Full text: Sitzungsberichte / Akademie der Wissenschaften in Wien, Philosophisch-Historische Klasse Sitzungsberichte der Philosophisch-Historischen Classe der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften, Wien, 77. Band, (Jahrgang 1874)

I 
i 6 Zimmermann. 
entites seiner eigenen Weltanschauung betrifft. Comte betrachtet 
es lediglich als epoque critique ou äge de transition revolution- 
naire, dessen Princip er im Protestantismus, dessen Höhepunkt 
er im Terrorismus der französischen Revolution erblickt. Die 
Zersplitterung des ersten in Secten, der antitheologischen Meta 
physik in Schulen, ist in seinen Augen ein Mangel, mit welchem 
verglichen die ungebrochene Einheit der mittelalterlich-kirch 
lichen Weltanschauung ihm ein beneidenswerthes Vorbild der 
künftigen Weltära des Positivismus scheint. Als Merkmal 
der letzteren gilt ihm im Gegensätze zu dem theologischen und 
militärischen Charakter des ersten und dem desorganisatori 
schen des zweiten Weltaltex-s der organisatorische, die Ver 
einigung der beiden Principien der Ordnung und des Fort 
schritts (ordre et progres), während von den beiden sich in die 
Herrschaft der Gegenwart theilenden Schulen die retrograde 
nur das erste, die progressistische nur das zweite, die dritte, 
die schlechteste aller Parteien, die stationäre, aller eigenen 
Ideen baar, abwechselnd das eine und das andere will. 
In dem Aufbau einer Organisation der Gesellschaft trifft 
Comte mit St. Simon zusammen, dessen Versuch einer solchen 
mittelst Auflösung der Familie und Abschaffung des Privat 
eigenthums er grundsätzlich verwirft. Ebensowenig würde ihm 
Kant’s Gründung einer Gesellschaft, in welcher Freiheit unter 
äusseren Gesetzen im grösstmöglichen Grade mit unwider 
stehlicher Gewalt verbunden angetroffen wird, wie diesem als 
,höchste Aufgabe der Natur für die Menschengattung' genügt 
haben. Vielmehr hat die Menschheit, zum Alter der Reife ge 
langt, das in ihrer Kindheit mit unzureichenden Kräften unter 
nommene Organisationswerk, welches das theologische Welt 
alter geschaffen und das revolutionäre zertrümmert hat, von 
neuem vorzunehmen. Dass beide Systematisationen eine ge 
wisse Analogie zeigen werden, ist ebenso begreiflich, weil die 
Menschennatur immer dieselbe ist, als dass sich beide von ein 
ander wie Kindes- und Manneswerk unterscheiden werden. 
Die Gründung einer neuen Religion im Zeitalter des Positivis 
mus ist daher ebensowenig wie jene einer neuen Hierarchie 
als Rückfall in’s Weltalter der Theologie anzusehen. Diesem 
als in seiner Art gleichfalls organisatorischen, fühlt sich der 
positive Philosoph immer noch näher verwandt, als dem von
	        
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