Yoltaire-Studien.
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doch lag das Sanskritstudium noch in den Windeln. 1 China
und die Lehre des Confucius war ihm durch die Schriften
jesuitischer Missionäre bekannt geworden. Er hatte den Koran,
das Alte und das Neue Testament, natürlich auch die antike
Mythologie studirt. Mit der Kirchengeschichte aller Zeitalter
war er wohlvertraut. Rechnen wir noch dazu, was er aus
Reisebeschreibungen von den religiösen Vorstellungen halb oder
ganz uncivilisirter Völker wusste, so haben wir den Umkreis
seines Wissens, überhaupt des zu seiner Zeit Wissbaren durch
messen.
Die erste Frage für einen Philosophen der Religions
geschichte ist wohl die nach dem Ursprung der Religionen.
Voltaire fand noch eine Beantwortung der Frage vor, die fast
canonisches Ansehen genoss: man führte nämlich die Ent
stehung der Religionen auf eine ursprüngliche göttliche Offen
barung und auf eine Corruption derselben durch den Einfluss
kakodämonischer Mächte zurück; man brandmarkte die heid
nischen Religionen als Teufelstrug und Götzendienst; man be
trachtete die heidnischen Götter als böse Geister, die Orakel
und Prodigien als Wirkungen derselben; dem Reiche des Teufels
setzte man dann das durch besondere Offenbarungen ausgezeich
nete, in Judenthum und Christenthum zum Vorschein kommende
Reich Gottes entgegen. 2 Allein das Studium der Alten hatte
1 In die veddiselie Religion gewährten ihm ,le Shasta et l’Ezourveidam 1
Einblick. Holwell und Dow macht er als seine Autoritäten namhaft.
(S. Art. Ezourveidam und Phil, de l’hist., 17.) Voltaire rühmt sich, allein
unter seinen Landsleuten die Forschungen der Engländer verwerthet zu
haben; zugleich wirft er den Franzosen vor, sie hätten während des
fünfzigjährigen Bestandes der ostindischen Compagnie verabsäumt, sich
mit Land und Leuten bekannt zu machen. (Lettres chinoises, iudiennes
et tartares, Nr. X.) — Vgl. Lettre ä Capperonnier, 13. Juli 1761 — ä
Vernes, 1. Oct. 1761, woraus hervorgeht, dass Voltaire jenen Veda-
Commentar von einem seiner Bekannten, Maudave, zum Geschenk erhielt
und der königlichen Bibliothek übermittelte, ,et on l’y regarde comme
le monument le plus precieux, qu’elle posscde 1 . — A Peacock, 8. Dec.
1767. — A Chabanon, 25. Dec. 1767. — A Bailly, 27. Febr. 1777.
2 Bientöt les peres de l’Eglise attribuerent au diable toutes les religious,
qui partageaient la terre, tous les grands evenements (Art. Oracles) —
Les monuments les plus irrefragables . . n’ont pas empeehe nos dispu-
tateurs de l’Occident de donner h des gouvernements si sages le nom
ridicule d’idolätres. (Fragments historiques sur l’Inde, 22.) — Cf. Art.