Full text: Sitzungsberichte / Akademie der Wissenschaften in Wien, Philosophisch-Historische Klasse Sitzungsberichte der Philosophisch-Historischen Classe der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften, Wien, 96. Band, (Jahrgang 1880)

Emerico Amari in seinem Verhättniss zu G. B. Vico. 
61 
entsprechenden Befugnisse gestützt und getragen sein muss. 
Von der mit der Idee der Kirche gegebenen weltbürgerlichen 
Menschengemeinschaft abgesehen, ist die allumfassendste aller 
Gemeinschaften der Staat als die geschlossene organische Tota 
lität aller Bedingungen und Beziehungen, durch welche der 
Bestand und die Prosperität des Seins, Schaffens und Wirkens 
der menschlichen Einzelpersönlichkeit gewährleistet ist; die in 
die Form eines bestimmten staatlichen Gemeinwesens hinein 
gebildete bürgerliche Gesellschaft nimmt den Charakter und 
das Gepräge derselben an, während umgekehrt die staatliche 
Gemeinschaftsform in ihrer Weise selber wieder Ausdruck und 
Reflex des sie beseelenden Gemeinschaftsgeistes ist. Als der 
geeinigte Wille Aller hat der Staat auch etwas von der Natur 
des persönlichen Willens an sich; er ist als Ausdruck des 
Gesammtwillens und Gesammtgeistes der Nation oder des Volkes 
gewisser Maassen selber Person und repräsentirt als solche 
anderen staatlichen Gemeinschaften gegenüber auf seine Weise 
eben so sehr eine charakteristische Eigenart, wie jede mensch 
liche Einzelpersönlichkeit allen anderen gegenüber. Wie Vico 
in seinem Streben nach geistiger Selbstvertiefung nahe an das 
eigentliche Wesen der Idee rührte, und es nur wegen Nicht 
erfassung des Persönlichkeitsgedankens nicht zu erreichen ver 
mochte, so drängte sieh bei ihm auch sehr entschieden der 
Gedanke der selbstigen Eigenart jedes besonderen Volksthums 
hervor, ohne dass er jedoch die Idee desselben in ihrem tief 
sten Grunde zu erfassen vermocht hätte. In beiden Fällen 
liess bei ihm die unvermittelte Ingerenz des Göttlichen die 
Idee der menschlichen Selbstigkeit nicht aufkommen, und so 
kam er nur zur Unterscheidung von Menschen- und Völker 
individualitäten unter Hervorhebung des menschlich Gemein 
samen, drang aber nicht so weit vor, die selbstthätige Hervor 
bildung der specifischen Eigenart in Menschen und Völkern 
aus dem allgemeinen Wesen des Menschenthums zu erfassen. 
Allerdings forcirte er den Gedanken, dass jedes Volk sein Recht 
und seine gesellschaftlichen Institutionen aus sich selber her 
vorbringe, bis zur ungesunden Uebertreibung; diese hatte aber 
ihren Grund nur darin, dass er den lebendigen Grund der 
menschlichen Selbstigkeit nicht kannte, und mit einseitiger 
Ausschliesslichkeit allüberall die unmittelbare göttliche Causa-
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.