Full text: Sitzungsberichte / Akademie der Wissenschaften in Wien, Philosophisch-Historische Klasse Sitzungsberichte der Philosophisch-Historischen Classe der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften, Wien, 97. Band, (Jahrgang 1880)

Ueber die Alexandreis Ulrichs von Eschenbach. 
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Erzbischof von Salzburg habe ihn zu sich eingeladen, aber er 
habe damals den lewen nicht verlassen wollen und er sei noch 
derselben Gesinnung: in dessen Lande sei er geboren und 
nächst Gott sehe er diesen als seinen Herrn an. Das Gedicht 
ist Wenzel II. gewidmet. Aber diesen jugendlichen Fürsten 
neben Alexander zu stellen und derartig zu preisen, hätte gar 
keinen Sinn, wohl aber sind gewisse Aehnlichkeiten zwischen 
Alexander und Ottokar, der sich auch in kurzer Zeit ein ge 
waltiges Reich eroberte, unläugbar vorhanden. Diese Stelle 
ist aber offenbar bei Lebzeiten Ottokars, vor seiner Niederlage 
am Marchfelde (1278) geschrieben. Uebrigens muss Ottokar 
ein gewisses Wohlgefallen daran gefunden haben mit Alexan 
der verglichen zu werden, da auch Meister Sigeher diesen 
Vergleich in verschiedenen Variationen wiederholt (HMS. II, 
260 ff.) und so ist es gar nicht unwahrscheinlich, dass der 
König zur Entstehung des Gedichtes Ulrichs die Anregung gab. 
Für sicher halte ich, dass das V. Buch vor 1278 fertig war. 
Ottokar muss aber bald nach Vollendung dieses Buches 
gestorben sein. Denn das VI. und VII. Buch sind so kahl 
und armselig, der Dichter sucht da nur mit seinem Stoff fertig 
zu werden, benutzt nicht einmal alles, was bei Gu. stand, ganz 
gegen seine früheren und späteren Gewohnheiten; dass man 
diesen Büchern die Noth förmlich ansieht, in der sich der 
Dichter nach dem Tode seines Gönners befand, wo in Böhmen 
Bürgerkriege und Hungersnoth walteten und wohl wenige sich 
um den Poeten kümmerten. Erst mit dem VIII. Buche be 
ginnt wieder ein frischerer Ton, und am Schluss dieses Buches 
weiss er denn auch schon wieder, wem er sein Werk nach der 
Vollendung überreichen werde (18906 ff.). Da muss wohl schon 
Wenzel II. die Regierung übernommen haben (1283), an dessen 
Hofe Ulrich wieder glückliche Tage sah und Müsse genug, das 
IX. und X. Buch in stattlicher Fülle auszuarbeiten. Dem König 
Wenzel ist am Schluss auch das Werk dedizirt (27730 ff.). Da 
er aber neben Wenzel dessen Gemahlin Gutta niemals erwähnt, 
die er doch im Wilhelm von Wenden nie vergisst und fast 
noch höher feiert als den König, so dürfte die Vollendung vor 
deren Ankunft in Böhmen (1287) fallen. 
So wären wir zu dem Resultate gelangt: die fünf ersten 
Bücher fallen zwischen 1270—1278, VI—VII zwischen 1278
	        
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