Full text: Sitzungsberichte / Akademie der Wissenschaften in Wien, Philosophisch-Historische Klasse Sitzungsberichte der Philosophisch-Historischen Classe der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften, Wien, 96. Band, (Jahrgang 1880)

Emerico Amari in seinem Verhältniss zu G. B. Vico. 
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abschliessenden Forschung liegen aber entschieden und einge- 
standenermassen ausserhalb seines Gesichtskreises. Er scheint 
sie sogar direct auszuschliessen, wenn er unter Anschluss an 
Quetelet’s statistische Forschungen und Vergleichungen von 
einem sogenannten socialen Durchschnittsmenschen (uomo medio) 
und von constanten Grössen des gemeinmenschlichen socialen 
Lebensprocesses spricht, 1 und die Wissenschaft der verglei 
chenden Gesetzeskunde auf eine Art socialer Physik gestellt 
sehen will. Die sociale Physik ist auf die nicht zu leugnende 
Gleichartigkeit und Dieselbigkeit der allgemeinen Menschen 
natur in allen einzelnen Menschenindividuen gegründet. Sie 
lässt sich aber eben nur auf den Durchschnittsmenschen an 
wenden ; und unter diesem hat man die, allerdings überwie 
gende Mehrheit derjenigen Menschen zu verstehen, in welchen 
die Hervorbildung und Entwickelung der selbstigen persön 
lichen Eigenart durch die factische Incongruenz zwischen der 
Idee des Menschen und dem wirklichen Menschen, so wie 
durch die gegebenen gemeinsamen Lebensbedingungen des Zeit 
menschen mehr oder weniger gehemmt und beschränkt ist. 
Gleichwie aber originale Menschen sich der gewöhnlichen Be 
rechnung entziehen, so täuscht sich diese auch oft genug selbst 
an denjenigen Menschen, in welchen der Engel oder der Dämon 
durch die niederhaltenden, einschränkenden und uniformiren- 
den Verhältnisse und Einflüsse des allgemeinen Gesellschafts 
zustandes niedergehalten und gehemmt ist; die Gesellschafts 
lehre lässt sich nicht auf den Standpunkt einer physikalischen 
Dynamik oder Mechanik herabdrücken, weil eben der Mensch 
nicht blosses Naturwesen, sondern ein personhaftes Wesen ist, 
wie denn auch die gesammte sociale Ordnung als geistig-sitt 
liche Ordnung die wahrhafte und vollkommene Personwerdung 
aller ihrer lebendigen Constituenten zu ihrem letzten und höchsten 
Zwecke hat. Die Application eines physikalischen Dynanismus 
auf die Betrachtung der menschlichen Societät, ihrer Gestaltung 
und Gliederung ist bereits von Schelling abgewiesen worden, 
wenn er die Menschheitsgeschichte, die allerdings etwas von 
der Menschengeschichte Verschiedenes ist, als ein Gedicht des 
göttlichen Verstandes auffassen lehrte; eine ähnliche Auffassung 
1 Critica, p. 242 ff.
	        
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