Full text: Sitzungsberichte / Akademie der Wissenschaften in Wien, Philosophisch-Historische Klasse Sitzungsberichte der Philosophisch-Historischen Classe der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften, Wien, 77. Band, (Jahrgang 1874)

Zur Metaphysik des Schönen. 
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rein geistig durch das Denken aufgegriffen werden, während 
das Schöne ohne Verbildlichung seiner selbst nicht fassbar 
ist, ja gerade in dieser Verbildlichung seiner selbst sein Dasein 
hat. Das Schöne ist nicht ohne das Wahre denkbar und hat 
mit demselben die Geistigkeit gemein ; sein specifisches Wesen 
aber im Unterschiede vom Wahren ist die Versichtbarung 
seines Geistinhaltes durch eine demselben specifisch adäquirte 
Erscheinungsform. Das Schöne ist im Wahren und hat das Wahre 
zu seiner nothwendigen Hinterlage, zu seinem unmissbaren Geist 
gehalte; eine geistlose Schönheit ist eben keine Schönheit, sondern 
bedeutungsleere Form. Während aber das Wesen des Wahren 
darin besteht, an sich zu sein, gleichviel ob dieses an sich 
Seiende in die Erscheinung tritt oder nicht, ist umgekehrt das 
Schöne nur als Erscheinendes vorhanden; der unmittelbare 
und unwillkürliche Reiz desselben aber kann nur darin be 
gründet sein, dass sich in demselben etwas Innerliches, geistig 
Tiefes darstellt und unmittelbar vernehmbar macht. Das Schöne 
ist die adäquate oder mindestens congruente Selbstverbild 
lichung dessen, was an sich ist und in diesem seinem Ansich- 
sein um seiner selbst willen ist und gilt. Um seiner selbst 
willen gilt alles dasjenige, was in der Idee begründet oder 
selbst Idee ist; demzufolge wird das Schöne in einer adäqua 
ten oder congruenten Selbstverbildlichung dessen bestehen, 
was entweder selbst Idee, oder doch in der Idee begründet 
ist. In diesem durchaus idealen Wesen des Schönen ist sein 
innerer unzerreissbarer Zusammenhang mit dem Wahren und 
Guten begründet, und das Schöne ausserhalb des Standpunktes 
der Idee philosophisch gar nicht zu begreifen. 
Eine Metaphysik des Schönen hat es mit dem Schönen 
an sich und mit dem Schönen als solchem zu thun. Der 
scheinbare Widerspruch, der darin liegt, von einem Ansichsein 
des Schönen zu reden, während es doch zu seinem Wesen 
gehört, ein Erscheinendes zu sein, wird sich dadurch lösen, 
dass ein abstractes todtes Sein, das nicht schiene und erschiene, 
überhaupt nicht ist, ein wirklich Seiendes aber, je mehr und 
wahrhafter es ist, desto mehr auch Scheinendes und Erschei 
nendes sein werde, was im höchsten und absoluten Sinne vom 
absolut Seienden gelten muss, das seinem Wbsen nach lauter 
Licht und Glanz ist, und als absolute Centralität nach allen
	        
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