Ueber Kant’s mathematisches Vorurtlieil und dessen Folgen.
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Eine solche über jeden Zweifel erhabene Erkenntniss war
Kant die Mathematik, vor allem die Geometrie und diese
wieder in der Form, die ihr Euclid gegeben. Die Geome
trie, sagt er (II. 65), ist eine Wissenschaft, welche die Eigen
schaften des Raumes synthetisch und doch a priori bestimmt.
Kant legt sich die Frage vor: was muss die Vorstellung des
Raumes dann sein, damit eine solche Erkenntniss von ihm mög
lich sei? und antwortet: sie muss eine Anschauung sein!
Den Beweis für diese Antwort zerlegt er in zwei Theile, in
dem er besonders beweist, dass der Raum Anschauung,
und dass diese a priori sei. Ersteres folge daraus, weil sich
aus einem blossen Begriffe keine Sätze, die über den Begriff
hinausgehen, ziehen lassen, welches doch in d,er Geometrie, wie
Einleitung V bewiesen sei, geschehe. Ob es an jener Stelle
bewiesen sei, hängt von der oben angestellten Betrachtung ab.
Letzteres aber kommt daher, weil die geometrischen Sätze ins-
gesammt. apodiktisch, d. i. mit dem Bewusstsein ihrer Nothwcn-
digkeit verbunden sind; dergleichen Sätze aber nicht empiri
sche oder Erfahrungsurtheile sein, noch aus ihnen geschlossen
werden können.
Der Anschauung bedürfen geometrische Sätze nur, weil
sie synthetisch, bedürfen derselben also nicht, wenn sie im Gegcn-
theile analytisch (oder identisch) sind. Einer apriorischen An
schauung aber bedürfen sie, weil sie ,apodiktisch', d. i. ,mit dem
Bewusstsein ihrer Nothwendigkeit verbunden sindh Letzteres
dient als Erkenntnissgrund, aus dem die Apriorität der
Anschauung, worauf die geometrischen Urtheile beruhen,
erschlossen wird. Keineswegs müsste aus demselben auf die
synthetische Natur der geometrischen Urtheile ein Rück
schluss gemacht werden. Apodikticität könnte denselben auch
dann zukommen, wenn sie analytisch oder identisch wären,
ja müsste es sogar; denn das identische oder analytische
Urtheil kann nicht anders als mit dem Bewusstsein seiner
Nothwendigkeit verbunden auftretep. Nicht weil die geome
trischen Urtheile apodiktisch, dürfen sie nicht analytisch, son
dern nur, wenn sie synthetisch, müssen sic, weil apodiktisch,
durch eine reine Anschauung vermittelt sein. Das Vor ur
theil von der synthetischen Natur der mathematischen, hier
der geometrischen Urtheile, zieht die Voraussetzung einer