Full text: Sitzungsberichte / Akademie der Wissenschaften in Wien, Philosophisch-Historische Klasse Sitzungsberichte der Philosophisch-Historischen Classe der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften, Wien, 95. Band, (Jahrgang 1879)

Voltaire-Studien. 
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erstreckt seine Macht auf Grösse und Schönheit des Körpers, 
auf die Anlagen, auf die Neigungen. ,Wir haben nie von einer 
samojedischen oder äthiopischen Phryne, von einem laplän- 
dischen Herkules, von einem ,Newton topinamboid sprechen 
hören; dagegen hat Montesquieu schwerlich Recht, wenn er 
behauptet, die Völker des Nordens hätten stets denen des Südens 
obsiegt/ Gegeninstanzen: die Araber und Römer. 
Auch die Erde, welche wir bewohnen, ihre Oberfläche 
und ihre klimatischen Verhältnisse waren im Laufe der Zeit 
Veränderungen unterworfen. 1 Vielleicht hat unser Planet so 
viele Revolutionen durchgemacht, als unsere Staaten; sie er 
strecken sich bis in die historischen Zeiten. Vielleicht auch 
sind ganze Menschengeschlechter verschwunden, bevor eines 
der ältesten Reiche, von denen wir Kunde haben, entstand. 
So naturkundig Voltaire auch war, auf die Bedeutung 
dieser natürlichen Factoren oder Vorgänge legte er kein be 
sonderes Gewicht. Ungleich wichtiger nahm diese Dinge erst 
Herder. Voltaire meinte eben, das Räthsel der Geschichte müsse 
sich aus sich selbst lösen lassen. Er räumte dem Schöpfer und 
Erhalter die gebührende Ehre ein, läugnete auch nicht die 
Influenz der äusseren Natur, dämmte jedoch die Bedeutung 
beider so weit ein, dass er sich im Ganzen nur mit den rein 
menschlichen Factoren des historischen Lebens befassen zu 
müssen glaubte. In der Darstellung, Erklärung und Beurthei- 
lung der Geschichte hielt er sich innerhalb der Grenzen des 
Menschlichen. In allem historischen Dasein, in allen Formen 
der Thätigkeit — Religion, Staat, Cultur — fühlte er den Puls 
schlag menschlichen Wollens, spürte er das Weben des mensch 
lichen Gedankens. 
C. Voltaire’s Philosophie der Religionsgeschiehte. 
Wenn wir im vorangehenden Abschnitte betrachtet haben, 
wie sich bei Voltaire Gott zum Menschen verhält, so obliegt es 
uns nunmehr, auf das Verhältnis des geschichtlichen Menschen 
1 Phil, de l'hist., 1. — Dissertation sur les changements arrives dans 
notre globe (1746). — Art. Changements. — Defense de mon oncle 
(1767), c. 19. — Les colima^ons (1768).
	        
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