Studien zur vergleichenden Culturgeschiclite.
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verbreitet sind, pflegt man noch immer dieselbe Methode der
Deutung der Träume a contrario zur Anwendung zu bringen.
So glaubt man, das Abbrennen des Hauses im Traume bedeute
Glück, Weinen im Traume zeige auf Freude u. dgl. m.
Es wäre ein vergebliches Bemühen, alle diese Wider
sprüche aufklären und die Arbeit des menschlichen Geistes
in all die venvickelten Irrgänge des Aberglaubens verfolgen
zu wollen, um den ursprünglichen Grund dieser Albernheiten
zu erforschen. Bei den Arabern können wir nur eines mit
Sicherheit nachweisen: nämlich, dass die symbolische Erklärung
die ursprüngliche ist und dass jene a contrario die spätere,
wahrscheinlich fremdländische ist. Es scheint, dass die Schrift
des Artemidoros über die Träume, mit welcher die Araber
durch Uebersetzungen bekannt wurden, hiefür die Quelle ist.
Auch persische Traumbücher mögen mitgeholfen haben; wenig
stens das Buch des Persers Gämäsp über die Traumdeutung
scheint fast ebenso grosses Ansehen genossen zu haben wie
die Schrift des Artemidoros, 1 von welcher wir arabische Aus
züge daraus finden, die mit dem griechischen Texte sehr gut
übereinstimmen. 2
All diese verschiedenen Zeichen zu deuten, besonders
jene, deren Yerständniss schwieriger war, wie dies bei Träumen
oft der Pall sein musste, war Aufgabe erfahrener Männer.
Diese mussten wohl zunächst in jener Classe gefunden werden,
die für besonders berufen galt, die Zukunft zu erforschen, sei
es, dass sie sich durch näheren Verkehr mit den Göttern aus
zeichnete, sei es durch grössere Erfahrung in den überirdischen
Dingen. Hiezu waren also an erster Stelle die Kähins, die
Priester der verschiedenen Götter, berufen. Der arabische
Kähin ist das Urbild des späteren hebräischen Koben. 3 In der
1 Vgl. Filirist ed. Flügel S. 25:>. Vgl. Z. d. D. 7ü. Ge«. XVII, S. 227: über
die Literatur der Oneirokritik.
2 So bei Damyry (Hajat olhaiwän, Artikel: chöffas): der arabische Text
lautet: (Die Fledermaus) .... Artemidoros sagt: sieht man sie im
Traume, so bedeutet das Stillstand der Geschäfte u. s. w. Vgl. Artem. III,
45. Ebenso stimmen Artem. III, 11 und Dam. II, 423, Artikel: horr, dann
Dam. II, 100, Artikel: täwus, und Artem. IV, 56, dann Artem. II, 20
und Dam. I, 261, Artikel: hida’ah.
3 Die beiden Wörter sind identisch und ursprünglich bedeuteten sie gewiss
auch dasselbe: den Fetischmann, Geisterbeschwörer und Wahrsager.