Full text: Sitzungsberichte / Akademie der Wissenschaften in Wien, Philosophisch-Historische Klasse Sitzungsberichte der Philosophisch-Historischen Classe der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften, Wien, 72. Band, (Jahrgang 1872)

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Ficker. 
verpflichtet ist; sogar die unmittelbare Nutzung steht dem 
Könige bei Lebenszeit des Investirten in Einzelfällen zu. 
Auf jene erste Auffassung führt insbesondere das Re 
galienrecht bei Erledigung der Kirche. Nach kirch 
lichen Vorschriften sollte nach dem Tode des Bischofs das 
Gut der Kirche von einem Oeconomen zum Nutzen des Nach 
folgers verwaltet werden. Statt dessen fallen bei den Reichs 
kirchen die das gesammte Gut umfassenden Regalien nach 
dem Tode des Investirten an den König zurück und verbleiben 
in Besitz und Nutzung desselben, bis er dieselben dem Nach 
folger durch Investitur übertragen hat. Nur freilich so, dass 
diese und andere verwandte Befugnisse des Königs unmittel 
bar nur die Güter und Rechte treffen, welche dem Investirten 
zur freien Verfügung standen. Was vom Gute dem Capitel 
und den abhängigen Kirchen zugewiesen oder an Vasallen und 
Ministerialen verliehen war, blieb natürlich in ihrem Besitze, 
sie folgten gleichsam ihrem Gute an den König als den obern 
Herrn, dem sie dann aber auch unmittelbar zu den Leistungen 
verpflichtet waren, welche sonst zunächst dem Investirten ge 
bührt hätten. 
Zeugnisse dafür, dass von den Königen und andern 
Grossen die Einkünfte des Kirchengutes bei erledigtem Stuhle 
beansprucht wurden, finden sich schon vielfach in fränkischer 
Zeit (vgl. Thomassin P. 3 1. 2 c. 54). Kirchlicherseits wird 
das allerdings als unberechtigter Eingriff behandelt, anderer 
seits aber doch auch wieder der König als Hüter des Gutes 
anerkannt, nur nicht zu eigenem Nutzen. Dass schon der Ent 
stehung des anfangs als Missbrauch betrachteten Rechtes die 
Anschauung eines Eigenthums des Königs am Gute der Bis- 
thümer zu Grunde lag, dürfte kaum wahrscheinlich sein. Eher 
glaubte ich annehmen zu dürfen, dass das besondere Bedürf 
nis eines Schützers für das Gut bei Erledigung auf die Fest 
setzung jener Anschauung einwirkte (vgl. § 16). 
In späterer Zeit aber handelt es sich da in keiner Weise 
um missbräuchliche Ausdehnung staatlicher Hoheitsrechte. Es 
handelt sich einfach um die Anwendung eines allgemeinen 
Grundsatzes auf die dem Reiche gehörenden Kirchen, des 
Grundsatzes nämlich, dass Kirchengut mit dem Tode des In 
vestirten an den Investitor zurückfallt. Das ergibt sich deut-
	        
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