Full text: Sitzungsberichte / Akademie der Wissenschaften in Wien, Philosophisch-Historische Klasse Sitzungsberichte der Philosophisch-Historischen Classe der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften, Wien, 9. Band, (Jahrgang 1852)

242 Ignaz Beidtel. 
meine Gesetze handelt, die Stände allemal um ihre allfällige Erin 
nerung zu vernehmen.” 
Offenbar ist es, dass, wenn dieser Entschluss des Kaisers, die 
Justizverfassung mit den Beirath von Landständen zu r 
reformiren, zur Ausführung gekommen wäre, die österreichische 
Justizgesetzgebung wesentlichverschiedeneGrundlagenvon 
jenen, welche sich vor und nach 1790 in ihr aussprachen, erhalten 
hätte, doch ist es in mancher Beziehung zweifelhaft, ob dies auch für 
den Staat ein Vortheil gewesen wäre. 
So viel war augenscheinlich, dass im Februar 1792 die Theorie 
über die Frage, welche politische Tendenzen man in den öster 
reichischen Staaten hei der Justizgesetzgebung verfolgen müsse, 
noch gar nicht abgeschlossen war. So lange aber diese Frage nicht 
entschieden war, baute man, wenn auch in Hinsicht auf Sprache, Ord 
nung und einzelne Bestimmungen, das Höchste geleistet wurde, den 
noch ohne dauerhafte Grundlagen. Es war aber, da diese Verhält 
nisse durch mehrere Decennien in Europa fortdauerten, auch eben 
dadurch entschieden, was in Preussen Savigny, nach den Ereig 
nissen von 1815 behauptete, dass unsere Zeit keinen Beruf zur 
Gesetzgebung habe. 
In der That wurden nach Leopold’s II. am 1. März 1792 erfolgten 
Tode die Ideen einer grossen, zum Theil auf neue Grundsätze 
zu gründenden Justiz reform aufgegeben. Man wollte 
nichts als Verbesserungen im Kleinen, vorzüglich in Hinsicht auf Texti- 
rung, Ordnung, Einbeziehung späterer Gesetze in die Hauptgesetze 
und bessere Bestimmungen über einzelne Puncte, auch wurde in allen 
diesen Beziehungen wirklich (1792—1848) sehr viel geleistet. 
Demzufolge äusserte auch die unter Kaiser Joseph II. entstandene 
Justizreform fortdauernd ihre Wirkungen in dem österreichischen 
Staate nach einem grossen Massstabe. Das Volk gewöhnte sich 
nach und nach an das allen Geschwistern gleiche Erbrecht, an die 
vielen zu Folge der Hypothekargesetze entstehenden Besitzverände 
rungen, an die Beurtheilung des Rechts nach der blossen Anleitung 
der positiven Gesetze, an das Rechtsprechen durch die Juristen, an ? 
die Gleichförmigkeit des Rechts, an das im Jahre 1783 entstandene 
Eherecht, an die Abstellung der ehemaligen Processformen. Es wurde 
dadurch für die Einheit des Staates manches gewonnen und das Feld 
zu angemessenen Verbesserungen blieb noch immer offen.
	        
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