Full text: Sitzungsberichte / Akademie der Wissenschaften in Wien, Philosophisch-Historische Klasse Sitzungsberichte der Philosophisch-Historischen Classe der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften, Wien, 168. Band, (Jahrgang 1911)

Das eheliche Güterrecht in der Summa Raymunds etc. 
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an eine besondere Form des Geschäftsschlusses geknüpft. Die 
ältere Textgestalt verlangt, daß die Erklärung vor Mit 
gliedern des Stadtrats abgegeben werde. Es entspricht dies 
dem von Tomasckek nachgewiesenen Zusammenhang der 
Summa mit städtischen Einrichtungen. Die jüngere, offenbar 
für ländliche Verhältnisse berechnete Textgestalt verlangt An 
wesenheit des Grundherrn (dominus hereditarius, Erbherr) 
und dessen Rat (consilium). Cum consilio ist eine der Ge 
schäftssprache des 14. Jahrhunderts geläufige Wendung. Sie 
bedeutet eine zur Gültigkeit des Geschäfts nicht notwendige 
Zustimmung im Gegensatz zum ,guten Willen' oder der 
,Gunst' (bona voluntas, Consensus), die die rechtlich not 
wendige Zustimmung bezeichnen. 1 Nach der jüngeren Fas 
sung soll die Frau vor ihrer Erklärung, die sie vor dem 
Grundherrn abzugeben hat, dessen Rat einholen. Auch aus 
dieser Stelle ist ersichtlich, daß bei Heiratsgut nur an Grund 
stücke gedacht wird. 
Ist die vorgeschriebene. Form nicht eingehalten, so ist 
das Geschäft ungültig. 
Einigermaßen abweichend ist die alienatio dotis in 
Frage 11 behandelt. Sie ist ausnahmslos verboten (verb. 
nullo casu). Wird sie doch vorgenommen, so verliert die Frau 
die dos. 
Der Zusammenhang der beiden Bestimmungen ist nicht 
sofort klar. Welcher Unterschied besteht zwischen resignare 
und renuntiare einerseits und alienare andererseits 1 Ein 
solcher Unterschied muß aber bestehen, weil beide Fälle ver 
schieden geordnet sind. Während jene Geschäfte ausnahms 
weise zulässig sind, ist alienatio absolut verboten. Die Sank 
tion für jenes Verbot ist Ungültigkeit des Geschäftes, für die 
Übertretung dieses Verbots ist eine Verwirkung des Rechts 
des Veräußerers bestimmt. 
Man könnte vielleicht daran denken, Frage 11 auf Ver 
äußerungen des Mannes zu beziehen, während Frage 10 Ver 
äußerungen der Frau betrifft. Für diese Annahme scheint 
der Zwischensatz quia eam iure precario possidet zu sprechen; 
denn in der Tat hat der Mann am TIeiratsgut einen der Ge- 
1 S. Bartsch, Seelgerätsstiftungen S. 17 f.; vgl. auch Bartsch, Die Rechts 
stellung- der Frau S. 83 f. 
Sitzungsber. d pliil.-hist. Kl. 168 Bd., 7. Abh. 3
	        
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