Full text: Sitzungsberichte / Akademie der Wissenschaften in Wien, Philosophisch-Historische Klasse Sitzungsberichte der Philosophisch-Historischen Classe der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften, Wien, 9. Band, (Jahrgang 1852)

Über die Justizreformen unter K. Leopold II. etc. 243 
Was indessen unter diesen Umständen kommen musste, war un 
ter dem seit 1790 herangewachsenen Geschleclite eine gänzliche Un- 
kenntniss der durch Jahrhunderte bestandenen Justizverfassnng. Als 
} sie aufgehört hatte, praktische Wichtigkeit zu haben, kamen die oft 
nicht einmal niedergeschriebenen Gewohnheitsrechte in Vergessen 
heit, die Fragmente des geschriebenen Rechtes, in so weit sie nicht 
hei einzelnen Materien des bürgerlichen Gesetzbuches noch Anwendung 
hatten, kamen in Vergessenheit oder wurden unverständlich, und schon 
um das Jahr 1798 waren die Beamten äus'serst selten, welche noch 
in ihrer Gegend nach dem alten Rechte ihr Amt hätten führen können. 
Um 1810 fand man keine Menschen mehr, welche noch zusammen 
hängende Begriffe von dem alten Rechte und den alten Gemeindever 
fassungen hatten, später fand man nur noch fragmentarische Kennt 
nisse bei Einzelnen und selbst das, was die Registraturen an Acten 
aus der früheren Zeit enthielten, wurde der jüngeren Generation schon 
fremd. 
In den Gemeinden nahm auch das Interesse an den Gemeinde 
angelegenheiten ab, so dass jene, die nicht in die Gemeindeausschüsse 
kamen, sich fast gar nicht darum bekümmerten. Beitragen mochte, 
dass die grösseren Städte in der Verwendung ihrer Einkünfte durch 
die Gesetze sehr eingeschränkt wurden, und in den kleineren Ge 
meinden nebst ähnlichen Einschränkungen auch bestimmte Verbote 
bestanden, die Gemeindeeinkünfte so wie ehemals zur Steuerzahlung 
zu verwenden. Nur darin zeigte sich noch Einiges von der alten 
Gemeindeverfassung, dass die Städte bis zu den in den Jahren 
1806 und 1808 erfolgten Einschränkungen alle Magistratspersonen 
wählten, und auf dem Lande dort und da die Gemeindevorsteher 
stellen an einen gewissen Besitz gebunden waren. 
Diese Verhältnisse wurden in den neueren Zeiten von denjenigen, 
welche die alten Volksrechte überall als das Heilmittel gegen die 
schädlichen Einflüsse des Zeitgeistes betrachteten, viel zu wenig ge 
würdigt; beiihrergehörigenWürdigung aber sieht man, worauf grosse 
Justizreformen, wenn man sie heut zu Tage wollte, sich beschränken 
f müssten. 
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