Werner. Zur Metaphysik des Schönen.
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Zur Metaphysik cles Schönen.
Von
Ur. Prof. Werner,
corresp. Mitglied der k. Akademie der Wissenschaften.
Öofern die Lehre vom Schönen Aesthetik heisst, ist damit
schon ausgedrückt, dass das Schöne zunächst Sache einer
seelischen Anempfindung sei, und zwar einer unmittelbaren
Anempfindung, weil nur dasjenige, was unmittelbar gefällt,
auf den Namen Schön Anspruch hat, und auch daun nur unter
der Voraussetzung, dass dieses unmittelbare Gefallen in einer
gemeinmenschlichen und gleichsam naturnothwendigen Empfin
dung begründet ist. Eben diese Gemeingiltigkeit der subjec-
tiven Schönheitsempfindung verleiht derselben objective Bedeu
tung und Giltigkeit, und schliesst die Aufforderung in sich,
nach dem objeetiven Wesen des Schönen zu fragen, die objec-
tiven Gründe und Ursachen des subjectiven Gefallens zu
ermitteln.
Zum allgemeinen Wesen des Schönen gehört die Ueber-
einstimmung desselben mit sich selber oder die Harmonie;
nur das Harmonische gefällt, alles Disharmonische missfällt.
Somit wäre Harmonie eine objective Bedingung und ein objec-
tives Gesetz des Schönen. Aber nicht alles, was harmonisch
in sich selbst zusammenstimmt, verdient darum schon den
Namen des Schönen; Alles, was zweckmässig geordnet ist,
ist eben dadurch auch mit sich selbst in Uebereinstimmung
gebracht, ohne dass es desshalb schon den unmittelbaren Ein
druck der Schönheitsempfindung hervorzubringen im Stande
wäre. Das Zweckmässige ist eben seinem Begriffe nach von
jenem des Schönen verschieden; und der Unterschied Beider
wird darin liegen, dass die Zweckmässigkeit durch den Ver-