Voltaire Studien.
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C’est la loi de Trajan, de Socrate, et la votre,
De ce culte eternel dont la nature est l'apötre.
(Poeme sur la loi naturelle.)
Knüpfen wir liier wieder an das zu Beginn dieses Capitels
Gesagte an. Voltaire’s Gott, sagten wir da, sei der Gott des
physico-theologischen und moralischen Beweises. In dem oben
bezeichneten Sinne denkt sich Voltaire Gott als Urheber und
Herrn der sittlichen Weltordnung. Gott stattet den Menschen
mit seinen physischen, intellectuellen und moralischen Anlagen
aus und stellt ihn in den Zusammenhang der Dinge hinein.
Weder menschliche Bosheit, noch Heiligkeit veranlassen Gott
irgendwie, in den natürlichen Ablauf der Dinge einzugreifen,
und wäre es auch, um zu strafen oder zu lohnen. Dessen
ungeachtet und trotz seines Kampfes gegen die dogmatische
Annahme eines, vom Leibe abtrennbaren, unsterblichen Seelen
wesens will Voltaire den Glauben an eine Vergeltung nicht
fahren lassen. 1 Das Böse straft sich eben, da besondere Ein
griffe, Himmel und Hölle ausgeschlossen sind, nach göttlicher
Anordnung von selbst: es erhebt sieh die Stimme des Gewissens. 2
Wäre die Welt nicht so böse, so wäre sie nicht so unglücklich. 3
1 II faut reconnaitre un Dieu remunerateur et vengeur, ou n’en point
reconnaitre du tout . . Ou il n’y a point de Dieu, ou Dieu est juste.
(Homdlie sur l’athdisme, 1767.) — Tout le raonde rit aujourd’hui de votre
v enfer . . mais personne ne rirait d’un Dieu remunerateur et vengeur . .
en ignorant l’espece des chätiments et des rdcompenses, mais en etant
persuade qu’il y en aura, parce que Dieu est juste. (Diner de Comte
de Boulainvilliers, 3 me entretien.)
2 Sophronisme et Adelos (1766). — Art. Conscience. — Tout ce que je
puis vous dire, c’est que, si vous avez commis des crimes en abusant de
votre liberte, il vous est impossible de prouver que Dieu soit incapable
de vous en punir. (Histoire de Jenni, c. 10.) — Ueber die Fortdauer
nach dem Tode, die Art und Weise derselben lässt sich nach Voltaire’s
Ansicht nichts ausmachen. Jedenfalls ist es, wie die Geschichte zeigt,
eine praktische Annahme von grossem Werthe, an eine Belohnung und
Bestrafung über das Diesseits hinaus zu glauben. Vgl. Strauss, Voltaire.
(G. W. XT, 167 ff.) Das letzte Wort behält denn auch bei Voltaire die
praktische Vernunft*. Man könnte auch sagen, Voltaire bestand auf der
Möglichkeit einer Vergeltung in einem möglichen Jenseits, gerade weil
er in der Unsterblichkeitsfrage Skeptiker blieb.
3 Je voudrais qu’on examinät quel si&cle a £t£ le plus fecond en crimes et
par cons£quent en malheurs. (Derniers remarques sur Pascal, 99.)
Sitzungsber. d. phil.-liiet CI. XCV. Bd. I. Hft. Ö