Full text: Sitzungsberichte / Akademie der Wissenschaften in Wien, Philosophisch-Historische Klasse Sitzungsberichte der Philosophisch-Historischen Classe der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften, Wien, 172. Band, (Jahrgang 1913)

Studien zur Vorgeschichte einer romanischen Tempuslehre. 
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regis ad vestram excellentiam habuerunt deferri. Th. übersetzt 
präsentisch ,so würde es heute gefunden werden“; da aber im 
Vordersatz ein Präteritum steht, dürfte auch im Nachsatz ein 
Prät. angezogen worden sein. Audi ist sinngemäß die Über 
setzung mittels einer Zeitform des Ausdrucks des Zuständlichon 
durchaus nicht ausgeschlossen, etwa ,dann wäre heute Italien 
von den Langobarden als frei befunden und aller Besitz des 
Königs A. wäre Eurer Hoheit übertragen“; es ist also gewisser 
maßen die präteritale Idee, statt im Infinitiv zum Ausdruck zu 
kommen,' im Hilfsverbum bezeichnet. Ähnliches werden wir 
noch wiederholt konstatieren. 
Will man nicht in dem letzten Beleg, dem in den zeit 
genössischen Schriften des Papstes Gregor nichts Gleiches zur 
Seite steht, eine spätere Phase der Entwicklung sehen, als in 
dem 200 Jahre späteren Beispiel aus den Ed. Langb., so ergibt 
sich aus dem Erwähnten, daß der toskanische Typus cantarei 
zu dem Typus der übrigen Romania cantaria sich verhält wie 
cantavissem zu cantarem, d. h. cantarei und cantaria sind nicht 
begrifflich gleichwertig, sondern sind ursprünglich in der Zeit 
stufe geschieden; auch in Mittelitalien werden sie ursprünglich 
nebeneinander bestanden haben, ersteres als Irrealis Praeteriti, 
letzteres als I. Praesentis. Erst sekundär, wohl nicht vor dem 
10. Jahrhundert, wurden die beiden Formeln gleichwertig und 
verschmolzen (§ 262). 
31. Fragen wir uns nun, warum gerade in Mittelitalien 
die Formel cantare habui erhalten blieb, während sie sonst 
überall unterging, so erklärt sich dies daraus, daß als Irrealis 
Praeteriti auf demselben Gebiet, auf dem cantare habui unter 
ging, cantaram eintrat, d. h. das Auftreten des letzteren ließ 
die erstere Formel nicht zur Ausbildung kommen. 
Die Formel si habuissem, dederam ist seit Cicero in der 
lateinischen Literatur durchaus geläufig (Blase, Plusqu. S. 66 ff.), 
vgl. Cic. fam. 12, 10, 3 praeclare viceramus, nid . . .recepisset; 
Seneca Rliet. p. 5, 23 belle is cesserat, d nasus Atticus ibi 
substitis&et etc., vgl. auch Foth S. 274ff.; Wedkiewicz S. 82. 
Was das Verhältnis der Formel si habuissem —• dedisseni zu 
d habuissem — dederam betrifft, so treten in der 2. Formel 
ursprünglich die Verba des ,Könnens“ und ,Müssens“ am häu 
figsten auf. Dies erklärt sich aus der Sonderstellung dieser
	        
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