Full text: Sitzungsberichte / Akademie der Wissenschaften in Wien, Philosophisch-Historische Klasse Sitzungsberichte der Philosophisch-Historischen Classe der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften, Wien, 9. Band, (Jahrgang 1852)

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Springer. 
solle, um stark genug zu sein, die gemeinschaftlichen Zwecke mit 
Kraft und Erfolg zu fördern, ohne die Thätigkeit der Staatsangehö 
rigen mehr als nöthig ist, zu beengen; diese und mehrere andere 
hochwichtige Angelegenheiten waren es, die in dem grossen Haus 
halte, den wir den staatlichen nennen, eine fortdauernde Aufgabe 
bildeten, mit deren Lösung jedes Zeitalter nach Mass der vorhan 
denen Zustände und Ansichten beschäftigt war. Daher die unabsehbare 
Reihe von Änderungen politischer Art, die sich als Reformen ange 
kündigt haben, um früher oder später neuen Reformen wieder Platz 
zu machen. Ist der Staat ein politisches Gebäude, so sind 
solche Änderungen seiner Einrichtungen und Institute als neue Rau 
führungen in demselben anzusehen. 
So wie es von grossem Interesse ist, die allmählichen Fortschritte, 
welche die materielle Raukunst zu verschiedenen Zeiten 
gemacht hat, zu überblicken, eben so anziehend ist es, in der Cultur- 
geschichte zu lesen, wie der Mensch aus dem Nomaden ein Ackers 
mann geworden, wie er dadurch für seine Thätigkeit einen festen 
Schauplatz gegründet und eine stabile Corporation gestiftet hat, in 
welcher das Gemeinwesen geregeltere Formen annehmen, die 
Regriffe von Eigenthum festere Wurzel schlagen und zu einer besse 
ren Entfaltung vorhandener Anlagen und Kräfte die nöthigen Redin- 
gungen hergestellt werden konnten. So ward die Verbesserung der 
materiellen Lage zugleich ein Hauptmittel für die Refestigung und 
Ausbildung der politischen Rande, so wie auch diese wieder 
ihre wohlthätige Rückwirkung auf den physischen Zustand des Volkes 
äussern mussten. Auch in der weiteren Entwickelung gingen diese 
beiden Hauptzwecke des geselligen Lebens, die äussere Cultur 
und die politischen Einrichtungen mehr oder weniger Hand 
in Hand, doch stellten sich bei den letzteren nicht selten Schwierig 
keiten ein, die nur ein tiefer Rlick in die menschliche Natur und in 
das vielgliedei'ige Gefüge der bürgerlichen Gesellschaft zum Wohle 
des Ganzen überwinden konnte. Es rührt dies natürlich von der 
Eigenthümlichkeit des Stoffes her, mit dem es der Politiker zu 
thun hat. Während der materielle Raumeister eine fügsame Masse 
vor sich hat, die er nach Gefallen formt und wendet, befasst sich 
der Staatsmann mit Interessen der mannigfaltigsten Art, die sich in 
divergirenden Richtungen bewegen und eine bleibende Ausgleichung 
und Vereinigung ungemein erschweren. Darin liegt die Erklärung
	        
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