Full text: Sitzungsberichte / Akademie der Wissenschaften in Wien, Philosophisch-Historische Klasse Sitzungsberichte der Philosophisch-Historischen Classe der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften, Wien, 72. Band, (Jahrgang 1872)

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H o r a w i t z. 
gewiss nicht gewonnen; es zerstreut das Interesse, indem es 
dasselbe zwischen den zwei Helden — wenn ich so sagen darf — 
theilt, hält die Darstellung auf und steht Anderem, Wichtige 
rem im Wege. — Dennoch bricht, um nicht ungerecht zu 
werden — durch die Lobesphrasen, die diesem Werkchen 
auch einen gewissen geschraubten, unnatürlichen Styl anheften, 
das gerade, aufrichtige Wort hindurch: Nichts schadet den 
Fürsten, vorzüglich den Geistlichen (dies ist die Abschwächung) 
mehr, als wenn man ihre Thaten lobt und ihnen nicht zeigt, 
was sie thun sollten. 
Was nun die Darstellung in der Biographie betrifft, so 
beginnt sie Rhenanus mit der Aeusserung, es sei begreiflich, 
dass sich so viele Städte um Homer gestritten, nichts ehre ja 
eine Stadt oder ein Land so sehr, als wenn sie einen Mann 
hervorgebracht, durch den sie für alle Folgezeit feierlichen 
Ruhm erlangen. Erasmus aber ist ein solcher, durch ihn ist 
Rotterdam für alle Zeiten berühmt geworden, die Entwickelung 
seines Geistes ist ein wahres Wunder, er hat nicht blos in 
Deutschland, sondern auch in Italien als Instaurator gewirkt. 
Die sehr objectiv, aber nicht sehr übersichtlich gehaltene Er 
zählung des Lebens 1 des Erasmus giebt werthvolles Material, 
aber nur selten tritt die warme Begeisterung und das lebendige 2 
Interesse an der Persönlichkeit, die geschildert wird, hervor, 
ein Interesse, das. zu erwarten wir wohl berechtigt sind. Aller 
dings, Rhenanus hält sich überhaupt sehr bescheiden im Hinter 
grund , nicht einmal schildert er seine nahe Beziehung zu 
dem grossen Philologen oder prahlt mit seiner Vertraut 
heit. Man kann ihm auch nicht vorwerfen, dass er bei der 
Schilderung des Erasmus Gold auf Gold gemalt, sein Lob 
des Gelehrten wird wohl Jeder billigen, höchstens die 
Notiz von der Beständigkeit seiner freundschaftlichen Gefühle 
dürfte eine subjective Ansicht sein. Sehr schön schildert er 
1 Merkwürdig, dass der getreue Freund des Erasmus nicht einmal dessen 
Geburtsjahr kennt. 
2 Dennoch ist die Darstellung an einigen Stellen wieder ziemlich lebhaft, 
z. B. wenn er Sintheim’s Prophezeiung von der grossen Zukunft des 
Erasmus,' oder die Geschichte, wie Erasmus mit dem Pestarzt verwech 
selt und beschimpft wird, erzählt, oder wie er beim Aldus Manutius 
warten muss.
	        
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