Full text: Sitzungsberichte / Akademie der Wissenschaften in Wien, Philosophisch-Historische Klasse Sitzungsberichte der Philosophisch-Historischen Classe der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften, Wien, 53. Band, (Jahrgang 1866)

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R o e s I e r 
auch zum Abschlüsse gebracht; freilich im Sinne derjenigen, wel 
che das Verwandtschaftsverhältniss der Geten und Gothen in Abrede 
stellten, also im offenen Gegensätze zu J. Grimms Behauptungen 
selbst, der auch ferner an ihnen hieng und sie mit vielem Eifer vor 
den Angriffen der Gegner zu schützen bemüht war. Aber die Irr- 
thümer der grossen Forscher sind ja häufig reiche Quellen des Fort 
schritts. — Die Gründe Wirths gehen fast durchaus darauf hin, die 
Ähnlichkeit der Sitten hei Geten und Gothen nachzuweisen, woraus 
dann ihre Verwandtschaft abzuleiten ihm weiter kein Bedenken macht. 
Aber auf gewissen Culturstufen zeigen die heterogensten Volks 
stämme überraschende Ähnlichkeiten und das zufällige Zusammen 
stimmen einzelner Gebräuche und Ansichten darf hier lange nicht 
jene Bedeutung ansprechen, die ihm Viele beizulegen so rasch sich 
verfuhren liessen. J. Grimms Argumente waren theils sprachlicher, 
theils historischer Natur, auch die Gegner äusserteu sich in zwei 
facher Dichtung. Wenn ich die linguistische Erwägung im Einzel 
nen den Kennern der deutschen Sprachwissenschaft überlasse, so 
wird es mir erlaubt sein, den Andeutungen einer Autorität *) Beifall 
zu schenken, die mit scharfem Auge auf entscheidende Puncte auf 
merksam machte. Das Hauptargument Grimms, „die Namensidentität, 
wird hinfällig, sobald man sieht, dass Grimms Guthai, Guthos oder 
Guthans nur statt gothischen Gutös, altn. Gotar oder Gotnar, ags. 
Gotan, ahd. Gozon oder Gozä seiner Hypothese zu Liebe erfunden 
worden 2 ), nachdem in der Stelle bei Plinius (IV, 18) der Text der 
Bücher Aorsi Gaudae Clariaeque durch die genaue Einsicht der Hand 
schriften in aedis caugde claneaeque verändert worden und so einer 
der wichtigsten Anhaltspuncle plötzlich abfiel. Räumt man ein, dass 
dasGetische oder Dakische noch nicht die deutsche Verschiebung der 
Consonanten kennt (Gesell, der deutschen Spr. 436), muss man auch 
zugeben, dass Getae, den Wechsel der Vocale angenommen, im 
Munde der Gothen Kuthai lauten musste: durch Anomalien und pro 
blematische Vergleichungen das beliebte Guthai rechtfertigen wollen, 
heisst den Beweis aufgeben; muss man nun ausser dem Mangel der 
Lautverschiebung — d. h. des charakteristischen Zeichens deutscher 
Sprache unter den ihr stammverwandten — auch noch zugestehen, 
l ) Möllenhoff in Ersch und Grubers Encyklopädie, Artikel Geten, S. 463. 
Q D. Grammat. I, 86. Haupts Zeitschrift f. d. g. Alt, IX, 244.
	        
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