Full text: Sitzungsberichte / Akademie der Wissenschaften in Wien, Philosophisch-Historische Klasse Sitzungsberichte der Philosophisch-Historischen Classe der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften, Wien, 110. Band, (Jahrgang 1885)

Kant und Comte in ihrem Verhältniss zur Metaphysik. 
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unzureichenden) Ersatz zu bieten, so hängt sie andererseits 
nach unten durch ihren somatischen Theil aufs engste mit der 
Naturwissenschaft, und zwar zunächst mit der Wissenschaft 
von der organischen Natur oder Lehre vom lebendigen Körper 
(Biologie), von dem die anthropologische Somatologie oder 
Wissenschaft vom menschlichen Leihe nur ein Capitel aus 
macht, zusammen. Insofern jedoch der Mensch als nach dem 
bekannten Ausdruck des Aristoteles ,geselliges Thier' nicht 
sowohl in Vereinzelung (ausser ,als Robinson'), sondern inmitten 
seinesgleichen und im Zusammenleben mit andern als gesell 
schaftliches Wesen Gegenstand der Erfahrung ist, lassen sich 
innerhalb der empirischen Anthropologie mehrerlei Erfahrungs 
wissenschaften unterscheiden, von welchen die eine, die ge 
wöhnlich mit diesem Namen belegt wird, den Menschen als 
Einzelwesen, die andere entweder denselben, insofern er mit 
andern seinesgleichen zu einem Ganzen (Gesellschaft) verbunden 
ist, als gesellschaftliches Wesen, oder dasjenige Wesen, welches 
durch die Vereinigung menschlicher Einzelwesen zu einem Gan 
zen (Gesellschaft) entsteht, das Gesellschaftswesen, zum Gegen 
stände hat. Dabei bringt der empirische Charakter aller drei 
angeführten Wissenschaften es mit sich, dass ebensowenig als 
in der Psychologie des Einzelwesens Normen für das Denken, 
Beurtheilen oder Thun und Lassen aufgestellt werden, in der 
socialen Anthropologie Normen für das Verhalten des Menschen 
in der Gesellschaft oder in der anthropologischen Sociologie 
Normen für die Gesellschaft gegeben werden. Jene behandelt 
den socialen Menschen, diese die menschliche Gesellschaft, wie 
beide thatsächlich sind' oder zu sein pflegen, als Wirkliches, 
nicht, wie beide sein sollen, als zu Verwirklichendes. Weder 
handelt es sich darum, dem socialen Menschen vor dem Ein 
siedler, noch der Gesellschaft als solcher vor dem Individuum 
einen Vorzug in dem Sinne beizulegen, dass der Einsiedler um 
desswillen verpflichtet wäre zum gesellschaftlichen Leben zurück 
zukehren, oder das Individuum mit andern seinesgleichen ein 
Gesellschaftswesen zu formiren. Beide, der sociale Mensch 
wie die Gesellschaft sind für den Empirismus lediglich Tliat- 
sachen, die er vorfindet, deren Natur und Wesen er wie die 
jedes andern erfalirungsmässig Gegebenen analysirt, deren 
natürliche Folgen er entwickelt und deren Ursachen, wenn thun-
	        
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