I. Abh.: v. Schroeder. Gerraaniscbe Elben und Götter beim Estenvolkc.
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I.
Germanische Elben und Götter beim Estenvolke.
Von
Leopold v. Schroeder,
wirkl. Mitgliede der kais. Akademie der Wissenschaften.
(Vorgelegt in der Sitzung am 31. Jänner 1906.)
Seit unvordenklichen, prähistorischen Zeiten, jedenfalls
schon seit Jahrtausenden, leben Indogermanen und Fennougrier
in beständiger Berührung und Beziehung miteinander und zu
einander. In der ältesten Zeit, bis zu der unser Blick zurück
reicht — der letzten Periode der sogenannten Urzeit — lebten
die indogermanischen Völker aller Wahrscheinlichkeit nach im
mittleren Europa von Frankreich bis zum kaspischen Meere
und Ural hin, in weiter Ausdehnung, während im Osten Euro
pas, im jetzigen Rußland und Skandinavien, ihnen nach Norden
zu wahrscheinlich schon damals die finnisch-ugrischen Völker
angrenzend vorgelagert waren. Denn auch für die früher wohl
angenommene Einwanderung dieser letztgenannten Völker aus
Asien nach Europa liegen keine Beweise vor, während manche
Umstände direkt dagegen sprechen, daher man diese Hypothese
jetzt ebenso wie die entsprechende Annahme für die Indoger
manen aufgegeben hat. Schon die älteste Zeit, bis zu der wir
mit einiger Sicherheit Vordringen können, zeigt uns also wohl
Arier und Finnen in weiter Ausdehnung nebeneinander woh
nend, und dies Nachbarverhältnis dauert fort bis auf den heu
tigen Tag, alle Veränderungen und Verschiebungen im einzelnen
überdauernd.
Als notwendige Folge dieses Verhältnisses mußten sich
fortdauernde gegenseitige Beeinflussungen ergeben, bei denen
die aktivere, energischere, phantasievollere, geistig und kulturell
vorgeschrittenere arische Rasse naturgemäß vorwiegend die
Sitzungsber. d. phil.-hist. Kl. CLIII. Bd. 1. Abb. 1