschall hier eine weitere Aenderung nöthig machte. Die
schon erwähnte Chiemseer Handschrift hat trotzdem die nun
ganz unpassende Lesart die drey fürsten beibehalten. Der Ein
fluss derselben zeigt sich auch noch im Texte der alten Drucke:
Diss recht liand auch die andern drey fürsten, wann das reych
an eynem leunig ist. Ist das ganz unverständlich, da der an
deren Laienkurfürsten nur zwei, der Kurfürsten überhaupt fünf
waren, so dürfte darin doch vielleicht die ursprünglichste Aen
derung zu sehen sein. Die Worte nämlich: so der chunich von
tutschem lande ist, fehlen in allen mir bekannten Texten ausser
in S., während sie doch zweifellos ursprünglich sind, da der
ganze Abschnitt zunächst nur diesen Fall im Auge hat. Ihr
Ausfallen scheint sich am leichtesten dadurch zu erklären, dass
der Fertiger des Textes der alten Drucke, die Dreizahl und
damit die ganze Stelle nicht verstehend, auf den Gedanken
kam, die Rechte, welche nur dem Pfalzgrafen und dem Mar
schall bei Abwesenheit des Königs zugesprochen wurden, sollten
im Falle der Erledigung des Thrones auch andern Kurfürsten
zustehen. Andere Texte haben dann allerdings die Dreizahl
ganz fallen lassen, doch nicht in übereinstimmender Weise; in
IJeber die Entstellungszeit des Scliwabenspiegels.
835
der Ambraser Handschrift heisst es: Ditz reht liant die herren;
die meisten haben der Aenderung entsprechend: die zwen lierren;
doch findet sich auch hier noch in Folge der Aenderungen die
unpassende Fassung, wonach vorher nur von Abwesenheit des
Königs, im Schlusssätze nur von Erledigung des Thrones die
Rede ist, ohne dass das durch ein auch in richtige Verbindung
gebracht wäre.
Wird auf diese Gründe hin sich schwerlich bestreiten
lassen, dass der Urtext neben dem Pfalzgrafen und dem Mar
schall auch den Schenken nannte, so wird es doch weiter keinen
Augenblick zweifelhaft sein können, dass der Verfasser dabei
als Schenken den Herzog von Baiern und nicht den König
von Böhmen im Auge hatte. Schon das muss darauf hindeuten,
dass Baiern gar nicht genannt ist, während alle andern deut
schen Länder berücksichtigt sind; das erklärt sich leicht, wenn
der Schenk ohnehin Herzog von Baiern ist. Es ist weiter doch
fast selbstverständlich, dass eine Gewalt, die sich auf der einen
Seite bis Trient, auf einer andern bis an den Rhein erstreckt,
nur von Baiern aus geübt werden kann. König Richard mochte,
gerade um Konradin und den ihn unterstützenden Baiern-
lierzogen entgegenzutreten, Ottokar den Schutz des Reichsgutes
bis zum Rhein übertragen (vgl. Palacky Formelbücher 264);
dass ein zu Augsburg schreibender, alle pfalzbaierischen An
sprüche in auffallendster Weise begünstigender Verfasser auf
den Gedanken gekommen sein sollte, dem Böhmenkönige die
Vertretung des Königs in Schwaben und Tirol zuzusprechen,
ist undenkbar. Endlich findet die sonderbare Auffassung, dass
die Befugniss des Rheinpfalzgrafen sich nur auf die links
rheinischen Reichstheile erstreckt, doch nur eine genügende
Erklärung, wenn die Vertretung in Baiern und Schwaben dem
Herzoge von Baiern zugedacht war; war der Pfalzgraf zugleich
Herzog von Baiern, so erklärt es sich leicht, wenn der Ver
fasser da nicht schärfer schied.
Es wird nun weiter zu beachten sein, dass nach Erwägung
aller Umstände S. uns hier nicht allein den ursprünglicheren,
sondern auch den ursprünglichsten Text erhalten haben muss.
Es ist die Annahme offenbar nicht zulässig, es habe auch hier,
wie bei den früher besprochenen Stellen, eine noch ursprüng
lichere, auf den König von Böhmen berechnete Lesart gegeben,
836
Ficker.
welche sich nur zufällig' in keinem unserer Texte erhalten habe.
Dort genügte die einfache Ersetzung des einen Fürsten durch
den andern, verbunden mit einigen Auslassungen; und trotzdem
wusste man nicht einmal die Aenderung so genügend durch
zuführen, dass nicht Reste der zunächst auf den König von
Böhmen berechneten Fassung zurückgeblieben wären. Hier
dagegen ist die Annahme solcher Aenderung dadurch ausge
schlossen, dass die Fassung fast des ganzen Abschnittes sicht
lich von vornherein auf den Herzog von Baiern als Schenken
berechnet, bei der ganzen Anlage gar nicht abzusehen ist, wie
hier eine bezügliche Aenderung hätte vorgenommen werden
können, die dann überdies mit solchem Geschick hätte durch
geführt sein müssen, dass sie sich nicht durch die geringste
Spur bemerklich machte. Es wäre denkbar, dass der betreffende
Tlieil von Lhr. 41 einem ursprünglichsten Schwabenspiegel
überhaupt gefehlt hätte; nicht aber, dass er dort eine auf den
König von Böhmen berechnete Fassung gehabt hätte.
Es fragt sich nun, wie es zu erklären ist, dass ein und
dasselbe Werk in seiner ursprünglichen Fassung hier den König
von Böhmen, dort den Herzog von Baiern als Schenken be
trachtete. Da die unserer Ansicht nach ursprünglichsten Les
arten nicht in ein und demselben Texte nachzuweisen sind,
S. überall den Herzog von Baiern nennt, die ältesten Drucke
aber schon den Marschall statt des Schenken haben, so könnte
das allerdings die Annahme nahe legen, es habe einen nur auf
Böhmen berechneten ältesten Text gegeben, in welchem Lhr. 41b
überhaupt noch nicht vorkam, welches dann in den ältesten
Drucken aus einem spätem Texte ergänzt wäre. Eine weitere
Unterstützung für diese Annahme scheint sich aber nirgends
zu ergeben. Es mögen einzelne Theile des Werkes erheblich
früher entstanden, es mögen insbesondere solche Stellen, welche,
wie die fragliche, nicht anf dem Deutschenspiegel beruhen, erst
später gearbeitet sein. Aber nichts deutet darauf, dass das
Werk in einer unvollständigem früheren Gestalt schon in Um
lauf gekommen sei. Insbesondere scheint Lhr. 41 b nirgends
zu fehlen. Auch dass es sich hier um eine Stelle des Lehn
rechtes handelt, fällt nicht ins Gewicht; denn eben auch im
Lehnrecht fanden wir an anderer Stelle den König von Böhmen
in ursprünglicher Fassung, es kann nicht etwa überhaupt erst
Ueber die Entstelmngszeit des Schwabenspiegels.
837
gearbeitet sein, als dieser im Landrecht bereits durch den
Herzog von Baiern ersetzt war. Insbesondere aber spricht der
Bestand des Textes, in welchem wir die Nennung von Böhmen
als ursprünglich zu betrachten haben, durchaus gegen das
Zurückgehen auf eine noch unvollständige Gestaltung des
Werkes; der Text der alten Drucke ist eine der vollsten
Formen, enthält fast alles, was erweislich dem Urtexte ange
hörig in spätem Formen ausgelassen wurde, und es würde sich
leicht nachweisen lassen, wie durchaus unwahrscheinlich es
sein müsse, dass seine Vollständigkeit durch spätere Ergänzung
einer ursprünglich unvollständigeren Form gewonnen wurde.
Sollte aber dennoch, was mir ganz unwahrscheinlich ist, eine
unvollständige Form, der insbesondere Lhr. 41 fehlte, schon in
Umlauf gekommen sein, so würde auch das für unsern näch
sten Zweck wenig ins Gewicht fallen, da es sich nicht um die
Entstehungszeit irgendwelcher Vorstufe, sondern des vollständig
ausgewachsenen Werkes handelt, für welche dann Lhr. 41 nicht
minder massgebend bleiben würde.
Die Erwägung aller Umstände ergibt doch als das durch
aus Wahrscheinlichere, dass wirklich der zuerst in Umlauf
gekommene Text an einzelnen Stellen noch den König von
Böhmen nannte, an einer andern bereits den Herzog von Baiern
im Auge hatte. Und gar so unerklärlich ist das doch nicht.
Als der Verfasser Ldr. 130 und Lhr. 8 arbeitete, hatte er den
Deutschenspiegel vor sich, liess sich zunächst durch diesen
leiten. Dass dagegen Lhr. 41 ganz selbstständig gearbeitet ist,
möchte ich nicht gerade in erster Reihe betonen. Aber ist
schon nach der Stellung im Werke selbst eine spätere Ab
fassung anzunehmen, so kann es sich da auch um einen ver-
hältnissmässig erheblichem Zeitabstand handeln, wenn, wie doch
leicht der Fall sein mochte, die Arbeit nicht gerade in Mass-
gabe der schliesslichen Ordnung vorschritt, sondern die ganz
selbstständigen Abschnitte vielleicht erst nach "V erarbeitung des
im Deutschenspiegel Vorliegenden eingeschoben wurden. War
der Verfasser inzwischen auf den Anspruch Baierns aufmerksam
geworden, ging er auf denselben ein, so waren nun allerdings
die bezüglichen früheren Stellen zu ändern. Bei den ersten in
Umlauf gekommenen Texten wird das übersehen sein. Dann
muss man freilich sehr bald darauf aufmerksam geworden sein,
—
*
838
Ficker.
da sich ja nur in einem einzigen der erhaltenen Texte die un-
geänderte Fassung erhalten hat.
Es bedarf nun kaum eines Hinweises, wie überaus wichtig
gerade diese Umstände für die Bestimmung der Entstehungs-
zeit sind. Das, was den Verfasser bestimmte, Kurstimme und
Schenkenamt nicht mehr dem Könige von Böhmen zuzusprechen,
muss in die Zeit fallen, wo er mit seiner Arbeit beschäftigt
war; und da sich die entscheidende Stelle in einem spätem
Tlieile findet, muss das Werk seihst bald nachher vollendet
sein. Um so wichtiger ist es, die veranlassende Thatsache
festzustellen.
In dieser Beziehung ist hingewiesen auf die Wahl Richards,
auf die Wahl Rudolfs, und auf den Augsburger Reichstag von
1275. Glaube ich mich für das letztere entscheiden zu sollen,
so wird es nicht nöthig sein, genauer auf die Frage der haie-
risclien Kur einzugehen. Gerade darüber ist in letzter Zeit so
viel geschrieben, dass eine Einsichtnahme der bezüglichen
Arbeiten und der in ihnen angeführten Belege leicht Jeden in
den Stand setzen wird, sich selbst ein bestimmteres Urtheil
darüber zu bilden, in wie weit die für meine Ansicht mass
gebenden Gesichtspunkte den uns erhaltenen Quellenzeugnissen
entsprechen, wenn ich sie auch zum Theil nur kurz andeute.
Die Wahl Richards kann, wie ich denke, gar nicht in
Frage kommen. Es handelt sich hier ja nicht darum, seit
wann eine Veranlassung vorlag, dem Herzoge von Baiern über
haupt eine Stimme bei der Wahl zuzusprechen; dazu hätte
nüthigenfalls die Theilnahme Heinrichs an der Wahl Richards
genügen mögen. Auch nicht darum, seit wann von einer Sieben
zahl ausschliesslicher Kurfürsten die Rede sein konnte; es ist
zweifellos zuzugeben, dass dieser Umstand die Annahme der
Abfassung schon unter Richard in keiner Weise verbieten würde.
Die Frage ist vielmehr genauer dahin zu stellen, seit wann fin
den Verfasser Veranlassung vorlag, dem Herzoge von Baiern
eine von den schon auf die geschlossene Siebenzahl abge-
gränzten Stimmen, und zwar gerade diejenige zuzuschreiben,
welche man anderweitig dem Böhmenkönige zugestand. Dass
dazu aber die Wahl Richards keinen Anlass bieten konnte,
wird nach dem gegenwärtigen Stande der Forschung keiner
nähern Begründung bedürfen. Hatte früher insbesondere Busson,
Uober die Entsteliungszeit des Schwabenspiegels.
839
Die Doppelwalil des Jahres 1257 S. 120, diesen Umstand be
stimmter ins Auge gefasst, so erkennt Schirrmacher, Die Ent
stehung des Kurfürstencollegium S. 89, aufs unumwundenste
an, dass jener die Frage mit überzeugenden Gründen gelöst
habe. Scheint Schirrmacher geneigt, die Theilnahme Heinrichs
noch auf das alte Recht aller Fürsten bei der Wahl zurück
zuführen, so erklären Hädicke, Kurrecht und Erzamt S. 37,
und Wilmans, Die Reorganisation des Kurfürstencollegium S. 54,
dieselbe aus seinen Ansprüchen auf die pfälzische Kurstimme.
Was da richtiger, mag für unsern Zweck dahingestellt bleiben;
für diesen genügt es zu betonen, dass alle, welche sich in letzter
Zeit eingehender mit der Frage beschäftigten, darin überein
stimmen, dass von einer Auffassung, wonach 1257 vom Herzoge
von Baiern die sonst dem Böhmenkönige zugesprochene Kur
stimme geführt oder beansprucht sei, nicht die Rede sein könne.
In allen Aufzeichnungen aus der Zeit König Richards erscheint
denn auch der Böhmenkönig als der siebte Kurfürst; von An
sprüchen des Herzogs von Baiern als solchen auf eine der
sieben Kurstimmen ist vor der Wahl Rudolfs nirgends die Rede.
Es ist gar nicht abzusehen, was in dieser Zeit den von seiner
Vorlage so sehr abhängigen Verfasser des Schwabenspiegels
hätte veranlassen sollen, die anfangs auch von ihm noch fest
gehaltene allgemeine Ansicht zu Gunsten des Herzogs von
Baiern zu ändern.
Dazu konnte erst die Wahl Rudolfs Anlass bieten, wenig
stens wenn sie wirklich so erfolgte, wie die Urkunde von 1275
angibt, vocibus eorundem fratrum, ducum Bawarie, comitum
palatinorum Reni, ratione ducatus pro una in septem principum
ins in electione regis Romanorum habentium numero computatis.
Ist hier die Sicbenzahl ausdrücklich festgehalten, war keine
andere Stimme in Frage, so ist das allerdings gleichbedeutend
mit der Ersetzung von Böhmen durch Baiern.
Dennoch möchte ich annehmen, dass nicht schon die Wahl
selbst, sondern erst der auf dieselbe bezügliche Vorgang auf
dem Reichstage zu Augsburg Veranlassung für den Spiegler
wurde, auf jene geänderte Ansicht einzugehen. So weit wir
das Hauptgewicht unserer Beweisführung nur darauf legen, dass
das Rechtsbuch erst nach der Wahl Rudolfs vollendet sei, würde
der Unterschied allerdings ohne Bedeutung sein. Aber abgesehen
840
Ficker.
davon, dass es doch überhaupt wiinschenswerth ist, die Ent
stehungszeit möglichst genau festzustellen, wird das hier eben
nach Massgabe unserer früheren Untersuchung doppelt wün-
schenswerth sein müssen. Bot die Wahl selbst dem Spiegler
die Veranlassung-, so müsste, da auch er anfangs noch den
Böhmenkönig im Auge hatte, ein grosser Theil seines Werkes
schon vor der Wahl geschrieben gewesen sein; und das würde
für die Würdigung mancher Stellen sehr ins Gewicht fallen.
Es wird nun zunächst doch sehr zu bezweifeln sein, dass
beim Wahlvorgange selbst die Ersetzung Böhmens durch Baiern
schon so bestimmt zum Ausdrucke kam, als man das später
in der Urkunde darzustellen für gut fand. Sehen wir von
dieser ab, so fehlt uns jedes Zeugniss dafür, dass 1273 die
Kurstimme zwischen Böhmen und Baiern streitig war, dass der
Herzog statt des Königs zur Wahl gelassen wurde. Hätten
die Procuratoren Ottokars sich bereit erklärt, gleichfalls für
Rudolf zu stimmen, beziehungsweise in diesem Sinne ihre
Stimme auf den Pfalzgrafen zu übertragen, so würde schwer
lich irgend jemand das bestritten haben; musste oder w-ollte
man trotzdem Ansprüche Herzog Heinrichs, bei denen es sich
in erster Reihe wohl nur um eine Bestreitung des ausschliess
lichen Rechtes seines Bruders handelte, berücksichtigen, so
würde das voraussichtlich in einer Weise geschehen sein,
welcher jede bestimmtere Beziehung gerade auf die böhmische
Stimme gefehlt haben würde. Wurde diese nicht für Rudolf
abgegeben, ergab sich damit die Möglichkeit, eine baierische
Stimme zuzulassen, ohne die Siebenzahl zu überschreiten, so
wird erst dadurch überhaupt zum erstenmale Veranlassung zu
der Auffassung geboten gewesen sein, dass es gerade die böh
mische Stimme sei, welche durch die Anerkennung einer baie-
rischen Stimme in Frage gestellt werde. Und das kann docli
schwerlich schon bei der Wald selbst in voller Schärfe zum
Ausdrucke gelangt sein. Wie wäre es sonst denkbar, dass
Ottokar, der die Wahl bestritt, nicht gerade diesen Umstand
gegen ihre Rechtmässigkeit geltend gemacht hätte? dass er in
seinem Klageschreiben an den Pabst mit keinem Worte an
deutet, dass man ihm die Stimme bestritten, dass eine unbe
rechtigte zur Wahl zugelassen sei, sondern dass er, zweifellos
von der Anschauung der Nothwendigkeit einer einraiithigen
Ueber die Eutsteliungszeifc des Schwabenspiegels.
841
Wahl ausgehend, dieselbe desshalb angreift, weil trotz des Ein
spruches seiner Boten eine ungeeignete Person gewählt sei?
Der Gedanke liegt da doch sehr nahe, dass man in der Beur
kundung von 1275 die Thatsache nicht gerade entstellt, wohl
aber in ein anderes Licht gerückt, ihr erst jetzt die Bedeutung
der Ausschliessung der einen Stimme durch die andere unter
gelegt, den Protest, den die Boten Rudolfs gegen die Wahl
überhaupt erhoben, gerade auf die Abgabe einer Stimme für
Baiern bezogen habe. Insbesondere die Unklarheit des Rechtes
der wittelsbachischen Brüder in ihren Beziehungen zu einander
ermöglichte da sehr leicht eine verschiedene Auffassung der
selben Thatsachen. Hatte Heinrich auch an der Wahl von
1257 theilgenommen, ohne dass dadurch das Recht Böhmens
irgend in Frage gestellt war, so mochte man um so leichter
böhmischerseits jetzt erst nachträglich darauf aufmerksam
werden, dass sich aus der Zulassung Baierns 1273 die Ver
neinung des eigenen Rechts folgern lasse.
Wenn aber auch wirklich schon 1273 von den Kurfürsten
ausdrücklich entschieden sein sollte, dass gerade die sonst
Böhmen zugesprochene Stimme für Baiern zu führen sei, so
muss es doch sehr fraglich sein, ob diese Auffassung, wonach
Böhmen nicht allein thatsächlich nicht für Rudolf stimmte,
sondern überhaupt nicht stimmen durfte, nun so bekannt wurde,
dass ein im Süden schreibender Verfasser daraufhin von der
bisher festgehaltenen Ansicht abwich. Kein Geschichtschreiber
weiss von einem Ausschlüsse Böhmens von der Wahl; selbst
die, wenigstens von Schirrmacher S. 117 so gedeuteten Worte
rege, Bohemiae dempto scheinen nur ein späterer Zusatz zur
Erzählung des Matthias von Neuenburg zu sein; so weit von
den Geschichtschreibern des Böhmenkönigs bei der Wahl ge
dacht wird, ist nirgends von seinem Ausschlüsse, wohl aber
von seiner Nichtzustimmung die Rede, wonach er also als
Wähler betrachtet wird; vgl. Lorenz in den Sitzungsber. 17, 206.
Ungleich wahrscheinlicher ist es doch, dass auch für den
Spiegler erst der Vorgang zu Augsburg massgebend war. Hier
handelt es sich ganz bestimmt darum, ob den Herzogen von
Baiern gerade die sonst Böhmen zugesprochene Stimme zu
kommt; es entsteht darüber ein Streit unter den beiderseitigen
Boten, und nach allem Gesagten ist es doch sehr wahrscheinlich,
842
Ficker.
dass man hier zuerst allseitig' von der Auffassung ausging,
dass wegen der geschlossenen Siebenzahl das Recht des einen
das des andern nothwendig ausschliesse. Und dazu kommt
nun noch insbesondere, dass der Verfasser gerade zu Augsburg
schrieb, dass das, was am Orte selbst vorging, sogleich zu
seiner Kunde kommen musste, dass er sich der Beachtung des
selben nicht wohl entziehen konnte, während es ganz unwahr
scheinlich ist, dass die Ausschliessung Böhmens bei der Wahl
selbst, wenn sie überhaupt in jenem Sinne stattfand, in weitern
Kreisen Beachtung fand oder auch nur bekannt wurde.
Da Laband a. a. 0. 22 gegen die Annahme, die Vorgänge
von 1273 oder 1275 seien für den Spiegler massgebend ge
wesen, geltend macht, dass derselbe das Kurrecht Baierns auf
das Schenkenamt stützt, wovon damals gar nicht die Rede ge
wesen sei, so wird es nöthig sein, diesen Punkt noch insbeson
dere ins Auge zu fassen. Es ist ganz richtig, dass uns jedes
Zeugniss dafür fehlt, für Baiern sei 1273 und 1275 ausser der
Kurstimme auch das Schenkenamt beansprucht. Aber eben so
wenig ist davon doch auch in früherer Zeit jemals die Rede.
Dagegen kann nach den bezüglichen Urkunden König Rudolfs
von 1289 und 1290 gar nicht bezweifelt werden, dass in der
Zwischenzeit Böhmen auch das Schenkenamt bestritten war;
denn dieses, nicht die Kur tritt dabei ganz in den Vordergrund.
Will man daher diesen Umstand überhaupt als massgebend
betrachten, so lässt er sich nur für unsere Ansicht verwerthen,
insofern sich daraus Entstellung zwischen 1275 und 1289 er
geben würde. Behufs genauerer Feststellung der Entstehungs-
zeit würde umgekehrt vielmehr nur zu erwägen sein, ob der
Umstand uns erlaubt, die Abfassung schon in das Jahr 1275
zu setzen, auf welches andere Haltpunkte hinweisen.
Auf den ersten Blick scheinen sich da allerdings Bedenken
zu ergeben. Wenn mit der Kurstimme 1275 nicht auch das
Schenkenamt Baiern zugesprochen wurde, so kann das nicht
befremden. Das Amt stand seit so langer Zeit unbestritten
dem Könige von Böhmen zu, dass nur etwa für den Fall, dass
dieser es mit seinen übrigen Reichslehen verwirkte, daran ge
dacht werden konnte, es auf Baiern zu übertragen. Die Aecli-
tung Ottokars scheint nicht vor Juni 1276 erfolgt zu sein;
vgl. Lorenz, Deutsche 0. 2, 136. Jetzt stand das Amt allerdings
Ueber die Entstehungszeit des Schwabenspiegels.
843
dem Könige zur Verfügung; und es wäre möglich, dass es etwa
im September 1276 bei der Einigung Rudolfs mit dem Herzoge
Heinrich, deren Bedingungen uns nicht genauer bekannt sind,
Baiern in Aussicht gestellt wurde. Es könnte das den Schluss
nahe legen, der Schwabenspiegel sei erst nach dem Jahre 1276
entstanden, weil damals zuerst die rechtliche Möglichkeit eines
Ueberganges des Schenkenamtes auf Baiern vorlag.
Aber ich denke, dieser Schluss würde sich doch kaum
rechtfertigen lassen. Dass der Uebergang wirklich erfolgte,
ist durchaus unwahrscheinlich. Der Andeutung des Johann
von Viktring, Ottokar habe die österreichischen Lande gegen
Zurückstellung des Schenkenamtes aufgegeben, möchte ich
nicht einmal die Bedeutung beilegen, dass das Amt damals
besonders in Frage gekommen wäre. Denn dann müssten wir
dasselbe doch auch bei dem Friedensabschlusse betont finden,
was nicht der Fall ist. Es heisst hier einfach, der König soll
Ottokar belehnen de omnibus feudis, videlicet Boemia, Moravia
et aliis quibuscumque, que progenitores sui et ipse ab imperio de
iure noscuntur habere. Das schliesst einfach das Schenkenamt
ein, es sei denn, dass dasselbe schon ganz unabhängig von der
Aechtung bestritten war. Dafür aber fehlt, vom Schwaben
spiegel abgesehen, jedes Zeugniss; und war es dennoch der
Fall, so konnte der Umstand nicht wohl unerwähnt bleiben.
Man könnte dagegen einwenden, dann habe auch die Kurstimme
im Frieden erwähnt werden müssen. Aber das Verhältnis
ist doch ein anderes. Bezüglich des reichslehnbaren Amtes
konnte der König sich verpflichten; die Zulassung zur Wahl
war zunächst Sache der Kurfürsten.
Von einem Schenkenamte des Herzogs von Baiern wissen
wir lediglich aus dem Schwabenspiegel, dann aus der bekannten
Stelle im Lohengrin, deren Verfasser unmittelbar durch die
Angabe des Schwabenspiegels beeinflusst sein wird, wie ich
das wenigstens nach der Art und Weise, wie er die Erzkanzler
ämter anführt, nicht bezweifeln möchte. Das muss doch die
Annahme sehr nahe legen, dass es gerade nur das rasch ver
breitete Rechtsbuch gewesen sein wird, durch welches die An
sicht auf kam, dem Herzoge von Baiern gebühre das Schenken
amt, und sich so festsetzte, dass man es für nöthig hielt, das
früher unseres Wissens nie bestrittene Recht des Königs von
«44
Ficker.
Böhmen 1289 ausdrücklich festzustellen. Freilich musste dann
für den Spieg-ler selbst irgendwelche Veranlassung vorliegen,
Baiern das Amt zuzusprechen. Diese war aber meiner Ansicht
nach 1275 hinreichend geboten.
Allerdings legt Laband a. a. 0. 22 Gewicht darauf, der
Verfasser könne die Urkunde von 1275 gar nicht gekannt
haben, da in dieser den Herzogen von Baiern die Stimme nicht
als Schenken, sondern ausdrücklich ratione ducatus, als National
herzogen zuerkannt sei. Dem gegenüber möchte ich mich un
bedingt der Ansicht anschliessen, dass der Ducat hier keines
wegs im Gegensätze zum Schenkenamte, sondern im Gegensätze
zur Pfalzgrafschaft betont ist. Weiter aber macht uns der
Spiegler gewiss nicht den Eindruck, dass er sich viel um Ur
kunden und die genaue Fassung derselben kümmerte. Der
Wortlaut der Urkunde mag ihm ganz unbekannt geblieben sein.
Massgebend wird für ihn gewesen sein, was damals zu Augs
burg selbst über die Vorgänge auf dem Hoftage erzählt wurde.
Der Kern der Sache war der, dass auf dem Tage zwischen
den böhmischen und baierischen Boten ein Streit um das Kur
recht ausbrach und darauf durch Kundschaft der Fürsten fest
gestellt wurde, man habe bei der letzten Wahl Baiern, also
nicht Böhmen, die siebte Stimme zuerkannt. Mag man der
Urkunde nun diese oder jene Tragweite beilegen, für einen
Augsburger, der keinen Grund hatte, anderer Meinung zu sein,
bei dem umgekehrt Begünstigung baierischer Ansprüche voraus
zusetzen ist, musste das die Bedeutung haben, dass von nun
an nicht mehr der König von Böhmen, sondern der Herzog
von Baiern als siebter Kurfürst zu betrachten sei. Kur und
Amt brachte man längst in nächste Verbindung; war auf dem
Tage selbst auch vom Amte gar nicht die Rede gewesen, so
konnte es selbstverständlich scheinen, dass der Herzog nun
auch der Schenk sei. Und wurde dieser weitere Schritt nicht
schon anderweitig gemacht, so lag er jedenfalls für den Spiegler
ganz nahe. In seiner Vorlage fand sich der König von Böhmen
gerade als Schenk den für die Wahl in Betracht kommenden
Fürsten zugezählt; er selbst hatte sich dem in dem bereits ge
fertigten Theile seines Werkes augeschlossen; für ihn fielen
der siebte Wähler und der Schenk durchaus zusammen; war
der Herzog von Baiern gegen die böhmischen Ansprüche als
Ueber die Entstehungszeit des Schwabenspiegels.
845
Wähler anerkannt, so war er damit für den Spieglet' auch der
Schenk. Und so wird es doch nicht befremden können, wenn
er in dem ganz selbstständig' gearbeiteten Abschnitte Lhr. 41
schlechtweg den Schenken nennt, wo er zweifellos den Herzog
im Auge hat; wenn weiter bei der wohl ganz kurz nach Ausgabe
des Werkes erfolgten Aenderung der früheren bezüglichen
Stellen trotz der Ersetzung von Böhmen durch Baiern die An
gabe über das Schenkenamt ungeändert belassen wurde.
Als Schlussergebniss glaube ich festhalten zu dürfen, dass
Ldr. 130 und Lhr. 8 noch vor, Lhr. 41 aber bereits nach Mai
1275 abgefasst wurden. Die Erörterung über die Hoftage in
Bischofsstädten ergab, dass Ldr. 137 nicht lange nach November
1274 geschrieben sein müsse. Beide Ergebnisse wurden durch
aus unabhängig von einander gewonnen. Wie sehr nun ihr
überraschendes Ineinandergreifen das Gewicht der Beweis
führungen erhöhen muss, bedarf keiner Ausführung.
III.
Ueber die Wählbarkeit zum Könige heisst es Ldr. 123:
Die fürsten suln kiesen einen kiunig, der ein vrier herre si unde
also vri, duz sin vater und sin müter vri gewesen si, und der
vater und der müter vri gewesen si, und suln mit mitel vrien
sin; si suln nut sin man, ivan der phaffen fürsten man, unde
suln mitel vrien ze man hau. In der entsprechenden Stelle
Dsp. Ldr. 296 heisst es in Uebereinstimmung mit dem Sachsen
spiegel nur: Der chunich sol sein vrei und rechte geborn, so daz
er sein reht auch behalten habe. Die Vorlag'e gab also nur den
Anhalt; in ihrer genaueren Fassung ist die Stelle selbstständige
Arbeit des Verfassers des Schwabenspiegels. Und zwar eine
recht sonderbare Arbeit, wenn man den Inhalt etwas näher ins
Auge fasst.
Der Sachsenspiegel beschränkt sich auf die Betonung der
rein landrechtlichen Momente der freien und ehelichen Geburt
und der Vollkommenheit am Rechte. Ob er damit gerade habe
sagen wollen, auch der freie Bauer könne König werden, mag
dahingestellt bleiben; das Minimum, welches er verlangt, hat
seine Bedeutung, wenn er dabei auch etwa nur an den Königs-
sohn dachte, der ja von unfreier Mutter oder unehelich geboren
846
Ficker.
sein oder sein Recht verwirkt haben konnte. Die vorwiegend
auf lehnrechtlichen Gesichtspunkten beruhenden Standesunter
schiede, wie sie für das dreizehnte Jahrhundert vorzugsweise
massgebend waren, lässt er einfach unberührt.
Dagegen wird nun gerade im engsten Anschlüsse an diese
im Schwabenspiegel die Wählbarkeit enger begränzt. Fänden
wir da etwa die Angabe, der Gewählte müsse dem ersten Stande,
dem Fürsten stände, angehören, so würde das selbst bei An
nahme einer Entstehung nach 1247, aber vor 1273 kaum auf
fallen können. Nach dem Tode Heinrich Raspe’s wurde aller
dings die Krone angeblich zuerst dem Grafen von Geldern
angeboten, dann der Graf von Holland wirklich gewählt; beide
gehörten dem Fürstenstande nicht an, sondern dem der freien
Herren. Da es sich dabei um eine Parteiwahl handelte, liess
sich das immerhin als Unregelmässigkeit auffassen, zumal in
Gegenden, wo Wilhelm nicht anerkannt war. Denn ich möchte
doch kaum bezweifeln, dass man es früher als selbstverständ
lich betrachtete, dass der zu Wählende Genosse der Fürsten
sein müsse. Von jener Ausnahme abgesehen gehören bis 1273
alle, die überhaupt als Candidaten für den Thron genannt
werden, entweder dem Reichsfürstenstande an, oder sind doch,
wie die bis 1235 ausser dem Reichslehuverbande stehenden
Welfen oder wie die Mitglieder fremder Königshäuser, als Ge
nossen der Fürsten zu betrachten. Dass man auf den Um
stand auch später noch Gewicht legte, dafür scheint besonders
bezeichnend, dass 1273 und wieder 1308 ein Graf von Anhalt
als Candidat in Frage kam; handelt es sich da um das einzige
dem Fürstenstande angehörende Grafenhaus, so ist für die Can-
didatur kaum ein anderes Motiv abzusehen, als dass man zwar
einen Mindermächtigen wollte, sich aber doch scheute, in die
Reihe der Nichtgenossen hinabzugreifen.
Andererseits würde es freilich auch bei Annahme der Ent
stehung vor 1273 nicht auffallen können, wenn der Schwaben
spiegel auch den freien Herrn schlechtweg als wählbar erklärte.
Es wäre ja immerhin denkbar, dass man wenigstens theoretisch
an dem Satze festgehalten hätte, dass Freiheit für die Wähl
barkeit genüge, was dann wenigstens für den Süden dem Stande
der freien Herren entsprechen würde, insofern man dabei still
schweigend die Ritterbürtigkeit voraussetzte. So wird auch im
TJeber die Entsteliungszeit des Sclrwabenspiegels.
847
Friedensgesetze von 1235 vom Hofjustitiar nicht der Fürsten
stand, sondern nur verlangt, dass er libere conditionis sei, wo
bei man natürlich nur' die freien Herren im Auge hatte. Aber
auch wenn der Spiegler sieh gar nicht von einem allgemein
anerkannten Satze leiten liess, wenn er seine Angabe nur auf
die Thatsachen stützte, so hätte die Wahl Wilhelms immerhin
ausreichen mögen, um auch den freien Herrn für wahlfähig zu
erklären.
Was die Stelle so überaus auffallend macht, ist nicht,
dass den freien Herren überhaupt Wahlfähigkeit zugestanden,
sondern dass sie ihnen nur unter Bedingungen zugesprochen
wird, welche bei der Masse der freien Herren gar nicht zu
trafen. Für die Auffassung der Angaben des Schwabenspiegels
über Standesverhältnisse, von der ich bei der Erörterung aus
gehe, werde ich auf die Untersuchung in einer früheren Arbeit,
Vom Heerschilde 145 ff., verweisen dürfen. Sind gegen die
selbe Einwendungen erhoben, so hoffe ich an anderm Orte mit
voller Sicherheit nachweisen zu können, dass dieselben, wenn
sie auch in gewisser Beziehung berechtigt sind, doch die Er
gebnisse, welche hier beachtenswerth sind, nicht in Frage stellen
können.
Im allgemeinen kennen die süddeutschen Quellen zwischen
dem Fürsten und dem Ministerialen nur einen Stand, den der
freien Herren, für welchen das Zusammenkommen der Eigen
schaften der Freiheit und der Ritterbürtigkeit massgebend ist.
Der Schwabenspiegel nun unterscheidet da nach dem Vorgänge
des Deutschenspiegels noch weiter zwischen Semperfreien oder
Hochfreien, welche er zuweilen insbesondere als freie Herren
bezeichnet, und Mittelfreien. Der Scheidungsgrund ist ein rein
lehn rechtlicher; Hochfreie sind die freien Herren, welche nur
von Fürsten belehnt sind; die freien Herren, welche auch der
Hochfreien Mannen geworden sind, sind Mittelfreie.
Schliesst nun der Schwabenspiegel die Mittelfreien von
der Wahl aus, so muss schon das im höchsten Grade auffallen,
wenigstens dann, wenn wir in der Angabe nicht eine blosse
persönliche Auffassung des Verfassers, sondern geltendes Reichs
recht sehen wollen. Zunächst ist diese Scheidung der freien
Herren in zwei Stände dem sonstigen Sprachgebrauch,?» der Zeit
überhaupt fremd; wo nicht etwa wegen des Amtstitels die
Sitzungsber. d. pliil.-hist. CI. LXXYII. Bd. IY. Hft. 54
t
848 Ficker.
Grafen besonders hervorgehoben werden, ist schlechtweg von
freien Herren die Rede. Dann aber wäre doch kaum anzu
nehmen, dass man den bedeutenden Sprung vom Fürsten zum
freien Herrn nicht gescheut, wohl aber vor der Scheide zwischen
Hochfreien und Mittelfreien eingehalten haben sollte; wollte
man sich nicht auf den Fürstenstand beschränken, so war
nichts natürlicher, als den freien Herrn schlechtweg als wähl
bar zu erklären. Schon diese Umstände dürften doch für die
Annahme genügen, dass uns hier nicht hergebrachtes Reichs
recht, sondern zunächst nur eine Ansicht des Verfassers vor
liegt. Dann freilich kann es weniger befremden, wenn er
einen auch sonst von ihm betonten Unterschied hier gleichfalls
zur Geltung bringt.
Aber das genügt ihm nicht. Er macht noch weitere Unter
scheidungen, die sonst selbst von ihm nie betont werden. Auch
nicht alle Hochfreien sind wählbar. Zunächst nur solche, welche
Mittelfreie zu Mannen hatten. Dadurch sind alle freien Herren
ausgeschlossen, welche zwar selbst nur Lehen von Fürsten, aber
keine andern freien Herren zu Mannen hatten. Da aber letzteres
ein keineswegs selten vorkommendes Verhältniss gewesen zu
sein scheint, so mag immerhin eine grosse Zahl der Hochfreien
dieser Bedingung entsprochen haben.
Um so gewichtiger ist nun aber die weitere Forderung,
dass der zu Wählende nur der Pfaffenfürsten Mann sein, also
keine Lehen von Laienfürsten haben soll. Das finden wir sonst
nur als Erforderniss des Fürstenstandes betont. An den freien
Herrn wird die Forderung nie gestellt. Und die Lehens Ver
bindung war eine so vortheilhafte, von beiden Seiten so ge
suchte, dass wir wohl von vornherein annehmen dürfen, dass
jeder solche Lehensverhältnisse, welche sein Stand ihm ge
stattete, auch thatsächlich eingegangen war. Für die mächtig
sten freien Herren, auch wenn sie herzoglichen oder markgräf
lichen Titel führten, lassen sich Laienfürstenlehen nachweisen.
Sehen wir von dem Ausnahmeverhältniss der Fürstengenossen
(vgl. Heerschild 126 ff.) ab, so dürfte es überhaupt schwerlich
Nichtfürsten gegeben haben, welche nur von Pfaffenfürsten be
lehnt waren. Wenigstens in der Zeit vor der Erledigung des
Herzogthums Schwaben im Jahre 1268. Der Spiegler, wenn
er früher schrieb, hätte demnach mit der einen Hand genommen,
Ueber die Entatehungszeit des Scliwabenspiegels.
849
was er mit der andern gegeben, hätte den freien Herren die
Wählbarkeit' zugesprochen, aber das an eine Bedingung ge
knüpft, welche durchweg nur bei Fürsten zutraf.
Ich will nun nicht bestreiten, dass es einzelne Ausnahmen
geben mochte. Aber jedenfalls trifft das für Wilhelm von
Holland nicht zu, den einzigen, der bis zur Wahl Rudolfs Ver
anlassung dazu geben konnte, auch freie Herren für wählbar
zu halten. Die Grafen von Holland waren nicht blos Vasallen
der Könige von England und Schottland, sondern auch des
Herzogs von Brabant, dann insbesondere des Grafen von Flan
dern für Seeland. Wilhelm konnte nun als König nicht den
Lehnseid leisten, wollte andererseits aber auch Seeland nicht
aufgehen. Das wurde Veranlassung zu langdauernden Ver
handlungen; gelang es 1250 dem päbstlichen Legaten, ihm Auf
schub des Lehnseides zu erwirken, so suchte dann Wilhelm
1252, als er sich sicherer auf dem Throne fühlte, dem Handel
dadurch ein Ende zu machen, dass er seinerseits der Gräfin
von Flandern alle ihre Reichslehen absprach. Nun liesse sich
allerdings etwa geltend machen, die Stelle des Schwabenspiegels
sei eben von jemandem geschrieben, der Wilhelm nicht aner
kannte, der ihn damit als ungeeignet zum Könige darstellen
wollte. Das würde aber doch nur die Forderung erklären, dass
der zu Wählende keines Laienfürsten Mann sein solle, wie das
durchweg nur bei Fürsten der Fall war; dann hätte doch nichts
näher gelegen, als die Wählbarkeit einfach an den Fürsten
stand zu knüpfen, es wäre nicht abzusehen, wie jemand, der
Wilhelm nicht anerkannte, überhaupt noch von einer Wählbar
keit freier Herren reden sollte, da diese, von jenem einen Falle
abgesehen, bis 1273 nie in Frage kam. Noch Anderes liesse
sich da geltend machen; wir werden die weitere Erörterung
solcher Möglichkeiten uns ersparen dürfen, da die zutreffende
Beziehung doch kaum einem Zweifel unterliegen kann.
So sonderbar die Angaben des Scliwabenspiegels in ihrer
allgemeinen Fassung erscheinen müssen, so leicht erklären sie
sich, wenn wir annehmen, sie seien mit nächster Rücksicht auf
König Rudolf geschrieben. Gerade auf ihn passen sie aufs
genaueste. Die Grafen von Iiabsburg waren nicht Fürsten,
sondern freie Herren; und zwar gehören sie zu denjenigen,
welche der Spiegler als Semperfreie oder Hochfreie bezeichnet.
54*
850
Ficker.
Sie hatten weiter Mittelfreie zu Mannen und zwar anscheinend
in grösserer Zahl, als irgend ein anderes Grafenhaus; sind mir
ausdrückliche urkundliche Zeugnisse bekannt, wonach die Grafen
von Raperswyl, die Edeln von Rüssegg, Eschenbach, Schnabel
burg, Wessenberg, Horburg zu ihren Vasallen gehörten, so
würde sich das noch für manche andere freie Herren wahr
scheinlich machen lassen. Die weitere Forderung, nur der
Pfaffenfürsten Mann zu sein, wird freilich früher auch für die
Grafen von Habsburg nicht zugetroffen 'sein. Etwaige Lehns
verbindungen zu den Herzogen von Zähringen waren allerdings
durch das Aussterben derselben gelöst. Aber zweifellos waren,
wie wohl alle schwäbischen Grafen, die Habsburger Mannen
der Herzoge von Schwaben. Bei dom langen Zusammenfallen
von Königthum und Herzogthum konnte das Verhältniss aller
dings leicht in Vergessenheit gerathen. Aber es scheint doch
noch beachtet zu sein, als nun Konradin wieder nur Herzog
von Schwaben war. Nennt er 1269 den Grafen Rudolf seinen
jMelis (Kopp, Reichsg. 1, 885), so wird bei dem Gewichte, das
man auf den Ausdruck legte, an einer Mannschaft nicht zu
zweifeln sein. Und 1271 bei einem Abkommen Rudolfs über
die kiburgischen Lehen wird noch ausdrücklich betont, dass
dieselben von dem Reiche oder dem Herzogthume Schwaben
rühren (Kopp, Eidg. Urk. 19). Durch die Blutthat des Anjou
war dieses Verhältniss gelöst. Dass Rudolf von irgend einem
andern Laienfürsten Lehen hatte, ist weder zu erweisen, noch
irgend wahrscheinlich. Gerade die Schwierigkeiten, welche sich
für König Wilhelm aus dem Verhältnisse ergeben hatten, werden
dazu beigetragen haben, dass man es bei den Wahlverhand
lungen 1273 nicht ausser Acht liess, dass man, seit die Wahl
eines Mindermächtigen ins Auge gefasst war, einmal auf den
Grafen von Anhalt verfiel, der selbst noch Fürst war, dann
auf den Grafen von Habsburg, der in Folge besonderer Ver
hältnisse bezüglich seiner Lehnsverbindungen gerade damals den
Forderungen genügte, welche sonst in dieser Richtung nur an
den Reichsfürsten gestellt wurden.
Passen die Angaben des Schwabenspiegels, von welchen
nach dem Gesagten doch kaum in Abrede gestellt werden kann,
dass besondere Verhältnisse auf sie eingewirkt haben müssen,
nur auf Rudolf, so lag für einen diesem geneigten Verfasser
Ueber die Entstehungszeit des Schwabenspiegels.
851
auch genügsamer Grund vor, bestimmter für dessen Wahl
fähigkeit einzutreten. Zumal im Süden, wo man Wilhelm nicht
anerkannt hatte, mochte es vielfach Anstoss erregen, dass der
Gewählte nicht aus der Reihe der Fürsten genommen war, ein
Umstand, der doch auch nach der Erhebung zum Könige zu
beachten blieb; machte es sich doch jetzt zum erstenmale
geltend, dass die Söhne des Königs nicht fürstlichen Ranges
waren (Reichsfürstenstand 1, 112. 152. 179). Insbesondere aber
wird gar nicht zu bezweifeln sein, dass der Umstand von dem
die Wahl bestreitenden Ottokar geltend gemacht wurde; betont
er in seinem Beschwerdeschreiben an den Pabst ausdrücklich,
dass die andern Kurfürsten sich in quendam comitem minus
idoneum geeinigt hätten, so ist es gewiss nicht gerade die Per
sönlichkeit Rudolfs, welche er als ungeeignet bezeichnen will;
es ist zweifellos nur der Graf überhaupt, den er beanstandet;
soll doch nach dem Chronicon Sampetrinum auch Ottokars
Gemahlin bei ihren Vorwürfen nach dem Friedensschlüsse vor
allem beklagt haben, dass er sich simplici comiti unterwerfen
musste. Alles das wird damals oft genug besprochen sein;
man wird betont haben, was Rudolf, wenn er auch kein Fürst
gewesen, doch vor fast allen andern freien Herren voraus ge
habt habe. Daraufhin wird der Spiegler einen Satz formülirt
haben, der, wie er auf keine frühere Wahl passt, sich auch
bei keiner spätem beachtet zeigt; es ist begreiflich, wenn die
Wahlfürsten sich durch denselben nicht abhalten li essen, in
dem Nassauer und dem Luxemburger freie Herren zu wählen,
welche Mannen von Laienfürsten waren.
Das Gesagte wird den Schluss rechtfertigen, dass Ldr. 123
erst nach der Wahl von 1273, aber schwerlich gar lange nach
her geschrieben ist, da in der spätem Regierungszeit König
Rudolfs kaum noch Veranlassung vorlag, durch so gekünstelte
Angaben für sein Recht einzutreten. Das stimmt also wieder
mit unseren früheren, auf 1275 deutenden Ergebnissen.
IV.
Ldr. 137 werden Nürnberg und Ulm als Reichs
städte bezeichnet, indem es heisst, der König möge mit Recht
seinen Hof gebieten zu Frankfurt und zu Nürnberg und zu
852
Ficker.
Ulm und in andere Städte, welche des Reiches sind. Die An
führung' von Frankfurt wird da zu keiner Zeit auffallen können.
Wohl aber wird die Nennung von Nürnberg und Ulm von
Seiten eines zu Augsburg schreibenden Verfassers dann be
fremden müssen, wenn wir von der Annahme ausgehen, das
Rechtsbuch sei schon zur Zeit König Richards entstanden.
Zur Zeit König Lothars war es streitig, ob Nürnberg dem
Reiche oder aber als Theil der fränkischen Erbschaft den
Staufern gehöre. Wurde es während der Regierung dieser, wie
das insbesondere das Privileg von 1219 (Huillard, Hist. dipl.
2, 700) ergibt, als Reichsstadt betrachtet, so kann das nicht
auffallen. Wenigstens in den spätem Zeiten des Interregnum
aber gehörte Nürnberg Konradin, der es, wenn er auch die
Burggrafschaft 1267 als reichslehnbar anerkannte, wohl als
Erbgut beansprucht haben wird. Seit wann, wissen wir nicht
genauer; im August 1266 ersetzt er seinem Oheim Ludwig die
Unkosten, welche demselben bei Erwerbung von Stadt und
Burg Nürnberg erwachsen, ohne dass sich gerade ergäbe, die
Erwerbung sei erst kurz vorher geschehen. Nach Konradins
Tode kam dann Nürnberg mit seinem andern Gute an die Pler-
zoge von Baiern, welche es bei der Theilung von 1269 in ge
meinsamem Besitze behielten; vgl. Mon. Wittelsbac. 1, 235.
Sobald das Reich aber einen allgemein anerkannten König
hatte, scheint Nürnberg ohne weitern Widerspruch wieder als
Reichsstadt behandelt zu sein. Dass Rudolf am Tage nach
seiner Krönung unter Zustimmung des Pfalzgrafen den Burg
grafen belehnte, wird dafür allerdings nicht ins Gewicht fallen,
da die Burggrafschaft als reichslehnbar anerkannt blieb. Wohl
aber, dass der König am 1. März 1274 dem Pfalzgrafen die
einzeln aufgeführten Vergabungen Konradins bestätigt und
dabei Nürnberg übergangen wird; vgl. Mon. Wittelsb. 1, 269.
Mag es von Ulm früher zweifelhaft gewesen sein, ob es
zunächst Stadt des Reiches oder des Herzogthums sei, so ist
wohl sicher anzunehmen, dass es während des ganzen Inter
regnum von allen Nächstbetheiligten zunächst als Stadt des
Herzogthums Schwaben betrachtet wurde. Heinrich Raspe
hatte sich 1247 vergeblich bemüht, die Stadt zu unterwerfen.
In dem Vertrage, den die Bürger dann 1255 mit ihrem Vogte,
dem Grafen von Dillingen, schlossen, wird wiederholt als
Ueber die Entstehungszeit des Sclnvabenspiegels.
853
höherer Herr neben Kaiser oder König der Herzog von Schwaben
genannt, insbesondere auch bezüglich der Abhaltung von Hof
tagen. Wenn da herkömmliche Hoheitsrechte des Herzogthums
nicht bestanden, so war gewiss damals, wo der Erbe des Herzog
thums erst drei Jahre zählte, am wenigsten Veranlassung ge
boten, dieselben zu betonen. Wir werden es demnach schwer
lich nur als eine durch die Erledigung des Reiches veranlasste
Usurpation zu betrachten haben, wenn Herzog Konradin 1259
den Grafen von Würtemberg mit der ihm durch den Tod des
Grafen von Dillingen heimgefallenen Vogtei zu Ulm belehnt;
vgl. Ulmisches Urk.-B. 1, 93. 110. Zu Ulm hat er dann 1262
seinen ersten Hoftag als Herzog von Schwaben gehalten. Nach
seinem Tode fiel es freilich mit dem gesammten Herzogthume
dem Reiche heim und wird auch von Rudolf in den Privilegien
von 1274 ohne Erwähnung herzoglicher Rechte einfach als
Reichsstadt behandelt.
Im allgemeinen möchte ich nun gerade nicht bestreiten,
dass auch ein zur Zeit König Richards Schreibender diese be-
sondern Verhältnisse ausser Acht lassen, Nürnberg und Ulm
schlechtweg als Reichsstädte bezeichnen konnte. Aber bei
einem zu Augsburg schreibenden, baierisehen Ansprüchen sicht
lich geneigten Verfasser scheint mir die Annahme ganz unzu
lässig, er habe da die Ansprüche Konradins, dann seit dessen
Tode die der baierisehen Herzoge unberücksichtigt gelassen,
sei ihnen gegenüber für das Recht eines Königs eingetreten,
der in diesen Gegenden nie anerkannt war.
So weist uns auch das auf die Zeit König Rudolfs. Eine
genauere Zeitbestimmung wird sich nicht daraus gewinnen lassen.
Unter den nichtbischöflichen Städten waren Nürnberg und Ulm
an und für sich die Hoitag'sorte, an welche ein im Süden
schreibender Verfasser zunächst zu denken hatte, auch wenn
sie ihm nicht gerade durch neuere Ereignisse, wie etwa den
Nürnberger Tag von 1274, näher gelegt waren. Bei seinem
Aufenthalte zu Ulm 1274 hat der König wohl sicher keinen
grossem Tag gehalten; 1276 ist ein solcher nicht gerade un
wahrscheinlich, aber doch nicht bestimmter bezeugt; erst 1282
wird ein Hoftag zu Ulm ausdrücklich gemeldet. Der Annahme,
das Rechtsbuch sei schon 1275 geschrieben, kann das natürlich
nicht im Wege stehen.
854
Ficker.
v.
Was im Schwabenspiegel Ldr. 139 über fürstliche Hof
tage gesagt wird, ist durchaus selbstständige Arbeit des Ver
fassers. Nicht leicht wird zu verkennen sein, dass auch diese
Angaben überaus gekünstelte sind, dass der Verfasser sich da
bei schwerlich durch feststehendes Reichsherkommen leiten
liess, dass er dabei in ähnlicher Weise ganz besondere Ver
hältnisse im Auge haben musste, wie bei den Angaben über
die Wählbarkeit zum Könige. Von einem Rechte, anderen
Fürsten, insbesondere Fürstbischöfen Hof zu gebieten, konnte
schon in früherer Zeit, wenn wir von Böhmen absehen, nur
die Rede sein bei den Herzogen von Baiern und Schwaben.
Seit dem Ausgange Konradins traf das also nur noch Baiern;
und ich denke bei späterer Gelegenheit genauer nachzuweisen,
dass für die Angaben des Rechtsbuches nur die besondern
baiorischen Verhältnisse massgebend sein konnten.
Es würde sich da weiter leicht erweisen lassen, dass in
diesen Angaben vielfach weniger althergebrachte Rechte des
baierischen Herzogthums, als neuere weitgehendste Ansprüche
desselben ihren Ausdruck gefunden haben. Das stimmt nun
durchaus damit, dass nach einer Reihe von Zeugnissen gerade
zur Zeit Rudolfs unter Begünstigung des Königs eine Wieder
herstellung und Erweiterung der herzoglichen Befugnisse, ins
besondere auch den Bischöfen gegenüber, sehr bestimmt ins
Auge gefasst, theilweise auch erreicht wurde. Darauf im all
gemeinen näher einzugehen, würde hier kaum am Orte sein,
da ja der Beweis, dass jene Angaben allerdings den Verhält
nissen zur Zeit Rudolfs genau entsprechen, für unsern nächsten
Zweck keine grössere Bedeutung hätte, wenn sich nicht zu
gleich erweisen Hesse, dass entsprechende Bestrebungen vor
der Wahl Rudolfs noch nicht verfolgt sein können. Und dafür
würde es doch durchaus an Haltpunkten fehlen.
Beaehtenswerth auch für die genauere Zeitbestimmung
dürfte aber die Angabe sein: unde sitzent bischove in sinem
fürsten ampte, die suln sinen hof süchen; also sprechen vnr, ob
diu statj davon er fürste heizzet, diu in sinem fürsten ampte lit;
swie vil er anders gütes in sinem lande hat, da von suchet er
siner hoeve nut,
lieber die Entstelmngszeit des Scliwabenspiegels.
855
Liess sich der Verfasser bei dieser Angabe, wie doch
nicht zu bezweifeln sein wird, durch Verhältnisse seiner Zeit
bestimmen, so läge der Gedanke nahe, sie sei im Interesse
dieses oder jenes Biscliofes geschrieben, der sich gegen den
Besuch baierischer Hoftage sträubte. König Rudolf selbst be
zeichnet 1281 den Erzbischof von Salzburg, die Bischöfe von
Bamberg, Regensburg, Freising, Eichstädt, Augsburg, Passau
und Brixen als zum Lande Baiern gehörig (Mon. Wittelsb. 1,
338); dieselben sollten nach dem gleichfalls dieser Zeit ange
hörenden Urbarbuche des Herzogthums (Mon. Boica 36, 529)
den Hof des Herzogs zu Regensburg suchen. Da könnte nun
etwa der Verfasser den Bischof von Augsburg im Auge ge
habt haben, dessen Bischofsstadt in Schwaben lag und der
früher wohl schwäbische, nicht aber baierische Hoftage be
suchte. Aber es macht sich im Schwabenspiegel so vielfach
eine Parteinahme für baierische Ansprüche geltend, dass ich,
von anderm abgesehen, schon desshalb nicht annehmen möchte,
die Stelle sei im Interesse eines Bischofs zur Abwehr herzog
licher Anforderungen geschrieben.
Es wird vielmehr kaum zu bezweifeln sein, dass die Stelle
geschrieben ist zur Abwehr von Ansprüchen Ottokars an die
baierischen Bischöfe, also mittelbar zugleich im Interesse des
Herzogthums. Da macht sich gerade jenes Verhältniss im
weitesten Umfange geltend. Während ihre Bischofsstädte zu
Baiern gerechnet wurden, unterstanden, zumal seit Ottokar auch
Kärnthen erworben hatte, die Besitzungen vieler baierischen
Bischöfe der Hoheit des Böhmenkönigs. Dieses Verhältnisses
wegen wird derselbe sie auch als persönlich seiner Herrschaft
unterworfen betrachtet, insbesondere Suchen seiner Hoftage von
ihnen verlangt haben. Im Februar 1270 sind die Bischöfe von
Bamberg und Passau auf seinem Tage zu Wien; ebenda im
October dieselben mit dem Erzbischöfe von Salzburg und dem
Bischöfe von Freising. Im December wird der Tag zur völ
ligen Ausgleichung des Königs mit dem Erzbischöfe nach Wien,
also in die Hauptstadt des einen anberaumt; das pflegt sonst
nicht der Fall zu sein, wo es sich um gleichgestellte Fürsten
handelt. Beim Frieden mit Ungarn im Juli 1271 stehen ausser
den Bischöfen von Prag und Olmiitz auch die von Salzburg,
Passau, Freising und Regensburg für den König ein und erklären,
856
Ficker.
ihn im Falle des Friedensbruches verlassen zu wollen, wie die
ungarischen Bischöfe das bezüglich ihres Königs versprachen.
Ottokar scheint die in Oesterreich und Kärnthen begüterten
baierischen Bischöfe in ähnlicher Weise seiner Herrschaft unter
worfen betrachtet zu haben, wie das bei den Bischöfen von
Prag und Olmütz in ihren Beziehungen zum Böhmenkönige
allerdings schon lange der Fall war.
Dass der Spiegler gerade diese Verhältnisse im Auge
hatte, wird bei deren auffallendem Zusammentreffen mit seiner
Angabe kaum in Abrede zu stellen sein. Für den Terminus
a quo gibt das freilich keinen Halt; Veranlassung zu solcher
Fassung war auch vor der Wahl Rudolfs schon gegeben.
Denken wir uns aber auf Grundlage unserer früheren Unter
suchungen das Werk im Jahre 1275 entstanden, so stimmt das
ganz wohl; gerade zur Zeit des Augsburger Tages werden alle
Beschwerdepunkte gegen Ottokar vielfach erörtert sein. Mehr
Werth dürfte auf die Angabe wegen des Terminus ad quem
zu legen sein; nach der Zurückstellung der Herzogthümer
durch Ottokar im Jahre 1276 wäre kaum noch Veranlassung
gewesen, jenes Ausnahmsverhältniss zu betonen.
Dagegen scheint nun allerdings eine andere der auf fürst
liche Hoftage bezüglichen Angaben des Schwabenspiegels in
so enger Verbindung mit einem urkundlich bezeugten spätem
Vorgänge zu stehen, dass mich dieselbe früher an eine spätere
Abfassung des Werkes denken liess. Es heisst, dass im all
gemeinen der Fürst das Recht habe, Grafen, freien Herren
und Dienstmannen, welche Burgen und Städte in seinem Lande
besitzen, seinen Hof zu gebieten: und sint si in tuscher spräche
nut gesezzen, oder dar: si in ahte tagen nut dar gelangen mügen,
si sint des hoves mit relite ledic. Daran erinnert nun doch in
auffallendster Weise, wenn 1282 der Bischof von Chur bezeugt,
er habe nie gehört, dass Graf Meinhard von Tirol ad ducatum
Bavarie vel Suevie pertinere oder iuri extra. Montana exstitisse;
er wisse vielmehr, dass dessen Vorgänger sich zu Verona zu
Recht zu stellen gehabt hätten und dass der Graf seine Graf
schaft ab episcopatu Tridentino habet, qui ad Italiam. dinoscitur
pertinere; während damals auch vor dem Könige geurtheilt
wurde, der Graf voit Tirol solle mit zwei Fürsten oder Edeln
Heber die Entstellungszeit des Schwabenspiegels.
857
aus dem Gebirge erweisen, cui terre attinere debeat vel c%äns
terre iure gnudere; vgl. Molir, Cod. dipl. 2, 9. 25.
Aber einmal würde doch die Annahme der Entstehung
des Werkes in so später Zeit allen sonstigen Haltpunkten
widersprechen. Weiter handelte es sich 1282 sichtlich um
Ansprüche Baierns an Meinhard; seinem sonstigen Standpunkte
nach würde der Spiegler sich aber schwerlich beeifert haben,
für das Recht des Tiroler Grafen gegen den Herzog von
Baiern einzustehen. Ist ein Zusammenhang allerdings nicht
unwahrscheinlich, so konnte dieser sich ja eben so wohl daraus
ergeben, dass die Angabe des Rechtsbuches auf den Vorgang
von 1282, auf den ich anderweitig zurückzukommen denke,
Einfluss übte, als aus dem umgekehrten Verhältnisse. Anderer
seits ist aber jene Angabe wieder so gekünstelt, fasst ein so
selten vorkommendes Verhältniss ins Auge, dass wir billig
fragen, was den Verfasser zu derselben veranlassen konnte,
wenn sein Werk nach Massgabe der bisherigen Erörterungen
1275 entstanden ist.
Zweifellos würden auch da zunächst die Grafen von Görz
in Frage kommen; in nichtdeutschem Lande ansässig, hatten
sie doch auch in deutschen Landen ausgedehnte Besitzungen;
bei keinem anderen, dem Gesichtskreise des Verfassers näher
liegenden Grafenhause trifft das in gleicher Weise zu. Nehmen
wir an, die Stelle sei ganz entsprechend der früher besprochenen
im Interesse der Görzer Grafen gegen Anforderungen Ottokars
geschrieben, so erklärt sich dieselbe leicht. Zweifellos suchte
der Böhmenkönig auch sie als Unterthanen zu behandeln; 1270
waren beide Görzer Brüder auf dem Hoftage zu Wien, auf
welchem Ottokar zuerst als Herzog von Kärnthen auftrat. Ist
nun unsere Beziehung richtig, so wird die Stelle schwerlich
vor 1275 geschrieben sein. Denn bis dahin fehlen alle An
zeichen für einen Gegensatz zwischen den Grafen und dem
Böhmenkönig. Jetzt treten sie um so bestimmter auf; Mein
hard ist selbst auf dem Augsburger Tage anwesend, seine
Tochter wird dem Sohne Rudolfs verlobt; die Verlobung Alberts
von Görz mit der Schwester des Grafen von Oldenburg im Mai
1275 erfolgt unter Umständen, welche kaum bezweifeln lassen,
dass dieselbe darauf berechnet war, den Grafen den Gegnern
Ottokars näher zu verbinden; vgl. Lorenz, Deutsche G. 2, 121.
858
Fi cker.
Legte man damals auf die Grafen bezüglich des beabsichtigten
Vorgehens gegen Ottokar besonderes Gewicht, so wird die An
nahme gewiss nicht unwahrscheinlich sein, jene Angabe des
Schwabenspiegels sei mit nächster Rücksicht auf die eigen-
thümliche Stellung des Görzer Grafenhauses so gefasst. So
deuten auch diese Haltpunkte auf 1275 oder 1276.
VI.
Führte uns die Besprechung der Angaben über fürstliche
Hoftage auf die Annahme, der Spiegler habe sich bei denselben
durch die Rücksicht auf Beschwerden leiten lassen, welche
gerade damals gegen Ottokar erhoben wurden, und sei dabei
für die Gegner desselben eingetreten, so ist es mir nicht un
wahrscheinlich, dass auch das, was er Lhr. 4 über Gesammt-
belehnung eines Geistlichen mit dem Bruder sagt,
durch solche Rücksichtnahme bestimmt war.
Den Ausgang für die bezüglichen Angaben bot eine Stelle
des Sächsischen Lehnrechts 2 §. 6, welche der Verfasser des
Schwabenspiegels aber offenbar nicht verstand, weil in seiner
unmittelbaren Vorlage, dem Deutschenspiegel, die Worte bi höre
ausgefallen waren. Redet der Schwabenspiegel von Belehnung
durch fähige Geistliche und Frauen, nämlich Bischöfe, Aebte
und Aebtissinnen, welche das Reichsgut in Folge der Wahl
erhalten und den Heerschild davon haben, so ist das im
Schwabenspiegel auf Geistliche und Frauen überhaupt bezogen,
während die Erwähnung des Heerschildes derselben in der
Vorlage ihm dann Anlass zu der Forderung gegeben zu haben
scheint, dass sie ritterlicher Art sein sollen. Das führt ihn
dann weiter zu einer Reihe ganz selbstständiger Bemerkungen.
Er sagt, dass jeder Pfaffe von Ritterart auf Lebzeiten Lehen
haben möge, nur dass er in der Verfügung über dasselbe an
den Willen des Herrn gebunden sei. Weiter: Und hat ein
phaffe einen brüder, unde enphahet er ein lehen mit dem brüder
mit einer lehens hant, unde hat ouch mit in nutz unde gewer,
und sterbent si ane lehens erben, im. belibet daz lehen reht in
dem rehte, alse hie vor geschriben ist.
Der Inhalt dieses Satzes hat allerdings nichts auffallendes.
So weit ein Lehnrecht der Geistlichen überhaupt anerkannt
Heber die Entstellungszeit des Schwabenspiegels.
859
wird, ist natürlich nicht, abzusehen, wesshalb das bei der Ge
sammtbelehnung nicht ebenso platzgreifen soll, wie in andern
Fällen. Wir werden eher zu sagen berechtigt sein, es scheint
das so selbstverständlich, dass es auffallen kann, dass der
fepiegler es für nöthig hält, den Fall besonders zu erwähnen.
Und das um so mehr, als dieser Fall zweifellos nur höchst
selten vorkam. Die Gesammtbelehnung ist zu fassen als eine
durch Billigkeitsrücksichten veranlasste Abweichung vom älteren
strengeren Recht; ihr Zweck ist einmal, für den Unterhalt
mehrerer Brüder zu sorgen, dann beim erblosen Tode des einen
Bruders den lehnsfähigen Nachkommen der andern Erbrecht
zu gewähren, das Gut dem gesammten Mannsstamme zu er
halten. Beim geistlichen Bruder entfallen diese Gesichtspunkte;
für seinen Unterhalt war in der Regel durch Pfründen genügend
gesorgt, und wenigstens lehnsfähige Nachkommen konnte er
nicht hinterlassen. So wird der Fall der Gesammtbelehnung
des Pfaffen mit dem Bruder ein so seltener gewesen sein, dass
es, wenn auch immerhin möglich, doch sehr unwahrscheinlich
ist, dass der Spiegler ohne bestimmtere Veranlassung auf ihn
verfallen sein sollte. Deuteten nun unsere früheren Ergebnisse
auf das Jahr 1275, lässt sich weiter nachweisen, dass gerade
in diesem Jahre ein solcher Fall viel besprochen sein muss,
so wird der Schluss doch kaum zu gewagt sein, dass eben
dieser Fall die Angabe beeinflusst haben wird.
Es handelt sich um den Fall Philipps von Kärnthen, den
einzigen im ganzen Jahrhunderte, bei welchem in Fürsten
häusern die Mitbelehnung eines geistlichen Bruders vorkommt.
Es hat sich in Abschrift eine Urkunde erhalten, durch welche
König Wilhelm 1249 auf Bitten Herzog Bernhards dessen
Söhnen Ulrich und Philipp, Erwähltem von Salzburg, das
Herzogthum Kärnthen in solidum leiht, so dass, wenn Ulrich
ohne lehnsfähige Nachkommen stirbt, Philipp das Herzogthum,
wie andere Herrschaften und Würden seines Vaters erhalten
soll, ad que et qnos opere divina feliciter gubernandos habilitamus
te de nostre plenitudine regle potestatis, quiescente prorsus obiectu,
quod in Saltzburgensem archiepyscopum es electus, consecrandus
aut etiam consecratus, ac quavis legalia contraria non obstante;
Böhmer Acta selecta 297. Ich habe schon früher die Echt
heit der Urkunde zu verthejdigen gesucht; vgl. Reichsfürsten-
860
Ficker.
stand 1, 255 und die Anmerkung a. a. 0., zu der icli bemerke,
dass auch der einzige dort beanstandete Zeuge sich dadurch
richtig stellt, dass nicht, wie ich annahm, von einem Grafen
von Dietz, sondern von einem Herrn von Diest die Rede ist.
Sollte aber auch die Urkunde unecht sein, so fällt das für
unsern nächsten Zweck nicht ins Gewicht, insofern sie dann
in den folgenden Decennien gefälscht sein muss, um den An
sprüchen Philipps zur Stütze zu dienen.
Gerade 1275 nun wurden diese Ansprüche Philipps, dessen
man sich gegen Ottokar bedienen wollte, anerkannt. Am
27. Februar zeigt König Rudolf allen in Kärnthen, Krain und
der Mark an, dass er dem Philipp die Lehen geliehen habe,
que de iure debet ab imperio possidere; Böhmer Acta 323. Am
Augsburger Hoftage nimmt Philipp als Herzog von Kärnthen
Antheil. Noch im Januar 1276 erfolgte ein Rechtsspruch für
Philipp gegen den Böhmenkönig, Böhmer Acta 326; weiterhin
scheint man dann seine Ansprüche nicht mehr beachtet zu
haben. Ist unsere Deutung der Stelle überhaupt richtig, so
würde dieselbe demnach gleichfalls sehr bestimmt für Entstehung
gerade im Jahre 1275 sprechen.
VII.
In den staatsrechtlichen Abschnitten des Schwabenspiegels
tritt kaum etwas so auffallend hervor, als die ausserordentliche
Begünstigung der besonder)) Vorrechte des Pfalzgrafen
bei Rhein; nehmen wir dazu, dass, wie schon bemerkt, auch
baierische Ansprüche besonders begünstigt werden, so wird kaum
zu bezweifeln sein, dass vielfach Rücksichten auf den Pfalzgrafen
Ludwig massgebend waren, wie dieselben bei eine)» zu Augsburg
schreibenden Verfasser ja auch nicht befremden können.
Wenn der Schwabenspiegel dem Pfalzgrafen die erste
Stimme bei der Königswahl zuspricht, so folgt er dem Sachsen
spiegel. Ebenso kennt auch dieser schon den Pfalzgrafen als
Richter über den König; ein Vorrecht, das dann im Schwaben
spiegel Ldr. 121. 128. 130 wiederholt und weiter ausgeführt
wird. In allen andern Angaben ist der Verfasser selbstständig.
Nach Ldr. 130 hat der Pfalzgraf die Fürsten zur Wahl zu
entbieten; nach Ldr. 125 kann ihn der König während seiner
lieber die Entstellungszeit des Schwabenspiegels.
861
Abwesenheit zum Richter über die Fürsten setzen; nach Lhr. 41
hat er bei Abwesenheit des Königs oder wenn das Reich ohne
König ist den Bann zu leihen, weiter nach Lhr. 147 alle nicht
fürstlichen Reichslehen, wenn ein Jahr seit dem Tode des
Königs verflossen.
Auf eine genauere Untersuchung bezüglich der einzelnen
Angaben hier einzugehen, würde den nächsten Zweck kaum
fördern. Der Umstand, dass auf dem Nürnberger Tage 1274
solche weitergehende pfalzgräfliche Ansprüche zuerst, so weit
wir sehen, auch vom Reiche wenigstens in einer Richtung an
erkannt wurden, mag auf das Betonen im Schwabenspiegel ein
gewirkt haben. Aber es wird sich desshalb doch nicht be
haupten lassen, dass nicht auch früher schon davon habe die
Rede sein können; für einzelnes finden sich sogar bestimmte
frühere Zeugnisse.
Was mir für unsern Zweck zu beachten scheint, ist ein
mal, dass gerade hier, wo das doch am nächsten gelegen hätte,
der Fall zwistiger Königswahl und Thronstreites so wenig be
tont wird. Vorwiegend ist der Fall einer Abwesenheit des
Königs aus Deutschland ins Auge gefasst; dieser konnte da
durch näher gelegt sein, dass, wie schon früher bemerkt, König-
Rudolf 1275 einen Zug nach Italien beabsichtigte. Nur Lhr. 147
wird der Fall zwistiger Wahl allerdings erwähnt. Es heisst,
dass, wenn binnen Jahresfrist kein König erwählt oder wenn
bei zwistiger Wahl der Streit um das Reich binnen Jahres
frist nicht ausgetragen ist, der Pfalzgraf die Reichslohen leihen
soll. Wird dann aber weiter betont, dass die Behobenen dadurch
nicht des Pfalzgrafeu, sondern des Reichs Mannen werden, dass
der Pfalzgraf verjährte Lehen zum Nutzen des Reichs einziehen
und sie einem anerkannten Könige wieder ausliefern soll, so
wird doch auch diese Stelle eher für Entstehung in den ersten
Jahren König Rudolfs sprechen. Da der Pfalzgraf jenes Recht
wirklich geübt hatte, so mögen sich nach der Erhebung Rudolfs
Zweifel und Anstände ergeben haben, welche zur Betonung
jener, eigentlich selbstverständlichen Bestimmungen veranlassen
konnten; während des Zwischenreiches selbst war das gewiss
nicht in gleicher Weise der Fall.
Weiter aber würde die Einzel Untersuchung allerdings er
geben, dass die meisten der vom Pfalzgrafen beanspruchten
m
862
Ficker. Ueber die Eutstelmugszeit des Schwabenspiegeis.
besondern Vorrechte in ihren Wurzeln nicht über das Inter
regnum und wohl vorwiegend nicht über die spätem Zeiten
des Interregnum zurückreichen, dass sie allgemeiner, und ins
besondere auch von der Reichsgewalt, erst zur Zeit König
Rudolfs anerkannt wurden, und dass es demnach nicht wahr
scheinlich ist, dass ein Werk, welches sie in so voller Aus
bildung zeigt, wie der Schwabenspiegel, schon während des
Interregnum entstanden sei.
Fassen wir alles Gesagte zusammen, so ist das Erg eb
niss ein günstigeres, als es bei ähnlichen Untersuchungen in
der Regel zu erreichen ist. Ueberwiegend werden wir uns da
bei damit begnügen müssen, den Entstehungszeitraum auf eine
längere oder kürzere Reihe von Jahren zu begränzen. Der
besonders günstige Umstand, dass wir eine vom Verfasser als
kürzlich geschehen erwähnte Thatsache als zu Ende des Jahres
1274 fallend nachweisen können, dass weiter Ereignisse aus
dem Mai 1275 auf das begonnene, aber noch nicht vollendete
Werk eingewirkt haben müssen, ermöglicht es hier, auf ein
bestimmtes Jahr hinzuweisen. Nach Massgabe der beiden zu
erst besprochenen Haltpunkte wird das Werk im Jahre 1275,
jedenfalls nicht früher, aber schwerlich auch viel später, voll
endet sein. Damit stimmen die übrigen Untersuchungen über
ein; nirgends ergibt sich etwas, was jener Annahme wider
spräche; dagegen mannigfache Unterstützung, insofern wir uns
durchweg auf die Regierung König Rudolfs und zwar auf die
früheren Zeiten derselben hingewiesen sehen. Insbesondere
werden wir so oft an den Augsburger Reichstag im Mai 1275,
an die damaligen Vorgänge, an die Fragen, welche damals im
Vordergründe standen, erinnert, dass der Gedanke nicht abzu
weisen sein wird, der zu Augsburg lebende Verfasser sei durch
das, was damals besonderes Interesse erregte, was er damals
wohl leichter, als zu anderer Zeit, in Erfahrung bringen konnte,
bei seinen staatsrechtlichen Angaben aufs wesentlichste beein
flusst worden.
XX. SITZUNG VOM 22. JULI.
Der Vicepräsident begrüsst das neu eingetretene Mitglied
Herrn Prof. Tomaschek.
Das Bürgermeisteramt Vöeklamarkt sendet für dieWeis-
thümersammlung das Marktbuch von Vöeklamarkt.
Herr Prof. Theod. Vogt in Wien ersucht die von ihm
aus dem Nachlasse des Prof. Lott zur Herausgabe zurecht
gemachte Schrift: ,Lott’s Kritik der Herbart’schen Ethik und
Herbart’s Entgegnung' in die Sitzungsberichte aufzunehmen.
Dem Herrn Regierungsrath Dr. Constant von Wurz
bach wird für den XXVII. Band des biographischen Lexikons
des Kaiserthums Oesterreich die übliche Subvention bewilligt.
Dem Herrn Prof. Dr. Savelsberg in Aachen wird ein
Druckkostenbeitrag bewilligt zum Zwecke der Herausgabe seiner
Studien ,zur Entzifferung der lykischen Sprachdenkmäler'.
An Druckschriften wurden vorgelegt:
Academie Royale de Belg’ique: Bulletin. 42 e Ann6e, 2 e Serie, Tome 36,
Nrs. T—12. (1873); 43 c Annee, 2 e Serie, Tome 37, Nrs. 1 —5. (1874.)
Bruxelles; 8°.
Akademie der Wissenschaften, Kgl. Preuss., zu Berlin: Monatsbericht.
April 1874. Berlin; 8°.
Archives des missions scientifiques et litteraires. 3 e Serie. Tome I. 3 e Li-
vraison (1874). Paris; 8°.
Bergwerks-Betrieb, Der— Österreichs im Jahre 1873. I. Theil. (Tabellen).
Hei’ausgegeben vom k. k. Ackerbau-Ministerium. Wien, 1874; kl. 4°.
Berlin, Universität: Akademische Gelegenheitsschriften aus d. J. 1873/74. 4°.
SG4
Gesellschaft, k. k. geographische, in Wien: Mittheilungen. Bant! XVII
(neuer Folge VII), Nr. 6. Wien, 1874; 8°..
— Deutsche, für Natur- und Völkerkunde Ostasiens: Mittheilungen. 4. Heft.
Yokohama, 1874; 4°.
Kurscliat, Friedrich, Wörterbuch der littauischen Sprache. I. Theil: II. Band,
3. Lieferung. Halle, 1873; 8».
Loewenthal, Eduard, Grundzüge zur Reform und Codification des Völker
rechts. Berlin, 1874; 8°.
Markus, Jordan Kaj., Pazmansdorf im Viertel unter dem Manhartsberg. Wien,
1874; 12".
Pichler, Friedrich, Römischer Grabstein von Jennersdorf. Wien, 1874; S n .
,Revue politique et litteraire“ et ,Revue scicntifique de la France et de
l’etranger“. IV 0 Annee, 2 e Serie, Nr. 3. Paris, 1874; 4°.
Society, The Royal Asiatic, of Great Britain & Ireland: Journal. N. S.
Vol. VII, Tart. 1. London, 1874; 8°.
Verein, Siebenbürgischer, für romanische Literatur und Cnltur des romani
schen Volkes: Transilvani’a. Anulu VII, Nr. 11—14. Kronstadt, 1874; 4°.
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