Full text: Sitzungsberichte / Akademie der Wissenschaften in Wien, Philosophisch-Historische Klasse Sitzungsberichte der Philosophisch-Historischen Classe der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften, Wien, 9. Band, (Jahrgang 1852)

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Joseph Bergmann. 
und das lange Ried nach Bregenz und theilt den Rathsherren den 
Anschlag der Appenzeller mit. Alsogleich fertigt der Stadtammann 
reitende Boten an den schwäbischen Adel vom St. Georgenschild ab 
und bedeutet ihm eindringlich die nahende Gefahr und mit dem Falle 
von Bregenz auch sein Verderben. Dieser kommt mit 8000 Mann zu 
Fuss und zu Ross herangezogen. Die Appenzeller übersetzen in der " 
Nacht den Rhein und rücken im Frühnebel vor die Stadt im Wahne, 
dass ihre Bürger noch schlafen. Nun werden sie unerwartet ange 
griffen, geschlagen, und fliehend lassen sie Geschütz, namentlich die 
ihnen untreu gewordene grosse Appenzellerinn und Sturmzeug sammt 
dem Banner auf der Wahlstatt. Die Aussage der armen Frau war nun 
durch den Erfolg bestätigt. Sie ward in Liebe gehegt und gepflegt, 
und der Heimatlosen Stube, Kost mit einem Trünldein und Kleidung 
lebenslang gegeben. Man dachte ihrer, der die Stadt Hab’ und Gut, 
Ehre und Leben verdankt, im Rufe des Nachtwächters „Ehreguta.” 
So endet der Vater seine Erzählung. 
Diese Erzählung strotzt von Unwahrheiten und Unwahrschein 
lichkeiten, man bedenke das unbemerkte Führen des Pferdes aus.dem 
Stalle, den Ritt eines alten Weibes, das vielleicht nie auf einem 
Pferd gesessen, im strengsten Winter über Gräben, Zäune und den 
tiefen Schnee durch sieben Stunden in die Stadt! Herr und Gebieter 
in Bregenz war Graf Wilhelm und gewiss nicht der Stadtammann und 
Rath. Unmöglich ist das sogleiche Erscheinen der langsamen schwä 
bischen Ritterschaft auf dem Kampfplatze! Auch mein verehrter Herr 
College Johann Gabriel Seidl hat die Sage von unserer Ehreguta, 
sich dem Stoffe nach an Herrn Decan Walser haltend, in schöner 
Form poetisch erzählt *). 
Der gelehrte Ägid Tschudi (geb. 1S05, gest. 1S71) in seiner 
Schweizer Chronik I, 642, meldet gar nichts von einer Retterinn von 
Bregenz und sagt nur: Der Appenzeller Hauptmann Kupferschmid von 
Schwitz ist vorhin des Anschlags, nämlich die Stadt durch einen 
starken Angriff auf die Belagernden zu entsetzen, inne worden, und 
hat bei Zeiten gen Appenzell um Hilfe geschickt; denn er war zu 
schwach an Volk. Bevor aber die Hilfe kam, wurde er überfallen. Die 
’) Joh. Gabriel Seidl, Tirol und Steiermark (des malerischen und roman 
tischen Deutschlands, 10. Bd.), 2. Auflage, Leipzig 1847, S. 207; dann in 
Ignaz Vincenz Zingerle’s Sagen aus Tirol, Innsbruck 1850, S. 297.
	        
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