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Zimmefmann.
analoger harmonischer Verhältnisse zwischen den Abständen
der Weltkörper Veranlassung gegeben, sondern scheinen auch
durch ihre Einfachheit und ihre Bildung aus der ersten Decade
der natürlichen Zahlenreihe zu der wichtigen Stelle, welche
die letztere in der Kosmologie jener Schule spielt, nicht wenig
beigetragen zu haben. Die später von Plato adoptirte Er
klärung der Tugend als einer Harmonie, so wie die von diesem
dem Pythagoräer Simmias in den Mund gelegte Behauptung,
dass sich die Seele zum Körper wie die musikalische Harmonie
zu den Saiten verhalte, sind Beweis genug, Welches Gewicht
seitens der Schule den wohlklingenden Tonverhältnissen nicht
blos für die Lehre von der Welt, sondern auch für jene vom
Menschen in ethischer nicht weniger, wie in psychologischer
Hinsicht beigemessen worden sei.
Der Zweck dieses Vortrages ist, darzuthun, dass unter
den neuern hervorragenden Denkern ein ähnlicher Einfluss
der Tonlehre auf Ethik und Psychologie bei Herbart stattfinde.
Derart, dass man sagen kann, dieser Denker, der bekanntlich
selbst ausübender Tonkünstler und theoretischer Musikgelehrter
war, nicht nur virtuos Clavier spielte, sondern sich auch nicht
ohne Glück im Componiren versuchte, 1 sei durch die Musik
und zwar durch die Harmonielehre auf die grundlegende
Idee sowohl seiner Seelen- wie seiner Sittenlehre theils ge
bracht, theils in derselben bestärkt worden.
Es ist längst anerkannt, dass das Charakteristische der
Psychologie Herbart’s nicht sowohl in seiner Beiseitesetzung
der herkömmlichen Theorie der Seelenvermögen, in welcher
Hinsicht er mit der Schule der Empiristen und Sensualisten,
mit Locke, Condillac und unter den Deutschen mit Beneke in
gleicher Richtung sich bewegt, sondern in der ihm eigen-
thümlichen Anwendung der Mathematik auf Psychologie liege.
Indem er versucht, die einzelnen Elemente des Seelenlebens, die
Vorstellungen, als Kräfte anzusehen, die, durch die Einheit des
Bewusstseins genöthigt, in Wechselwirkung treten, ergibt sich
ihm die Aussicht auf eine Statik und Mechanik des Geistes-
1 Im Jahre 1806 erschien eine Sonate von ihm im Stich, die er seinen
Freunden, dem Uebersetzer des Ariost, Gries, und dem Philosophen
Fr. Koppen widmete.