Glossen des canonischen Rechts aus dem karolingischen Zeitalter.
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Wendung auf die Einrichtung der königlichen Capellen zu
machen:
Hic damnantur capellae cum capellanis, qui sine metu epi-
scopi dioceseos in contemptu ecclesiasticae dispenscitionis et regulae
canonicae seculari potentatu abusis disciplinis spiritualibus in
domibus regum, id est demoniorum, mollibus libidinibus vestiuntur.
Der c. 11 des concilium Antiochenum handelt über ein
viel allgemeineres Thema, über die Unsitte nämlich der Geist
lichen überhaupt dem Kaiser bei jeder Gelegenheit in den
Ohren zu liegen. Die Glosse (n. 4) benutzt aber diese Ver
anlassung zu einem Ausfall auf die am Hof angestellten
Geistlichen:
Hic damnantur palatini clerici, qui sine consensu aeclesiae
et episcoporum parvipendentes unitatem ecclesiasticae professionis
ad publica et comitatus praesidia se conferunt.
Aber nicht bloss gegen die Hofcapellen und die könig
lichen Capeliane waren die Angriffe der kirchlichen Reform
partei gerichtet. Die Ueblichkeit der Grossen sich Schloss
capellen zu errichten und Hausgeistliche zu halten scheint zu
Ludwig’s des Frommen Zeit eine ganz allgemeine gewesen zu
sein und zu grossen Missbrauchen geführt zu haben. 1
Agobardus schreibt in seiner Abhandlung De privilegio
et jure sacerdotii, welche die Form eines Schreibens an den
Erzbischof Bernard von Vienne hat: es sei die üble Gewohn
heit eingerissen, dass jeder, der darauf Anspruch mache etwas
in der Welt vorzustellen, sich einen Hauspriester halte, nicht
um sich seiner geistlichen Leitung anzuvertrauen, sondern um
gekehrt, um von ihm erlaubten und unerlaubten Gehorsam in
göttlichen und menschlichen Dingen zu fordern. Viele dieser
Geistlichen müssten bei Tisch aufwarten oder den Wein mischen
oder die Hunrje leiten oder die Reitpferde der Frauen führen
oder Landgüter verwalten. Den Bischöfen werde von den
adlichen Laien das Ansinnen gestellt ihre Knechte oder ab
hängigen Leute zu Priestern zu ordiniren. Wenn sie dann
1 Schon c. 21 des in Agde im Jahre ÜOG gehaltenen Concils hatte die Er
richtung von Oratorien und die Celebration von Messen in denselben aus
Rücksicht auf die grössere Bequemlichkeit der Familien da gestattet, wo
der Weg zur Kirche zu ermüdend sei,