Full text: Sitzungsberichte / Akademie der Wissenschaften in Wien, Philosophisch-Historische Klasse Sitzungsberichte der Philosophisch-Historischen Classe der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften, Wien, 72. Band, (Jahrgang 1872)

Wahl und Thronbesteigung Adrian’s VI. 
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stossen und eine ganz neue Kirche zu begründen. Wer 
in solchem Gedränge nicht etwa in frevlem Leichtsinne den Muth 
nicht verlor, sondern selbst auch die Hoffnung hegte, mit ruhi 
gem Gottesvertrauen den Uebelständen gewachsen zu sein, war 
ein Held, in seiner Weise auch ein Ritter ohne Furcht und Tadel. 
Je mehr sich aber Adrian mit den Ideen des Aegidi’schen 
Programms vertraut machte, in desto schärferen Gegensatz 
setzte er sich nothwendiger Weise mit seiner ganzen Umgebung. 
Er musste sehen, dass der alte oft gebrauchte Ausdruck der 
Päpste, sie seien wie auf eine Warte gestellt, für ihn eine Ver 
einsamung bedeute, die mit der Zeit eher zu- als abnahm. Man 
begreift, dass der Papst sich von allen Entscheidungen in 
Gnadensachen zurückzog und nur mit einem „wir werden 
sehen“ zu antworten pflegte, dass sein Datar sich in unerbitt 
lichen Ernst einhiillte, dass er selbst an sich sparte, um die 
Kirche aus dem Nothstande Leo’s X. herauszureissen; dass 
aber durch alles dieses die neue Regierung einen herben Cha 
rakter annahm, welcher denjenigen, die lustigere Zeiten ge 
sehen, fast unerträglich ward, und die überlegende, aber eben 
deshalb auch zögernde Gerechtigkeit des Papstes der Gegen 
wart keinen Ersatz für die Entbehrungen bot, die er vom 
Standpunkte der Reform verlangte und die Jeder vielleicht in 
Betreff Anderer, aber nur nicht in seinen eigenen Angelegen 
heiten zugestand oder passend fand. Wo aber der Papst mit 
irgend einem Nachdrucke auftreten wollte, fand er sich ge 
hemmt, und heftete sich die üble Finanzlage wie eine Bleisohle 
an seine Füsse. Wie konnte er ein subsidium caritativum ver 
langen, das ihn in moralische Abhängigkeit brachte? Wie An- 
naten, nachdem er dem Principe derselben entgegen war? 
Welche Rolle war ihm aber selbst beschieden, wenn er zwar 
an sich sparte und sparte, aber auf Jahre hinaus zu einer Un- 
tlnttigkeit angewiesen war, während man von ihm die grösste 
Thätigkeit verlangte und bereit war, alles w r as von ihm aus 
ging, Thun und Lassen, mit der herbsten, unbilligsten Kritik 
zu begleiten? 
Brechen wir hier die Schilderung dessen ab, was wir über 
die Anfänge des Pontificates Adrians zu berichten vermögen, 
um uns nicht zu sehr in das Detail zu verlieren. — Es han 
delte sich zunächst, was mit der spanischen Kriegsmacht zu 
Sitzb. d. phil.-hist. CI. LXXII. Bd. I. Hfl. 16
	        
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