Full text: Sitzungsberichte / Akademie der Wissenschaften in Wien, Philosophisch-Historische Klasse Sitzungsberichte der Philosophisch-Historischen Classe der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften, Wien, 110. Band, (Jahrgang 1885)

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Zimme rmann. 
lieh, er zu entdecken und anzugeben bemüht ist. Findet sich 
dabei, dass der Grund der Thatsache des socialen Zusammen 
lebens in dem gleichfalls als Thatsache anzuerkennenden Vor 
handensein einer auf andere seinesgleichen bezugnehmenden 
^socialen) Anlage im Menschen, z. B. in einem natürlichen Zuge 
zur Gesellung mit anderen (socialem Instinct, Geselligkeits 
trieb), oder auf einer unwillkürlichen Nachahmung der Gefühle 
anderer durch die eigenen (sociales Gefühl, Mitgefühl, Sym 
pathie) gelegen sei, so folgt daraus zwar, dass, weil ohne Vor 
handensein dieser auch das sociale Zusammenleben nicht vor 
handen wäre, jene sociale Anlage für die Gesellschaft den 
(theoretischen) Werth einer conditio sine qua non habe, keines 
wegs aber, dass darum die sociale Anlage im Menschen (der 
Geselligkeitstrieb oder das Mitgefühl) an sich, ohne Bezug auf 
das Zustandekommen der Gesellschaft einen höheren Werth 
und deshalb einen Vorzug besitze vor jedem andern im Men 
schen durch die Erfahrung aufgezeigten Trieb, Gefühl oder 
überhaupt Vermögen. Altruismus oder die Lehre, dass das 
durch die Rücksicht auf den andern hervorgerufene Handeln, 
und Egoismus oder die Lehre, dass das durch die Rücksicht 
auf den Handelnden selbst beeinflusste Handeln besser als die 
entgegengesetzte Handlungsweise sei, sind daher vom Stand 
punkt des Empirismus aus gleich unberechtigt, es wäre denn 
vorher ausgemacht, entweder dass das gesellige Zusammen 
oder das vereinzelte Einsiedlerleben besser sei als die entgegen 
gesetzte Lebensweise. Nun ist zwar von letzteren beiden 
Lebensweisen die erstere insofern der letzteren übergeordnet, 
als der Bestand der Gesellschaft den Bestand von Individuen 
zur Vorbedingung hat, etwa wie das erste Stockwerk den 
dasselbe stützenden Pfeilern des Erdgeschosses übergeordnet 
ist. Von den beiden Organismen der Gesellschaft und des 
Einzelmenschen ist der erstere der complicirtere, insofern seine 
Theile, also die Einzelindividuen selbst Organismen sind; der 
ausschliesslichen Erkenntnissquelle des Empirismus, der Er 
fahrung, gegenüber aber ist der complicirtere nicht mehr und 
nicht weniger blosse Thatsache als der einfachere Organismus, 
und einen Grund, der Gesellschaft an sich einen höheren (unbe 
dingten) Werth als dem Einzelindividuum und diesem letzteren 
gleichfalls an sich einen niedrigeren (nur bedingten) Werth bei-
	        
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