Full text: Sitzungsberichte / Akademie der Wissenschaften in Wien, Philosophisch-Historische Klasse Sitzungsberichte der Philosophisch-Historischen Classe der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften, Wien, 120. Band, (Jahrgang 1890)

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VIII. Abhandlung: v. Krem er. 
ältesten, vorgeschichtlichen Zeit, wo Araber und Hebräer noch 
in derselben Uncultur lebten, wo ihre religiösen Hebungen in 
der Verehrung gottbeseelter Steine, heiliger Bäume bestand, 
wo sie Menschenopfer brachten und das Blut auf die heiligen 
Steine gossen, waren die Kähins gewiss bei den Einen und 
bei den Andern nur Wärter der heiligen Stellen, sie mögen 
die Opferceremonien geleitet, die Orakelsprechung vermittelt, 
Schicksalswinke und Zeichen gedeutet, die Weihgeschenke 
entgegengenommen und behütet, auch Streitigkeiten geschlichtet 
und bei Eidesschwüren oder Bündnissen die Vermittler gemacht 
haben. Dass sie bei Heiraten die priesterliche Weihe ertheilt 
hätten, ist gänzlich ausgeschlossen, denn hiebei war im arabi 
schen Alterthum keine religiöse oder priesterliche Mitwirkung 
üblich. 1 Aber die Stämme Israels traten bald in eine höhere 
Culturepoche ein; die Berührung mit den höher gebildeten 
Nachbarvölkern, mit den Aegyptern vorerst, dann mit den 
Syrern und Babyloniern, rissen sie aus der alten Rohheit des 
Nomadenlebens und förderten eine selbstständige nationale 
Cultur. Hiemit gestaltete sich auch der alte Kali in zum Priester 
um und es entstand ein förmlicher Priesterstand, der bald die 
herrschende Classe war, die Führung des Volkes übernahm 
und schliesslich eine Theokratie gründete, die den Staat ins 
Verderben stürzte. Bei den Arabern aber blieb alles unver 
ändert, der alte Cult der heiligen Steine bestand fort und 
auch die Kähins blieben, was sie von Anfang gewesen, sie 
waren: Wahrsager und Orakelpriester. 
Im Laufe der Zeiten ward aus dem alten Fetischmann 
ein berufsmässiger Prophet. Die von Vater auf Sohn über 
tragenen Erfahrungen, die hiedurch gewonnene geschäftsmässige 
Fertigkeit im Rechtsprechen, im Wahrsagen, im Zeichendeuten 
und Traumauslegen verschaffte Einzelnen grösseren Ruf zuerst 
unter den zunächstwohnenden, allmälig auch bei entfernteren 
Stämmen. Immer aber ist das Bild des altarabischen Kähin, 
wie es in den alten Sagen gegeben wird, ungleich wilder, archai 
stischer geformt als das des hebräischen Kfdien, des geschulten 
Tempelpriesters. 
1 Wellhausen, S. 155, behauptet ohne genügende Beweise das Gegentheil. 
Vgl. Agäny XIX, 121. (Heirat ohne priesterliche Weihe.)
	        
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