Des Beatus Rhenanus literarische Thätigheil.
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dagegen, was Erasmus hätte werden, was er hätte thun können
und was er wirklich that. Durch den Kaiser hätte er Alles
werden, durch die Fürsten in Pracht und Glanz leben können,
doch habe er es vorgezogen, rastlos der Wissenschaft zu dienen
und so sei durch seine Bemühungen, wie die Sonne aus den
Wolken geht, die •— Philologie emporgestiegen. — Der Schluss
der Biographie wendet sich wieder an den Kaiser und fordert
ihn auf, seiner Pflicht eingedenk und wie seine Vorgänger
wie schon der zweite 1 Kaiser Borns Octauian u. A. der Wissen
schaft ein Gönner zu sein, der Wissenschaft, ohne die eine
schauderhafte Finsterniss Alles bedecken würde und die Men
schen von den Bestien (a brutis animantibus) nicht zu unter
scheiden wären.
Hat nun auch diese Biographie das nicht gehalten, was
wir uns von dem genauesten Freunde des Erasmus, was wir
uns von dem Verfasser der deutschen Geschichte erwarteten,
so dürfen wir doch deshalb nicht unbillig werden. Die Kunst
der Biographik ist schwierig und nicht Jedem gegeben. Sie
erfordert eine grosse Geschicklichkeit im Charakterisiren und
Gruppiren, tiefes psychologisches Verständniss, geschärften Blick
für alle Eigenthümlichkeiten und Besonderheiten, Virtuosität
im Auffinden dos Bezeichnenden und im Ausscheiden des Un
wichtigen. — Alles das ist nicht die Sache jener Zeiten, jener
Männer. Begränzt ist der Kreis ihrer Muster, an die sie sich
in Form und Darstellung anschliessen. So entstehen jene
biographischen Persönlichkeiten ohne Hintergrund, ohne Körper.
Reich behängt mit dem Flitterschmucke panegyrischer Super
lative schreiten sie Alle einher, Einer dem Andern gleichend.
— Dadurch entsteht jene trostlose Uniformität, bei der die
individuelle Besonderheit sich verbirgt oder gänzlich ver
schwindet.
Aber namentlich bei Rhenanus dürfen wir nicht unbillig
werden; jetzt am Schlüsse meiner Aufsätze liegt mir daran,
den erfreulichen Eindruck, den dieses Mannes Leben und
Wirken gemacht, nicht zu stören. Fragen wir uns lieber:
worin lag des seltenen Mannes Bedeutung? Ich meine nicht
zu irren, wenn ich sie in der aller Tendenz entbehrenden,
1 Als Erster wird Julius Cäsar angesetzt, ein Fehler, den — irre ich nicht —
auch Wimpfeling macht.