Full text: Sitzungsberichte / Akademie der Wissenschaften in Wien, Philosophisch-Historische Klasse Sitzungsberichte der Philosophisch-Historischen Classe der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften, Wien, 8. Band, (Jahrgang 1852)

Zur Charakteristik des heil. Justinus etc. 
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die ewige Materie verwarf; Proklus besonders machte den Begriff 
des Glaubens, welcher in der antiken Philosophie verworfen wurde, 
zu einem Hauptbegriffe. Die Einwirkung des Platonismus auf das Chri 
stenthum zeigt sich bis in’s 5. Jahrhundert, wo er dem Aristotelis- 
mus wich. Zuvörderst wurden in der Kirche die Lehren von der 
Weltschöpfung, Trinität und vom menschlichen Geiste von dorther 
ausgebildet. Dann sind einige kirchliche Formeln ganz platonischen 
Ursprungs: Gott, der unbegreifliche, unwesentliche, überwesent 
liche. Besonders im 4. Jahrhundert wurde Manches in Sprache und 
Methode von dort entnommen. Die Meinung, dass die Spuren des 
Platonismus zunächst der Apologeten des zweiten Jahrhunderts aus 
dem alexandrinischen Judenthume herzuleiten seien, lässt sich histo 
risch nicht beweisen; es war ja in letzteres ebenfalls Platonismus 
eingedrungen. Aber weiter hat man zu beachten: 1) dass eine Ver 
fälschung der christlichen Lehre durch den Platonismus nicht ange 
nommen werden kann; denn einestheils ist aus ihm keine Idee ins 
Christenthum herübergekommen, welche sich nicht aus der ursprüng 
lichen Idee des Evangeliums hätte entwickeln können, und andern- 
theils ist die Idee des Evangeliums durch platonische Einflüsse nicht 
verändert worden. Darum hielt 2) die Kirche stets den Widerspruch 
gegen den Platonismus fest ') und behauptete den absoluten 
Vorzug der christlichen Offenbarung. 3) Gerade einige Hauptbegriffe 
des Platonismus hat die Kirche gar nicht aufgenommen. So wird 
das hei Platon viel geltende datp.övt« von der Kirche immer in 
schlimmer Bedeutung gefasst. 4) Der Einfluss des Platonismus war 
überhaupt mehr in der Sittenlehre als in der Glaubenslehre vorhan 
den. Allerdings grenzt die platonische Ethik am nächsten an die 
christliche, wie sie denn hinweist auf Ideale im Menschenleben und 
in der gesellschaftlichen Verfassung. Dazu kommt S) dass als 
Quell der platonischen Lehre am wenigsten die Schriften Platon's 
selbst gebraucht wurden, meist Timäus und unechte Briefe; es 
folgten die „platonisirenden” Väter mehr dem Geiste der platoni 
schen Schule, welcher damals besonders in Alexandrien und Vorder 
asien sehr verbreitet war, der platonischen Tradition. — Die ersten 
Spuren platonischer Philosophie in der Kirche zeigen sich bei Justi- 
') Hierher gehört auch die gegen die Platoniker gerichtete Schrift (des Hippo- 
lytus) rrspl roO irctvro'c, „vom All der Dinge.’'
	        
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