Full text: Sitzungsberichte / Akademie der Wissenschaften in Wien, Philosophisch-Historische Klasse Sitzungsberichte der Philosophisch-Historischen Classe der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften, Wien, 73. Band, (Jahrgang 1873)

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Zimmefmann. 
analoger harmonischer Verhältnisse zwischen den Abständen 
der Weltkörper Veranlassung gegeben, sondern scheinen auch 
durch ihre Einfachheit und ihre Bildung aus der ersten Decade 
der natürlichen Zahlenreihe zu der wichtigen Stelle, welche 
die letztere in der Kosmologie jener Schule spielt, nicht wenig 
beigetragen zu haben. Die später von Plato adoptirte Er 
klärung der Tugend als einer Harmonie, so wie die von diesem 
dem Pythagoräer Simmias in den Mund gelegte Behauptung, 
dass sich die Seele zum Körper wie die musikalische Harmonie 
zu den Saiten verhalte, sind Beweis genug, Welches Gewicht 
seitens der Schule den wohlklingenden Tonverhältnissen nicht 
blos für die Lehre von der Welt, sondern auch für jene vom 
Menschen in ethischer nicht weniger, wie in psychologischer 
Hinsicht beigemessen worden sei. 
Der Zweck dieses Vortrages ist, darzuthun, dass unter 
den neuern hervorragenden Denkern ein ähnlicher Einfluss 
der Tonlehre auf Ethik und Psychologie bei Herbart stattfinde. 
Derart, dass man sagen kann, dieser Denker, der bekanntlich 
selbst ausübender Tonkünstler und theoretischer Musikgelehrter 
war, nicht nur virtuos Clavier spielte, sondern sich auch nicht 
ohne Glück im Componiren versuchte, 1 sei durch die Musik 
und zwar durch die Harmonielehre auf die grundlegende 
Idee sowohl seiner Seelen- wie seiner Sittenlehre theils ge 
bracht, theils in derselben bestärkt worden. 
Es ist längst anerkannt, dass das Charakteristische der 
Psychologie Herbart’s nicht sowohl in seiner Beiseitesetzung 
der herkömmlichen Theorie der Seelenvermögen, in welcher 
Hinsicht er mit der Schule der Empiristen und Sensualisten, 
mit Locke, Condillac und unter den Deutschen mit Beneke in 
gleicher Richtung sich bewegt, sondern in der ihm eigen- 
thümlichen Anwendung der Mathematik auf Psychologie liege. 
Indem er versucht, die einzelnen Elemente des Seelenlebens, die 
Vorstellungen, als Kräfte anzusehen, die, durch die Einheit des 
Bewusstseins genöthigt, in Wechselwirkung treten, ergibt sich 
ihm die Aussicht auf eine Statik und Mechanik des Geistes- 
1 Im Jahre 1806 erschien eine Sonate von ihm im Stich, die er seinen 
Freunden, dem Uebersetzer des Ariost, Gries, und dem Philosophen 
Fr. Koppen widmete.
	        
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