Full text: Sitzungsberichte / Akademie der Wissenschaften in Wien, Philosophisch-Historische Klasse Sitzungsberichte der Philosophisch-Historischen Classe der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften, Wien, 168. Band, (Jahrgang 1911)

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VI. Abhandlung;: Kr ei big;. 
lauf nur dann innerlich wahrgenommen werden kann, wenn er 
wirklich vorhanden ist, zählt zu den Evidenzen, an die sich 
noch keine Skepsis ernstlich gewagt hat. Ein Zweifeln daran, 
daß ein Erlebnis ohne qualitativ-intensive Beschaffenheit oder 
ohne zeitliche Bestimmtheit unwahrnehmbar wäre, darf ebenso 
als Ungedanke gelten. Täuschungen gibt es im Bereiche der 
inneren Wahrnehmung nicht. Das Bestehen eines Unbewußten 
psychischer Natur würde nur beweisen, daß das Bemerken 
eigener Zustände oder Abläufe ausbleiben, nicht aber, daß ein 
Nichts unmittelbar erfaßt werden könne. Der Umstand, daß 
das innere Wahrnehmungsurteil, wie bereits erörtert, das Sein 
und Bestimmtsein seines realen Gegenstandes unmittelbar und 
ohne Mitwirkung des Prinzips vom zureichenden Grunde er 
faßt, macht das Erkennen des Psychischen frei von Transzendenz 
und evident gewiß, wenn auch nicht a priori im Sinne der Un 
abhängigkeit von der Erfahrung. 1 Jene Immanenz verbürgt aber 
andererseits die Richtigkeit der These, daß das realisierende Auf 
fassen die allgemeine Wahrnehmungsform der inneren Wahr 
nehmung ist, womit sich der Kreis unserer Betrachtungen wider 
spruchsfrei schließt. 
14. 
Es sei uns gestattet, zum Beschlüsse unserer Untersuchun 
gen nach bewährtem Brauch ihre allerwesentlichsten Ergeb 
nisse in einige rekapitulierende Thesen zusammenzufassen: 
1. Für die äußere Wahrnehmung ist konstitutiv: a) der 
Empfindungsanteil, b) der Auffassungsakt, bestehend aus einem 
Willensanteil (der Aufmerksamkeit) und aus einem Denkanteil 
(dem Wahrnehmungsurteil). 
2. Das primäre äußere Wahrnehmungsurteil entspricht einem 
bejahenden Existenzialurteile, welches das reale Sein der Außen 
dinge und Vorgänge (des Physischen) setzt; das sekundäre äußere 
Wahrnehmungsurteil prädiziert den Objekten ihre Bestimmt 
heiten (Beschaffenheit und Räumlichkeit). 
1 Unseres Erachtens sind überhaupt Urteile, die ein Sein oder Bestimmt 
heit aussagen, grundsätzlich aposteriorisch; apriorische Urteile, die in 
der Natur der beurteilten Materie beglaubigt sind, gibt es nur über Be 
ziehungen zwischen deutlich erfaßten Vorstellungsgegenständen. Näheres 
in Kreibig, Intellektuelle Funktionen, Wien und Leipzig, 1909, p. 172, 
293—298.
	        
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