Full text: Sitzungsberichte / Akademie der Wissenschaften in Wien, Philosophisch-Historische Klasse Sitzungsberichte der Philosophisch-Historischen Classe der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften, Wien, 61. Band, (Jahrgang 1869)

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Ordens stehenden. Valla eröffnet die Unterredung mit einer scharfen 
und genauen Formulirung der aufgestellten Thesis, indem er beiläufig 
sich gegen den Missbrauch erklärt, womit die Ordensbrüder die im 
antiken wie im christlichen Sinne so viel umfassenderen Ausdrücke 
religio und religiosi für sich allein und ausschliesslich in Anspruch 
nähmen, während er selbst geneigter ist, die dem antiken Philosophen 
brauch entlehnte Bezeichnung secta einzuführen. In die Sache selbst 
eintretend, hebt er hervor, dass die von dem Ordensbruder seiner 
Thesis zu Liebe gemachte Voraussetzung eines gleichen tugend 
haften Lebenswandels für den im Orden und den ausserhalb stehenden 
unhaltbar sei, da die Tugend des einen nicht auch die Tugend des 
andern sei, und beide so wenig in Vergleich gestellt werden könnten, 
als die Tüchtigkeit des Malers und die Tüchtigkeit des Bau 
meisters. 
Doch mit dieser vorläufigen Andeutung eines für die Entscheidung 
der Controverse nicht unwichtigen Gesichtspunktes sich begnügend, 
wünscht Valla vor allem die Ursachen zu vernehmen, welche den 
behaupteten Anspruch auf ein höheres Verdienst bedingen sollen. 
Drei Ursachen werden von dem Ordensbruder aufgestellt: 
1) hätten sie durch das Gelübde sich zu Gehorsam, Armuth, Keuschheit 
verpflichtet; 2) durch ein votum, das keiner Aufhebung fähig sei, 
sich gebunden; 3) wie ein von ihnen begangenes Vergehen die 
grössere Strafe zu gewärtigen habe, so müsse auch ihr der regulct 
entsprechendes Leben den grossem Lohn beanspruchen. 
Valla unterlässt nicht, im Vorbeigehen und wie zu vorläufiger 
Orientirung auf das Unlogische in dieser Aufreihung aufmerksam zu 
machen, da das zweite mit dem ersten zusammen nur eins ausmache, 
das dritte aber keine nebengeordnete Ursache, sondern ein Beweis 
grund für die Thesis sei, und unternimmt es sodann, die in diesen drei 
Ursachen enthaltenen Momente einzeln in rückläufiger Abfolge einer 
nähern Betrachtung zu unterziehen. 
Hatte der Mönch aus der von ihm mehr behaupteten als er 
wiesenen Thatsache, dass eine Übertretung der Ordensbrüder die 
schwerere Strafe nach sich ziehe, den Schluss gezogen , dass sie 
gleicherweise für ein rechtmässig geführtes Leben den grossem 
Lohn zu beanspruchen hätten, so erweist Valla hingegen in einer 
epagogisch geordneten Reihe von Beispielen , dass, wo die rechte 
Ausführung einer Sache das grösste Verdienst sei, die misslungene
	        
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