Full text: Sitzungsberichte / Akademie der Wissenschaften in Wien, Philosophisch-Historische Klasse Sitzungsberichte der Philosophisch-Historischen Classe der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften, Wien, 96. Band, (Jahrgang 1880)

62 
Werner. 
lität einsetzte. Damit fiel freilich der geschichtlichen Wahr 
heit entgegen jeder bestimmende fremdartige Einfluss hinweg, 
und musste unter mannigfachen, durch äussere klimatische und 
geographische Bedingungen herbeigeführten Modificationen all 
überall das gleiche Resultat des göttlichen Wirkens hervortreten. 
Selbstverständlich aber verkehrte sich unter solchen Voraus 
setzungen der an sich tiefwahre Gedanke, dass jedes Volk 
sein Recht und seine staatlichen Institutionen sich aus sich 
selber schaffe, in täuschenden Schein; und so konnte es auch 
nicht zur Erkenntniss der charakteristischen Eigenart dessen, 
was jedes Volk aus der Tiefe seines geschichtlichen Selbst 
lebens heraussetzt, kommen. 
Dieses Grundgebrechen der Völkerbiologie Vico’s ist auch 
auf Amari übergegangen. Man könnte allerdings sagen, dass 
bereits das Unternehmen einer vergleichenden Gesetzeskunde 
die Anerkennung einer in den charakteristischen Eigenarten der 
Völker begründeten Eigenart ihrer gesetzlichen Institutionen 
in sich schliesse. Wenn aber die Vergleichung in der Voraus 
setzung unternommen wird, dass durch sie die Homonomien 
der diversen Staats- und Völkerinstitutionen zu Tage treten 
sollen, so gelangen augenscheinlich die charakteristischen Unter 
schiede innerhalb der gemeinmenschlichen Einheit nicht zu 
ihrem Rechte. Der praktische Zweck der Vergleichung kann 
nur dieser sein, dass aus den Gesetzgebungen anderer Cultur- 
nationen dasjenige adoptirt werde, was der Eigenart eines be 
stimmten Volkes und Staates entspricht; damit ist aber zugleich 
auch ausgesprochen, dass die Conformation der Gesetzgebungen 
nur bis zu einer durch die unvertauschbaren und incommuni- 
cablen Eigenarten der Völker gezogenen Grenze vorschreiten 
könne. Ueber diese Grenze hinaus kann die vergleichende 
Gesetzeskunde nur mehr einen rein theoretischen Zweck ver 
folgen — diesen nämlich, die incommunicablen Eigenthümlich- 
keiten specifisch geschiedener Cultur- und Völkerkreise sich 
zum Bewusstsein zu bringen. Von diesem rein theoretischen 
Zwecke kann die Wissenschaft der vergleichenden Gesetzes 
kunde, wenn sie nach Amari’s Forderung in der Philosophie 
der Geschichte, oder wie er sich ausdrückt, in der Philosophie 
der Menschheit sich vollenden und abschliessen soll, nicht 
absehen. Die denknothwendigen Ziele und Ergebnisse dieser
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.