Full text: Sitzungsberichte / Akademie der Wissenschaften in Wien, Philosophisch-Historische Klasse Sitzungsberichte der Philosophisch-Historischen Classe der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften, Wien, 153. Band, (Jahrgang 1906)

Germanische Elben und Götter beim Estenvolke. 
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nische Völker, die wahrscheinlich größtenteils ina sogenannten 
Mittelalter stattgefunden haben dürfte — möchte ich mir hier 
zu behandeln erlauben. Manche der hierhergehörigen Tat 
sachen sind bisher nur flüchtig und gelegentlich, andere gar 
nicht oder doch nicht in der rechten Beleuchtung behandelt 
worden, und die ganze Frage scheint mir — namentlich außer 
halb der finnischen Forscherwelt — nur wenig beachtet zu 
sein. Ich möchte es daher versuchen, die Aufmerksamkeit der 
Sagen- und Mythenforscher, insbesondere der Germanisten, auf 
diesen Gegenstand zu lenken. Er ist nichts weniger als un 
interessant — er regt manche wichtige Frage an und bringt 
in andere erwünschtes Licht hinein. 
Entlehnungen anzunehmen, auf allen Kulturgebieten und 
schon in den ältesten Zeiten, ist man heutzutage fast zu sehr 
geneigt. Mir will es wenigstens scheinen, daß dies oft etwas 
leichthin geschieht, daß nicht selten die Möglichkeit schon 
gleich für die Wirklichkeit genommen oder gar die Wirklich 
keit behauptet wird, wo kaum die Möglichkeit, geschweige denn 
irgend welche Wahrscheinlichkeit vorliegt. Das gilt z. B., wie 
mich dünkt, von A. Brückners Behauptung, die Slawen hätten 
ihre Gottesbezeichnung bogü von den Iraniern entlehnt, wofür 
auch nicht der Schatten einer Wahrscheinlichkeit vorliegt. Re 
ligiöse, mythische und andere Vorstellungen, Sagen und Sitten, 
bisweilen recht auffallender Art, begegnen uns bekanntlich nicht 
selten hei den entlegensten, in ihrer Abstammung und geschicht 
lichen Entwicklung weit von einander abliegenden Völkern, bei 
denen an Entlehnung kaum gedacht werden kann, in über 
raschender Übereinstimmung, und man hat daher alle Ursache, 
mit der Behauptung von Entlehnungen und Beeinflussungen 
von dieser oder jener Seite her behutsam zu sein. Zweifellos 
entstehen oft genug Vorstellungen ganz ähnlicher Art bei den 
verschiedensten Völkern ganz selbständig und unabhängig von 
einander, hervorgehend aus einer Übereinstimmung in der all 
gemeinen menschlichen Veranlagung, und mit Recht werden 
diese ethnographischen Parallelen' heutzutage sorgfältig be 
achtet. Sie sind von großer prinzipieller Bedeutung. Anderer 
seits hat ganz unzweifelhaft oft genug tatsächlich eine Beein 
flussung eines Volkes durch das andere, wie auf anderen 
Gebieten, so auch auf demjenigen des Mythus und der Sage 
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